Ekardt Felix Professor, Juristische Fakultät, Universität Rostock Ethik zwischen gesellschaftlicher Norm und staatlichem Rechtsystem Ethik ist die Wissenschaft vom Ethos. Ethos ist die Lehre vom richtigen Handeln. Der Begriff Ethik wird, glaube ich, häufig von Leuten benutzt, die nicht unmittelbar damit arbeiten. Die Suche nach Gerechtigkeit, und die Gerechtigkeitstheorie, oder politische Theorie, philosophische Theorie und die Rechtsphilosophie, handeln davon wie die Gesellschaft richtig organisiert wird, wobei der Begriff „Richtig“ als Parallelbegriff zum Begriff der Wahrheit oder zum Begriff der Tatsache im Bereich der Wissenschaften erscheint. Empirische Wissenschaften handeln davon, dass wahre Aussagen getroffen werden, normative Wissenschaften handeln davon, dass richtige Aussagen getroffen werden. Normativ bedeutet einfach auch das Sollenbezogene. Ethik handelt davon wie die Gesellschaft oder das Handeln aussehen soll. Das ist keine Beschreibung irgendwelcher Fakten. Das wäre Moralsoziologie. Was ist aber das Recht im Verhältnis zur Ethik. Ich bin Jurist, also warum steh ich jetzt hier. Recht ist letzten Endes ein Sonderfall der Ethik, es ist nämlich eine normative Ordnung, der davon handelt wie die Gesellschaft aussehen soll im Gegensatz zur allgemeinen Ethik welche konkrete Sanktionen in sich trägt. Recht und Ethik beschreiben gleichermaßen aber keine Fakten, auch nicht naturwissenschaftliche Fakten. Das ist ganz wichtig für die Medizinethische Debatte. Wenn ich feststellen will ob ich jemand bestrafen kann, dann muss ich auch fragen „War der das, hat der das und das getan“. Das ist eine Faktenfrage, aber die Frage ob ein bestimmtes Verhalten verwerflich ist, ist nicht eine Frage, die anhand von Fakten zu klären ist. Das geht in allen Bereichen genauso. Die Medizinethische Debatte involviert viele hochspannende Fakten. Fragen wie den Sterbeprozess. Das sind Fragen, die als Fakten nichts darüber sagen, wie das Ganze aussehen soll. Gerade Naturwissenschaftler aber verstehen den Unterschied Fakten und Normen, zwischen „sein“ und „sollen“ in einem wesentlichen Punkt miss. Sie sagen: Fakten sind objektiv und Normen sind subjektiv. Normen oder normative Aussagen sind ein anderer Begriff für Wertungen. Damit verbinden viele, wenn nicht vieleicht sogar die meisten Leute, etwas Subjektives. Ich habe bei Fakten und Normen eine Frage: Können sie objektiv sein? Oder sind sie aus irgendeinem notwendigen Grund heraus immer subjektiv. Weil es so drastisch ist verwende ich wieder das Beispiel: „Jetzt kommt der Nazi und verkündet seine Anschauung und meint das ist jetzt die richtige Moral“. Kann ich das jetzt subjektiv klären, ob es das ist oder muss ich das jetzt so stehen lassen, weil der eine denkt das, der andere denkt anders. Wenn es so wäre, dann wären Normen per se immer subjektiv, also aus einer Perspektive heraus formulierbar und was objektiv clever wäre wie es ist. Möglicherweise stimmt das aber nicht. Im Bereich der Tatsachen kann ich die gleiche Diskussion führen. Postmoderne Philosophen und Konstruktivisten würden, wenn sie es konsequent betreiben, ihr Handwerk in Frage stellen, wenn es sowas wie objektive Tatsachen gäbe. Objektiv meint aus jeder denkbaren Betrachtungsweise der Fall und so zu sein, subjektiv meint wahr oder richtig, aus meiner eigenen Sicht. Objektiv oder subjektiv sind zu trennen von der Frage und Fakten. Hat die Diskussion über Ethik überhaupt Sinn? Sie handelt ja davon, wie man handeln soll. Kann ich das überhaupt entscheiden wie ich handeln soll, habe ich den sowas wie Willensfreiheit? Wenn man ethische Debatten führt, kann man sie nur sinnvoll führen wenn man voraussetzt, dass es irgendeine Möglichkeit gibt irgendwas zu entscheiden. In dem Moment, da wir darüber debattieren, ob es Willensfreiheit gibt, hat auch diese Debatte nur Sinn, wenn wir bereits voraussetzen, dass es Willensfreiheit gibt. Viele verbinden Ethik mit Religion wenn sie fragen: „Was soll ich tun wenn ich an Embryonen forsche, oder wenn sie überlegen wer die Kosten für ein Gesundheitssystem tragen soll und welche Leistungen vorzusehen sind. Man fragt den Bischof, Kardinal oder Theologieprofessor. Ich glaube, dass es in einer säkularen Welt nicht die geeignete Antwort gibt die eine religiöse Ethik, die explicit religiös ist und nicht als weltliche Ethik auftritt geben könnte. Eine Ethik die darauf fußt, dass die Grundannahme ist: ich glaube an Gott oder Götter, jedenfalls eine religiöse Einheit und ich glaube, dass ich erkennen kann was diese Entitäten von uns wollen. Das sind keine normativen Aussagen weder noch Faktenaussagen, sondern Glaubens aussagen. Hinter Kant sollten wir nicht zurückfallen. Wenn Theologen in einem öffentlichen Diskurs mit ethischen Positionen auftreten, müssen sie ihre ursprünglich religiösen Gründe eigentlich in allgemein verständliche einsehbare Gründe übersetzen. Also wenn ein Theologe sagt „Embryonen kategorisch zu schützen“ Frag ich Warum? Die Begründung des Warums ist das interessante. Ethik braucht, damit sie relevant ist, eine Konkretisierung und eine Sanktionierung durch das Recht und sie braucht gesamtgesellschaftliche Regeln. Wir benötigen tatsächlich schlicht und ergreifend Gesetze, wir brauchen Regeln darüber, was man mit Embryonen machen kann oder nicht. Wir brauchen Regeln darüber, wer wie viel an eine Krankenversicherung bezahlt und welche Leistungen daraus beglichen werden. Wir müssen uns dabei im klaren sein, dass diese Regeln es dem Einzelnen nie recht machen werden. Wenn in Deutschland und vielleicht auch in Österreich eine Konsenskultur herrscht und man den Eindruck erweckt, dass es gut für alle ist, was man immer macht, dann sind es Kompromisse. Wenn man eine Sache tatsächlich rechtlich regelt hat man eine klare Entscheidung gesetzt.