Gutachten FPMI: Kapitalmarktunion FINANZIERUNG DER

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 Prof. D r. Christoph Kaserer Inhaber des Lehrstuhls für Finanzmanagement und Kapitalmärkte: Technische Universität München Email: [email protected] Christoph Kaserer Gutachten FPMI: Kapitalmarktunion Kapitel 2: Finanzierungsstruktur der deutschen Unternehmen Christoph Kaserer INANZIERUNG D
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M EICHEN (Vorläufige und vertrauliche) Version EINER APITALMARKTUNION ANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR DIE OLITIK F
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Gutachten im Auftrag der FPMI Oktober 2015 Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Christoph Kaserer FINANZIERUNG DER REALWIRTSCHAFT IM ZEICHEN EINER KAPITALMARKTUNION – HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR DIE POLITIK # Gutachten im Auftrag der Finanzplatz München Initiative (FPMI) Oktober 2015 #
Der Autor dankt Marc Steffen Rapp für die Unterstützung bei der Erstellung des Gutachtens. -­‐ 1 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Inhalt 1 Executive Summary ............................................................................................................ 4 2 Finanzierungsstruktur deutscher Unternehmen .............................................................. 14 2.1 Finanzierungsstruktur deutscher Unternehmen ....................................................... 14 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 Eigenkapitalausstattung ..................................................................................... 15 Entwicklung der Eigenkapitalausstattung über die Zeit ..................................... 16 Andere Finanzierungsformen ............................................................................. 21 Europäischer Vergleich ....................................................................................... 26 2.2 Kapitalmarktorientierung deutscher Unternehmen .................................................. 32 2.3 Finanzmarktstruktur in Deutschland ......................................................................... 37 2.3.1 Aktienmarkt als Markt für Eigenkapital .............................................................. 38 2.3.2 Banken und Anleihemärkte ................................................................................ 42 2.4 Zwischenfazit ............................................................................................................. 47 3 Langfristfinanzierung und Kapitalmarktunion .................................................................. 50 3.1 Wesentliche Inhalte der Kapitalmarktunion .............................................................. 50 3.1.1 Grünbuch zur Kapitalmarktunion ....................................................................... 50 3.1.2 Aktionsplan zur Kapitalmarktunion .................................................................... 53 3.1.2.1 Legislativvorschlag zu Kreditverbriefungen ................................................. 54 3.1.2.2 Infrastruktur als neue Vermögensklasse ..................................................... 55 3.1.2.3 Weitere Maßnahmen .................................................................................. 56 3.2 Weitergehende Initiativen im Bereich der Langfristfinanzierung .............................. 57 3.2.1 Weißbuch der Kommission zur Langfristfinanzierung ........................................ 57 3.2.2 Juncker-­‐Plan ........................................................................................................ 58 4 Wirkungsanalyse ............................................................................................................... 61 4.1 Grundlegende Überlegungen zur Bedeutung einer Kapitalmarktunion .................... 61 4.1.1 Theoretische Überlegungen ............................................................................... 61 4.1.2 Empirische Befunde ............................................................................................ 64 4.1.3 Schlussfolgerungen für die Kapitalmarktunion ................................................... 65 4.2 Wettbewerbseffekte im Zusammenspiel von Banken-­‐, Versicherungs-­‐ und Kapitalmarktregulierung ..................................................................................................... 66 -­‐ 2 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 4.2.1 Aspekte der indirekten Kapitalmarktfinanzierung: Verbriefungen .................... 67 4.2.1.1 Zur Entwicklung des Verbriefungsmarktes .................................................. 67 4.2.1.2 Regulatorische Aspekte ............................................................................... 68 4.2.2 Regulatorische Aspekte der direkten Kapitalmarktfinanzierung: Anleihe-­‐ und Aktienmärkte .................................................................................................................. 71 4.2.2.1 Finanzmarktregulierung und Liquiditätsdefizite .......................................... 71 4.2.2.2 Fragmentierung durch Gesellschafts-­‐ und Insolvenzrecht .......................... 74 4.2.2.3 Fragmentierung durch Finanzmarktinfrastruktur ........................................ 78 4.2.2.4 Bedeutung von Anlegerschutzregelungen ................................................... 78 4.2.2.5 Fragmentierung der Rechnungslegungsstandards ...................................... 82 4.2.3 Überlegungen zur Regulierung von Finanzintermediären .................................. 83 4.2.3.1 Zusammenspiel mit der Bankenunion ......................................................... 83 4.2.3.2 Langfristfinanzierung und Versicherungsregulierung .................................. 86 4.2.3.3 Die Rolle von Private Equity ......................................................................... 88 4.3 Zwischenfazit: Mögliche Szenarien der Kapitalmarktunion und Abschätzung der Auswirkungen auf die Finanzierung von KMUs .................................................................. 89 4.3.1 Kritische Faktoren der Kapitalmarkttiefe ............................................................ 90 4.3.2 Kritische Faktoren der indirekten Kapitalmarktfinanzierung .............................. 90 5 Handlungsempfehlungen ................................................................................................. 93 5.1 Empfehlungen zur Stärkung der Kapitalmarktfinanzierung ....................................... 93 5.1.1 Verbriefungen ..................................................................................................... 93 5.1.2 Solvency II, Altersvorsorge und Langfristfinanzierung ........................................ 96 5.1.3 Integration von Aktien-­‐ und Anleihemärkten ..................................................... 98 5.2 Empfehlungen zur Stärkung der Bankenfinanzierung ............................................. 100 5.3 Empfehlungen zur Stärkung der Finanzierungsbedingungen des Mittelstands ...... 102 5.4 Zusammenfassung der Handlungsempfehlungen ................................................... 104 6 Quellenverzeichnis ......................................................................................................... 106 7 Literatur .......................................................................................................................... 107 8 Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................... 110 -­‐ 3 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 1 Executive Summary Dieses Gutachten setzt sich mit der Bedeutung der Kapitalmarktunion für die Unternehmensfinanzierung auseinander. Dabei betrachten wir zunächst den Status quo im Hinblick auf die Bedeutung der kapitalmarktnahen und bankenförmigen Unternehmensfinanzierung in Deutschland. Danach werden die Inhalte und Hintergründe der Kapitalmarktunion beleuchtet. Darauf aufbauend erfolgt dann eine qualitative Analyse der Kapitalmarktunion. Daraus werden im letzten Abschnitt Handlungsempfehlungen abgeleitet. Die zentralen Ergebnisse des empirischen Teils können wie folgt festgehalten werden: (1)
Es ist in Deutschland ein Trend zu einer stärkeren Eigenkapitalfinanzierung zu beobachten. Die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen ist in den letzten 15 Jahren gemessen an ihrer Bilanzsumme um rund 10 Prozentpunkte gestiegen. Dabei ist dieser Trend für KMUs sogar noch etwas stärker ausgeprägt als für große Unternehmen. (2)
Gleichzeitig ist die Bedeutung von Bankkrediten und Pensionsrückstellungen rückläufig. Der durch kapitalmarktnahe Fremdfinanzierungsinstrumente finanzierte Anteil steigt zwar, jedoch nur bei den kapitalmarktorientierten Unternehmen. Für KMUs ist die Bankenfinanzierung nach wie vor die zentrale Säule der Außenfinanzierung. (3)
Deutsche Unternehmen sind aber weniger einzigartig als gemeinhin behauptet wird. So liegt in der von uns betrachteten Stichprobe von kapitalmarktnahen Unternehmen der Anteil der Bankverbindlichkeiten an der Bilanzsumme bei deutschen Unternehmen im Durchschnitt der Jahre 2002 bis 2014 bei knapp 8 Prozent und damit in einer ähnlichen Größenordnung wie in Ländern mit kapitalmarktbasierter Unternehmensfinanzierung. Betrachtet man hingegen KMUs so liegt der Anteil der Bankkredite bei deutschen Unternehmen zwischen 27 und 31 Prozent und damit etwas höher als bei Unternehmen aus Frankreich, Spanien und Italien, wo der Anteil zwischen 17 und 25 Prozent -­‐ 4 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion liegt. Somit ist in all diesen Ländern die Bankfinanzierung für KMUs von großer Bedeutung. (4)
Eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung zeigt, dass nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen EU-­‐Ländern die Finanz-­‐ und Kapitalmärkte in den letzten 15 Jahren stark gewachsen sind. Bemerkenswert ist allerdings, dass gerade die Länder mit eher kapitalmarktbasierter Unternehmensfinanzierung (Dänemark, Großbritannien, Niederlande und Schweden) seit der Finanzmarktkrise ein deutlich stärkeres Wachstum der Unternehmenskredite zu verzeichnen hatten. Dies interpretieren wir als Hinweis darauf, dass Kredit-­‐ und Kapitalmärkte komplementär zueinander sind, so dass das Wachstum in dem einen Sektor durch das Wachstum des anderen Sektors begünstigt wird. Hinsichtlich der Hintergründe und der Wirkungen einer Kapitalmarktunion lauten die zentralen Ergebnisse wie folgt: (5)
Die Kapitalmarktunion ordnet sich in eine größere Initiative zur Verbesserung der Finanzierungsbedingungen im Binnenmarkt, insbesondere soweit es um langfristige Finanzierungen geht, ein. Aufgrund der in der Finanzmarktkrise sichtbar gewordenen Anfälligkeit des Bankensektors, aber auch im Bewusstsein, dass die im Nachgang zur Finanzmarktkrise ergriffenen Regulierungsmaßnahmen die Fähigkeit des Bankensektors, langfristige Finanzierungsmittel bereit zu stellen, nachhaltig beeinträchtigen werden, hat sich nicht nur in der Kommission das Bestreben verankert, die Rahmenbedingungen für eine kapitalmarktbasierte Unternehmensfinanzierung zu verbessern. (6)
Im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Funktion von Banken und Kapitalmärkten wird ein Komplementaritätseffekt dahingehend beschrieben, dass sich die positiven Wirkungen des einen Sektors um so eher entfalten, je größer auch der andere Sektor ist. Insoweit müssen Banken-­‐ und Kapitalmarktunion aus einer integrierten Perspektive beurteilt werden. (7)
Eines der wichtigsten Bindeglieder zwischen Banken und Kapitalmärkten ist der Verbriefungsmarkt. Mittlerweile gibt es einen breiten Konsens darüber, dass dieser Markt gestärkt werden muss. -­‐ 5 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion (8)
Dem Erfolg dieser Bemühungen steht entgegen, dass das komplexe Zusammenspiel von Kapitalmarkt-­‐, Banken-­‐ und Versicherungsregulierung die Gefahr einer Austrocknung der Liquidität an den Anleihemärkten in sich birgt. Selbst die EZB hat in ihrem Finanzstabilitätsbericht 2014 einschlägige Befürchtungen in den Raum gestellt. (9)
Unabhängig von konkreten Aspekten der Finanzmarktregulierung ist zu beachten, dass die europäischen Finanzdienstleistungsmärkte nach wie vor stark fragmentiert sind. Hierfür sind neben kulturellen und technischen Aspekten vor allem auch regulatorische Gründe verantwortlich. So sind gesellschaftsrechtliche Regelungen, insbesondere im Bereich der Corporate Governance, bis heute stark fragmentiert. Dies gilt in noch stärkerem Maße für das Insolvenzrecht. Wir zeigen, dass es im Hinblick auf die Effektivität von Insolvenzverfahren eine große Heterogenität in der EU gibt. (10) Hingegen spricht nach unserer Einschätzung eher wenig dafür, dass die fehlende Tiefe der europäischen Kapitalmärkte die Folge zu hoher Anlegerschutzstandards ist. Insoweit wird vermutlich auch eine weitere Aufweichung der Prospektpflichten die Kapitalmarktorientierung von KMUs nicht wesentlich erhöhen, wenngleich die Schaffung eines klareren rechtlichen Rahmens bei Privatplatzierungen sich durchaus positiv auswirken könnte. Hingegen gibt es bei den Wirkungen des Verbraucherschutzes für Finanzdienstleistungen einen genauer zu prüfenden Zielkonflikt. (11) Ebenso ist nicht davon auszugehen, dass die Einführung eines abgespeckten IFRS-­‐Rechnungslegungsstandards für KMUs zu einer nennenswerten Zunahme in deren Kapitalmarktorientierung führen wird. Es besteht sogar die Gefahr, dass sich diese Maßnahme negativ auf die Investitionsbereitschaft von lokalen Investoren auswirkt, weil diese sich dann mit drei verschiedenen Rechnungslegungsstandards konfrontiert sehen. (12) Die Wachstumseffekte der Kapitalmarktunion sind untrennbar mit der weiteren Entwicklung der Bankenregulierung verbunden. Das mittlerweile weit fortgeschrittene Projekt der Bankenunion wurde vornehmlich unter dem Aspekt der Finanzmarktstabilität konzipiert. Damit wird der wichtigen Rolle von Banken in der Beschaffung und Auswertung nur lokal verfügbarer -­‐ 6 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Informationen über Unternehmen (KMUs) nicht hinreichend Rechnung getragen. (13) Die kurzfristige Eigenkapitalunterlegung von ihrer Natur nach langfristigen Altersvorsorgerisiken ist ein zentraler Zielkonflikt der Versicherungsaufsicht. Solvency II wird sich daher auf die Bereitschaft dieser Investoren auswirken, ihr Geld langfristig am Kapitalmarkt anzulegen. Im Bereich der hochwertigen Verbriefungen ist es bei der Eigenkapitalunterlegung zu einer Entlastung gekommen, im Hinblick auf Infrastrukturinvestitionen hat die Kommission jetzt einen Vorschlag vorgelegt. Bei anderen Vermögensklassen, wie Unternehmensanleihen, Aktien und privates Beteiligungskapital, scheint es hingegen keine Diskussionsbereitschaft zu geben. (14) Im Hinblick auf die Finanzierungsbedingungen des Mittelstands hängt der Erfolg der Kapitalmarktunion davon ab, inwieweit die Bedingungen für eine bankenbasierte Mittelstandsfinanzierung optimiert werden. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft der Banken, auch weiterhin nur lokal verfügbare, private Informationen über KMUs in ihren Kreditentscheidungen zu verwerten. Eine zu starke Zentralisierung der Bankenaufsicht, wie sie durch die Bankenunion umgesetzt werden soll, könnte die weitere Entwicklung lokaler Bankenmärkte über Gebühr behindern. Ausgehend von diesen Analysen werden unter anderem die folgenden Handlungsfelder identifiziert: (15) Der Aktionsplan zur Kapitalmarktunion will die Möglichkeit zur Zulassung von Kreditgenossenschaften, für die die bankaufsichtlichen Eigenkapitalvorschriften nicht gelten sollen, prüfen („CRR-­‐light“-­‐Ansatz). Dies führt zu der allgemeineren Frage, ob man Kreditinstitute mit regional begrenztem Tätigkeitsfeld und unterhalb einer bestimmten Größe von der Bankenunion ganz oder teilweise befreien sollte. Denkbar wäre etwa, dass diese Kreditinstitute wieder komplett in die nationale Aufsicht zurückfallen und auf der Grundlage von rein nationalen Gesetzesvorschriften agieren. In eine ähnliche Richtung ginge die Zulassung von Kreditfonds außerhalb der Bankenaufsicht. Dabei muss im Sinne -­‐ 7 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion der Finanzmarktstabilität allerdings streng darauf geachtet werden, dass diese keinerlei Fristen-­‐ und Liquiditätstransformation betreiben. (16) Zur weiteren Stärkung des Verbriefungsmarktes sollte deren Entlastung im Rahmen von Solvency II und LCR geprüft werden. Die stärkere Integration des europäischen Marktes für gedeckte Schuldverschreibungen ist ebenfalls voranzutreiben. Aufgrund der deutlich unterschiedlichen Bedeutung und Ausgestaltung der existierenden nationalen Märkte sollte diese Integration aber zunächst nur auf Ebene der Marktinfrastruktur erfolgen und nicht durch einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Instrumente selbst. (17) Die Einführung der neuen Vermögensklasse von qualifizierten Infrastrukturanlagen im Rahmen von Solvency II ist sicherlich sinnvoll. Allerdings greift dieser Ansatz deutlich zu kurz, da das grundsätzliche Problem einer kurzfristig orientierten Solvenzaufsicht für eine dem Grunde nach langfristige Kapitalanlage (Altersvorsorge) bestehen bleibt. Hier bedarf es einer grundsätzlichen Überprüfung des gesamten Regulierungsansatzes einschließlich der nationalen Regelungen im Bereich der Altersvorsorge. (18) Die zahlreichen Hürden für eine Integration der europäischen Finanzdienstleistungs-­‐ und Kapitalmärkte müssen schrittweise abgebaut werden. Dies betrifft die existierende Marktinfrastruktur, die unzureichende Harmonisierung des Gesellschafts-­‐ und insbesondere Insolvenzrechts sowie die faktischen und steuerlichen Hürden für paneuropäische Vertriebswege. (19) Für einen verbesserten Kapitalzugang der KMUs muss die Frühphasen-­‐ und private Beteiligungsfinanzierung gestärkt werden. Dabei ist insbesondere auch der nationale Gesetzgeber gefragt. Hingegen ist die Wirkung der Absenkung von Prospektanforderungen, der Einführung von einheitlichen KMU-­‐
Rechnungslegungsstandards oder der erzwungene Offenlegung sensibler Kreditinformationen zweifelhaft bis kontraproduktiv. Allerdings würde sich ein klarerer rechtlicher Rahmen für Privatplatzierungen sicherlich positiv auswirken. Auch sollte die steuerliche Diskriminierung von Eigenkapital auf den Prüfstand. -­‐ 8 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion (20) Vor dem Hintergrund einer äußerst komplex gewordenen Finanzmarktregulierung in der EU ist eine umfassende Analyse der Wechselwirkungen und kumulativen Effekte dringend angezeigt. This expert appraisal considers how the capital markets union (CMU) will ramify upon corporate financing. It starts out by evaluating the status quo of capital market-­‐based and banks-­‐based corporate financing in Germany. The appraisal then scrutinizes the capital markets union – its inceptions and its gist. This union is then subjected to a qualitative analysis. The last section of the appraisal features policy recommendations derived from the analysis. The results of the empirical section of the appraisal can be summarized as follows: (1)
To be observed in Germany is a strengthening of the trend towards equity-­‐
based financing. The equity ratio of Germany’s companies rose some ten percent points – calculated on the basis of their balance sheet totals – over the last 15 years. SMEs have been more strongly affected by this trend than large-­‐
sized companies. (2)
By way of contrast, the importance of banks-­‐supplied credit and pension provisions has been declining. The share of financing stemming from capital markets-­‐based instruments has in fact risen. This rise has, however, been restricted to capital markets-­‐oriented companies. Banks-­‐supplied financing remains for Germany’s SMEs the main source of outside financing. (3)
Germany’s companies are not as unique as commonly contended to be. A sample of capital markets-­‐oriented companies in Germany observed by us showed during the period 2002-­‐2014 that bank loans amounted to nearly 8% of their balance sheets. This ratio is similar to those prevailing in countries whose main source of corporate financing are capital markets. A look at Germany’s SMEs reveals that bank loans amount to between 27% and 31% of their balance sheets. This is thus somewhat higher than the rates – which range between 17% and 25% -­‐ in France, Spain and Italy. This means that banks-­‐based financing is of great importance to SMEs in all these countries. -­‐ 9 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion (4)
A look at the EU’s economy as a whole shows that financial and other capital markets have become progressively more important over the last 15 years. This trend has affected Germany and other EU member countries. Well worthy of notice is, however, that it is precisely those countries formerly relying upon capital markets-­‐based corporate financing that have experienced since the onset of the financial crisis a substantially stronger rise in their volume of corporate credit. We interpret this to be an indication of the complementary natures of credit and capital markets. This implies that the growth of one sector facilitates that of the other. The main findings of our assessment of the drivers and ramifications of CMU are as follows: (5)
The capital markets union forms part of a larger-­‐scale initiative. It is being undertaken to improve the conditions under which financing is supplied in the EU market, with this especially applying to long-­‐term financing. The weaknesses endemic to the banking sector and revealed in the financial market crisis have joined with the awareness of the regulatory measures undertaken in the aftermath of the financial market crisis’ capability to impair the banking sector’s ability to provide long-­‐term financing to make the striving to upgrade the conditions under which capital markets-­‐based financing is provided an integral component of the EU Commission’s thrusts. (6)
When viewed on the macroeconomic level, banks and capital markets affect each other in complementary and reciprocal ways. This reciprocity entails the strength of positive effects emanating from one of these groups being directly and positively related to the size of the other. This fact requires any assessment of banking and capital markets’ to be made in an integrated perspective. (7)
The market for securitizations constitutes one of the most important connectors between banks and capital markets. A broad-­‐ranging consensus has emerged on this. It calls for a strengthening of this market. (8)
The success of these efforts is being countered by the complexity of the interplay among regulations governing capital markets, banks and insurers. This complexity, among others, gives rise to the peril of a drying out of the liquidity -­‐ 10 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion of bond markets. This specter was also cited in the ECB’s Financial Stability Report for 2014. (9)
Disregarding for a moment the details of the regulations involving financial markets, to be observed is the persistence of fragmentation among Europe’s markets for financial services. This fragmentation is primarily caused by regulations, along with cultural and technical aspects. An example of this is provided by company law. It shows a great divergence, with this especially applying to corporate governance. An even stronger example is insolvency law. We show that insolvency proceedings – when evaluated in terms of their effectiveness – exhibit an extensive heterogeneity in the EU. (10) By way of contrast, our assessment does not find much evidence to support the contention that the lack of depth shown by Europe’s capital markets is a result of the maintenance of high standards of investor protection. Due to this, it is to be presumed that a softening of the prospectuses obligations would not substantially foster the orientation of SMEs towards capital markets. By way of contrast, the effects of consumer protection in the financial services area have given rise to a conflict of objectives requiring further investigation. (11) It is also not to be assumed that the introduction of leaned-­‐down IFRS financial reporting standards will lead SMEs – for which this is being undertaken – to strengthen their orientation towards capital markets. Pursuing this measure could in fact impact negatively upon locally-­‐based investors’ propensity to invest. This peril could arise due to their being then confronted with three different set of financial reporting standards. (12) The growth emanating from the capital markets union is intrinsically linked to the further development of the regulation of banks. The banking union project – by now fairly far along – was conceived primarily to enhance the stability of financial markets. This focus fails to take into account the important role played by banks in the procurement and evaluation of private information on SMEs. (13) The short-­‐term orientation of insurers’ solvency regulation contrasts with the fact that the underlying risks are long-­‐term by nature. Solvency II might thus impact on the willingness of these investors to entrust their funds on a long-­‐
term basis to capital markets. Relief has been formulated for the backing with -­‐ 11 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion equity required in the area of high-­‐end securitizations and for investments in infrastructure. No willingness to discuss, by way of contrast, is manifesting itself in the areas of public and private equity and bond markets. (14) In the area of the financing conditions faced by SMEs, whether or not the capital markets union will be successful will be determined by the extent to which the conditions under which banks-­‐based financing provided to such companies can be optimized. A precondition for the achievement of such is the willingness of banks to continue to make use of private information that is exclusively locally available on SMEs when reaching credit decisions. An over-­‐
centralization of banking supervision – which is to be implemented through the banking union – could unduly hinder the further development of banking markets. These analyses have been used to identify, among other things, the following fields in which actions are to be undertaken: (15) The Action Plan on the Capital Markets Union intends to consider the option of allowing the exemption of credit unions from equity regulations imposed by banking supervisory authorities (“CRR light approach”). This gives rise to the generally-­‐applicable question of whether or not banks whose operations are limited to regions and that have volumes of business that are less than certain yardsticks should be partially or entirely excluded from the banking union. Conceivable would be the supervision of these banks’ being entirely once more assigned to national authorities on the basis of national regulations. A similar procedure would be employed to the certification of credit funds not encompassed by banking supervision. While pursuing such, the needs for stability on financial markets require the strict ensuring of the latter’s not undertaking maturity or liqudity transformation. (16) Another way of developing the securitization market could take the form of a consideration of stipulations contained in Solvency II and LCR. Stepping up the integration of Europe’s markets for covered bonds is also to be pursued. National markets show a variety of statuses and configurations. This means that the implementation of this integration is to initially take place on the level of -­‐ 12 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion market infrastructure and not through the creation of a single playing field for the instruments themselves. (17) Solvency II is to include the launching of a new class of assets – certified infrastructural investments. This might make sense. However, this approach lacks sufficient ambition. It fails to address the basic problem of there being a supervision oriented towards monitoring short-­‐term issues of solvency, even though investments tend to be long-­‐term in nature (retirement savings). Achieving this requires a thoroughgoing scrutiny of the entire approach to regulation, with this encompassing all national regulations covering retirement savings. (18) The numerous barriers faced by an integration of Europe’s capital markets have to be eradicated on a step-­‐by-­‐step basis. This applies to extant market infrastructure, to the inadequate harmonization of company and insolvency codes, and to the taxation-­‐imposed and other concrete hindrances encountered by pan-­‐European distribution channels. (19) One way to improve SMEs’ access to capital is to strengthen early phase and private financing of equity stakes. This is the responsibility of primarily national-­‐
level legislators. By way of contrast, the effectiveness of the lowering of the standards applied to prospectuses, of the introduction of a single set of standards of financial reporting applying to all SMES, and of the compulsory disclosure of information on loans is doubtful. These measures might in some cases even be counterproductive. Requiring scrutiny, conversely, is the taxation-­‐caused disadvantaging of equity. (20) The extreme complexity of the EU’s regulation of financial markets makes the conducting of an analysis of the regulations’ reciprocal and cumulative effects urgently requisite. -­‐ 13 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 2 Finanzierungsstruktur deutscher Unternehmen Gegenstand dieses Gutachtens ist die Frage, wie sich die Vorschläge zu einer Kapitalmarktunion in das Gesamtgefüge der hiesigen Landschaft der Unternehmensfinanzierung einfügen. Zur Schaffung einer Faktengrundlage, auf der diese Frage dann in den Abschnitten 4 und 5 diskutiert werden soll, wird in diesem Abschnitt die Struktur der Unternehmensfinanzierung in Deutschland etwas näher beschrieben. Konkret sollten dabei die folgenden Fragen beantwortet werden: (1) Welche Bedeutung hat die Eigen-­‐ und Fremdkapitalfinanzierung für deutsche Unternehmen? (2) Lässt sich aus (a) der historischen Entwicklung der letzten 25 Jahre bzw. aus (b) einem länderübergreifenden Vergleich etwas über die zukünftige Bedeutung der Wege der Kapitalüberlassung ableiten? (3) Wie ist es um die Kapitalmarktorientierung deutscher Unternehmen bestellt? Da die Unternehmensfinanzierung letztlich nur das Spiegelbild der gesamten Finanzmarktstruktur ist, wollen wir zudem die Frage nach der Finanzierungsstruktur auch aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive betrachten. Hierfür soll folgende Frage beantwortet werden: (4) Wie stellt sich die aktuelle Finanzmarktstruktur in Deutschland – auch im europäischen Vergleich – dar? Diesen Fragen wird im Folgenden in mehreren Schritten nachgegangen. 2.1 Finanzierungsstruktur deutscher Unternehmen In diesem Abschnitt wird die Finanzierungsstruktur deutscher Unternehmen beleuchtet. Dazu wird zunächst die aktuelle Situation analysiert, ehe die Entwicklung über die Zeit kurz beleuchtet wird. In Einklang mit anderen Studien kann festgehalten werden, dass es in den letzten 15 Jahren einen klaren Trend zu steigenden Eigenkapitalquoten bei deutschen Unternehmen gegeben hat.1 1
Vgl. hierzu ausführlicher (Kaserer & Rapp, 2014) und (Beck, Kaserer, & Rapp, 2015) -­‐ 14 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 2.1.1 Eigenkapitalausstattung Um die Rolle der Eigenkapitalfinanzierung deutscher Unternehmen zu analysieren stellt die nachfolgende Abbildung 1 die Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen im Jahre 2013 dar. Diese ist zweigeteilt. Zunächst wird links die Gesamtheit aller Unternehmen untersucht und sowohl der mit der Bilanzsumme gewichtete Durchschnitt und damit das repräsentative Unternehmen, der Median und damit das Medianunternehmen, und auch die 25%-­‐ und 75%-­‐Quantile dargestellt. Letztere zielen darauf ab, die Breite der empirisch beobachtbaren Werte wiederzugeben.2 In der Mitte der Abbildung werden sodann die Unternehmen nach Ihrem Umsatz in drei Größenklassen unterteilt, nämlich Unternehmen mit mehr als 50 Mio. Euro Umsatz, mit einem Umsatz zwischen 10 und 50 Mio. Euro und mit einem Umsatz von weniger als 10 Mio. Euro.3 Wiederum werden das repräsentative Unternehmen, das Medianunternehmen und die Quantile dargestellt. Drei wesentliche Ergebnisse lassen sich festhalten: -­‐
Zunächst beträgt die Eigenkapitalausstattung des repräsentativen deutschen Unternehmens im Jahr 2013 34 Prozent der Bilanzsumme. Mit anderen Worten: rund ein Drittel der Vermögensgegenstände deutscher Unternehmen sind aktuell mit Eigenkapital finanziert. Dabei zeigt sich, dass die Unterschiede in den verschiedenen Größenklassen sehr gering sind. -­‐
Allerdings zeigt sich auch eine substantielle Streuung: Bei einem Viertel der betrachteten Unternehmen beträgt die Eigenkapitalausstattung aktuell weniger als 15 Prozent, bei einem weiteren Viertel hingegen mehr als 50 Prozent. 2
Das 25%-­‐Quantil gibt den Wert an, der von 25% der Unternehmen unterschritten wird, während das 75%-­‐Quantil den Wert angibt, der von 25% der Unternehmen überschritten wird. 3
Wir orientieren uns hier bei dieser Größeneinteilung an der Empfehlung der Kommission 2003/361/EG vom 6. Mai 2003, wonach ein Unternehmen, das weniger als 250 Beschäftigte hat und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro oder eine Bilanzsumme von höchstens 43 Mio. Euro aufweist, als KMU einzustufen ist. Gleichzeitig gelten nach dieser Empfehlung Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern und entweder einem Jahresumsatz von höchstens 10 Mio. Euro oder einer Bilanzsumme von höchstens 10 Mio. Euro als kleine Unternehmen. Aus Vereinfachungsgründen erfolgt hier die Einteilung der Unternehmen ausschließlich nach dem Umsatz. -­‐ 15 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion -­‐
Diese Streuung wird umso ausgeprägter, je kleiner die Unternehmen werden. Rund ein Viertel der Unternehmen mit unter 10 Mio. EUR Umsatz weist aktuell eine Eigenkapitalausstattung von nur wenig mehr als 10 Prozent aus. Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen
[Anteil Eigenkapital an Bilanzsumme in %, Werte für 2013]
Alle Unternehmen
Großunternehmen
Mittlere
Unternehmen
Kleine
Unternehmen
60
75 % der Unternehmen
50
40
37
34
33
36
Repräsentatives Unternehmen
30
Median Unternehmen
20
25% der Unternehmen
10
0
Erläuterungen: Die Abbildung stellt für deutsche Unternehmen die Eigenkapitalausstattung, definiert als Anteil Eigenkapital an der Bilanzsumme (Variable E nach der BACH Nomenklatur) in Prozent für das Jahr 2013 dar. Datengrundlage sind alle Unternehmen (Sector Zc der Bach Nomenklatur, d.h. „Total NACE without holding companies (K642) and head offices (M701)“). Großunternehmen (mittlere bzw. kleine Unternehmen) sind definiert als Unternehmen mit mehr als 50 Mio. EUR (zw. 10 und 50 Mio. EUR bzw. weniger als 10 Mio. EUR) Umsatz. In die Analyse gehen insgesamt 31.652 Unternehmensbeobachtungen ein, wovon 4.079 Unternehmen sich als Großunternehmen klassifizieren. Quelle: Eigene Analysen basierend auf Daten der Bach Database des European Committee of Central Balance-­‐Sheet Data Office (Stand Juni 2015). Für eine Beschreibung dieser von den jeweiligen Zentralbanken erhobenen Daten vgl. das im Quellenverzeichnis (Kapitel 6) erwähnte Dokument von BACH.
Abbildung 1: Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen 2.1.2 Entwicklung der Eigenkapitalausstattung über die Zeit In einem zweiten Schritt wird in Abbildung 2 die Entwicklung der Eigenkapitalausstattung über die Jahre 2003 – 2013 beleuchtet. Wiederum erfolgt eine Unterscheidung entlang der Umsatzgröße in verschiedene Größenklassen. -­‐ 16 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen über die Zeit
[Anteil Eigenkapital an Bilanzsumme in %,]
Kleine
Unternehmen
Small
[turnover
< 10M €]
KMUs < 50M €]
SMEs [turnover
27
18
+46%
AlleAll
Unternehmen
firms
24
20
22
+52%
29
2003-05
+43%
2007-09
2011-13
Mittlere
Medium
[10M €Unternehmen
≤ turnover < 50M €]
29
25
2003-05
20
2007-09
24
2011-13
28
32
+31%
Großunternehmen
Large firms
[turnover ≥ 50M €]
2003-05
2007-09
2011-13
+15%
2003-05
2007-09
2011-13
27
29
2003-05
2007-09
31
2011-13
Erläuterungen: Die Abbildung stellt für deutsche Unternehmen die Eigenkapitalausstattung, definiert als Anteil Eigenkapital an der Bilanzsumme (Variable E nach der BACH Nomenklatur) in Prozent über die Jahre 2003 bis 2013 dar. Datengrundlage sind alle Unternehmen (Sector Zc der Bach Nomenklatur, d.h. „Total NACE without holding companies (K642) and head offices (M701)“). Großunternehmen (mittlere bzw. kleine Unternehmen) sind definiert als Unternehmen mit mehr als 50 Mio. EUR (zw. 10 und 50 Mio. EUR bzw. weniger als 10 Mio. EUR) Umsatz. Dargestellt sind die Mittelwerte der Medianwerte über die jeweiligen Dreijahreszeiträume. In die Analyse gehen jährlich zwischen 39.467 (im Jahr 2003) und 55.008 (im Jahr 2012) Unternehmensbeobachtungen ein. Quelle: Eigene Analysen basierend auf Daten der Bach Database European Committee of Central Balance-­‐Sheet Data Office (Stand Juni 2015). Für eine Beschreibung dieser von den jeweiligen Zentralbanken erhobenen Daten vgl. das im Quellenverzeichnis (Kapitel 6) erwähnte Dokument von BACH. Abbildung 2: Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen über die Zeit Es zeigt sich zunächst das bereits aus Abbildung 1 bekannte Bild: Das Medianunternehmen hat aktuell eine Eigenkapitalausstattung von 29 Prozent. Dabei gibt es in Abhängigkeit von der Größe nur eine sehr geringe Schwankung. Wichtiger ist die Erkenntnis, dass unabhängig von der Größe des Unternehmens die Eigenkapitalausstattung des Medianunternehmens über die Jahre zunimmt.4 Bei Großunternehmen zeigt sich beispielsweise eine Steigerung der Eigenkapitalausstattung um 15 Prozent. Hingegen ist bei den kleinen Unternehmen, das heißt den Unternehmen mit weniger als 10 Mio. Euro Jahresumsatz, eine Steigerung von 52 Prozent seit dem Zeitraum 2003 bis 2005 zu beobachten. Zwei Beobachtungen sind dabei bemerkenswert. Erstens ist zu beobachten, dass sich dieser Trend auch innerhalb der Gruppe der als eher kapitalmarktnah zu 4
Dies ist ein Befund der sich mit anderen Studien deckt. Vgl. z.B. den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Dezember 2014, S. 37-­‐48, zu der Ertragslage und den Finanzierungsverhältnissen deutscher Unternehmen. -­‐ 17 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion bezeichnenden Unternehmen finden lässt, wie man in Abbildung 3 sehen kann.5 Insoweit könnte man den vorsichtigen Schluss ziehen, dass die Erhöhung der Eigenkapitalquote nicht nur die Folge einer Finanzierungsrestriktion, der KMUs möglicherweise unterliegen, sein kann, sondern zum Teil auch die Folge einer bewussten Finanzierungsentscheidung der Unternehmensleitung sein muss. Eigenkapitalausstattung deutscher kapitalmarktnaher Unternehmen über die Zeit
[Anteil Eigenkapital an Bilanzsumme in %]
Repräsentatives Unternehmen
Durchschnittliches Unternehmen
Medianunternehmen
+25%
+31%
46
37
+13%
25
1990-2001
43
33
28
2002-2014
1990-2001
2002-2014
1990-2001
2002-2014
Erläuterungen: Die Abbildung stellt für deutsche, von Bureau van Dijk als „kapitalmarktnah“ klassifizierte Unternehmen die Eigenkapitalausstattung, definiert als Anteil Eigenkapital an der Bilanzsumme in Prozent über die Jahre 1990 – 2014 dar. Datengrundlage sind nicht-­‐überschuldete Unternehmen außerhalb des Finanzdienstleistungssektors, für welche ein Mindestmaß an Daten (Umsatz, Bilanzsumme und Eigenkapital) verfügbar ist. In die Analyse gehen 1.232 Unternehmen mit 13.379 Jahresbeboachtungen ein. Quelle: Eigene Analysen basierend auf Daten der Bureau van Dijk OSIRIS Database. Abbildung 3: Eigenkapitalausstattung deutscher kapitalmarktnaher Unternehmen über die Zeit Zweitens stellen wir die Vermutung auf, dass die steigenden Eigenkapitalquoten nicht durch eine verstärkte Inanspruchnahme externer Finanzierungsquellen, also insbesondere des Kapitalmarkts, zu erklären sind, sondern vielmehr durch eine verstärkte Gewinnthesaurierung realisiert wurden. Tatsächlich zeigen vertiefende Untersuchungen, dass die Eigenkapitalausstattung eines Unternehmens stark mit 5
Wir definieren hier jene Unternehmen als kapitalmarktnah, die in die OSIRIS Datenbank aufgenommen worden sind. Der Datenbankanbieter nimmt nach eigenen Angaben börsennotierte und wichtige nicht-­‐ oder ehemals börsennotierte Gesellschaften in die Datenbank auf. Eine genauere Abgrenzung wird leider nicht vorgenommen. -­‐ 18 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion dem Jahresüberschuss korreliert und diese Korrelation umso stärker ausgeprägt ist, je kleiner das Unternehmen ist. Hierzu wurde auf Basis eines umfangreichen mikroökonomischen Datensatzes, welcher alle deutsche Unternehmen mit beschränkter Haftung außerhalb des Finanzdienstleistungssektors (und einer gewissen Mindestgröße6) umfasst, eine Regressionsanalyse durchgeführt, welche die Eigenkapitalausstattung von Unternehmen in Abhängigkeit vom (i) Jahresüberschuss (JÜ) als Quelle interner Eigenkapitalfinanzierung und von der (ii) Unternehmensgröße (UG) als Maßstab des Kapitalmarktzugangs untersucht. Die Ergebnisse dieser Analyse finden sich in der nachfolgenden Tabelle 1. Regressionsanalysen zur Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen
Modell
Abhängige Variable
Jahresüberschuss
(I.1)
(I.2)
Eigenkapitalausstattung
0,398***
[68,35]
Unternehmengröße (ln)
0,005***
[20,57]
0,478***
[11,18]
-0,008*
[-1,91]
0,005***
[18,10]
Eigenkapitalausstattung (lag)
Leverage (lag)
Unternehmenseffekte
Industrieeffekte
Jahreseffekte
Beobachtungen
Unternehmen
Adj. R^2
ja
nein
nein
ja
ja
112.715
24.370
0,876
ja
nein
nein
ja
ja
112.715
24.370
0,876
Interaktion (JÜ, UG)
(II.1)
(II.2)
(II.3)
Veränderung der
Eigenkapitalausstattung
0,515***
[90,51]
0,032***
[29,68]
0,642***
[15,48]
-0,013***
[-3,09]
0,033***
[29,45]
0,606***
[15,32]
-0,010**
[-2,56]
0,028***
[25,88]
nein
nein
ja
nein
ja
112.715
24.370
0,167
nein
nein
ja
nein
ja
112.715
24.370
0,167
nein
ja
ja
nein
ja
112.715
24.370
0,207
Erläuterungen: Die Tabelle stellt die Ergebnisse von Regressionsanalysen zur Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen dar. Ausgehend von einer Grundgesamtheit, welche deutsche Unternehmen außerhalb des Finanzdienstleistungssektors betrachtet, wird in fünf verschiedenen Modellen der Zusammenhang zwischen Eigenkapitalausstattung und (i) Jahresüberschuss (JÜ) als Quelle interner Eigenkapitalfinanzierung und (ii) Unternehmensgröße (UG) als Maßstab des Kapitalmarktzugangs untersucht. Insbesondere erlauben dabei die Modelle (i.2), (II.2) und (II.3) Interaktionseffekte zwischen den beiden Größen. Die Tabelle stellt sowohl die Koeffizienten, wie auch die t-­‐Werte dar, wobei letztere auf Basis von Standardfehlern geschätzt wurden, welche sowohl Heteroskedastizität wie auch Autokorrelation auf Unternehmensebene erlauben. ***, **, * zeigt an, dass die entsprechenden Koeffizienten auf 1%-­‐, 5%-­‐, 10%-­‐Signifikanzniveau von Null unterscheiden. In die Analyse gehen 24.370 Unternehmen mit 112.715 Jahresbeobachtungen über die Jahre 2005-­‐2013 ein. Quelle: Eigenen Analysen auf Basis von Daten der Bureau van Dijk ORBIS Database. Tabelle 1: Erklärung der Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen 6
Diese Bedingung ist der Datenverfügbarkeit durch die verwendete Datenbank geschuldet. Konkret mussten die Unternehmen eine der folgenden Bedingungen erfüllen: Umsatz >= 10 Mio. EUR oder Bilanzsumme >= 20 Mio EUR oder mind. 150 Mitarbeiter. -­‐ 19 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Konkret zeigt sich, dass (a) der Jahresüberschuss sehr stark (und statistisch hochsignifikant) mit der Eigenkapitalausstattung eines Unternehmens korreliert, dieser Zusammenhang jedoch (b) durch die Unternehmensgröße moderiert wird in dem Sinne, dass für größere Unternehmen dieser Zusammenhang schwächer ausgeprägt ist. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich bei kleineren Unternehmen das Eigenkapital insbesondere aus internen Quellen, d.h. nicht ausgeschütteten Gewinnen, speist.7 Dieser Befund steht in Einklang mit der weit verbreiteten Vermutung, dass kleinere Unternehmen in Deutschland weder einen Kapitalmarktzugang haben, noch sich auf anderem Wege, etwa über Private Equity oder Venture Capital, in nennenswertem Umfang Eigenkapital besorgen können. Dabei muss offen bleiben, bis zu welchem Grad sie diese Quellen für eine Eigenkapitalbeschaffung aus freiem Willen ungenutzt lassen und bis zu welchem Grad sie dies aufgrund von Zugangshürden zu den jeweiligen Märkten tun. Allerdings zeigt sich selbst bei börsennotierten Unternehmen, dass ein erheblicher Teil des Eigenkapitalzuwachses aus Gewinnthesaurierungen stammt. So zeigt Abbildung 4, dass bei diesen Unternehmen im Durchschnitt der Jahre 1995 bis 1999 44% des Eigenkapitals aus Gewinnrücklagen stammte, wohingegen dieser Prozentsatz im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2014 auf knapp 77% angestiegen ist. Gleichzeitig sieht man, dass das Wachstum des Eigenkapitals aus externer Kapitalaufnahme seit den 90er Jahren stetig abgenommen hat. 7
Dieser Befund wird gestützt durch den gemeinhin bekannten Umstand, dass größere Unternehmen eher geneigt sind Dividenden zu zahlen. Die dips/DSW Dividendenstudie 2014 stellt beispielsweise fest, dass 81 Prozent der in den Auswahl-­‐Indizes DAX, MDAX, SDAX und TexDAX notierten Unternehmen in 2013 eine Dividenden zahlten, während nur 37 Prozent der sonstigen Prime Standard Unternehmen sich dazu durchringen konnte oder wollte; vgl. http://www.dsw-­‐info.de/DSW-­‐dips-­‐
Dividendenstudie-­‐2014.1998.0.html. (Kaserer, Rapp, & Trinchera, 2012) zeigen im Rahmen einer umfangreicher Studie von deutschen Unternehmen, dass sowohl die Dividendenzahlung wie auch die Gesamtausschüttung eines Unternehmens positiv mit der Unternehmensgröße zusammenhängt. -­‐ 20 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Entwicklung Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen
[Anteil in % des Eigenkapitals, börsennotierte deutsche Unternehmen außerhalb des Finanzdienstleistungssektors, Gewichteter Durchschnitt]
Neuaufnahme Eigenkapital
Veränderung Gewinnrücklagen
Gewinnrücklagen
+75%
5,9
13,1
76,9
59,2
9,2
44,0
48,3
6,0
1995 1999
2,1
2,0
1,9
2000 2004
2005 2009
2010 2014
4,2
1995 1999
2000 2004
2005 2009
2010 2014
1995 1999
2000 2004
2005 2009
2010 2014
Erläuterungen: Die Abbildung stellt die Entwicklung der relativen Gewinnrücklagen, gemessen am Anteil des Eigenkapitals, deutscher börsennotierter Unternehmen über die Jahre 1995-­‐2014 dar. Ausgehend von einer Grundgesamtheit, welche alle börsennotierten deutschen Unternehmen außerhalb des Finanzdienstleistungssektors, für welche ein Mindestmaß an Information vorliegend ist (Bilanzsumme, Umsatz, Eigenkapital), wird der mit dem Eigenkapital gewichtete Durchschnitt der relativen Gewinnrücklagen (in Prozent) über die Jahre dargestellt. In die Auswertung gehen 11.702 Jahresbeobachtungen ein. Quelle: Eigene Analysen basierend auf Daten von Thomson/Reuters Worldscope. Abbildung 4: Entwicklung der Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen 2.1.3 Andere Finanzierungsformen Die Analyse der Eigenkapitalausstattung der Unternehmen legt bereits den Schluss nahe, dass Fremdkapital grundsätzlich an Bedeutung im Rahmen der Unternehmensfinanzierung verliert. Dabei ist jedoch interessant zu untersuchen, inwiefern einzelne Bestandteile des Fremdkapitals von dieser Entwicklung in unterschiedlichem Maße betroffen sind. Da Informationen über die Struktur des Fremdkapitals gerade für kleine Unternehmen nicht oder nur eingeschränkt verfügbar sind, greifen wir hier zunächst auf die OSIRIS-­‐
Datenbank zurück, welche Informationen über kapitalmarktnahe Unternehmen bereitstellt.8 Die nachfolgende Abbildung 5 beleuchtet für kapitalmarktnahe Unternehmen drei Kernelemente des Fremdkapitals eines Unternehmens: Anleihen, 8
Vgl. hierzu 5, Seite 11. Zu beachten ist, dass diese Datenbank Informationen von mehr als 1.200 deutschen Unternehmen bereitstellt, so dass dabei auch ein erheblicher Teil des Mittelstands abgebildet wird. -­‐ 21 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Bankverbindlichkeiten und – für deutsche Unternehmen vielfach von Relevanz – Pensionsrückstellungen.9 Sonstige Formen der Kapitalüberlassung
[Jeweils Anteil in % der Bilanzsumme, kapitalmarktnahe deutsche Unternehmen außerhalb des Finanzdienstleistungssektors]
Anleihen
Bankverbindlichkeiten
+197%
Durchschnittliches
Unternehmen
-18%
34,1
6,4
11,1
-19%
28,0
5,2
3,7
16,1
0,0
1990 - 2001
0,2
2002 - 2014
12,1
1990 - 2001
12,2
2002 - 2014
9,9
+294%
Repräsentatives
Unternehmen
Pensionsrückstellungen
1,6
1,5
1990 - 2001
2002 - 2014
11,7
-20%
-39%
7,9
7,1
9,7
3,1
11,6
7,7
6,6
7,0
0,1
1990 - 2001
2002 - 2014
1990 - 2001
9,4
1990 - 2001
-45%
2002 - 2014
7,5
-21%
+1.095%
Medianunternehmen
2002 - 2014
14,1
11,1
4,1
5,3
11,2
0,8
5,7
0,0
0,0
1990 - 2001
2002 - 2014
1990 - 2001
2002 - 2014
1,0
1990 - 2001
2002 - 2014
Erläuterungen: Die Abbildung stellt für deutsche, von Bureau van Dijk als „kapitalmarktnah“ klassifizierte Unternehmen sonstige Formen der Kapitalüberlassung, definiert als Anteil an der Bilanzsumme in Prozent über die Jahre 1990 – 2014 dar. Datengrundlage sind nicht-­‐überschuldete Unternehmen außerhalb des Finanzdienstleistungssektors, für welche ein Mindestmaß an Daten (Umsatz, Bilanzsumme und Eigenkapital) verfügbar ist. Die hellblau dargestellten Werte beziehen sich auf alle Unternehmen, während sich die Gesamtwerte auf die Unternehmen beziehen, welche tatsächlich auf diese Finanzierungsquelle zurückgreifen. In die Analyse gehen 1.232 Unternehmen mit 13.379 Jahresbeobachtungen ein. Quelle: Eigene Analysen basierend auf Daten der Bureau van Dijk OSIRIS Database. Abbildung 5: Sonstige Formen der Kapitalüberlassung über die Zeit Es zeigt sich sowohl für das durchschnittliche, repräsentative wie auch das mediane Unternehmen ein konsistentes, jedoch zweigeteiltes Bild: Zunächst sieht man, dass die Bankenfinanzierung im Vergleich der 90er mit den 2000er Jahren an Bedeutung verliert. Der gewichtete Anteil sinkt von 9,9 auf 7,9 Prozent der Bilanzsumme, der durchschnittliche Anteil von 16,1 auf 12,1 Prozent. Und auch beim durchschnittlichen Unternehmen gibt es einen Rückgang von 16,1 auf 12,1 Prozent der Bilanzsumme. Auch Pensionsrückstellungen sind in ihrer Bedeutung für die 9
Der Rückzug auf kapitalmarktnahe Unternehmen ist dem Umstand geschuldet, dass hier die Transparenz eine Unterscheidung zwischen den Elementen der Fremdkapitalfinanzierung zulässt. Zudem muss man davon ausgehen, dass nicht kapitalmarktnahen Unternehmen ohnehin nur Bankkredite als Fremdfinanzierungsinstrument zur Verfügung stehen. -­‐ 22 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Unternehmensfinanzierung rückläufig, was angesichts des seit einigen Jahren zu beobachten Trends zu einer Ausfinanzierung der Pensionsverpflichtungen wenig überraschend ist. Gleichzeitig sieht man, dass Bankkredite und Pensionsverbindlichkeiten bei kapitalmarktorientierten Unternehmen, also solchen, die Anleihen als Finanzierungsform nutzen, durch kapitalmarktnahe Formen der Fremdfinanzierung substituiert werden. Betrachtet man in Abbildung 5 nur jene Unternehmen, die eine Anleihefinanzierung überhaupt nutzen, und nimmt man dabei das repräsentative Unternehmen, dann sieht man, dass der Anteil der Anleihefinanzierung an der Bilanzsumme von 3,1 auf 12,2 Prozent gestiegen ist. Allerdings gilt dies – wie gesagt – nur für jene Unternehmen, die dieses Instrument bereits nutzen. Dass dies im Wesentlichen die großen Unternehmen sind, sieht man daran, dass das mediane Unternehmen Anleihen nach wie vor als Finanzierungsinstrument nicht nutzt, wenngleich man auch bei diesem medianen Unternehmen einen deutlichen Rückgang in der Bankenfinanzierung erkennen kann. Und auch für das durchschnittliche Unternehmen bleibt die Nutzung kapitalmarktnaher Finanzierungsinstrumente vernachlässigbar. Da die obigen Auswertungen auf einer Stichprobe von größeren Unternehmen beruhen, soll anhand einer anderen Datenquelle überprüft werden, inwieweit es möglicherweise systematische Unterschiede zwischen KMUs und großen Unternehmen gibt. Hierzu verwenden wir die Daten der Deutschen Bundesbank, welche eine Auswertung der Bilanzdaten von über 47.000 deutschen Unternehmen beinhaltet. Wie man in Abbildung 6 sehen kann, liegen im gewichteten Durchschnitt über alle Unternehmen die Bankverbindlichkeiten bei 8 Prozent der Bilanzsumme, was mit den Ergebnissen in Abbildung 5 gut übereinstimmt. Gleichzeitig kann man sehen, dass für mittlere Unternehmen der Anteil schon bei 16 Prozent und für kleinste Unternehmen sogar bei 35 Prozent liegt. Insoweit ist klar festzuhalten, dass für KMUs die Finanzierung über Bankkredite nach wie vor die bei weitem wichtigste Säule der Außenfinanzierung darstellt. -­‐ 23 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Kapitalstruktur deutscher Unternehmen
[Anteil Passivkomponenten an Bilanzsumme in %, Werte für 2013, Repräsentatives Unternehmen]
Alle Unternehmen
13 %
7%
Großunternehmen
13 %
Mittlere
Unternehmen
Kleine
Unternehmen
7%
2%
9%
3%
7%
22 %
21 %
15 %
14 %
3%
8%
3%
6%
23 %
24 %
Kleinste
Unternehmen
5%
Sonstige Rückstellungen
Pensionsrückstellungen
18 % 1 %
Sonstige kurzf. Verbindlichkeiten
2 % Sonstige langfr. Verbindlichkeiten
2%
1%
16 %
24 %
35 %
Bankverbindlichkeiten
12 %
Verbindlichkeiten gg.verb.Untern.
27 %
Eigenkapital
14 %
11 %
32 %
32 %
35 %
32 %
Erläuterungen: Die Abbildung stellt für deutsche Unternehmen außerhalb des Finanzdienstleistungssektors die Kapitalstruktur, aufgegliedert nach Eigenkapital, Verbindlichkeiten und Rückstellungen in Prozent der Bilanzsumme für das Jahr 2013 dar. Großunternehmen (mittlere, kleine bzw. kleinste Unternehmen) sind definiert als Unternehmen mit mehr als 50 Mio. EUR (zw. 10 und 50 Mio. EUR, zw. 2 und 10 Mio. EUR, bzw. weniger als 2 Mio EUR) Umsatz. Der Datensatz umfasst 47.476 Unternehmen. Quelle: Eigene Analysen basierend auf Daten der Deutschen Bundesbank (Deutsche Bundesbank (2015), 72 Monatsbericht (Stand vom 18.8.2015), XI. Konjunkturlage in Deutschland, Kapitel 10. Aktiva und Passiva börsennotierter nichtfinanzieller Unternehmensgruppen. Abbildung 6: Kapitalstruktur deutscher Unternehmen Dieses Ergebnis ist keineswegs überraschend. Die Bedeutung des Bankkredits für KMU ergibt sich allein schon aus Losgrößenüberlegungen. Zur Quantifizierung dieser Aussage betrachten wir das KfW-­‐Mittelstandspanel. Dort werden im Rahmen einer schriftlichen Wiederholungsbefragung von 9.000 bis 15.000 Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 500 Mio. Euro verschiedene Daten zur mittelständischen Wirtschaft in Deutschland erhoben. Unter anderem ergibt sich aus diesen Daten, dass im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2013 43% der Unternehmen einen Kreditbedarf von bis zu 20.000 Euro und 64% der Unternehmen einen Kreditbedarf von bis zu 50.000 Euro hatten. Lediglich 5% der Unternehmen hatten einen Kreditbedarf von mehr als 500.000 Euro. Damit scheidet für den Großteil der mittelständischen Unternehmen eine Kapitalmarktfinanzierung schon allein wegen der damit verbundenen Fixkosten aus. Zur Höhe dieser Fixkosten gibt es leider keine zuverlässigen Statistiken, sie dürften sich aber selbst bei einfachen Anleiheemissionen im oberen fünfstelligen Bereich bewegen. So berichtet etwa (Bösl & Hasler, 2012), S. 224, dass bei -­‐ 24 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Mittelstandsanleihen in Deutschland allein für die Erstellung des Prospekts ein Betrag zwischen 30.000 und 100.000 Euro fällig wird. Hinzu kommen Kosten für die Due Dilligence, das Rating, die Roadshow, sonstige Beratung sowie Börsengebühren und Gebühren der BaFin. Darüber hinaus gibt es die variable Platzierungsprovision der Bank sowie Kosten für die Zahlstellen. Insgesamt summieren sich diese Emissionskosten gerade bei kleineren Emissionen zu einer erheblichen Kostenbelastung. So ermitteln (Kaserer & Schiereck, 2011), S. 68, bei Mittelstandsanleihen in Deutschland, deren Emissionsvolumen nicht unter 15 Mio. Euro lag, eine durchschnittliche Belastung mit Emissionskosten von 4,51%. Eine ähnliche Zahl findet sich in (Lee, Lochhead, & Ritter, 1996), der für Anleiheemissionen in den USA von bis zu 10 Mio. US-­‐Dollar durchschnittliche Emissionskosten von 4,4% ermittelt. Dabei ist zu beachten, dass dieser durchschnittlichen Kostenbelastung erhebliche Degressionseffekte zugrunde liegen.10 Selbst wenn durch den technologischen Fortschritt die Fixkostenbelastung bei Wertpapieremissionen sinken würde, wofür derzeit wenig spricht, wird für den Großteil der mittelständischen Industrie nach wie vor eine direkte Kapitalmarktfinanzierung allein schon aus Kostengründen nicht in Betracht kommen. Insgesamt haben die Untersuchungen in diesem Abschnitt gezeigt, dass es zwar durchaus eine kleinere Gruppe von Unternehmen gibt, die ihre kapitalmarktbasierte Fremdfinanzierung in den letzten 15 Jahren deutlich ausgebaut haben. Dies hat dazu geführt, dass in der Gesamtbilanz des Unternehmenssektors Anleihen mit einem Anteil von 6,6 Prozent an der Bilanzsumme mittlerweile keine zu vernachlässigende Größe mehr sind.11 Gleichzeitig ist aber auch richtig, dass für das Gros der deutschen Unternehmen eine kapitalmartkbasierte Fremdfinanzierung bis heute keine nennenswerte Rolle spielt. Allein aus Kostengründen wird dies auch in Zukunft gelten. Daher wird für mittelständische Unternehmen die Bankenfinanzierung nach wie vor die bei weitem wichtigste Säule der Außenfinanzierung bleiben. 10
Diese Degressionseffekte sind bei Aktienemissionen gut dokumentiert; vgl. (Altinkilic & Hansen, 2000), (Bühner & Kaserer, 2002) und (Kaserer & Steiner, 2004). 11
Allerdings muss diese Zahl mit Vorsicht interpretiert werden. Unter Verwendung der BACH-­‐
Datenbank kommt man auf einen Anteil von 2,2 Prozent; vgl. hierzu Abbildung 8 auf Seite 21. Möglicherweise gibt es hier eine gewisse Verzerrung in der Auswahl der Unternehmen in der OSIRIS-­‐
Datenbank. -­‐ 25 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 2.1.4 Europäischer Vergleich In diesem Abschnitt wird untersucht, wie sich die oben beschriebene Entwicklung der Finanzierungsstruktur deutscher Unternehmen im europäischen Kontext darstellt. Die nachfolgende Abbildung 7 vergleicht die deutsche Situation mit der Situation in markt-­‐ bzw. bankbasierten europäischen Ländern. Aus Datenverfügbarkeitsgründen werden hier wiederum kapitalmarktnahe Unternehmen betrachtet. Dabei folgt die Unterscheidung in markt-­‐ bzw. bankbasierte Länder der in der Literatur etablierten, von (Demirguc-­‐Kunt & Levine, 1999) entwickelten Klassifizierung, welche Länder entlang ihrer Finanzmarktstruktur und der Größe und Aktivität der einzelnen Finanz-­‐ bzw. Kapitalmärkte als eher marktorientiert bzw. eher bankorientiert einteilt. In einem marktorientierten System überwiegt eine kapitalmarktorientierte Unternehmensfinanzierung, während in einem bankenorientierten System eher eine kreditorientierte Unternehmensfinanzierung überwiegt. Im EU-­‐Kontext werden Dänemark, Großbritannien, die Niederlande und Schweden als eher marktorientiert eingestuft, während die anderen Länder als bankenorientiert klassifiziert werden. In Abbildung 7 wird nun anhand einer umfangreichen Stichprobe von mehr als 10.000 europäischen Unternehmen dargestellt, wie hoch die Eigenkapitalquote der Unternehmen ist und welche Bedeutung kapitalmarktnahe und bankenbasierte Fremdkapitalfinanzierung hat. Die folgenden Befunde lassen sich festhalten: -­‐
Zunächst zeigt sich, dass der bereits für Deutschland konstatierte Trend steigender Eigenkapitalquoten auch in den anderen EU-­‐Ländern festgestellt werden kann. Die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen in den EU15-­‐
Ländern hat sich über den Betrachtungszeitraum in jenen Ländern deutlich erhöht, die ein traditionell bankbasiertes System der Unternehmensfinanzierung hatten. So ist bei deutschen Unternehmen – von niedrigem Niveau aus startend – die gewichtete Eigenkapitalquote um 13 Prozent gestiegen. Für die anderen bankbasierten Länder gab es einen Zuwachs von 15 Prozent. Hingegen konnte bei Ländern mit traditionell kapitalmarktorientierter Unternehmensfinanzierung ein Rückgang um 8 Prozent festgestellt werden. -­‐
Ebenso lässt sich festhalten, dass es in allen Ländern einen Zuwachs in der Bedeutung von kapitalmarktnahen Fremdkapitaltiteln (Anleihen) im Rahmen der -­‐ 26 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Unternehmensfinanzierung gibt. Betrachtet man dabei nur die Gruppe der Unternehmen, welche auf Anleihen und Obligationen im Rahmen der Unternehmensfinanzierung zurückgreifen, dann weisen wiederum deutsche Unternehmen – von niedrigem Niveau aus startend – mit einem Plus von fast 300 Prozent über den Betrachtungszeitraum ein überdurchschnittliches Wachstum auf. Im Durchschnitt über alle Länder liegt der Zuwachs bei rund 100 Prozent. Interessant ist zudem der Befund, dass der Anteil kapitalmarktnaher Fremdkapitalinstrumente gemessen an der Bilanzsumme aller Unternehmen sowohl in markt-­‐ als auch in bankbasierten Ländern sehr gering ist.12 Würde man anstellte des gewichteten Durchschnitts den arithmetischen Mittelwert betrachten, wäre der Anteil der Anleihen sogar verschwindend gering. -­‐
Weiterhin lässt sich für beide Ländergruppen auch feststellen, dass die Bedeutung von Bankkrediten rückläufig ist. Allerdings muss man feststellen, dass der Rückgang in anderen Ländern nicht so ausgeprägt ist wie in Deutschland. Insbesondere zeigt sich für die Gruppe der bankbasierten Länder, sofern man Deutschland herausnimmt, dass der Rückgang sehr gering ist. Etwas deutlicher ist der Rückgang bei der Gruppe der marktbasierten Länder. -­‐
Und schließlich gibt die Abbildung auch einen Hinweis darauf, dass die Bedeutung der bankbasierten Unternehmensfinanzierung in allen Ländern nach wie vor hoch ist. Man kann nämlich feststellen, dass in allen betrachteten EU-­‐15-­‐Ländern der Anteil der Bankkredite an der Bilanzsumme in der Größenordnung von einem Achtel bis einem Zwölftel liegt und damit deutlich wichtiger ist als der Anteil der kapitalmarktbasierten Finanzierung. 12
Für Deutschland zeigt Abbildung 7 einen gewichteten Anteil von Anleihen an der Bilanzsumme von 6,6 Prozent. Dies ist im internationalen Vergleich relativ hoch. Hier sollte man bedenken, dass es einen Auswahlverzerrung geben könnte, weil die vom Datenbankanbieter verwendete Definition „kapitalmarktnaher“ Unternehmen nicht exakt nachvollziehbar ist. Somit ist nicht auszuschließen, dass es hier eine Verzerrung, etwa durch die Auswahl tendenziell größerer Unternehmen in Deutschland, gibt. -­‐ 27 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Eigenkapitalausstattung und sonstige Formen der Kapitalüberlassung im europäischen Vergleich
[Jeweils Anteil in % der Bilanzsumme, kapitalmarktnahe Unternehmen außerhalb des Finanzdienstleistungssektors, Gewichteter Durchschnitt]
Deutschland
Marktbasierte Länder
Bankbasierte Länder (ohne D)
-8%
+15%
+13%
Eigenkapitalausstattung
25
28
41
38
28
1990-2001
2002-2014
1990-2001
2002-2014
1990-2001
+294%
Obligationen
und Anleihen
+96%
12,2
6,6
0,1
1990 - 2001
2002 - 2014
Bankverbindlichkeiten
+97%
10,7
5,4
0,6
0,8
0,8
2,6
1990 - 2001
2002 - 2014
1990 - 2001
2002 - 2014
-20%
9,9
2002-2014
9,0
4,6
3,1
32
-14%
-6%
7,9
11,1
9,5
13,2
9,7
7,7
10,1
8,4
12,5
11,3
1990 - 2001
2002 - 2014
1990 - 2001
2002 - 2014
1990 - 2001
2002 - 2014
12,4
Erläuterungen: Die Abbildung stellt für europäische, von Bureau van Dijk als „kapitalmarktnah“ klassifizierte Unternehmen, die Eigenkapitalausstattung und sonstige Formen der Kapitalüberlassung, definiert als Anteil an der Bilanzsumme in Prozent über die Jahre 1990 – 2014 dar. Dabei wird zunächst die Situation deutscher Unternehmen dargestellt, ehe dann die Situation der Unternehmen im restlichen Europa, aufgeteilt nach markt-­‐ bzw. bankbasierten Ökonomien, beleuchtet wird. Die Unterscheidung in markt-­‐ bzw. bankbasierte Länder folgt dabei der in (Demirguc-­‐Kunt & Levine, 1999) vorgestellten Klassifizierung. Datengrundlage sind nicht-­‐überschuldete Unternehmen außerhalb des Finanzdienstleistungssektors, für welche ein Mindestmaß an Daten (Umsatz, Bilanzsumme und Eigenkapital) verfügbar ist. Die hellblau dargestellten Werte beziehen sich auf alle Unternehmen, während sich die Gesamtwerte auf die Unternehmen beziehen, welche tatsächlich auf diese Finanzierungsquelle zurückgreifen. Europa umfasst hier Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Luxembourg, Portugal, Spanien, Schweden, Großbritannien, Schweiz, wovon Dänemark, Großbritannien, Niederlande und Schweden als marktbasiert klassifiziert werden. In Summe gehen 108.954 Jahresbeobachtungen von 11.464 Unternehmen in die Untersuchung ein. Quelle: Eigene Analysen basierend auf Daten der Bureau van Dijk OSIRIS Database. Abbildung 7: Finanzierungsstruktur europäischer Unternehmen auf der Basis gewichteter Durchschnitte Da aus Datenverfügbarkeitsgründen auf kapitalmarktnahe Unternehmen zurückgegriffen werden musste, stellt sich die Frage, ob sich das Bild systematisch verändern würde, wenn man auch kleinere Unternehmen in die Analyse miteinbezieht. Wir greifen hierzu wieder auf die bereits weiter oben verwendeten BACH-­‐Daten zurück. Dort wird der prozentuale Anteil von Anleihen und ähnlichen Verbindlichkeiten an der Bilanzsumme ausgewiesen. Die Ergebnisse sind in der nachfolgenden Abbildung 8 zusammengetragen. Wie man sieht, reduziert sich die Bedeutung der Anleihefinanzierung wenn man diese größere Stichprobe von Unternehmen betrachtet. Mit 2,2 Prozent ist sie aber dennoch nicht unbeachtlich, wenngleich Deutschland im Vergleich zu Ländern wie Frankreich und Italien hier deutlich zurück liegt. Betrachtet man die Aufteilung auf die verschiedenen Unternehmensgrößen kann man feststellen, dass Anleihefinanzierung nahezu -­‐ 28 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion ausschließlich von den großen Unternehmen betrieben wird. Lediglich in Frankreich gibt es unter den mittleren Unternehmen noch eine nennenswerte Anleihefinanzierung. Anleihen und ähnliche Verbindlichkeiten
[Anteil in % der Bilanzsumme, Gewichteter Durchschnitt, Werte für 2013]
Deutschland
Alle
Unternehmen
2,2
Großunternehmen
3,7
2,5
Mittlere
Unternehmen
0,2
Kleine
Unternehmen
0,1
Spanien
Frankreich
Italien
0,34
4,9
3,6
0,53
1,6
0,04
0,5
0,00
4,7
0,5
0,5
Erläuterungen: Die Abbildung stellt für Unternehmen in ausgewählten europäischen Länder Anleihen und ähnliche Verbindlichkeiten, definiert als Anteil an der Bilanzsumme (Variable L1 nach der BACH Nomenklatur) in Prozent für das Jahr 2013 dar. Datengrundlage sind alle Unternehmen (Sector Zc der Bach Nomenklatur, d.h. „Total NACE without holding companies (K642) and head offices (M701)“). Großunternehmen (mittlere bzw. kleine Unternehmen) sind definiert als Unternehmen mit mehr als 50 Mio. EUR (zw. 10 und 50 Mio. EUR bzw. weniger als 10 Mio. EUR) Umsatz. Quelle: Eigene Analysen basierend auf Daten der Bach Database European Committee of Central Balance-­‐Sheet Data Office (Stand Juni 2015). Für eine Beschreibung dieser von den jeweiligen Zentralbanken erhobenen Daten vgl. das im Quellenverzeichnis (Kapitel 6) erwähnte Dokument von BACH. Abbildung 8: Anleihefinanzierung in ausgewählten Ländern Wir wollen die BACH-­‐Daten schließlich auch noch dafür verwenden, um das in Abbildung 7 dargestellte Bild zur Bedeutung der Bankenfinanzierung zu vervollständigen. Es finden sich in der Datenbank Angaben zu der Höhe der Verbindlichkeiten gegenüber Finanzinstituten, die zwar nicht exakt mit Bankkrediten gleich gesetzt werden können, dennoch aber eine Einschätzung hinsichtlich der Bedeutung der Bankkredite geben können. Wie man in Abbildung 9 sehen kann, gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für Frankreich, Spanien und Italien, dass KMUs sehr stark auf Bankenfinanzierung zurückgreifen. Deren Anteile liegen zwischen 17 und 25 Prozent der Bilanzsumme. Das liegt zwar etwas unter der für deutsche KMUs ermittelten Spanne von 27 bis 31 Prozent, bestätigt aber die oben -­‐ 29 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion geäußerte Vermutung, dass auch außerhalb Deutschlands die Bankenfinanzierung für KMUs nach wie vor eine zentrale Finanzierungssäule darstellt. Verbindlichkeiten gegenüber Finanzinstituten europäischer Unternehmen
[Anteil in % der Bilanzsumme, Gewichteter Durchschnitt, Werte für 2013]
Deutschland
Alle
Unternehmen
10
Großunternehmen
7
Mittlere
Unternehmen
Kleine
Unternehmen
Frankreich
Spanien
11
16
8
27
31
14
15
17
11
21
19
Italien
18
22
25
Erläuterungen: Die Abbildung stellt für Unternehmen in ausgewählten europäischen Länder die Verbindlichkeiten gegenüber Finanzinstituten , definiert als Anteil an der Bilanzsumme (Variable L2 nach der BACH Nomenklatur) in Prozent für das Jahr 2013 dar. Datengrundlage sind alle Unternehmen (Sector Zc der Bach Nomenklatur, d.h. „Total NACE without holding companies (K642) and head offices (M701)“). Großunternehmen (mittlere bzw. kleine Unternehmen) sind definiert als Unternehmen mit mehr als 50 Mio. EUR (zw. 10 und 50 Mio. EUR bzw. weniger als 10 Mio. EUR) Umsatz. Technische Anmerkung: Die zugrundeliegenden Daten beziehen sich auf Verbindlichkeiten gegenüber Finanzinstitutionen und umfassen damit auch Verbindlichkeiten aus Leasingfinanzierungen und ähnlichem. Quelle: Eigene Analysen basierend auf Daten der Bach Database European Committee of Central Balance-­‐Sheet Data Office (Stand Juni 2015). Für eine Beschreibung dieser von den jeweiligen Zentralbanken erhobenen Daten vgl. das im Quellenverzeichnis (Kapitel 6) erwähnte Dokument von BACH. Abbildung 9: Bankverbindlichkeiten im europäischen Vergleich Hinsichtlich der Entwicklung der Bankenfinanzierung kann man sich abschließend noch die Frage stellen, inwieweit der festgestellte Rückgang eine Folge der Finanzmarktkrise ist. Hierzu wird in Abbildung 10 der betrachtete Zeitraum in vier unterschiedliche Teilzeiträume aufgeteilt. Der letzte Teilzeitraum von 2009 bis 2014 stellt die Entwicklung nach der Finanzmarktkrise dar. Wie man nun sehen kann, rechtfertigt diese Auswertung keinesfalls die Behauptung, dass der Rückgang in der Bankenfinanzierung ausschließlich die Folge der Finanzmarktkrise gewesen sei. Vielmehr lässt sich bereits seit 2003 ein rückläufiger Trend beobachten. Das gilt insbesondere für Deutschland, aber auch für die Gruppe der marktbasierten Länder. Lediglich für die Gruppe der bankbasierten Länder, mit Ausnahme Deutschlands, -­‐ 30 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion zeigt sich, dass der Rückgang in der Bankenfinanzierung tatsächlich nach der Finanzmarktkrise besonders ausgeprägt war. Insgesamt muss man aber feststellen, dass es neben den mit der Finanzmarktkrise verbundenen Problemen in der Unternehmensfinanzierung und der damit einhergehenden Zunahme in der Regulierungsdichte noch weitere Gründe geben könnte, die zu einer gewissen Substitution von Bankenfinanzierung durch andere Finanzierungsquellen geführt haben. Hier sind möglicherweise auch technologische Veränderungen und Verschiebungen in den Marktrisiken von Bedeutung.13 Entwicklung der Bankverbindlichkeiten über die Zeit
[Jeweils Anteil in % der Bilanzsumme, kapitalmarktnahe Unternehmen außerhalb des Finanzdienstleistungssektors, Gewichteter Durchschnitt]
-22%
10,2
9,4
7,9
7,9
9,9
9,2
7,8
7,7
1990 - 1996
1997-2002
2003-2008
2009-2014
12,3
12,6
12,0
10,7
10,1
11,7
9,6
9,2
1990 - 1996
1997-2002
2003-2008
2009-2014
13,1
13,1
12,8
12,0
12,3
12,6
12,0
10,7
1990 - 1996
1997-2002
2003-2008
2009-2014
Deutschland
-13%
Marktbasierte
Länder
-9%
Bankbasierte
Länder
Erläuterungen: Die Abbildung stellt für europäische, von Bureau van Dijk als „kapitalmarktnah“ klassifizierte Unternehmen, die Eigenkapitalausstattung und sonstige Formen der Kapitalüberlassung, definiert als Anteil an der Bilanzsumme in Prozent über die Jahre 1990 – 2014 dar. Dabei wird zunächst die Situation deutscher Unternehmen dargestellt, ehe dann die Situation der Unternehmen im restlichen Europa, aufgeteilt nach markt-­‐ bzw. bankbasierten Ökonomien, beleuchtet wird. Die Unterscheidung in markt-­‐ bzw. bankbasierte Länder folgt dabei der in (Demirguc-­‐Kunt & Levine, 1999) vorgestellten Klassifizierung. Datengrundlage sind nicht-­‐überschuldete Unternehmen außerhalb des Finanzdienstleistungssektors, für welche ein Mindestmaß an Daten (Umsatz, Bilanzsumme und Eigenkapital) verfügbar ist. Die hellblau dargestellten Werte beziehen sich auf alle Unternehmen, während sich die Gesamtwerte auf die Unternehmen beziehen, welche tatsächlich auf diese Finanzierungsquelle zurückgreifen. Europa umfasst hier Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Luxembourg, Portugal, Spanien, Schweden, Großbritannien, Schweiz, wovon Dänemark, Großbritannien, Niederlande und Schweden als marktbasiert klassifiziert werden. Quelle: Eigene Analysen basierend auf Daten der Bureau van Dijk OSIRIS Database. Abbildung 10: Entwicklung der Bankverbindlichkeiten über die Zeit 13
Vgl. hierzu etwas ausführlicher (Kaserer & Rapp, 2014). -­‐ 31 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 2.2 Kapitalmarktorientierung deutscher Unternehmen Nach der Diskussion der Finanzierungsstruktur wenden wir nun den Blick auf die Kapitalmarktorientierung deutscher Unternehmen. Zunächst stellt die Abbildung 11 die an der Deutschen Börse notierten deutschen Unternehmen über die Jahre 1990-­‐
2014 dar. Anzahl gelisteter Unternehmen über die Zeit
[Werte für die Deutsche Börse, Frankfurt]
769
710
702
615
1990-1994
1995-1999
2000-2004
2005-2009
652
-15%
2010-2014
Erläuterungen: Die Abbildung stellt die Anzahl der an der Deutschen Börsen notierten deutschen Unternehmen über die Jahre 1990-­‐2014 dar. Zur Vereinfachung wurden Durchschnittswerte über die jeweiligen 5-­‐Jahreszeiträume gebildet. Quelle: Eigene Analysen basierend auf Daten der World Federation of Exchanges (WFE). Abbildung 11: Anzahl der an der Deutschen Börse gelisteten Unternehmen über die Zeit Es zeigt sich, dass seit Ende der 90er Jahre die Anzahl der börsennotierten deutschen Unternehmen rückläufig ist.14 Konkret zeigt ein Vergleich der Jahre 2010-­‐2014 versus 1995-­‐1999 einen Rückgang von 769 auf 652 Unternehmen, was einem Rückgang von 15 Prozent entspricht. Dies unterstützt die weiter oben geäußerte Vermutung, dass der Zuwachs im Eigenkapital deutscher Unternehmen nicht vornehmlich durch die Aufnahme neuen Eigenkapitals verursacht wurde, sondern vermutlich zu einem erheblichen Teil durch die Thesaurierung von Gewinnen. 14
Ähnliches zeigt eine Analyse der Daten der World Federation of Exchanges (WFE) auch für andere Länder, unter anderem für die USA. Vergleiche hierzu etwa auch (Doidge, Karolyi, & Stulz, 2015). -­‐ 32 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Wie sich dieser Rückgang auf die verschiedenen Marktsegmente verteilt, kann man in Abbildung 12 sehen. Während sich hier im regulierten Markt (Prime und General Standard) ein deutlicher Rückgang abzeichnet, ist das Bild im börsenregulierten Marktsegment differenzierter zu beurteilen. So kann man sehen, dass es im Entry Standard zu einer deutlichen Zunahme in der Zahl der notierten Unternehmen gekommen ist. Demgegenüber hat der sonstige Freiverkehr einen großen Rückgang zu verzeichnen. Allerdings ist dieser Rückgang durch eine Umstrukturierung an der Frankfurter Wertpapierbörse zu erklären, die dazu geführt hat, dass man das so genannte First Quotation Board per Ende 2012 geschlossen hat. Zwar haben daraufhin einige Unternehmen in den Entry Standard gewechselt, dennoch kam es zu einer erheblichen Zahl von Notierungseinstellungen. Inwieweit diese Unternehmen in den Freiverkehrssegmenten der anderen deutschen Börsen notiert sind, lässt sich aus den vorliegenden Statistiken nicht nachvollziehen. Hinzu kommt, dass Abbildung 12 auch keine Aussage darüber macht, wie sich die Freiverkehrssegmente an den Regionalbörsen entwickelt haben. So besteht beispielsweise an der Börse München seit dem 1. Juli 2005 das Mittelstandssegment m:access innerhalb des Freiverkehrs. Dort sind nach Angaben der Börse München aktuell 56 Unternehmen mit einer Gesamtmarktkapitalisierung von rund 12,6 Mrd. Euro notiert. Diese Unternehmen werden im Rahmen eines Sekundärlistings zum Großteil auch im Freiverkehr der Frankfurter Wertpapierbörse notiert. Insgesamt muss man also festhalten, dass es im regulierten Markt ohne Zweifel einen rückläufigen Trend in der Zahl der börsennotierten Unternehmen gibt. Im börsenregulierten Marktsegment kann man hingegen zumindest für den Entry Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse einen gegenläufigen Trend ausmachen. Insoweit ist die Vermutung, dass der für den regulierten Markt festgestellte leichte Trend zu einem Börsenrückzug mit den hohen Publizitäts-­‐ und Transparenzanforderungen zusammenhängt, die an börsennotierte Unternehmen gestellt werden, nicht völlig von der Hand zu weisen. Welche Rolle dabei allein die Prospektanforderungen spielen ist nicht völlig klar, weil auch die Frankfurter Wertpapierbörse seit 2012 für eine Zulassung zum Entry Standard immer die Erstellung eines Prospekts verlangt. -­‐ 33 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Anzahl börsennotierter Unternehmen nach Marktsegementen an der Frankfurter Wertpapierbörse
Prime Standard
General Standard
-12%
-45%
365
293
321
162
2007
2015
2007
Entry Standard
2015
Sonstiges börsenreguliertes Marktsegment
+62%
-64%
166
284
103
101
2007
2015
2007
2015
Erläuterungen: Die Abbildung stellt die Anzahl der in den jeweiligen Marktsegmenten der Frankfurter Wertpapierbörse notierten Aktien zum jeweiligen Zeitpunkt dar. Im Jahre 2012 erfolgte eine Neustrukturierung des Freiverkehrs, welche insbesondere das First Quotation Board betraf und zu einem erheblichen Rückgang der im Freiverkehr der Frankfurter Wertpapierbörse notierten Aktien führte. Quelle: Daten für 2007 aus DAI Factbook 2013, Daten für Ende September 2015 von Deutsche Börse.. Abbildung 12: Anzahl börsennotierter Unternehmen nach Marktsegmenten an der Frankfurter Wertpapierbörse Soweit man einen internationalen Vergleich anstellt, muss man festhalten, dass in Deutschland relativ wenige Unternehmen börsennotiert sind. Dies wird in der nachfolgenden Abbildung 13 illustriert. Zieht man die dort dargestellte Kennzahl „Börsennotierte Unternehmen je 1 Mio. Einwohner“ als Vergleichsmaßstab heran, dann zeigt sich Deutschland hier sowohl gegenüber den USA und Japan, aber auch gegenüber dem durchschnittlichen OECD-­‐Land bzw. EU15-­‐Land deutlich abgeschlagen. Der Abstand beträgt im innereuropäischen Vergleich etwa 70 Prozent. -­‐ 34 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Nutzung des Aktienmarktes
[Anzahl gelisteter Unternehmen je 1 Mio. Einwohner, 2001-2011]
Wert für 1990-1999:
USA
17
29
26
Japan
39
UK
26
EU15
-70 %
Deutschland
8
32
OECD
Erläuterungen: Die Abbildung stellt für Deutschland, die USA, Japan, Großbritannien, Europa (EU15) und die OECD die Anzahl der börsennotierten Unternehmen eines Landes je 1 Mio. Einwohner über die Jahre 2001-­‐2011 dar. Für Europa und die OECD sind die Mittelwerte über die Länder dargestellt. Quelle: Eigene Analyse basierend auf dem Financial Development and Structure Dataset. Abbildung 13: Nutzung des Aktienmarktes durch deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich Die Zurückhaltung deutscher Unternehmen in ihrer Kapitalmarktorientierung drückt sich auch in einer geringen und seit den 90er Jahren sogar rückläufigen Zahl von börsennotierten Unternehmen aus. Abbildung 14 zeigt, dass die durchschnittliche Anzahl von Neuemissionen (IPOs) seit Ende der 90er Jahre von etwas über 100 Unternehmen pro Jahr auf knapp über 10 zurückgegangen ist. Ein etwas anderes Bild zeigt sich allerdings bei Betrachtung der börsengehandelten Anleihen: Hier stieg über die Jahre 2000-­‐2014 sowohl die Anzahl der privaten Emittenten, wie auch die Anzahl der von diesen Emittenten gehandelten Anleihen deutlich an. Dies passt zu dem bereits vorher erwähnten Befund, dass es bei deutschen Unternehmen einen Trend zu einem stärkeren Rückgriff auf kapitalmarktnahe Fremdfinanzierungsinstrumente gibt. -­‐ 35 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Durchschnittliche Anzahl von Neuemissionen pro Jahr in Deutschland
105,0
-89%
40,2
30,2
-71%
11,8
1997-1999
2000-2004
2005-2009
2010-2014
Erläuterungen: Die Abbildung stellt die durchschnittliche Anzahl von Neuemissionen in Deutschland dar. Quelle: Eigene Analyse basierend auf dem Daten aus verschiedenen Quellen (Werte von 1997-­‐2013: Blättchen Financial Advisory zitiert nach DAI (2014), Wachstumsmotor Börse stärken: Kapital mobilisieren – Regulierung entschlacken. Positionspapier des Deutschen Aktieninstituts vom 16. Dezember 2014. Werte 2014 (Wert für Deutsche Börse Prime und General Standard): PWC (2015), Emissionsmarkt Deutschland -­‐ Q4-­‐2014 Jahresrückblick [Online: http://www.pwc.de/de/finanzierung/assets/Emissionsmarkt_Deutschland_Q4_2014.pdf]). Abbildung 14: Anzahl Börsengänge über die Zeit Börsengehandelte Anleihen
[Deutsche private Unternehmen an der Deutschen Börse]
Anzahl Anleihen
Anzahl Emittenten
+77%
+68%
11.065
238
142
6.260
2000-2006
2007-2014
2000-2006
2007-2013
Erläuterungen: Die Abbildung stellt sowohl die Anzahl der an der Deutschen Börsen gehandelten Anleihen, wie auch die Anzahl der Emittenten aus dem privaten Sektor dar. Aufgrund von Datenproblemen in der Zeitreihe erfolgt eine Einschränkung auf die Jahre 2000-­‐2013 bzw. 2014. Quelle: World Federation of Exchanges (WFE), eigene Analysen. Abbildung 15: Börsennotierte Anleihen des Privaten Sektors über die Zeit -­‐ 36 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 2.3 Finanzmarktstruktur in Deutschland Die vorangehenden Analysen haben einen Überblick zu Finanzierungsentscheidungen auf Unternehmensebene gegeben. Sie waren somit mikroökonomischer Natur. Die von den Unternehmen getroffenen Finanzierungsentscheidungen lassen sich aber auch auf aggregierter Ebene betrachten. In Abhängigkeit davon, wie stark Unternehmen eine Kreditfinanzierung oder eine kapitalmarktnahe Finanzierung nutzen, sollte dann auch eine unterschiedliche Größe des Bankensektors bzw. Kapitalmarktes zu beobachten sein. Natürlich muss man hier berücksichtigen, dass die Größe beider Sektoren auch durch Finanzierungsentscheidungen des Staates und der privaten Haushalte beeinflusst wird. Je höher die Staatsverschuldung ist und je stärker sich der Staat über börsengehandelte Anleihen finanziert, um so größer wird auch der Kapitalmarkt sein. Auch die private Wohnbaufinanzierung beeinflusst je nach Ausmaß und Ausgestaltung die Größe des Banken-­‐ und Kapitalmarktes. Da wir hier den Fokus auf der Unternehmensfinanzierung haben, werden wir im Folgenden die Effekte, die aus Finanzierungsentscheidungen des Staates kommen, ausblenden. Das bedeutet konkret, dass wir Staatsanleihen bei der Bemessung der Größe des Kapitalmarktes nicht berücksichtigen. Finanzierungsentscheidungen der privaten Haushalte lassen sich leider nicht in der gleichen einfachen Weise ausblenden, da die Abgrenzung zu gewerblicher Wohnbaufinanzierung schwierig ist. Wir werden daher im Folgenden die Finanzierungsaktivitäten der privaten Haushalte mit berücksichtigen. Auf diese Weise können wir die durch private Finanzierungsaktivitäten (alle Sektoren außer dem Staat) bedingte Finanzmarktstruktur ermitteln. Diese gibt uns Auskunft über die Bedeutung des Kapitalmarktes, verstanden als Summe aus Aktien-­‐ und Anleihemarkt, relativ zur Bedeutung des Bankensektors als Finanzierungsquelle für Unternehmen und private Haushalte.15 15
Für eine umfangreiche und detaillierte Analyse der Finanzmarktstruktur Deutschlands im europäischen Vergleich vgl. (Beck et al., 2015). -­‐ 37 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 2.3.1 Aktienmarkt als Markt für Eigenkapital Zunächst wird der Aktienmarkt betrachtet. Hier sind insbesondere zwei Kennzahlen von Interesse: Die Größe bzw. die Tiefe des Marktes, verstanden als die aggregierte Marktkapitalisierung, und die Liquidität des Marktes, welches die Handelsaktivität misst. Die nachfolgende Abbildung 16 untersucht die Entwicklung und den Status Quo des deutschen Aktienmarktes entlang dieser beiden Dimensionen im Rahmen eines europäischen Vergleichs über die Jahre 1990-­‐2011.16 Um Vergleichbarkeit zu gewährleisten werden dabei alle Größen in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausgedrückt. Entwicklung des deutschen Aktienmarktes im europäischen Vergleich
Europa
Marktorientiertes Europa
Bankorientiertes Europa
+33%
+18%
+54%
+33%
Panel A:
Tiefe des
Aktienmarktes
Deutschland
75
57
46
96
58
81
34
38
[Marktkapitalisierung in
% des BIPs]
1990-2000
2001-2011
1990-2000
+166%
Panel B:
2001-2011
+132%
64
27
26
2001-2011
1990-2000
+175%
70
Liquidität des
Aktienmarktes
1990-2000
2001-2011
+165%
120
56
21
44
[Handelsvolumen in
% des BIPs]
1990-2000
2001-2011
1990-2000
2001-2011
1990-2000
2001-2011
1990-2000
2001-2011
Erläuterungen: Die Abbildung stellt die Entwicklung der europäischen Aktienmärkte hinsichtlich Tiefe, gemessen anhand der Marktkapitalisierung, und Liquidität, gemessen anhand der Handelsvolumen (jeweils in Prozent des BIPs) über die Jahre 1990-­‐
2011 dar. Dabei wird zunächst die gesamteuropäische Situation dargestellt, ehe dann die Situation Deutschland sowie in markt-­‐ bzw. bankbasierten Europäischen Ländern Europas beleuchtet wird. Die Stichprobe umfasst 15 europäische Länder (Mitgliedstaaten der Europäischen Union bis einschließlich April 2004) und die Unterscheidung in markt-­‐ bzw. bankbasierte Länder folgt dabei der in (Demirguc-­‐Kunt & Levine, 1999) vorgestellten Klassifizierung. Quelle: Eigene Analyse basierend auf dem von de Weltbank bereitgestellten „Financial Development and Structure Dataset“ der Autoren Aslı Demirgüç-­‐Kunt, Martin Čihák, Erik Feyen, Thorsten Beck und Ross Levine. Abbildung 16: Entwicklung des deutschen Aktienmarktes im europäischen Vergleich 16
Die Beschränkung auf die Jahre bis 2011 ergibt sich aus der Datenverfügbarkeit. -­‐ 38 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Es zeigt sich zunächst, dass die europäischen Aktienmärkte über den Betrachtungszeitraum sowohl hinsichtlich Größe wie auch hinsichtlich Liquidität deutlich gewachsen sind. So stieg die durchschnittliche Tiefe des Aktienmarktes von 57 auf 75 Prozent des BIPs (ein Plus von 33 Prozent) und die Liquidität von 26 auf 70 Prozent (ein Plus von 166 Prozent). Deutschland liegt dabei – von niedrigem Niveau aus startend -­‐ im europäischen Mittel. So stieg die Tiefe des Aktienmarktes von 34 auf 46 Prozent des BIPs (ein Plus von 33 Prozent) und die Liquidität von 27 auf 64 Prozent (ein Plus von 132 Prozent). Interessant ist die Beobachtung, dass bankorientierte europäische Länder hinsichtlich beider Dimensionen von einem sehr niedrigen Ausgangsniveau aus starten (etwa jeweils nur die Hälfte des Niveaus der marktorientierten Länder), jedoch hinsichtlich der Tiefe des Aktienmarktes mit deutlich höheren Wachstumsraten aufwarten. So wuchs der durchschnittliche Aktienmarkt in bankorientierten Ländern um 54 Prozent im Vergleich mit 18 Prozent in marktorientierten Ländern. Bemerkenswert ist darüber hinaus der enorme Zuwachs an Liquidität, gemessen als Handelsvolumen an den Aktienbörsen, in allen Ländern. Auch in Deutschland hat es ein sehr starkes Liquiditätswachstum gegeben, allerdings ist die Wachstumsrate im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich. Die nachfolgende Abbildung 17 vertieft diese Analyse nochmals indem sie die Aktienmarkttiefe Deutschlands mit Großbritannien, Frankreich und Spanien vergleicht. Es zeigt sich dabei, dass Deutschland zwar ein mittelmäßiges Größenwachstum, jedoch ein nur unterdurchschnittliches Wachstum hinsichtlich Liquidität aufweist. Dies führt dazu, dass Deutschland im Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2011 einen Aktienmarkt mit einer Marktkapitalisierung von 46% des BIP hatte. In Großbritannien und Frankreich liegen diese Werte bei 127 bzw. 80 Prozent. Und selbst Spanien hat relativ gesehen einen größeren Aktienmarkt als Deutschland. Ähnliches lässt sich auch im Hinblick auf die Liquidität der Aktienmärkte feststellen. Dieser Befund wird durch die in Abbildung 18 dargestellte Analyse der Marktkonzentration in einzelnen Märkten zumindest teilweise untermauert. Betrachtet man die jeweils 10 größten bzw. liquidesten Aktien in einem Markt, so zeigt sich der deutsche Aktienmarkt (hier repräsentiert durch die Deutsche Börse) als -­‐ 39 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion relativ konzentriert. Zusammen genommen stehen diese Befunde in Einklang mit der Vermutung, dass es in Deutschland zwar eine kleinere Zahl von großen Unternehmen gibt, die den Aktienmarkt sehr stark in Anspruch nehmen. Hingegen gibt es eine große Zahl von mittleren und kleineren Unternehmen, die entweder gar nicht börsennotiert sind oder, wenn sie börsennotiert sind, im Vergleich zu den großen Unternehmen eher ein Schattendasein führen. Entwicklung ausgewählter europäischer Aktienmärkte im Vergleich
Deutschland
+33%
Panel A:
Tiefe des
Aktienmarktes
Frankreich
UK
+3%
46
Spanien
+76%
127
123
+118%
80
84
34
45
38
[Marktkapitalisierung in
% des BIPs]
1990-2000
1990-2000
+132%
Panel B:
Liquidität des
Aktienmarktes
2001-2011
2001-2011
1990-2000
+232%
1990-2000
+225%
64
27
2001-2011
171
+203%
79
52
2001-2011
133
44
24
[Handelsvolumen in
% des BIPs]
1990-2000
2001-2011
1990-2000
2001-2011
1990-2000
2001-2011
1990-2000
2001-2011
Erläuterungen: Die Abbildung stellt die Entwicklung ausgewählter europäischer Aktienmärkte hinsichtlich Tiefe, gemessen anhand der Marktkapitalisierung, und Liquidität, gemessen anhand der Handelsvolumen (jeweils in Prozent des BIPs) über die Jahre 1990-­‐2011 dar. Quelle: Eigene Analyse basierend auf dem von de Weltbank bereitgestellten „Financial Development and Structure Dataset“ der Autoren Aslı Demirgüç-­‐Kunt, Martin Čihák, Erik Feyen, Thorsten Beck und Ross Levine. Abbildung 17: Entwicklung ausgewählter europäischer Aktienmärkte Es ist im Übrigen wenig überraschend, dass sich die fehlende Größe des regulierten Sekundärmarktes für Eigenkapital auch in einer fehlenden Größe des Marktes für privates Beteiligungskapital niederschlägt. Hierzu sei kurz ein Blick auf Private Equity geworfen. Die nachfolgende Abbildung 19 stellt für ausgewählte europäische Länder die Private-­‐Equity-­‐Investments über die Jahre 2007-­‐2013 dar. Auch hier zeigt sich der deutsche Markt von nur unterdurchschnittlicher (relativer) Größe: Mit 0,22 Prozent des BIP beträgt das Investitionsvolumen der in Deutschland ansässige Private-­‐Equity-­‐
Investoren nur gut ein Fünftel des entsprechenden Volumens in Großbritannien. Auch Länder wie Schweden oder Frankreich haben einen deutlich größeren Markt für Private Equity. -­‐ 40 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Marktkonzentration auf Aktienmärkten
Marktkapitalisierung
[Relative Anteile in %, 2010-2013]
Deutsche Börse
Euronext
London SE
[Frankfurt]
[Amsterdam, Paris, Brüssel, Lissabon]
[London, 2011-2012]
78
70
46
37
Anteil der 10 größten
Unternehmen
Anteil der 5% größten
Unternehmen
Anteil der 10 größten
Unternehmen
33
Anteil der 5% größten
Unternehmen
82
Handelsvolumen
82
Anteil der 10 größten
Unternehmen
74
Anteil der 5% größten
Unternehmen
87
49
31
Anteil der 10 liquidesten
Unternehmen
Anteil der 5%
liquidesten
Unternehmen
Anteil der 10 liquidesten
Unternehmen
33
Anteil der 5%
liquidesten
Unternehmen
Anteil der 10 liquidesten
Unternehmen
Anteil der 5%
liquidesten
Unternehmen
Erläuterungen: Die Abbildung stellt die Konzentration auf verschiedenen Marktplätzen (Deutsche Börse, Euronext, London SE) für die Jahre 2010-­‐2013 sowohl anhand der Marktkapitalisierung wie auch dem Handelsvolumen dar. In beiden Fällen werden sowohl die (jeweils) 10 wichtigsten Aktien, wie auch die 5 Prozent wichtigsten Aktien untersucht. Quelle: Eigene Analyse basierend auf Daten der World Federation of Exchanges (WFE). Abbildung 18: Marktkonzentration auf Aktienmärkten Markt für privates Beteiligungskapital (Private Equity)
[Private Equity Investments in % des BIP, 2007-2013, Industriestatistik]
1,07
Vereinigtes Königreich
Schweden
Frankreich
0,67
0,37
Europa (wie durch
EVCA vertreten)
0,34
0,32
Dänemark
Niederlande
Finnland
Norwegen
Schweiz
Deutschland
Belgien
Spanien
Italien
Griechenland
0,27
0,24
-36%
0,24
0,22
0,22
0,21
0,17
0,11
0,02
Erläuterungen: Die Abbildung stellt für ausgewählte Länder den Markt für privates Beteiligungskapital (Private Equity, inkl. Venture Capital) anhand der Höhe der durch die in den Ländern ansässigen Investoren investierten Mittel relativ zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) dargestellt. Quelle: Eigene Analyse basierend auf Daten der EVCA. Abbildung 19: Markt für privates Beteiligungskapital (Private Equity) -­‐ 41 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 2.3.2 Banken und Anleihemärkte Eine wesentliche Quelle der Finanzierung von Unternehmen sind Kredite von Finanzinstituten, insbesondere Banken. Die nachfolgende Abbildung 20 stellt die Entwicklung des deutschen Bankenmarktes anhand der aggregierten Bilanzsumme (in Prozent des BIPs) über die Jahre 1970-­‐2013 dar. Entwicklung des deutschen Bankenmarkt
[Aggregierte Bilanzsumme der Banken in % des BIP, 1970-2013]
350
Andere Assets
300
Wertpapiere von Banken (MFIs) / Anleihen und Aktien
250
Kredite an Nichtbanken (mit Wertpapieren und
Ausgleichsforderungen)
200
150
100
50
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
1979
1978
1977
1976
1975
1974
1973
1972
1971
1970
0
Erläuterungen: Die Abbildung illustriert die Entwicklung des deutschen Bankenmarktes über die Jahre 1970-­‐2013 anhand der aggregierten Bilanzsumme (in Prozent des BIPs) der Finanzinstitute. Quelle: Eigene Analyse basierend auf Daten der Deutsche Bundesbank und der Weltbank. Abbildung 20: Entwicklung des deutschen Bankenmarktes Es zeigt sich zunächst, dass die aggregierte Bilanzsumme der deutschen Banken bis zum Jahre 2010 relativ beständig anwuchs. Unterscheidet man dabei jedoch zwischen verschiedenen Komponenten der Bilanz einer Bank so zeigt sich, dass sich die einzelnen Komponenten über die Zeit unterschiedlichen entwickelten. Betrachtet man etwa die Kredite an Nichtbanken, d.h. insbesondere Unternehmenskredite (aber auch Kredite an private Haushalte), so erreichten diese mit 165 Prozent des BIPs im Jahre 2000 ihren Höhepunkt und sind seither um 17 Prozent auf 136 Prozent des BIPs im Jahre 2013 zurückgegangen.17 Insoweit zeigt sich, dass der in Abschnitt 2.1 dargestellte Befund einer rückläufigen Bankfinanzierung bei deutschen Unternehmen 17
Stark zugenommen haben hingegen andere Assets, wie etwa Derivatpositionen. Vergleiche etwa auch (Langfield & Pagano, 2015). -­‐ 42 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion durchaus in Einklang mit dem Befund einer wachsenden Bilanzsumme deutscher Banken steht. Das Wachstum wurde nicht durch die Vergabe von Unternehmenskrediten getrieben, sondern insbesondere durch das Wachstum von Risikotransferinstrumenten (Derivaten). Die zwei nachfolgenden Abbildungen (Abbildung 21 und Abbildung 22) setzen diese Beobachtung in einen europäischen Kontext und berücksichtigen dabei, dass die oben analysierte Bankbilanzkomponente „Kredite an Nichtbanken“ neben Unternehmenskrediten insbesondere auch Hypothekarkredite, welche ein beträchtliches Volumen haben, umfassen. Um eine internationale Vergleichbarkeit herzustellen, dient dabei als Ausgangsbasis nicht die oben untersuchten, von der Bundesbank ausgewiesenen „Kredite an Nichtbanken“, sondern die Kredite an den Privatsektor.18 Zwei Ergebnisse sind hier bemerkenswert. Erstens sieht man, dass auch in Ländern mit kapitalmarktorientierter vergleichbar große Rolle Unternehmensfinanzierung – wenn nicht sogar Bankkredite größere – in eine der Unternehmensfinanzierung spielen wie in Ländern mit traditionell bankbasierter Finanzierung. Dies ist ein wichtiger Befund, weil er zeigt, dass kapitalmarkt-­‐ und bankenbasierte Finanzierung weniger als Substitute denn als Komplemente zu sehen sind. Wenn die Banken die Möglichkeit haben, Unternehmenskredite in ausreichendem Maße über den Kapitalmarkt zu refinanzieren, werden sie auch eher bereit sein, diese zu attraktiven Konditionen zu vergeben. Zweitens zeigt sich, dass es mit Ausnahme Deutschlands in den meisten europäischen Ländern auch in der Phase nach der Finanzmarktkrise ein nicht unerhebliches Wachstum in den Unternehmenskrediten gegeben hat. Dies deckt sich grob mit dem Befund in Abschnitt 2.1.4, wo sich zeigte, dass der Rückgang in der Bankenfinanzierung bei deutschen Unternehmen ausgeprägter war als in anderen 18
Es ist anzumerken, dass der den Analysen zugrundeliegende Datensatz der deutschen Besonderheit von Schuldscheindarlehen nicht Rechnung zu tragen vermag. Eventuell damit einhergehende Verzerrungen sollten aber gering sein, glaubt man den Analysen von (Jensen, Tappy, & Fichtner, 2015). Danach betrug das jährliche Emissionsvolumen von unternehmerischen Schuldscheindarlehn in den Jahren 2012-­‐2014 rund 0,4 Prozent des BIPs, das Anfang 2015 ausstehende Volumen an unternehmerischen Schuldscheindarlehn schätzen die Autoren auf rund 2,4 Prozent des BIPs. -­‐ 43 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion europäischen Ländern. Interessant ist hier insbesondere, dass es gerade in Ländern mit marktorientierter Unternehmensfinanzierung ein besonders starkes Wachstum der Unternehmenskredite im Zeitraum 2008 bis 2011 gegeben hat. Neben der Tatsache, dass diese Länder durch die Finanzmarkt-­‐ und Eurokrise möglicherweise weniger betroffen waren als die Länder mit bankorientierter Finanzierung, könnte hier auch der Umstand eine Rolle spielen, dass in diesen Ländern die Refinanzierung der Banken über den Kapitalmarkt deutlich ausgeprägter ist. Da diese Refinanzierungsmöglichkeiten sich bald nach der Krise wieder geöffnet haben, war die Bereitschaft der Banken Kredite an Unternehmen zu vergeben, möglicherweise größer als in Ländern, wo diese Märkte weniger aufnahmefähig waren. Entwicklung des Kreditvolumens im europäischen Vergleich
Europa
Deutschland
Marktorientiertes Europa
Bankorientiertes Europa
-4%
+39%
+34%
+32%
Panel A:
Kreditvolumen an
den Privatsektor
150
112
197
108
113
135
101
142
[in % des BIPs]
2002-2007
Panel B:
2008-2011
2002-2007
96
60
+41%
Kreditvolumen an
den Privatsektor
ohne Hypothekar
-kredite
68
[in % des BIPs]
2002-2007
2008-2011
2002-2007
+2%
2008-2011
+52%
61
2002-2007
2008-2011
2002-2007
2008-2011
+36%
105
89
66
69
2008-2011
2002-2007
2008-2011
2002-2007
2008-2011
Erläuterungen: Die Abbildung stellt die Entwicklung des Kreditvolumens an den Privatsektor mit bzw. ohne Hypothekarkredite (jeweils in Prozent des BIPs) über die Jahre 2002-­‐2011 dar. Dabei wird zunächst die gesamteuropäische Situation dargestellt, ehe dann die Situation Deutschland sowie in markt-­‐ bzw. bankbasierten Europäischen Ländern Europas beleuchtet wird. Die Stichprobe umfasst 15 europäische Länder (Mitgliedstaaten der Europäischen Union bis einschließlich April 2004) und die Unterscheidung in markt-­‐ bzw. bankbasierte Länder folgt dabei der in (Demirguc-­‐Kunt & Levine, 1999) vorgestellten Klassifizierung. Quelle: Eigene Analyse basierend auf Daten der European Mortgage Foundation und dem von der Weltbank bereitgestellten „Financial Development and Structure Dataset“ der Autoren Aslı Demirgüç-­‐Kunt, Martin Čihák, Erik Feyen, Thorsten Beck und Ross Levine. Abbildung 21: Entwicklung des Kreditvolumens im internationalen Vergleich -­‐ 44 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Entwicklung des Kreditvolumens in ausgewählten europäischen Ländern
Panel A:
Frankreich
Deutschland
UK
-4%
+35%
112
+22%
201
108
+60%
111
206
91
149
Kreditvolumen an
den Privatsektor
Spanien
129
[in % des BIPs]
2002-2007
Panel B:
Kreditvolumen an
den Privatsektor
ohne Hypothekar
-kredite
[in % des BIPs]
2008-2011
2002-2007
+2%
60
2008-2011
2002-2007
+55%
2008-2011
+14%
61
120
2008-2011
2008-2011
+77%
71
62
142
77
2002-2007
2002-2007
80
2002-2007
2008-2011
2002-2007
2008-2011
2002-2007
2008-2011
Erläuterungen: Die Abbildung stellt für ausgewählte europäische Länder die Entwicklung des Kreditvolumens an den Privatsektor mit bzw. ohne Hypothekarkredite (jeweils in Prozent des BIPs) über die Jahre 2002-­‐2011 dar. Quelle: Eigene Analyse basierend auf Daten der European Mortgage Foundation und dem von der Weltbank bereitgestellten „Financial Development and Structure Dataset“ der Autoren Aslı Demirgüç-­‐Kunt, Martin Čihák, Erik Feyen, Thorsten Beck und Ross Levine. Abbildung 22: Entwicklung des Kreditvolumens in ausgewählten europäischen Ländern Diese letzte Überlegung verweist indirekt auf die Bedeutung des Verbriefungsmarktes als Instrument der Verzahnung von Bankensektor und Kapitalmarkt. Daher sei abschließend noch auf folgendes hingewiesen. Der Verbriefungsmarkt, soweit man gedeckte Schuldverschreibungen wie Pfandbriefe ausblendet, hat sich in Europa erst seit Beginn der 2000er Jahre richtig entwickelt. Wie man in der nachfolgenden Abbildung 23 sehen kann, ist er bis zum Jahr 2008 stark gewachsen, seither aber sehr stark rückläufig. Im Vergleich zu den USA sieht man, dass einerseits der Verbriefungsmarkt in Europa sehr viel kleiner ist und andererseits der Rückgang seit der Finanzmarktkrise sehr viel ausgeprägter war. Selbst das ausstehende Volumen von gedeckten Schuldverschreibungen war im Jahr 2014 nicht höher als im Jahr 2008. Unter Berücksichtigung der oben erwähnten Komplementarität von Kapitalmarkt-­‐ und Bankenfinanzierung ist das eine gefährliche Entwicklung, weil dadurch die Refinanzierungsmöglichkeiten für den Bankensektor eingeschränkt werden könnten. Hinzu kommt, dass der Verbriefungsmarkt in Europa sehr stark durch unternehmensferne Verbriefungen, wie etwa Verbriefungen von Autofinanzierungen und Wohnungsbaukrediten, dominiert wird, während Verbriefungen von Unternehmenskrediten nach wie vor einen sehr kleinen Anteil ausmachen. -­‐ 45 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Entwicklung der Verbriefungsmärkte
[Ausstehendes Volumen in Mrd. USD]
Gesamtvolumen USA und Europa
Europäischer Markt
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
4,8
6,2
6,4
6,2
6,3
5,8
3,9
5,3
2,0
5,2
0,3
0,2
0,2
3,2
Europa
2,7
12,1
10,7
USA
7,6
11,7
11,4
11,1
11,0
10,6
10,6
2,1
KMU &
ähnliche
0,1
0,1
0,1
MBS
0,5
0,1
0,2
0,6
8,9
0,4
0,3
0,3
0,3
3,3
3,3
3,3
0,2
1,3
0,3
0,3
0,2
0,3
1,3
0,3
0,3
3,3
3,3
0,2
0,3
0,2
0,2
ABS
Covered
Bonds
0,4
0,3
0,2
0,3
1,5
0,2
CDO
10,7
0,9
1,3
1,8
2,0
2,1
1,9
2,4
3,7
3,5
2,8
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
Erläuterungen: Die Abbildung stellt das ausstehende Volumen von Verbriefungsinstrumenten (in Billionen US-­‐Dollar) in den USA und Europa (einschließlich gedeckten Schuldverschreibungen) dar. Während links die Entwicklung des Gesamtmarktes für die beiden Regionen dargestellt wird, findet sich rechts die Darstellung des europäischen Marktes aufgeteilt nach verschiedenen Wertpapiertypen. Quelle: Eigene Analyse basierend auf Daten der SIFMA/AFME/ECBC. Abbildung 23: Entwicklung der Verbriefungsmärkte Entwicklung des deutschen Anleihemarkts
[Markttiefe in % des BIPs]
Entwicklung des deutschen Anleihemarktes
Internationaler Vergleich der Anleihemärkte
140
+42%
109
34
111
109
86
77
64
70
25
70
44
106
52
47
38
USA
1990-2000
EU15
38
42
Deutschland
OECD
2001-2011
Internationale Anleihen
Lokale Anleihen
Erläuterungen: Die Abbildung illustriert die Entwicklung des deutschen Anleihemarktes (ohne Staatsanleihen), gemessen als Markttiefe in % des BIPs, über die Jahre 1990-­‐2011 und stellt einen internationalen Vergleich her. Die Markttiefe ist definiert als das aggregierte Anleihevolumen. EU15 und OECD bezieht sich auf das durchschnittliche Land. OECD-­‐Länder soweit Daten verfügbar. Quelle: Eigene Analyse basierend auf Daten des Global Financial Development Dataset der Weltbank. Abbildung 24: Entwicklung des deutschen Anleihemarkts -­‐ 46 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Abschließend sei noch ein Blick auf die Anleihemärkte geworfen. Betrachtet man den Markt dieser Instrumente wie in Abbildung 24 dargestellt, dann zeigen sich zwei wesentliche Ergebnisse: Einerseits gab es ein substantielles Wachstum des deutschen Marktes über die zurückliegenden 25 Jahre, welches insbesondere von den international emittierten Anleihen getragen wurde, andererseits ein im europäischen Vergleich immer noch nur durchschnittlich entwickelter deutscher Anleihemarkt. Zu beachten ist, dass die Größe dieses Marktes sehr stark durch Bankschuldverschreibungen, dazu gehören auch Pfandbriefe und Verbriefungen, getragen wird. Dennoch steht der Befund in Einklang mit der bereits dargestellten Entwicklung einer wachsenden Bedeutung von Anleihen in der Unternehmensfinanzierung. 2.4 Zwischenfazit Als Zwischenergebnis der in diesem Abschnitt erfolgten empirischen Betrachtungen können die folgenden Aussagen festgehalten werden. -­‐
Zweifellos ist in Deutschland ein Trend zu einer stärkeren Eigenkapitalfinanzierung zu beobachten. Die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen ist in den letzten 15 Jahren gemessen an ihrer Bilanzsumme um rund 10 Prozentpunkte gestiegen. Dabei ist dieser Trend für KMUs sogar noch etwas stärker ausgeprägt als für große Unternehmen. -­‐
Gleichzeitig zeigt sich auch, dass gemessen an der Bilanzsumme die Bedeutung von Bankkrediten und Pensionsrückstellungen rückläufig ist. Der durch kapitalmarktnahe Fremdfinanzierungsinstrumente finanzierte Anteil steigt zwar, jedoch nur bei den kapitalmarktnahen Unternehmen. Für das Gros der deutschen Unternehmen gilt aber nach wie vor, dass sie dieses Finanzierungsinstrument nicht nutzen. Vielmehr ist für KMUs die Bankenfinanzierung nach wie vor die zentrale Säule der Außenfinanzierung. -­‐
Auch der Befund eines steigenden Eigenkapitalanteils darf nicht dahingehend interpretiert werden, dass es zu einer signifikanten Ausweitung der kapitalmarktbasierten Finanzierung bei deutschen Unternehmen gekommen ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der größte Anteil des Eigenkapitalzuwachses -­‐ 47 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion aus Gewinnthesaurierungen stammt. Insgesamt muss man daher festhalten, dass es in der fehlenden Kapitalmarktorientierung deutscher Unternehmen in den letzten 15 Jahren zu keiner massiven Veränderung gekommen ist. -­‐
Deutsche Unternehmen sind diesbezüglich aber weniger einzigartig als gemeinhin behauptet wird. Zwar ist in Ländern mit einer stärker kapitalmarktorientierten Unternehmensfinanzierung, wie Großbritannien oder die Niederlande, die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen im Durchschnitt höher. Was aber die Bedeutung von Schuldverschreibungen einerseits und Bankkrediten andererseits angeht, sind die Unterschiede nicht übermäßig groß. So liegt in der von uns betrachteten Stichprobe von kapitalmarktnahen Unternehmen der Anteil der Bankverbindlichkeiten an der Bilanzsumme bei deutschen Unternehmen im Durchschnitt der Jahre 2002 bis 2014 bei knapp 8 Prozent und damit in einer ähnlichen Größenordnung wie in Ländern mit kapitalmarktbasierter Unternehmensfinanzierung. Vor der Finanzmarktkrise lag dieser Anteil bei 10 Prozent, unterschied sich aber ebenfalls kaum von Ländern mit stärker kapitalmarktorientierter Finanzierung. Betrachtet man hingegen KMUs so liegt der Anteil der Bankkredite bei deutschen Unternehmen zwischen 27 und 31 Prozent, bei Unternehmen aus Frankreich, Spanien und Italien zwischen 17 und 25 Prozent. -­‐
Bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung kommt man zu vergleichbaren Ergebnissen. So zeigt sich, dass nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen EU-­‐Ländern die Finanz-­‐ und Kapitalmärkte in den letzten 15 Jahren stark gewachsen sind. Dies gilt insbesondere auch für die Aktienmärkte, wenngleich Deutschland im internationalen Vergleich hier deutlich zurückliegt. Da wir bei dieser Analyse 10-­‐Jahresdurchschnitte betrachtet haben, ist es unwahrscheinlich, dass dieses Ergebnis lediglich durch Bewertungsschwankungen verursacht wird. Bemerkenswert ist allerdings, dass gerade die Länder mit kapitalmarktbasierter Unternehmensfinanzierung seit der Finanzmarktkrise ein deutlich stärkeres Wachstum der Unternehmenskredite zu verzeichnen hatten, so dass gemessen am BIP deren Volumen mittlerweile deutlich über dem Niveau Deutschlands liegt. Dies interpretieren wir als Hinweis darauf, dass Kredit-­‐ und Kapitalmärkte -­‐ 48 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion komplementär zueinander sind, so dass das Wachstum in dem einen Sektor nur schwer ohne ein Wachstum des anderen Sektors möglich ist. -­‐ 49 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 3 Langfristfinanzierung und Kapitalmarktunion 3.1 Wesentliche Inhalte der Kapitalmarktunion 3.1.1 Grünbuch zur Kapitalmarktunion Die Kommission hat am 18. Februar 2015 das Grünbuch zur Schaffung einer Kapitalmarktunion und am 30. September 20015 den dazugehörigen Aktionsplan veröffentlicht.19 Dieses ordnet sich in eine größere Initiative zur Verbesserung der Finanzierungsbedingungen im Binnenmarkt, insbesondere soweit es um langfristige Finanzierungen geht, ein. Diese weitergehenden Initiativen werden in Abschnitt 3.2 näher beschrieben. Getragen ist die gesamte Initiative von der Erkenntnis, dass europäische Unternehmen in einem im internationalen Vergleich überdurchschnittlichen Maße durch den Bankensektor finanziert werden. Aufgrund der in der Finanzmarktkrise sichtbar gewordenen Anfälligkeit des Bankensektors, aber auch im Bewusstsein, dass die im Nachgang zur Finanzmarktkrise ergriffenen Regulierungsmaßnahmen die Fähigkeit des Bankensektors, langfristige Finanzierungsmittel bereit zu stellen, nachhaltig beeinträchtigen werden, hat sich nicht nur in der Kommission das Bestreben verankert, die Rahmenbedingungen für eine kapitalmarktbasierte Unternehmensfinanzierung zu verbessern. Konkret begründet die Kommission die Notwendigkeit zur Schaffung einer Kapitalmarktunion, also zur Stärkung der Entwicklung und Integration der Kapitalmärkte, mit der Zielsetzung (i) einer Verbesserung des Zugangs zu Finanzmitteln für Unternehmen (insbesondere für KMUs), (ii) einer Ausweitung und Diversifizierung der Finanzierungsquellen sowie (iii) der Schaffung effizienterer Kapital-­‐ und Finanzmärkte.20 Konkret wird dabei eine ganze Reihe von möglichen Defiziten identifiziert, von denen im Folgenden einige genannt werden. Gleichzeitig nennt die Kommission Maßnahmen, die kurzfristig ergriffen werden können und 19
Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch Schaffung einer Kapitalmarktunion COM(2015) 63 final, vom 18. Februar 2015. Der Aktionsplan wird in Abschnitt 3.1.2 20
Vgl. hierzu Europäische Kommission, Grünbuch Schaffung einer Kapitalmarktunion COM(2015) 63 final, vom 18. Februar 2015, S. 14. -­‐ 50 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion solche, die die Entwicklung und Integration der europäischen Kapitalmärkte langfristig befördern sollen. Soweit es um die kurzfristigen Maßnahmen geht, werden vier konkrete Punkte genannt. Erstens soll geprüft werden, inwieweit die in der Prospektrichtlinie genannten Voraussetzungen für den Kapitalmarktzugang unnötige Hindernisse für die Unternehmen enthalten. Hierzu wurde parallel zur Konsultation zum Grünbuch Kapitalmarktunion ebenfalls eine Konsultation durchgeführt.21 Zweitens sollte die Verfügbarkeit von bonitätsrelevanten Informationen über KMUs verbessert werden, so dass es für diese Unternehmen leichter wird, Kreditmittel außerhalb des Bankensektors aufzunehmen. Drittens wurde auch eine Konsultation zur Schaffung eines Rahmens für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen auf den Weg gebracht, um den Markt für hochwertige Verbriefungen nachhaltig zu stärken.22 Begleitet wird dies durch den Erlass einschlägiger delegierter Rechtsakte im Rahmen von Solvency II und der CRR. Und viertens soll den Unternehmen auch der Zugang zum nicht regulierten Kapitalmarkt erleichtert werden. Hier scheint die Kommission allerdings weniger auf gesetzliche Maßnahmen zu setzen, als vielmehr auf eine Informationsoffensive. Tatsächlich wurde im Februar 2015 ein von Wirtschaftsverbänden und Industrievertretern erstellter Leitfaden für pan-­‐
europäische Privatplatzierungen veröffentlicht.23 Der Erfolg dieser Initiative bleibt noch abzuwarten. Hinsichtlich der eher langfristig orientierten Maßnahmen nennt die Kommission unter anderem die folgenden Punkte. Erstens weist sie darauf hin, dass der Zugang zu Kapitalmarktfinanzierung insbesondere für KMUs sowie für junge und innovative Unternehmen sehr schwierig ist. Da allein schon aus Losgrößenüberlegungen heraus ein direkter Kapitalmarktzugang dieser Unternehmen unrealistisch erscheint, wird hier insbesondere auf die Notwendigkeit einer stärkeren Integration der 21
Vgl. European Commission, Consultation Document – Review of the Prospectus Directive, 18th February 2015. 22
Vgl. European Commission, Consultation Document – An EU framework for simple, transparent and standardised securitisation, 18th February 2015. 23
Vgl. International Capital Market Association, Pan-­‐European Corporate Private Placement Market Guide, February 2015. -­‐ 51 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion europäischen Märkte für gedeckte Schuldverschreibungen (Verbriefungen) hingewiesen. Soweit die Banken sich über diesen Markt schnell und kostengünstig refinanzieren können, wird dieser Vorteil im Wettbewerb an die Unternehmen weitergegeben werden. Sie würden somit von einem indirekten Kapitalmarktzugang profitieren. Zudem könnte ein liquiderer Markt für Unternehmensanleihen dafür sorgen, dass dieses Finanzierungsinstrument zumindest auch für mittelgroße Unternehmen interessant wird. Diese Anleihen könnten dann auf nicht EU-­‐
regulierten, aber dennoch EU-­‐weit integrierten Märkten gehandelt werden. Ein Problem das aus Sicht der Kommission dieser Entwicklung entgegen stehen könnte, ist die Tatsache, dass KMUs, soweit sie nicht schon kapitalmarktorientiert sind, zumeist noch nach nationalen Rechnungslegungsstandards bilanzieren. Dies würde der Standardisierung von Unternehmensanleihen entgegen stehen und damit möglicherweise Investoren abschrecken. Somit stellt sich die Frage, ob die Entwicklung eines gemeinsamen Rechnungslegungsstandards für KMUs zweckmäßig wäre. Zweitens weist die Kommission zu Recht darauf hin, dass die im internationalen Vergleich eher geringe Größe der europäischen Kapitalmärkte auch die Folge eines in vielen Mitgliedsländern noch unterentwickelten kapitalgedeckten Altersvorsorgesystems ist. Dies gilt in besonderem Maß für die Eigenkapitalmärkte, da institutionelle Investoren nicht zuletzt aus regulatorischen Gründen häufig nur mit großer Zurückhaltung ihre Mittel auf diesen Märkten anlegen. Damit fehlt es diesen Märkten sowohl an Größe als auch an Liquidität, was aus Sicht der institutionellen Investoren ein zusätzliches Hindernis in ihrer Kapitalallokation darstellt. Zudem wirkt sich diese Situation auch auf die Risikokapitalfinanzierung (z.B. Venture Capital) aus, welche in vielen europäischen Ländern deutlich unterentwickelt ist. Insgesamt sollen hier Maßnahmen in mehreren Bereichen geprüft werden. So stellt sich die Frage, wie die für Altersvorsorgezwecke eingesammelten Mittel gesteigert und wie institutionelle Investoren dazu angehalten werden können, diese Mittel insbesondere auch auf Beteiligungsmärkten zu investieren. Gleichzeitig ist zu prüfen, wie Kleinanleger dazu gebracht werden können, Kapitalmarktprodukte in ihrer Anlagetätigkeit stärker zu berücksichtigen. Weiterhin ist zu prüfen, welche weiteren -­‐ 52 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Maßnahmen zur Stärkung der Märkte für Beteiligungsfinanzierung ergriffen werden können. Hier denkt man insbesondere auch an alternative Finanzierungsformen wie Crowdfunding oder Peer-­‐to-­‐Peer-­‐Finanzierungen. Sollte dies gelingen, würde sich dies positiv auf die Bereitstellung von Risikokapital auswirken. Und drittens fasst die Kommission zahlreiche Maßnahmen ins Auge, mit denen die Funktionsweise der Kapital-­‐ und Finanzmärkte verbessert werden soll. So könnte eine mögliche Ursache für die fehlende Größe und Liquidität der Aktien-­‐ und Anleihemärkte in ihrer zu starken Fragmentierung, sowohl in aufsichtsrechtlicher als auch organisatorischer (z.B. Handelsinfrastruktur) Hinsicht, liegen. Tatsächlich muss man festhalten, dass etwa im Bereich des Gesellschafts-­‐ und Insolvenzrechtes die nationalen Regelungen nur zu einem kleineren Teil EU-­‐weit harmonisiert worden sind. Für steuerrechtliche Regelungen gilt dies ebenso. Insgesamt ergeben sich damit gerade für international agierende Investoren erhebliche Hürden, die einem integrierten Kapitalmarkt entgegen stehen. Auch weist die Kommission auf die Interaktion von Altersvorsorgesystemen und Kapitalmarktentwicklung hin, wenngleich in diesem Bereich dem europäischen Gesetzgeber aufgrund der nationalen Verankerung der Altersvorsorgesysteme die Hände gebunden sind. Allerdings wird im Bereich der privaten Altersvorsorge über die Einführung eines standardisierten europäischen Altersvorsorgeprodukt nachgedacht. 3.1.2 Aktionsplan zur Kapitalmarktunion Am 30. September 2015 hat die Kommission aufbauend auf die im Rahmen des Grünbuchs durchgeführten Konsultationen ihren Aktionsplan einschließlich Vorschläge für konkrete Legislativmaßnahmen veröffentlicht. Letztere betreffen die aufsichtsrechtliche Behandlung von Verbriefungen sowie die Eigenkapitalunterlegungen von bestimmten Vermögensklassen nach Solvency II. Zudem werden weitere Initiativen im Rahmen der Kapitalmarktunion angekündigt. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick zu diesen Maßnahmen gegeben werden. -­‐ 53 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 3.1.2.1 Legislativvorschlag zu Kreditverbriefungen Die Kommission hat einen Vorschlag für einen einheitlichen Rechtsrahmen für Verbriefungen vorgelegt.24 Kernelement dieses Vorschlags ist die Schaffung einer klaren Rechtsgrundlage für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen, so genannte STS-­‐Verbriefungen. Davon erhofft man sich sowohl eine größere Bereitschaft seitens der institutionellen Investoren, solche Verbriefungsinstrumente zu erwerben, als auch eine Erhöhung der Attraktivität dieses Instrumentes aus der Sicht der Originatoren bzw. Sponsoren. So ist eine der Voraussetzungen für eine STS-­‐Verbriefung, dass es sich um eine „True-­‐Sale“-­‐
Verbriefung handelt, also eine wirksame Übertragung des Eigentumsrechtes an den zugrunde liegenden Forderungen auf eine Verbriefungsgesellschaft verbunden mit einem effektiven Durchgriffsrecht des Gläubigers im Falle des Konkurses des Originators. Gleichzeitig muss es sich bei dem Forderungspool um homogene Vermögenswerte handeln; Verbriefungen selbst dürfen nicht Teil des Forderungspools sein (keine Wiederverbriefungen). Auch die Kreditwürdigkeitsprüfung und Bonitätsbeurteilung bei der Vergabe der den Verbriefungen zugrunde liegenden Krediten muss klar definierten Kriterien genügen. Originatoren müssen einen Selbstbehalt von 5% sicher stellen. Ebenso müssen sie den Anlegern ausreichende Daten für eine zweckmäßige Beurteilung der Kreditrisiken des Forderungspools zur Verfügung stellen. ABCP-­‐Verbriefungen können unter zusätzlichen Voraussetzungen auch als STS-­‐Verbriefungen klassifiziert werden. Flankiert wird diese Maßnahme durch einen zweiten Vorschlag zur Änderung der aufsichtsrechtlichen Behandlung von STS-­‐Verbriefungen gemäß CRR.25 Hier wird insbesondere eine Herabsetzung der Eigenkapitalunterlegung von STS-­‐Verbriefungen sicher gestellt. So liegt diese im Kreditrisikostandardansatz im günstigsten Falle künftig bei 10%, wohingegen sie bislang gemäß Art. 251 CRR bei mindestens 20% lag. 24
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und es Rates zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften über die Verbriefung COM(2015) 472 final, vom 30. September 2015. 25
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und es Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 COM(2015) 473 final, vom 30. September 2015. -­‐ 54 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Zudem wird die Eigenkapitalunterlegung von Verbriefungen von KMU-­‐Darlehen erleichtert. Im Hinblick auf die Liquiditätsunterlegung von Verbriefungen enthält der Vorschlag der Kommission aber keine Erleichterungen gegenüber dem Status quo. 3.1.2.2 Infrastruktur als neue Vermögensklasse Der zweite konkrete Vorschlag der Kommission besteht in einer Ergänzung der Solvency-­‐II-­‐Verordnung26 dahingehend, dass eine neue Vermögensklasse „qualifizierte Infrastrukturanlagen“ (qualifying infrastructure investments) eingeführt wird.27 Hierbei handelt es sich um Infrastrukturinvestitionen, bei denen es eine Reihe von qualifizierenden Schutzmaßnahmen sowohl für die Fremdkapital-­‐ als auch für die Eigenkapitalinvestoren gibt. In diesem Fall wird dann die Eigenkapitalunterlegung von eigenkapitalbasierten Infrastrukturinvestitionen im Standardfall auf 30% angesetzt; bislang lag diese ebenso wie bei so genannten Typ-­‐1-­‐Aktien bei 39%. Ebenso wird auch bei fremdkapitalbasierten Infrastrukturinvestitionen die Eigenmittelunterlegung im Vergleich zu sonstigen Fremdkapitalinstrumenten abgesenkt. Eine weitere Anpassung besteht darin, dass Aktienanlagen, die von europäischen langfristigen Investmentfonds (ELTIFs)28 gehalten werden, als Typ-­‐1-­‐Aktien eingestuft werden, unabhängig davon, ob sie an einem regulierten Markt gehandelt werden. Damit unterliegen sie einer Eigenkapitalunterlegung von 39%. Da für ELTIFs explizit auch die Anlage in nicht börsennotierten Unternehmen vorgesehen ist, handelt es sich um ein indirektes Entgegenkommen gegenüber Investitionen in privates Beteiligungskapital. Im Standardfall werden solche Beteiligungen nämlich als Typ-­‐2-­‐
Aktien behandelt und unterliegen dann einer Eigenkapitalunterlegung von 49%. Dies gilt künftig im Übrigen auch explizit für Aktien, die an MTFs, also außerhalb des regulierten Marktes gehandelt werden. Hiervon wären also Aktien, die an Wachstumssegmenten, wie dem Entry Standard in Deutschland gehandelt werden, betroffen. 26
Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs-­‐ und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II). 27
Commission Delegated Regulation (EU) .../... of XXX amending Commission Delegated Regulation (EU) 2015/35 concerning Solvency II C(2015) 6588/2. 28
Vgl. hierzu auch die Ausführungen unter Abschnitt 3.2.1. -­‐ 55 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 3.1.2.3 Weitere Maßnahmen Über diese beiden konkreten Vorschläge hinaus enthält der Aktionsplan noch eine Reihe weiterer angekündigter Maßnahmen, die sich zum Großteil mit den bereits im Grünbuch angesprochenen Initiativen decken. So wird die Frage des Kapitalzugangs von jungen und nicht börsennotierten Unternehmen weiter geprüft. Dabei soll auch die Rolle von Crowdfunding, Kreditfonds und die Möglichkeit von Privatplatzierungen näher untersucht werden. In diesem Zusammenhang wird auch eine Konsultation zur Verordnung über Europäische Venture-­‐Capital-­‐Fonds (EuVECA) gestartet. Und die Kommission wird einen Vorschlag zur Modernisierung der Prospektrichtlinie vorlegen und prüfen, inwieweit ein europaweites Kreditregister die Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen positiv beeinflussen könnte. Und schließlich will sie sich sich der Frage widmen, welche Maßnahmen zur Beseitigung steuerlicher Hürden im Kapitalverkehr sowie der steuerlichen Diskriminierung von Eigenkapital ergriffen werden könnten. Im Hinblick auf eine weitere Stärkung des Verbriefungsmarktes hat die Kommission eine Konsultation zum Markt für gedeckte Schuldverschreibungen gestartet. Ziel ist eine Stärkung dieses Marktsegmentes, wobei explizit auch die Frage geprüft werden soll, inwieweit funktionierende Modelle, wie der deutsche Pfandbriefmarkt, europaweit ausgerollt werden können. Besonders bemerkenswert ist, dass die Kommission im Hinblick auf eine Verbesserung der Kreditvergabekapazitäten der Banken auch prüfen möchte, inwieweit die Tätigkeit von lokalen Kreditgenossenschaften, die nicht den EU-­‐
Eigenkapitalvorschriften unterliegen, den Kreditmarkt beleben könnte. Und schließlich möchte die Kommission die verschiedenen Ursachen, die für die Fragmentierung des europäischen Kapitalmarktes verantwortlich sein könnten, näher untersuchen. Hier spielt etwa die Frage der Harmonisierung des Insolvenzrechtes eine Rolle, aber auch die Erleichterung von grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen für Kleinanleger und institutionelle Investoren eine Rolle. Auch die Funktionsweise der Märkte für Unternehmensanleihen soll auf den Prüfstand. -­‐ 56 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 3.2 Weitergehende Initiativen im Bereich der Langfristfinanzierung Wie bereits erwähnt, bettet sich das Grünbuch zur Kapitalmarktunion in eine breitere Initiative zur Verbesserung der Bedingungen im Bereich der Langfristfinanzierung ein. Hier sind insbesondere das Grünbuch der Kommission zur Langfristfinanzierung sowie die Investitionsoffensive (auch Juncker-­‐Plan genannt) zu erwähnen. Hierauf gehe ich im Folgenden etwas näher ein. 3.2.1 Weißbuch der Kommission zur Langfristfinanzierung Bereits im März 2013 hat die Kommission ein Grünbuch zur Langfristfinanzierung der europäischen Wirtschaft vorgelegt.29 Anlass für dieses Grünbuch war die Sorge, dass der Zugang der europäischen Wirtschaft zu langfristigen Finanzierungen infolge der Finanzmarktkrise und wegen der regulatorischen Veränderungen im Bankensektor gefährdet sein könnte. Nach Durchführung einer Konsultation hat die Kommission rund ein Jahr später ihr Weißbuch zur Langfristfinanzierung vorgelegt, welches Vorschläge für eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für langfristige Finanzierungen enthält.30 So sollen die Vorschriften der CRR dahingehend überprüft werden, ob sie langfristige Finanzierungen durch Banken nicht über Gebühr belasten. Ebenso sollen die versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorschriften dahingehend überprüft werden, inwieweit sie langfristige riskante Vermögensanlagen benachteiligen. Die Kommission ist in diesen Punkten auch schon zu ersten Ergebnissen gekommen, auf die in Abschnitt 4.2 nochmals zurückzukommen sein wird. Weiterhin soll ein Binnenmarkt für die private Altersvorsorgeprodukte geschaffen werden, wovon sich die Kommission eine stärkere Mobilisierung der privaten Ersparnis für langfristige 29
Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch – Langfristige Finanzierung der europäischen Wirtschaft COM(2013) 150 final, 25. März 2013. 30
Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament und den Rat über die langfristige Finanzierung der europäischen Wirtschaft COM(2014) 168 final, 27. März 2014. -­‐ 57 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Vermögensanlagen verspricht.31 Auch über die Einführung eines EU-­‐Sparkontos wird nachgedacht. Ein zweiter wichtiger Bereich mit dem sich das Weißbuch beschäftigt, ist die effizientere Nutzung von öffentlichen Mitteln. Als dritte Säule wird die Entwicklung der europäischen Kapitalmärkte genannt. Viele dieser Punkte sind in das unter Abschnitt 3.1 genannte Aktionsplan zur Kapitalmarktunion eingegangen. Ein wichtiger zusätzlicher Punkt ist die Schaffung von europäischen langfristigen Investmentfonds (ELTIFs). Die entsprechende Verordnung ist mittlerweile angenommen worden.32 Damit wird ein AIF-­‐konformes Investmentvehikel geschaffen, welches in alternative langfristige Vermögensanlagen, wie Beteiligungen an nicht börsennotierten Unternehmen, nicht gehandelte Schuldverschreibungen oder Infrastrukturwerte, investieren darf. Dieser Fonds darf im Rahmen eines europäischen Vertriebs-­‐ und Managementpasses auch an Privatanleger vertrieben werden. Und schließlich thematisiert das Weißbuch auch die steuerliche Diskriminierung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital und die damit verbundenen Fehlanreize bei Langfristfinanzierungen. 3.2.2 Juncker-­‐Plan Bei der Investitionsoffensive für Europa (auch Juncker-­‐Plan genannt) handelt es sich um eine Initiative der Kommission zur Steigerung der öffentlichen und privaten Investitionen in Europa.33 Sie beruht auf drei Säulen, von denen die erste, jedenfalls nach der öffentlichen Wahrnehmung, die bei weitem wichtigste ist. Gemäß dieser sollen zusätzliche Investitionsmittel in Höhe von mindestens 315 Mrd. Euro über die nächsten drei Jahre bereit gestellt werden. Hierfür wird der Europäische Fonds für 31
Die EIOPA hat hierzu mittlerweile ein Konsultationsdokument vorgelegt; vgl. EIOPA, Consultation Paper on the creation of a standardised Pan-­‐European Personal Pension product (PEPP) EIOPA-­‐CP-­‐
15/006, 3rd July 2015. 32
Vgl. Verordnung (EU) 2015/760 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 über europäische langfristige Investmentfonds. 33
Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts-­‐ und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank – Eine Investitionsoffensive für Europa COM(2014) 903 final, 26. November 2014. -­‐ 58 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion strategische Investitionen (EFSI) aufgelegt, der von der EIB verwaltet wird.34 Der Fonds erhält Mittel aus der EIB in Höhe von 5 Mrd. Euro und eine Garantie aus verschiedenen EU-­‐Haushaltstöpfen in Höhe von 16 Mrd. Euro. Daraus ergibt sich etwa eine direkte Finanzierungskapazität des Fonds in Höhe des dreifachen des eingesetzten Kapitals, also von rund 3x21=63 Mrd. Euro. Die Kommission geht weiterhin davon aus, dass für jeden Euro, den der EFSI als Kredit zur Verfügung stellt, weitere Finanzierungszusagen von privaten und öffentlichen Geldgebern in Höhe von 5 Euro ausgelöst werden. Dadurch ergibt sich ein Finanzierungsvolumen von insgesamt 63x5=315 Mrd. Euro.35 Die vom EFSI ausgereichten Kredite, Garantien oder sonstigen (eigenkapitalähnlichen) Produkte sollen in öffentliche und private Projekte im Bereich Infrastruktur, Bildung und Forschung, erneuerbare Energien und KMU-­‐Förderung investiert werden. Mittlerweile ist der Fonds operativ tätig und hat auch schon eine Reihe von Projekten in verschiedenen Mitgliedsländern finanziert. Darüber hinaus ist auch vorgesehen, den Einsatz der Mittel aus den europäischen Struktur-­‐ und Investitionsfonds, immerhin ein Volumen von 450 Mrd. Euro bis zum Jahr 2020, besser zu lenken, so dass sie maximale langfristige Wirkung erzeugen. Die zweite Säule der Investitionsoffensive besteht darin, die Koordination von privaten Investoren und öffentlichen Stellen bei der Identifizierung und Vorbereitung von großen Investitionsvorhaben zu verbessern. Hier geht es vor allem um Maßnahmen der informationsmäßigen, operativen und technischen Koordinierung aller relevanten Akteure auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene. Die dritte Säule ist ordnungspolitischer Art. Hintergrund ist hier die Erkenntnis, dass die Bereitschaft von privaten Investoren sich an langfristigen Investitionen zu beteiligen, auch vom Vertrauen in die wirtschaftlichen und politischen 34
Die rechtlichen Grundlagen zur Umsetzung der Investitionsoffensive, insbesondere zur Errichtung des EFSI, sind it der Verordnung (EU) 2015/1017 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2015, ABl. L 169 vom 1. Juli 2015, geschaffen worden. 35
Vgl. hierzu Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts-­‐ und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank – Eine Investitionsoffensive für Europa COM(2014) 903 final, 26. November 2014, S. 9. -­‐ 59 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Rahmenbedingungen eines Landes abhängt.36 Zudem spielt gerade bei Infrastrukturinvestitionen die Berechenbarkeit der Regulierung eine große Rolle. Insoweit stellt die Kommission fest, dass das Investitionsumfeld in der EU durch eine bessere Berechenbarkeit der Regulierung, durch bessere Rahmenbedingungen für Investitionen und durch den Abbau von Investitionshemmnissen verbessert werden sollte. Bei dieser Säule handelt es sich allerdings um eine langfristig angelegte Zielsetzung, bei der die Kommission keine wirklich konkreten Maßnahmen vorschlägt. Allerdings ist mittlerweile die so genannte „Better Regulation“-­‐Agenda auf den Weg gebracht worden, die die Effizienz, Transparenz und Partizipation des europäischen Gesetzgebungsprozesses verbessern soll.37 Interessant ist zudem der Umstand, dass die Kommission die Beseitigung von Investitionshemmnissen vor allem in den folgenden Schlüsselbereichen als besonders wichtig ansieht: Energie-­‐ und Verkehrssektor, digitaler Binnenmarkt, Forschung-­‐ und Innovation und Internationalisierung. 36
So zeigen (Gulen & Ion, 2015), dass es einen sowohl statistisch als auch ökonomisch signifikanten negativen Zusammenhang zwischen Investitionsausgaben auf Unternehmensebene und politischer und regulatorischer Unsicherheit in einem Land gibt. Der Zusammenhang ist für langfristige und irreversible Investments, wie z.B. Infrastrukturinvestitionen, besonders stark. 37
Vgl. European Commission, Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee oft he Regions – Better Regulation for better results – An EU Agenda COM(2015) 215 final, 19th May 2015. -­‐ 60 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 4 Wirkungsanalyse 4.1 Grundlegende Überlegungen zur Bedeutung einer Kapitalmarktunion In Kapitel 2 wurde die Finanzierungsstruktur der Unternehmen in Deutschland etwas näher beleuchtet. Dabei haben wir festgestellt, dass es in den letzten 15 Jahren zwar einen leichten Rückgang in der relativen Bedeutung von Bankkrediten gegeben hat, diese aber auch heute noch eine zentrale Säule der Unternehmensfinanzierung darstellen, insbesondere soweit man KMUs betrachtet. Dies gilt im Übrigen nicht nur in Ländern mit traditionell starker Bankenfinanzierung, sondern auch in Ländern mit eher kapitalmarktbasierter Unternehmensfinanzierung. 4.1.1 Theoretische Überlegungen Für eine Beurteilung dieses status quo und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen im Hinblick auf die grundsätzliche ökonomische Einordnung der politischen Initiativen rund um die Kapitalmarktunion sollte man sich daher zunächst die Frage stellen, welche Rolle man idealerweise einer bankenbasierten Unternehmensfinanzierung im Vergleich zu einer kapitalmarktbasierten beimessen sollte. Die Literatur hat sich mit dieser Frage ausführlich beschäftigt.38 Cum grano salis kann man sagen, dass beide Systeme ihre Vor-­‐ und Nachteile haben, weshalb man diese Diskussion weniger unter einem Entweder-­‐Oder-­‐, sondern vielmehr unter einem Sowohl-­‐Als-­‐Auch-­‐Ansatz führen sollte. Tatsächlich gibt es wichtige Unterschiede zwischen Banken und Kapitalmärkten in ihrer Interdependenz mit der Realwirtschaft. Eine wesentliche ökonomische Funktion von Banken besteht darin, dass sie durch ihre Screening-­‐ und Monitoringaktivität im Rahmen von Kreditanträgen von Unternehmen private Informationen generieren, die sie für ihre Kreditvergabeentscheidungen nutzen. Dies ist vor allem bei der Finanzierung von KMUs von Bedeutung, bei denen die Kapitalmärkte wegen ihrer fehlenden Größe und Transparenz nicht bereit sind, Ressourcen in die Informationsbeschaffung zu investieren. Zusätzlich können Banken mithilfe ihrer 38
Für einen ausführlichen Literaturüberblick zu dieser gesamten Problematik vgl. z.B. (Beck et al., 2015), S. 21 ff. Die folgenden Darstellungen orientieren sich an diesem Überblick. -­‐ 61 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion privaten Information KMUs über den Konjunkturzyklus hinweg finanzieren, während Kapitalmärkte häufig prozyklisch agieren. Dabei nehmen Banken mit ihren Kreditentscheidungen auch gleichzeitig Einfluss auf Investitionsentscheidungen. Diese Lenkungsfunktion wird noch dadurch verstärkt, dass Banken in der Lage sind, maßgeschneiderte Risikotransferlösungen für Unternehmen anzubieten. Und da die Banken Fristentransformation betreiben, ergibt sich für den Sparer der Vorteil, dass er Liquiditätsrisiken abwälzen kann.39 Umgekehrt haben Kapitalmärkte den Vorteil, dass deren Informationsbeschaffungsaktivitäten öffentliche Informationen generieren, die sich in den Marktpreisen widerspiegeln.40 Damit kommt es über den Preismechanismus zu einer Verbesserung der Corporate Governance. Zudem determinieren die Kurse die Kapitalkosten des Unternehmens und damit dessen Investitionsentscheidung. Gleichzeitig werden die Entscheidungen der Geschäftsleitung von ihrer voraussichtlichen Wirkung auf den Aktienkurs abhängen, sofern deren Vergütung an diesen geknüpft ist. Auch die Übernahmedrohung, die bei niedrigen Aktienpreisen besonders virulent wird, entfaltet eine disziplinierende Wirkung auf das Management. Über das Angebot von standardisierten Produkten können Kapitalmärkte bestimmte Anlage-­‐ und Risikotransferprodukte zu sehr niedrigen Kosten anbieten. All diese Mechanismen entfalten – ähnlich wie die Kreditvergabeentscheidung der Banken – eine Lenkungsfunktion, d.h. der Kapitalmarkt lenkt das Kapital in die nach seiner Einschätzung rentabelsten Verwendungen. Und schließlich haben Kapitalmärkte den Vorteil, dass der Anleger eine bessere Querschnittsdiversifikation erreichen kann. Das reduziert die Risiken der individuellen Vermögensanlage und sollte somit zu einer höheren Anlagebereitschaft in riskante Vermögenswerte führen. Gleichzeitig haben beide Systeme der Unternehmensfinanzierung natürlich auch ihre Nachteile. Gegen Kapitalmärkte kann vorgebracht werden, dass die 39
Neben der Informationsverarbeitungsfunktion besteht die zentrale gesamtwirtschaftliche Funktion von Banken vor allem in dieser Fristen-­‐ und Liquiditätstransformationsfunktion. Im hier vorliegenden Zusammenhang wird diese allerdings nicht weiter betrachtet. Eine Einführung in die gesamtwirtschaftlichen Funktionen von Banken findet sich z.B. in (Freixas & Rochet, 2008). 40
Vgl. (Song & Thakor, 2013). -­‐ 62 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Unternehmenskontrolle deshalb nicht so gut funktioniert, weil die Investoren sich durch einen Verkauf von ihren Beteiligungen trennen können und damit keinen Anreiz mehr haben Kontrolle auszuüben. Insbesondere ist hier das Trittbrettfahrerproblem von Kleininvestoren gegenüber Großinvestoren zu erwähnen.41 Auch gibt es Vorbehalte gegen die Effizienz des Preisfindungsprozesses, was dann dazu führen würde, dass es zu Fehlallokationen kommt. Hingegen wird Banken häufig vorgeworfen, dass sie innovationshemmend wirken, da sie ihre privaten Informationen zum Schutz etablierter Unternehmen ausnutzen und wenig Anreize haben, neue Firmen und Innovationen zu finanzieren. Die Natur von Kreditverträgen macht Banken konservativ, weil sie zwar an Verlusten, nicht aber an Gewinnen partizipieren; Banken mit Marktmacht können daher Anreize der Unternehmen, riskante aber innovative Projekte durchzuführen, durch ihre Kreditpolitik reduzieren.42 Befürworter bankbasierter System halten dem entgegen, dass Banken durch langfristige Kreditbeziehungen eine langfristige Investitionsplanung auf Seiten der Firmen ermöglichen und dadurch auch Innovationsaktivität fördern. Die Kehrseite dieses Arguments ist allerdings, dass Banken weniger in der Lage sind, eine schnelle Ressourcenreallokation zu fördern. Kapitalmarktbasierte Systeme sind dagegen eher innovationsfreundlich, da sie die Aggregation von verschiedenen Meinungen erlauben und die Eigenkapitalinvestoren zudem an Gewinnen aus Innovationserfolgen direkt beteiligt sind. Trotz dieser Gegenüberstellung von Vor-­‐ und Nachteilen beider Systeme darf man nicht vergessen, dass Banken, Finanzintermediäre und Kapitalmärkte sich gegenseitig ergänzen, wie man es z.B. auf den Verbriefungsmärkten, d.h. dem (synthetischen) Verkauf von Krediten an Investoren auf Kapitalmärkten, sieht. Auch die Tatsache, dass Kapitalmärkte es Risikokapitalgebern ermöglichen ihre Positionen nach einer bestimmten Haltedauer zu verkaufen (Exit), ist ein Beispiel für ein solches komplementäres Verhältnis von Finanzintermediären und Kapitalmärkten. 41
Vgl. (Grossman & Hart, 1980). 42
Vgl. (Rajan, 1992), (Hellwig, 2000), (Weinstein & Yafeh, 1998) und (Morck & Nakamura, 1999). -­‐ 63 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 4.1.2 Empirische Befunde Empirischen Studien, die Länder mit bank-­‐ und mit kapitalmarktbasierten Finanzsystemen vergleichen, haben keine Wachstumsunterschiede zwischen den beiden Systemen aufgezeigt.43 Die Struktur eines Finanzsystems (d.h. die relative Bedeutung von Banken oder Kapitalmärkten) ist nicht signifikant mit dem Wirtschaftswachstum korreliert, während die Effizienz des Finanzsystems – sei es durch Banken oder Kapitalmärkte und gemessen an der Summe von Bank-­‐ und Kapitalmarkfinanzierung des Privatsektors eines Landes oder dem Verhältnis von Kapitalmarktliquidität und Zinsmargen -­‐ wachstumsfördernd ist. Ergebnisse mit Aggregatdaten auf Länderebene und Mikrodaten auf Industrie-­‐ und Firmenebenen kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Dies ist konsistent mit der „Finanzdienstleistungshypothese“, die die Bedeutung von Finanzdienstleistungen für die Realwirtschaft betont und weniger die Rolle von bestimmten Institutionen und Märkten. Es ist zusätzlich auch konsistent mit der Theorie, dass sich die optimale Finanzmarktstruktur an die Entwicklung von Finanzsystemen anpasst.44 Allerdings deuten jüngere Studien darauf hin, dass die Bedeutung von kapitalmarktbasierter Finanzierung Einkommensniveau eines umso größer ist.45 Landes wird, Dennoch je höher betont das die Finanzdienstleistungshypothese, dass Banken und Kapitalmärkte komplementär auf das Wirtschaftswachstum einwirken.46 Dies hat vermutlich damit zu tun, dass bestimmte Kreditvergabeaktivitäten schwieriger wären, wenn es nicht einfache Refinanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt gäbe. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Verbriefungsmarkt, aber auch die Märkte für Beteiligungskapital, die bei Fehlen eines zuverlässigen Exitkanals über die Börse möglicherweise weniger attraktiv für Investoren wären. Darüber hinaus sollte auch der Wettbewerb zwischen den beiden Segmenten das Finanzsystem effizienter und damit auch die Beschaffung von 43
Vgl. (Beck & Levine, 2002), (Demirguc-­‐Kunt & Maksimovic, 2002) und (Levine, 2002). 44
Vgl. (Boyd & Smith, 1998). 45
Vgl. (Beck, Demirguc-­‐Kunt, Labcen, & Levince, 2008). 46
Vgl. (Levine & Zervos, 1998) und (Beck & Levine, 2004). -­‐ 64 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Finanzmitteln vorteilhafter machen. Die Literatur betont somit auch den Komplementaritätseffekt von Banken und Kapitalmärkten. Davon unberührt bleibt natürlich das Argument, dass die Koexistenz eines starken Banken-­‐ und Kapitalmarktsektors auch zu einer Diversifizierung der Finanzierungsquellen führt. Dies ist dann von Vorteil, wenn durch einen externen Schock einer der beiden Sektoren seine Finanzierungskraft (vorübergehend) verliert. In diesem Fall wird die Wirkung dieses Schocks auf die Realwirtschaft zumindest gedämpft, weil der jeweils andere Sektor einen Teil der Aufgaben übernehmen kann. 4.1.3 Schlussfolgerungen für die Kapitalmarktunion Vor diesem Hintergrund lässt sich in gewisser Weise nachvollziehen, warum nach dem Projekt der Bankenunion nun auch das Projekt einer Kapitalmarktunion gestartet wurde.47 Zwar waren hierfür sicherlich auch eine Reihe von politischen Überlegungen maßgebend, die im Rahmen dieses Gutachtens nicht weiter betrachtet werden, jedoch gibt es auch eine ökonomisch begründete Lesart dieser Entwicklung. So deuten die Ergebnisse aus der Literatur darauf hin, dass sich insbesondere in entwickelten Volkswirtschaften die Kapitalmarkttiefe positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirkt. Dabei spricht einiges dafür, dass diese Effekte auch durch das komplementäre Zusammenwirken des Banken-­‐ und Kapitalmarktsektors verursacht werden. Insoweit ist die Kapitalmarktunion nicht nur als ein Ansatz für einen besseren Kapitalmarktzugang der Unternehmen zu sehen, sondern es verbirgt sich vielmehr die Hoffnung dahinter, dass ein größerer und liquiderer Kapitalmarkt auch dazu führen wird, dass sich der Kreditzugang der Unternehmen verbessern wird. Dieser Komplementaritätseffekt ist auch unter regulatorischen Gesichtspunkten von zentraler Bedeutung, da er vorhersagt, dass die Wirkungen einer Kapitalmarktunion verpuffen werden, wenn es keinen ganzheitlichen Ansatz gibt, in 47
Die Bankenunion enthält drei wesentliche Elemente: i) den einheitlichen Aufsichtsmechanismus, der sich auf der Grundlage der CRR (Single Rule Book) sowie der Überwachung durch die EZB ergibt; (ii) den einheitlichen Abwicklungsmechanismus auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens zur Abwicklung von Kreditinstituten unter der Führung des Single Resolution Board; (iii) ein einheitliches Einlagensicherungssystem. Während die ersten beiden Punkte schon umgesetzt worden sind, fehlt es beim letzten nach wie vor an einem politischen Konsens. -­‐ 65 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion welchem auch der regulatorische Rahmen für den Banken-­‐ und Versicherungssektor entsprechend angepasst wird. Zudem muss man festhalten, dass die Kapitalmärkte von zahlreichen EU-­‐
Mitgliedsländern im Hinblick auf ihre Größe und Liquidität im internationalen Vergleich deutlich zurückfallen. Soweit es Deutschland betrifft wurde darauf in Kapitel 2 schon hingewiesen.48 Wenngleich eine Erforschung der dafür relevanten Ursachen nicht einfach ist, gibt es einen gewissen Konsens dahingehend, dass die organisatorische, rechtliche und möglicherweise auch kulturelle Fragmentierung der europäischen Kapitalmärkte als eine der Ursachen zu nennen ist. Verstärkt wird dieser Effekt durch das so genannte „gold-­‐plating“ des nationalen Gesetzgebers oder der nationalen Aufsichtsbehörden, wodurch es selbst dort, wo es scheinbar einheitliches EU-­‐Recht auf der Grundlage von entsprechenden Richtlinien gibt, zu starken nationalen Ausdifferenzierungen kommt. Hinzu kommt, dass es in einigen Mitgliedsländern, nicht zuletzt auch aus historischen Gründen, einen regulatorischen Rahmen gibt, der die kapitalmarktorientierte Geldanlage von institutionellen und privaten Investoren nicht fördert. Soweit es Deutschland betrifft, sind hier insbesondere die Regelungen zur Altersvorsorge zu nennen, die in ihrer Kombination aus Zinsgarantien und Solvenzregulierung zu einem sehr konservativen Anlageverhalten führen, in welchem insbesondere die Aktienanlage stark zurück gedrängt wurde.49 Die Kapitalmarktunion setzt bei der Problematik der Fragmentierung der Kapitalmärkte an, nicht hingegen bei rein nationalen Ursachen, wie sie insbesondere durch die Altersvorsorge gegeben sind. 4.2 Wettbewerbseffekte im Zusammenspiel von Banken-­‐, Versicherungs-­‐ und Kapitalmarktregulierung Ausgehend von der Feststellung, dass aufgrund des Komplementaritätseffektes die Wirkungen der Kapitalmarktunion nur in einer gemeinsamen Betrachtung aller Segmente des Kapitalmarktes abgeschätzt werden können, wollen wir uns im 48
Einen ausführlichen Vergleich der europäischen Kapitalmärkte findet man in (Beck et al., 2015), Kapitel 3. 49
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den regulatorischen Gründen für die fehlende Kapitalmarkttiefe in Deutschland findet sich in (Beck et al., 2015), Modul 2. -­‐ 66 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Folgenden mit den Wechselwirkungen innerhalb der Finanzmarktregulierung beschäftigen. Von besonderer Bedeutung ist hier der Bereich der Verbriefungen. Darüber hinaus gibt es aber zahlreiche weitere Aspekte, bei denen es zu einer Interaktion von Kapitalmarkt-­‐, Banken-­‐ und Versicherungsregulierung kommt. Damit werden wir uns im Folgenden beschäftigen. 4.2.1 Aspekte der indirekten Kapitalmarktfinanzierung: Verbriefungen 4.2.1.1 Zur Entwicklung des Verbriefungsmarktes Die Problematik der fehlenden Tiefe und Liquidität der Kapitalmärkte lässt sich an den Verbriefungsmärkten beobachten. Dies ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Verbriefungsmärkte, wie bereits erwähnt, eine wichtige Schnittstelle zwischen dem Bankensektor auf der einen Seite und dem Kapitalmarkt auf der anderen Seite darstellen. So ist eine kapitalmarktbasierte Finanzierung für KMUs ohne liquide Verbriefungsmärkte nicht denkbar, weil nur bei Vorhandensein dieser Liquidität institutionelle Investoren bereit sein werden, auf diesen Märkten ohne extrem hohe Renditeaufschläge zu investieren. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Banken diese Refinanzierungsalternative in Anspruch nehmen und der Wettbewerb dann dafür sorgen kann, dass Kredite mit niedrigen Spreads an den Mittelstand ausgereicht werden. Aber auch für größere Unternehmen sind Verbriefungsmärkte wichtig, etwa wenn man die ABCP-­‐Programme denkt, die die Unternehmen nutzen um eine kapitalmarktbasierte kurzfristige Handelsfinanzierung sicherzustellen. Es wurde bereits in Abschnitt 2.3.2 darauf hingewiesen, dass das Volumen der europäischen Verbriefungsmärkte im Vergleich zu den US-­‐amerikanischen deutlich niedriger ist. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der gedeckten Schuldverschreibungen (dazu gehören auch die Pfandbriefe), die in Europa deutlich mehr als 50 Prozent des Umlaufs ausmachen.50 Verbriefungen von Unternehmens-­‐ oder Konsumentenkrediten spielen in Europa im Vergleich zu den USA eine eher untergeordnete Rolle. 50
Vgl. hierzu Abbildung 23, S. 37. -­‐ 67 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Bemerkenswert ist nun die Entwicklung der Verbriefungsmärkte, insbesondere soweit es Europa betrifft. Selbst auf dem in der Vergangenheit so stabilen Covered-­‐
Bonds-­‐Markt kam es seit Ende 2011 zu einem Rückgang des umlaufenden Volumens von 10 Prozent. Wie man in Abbildung 23, S. 46, sehen kann, ist der Rückgang in anderen Marktsegmenten aber noch deutlich dramatischer. Insbesondere bei Verbriefungen von Unternehmensfinanzierungen, wie KMU-­‐Krediten, gewerbliche Immobilienfinanzierungen (CMBS) und Leasingfinanzierungen (ohne Autoleasing), kam es zu Rückgängen in der Größenordnung von 35 bis knapp 60 Prozent. Für diese Entwicklung gibt es sicherlich unterschiedliche Gründe.51 Erstens spielt hier die schwierige konjunkturelle Lage in Europa eine große Rolle. Zweitens ist zu beachten, dass die Interventionen der EZB (LTROs) es den Banken ermöglichen, ihren Refinanzierungsbedarf zumindest teilweise ohne Rückgriff auf Verbriefungen zu befriedigen. Drittens spielen sicherlich auch noch die negativen Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise mit Verbriefungsinstrumenten eine Rolle. Aber dennoch muss man viertens auch regulatorische Eingiffe im Zusammenhang mit der Umsetzung von Basel III und Solvency II dafür verantwortlich machen. 4.2.1.2 Regulatorische Aspekte Betrachtet man die Bankenregulierung so könnte man erstens hinterfragen, ob die in Art. 245 ff. CRR festgelegte Berechnung der Risikogewichte gemessen an den historischen Ausfällen von europäischen Verbriefungsinstrumenten möglicherweise zu anspruchsvoll ist.52 Tatsächlich waren die Kreditausfälle im wesentlichen durch US-­‐
amerikanische Instrumente getrieben. So zeigt eine Studie von Fitch, dass die realisierten Verluste von europäischen Verbriefungen, die im Zeitraum 2000 bis 2011 emittiert wurden, deutlich unter 1% lagen.53 Wie in Abschnitt 3.1.2.1 erläutert, wurde dieser Punkt im Aktionsplan zur Kapitalmarktunion der Kommission insoweit 51
Vgl. zu diesen Ausführungen auch (Beck et al., 2015), Modul 2. 52
Vgl. Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen. Hinzu kommt, dass von regulatorischer Seite derzeit sogar noch über eine Erhöhung dieser Anforderungen beraten wird; vgl. Revisions to the securitisation framework, BCBS, 11 December 2014, S. 20. 53
Vgl. FitchRatings, Global Structured Finance Losses, Sepcial Report, October 22, 2012. -­‐ 68 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion aufgenommen, als im dort beschriebenen Legislativvorschlag eine Absenkung der Risikogewichte für STS-­‐Verbriefungen vorgesehen ist. Zweitens hat die Kommission am 10. Oktober 2014 ihre Delegierte Verordnung zu den näheren Ausführungsbestimmungen betreffend die Ermittlung der Liquiditätsdeckungsanforderung gemäß Art. 411 ff. CCR erlassen.54 Danach fallen Verbriefungen bestenfalls in die Stufe 2B, wobei dann bei der Liquiditätsberechnung ein Abschlag von 25 oder 35% vorgenommen werden muss. Zu beachten ist, dass bei Verbriefungen von Unternehmenskrediten der höhere Abschlag zur Anwendung kommt. Interessant ist hier der Vergleich zu Unternehmensanleihen. Diese können der Stufe 1 zugewiesen werden, wenn sie mindestens über ein AA-­‐Rating verfügen, das Emissionsvolumen mindestens 250 Mio. Euro beträgt und die Laufzeit der Anleihen nicht über 10 Jahre liegt. Hier gibt es somit eine deutlich unterschiedliche Behandlung von Schuldverschreibungen von großen Unternehmen im Vergleich zu verbrieften Kreditportfolios von KMUs. Und drittens weist die Praxis immer wieder auf die mit der CRR verbundenen Unsicherheiten bei Verbriefungen hin. Konkret sind dabei vor allem die Art. 405 ff. CRR gemeint, wo so genannte Due-­‐Diligence-­‐Pflichten sowohl für Emittenten, Originatoren als auch Sponsoren festgelegt werden. Diese umfassen u.a. Dokumentations-­‐, Sorgfalts-­‐ und Risikomanagementpflichten. Werden diese Pflichten verletzt, dann kommt es zu einer Verrechnung der Verbriefungspositionen mit den Eigenmitteln der Bank. Das damit verbundene Risiko führt dazu, dass Banken die Frage, ob bestimmte Forderungen verbrieft werden sollen, mit großer Sorgfalt abwägen. Soweit im Hinblick auf die oben genannten Pflichten ex-­‐ante keine Rechtssicherheit herzustellen ist, etwa weil es keine klaren Regelungen seitens der Aufsicht gibt, wird man im Zweifel auf die Verbriefung verzichten. All dies führt in der Praxis zu erheblichen Friktionen. 54
Vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2015/61 der Kommission vom 10. Oktober 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Liquiditätsdeckungsanforderung an Kreditinstitute, C(2014) 7232 final. -­‐ 69 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Gleichzeitig sind auch die Veränderungen in der europäischen Versicherungsaufsicht durch Solvency II zu beachten.55 Hier wurde immerhin von der EIOPA mittlerweile anerkannt, dass insbesondere bei hochwertigen Verbriefungen eine Entlastung bei den Risikogewichten angebracht ist.56 Dies hat nun dazu geführt, dass auf der Grundlage von Art. 177 Delegierte Verordnung Solvency II der Kommission die Eigenkapitalunterlegung von Verbriefungen und Unternehmensanleihen mit vergleichbarer Qualität auch in einer ähnlichen Größenordnung liegt.57 Das Problem dabei ist allerdings, dass diese bevorzugte Behandlung einer Verbriefung voraussetzt, dass es einen breiten und tiefen Markt für diese Instrumente gibt. Hierüber wird die Aufsichtsbehörde entscheiden. Unabhängig davon zeigt sich wiederum, wie wichtig die Etablierung von liquiden Verbriefungsmärkten ist. Abschließend muss man aber auch darauf hinweisen, dass die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung der Verbriefungsmärkte auf europäischer Ebene erkannt wurde. So wurden zu Jahresbeginn von der Kommission und dem Basler Ausschuss entsprechende Konsultationen durchgeführt.58 Der Basler Ausschuss hat mittlerweile Empfehlungen für die Anforderungen an einfache, transparente und vergleichbare Verbriefungen vorgelegt.59 Und jüngst haben EBA, EIOPA und ESMA ihren Verbriefungsbericht vorgelegt, der eine ganze Reihe von Empfehlungen enthält.60 55
Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit Solvency II, insbesondere soweit es auch um Wechselwirkungen mit Basel III geht, vgl. (Kaserer, 2011). 56
Vgl. Technical Report on Standard Formula Design and Calibration for Certain Long-­‐Term Investments, EIOPA/13/513 vom 19. Dezember 2013. 57
Vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10. Oktober 2014 zu Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG (Solvabilität II). 58
Vgl. Consultation Document: An EU framework for simple, transparent and standardised securitisation, 18 February 2015, und Consultative Document: Criteria for identifying simple, transparent and comparable securitisations, BCBS, 11 December 2014. 59
Vgl. Criteria for indentifying simple, transparent and comparable securitisations, BCBS, July 2015. 60
Vgl. Joint-­‐Committee Report on Securitisation, JC 2015 022, 12 May 2015. -­‐ 70 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 4.2.2 Regulatorische Aspekte der direkten Kapitalmarktfinanzierung: Anleihe-­‐ und Aktienmärkte 4.2.2.1 Finanzmarktregulierung und Liquiditätsdefizite Ein wesentlicher Aspekt der Kapitalmarktunion ist die Erkenntnis einer zu geringen Größe und Liquidität der europäischen Aktien-­‐ und Anleihemärkte. Darauf wurde bereits in Abschnitt 2.3 eingegangen. Im Hinblick auf die Unternehmensfinanzierung erfüllen diese Märkte mehrere wichtige Funktionen. So können sich die Unternehmen auf diesen Märkten direkt frisches Kapital beschaffen, was allerdings aus Losgrößenüberlegungen für viele KMUs keine gangbare Alternative ist. Gleichzeitig können aber auch Banken sich auf diesen Märkten refinanzieren. Tatsächlich spielen Banken als Emittenten von Schuldverschreibungen eine große Rolle. Dabei geht es keineswegs nur um Verbriefungsinstrumente, sondern auch um unbesicherte Schuldverschreibungen. Je aufnahmefähiger dieser Märkte sind, um so geringer sind die Refinanzierungskosten und –risiken der Banken, was sich wiederum positiv auf deren Kreditvergabebereitschaft auswirkt. Und schließlich spielen diese Märkte auch eine wichtige Rolle in der Streuung von Risiken. Vor diesem Hintergrund ist der in Abschnitt 2.3 vorgetragene Befund, dass die deutschen, aber auch die europäischen Aktien-­‐ und Anleihemärkte im internationalen Vergleich eher unterentwickelt sind, durchaus bedenklich. Hinsichtlich der Aktienmärkte wurde zwar gezeigt, dass es seit Ende der 90er Jahre zu einer rasanten Zunahme in der Liquidität des weltweiten Aktienhandels gekommen ist. Gleichzeitig muss man aber davon ausgehen, dass sich diese Zunahme im Wesentlichen auf die großen, international agierenden Unternehmen (Blue Chips) konzentriert hat. Im Mid-­‐ und Small-­‐Cap-­‐Sektor ist diese Liquiditätszunahme nur in deutlich geringerem Umfange bemerkbar.61 So zeigt (Rösch, 2012), dass bei einem Handelsvolumen von 1 Mio. Euro die Liquiditätskosten, gemessen als gewichtete Geld-­‐/Briefspanne, bei DAX-­‐Aktien im Durchschnitt bei 59 Basispunkten liegen. Hingegen betragen sie bei TecDAX-­‐ und SDAX-­‐Aktien 372 bzw. 500 Basispunkte. Und selbst bei MDAX-­‐Aktien liegen sie immer noch bei 267 Basispunkten. Das zeigt, wie 61
Vgl. z.B. (Fioravanti & Gentile, 2011). -­‐ 71 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion extrem unterschiedlich die Liquidität in den Mid-­‐ und Small-­‐Cap-­‐Aktien im Vergleich zu den Large-­‐Caps ist. Insoweit gibt es die berechtigte Befürchtung, dass sich gerade aus der Sicht größerer institutioneller Investoren die Liquidität, die an den europäischen Märkten unterhalb der Blue-­‐Chip-­‐Segmente vorhanden ist, in einem kritischen Bereich bewegt. Hinzu kommt, dass es auch an den dazugehörigen Primärmärkten schwierig ist, große Volumina zu platzieren. An den Anleihemärkten könnte dieses Problem in Zukunft sogar noch in verschärfter Form auftreten. Jedenfalls warnt die EZB in ihrem Finanzstabilitätsbericht vom November 2014 davor, dass es zu einem Auseinanderklaffen zwischen dem Umlauf an Unternehmensanleihen aus dem Nicht-­‐Banken-­‐Sektor und der für diesen Markt zur Verfügung gestellten Liquidität kommt. Während sich nämlich seit der Finanzmarktkrise der Umlauf dieser Anleihen verdoppelt hat, sind die Bestände der Banken in diesen Anleihen von 250 auf 150 Mrd. Euro gefallen. Hierfür gibt es zahlreiche Gründe, an denen man auch das komplexe Zusammenspiel von unterschiedlichen Regulierungsvorschriften sehr gut beobachten kann. So könnten zunächst die CRR-­‐Eigenkapitalunterlegungsvorschriften dafür verantwortlich sein, da diese zu einer deutlich höheren Eigenkapitalunterlegung von Beständen im Handelsbuch der Banken geführt haben. Auch die Leverage-­‐Ratio wirft hier ihre Schatten schon voraus, weil diese dazu führt, dass Repo-­‐Geschäfte sich deutlich verteuern.62 Ebenso hat sich die Absicherung der Kreditrisiken aus Anleihen aufgrund der Regelungen zu den OTC-­‐Derivaten63 und zur Eigenkapitalunterlegung im Handelsbuch (insbesondere der CVA-­‐Aufschlag) verteuert. Weiterhin werden vermutlich auch die neuen CRR-­‐Liquiditätsvorschriften, wonach Unternehmensanleihen in der Regel zu den Level-­‐2B-­‐Assets zählen und damit bei der Berechnung der Liquiditätsanforderungen mit einem Abschlag von 50 Prozent 62
Tatsächlich ist ein Schrumpfen der Repo-­‐Märkte sowohl in den USA als auch in Europa zu beobachten. Nach dem ISMA European Repo Market Survey vom Dezember 2014 sind die europäischen Repo-­‐Märkte seit Dezember 2011 um 11 Prozent geschrumpft. Ein Repo ist ein Pensionsgeschäft, bei dem zwei Parteien vereinbaren, dass ein Wertpapier zunächst an die eine Partei verkauft und nach Ablauf einer bestimmten Frist von dieser Partei zu einem heute festgelegten Preis wieder zurückverkauft wird. 63
Hierfür ist insbesondere die so genannte EMIR-­‐Verordnung verantwortlich: Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-­‐Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister. -­‐ 72 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion bedacht werden, eine negative Auswirkung auf die Bereitschaft der Banken haben Anleihen zu halten. Insgesamt führen all diese Effekte dazu, dass sich die Haltekosten von Anleihen (und auch anderen Instrumenten) erhöhen und damit Market-­‐Making-­‐
Aktivitäten aus Sicht der Banken weniger attraktiv werden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass viele Banken ihre Aktivitäten im Bereich des Wertpapierhandels auch aus strategischen Gründen im Zusammenhang mit langfristigen regulatorischen Veränderungen überdenken. Hier spielen zum einen die verschiedenen regulatorischen Initiativen rund um das Stichwort Trennbanken, also die Abspaltung von riskanten Investmentbanking-­‐Aktivitäten vom klassischen Einlagen-­‐ und Kreditgeschäft, eine bedeutende Rolle. Immerhin stellt sich hier die Frage, welchen geschäftspolitischen Spielraum Banken zukünftig noch haben werden. Zum anderen sind die neuen Regelungen, die durch MiFID II und MiFIR eingeführt werden, zu beachten. So werden mit Art. 8 und 10 MiFIR64 die Vor-­‐ und Nachhandelstransparenzanforderungen, die bislang für den Aktienhandel galten, auch auf den Handel von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten und Derivaten ausgedehnt. Mit Art. 21 MiFIR werden zudem Nachhandelstransparenzverpflichtungen für Wertpapierhändler, unabhängig davon, ob sie im eigenen Namen oder im Namen von Kunden die genannten Instrumente handeln, eingeführt. Hier gibt es seitens der Wertpapierhändler die Befürchtung, dass sie durch diese Offenlegung Wettbewerbsvorteile verlieren oder die Kenntnis der offenen Positionen durch die Wettbewerber schlicht zum eigenen Vorteil ausgenutzt werden könnte. Zwar wurde diesen Bedenken im Gesetzgebungsprozess durch die Möglichkeit verschiedener Ausnahmeregelungen Rechnung getragen, dennoch bleiben Befürchtungen der Marktteilnehmer, dass diese Transparenzvorschriften die Profitabilität des Geschäfts beeinträchtigen, bestehen. Und wenn man schließlich auf die Investorenseite schaut, dann gibt es dort schon seit längerem die Befürchtung, dass im Rahmen des Solvency-­‐II-­‐Standardansatzes insbesondere Anleihen mit niedriger Bonitätseinstufung, wie es typischerweise bei 64
Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente. -­‐ 73 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion KMU-­‐Emittenten der Fall sein dürfte, einer zu hohen Eigenkapitalbelastung ausgesetzt sind. Insgesamt wird man vor diesem Hintergrund nicht völlig überrascht sein, dass von verschiedenen Seiten auf die Gefahr einer austrocknenden Liquidität an den Anleihemärkten gewarnt wird, insbesondere soweit es Unternehmensanleihen und Verbriefungen betrifft. Diese Befürchtung sind etwa in einer jüngst veröffentlichten Studie von PWC oder der ICMA bestätigt worden.65 Auch die EZB hat in ihrem Finanzstabilitätsbericht vom November 2014 einschlägige Befürchtungen in den Raum gestellt. Diese Entwicklung konterkariert die Bemühungen um eine Belebung der Verbriefungsmärkte. 4.2.2.2 Fragmentierung durch Gesellschafts-­‐ und Insolvenzrecht Unabhängig von konkreten Aspekten der Finanzmarktregulierung ist zu beachten, dass die europäischen Kapitalmärkte bis heute an einer zu starken Fragmentierung leiden. Trotz aller Bemühungen zur Schaffung eines Binnenmarktes muss man feststellen, dass im Bereich der Finanzdienstleistungen der europäische Markt nach wie vor stark fragmentiert ist. Dies beeinträchtigt die Kapitalmarktentwicklung in allen europäischen Ländern, wenngleich Großbritannien aufgrund seiner besonderen Bedeutung als internationaler Finanzplatz hiervon in geringerem Ausmaß betroffen ist. Für diese Fragmentierung gibt es neben kulturellen Aspekten vor allem auch regulatorische Gründe. Soweit man nach Hindernissen sucht, die es institutionellen Anlegern erschweren, gesamteuropäische Geschäftsmodelle und Anlagestrategien zu implementieren, müssen wohl die folgenden Punkte genannt werden. Erstens ist die Kapitalmarktaufsicht bis heute einzelstaatlich organisiert, wenngleich es seit der Finanzmarktkrise deutliche Fortschritte hin zu einer gesamteuropäischen Aufsicht gibt. Zweitens hat man bei der Harmonisierung des Gesellschaftsrechts und des Insolvenzrechts deutlich weniger Fortschritte gemacht als bei der Harmonisierung 65
Vgl. ICMA, The Current State and Future Evolution of the European Investment Grade Corporate Bond Secondary Market: Perspectives form the Market, November 2014, und PWC, Global Financial Markets Liquidity Study, August 2015. -­‐ 74 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion des Kapitalmarktrechts.66 Bei der Ausübung von Corporate-­‐Governance-­‐Aktivitäten sind gesellschaftsrechtliche Vorgaben aber entscheidend.67 Auch wird die Bereitschaft von institutionellen Investoren in börsennotierte Unternehmen zu investieren, zu einem gewissen Grad davon abhängen, welche Schutzrechte sie im Konfliktfall haben. Gerade weil in Europa private Großaktionäre in börsennotierten Unternehmen weit verbreitet sind, spielt dieser Minderheitenschutz eine besondere Rolle.68 Drittens sind bei der Bewertung von Kreditmarktprodukten insolvenzrechtliche Vorgaben von großer Bedeutung. Durch die Fragmentierung des europäischen Insolvenzrechtes gibt es für institutionelle Investoren hier eine erhebliche Ergebnis-­‐ und Verfahrensunsicherheit im Falle von Unternehmensschieflagen. Zudem ist auch die Beschaffung der für eine informierte Anlageentscheidung relevanten Informationen sehr aufwendig. Das macht europaweite Anlagestrategien für institutionelle Investoren aufwendiger. Die Problematik der Fragmentierung des Insolvenzrechts ist vom europäischen Gesetzgeber schon seit langem erkannt. Bereits mit der im Jahr 2002 in Kraft getretenen Insolvenzverordnung69 wurde versucht, Insolvenzverfahren europäischer Unternehmen zumindest insoweit übersichtlicher zu machen, als eine mehr oder weniger klare Regelung erfolgte, in welcher Jurisdiktion das Hauptinsolvenzverfahren bei einem international tätigen Unternehmen durchzuführen ist. Nach verschiedenen 66
Die von der Kommission vorgeschlagene Überarbeitung der Aktionärsrechte-­‐Richtlinie zielt genau in diese Richtung einer Verbesserung und Harmonisierung der Kontrolle von börsennotierten Unternehmen; vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung, COM(2014) 213 final vom 9. April 2014. 67
So zeigen (Cziraki, Renneboog, & Szilagyi, 2010), dass sich bei europäischen Unternehmen aktive Investoren, etwa durch Abstimmungsanträge auf Hauptversammlung, deutlich weniger engagieren als bei US-­‐amerikanischen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Unternehmenskontrolle durch aktive Investoren in Europa deutlich schwächer ausgeprägt ist. Ein ähnlicher Befund findet sich bei (Becht, Franks, Grant, & Wagner, 2015), der um so schwerer wiegt als sie zeigen, dass die Kontrollaktivitäten durch europäische Investoren, sofern sie überhaupt stattfinden, zu besseren Ergebnisse führen als jene von ausländischen, zumeist US-­‐Investoren. 68
Beispielhaft sei hier an Squeeze-­‐out-­‐Regelungen und an Vorschriften zur Kontrolle von Geschäften mit nahestehenden Unternehmen gedacht. 69
Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren. -­‐ 75 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Berichten und langen Diskussionen ist es mittlerweile zu einer Neufassung der Insolvenzverordnung gekommen, die im Jahr 2017 in Kraft treten wird.70 Ziel ist dabei die länderübergreifende Koordination bei Schieflagen von international agierenden Unternehmen zu verbessern. So werden etwa Insolvenzregister eingeführt, in welchen sich jeder über die Eröffnung und den Status eines Insolvenzverfahrens informieren kann. Zudem werden diese Insolvenzregister der EU-­‐Länder miteinander vernetzt. Auch die Insolvenzverwalter und –gerichte sind künftig zum Informationsaustausch und zur Zusammenarbeit angehalten. Zu diesem Zweck wird auch ein Gruppenkoordinationsverfahren eingeführt. Und schließlich ist zu beachten, dass diese Regelungen nicht nur für Insolvenzverfahren im engeren Sinne gelten, sondern für eine in der Verordnung abschließend aufgeführte Liste von Insolvenz-­‐ und Sanierungsverfahren. Es wird sich noch zeigen müssen, wie wirksam diese Verordnung in Bezug auf eine stärkere Harmonisierung von Insolvenzverfahren in der EU tatsächlich ist. Jedenfalls muss man festhalten, dass die oben erwähnte Insolvenzverordnung aus dem Jahre 2000 nicht zu einer wirklichen Harmonisierung geführt hat. Nach wie vor sind Insolvenzverfahren von international agierenden Unternehmen in der EU mit erheblichen Ergebnis-­‐ und Verfahrensrisiken behaftet. Eine genauere Analyse der dabei auftretenden Probleme würde den Rahmen des vorliegenden Gutachtens bei weitem sprengen. Interessant ist allerdings die Erkenntnis, die sich aus dem von der Weltbank erstellen „Doing Business“-­‐Index ergibt.71 Unter anderem wird dort die Effektivität von Insolvenzverfahren untersucht. Dabei wird zum einen die Rückzahlungseffektivität untersucht.72 Hier wird betrachtet wie lange die Verfahren dauern, wie hoch dessen Kosten relativ zur Insolvenzmasse sind, wie hoch die Fortführungschancen sind und wie hoch die Rückzahlungsquoten für die besicherten Gläubiger sind. Zum anderen wird die Stärke des Insolvenzverfahrens gemessen. Hier 70
Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren. 71
Für eine genauere Beschreibung dieses Index vgl. http://www.doingbusiness.org/rankings. 72
Eine genauere Beschreibung der Kriterien findet sich unter http://www.doingbusiness.org/methodology/resolving-­‐insolvency. Die Methode orientiert sich dabei an jener von (Djankov, Hart, McLiesh, & Shleifer, 2008). -­‐ 76 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Gläubiger überhaupt ein Verfahren eröffnen können, wie gut die Rechte der Gläubiger im Verfahren geschützt werden und wie gut dessen Governance ist. Index zur Effektivität des Insolvenzverfahrens
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Erläuterungen: Die Abbildung stellt für ausgewählte EU-­‐Länder den „Resolving Insolvency“-­‐Indexwert nach der von der Weltbank (Doing Business) verwendeten Methode dar. Ein niedriger Indexwert steht für ein Insolvenzverfahren mit hoher Effektivität (hohe Rückzahlungsquoten, schneller Verfahrensablauf, niedrige Kosten), ein hoher Indexwert für ein Verfahren mit niedriger Effektivität. Die Werte beziehen sich auf den Stand vom Juni 2014. Quelle: Weltbank (Doing Business) Abbildung 25: Index zur Effektivität des Insolvenzverfahrens in verschiedenen EU-­‐Ländern Die Ergebnisse sind in Abbildung 25 dargestellt. Wie man sehen kann gibt es einen hohen Grad an Heterogenität über die betrachteten EU-­‐Länder hinweg. Zudem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass es in vielen Ländern noch einen großen Spielraum im Hinblick auf die Verbesserung der Insolvenzverfahren gibt. Dies deckt sich im Übrigen auch mit der von (Djankov et al., 2008) durchgeführten weltweiten Untersuchung von Insolvenzverfahren. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Verfahren in vielen Ländern noch sehr ineffizient sind, weil sie mit hohen Kosten, -­‐ 77 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion langen Laufzeiten und zu geringen Fortführungschancen für das betroffene Unternehmen belastet sind. Insoweit zeigt sich, dass es gerade in diesem Punkt dringenden Handlungsbedarf in der EU gibt. Allein mit den in der Neufassung der Insolvenzverordnung getroffenen Regelungen wird man diese grundlegenden Effizienzprobleme nicht beseitigen können. 4.2.2.3 Fragmentierung durch Finanzmarktinfrastruktur Und schließlich darf man nicht vergessen, dass auch die Fragmentierung der Finanzmarktinfrastruktur bis heute ein großes Hindernis für eine stärkere Integration der EU-­‐Kapitalmärkte ist. Hierzu sollte man allerdings bedenken, dass mit dem jüngst verabschiedeten MiFID-­‐II-­‐Paket73 ein diskriminierungsfreier Zugang zu dieser Finanzmarktinfrastruktur und damit eine stärkere Integration über Ländergrenzen hinweg möglich werden sollte. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Target2Securities-­‐Projekt unter der Leitung der EZB zu erwähnen, welches zukünftig für eine schnelle und kostengünstige Abwicklung von grenzüberschreitenden Wertpapiertransaktionen sorgen sollte. Es ist geplant, dass dieses System noch im Jahr 2015 operativ geschaltet wird. Insoweit muss man festhalten, dass es im Bereich der Abrechnung, Abwicklung und Verwahrung von grenzüberschreitenden Wertpapiertransaktionen zwar durchaus noch ernstzunehmende Defizite gibt, diese aber erkannt und deren (teilweise) Behebung durch gesetzliche und technische Maßnahmen bereits in Angriff genommen wurde. 4.2.2.4 Bedeutung von Anlegerschutzregelungen Seit der Verabschiedung der Prospektrichtlinie im Jahr 2003 und von MiFID I im Jahr 2004 wurde der Anlegerschutz in der EU in vielfältiger Weise verbessert.74 Neben der Verabschiedung des bereits erwähnten MiFID-­‐II-­‐Pakets im Jahr 2014 stellt insbesondere auch die Marktmissbrauchsverordnung einen wichtigen Meilenstein in 73
Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente. 74
Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente. -­‐ 78 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion der Weiterentwicklung des Anlegerschutzes dar.75 Dabei ist zu beachten, dass man hinsichtlich des Anlegerschutzes zwei unterschiedliche Dimensionen unterscheiden muss. Einerseits geht es um den Schutz des Investors in seiner Rolle als Kapitalgeber. Diese Dimension betrifft vor allem Aspekte der Corporate Governance und der Marktordnung. Man könnte von Anlegerschutz im engeren Sinne sprechen. Andererseits geht es um den Schutz des Verbrauchers im Rahmen von Finanzdienstleistungen. Hier steht vor allem die Anlageberatung im Vordergrund oder ganz grundsätzlich die Beziehung des Verbrauchers mit Finanzdienstleistern. Soweit es den Anlegerschutz im engeren Sinne betrifft, ist man sich über den grundsätzlich positiven Einfluss von effektiven Anlegerschutzregelungen für die Kapitalmarktentwicklung in der wissenschaftlichen Literatur weitgehend einig, wenngleich die empirische Beweisführung alles andere als einfach ist.76 Gleichzeitig gibt es immer wieder die Besorgnis, dass die mit der Umsetzung von hohen Anlegerschutzstandards verbundenen Kosten zu einem Rückzug von bestimmten Kapitalmarktteilnehmern führen könnte. So wurde im Zusammenhang mit dem Grünbuch zur Kapitalmarktunion auch eine Konsultation zur Überprüfung der Prospektrichtlinie durchgeführt. Hintergrund war die Befürchtung, dass die mit der Prospekterstellung verbundenen Kosten insbesondere KMUs von einem Kapitalmarktzugang abhalten könnten. Auch in der oben genannten Marktmissbrauchsrichtlinie wurden bestimmte Ausnahmetatbestände für so genannte KMU-­‐Wachstumsmärkte geschaffen. Wenngleich die Feststellung, dass Unternehmen die Angebote der Börsen, sich eine externe Finanzierung über den nicht EU-­‐regulierten Kapitalmarkt zu beschaffen, also z.B. über KMU-­‐Wachstumsmärkte, nur in eher geringem Umfang wahrgenommen haben, unstreitig ist, gibt es dennoch keinen Konsens darüber, welche primären Ursachen hierfür verantwortlich sind.77 Die Behauptung, dass Erleichterungen für KMUs, die in die Prospektrichtlinie aufgenommen wurden, bislang nicht ausreichend 75
Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch. 76
Vgl. hierzu z.B. (McLean, Zhang, & Zhao, 2012) und die dort angegebenen Quellen. 77
In Deutschland wurde hierfür von der Börse eigens der Entry Standard entwickelt. Zum 1. Juni 2015 waren dort 166 Unternehmen mit Sitz in Deutschland notiert. -­‐ 79 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion sind, um sich von einer Kapitalmarktorientierung zu überzeugen, ist sicherlich nicht völlig von der Hand zu weisen.78 Auch könnte es sein, dass Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Befreiung von der Prospektpflicht in gewissem Umfang ursächlich sind. Hier ist insbesondere zu beachten, dass diese Unsicherheiten den Markt für Privatplatzierungen negativ beeinflussen und damit auch die Entwicklung von KMU-­‐
spezifischen MTFs. Und ob die Abschaffung der Pflicht zur Veröffentlichung von Quartalsabschlüssen gemäß der jüngsten Änderung der Transparenzrichtlinie einen messbaren Erfolg in den EU-­‐Ländern haben wird, muss sich erst noch herausstellen, scheint mir allerdings eher unwahrscheinlich zu sein.79 Am Rande sei hier noch angemerkt, dass in den USA im Rahmen des JOBS Act eine Regelung eingeführt wurde, wonach bestimmten Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter 1 Mrd. US-­‐Dollar Erleichterungen im Rahmen des Börsengangs gewährt werden. Nach einer rund zweijährigen Erfahrung gibt es zwar klare Hinweise, dass diese Erleichterungen von vielen Unternehmen in Anspruch genommen werden. Eine Evidenz dahingehend, dass diese Regelung zu einer deutlichen Erhöhung der Anzahl der IPOs geführt hat, gibt es allerdings nicht.80 Hinsichtlich der optimalen Ausgestaltung von Verbraucherschutzregelungen im Bereich der Finanzdienstleistungen gibt es in der Literatur deutlich weniger Einigkeit. Zwar ist der Prinzipal-­‐Agenten-­‐Konflikt zwischen dem Finanzdienstleistungsunternehmen (Berater) auf der einen Seite und dem Verbraucher auf der anderen Seite offensichtlich.81 Wie die Wohlfahrtskosten dieses Konfliktes aber minimiert werden können, ist weniger offensichtlich. Der Regulierungsansatz in Deutschland und in der EU – gemäß MiFID I und MiFID II – ist bislang von dem Gedanken getragen, dass über eine möglichst umfangreiche vorvertragliche Aufklärung (z.B. die Vorlage umfangreicher Dokumente wie KIID, PIB oder PRIIP), die Offenlegung und Eingrenzung von Interessenskonflikten sowie eine 78
Vgl. zu diesen Erleichterungen die Richtlinie 2010/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010. 79
Vgl. Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013. 80
Vgl. hierzu eine Studie von Latham und Watkins: The JOBS Act, Two Years Later, vom 5. April 2014. 81
Vgl. hierzu z.B. (Inderst & Ottaviani, 2012) und (Hackethal, Haliassos, & Jappelli, 2012). -­‐ 80 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion detaillierte Dokumentation des Beratungsgesprächs der Verbraucherschutz am besten gewährleistet werden kann. Inwieweit Verbraucher diese Informationen aber tatsächlich für eine informierte Anlageentscheidung nutzen ist eine offene Frage, die in der verhaltensorientierten entscheidungstheoretischen Forschung ausführlich diskutiert wird.82 Hinzu kommt, dass die mit diesen Beratungs-­‐ und Dokumentationspflichten verbundenen Kosten erheblich sind, so dass auch ein teilweiser Rückzug von Anbietern aus diesem Markt die Folge sein könnte.83 Insoweit gibt es hier einen Zielkonflikt, auf den der Gesetzgeber bis heute keine überzeugende Antwort gefunden hat. Es ist daher auch kein Zufall, dass dieser Aspekt im Rahmen des Aktionsplans zur Kapitalmarktunionnäher untersucht werden soll. Insgesamt spricht nach unserer Einschätzung wenig dafür, dass zu hohe Anlegerschutzstandards eine wesentliche Ursache für die fehlende Tiefe der europäischen Kapitalmärkte ist. Hinzu kommt, dass es gerade im Bereich der Durchsetzbarkeit von Aktionärsrechten eine berechtigte Debatte über mögliche Defizite in der derzeitigen Ausgestaltung dieser Rechte gibt. Die Kommission hat mit ihrem Vorschlag für eine Änderung der Aktionärsrechte-­‐Richtlinie bereits einen ersten Schritt in diesem Bereich unternommen.84 Dort wird u.a. vorgeschlagen, dass institutionelle Anleger ihre Aktionäre in bestimmte Maßnahmen, wie etwa die Ausübung der Stimmrechte, einbeziehen sollen und dass sie Transparenz über eventuelle Interessenskonflikte herstellen. Zudem sollen Stimmrechtsberater verpflichtet werden, die Grundlagen ihrer Stimmempfehlungen offen zu legen. Dies ändert aber nichts daran, dass man natürlich bei all diesen Vorschlägen immer auch die Kosten im Auge haben muss, die für Unternehmen, Intermediäre und Anleger mit ihrer Umsetzung entstehen. Aus der Sicht von KMUs fallen diese Kosten 82
Vgl. z.B. (Fernandes, Lynch, & Netemeyer, 2014). 83
(Hackethal & Inderst, 2015) kommen zu dem Ergebnis, dass bei kleinen Banken mittlerweile die Kosten aus den Dokumentationspflichten den Rohertrag aus diesen Wertpapiergeschäften übersteigen. 84
Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung, COM(2014) 213 final vom 9. April 2014. -­‐ 81 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion aber um so weniger ins Gewicht, je leichter für diese eine indirekte Kapitalmarktfinanzierung ist. Ob das mit MiFID II eingeführte hohe Niveau an Verbraucherschutzregelungen dazu führen wird, dass sich Banken oder andere Institute vermehrt aus der Anlageberatung zurückziehen werden, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Doch selbst wenn dies der Fall sein sollte, wird die Wirkung auf die Tiefe des Kapitalmarktes eher gering sein. Dazu spielt der private Anleger auf den europäischen Kapitalmärkten eine zu geringe Rolle.85 4.2.2.5 Fragmentierung der Rechnungslegungsstandards Für einen integrierten europäischen Kapitalmarkt ist die Existenz von harmonisierten Rechnungslegungsstandards von großer Bedeutung. Mit der Verpflichtung für kapitalmarktorientierte Unternehmen, ihre Konzernabschlüsse nach IFRS zu erstellen, hat man in Europa einen wichtigen Schritt für die Schaffung eines harmonisierten Kapitalmarktes gemacht. Zwar wird von Marktteilnehmern behauptet, dass sich durch die nationale Überwachung der Einhaltung der internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) immer noch nationale Besonderheiten durchsetzen. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Durchsetzung von Rechnungslegungsvorschriften. Nicht zuletzt deshalb hat die ESMA jüngst einen Bericht zum Stand der Durchsetzung von Rechnungslegungsvorschriften in Europa, verbunden mit Richtlinien, wie diese erfolgen sollte, herausgegeben.86 Die Kommission hat die Notwendigkeit zu einer verbesserten einheitlichen Anwendung der Rechnungslegungsstandards ebenfalls anerkannt, plant derzeit allerdings keine gesetzlichen Eingriffe.87 Im Grünbuch zur Kapitalmarktunion hat die Kommission die Frage aufgeworfen, inwieweit für KMUs, die Finanzinstrumente auf multilateralen Handelssystemen 85
Entsprechende Befunde finden sich in (Beck et al., 2015). 86
ESMA Guidelines on Enforcement of Financial Information – Final Report, ESMA/2014/807, vom 10. Juli 2014. 87
Vgl. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Bewertung der Verordnung EG Nr. 1606/2002 vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards COM(2015) 301 final vom 18. Juni 2015. -­‐ 82 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion (MTF) emittiert haben, einen EU-­‐weit einheitlichen, an den IFRS angelehnten Rechnungslegungsstandard befolgen sollten. Man spricht gelegentlich auch von „IFRS-­‐light“. Dahinter steckt die Annahme, dass die bereits weiter oben erwähnte geringe Akzeptanz von nicht regulierten Kapitalmärkten (also auch von KMU-­‐
Wachstumsmärkten) durch die Zurückhaltung der Investoren getrieben sei, die durch intransparente Rechnungslegungsinformationen abgeschreckt würden. Dieses Argument mag durchaus seine Berechtigung haben, gleichzeitig darf man aber nicht vergessen, dass es für die fehlenden Kapitalmarktorientierung von KMUs eine ganze Reihe unterschiedlicher Gründe gibt. Und auch für viele Investoren sind diese Unternehmen schon allein aus Losgrößen-­‐ und Liquiditätsüberlegungen keine interessanten Investitionsobjekte. Insoweit muss für KMUs die Frage im Vordergrund stehen, was man für die Erleichterung des indirekten Kapitalmarktzugangs tun kann. Mit der Einführung eines weiteren Rechnungslegungsstandards für kapitalmarktnahe KMUs besteht die Gefahr, dass sich gerade die lokalen Kapitalgeber (einschließlich der Banken) mit drei verschiedenen Rechnungslegungsstandards konfrontiert sehen. Und für ein KMU wäre der Zugang zu einem KMU-­‐Wachstumsmarkt durch eine erzwungene Umstellung der Rechnungslegung deutlich teurer, was den oben erwähnten Versuchen, die Kosten dieses Zugangs zu senken, entgegen stehen würde. 4.2.3 Überlegungen zur Regulierung von Finanzintermediären 4.2.3.1 Zusammenspiel mit der Bankenunion Ein wesentlicher Aspekt des Zusammenspiels von Kapitalmarktunion und Bankenregulierung, nämlich der Verbriefungsmarkt, wurde in Abschnitt 4.2.1 bereits behandelt. Hier soll die Interaktion von Bankenunion und Kapitalmarktunion etwas näher betrachtet werden. Ausgangspunkt ist dabei die unter Abschnitt 4.1 vorgestellte Diskussion zu den grundsätzlichen Wirkungen der Kapitalmarktunion. Ein zentraler Aspekt war dabei die Erkenntnis, dass Banken und Kapitalmärkte aus unterschiedlichen Gründen eine wichtige Rolle in der Unternehmensfinanzierung spielen. Banken schaffen durch die Bewertung von Kreditanträgen private Informationen. Diese fließen dann in die Kreditentscheidung ein, so dass sie sich -­‐ 83 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion letztlich auf die Kapitalallokation in einer Volkswirtschaft auswirken. Kapitalmärkte hingegen schaffen öffentliche Informationen, weil die Kaufentscheidungen von Investoren sich auf die Wertpapierkurse auswirken. Da diese Preissignale weitere Anlageentscheidungen nach sich ziehen, wirken sich auch diese auf die Kapitalallokation einer Volkswirtschaft aus. Sehr allgemein gesprochen kann man vor diesem Hintergrund sagen, dass die durch die Bankenunion und die Kapitalmarktunion in Angriff genommene Umgestaltung der europäischen Finanzmärkte nur dann die gewünschten Wachstumseffekte auslösen wird, wenn sowohl die Kapitalmärkte als auch der Bankensektor geeignete Rahmenbedingungen vorfinden, um ihrer Rolle gerecht zu werden. Allerdings ist hier ein wichtiger Unterschied zu beachten. Da Kapitalmärkte öffentliche Informationen schaffen, nämlich Preise für Wertpapiere, erfüllen sie ihre Rolle umso besser, je besser dieser Preisfindungsmechanismus funktioniert. Es spricht einiges dafür, dass tiefere und liquidere Märkte diese Aufgabe besser erfüllen können. Insoweit ist das Ziel eines harmonisierten und integrierten Kapitalmarktes nachvollziehbar. Soweit man die Bankenunion betrachtet ist die mit ihr verbundene Zielsetzung differenzierter zu sehen. Da ein wichtiger gesamtwirtschaftlicher Beitrag von Banken darin besteht, dass sie für die Integration von privaten Informationen in Investitionsentscheidungen sorgen, müssen sie in der Lage bleiben, diese Informationen zu beschaffen und zu verarbeiten. Wer sich allerdings private Informationen über Unternehmen beschaffen will, braucht einen direkten, idealerweise sogar persönlichen Kontakt zu diesen, wie ihn der Firmenkundenbetreuer einer Bank typischerweise hat. Diese Art von Information ist ihrer Natur nach nur lokal verfügbar. Das Firmenkundengeschäft, jedenfalls soweit die Kunden keine kapitalmarktorientierten Unternehmen sind, ist somit ein dezentrales Geschäft. Aus Sicht der Bank mag eine Zentralisierung dieses Geschäfts mit Kostenvorteilen verbunden sein, weil man etwa IT-­‐Systeme, die man im Bereich der Marktfolge braucht, kostengünstiger nutzen kann. Das ändert aber nichts daran, dass eine solche Zentralisierung zu einem Verlust an privater Information und damit in der Tendenz zu einer schlechteren Kreditentscheidung führt. -­‐ 84 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Betrachtet man nur diesen Aspekt, so erschließt sich der Vorteil einer Bankenunion, also eines auf europäischer Ebene voll integrierten Bankensektors, nicht unmittelbar. In der Tat werden die Vorteile der Bankenunion vor allem unter Aspekten der Finanzmarktstabilität diskutiert. Aspekte der Informationsverarbeitung spielen dagegen kaum eine Rolle. Die Bankenunion wird in der Tendenz aber zu einer Erhöhung der Aufsichtskosten führen, so dass sich der bereits seit Jahren zu beobachtende, auch aus technologischen Gründen verursachte Konsolidierungstrend im Bankensektor fortsetzen wird. Damit stellt sich die Frage, welche Anreize und welche Möglichkeiten Banken künftig noch haben werden, private Informationen über Unternehmen zu sammeln und in ihre Kreditentscheidungen einfließen zu lassen. Soweit die Konsolidierung mit einem Rückzug der Banken aus der Fläche verbunden ist, wird es unweigerlich auch zu einem Verlust an Informationsbeschaffungskapazitäten kommen. Davon werden KMUs besonders betroffen sein. Der im Grünbuch zu findende Ansatz, die Bereitstellung von öffentlichen Informationen über KMUs zu forcieren, scheint ein wenig vielversprechender Weg zu sein. Jedenfalls bleibt dabei völlig unklar, welche Marktteilnehmer ein Interesse haben sollten, solche kostspieligen Informationen ohne Gegenleistung der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Es sei in diesem Zusammenhang noch ein weiterer Aspekt erwähnt, der zwar nicht direkt mit der Kapitalmarkt-­‐ und Bankenunion zusammen hängt, aber dennoch von Bedeutung sein wird. Im Dezember 2014 hat der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS, 2014a) einen neuen Vorschlag zum so genannten Kreditrisikostandardansatz veröffentlicht. Damit soll die Messung von Kreditrisiken, soweit sie nicht auf der Basis von internen Risikomodellen erfolgt, reformiert werden. Zielsetzung ist dabei unter anderem, die Abhängigkeit von externen Ratings zu reduzieren.88 Der vom Basler Ausschuss vorgelegte Vorschlag ist äußerst umfangreich und betrifft alle Typen von Kreditrisiken. Im Zusammenhang mit Unternehmenskrediten besteht der zentrale Aspekt darin, dass künftig die Kreditrisiken ausschließlich auf der Basis von Verschuldungsgrad und Umsatz des kreditnehmenden Unternehmens gemessen 88
Vgl. hierzu (BCBS, 2014a), S. 1. -­‐ 85 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion werden sollen. Das ist eine fundamentale Abkehr vom bisherigen Kreditrisikostandardansatz, nach welchem das Kreditrisiko auf der Basis eines externen Ratings gemessen wurde. Zwar kann man über die Qualität solcher externer Ratings streiten. Im Vergleich zu dem neuen Vorschlag haben sie aber einen großen Vorteil. Sie beruhen auf einer mehr oder weniger umfangreichen Informationsbeschaffung über das Unternehmen. Im Vergleich dazu ist eine Beurteilung anhand von Verschuldungsgrad und Umsatz ein völlig mechanistischer Vorgang, der nicht in der Lage ist, der spezifischen Situation eines Unternehmens gerecht zu werden. Damit wird – zumindest soweit Banken den Kreditrisikostandardansatz verwenden – jede Möglichkeit, private Informationen in die Kreditentscheidung einfließen zu lassen, verhindert. Zusammenfassend muss man also festhalten, dass die beiden jetzt parallel laufenden Projekte einer Banken-­‐ und einer Kapitalmarktunion die Gefahr einer zu weitreichenden Integration des europäischen Bankensektors in sich tragen. Damit wird der wichtigen Rolle von Banken in der Beschaffung und Auswertung nur regional verfügbarer Informationen über Unternehmen nicht hinreichend Rechnung getragen. 4.2.3.2 Langfristfinanzierung und Versicherungsregulierung Einer der zentralen Aspekte für die Kapitalmarktentwicklung ist das Verhalten der institutionellen Investoren. Hier wurde unter Abschnitt 4.1.3 schon darauf hingewiesen, dass dabei insbesondere zwei Aspekte zu beachten sind. Das sind zum einen die Regelungen zu Altersvorsorge, die eine bedeutsame Rolle im Hinblick auf die Frage spielen, welcher Teil der volkswirtschaftlichen Ersparnis überhaupt an den Kapitalmärkten angelegt und welche Allokation dabei gewählt wird. Es wurde am Rande schon darauf verwiesen, dass gerade die versicherungsförmige Ausgestaltung der Altersvorsorge in Deutschland mit der Kombination aus Zinsgarantien und kurzfristig orientierten Solvenzvorschriften vermutlich mit eine Ursache für die unterdurchschnittliche Kapitalmarktentwicklung sind.89 Regelungen zur Altersvorsorge sind allerdings noch weitgehend in der Kompetenz des nationalen 89
Vgl. hierzu ausführlich (Beck et al., 2015). -­‐ 86 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Gesetzgebers, so dass sie im Rahmen der Kapitalmarktunion allenfalls eine Nebenrolle spielen. Hingegen gibt es an dieser Stelle eine offensichtliche Interaktion der Kapitalmarktentwicklung mit der europäischen Versicherungsregulierung, also mit Solvency II. Ohne hier auf Details von Solvency II eingehen zu können, sei auf den folgenden grundsätzlichen Punkt verwiesen.90 Die Verpflichtungen von Lebensversicherungsunternehmen sind ihrer Natur nach sehr langfristig. Im Rahmen der Solvenzregulierung müssen diese langfristigen Risiken aber auf jährlicher Basis abgedeckt werden. Dies kann zu einer übermäßigen Unterlegung von kurzfristigen Marktrisiken führen. Da es in der Standardformel nach Solvency II zudem starre Vorschriften gibt, wie die Eigenkapitalunterlegung von unterschiedlichen Vermögensklassen zu erfolgen hat, gibt es darüber hinaus auch noch das Problem, dass es zu einer Diskriminierung von bestimmten Anlageklassen kommen kann. Allerdings muss man darauf hinweisen, dass diese Problematik im Rahmen der Diskussionen um Solvency II breiten Raum eingenommen hat.91 Artikel 304 der Solvency-­‐II-­‐Richtlinie sieht darüber hinaus sogar vor, dass die Solvenzkapitalanforderung bei Altersvorsorgeverträgen über einen längeren als den im Normalfall vorgesehenen einjährigen Zeitraum kalibriert werden kann. Ob diese Ausnahmeregelung tatsächlich auch genutzt wird, ist derzeit unklar, da dies an strenge Voraussetzungen geknüpft werden soll. Bei der Modellierung des Zinsänderungsschocks ist diese Problematik hingegen nur äußerst rudimentär berücksichtigt worden. Und beim Kreditrisikoschock ist dieser Aspekt letztlich ausgeblendet worden.92 90
Eine detaillierte Auseinandersetzung mit Solvency II und der Interaktion mit Basel III findet sich in (Kaserer, 2011). 91
Nicht zuletzt spielen in diesem Zusammenhang auch Argumente im Hinblick auf die Finanzmarktstabilität eine Rolle. Zur Frage der möglichen systemischen Bedeutung von Versicherungsunternehmen läuft derzeit eine intensive Debatte auf Ebene der G20-­‐Staaten, auf die wir hier nur verweisen wollen. Für einen Überblick zu dieser Debatte und der relevanten Literatur vgl. Eling und Pankoke (2014). 92
Es sind überdies von vielen Seiten Vorschläge gemacht worden, wie diese Effekte in einem Solvenzkapitalanforderungsmodell berücksichtigt werden könnten; für einen Überblick vgl. Sandström (2011). -­‐ 87 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Trotz umfangreicher Diskussionen hat diese Problematik bislang nur bei einer Anlageklassen zu konkreten Maßnahmen geführt. So sind hochwertige Verbriefungen bei der Eigenkapitalunterlegung entlastet worden.93 Im Bereich der Infrastrukturinvestitionen wurde auf der Basis eines Diskussionspapiers der EIOPA eine Konsultation durchgeführt.94 Auf dieser Grundlage hat die Kommission Ende September die unter Abschnitt 3.1.2.2 beschriebenen Vorschläge zur Einführung einer neuen Vermögensklasse von qualifizierten Infrastrukturinvestments vorgestellt. Bei anderen Vermögensklassen, wie Unternehmensanleihen und Aktien, scheint es hingegen keine Diskussionsbereitschaft zu geben. Insoweit muss man davon ausgehen, dass ein zentraler Aspekt der Kapitalmarktentwicklung, nämlich das Anlageverhalten institutioneller Investoren, in dem Projekt der Kapitalmarktunion weitgehend ausgeblendet wird. 4.2.3.3 Die Rolle von Private Equity Im empirischen Teil dieses Gutachtens wurde auch herausgearbeitet, dass ein mit einem unterdurchschnittlich entwickelten Kapitalmarkt eingehergehender Aspekt ein unterentwickelter Markt für privates Beteiligungskapital (Venture Capital, Private Equity) ist. Dieser Aspekt wird auch im Grünbuch zur Kapitalmarktunion hervorgehoben. Allerdings ist zu befürchten, dass eine Belebung des Marktes für privates Beteiligungskapital ohne eine Belebung des Kapitalmarktes insgesamt nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass wesentliche Ursachen, die die Attraktivität des Marktes für privates Beteiligungskapital belasten, in nationalen, insbesondere steuerlichen Regelungen verankert sind. Soweit es Deutschland betrifft haben bereits (Kaserer, Achleitner, von Einem, & Schiereck, 2007) die wesentlichen Schwächen des hiesigen privaten Beteiligungsmarktes beschrieben. Diese liegen v.a. in der Schwierigkeit für die Beteiligungsunternehmen rechtssichere, steuerlich transparente Beteiligungsvehikel zu konzipieren sowie in der umsatzsteuerlichen Behandlung der Vermögensverwaltungsgebühren. Für die Finanzierung von jungen Unternehmen 93
Vgl. hierzu die Ausführungen unter Abschnitt 5.1.1. 94
Vgl. Discussion Paper On Infrastructure Investments by Insurers, EIOPA-­‐CP-­‐15/003, 27 March 2015. -­‐ 88 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion (Start-­‐ups) ist zudem die steuerliche Behandlung von Verlustvorträgen nach § 8c KStG höchst relevant.95 Trotz der Tatsache, dass diese Probleme seit vielen Jahren bekannt sind, ist es bislang zu keinen durchgreifenden Lösungen gekommen. Während eine Lösung der Problematik der Verlustvorträge wegen der potentiell großen Mitnahmeeffekte schwierig sein dürfte, sind hinsichtlich der Schaffung rechtssicherer, steuerlich transparenter Beteiligungsvehikel sowie der umsatz-­‐
steuerlichen Behandlung von Vermögensverwaltungsgebühren bereits viele Vorschläge gemacht worden, die man aufgreifen und weiterentwickeln könnte. 4.3 Zwischenfazit: Mögliche Szenarien der Kapitalmarktunion und Abschätzung der Auswirkungen auf die Finanzierung von KMUs Der Erfolg des Projekts der Kapitalmarktunion, insbesondere gemessen daran, wie sich die Finanzierungsbedingungen für KMUs verändern werden, hängt nach unserer Einschätzung von zwei Faktoren ab. Erstens bedarf es einer sorgfältigen Analyse, welche Faktoren in erster Ordnung für die unterdurchschnittliche Kapitalmarkttiefe der europäischen Länder verantwortlich sind. Nur wenn man zumindest einige dieser Faktoren aufgreift und die entsprechenden Rahmenbedingungen verbessert, wird es zu dem gewünschten Wachstum der Kapitalmärkte kommen. So wurde bereits auf die Rahmenbedingungen der Altersvorsorge hingewiesen, die ein wesentlicher Treiber für die Kapitalmarktentwicklung eines Landes sind. Diese stehen aber weitgehend nicht im Fokus der Kapitalmarktunion. Auch die Frage der Vermögensallokation von institutionellen Investoren, insbesondere von Versicherungen, scheint nur in sehr begrenztem Umfang angegangen zu werden. Zweitens wird der Mittelstand nur dann von diesem Wachstum profitieren, wenn sich damit auch die Bedingungen für die indirekte Kapitalmarktfinanzierung verbessern. Hier geht es insbesondere um die Frage, inwieweit die Kapitalmarktunion tatsächlich zu einer Belebung der Verbriefungsmärkte führen wird. Im Folgenden sei kurz diskutiert, welche Szenarien hier denkbar sind und wie diese sich dann auf die Finanzierungsbedingungen des Mittelstands auswirken würden. 95
Hinzu kommen die derzeitigen Planungen, Veräußerungsgewinne bei Beteiligungen unter 10% körperschaftsteuerpflichtig zu machen. Dies würde die steuerliche Behandlung von Venture-­‐Capital-­‐
Fonds zusätzlich verschlechtern. -­‐ 89 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 4.3.1 Kritische Faktoren der Kapitalmarkttiefe Die Kommission konzentriert sich in ihrem Ansatz zur Verbesserung der Kapitalmarkttiefe naturgemäß sehr stark auf jene Punkte, die tatsächlich auch in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen. Hierzu gehören insbesondere jene Aspekte, die unter dem Stichwort der Fragmentierung der europäischen Kapitalmärkte behandelt worden sind. Auch die Regulierung der Finanzintermediäre, die hier ebenfalls behandelt worden ist, liegt zu großen Teilen in der Zuständigkeit des europäischen Gesetzgebers. Wenngleich der hinter diesem Ansatz stehenden Analyse in vielen Punkten zuzustimmen ist, steht zu befürchten, dass wesentliche Ursachen der fehlenden Kapitalmarkttiefe nicht einbezogen werden. Es wurde diesbezüglich bereits auf die Rahmenbedingungen der Altersvorsorge verwiesen, die zu erheblichen Teilen nicht in der Hand des europäischen Gesetzgebers sind. Gleichzeitig gibt es Aspekte, insbesondere die versicherungsaufsichtsrechtlichen Regelungen, bei denen mit Ausnahme von Detailaspekten keine Änderungen angedacht sind. Somit steht zu befürchten, dass die Kapitalmarktunion (kurzfristig) nicht in der Lage sein wird, das gewünschte Wachstum der Kapitalmärkte herbeizuführen. Damit würde sich dann weder die direkte noch die indirekte Bedingungen für die Kapitalmarktfinanzierung verbessern, so dass es auch zu keiner Erleichterung für die KMU-­‐Finanzierung kommen wird. 4.3.2 Kritische Faktoren der indirekten Kapitalmarktfinanzierung Selbst wenn das im vorangegangenen Abschnitt beschriebene Szenario nicht eintritt und es tatsächlich zu einer spürbaren Verbesserung der Kapitalmarkttiefe kommt, ist damit noch nicht klar, in welchem Ausmaß KMUs davon profitieren würden. Der kritische Punkt in der KMU-­‐Finanzierung besteht in dem Zusammenspiel von Banken-­‐ und Kapitalmarktfinanzierung. Eine Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für KMUs würde also nur eintreten, wenn die Banken die verbesserten Refinanzierungsmöglichkeiten an den Kapitalmärkten für eine Stärkung ihres KMU-­‐
relevanten Geschäftes nutzen würden. -­‐ 90 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Hier sind nun zwei Aspekte zu beachten. Erstens setzt dies voraus, dass sich die mit der Kapitalmarktunion bereits in Angriff genommene Veränderung der Rahmenbedingungen für Verbriefungsmärkte positiv auf die Entwicklung dieses Sektors auswirkt. Aus unserer Sicht spricht tatsächlich einiges dafür, jedenfalls unter der Annahme, dass die Aufnahmefähigkeit dieser Instrumente an den Kapitalmärkten nicht durch deren fehlendes Wachstum eingeschränkt wird. Selbst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, muss man zweitens den unter Abschnitt 4.2.3.1 diskutierten Aspekt des Zusammenwirkens von Banken-­‐ und Kapitalmarktunion beachten. Hierzu muss sich nämlich die Erkenntnis durchsetzten, dass es die Banken sind, die die nur dezentral verfügbaren, privaten Informationen über KMUs auswerten. Zu diesem Zweck muss aber genau das verhindert werden, was am Bankensektor schon seit längerem zu beobachten ist, nämlich eine zunehmende Konsolidierung verbunden mit einem teilweisen Rückzug aus der Fläche. Die Bankenunion mit ihren hohen Anforderungen an die Regulierung der Banken wird diesen Trend verstärken, weil die Regulierungskosten für kleinere, regional tätige Institute gemessen an ihrem Geschäftsvolumen immer größer werden.96 Zudem besteht die Gefahr, dass mit dem Hinweis auf die Kapitalmarktunion die Bedeutung von Rahmenbedingungen, die auch regional tätigen Kreditinstituten hinreichende Gewinnspielräume ermöglichen, unterschätzt wird. Dieser Trend könnte sich nochmals verschärfen, wenn die regional tätigen Kreditinstitute ihre Passivlastigkeit verlieren. Zwar ist davon bis heute in den Bankstatistiken kaum etwas zu sehen, jedoch ist es nicht völlig undenkbar, dass im Zuge der Digitalisierung sich die regionalen Marktanteile im Einlagengeschäft verschieben werden. Damit würde der Vorteil einer regionalen Verankerung passivseitig deutlich kleiner werden, so dass entscheidend sein wird, wie groß der Vorteil noch im Aktivgeschäft, also insbesondere im Kreditgeschäft, sein wird. Es ist leicht auszumalen, dass dieser Vorteil um so kleiner wird, je eher diese regional 96
Eine vergleichbare Problematik lässt sich auch für den Versicherungssektor beobachten, der nicht nur von den massiven Änderungen in der Versicherungsaufsicht betroffen ist, sondern indirekt auch von der Reform der Banken-­‐ und Kapitalmarktaufsicht betroffen ist. -­‐ 91 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion tätigen Institute aufsichtsrechtlich den gleichen Regelungen unterworfen werden wie überregional und international tätige Institute. Insoweit ist die Frage der Rolle der Banken in der Beschaffung von nur lokal verfügbaren Informationen über KMUs auch davon abhängig, inwieweit es eine Differenzierung in der aufsichtsrechtlichen Behandlung von großen, überregional tätigen Instituten im Vergleich zu kleinen, regional tätigen Instituten gibt. Ohne eine solche Differenzierung muss man davon ausgehen, dass sich die Finanzierungsbedingungen für KMUs selbst bei einem teilweisen Gelingen der Kapitalmarktunion in der Tendenz verschlechtern werden. -­‐ 92 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 5 Handlungsempfehlungen In diesem Kapitel werden aus den bisher vorgetragenen Analysen Handlungsempfehlungen abgeleitet. Diese werden dergestalt strukturiert, dass zunächst Handlungsmöglichkeiten betrachtet werden, die zu einer Stärkung der Kapitalmarktfinanzierung beitragen könnten. Aufgrund des bereits mehrfach erwähnten Komplementaritätseffektes zwischen Kapitalmarkt-­‐ und Bankenfinanzierung werden danach Handlungsfelder identifiziert, die zu einer Stärkung der bankbasierten Unternehmensfinanzierung führen könnten. Diese beiden Abschnitte enthalten naturgemäß Vorschläge, die die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen, einschließlich der KMUs positiv beeinflussen würden. Darüber hinaus sollen in einem weiteren Abschnitt Maßnahmen identifiziert werden, die spezifisch die Finanzierungsbedingungen von KMUs betreffen. 5.1 Empfehlungen zur Stärkung der Kapitalmarktfinanzierung 5.1.1 Verbriefungen Wie bereits mehrfach erwähnt, ist der Verbriefungsmarkt von zentraler Bedeutung dafür, dass die Kapitalmarktunion ihre wachstumsfördernden Wirkungen entfalten kann. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die gerade in Deutschland traditionell starke finanzierungsmäßige Verflechtung zwischen Versicherungs-­‐ und Kreditwirtschaft durch die grundlegenden Reformen in der Banken-­‐ und Versicherungsaufsicht zumindest teilweise aufbrechen wird. Insoweit ist es für die langfristige Sicherstellung der Kreditversorgung der mittelständischen Wirtschaft wichtig, über einen funktionierenden Verbriefungsmarkt als alternative Refinanzierungsquelle des Bankensektors zu verfügen. Dies ist mittlerweile auch breiter Konsens in der Diskussion um die Kapitalmarktunion. Entsprechend haben jüngst EBA, EIOPA und ESMA ihren Verbriefungsbericht vorgelegt, der eine ganze Reihe von Empfehlungen enthält.97 Der jetzt im Rahmen des Aktionsplans zur 97
Vgl. Joint-­‐Committee Report on Securitisation, JC 2015 022, 12 May 2015. Vergleichbare Vorschläge finden sich auch in serer(Beck et al., 2015). -­‐ 93 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Kapitalmarktunion von der Kommission vorgelegte Legislativvorschlag zur Stärkung des Verbriefungsmarktes nimmt viele dieser Vorschläge auf.98 Insoweit wird es in den kommenden Monaten vor allem auch darum gehen, für eine zügige Umsetzung dieser Vorschläge zu sorgen. Mit diesem Legislativpaket werden vor allem zwei zentrale Forderungen umgesetzt. Zum einen wird es einen klaren aufsichtsrechtlichen Standard für qualitativ hochwertige Verbriefungen (STS-­‐Verbriefungen) geben. Zum anderen kommt es bei der bankaufsichtlichen Eigenkapitalunterlegung dieser hochwertigen Verbriefungen eingedenk der historisch niedrigen Ausfallquoten in Europa zu einer Entlastung. Gleichzeitig werden aber zwei, nach unserer Einschätzung nicht unwesentliche Elemente der Regulierung von Verbriefungen, nicht aufgegriffen. So ist nicht beabsichtigt, die Behandlung von Verbriefungen im Rahmen der Liquiditätsanforderungen nach gemäß Art. 411 ff. CCR anzupassen. Insoweit bleibt es hier bei einer gewissen Ungleichbehandlung im Vergleich etwa zu Unternehmensanleihen.99 Hinzu kommt, dass die Einstufung als Typ-­‐1-­‐
Verbriefungsposition nach Solvency II die Existenz eines liquiden Marktes für diese Verbriefungen voraussetzt. Die Auslegung dieses Begriffes der Marktliquidität auf Level-­‐3-­‐Ebene wird sich nicht unwesentlich auf die Bereitschaft von Versicherungen auswirken, in diese Papiere zu investieren.100 Letztlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass insbesondere die Frage der Marktliquidität eine Art Henne-­‐Ei-­‐Problem darstellt. Wenn Banken auf Verbriefungen im Rahmen ihres Liquiditätsmanagements nicht zurückgreifen können oder wollen, werden sie ihre Market-­‐Making-­‐Aktivitäten in diesem Sektor zurückschrauben, was unweigerlich zu einem Austrocknen der Märkte führt. Umgekehrt sind natürlich auch die Argumente der Aufsichtsbehörde, dass dieser Markt in der Vergangenheit nur durch geringe Liquidität gekennzeichnet war, nicht von der Hand zu weisen, 98
Eine genauere Darstellung dieses Vorschlages findet sich in Abschnitt 3.1.2.1 99
Vgl. hierzu die Ausführungen unter Abschnitt 4.2.1.2. 100
Zu beachten ist, dass diese Einstufung bereits das Ergebnis einer Erleichterung im Vergleich zu den vorhergehenden Regelungen ist. Diese kam auf der Grundlage einer Empfehlung der EIOPA zustande; vgl. Technical Report on Standard Formula Design and Calibration for Certain Long-­‐Term Investments. EIOPA/13/513 vom 19. Dezember 2013. -­‐ 94 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion wenngleich es hier durchaus auch eine Debatte darüber geht, inwieweit die von der EBA verwendeten Liquiditätsmaße zweckmäßig sind.101 Möglicherweise könnte man hier durch eine zumindest vorübergehende großzügigere Auslegung den Versuch unternehmen, ob damit tatsächlich die Marktliquidität gesteigert werden kann. Gegebenenfalls kann man nach einem z.B. dreijährigen Beobachtungszeitraum nachsteuern. Ebenfalls nicht angegangen wird im Legislativvorschlag der Kommission das Problem der Rechtsunsicherheit bei Verbriefungen. Da Verletzungen von wenig präzise definierten Dokumentations-­‐ und Prozesspflichten unter Umständen die aufsichtsrechtliche Anerkennung der Verbriefung gefährden, gibt es hier für die Banken ein erhebliches Risiko. Daher ist hier vor allem die Kommission bzw. die EBA aufzufordern, klar umrissene Standards zu definieren, so dass die Banken ihre Dokumentation und Prozessteuerung entsprechend ausrichten können. Jenseits von regulatorischen Ansätzen muss man weiterhin bedenken, dass die Entwicklung des Verbriefungsmarktes auch eine Frage entsprechender privatwirtschaftlicher Initiativen ist. Diese werden um so eher erfolgreich sein, je schneller es gelingt, die starke Zersplitterung des europäischen Verbriefungsmarktes zu beseitigen. Hierzulande gibt es mit der True Sale International (TSI) oder auch mit der KfW bereits Institutionen, die eine solche Initiative mittragen könnten. Zur Schaffung eines europäischen Verbriefungsmarktes wäre es aber wichtig, dass auch europäische Institutionen sich beteiligen würden. Mit der Prime Collateralised Securities Initiative (PCS) gibt es etwa in Großbritannien eine bedeutende privatwirtschaftliche Initiative, die über weitreichende Erfahrungen mit Verbriefungsmärkten verfügt. Zudem könnte man auch an eine aktivere Rolle durch die Europäische Investitionsbank (EIB) denken. Letztlich bedarf es hier einer breit abgestimmten und abgestützten Vorgehensweise, in die insbesondere auch die Vertreter der mittelständischen Industrie miteingebunden sein müssten. Neben dem Verbriefungsmarkt hat die Kommission auch eine Überprüfung des Marktes für gedeckte Schuldverschreibungen angekündigt. Dieser Markt ist in einigen 101
Vgl. (Perraudin, 2014). -­‐ 95 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion europäischen Ländern traditionell sehr bedeutend und auch im internationalen Vergleich sehr groß. Dazu gehören etwa Deutschland (Pfandbriefe), Dänemark, Frankreich oder Schweden. In anderen Ländern hingegen ist dieser Markt noch eher unterentwickelt. Die Kommission will nun im Rahmen einer Konsultation prüfen, inwieweit dieser Markt durch die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Gesetzesrahmens weiter gestärkt werden könnte. Dies ist im Sinne einer Integration der europäischen Kapitalmärkte nachvollziehbar. Gleichzeitig ist aber zu beachten, dass etwa der deutsche Pfandbriefmarkt über Jahrhunderte ein großes Vertrauen, auch bei ausländischen Investoren, aufgebaut hat. Eine Reform dieses Marktes birgt daher immer auch die Gefahr eines Vertrauensverlustes in sich. Insoweit würde es sich hier vermutlich anbieten, zunächst die Koexistenz der nationalen Märkten zu akzeptieren und lediglich über eine Integration der Marktinfrastruktur (Handelsplattformen, Clearingstellen, etc.) für eine Steigerung der Liquidität in diesen Märkten zu sorgen. 5.1.2 Solvency II, Altersvorsorge und Langfristfinanzierung Die Lebensversicherungen sind eine der größten Investorengruppen am Kapitalmarkt. In Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern, ist die Bereitschaft dieser Investoren am Kapitalmarkt zu investieren (Aktien und Unternehmensanleihen) nicht übermäßig ausgeprägt.102 Im Rahmen der Diskussionen um Solvency II wurde von vielen Seiten darauf hingewiesen, dass sich diese Problematik weiter verschärfen könnte. Die Kommission hat auf diese Befürchtungen insoweit reagiert, als im Rahmen des Aktionsplans zur Kapitalmarktunion ein Vorschlag zur Änderung der Solvency-­‐II-­‐Verordnung vorgelegt wurde.103 Es soll unter anderem eine neue langfristige Vermögensklasse von qualifizierten Infrastrukturanlagen eingeführt werden, für die sowohl im Bereich der Eigenkapital-­‐, als auch im Bereich der Fremdkapitalinstrumente die Eigenkapitalunterlegung abgesenkt wird. Die ebenfalls seit einiger Zeit diskutierte Frage, inwieweit privates Beteiligungskapital oder auch privat platzierte 102
Eine umfangreiche Analyse dieser Problematik findet sich in (Beck et al., 2015). 103
Vgl. hierzu die Ausführungen unter Abschnitt 3.1.2.2. -­‐ 96 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Schuldverschreibungen im Rahmen von Solvency II übermäßig belastet werden, wird von der Kommission zwar konstatiert, deren Diskussion aber auf das Jahr 2018 verschoben. Diese nachvollziehbare Maßnahme sollte allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass das grundsätzliche Problem einer kurzfristig orientierten Solvenzaufsicht für eine dem Grunde nach sehr langfristige Kapitalanlage (Altersvorsorge) bestehen bleibt. Dieser Regulierungsansatz birgt immer das Risiko in sich, dass es zu einer übermäßigen Kurzfristigkeit in der Vermögensanlage kommt. Insoweit ist eine grundsätzliche Überprüfung der Wirkungen von Solvency II auf langfristige Kapitalanlagen in den nächsten Jahren dringend geboten. Dies wird im Aktionsplan zur Kapitalmarktunion auch angekündigt. Diese Überprüfung sollte auf nationaler Ebene in eine Überprüfung der Regelungen zur privaten und betrieblichen Altersvorsorge eingebunden werden. Da beide Bereiche der Altersvorsorge zu erheblichen Anteilen versicherungsförmig ausgestaltet sind, führt die oben erwähnte Problematik auch dazu, dass große Teile des dort angesparten Kapitalstocks weder am Aktien-­‐ noch am Anleihemarkt, soweit man von Staatsanleihen und bestimmten gedeckten Schuldverschreibungen absieht, angelegt werden. Hierin dürfte ein wesentlicher Grund für die mangelnde Tiefe der Kapitalmärkte in vielen kontinentaleuropäischen Ländern liegen. Eine nachhaltige Stärkung der europäischen Kapitalmärkte wird es nach unserer Einschätzung ohne eine gewisse Justierung im Bereich der Altersvorsorge nicht geben. Die von der Kommission jetzt ebenfalls angestoßene Diskussion zur Schaffung eines europäischen Marktes für Altersvorsorgeprodukte kann begleitend von Bedeutung sein, die grundsätzlichen Probleme müsse aber, wie eben beschrieben, auf nationaler Ebene gelöst werden. Hinzu kommt, dass die Wirkungen des in Abschnitt 4.2.2.4 beschriebenen Regulierungsansatz im Bereich des Verbraucherschutzes bei Finanzdienstleistungen genauer beobachtet werden. Jedenfalls gibt es hier einen Zielfkonflikt zwischen möglichst weitreichender und geschützter Partizipation des Kleinanlegers am regulierten Kapitalmarkt und einer kostengünstigen Bereitstellung der entsprechenden Anlageprodukte. Hier muss sehr genau geprüft werden, inwieweit -­‐ 97 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion der jetzt in MiFID II festgeschriebene Regulierungsansatz den Zielsetzungen der Kapitalmarktunion nicht entgegen läuft. 5.1.3 Integration von Aktien-­‐ und Anleihemärkten Die Fragmentierung und damit einhergehende fehlende Liquidität der europäischen Aktien-­‐ und Anleihemärkte wurde bereits mehrfach erwähnt. Hier gibt es eine Reihe von Ansatzpunkten, die dieser Fragmentierung entgegen wirken könnten, wenngleich man nicht vergessen sollte, dass diese auch kulturellen Hürden und nationalen Interessen geschuldet ist. Daher sollte man nicht erwarten, dass es hier Maßnahmen gibt, die kurzfristig bereits zu einer starken Integration der Märkte führen werden. Einige zentrale Aspekte wurden in Abschnitt 4.2.2 bereist angesprochen. Soweit man an Anleihemärkte denkt, ist die Fragmentierung des Insolvenzrechtes sicherlich eine der wesentlichen Hürden. Nach verschiedenen Berichten und langen Diskussionen ist es mittlerweile zu einer Neufassung der EU-­‐Insolvenzverordnung gekommen, die im Jahr 2017 in Kraft treten wird.104 Die Wirkungen dieses Gesetzesrahmens müssen noch abgewartet werden. Allerdings wird man davon ausgehen müssen, dass es bis zu einer echten Harmonisierung des europäischen Insolvenzrechtes noch ein sehr langer Weg ist. Kurzfristig könnte die Problematik der fragmentierten Anleihemärkte durch die Schaffung eines standardisierten EU-­‐Anleiheprospekts etwas entschärft werden. Dies wäre aber auch im Wege einer privatwirtschaftlichen Initiative, etwa der großen Emissionshäuser und der Börsenbetreiber, umsetzbar. Im Hinblick auf die Aktienmärkte stellt sich die Frage, inwieweit Corporate-­‐
Governance-­‐Mechanismen noch stärker harmonisiert werden müssten, um gerade bei institutionellen Investoren echte paneuropäische Geschäftsmodelle entstehen zu lassen. Dabei dürften aber nicht nur gesellschaftsrechtliche Regelungen in der Beziehung zwischen den Investoren und den Zielunternehmen eine Hürde darstellen. Mindestens ebenso bedeutend ist die Frage, inwieweit grenzübergreifende Vertriebsstrukturen, etwa bei Investmentfonds, kostengünstig implementiert werden können. Und schließlich sind hier auch steuerliche Aspekte, insbesondere Hürden bei 104
Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren. -­‐ 98 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion der Durchsetzbarkeit von Quellensteuerbefreiungen, zu beachten. Auch zu diesen Punkten will die Kommission faktische Grundlagen erheben, um daraus gegebenenfalls konkrete gesetzliche Maßnahmen abzuleiten. Und schließlich stellt sich sowohl für die Aktien-­‐ als auch die Anleihemärkte die Frage, inwieweit die heute bestehende Marktinfrastruktur überhaupt in der Lage ist, grenzüberschreitende Wertpapiertransaktionen schnell, kostengünstig und risikolos abzuwickeln. Wie in Abschnitt 4.2.2.3 beschrieben, gibt es hier bereits verschiedene, teilweise weit fortgeschrittene Initiativen. In Abschnitt 4.2.2.1 wurde darauf hingewiesen, dass es auf den europäischen Kapitalmärkten spürbare Liquiditätsdefizite gibt. Hierfür ist nicht zuletzt das komplexe Zusammenspiel von unterschiedlichen Regulierungsvorschriften (CRR, MiFID II, EMIR) verantwortlich. Insgesamt führen all diese Effekte dazu, dass sich die Haltekosten von Finanzinstrumenten erhöhen und damit Market-­‐Making-­‐Aktivitäten aus Sicht der Banken weniger attraktiv werden. Zwar liegt hierin sicherlich nicht der einzige Grund für die im internationalen Vergleich hinterherhinkende Liquiditätsentwicklung auf den kontinentaleuropäischen Aktienmärkten, jedoch sind sich viele Beobachter – einschließlich der Zentralbanken – einig, dass dieses Zusammenspiel von Regulierungsvorschriften das Problem verschärft. Unter diesem Gesichtspunkt, aber nicht nur unter diesem, ist es daher dringend geboten, die kumulativen Wirkungen der mittlerweile äußerst komplex gewordenen europäischen Finanzmarktregulierung zu untersuchen. Die Kommission hat im Rahmen des Aktionsplans zur Kapitalmarktunion hierzu eine Konsultation angekündigt. Die Prüfung dieser kumulativen Wirkungen ist auch deshalb von Bedeutung, weil es außerhalb der reinen Banken-­‐ und Versicherungsregulierung eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen und Vorschläge gibt, die sich auf den Finanzmarkt auswirken werden. Hier geht es zum einen um kapitalmarkt-­‐ und verbraucherschutzrechtliche Vorschriften, wie sie vor allem durch MiFID II eingeführt wurden. Aber auch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer oder neue Regelungen zu den Schattenbanken würden sich hier entsprechend bemerkbar machen. -­‐ 99 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 5.2 Empfehlungen zur Stärkung der Bankenfinanzierung In Abschnitt 4.1 wurde die Bedeutung der Banken für die Unternehmensfinanzierung ausführlich diskutiert. Zwei wesentliche Ergebnisse wurden in dieser Diskussion festgehalten. Erstens spielen Banken, ebenso wie Kapitalmärkte, eine wichtige Rolle in der Sicherstellung einer effizienten Kapitalallokation in einer Volkswirtschaft. Dabei liegt die Bedeutung der Banken vor allem darin, dass sie private Informationen über Unternehmen in Kreditentscheidungen einfließen lassen. Zweitens gibt es einen Komplimentaritätseffekt zwischen dem Bankensektor und dem Kapitalmarkt, so dass das Gelingen der Kapitalmarktunion ganz wesentlich von einem starken Bankensektor abhängt. Die Kommission macht sich im Aktionsplan zur Kapitalmarktunion daher zu Recht auch Gedanken darüber, wie die Rolle der Banken in der Unternehmensfinanzierung gestärkt werden könnte. Zwei Punkten scheinen uns dabei von besonderer Bedeutung, wenngleich sie im Aktionsplan nur am Rande angesprochen werden. Erstens muss die Zweckmäßigkeit der mit dem CRD IV/CRR-­‐Paket eingeführten Bankenregulierung im Rahmen einer integrierten Wirkungsanalyse der gesamten europäischen Finanzmarktregulierung untersucht werden. Es wurde bereits erwähnt, dass die Kommission diesbezüglich eine Konsultation im Rahmen des Aktionsplans zur Kapitalmarktunion gestartet hat. Diese wird ergänzt durch die bereits zum 15. Juli 2015 gestartete Konsultation zur Überprüfung der bankaufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Kreditvergabe. Zweitens muss man analysieren, wie man die zentrale Rolle der Banken, nämlich die Beschaffung und Auswertung privater Informationen, stärken kann. Diese Rolle ist gerade dort von besonderer Bedeutung, wo kaum öffentliche Informationen über Unternehmen zur Verfügung stehen. Das ist insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen der Fall. Die mit der Bankenunion verbundenen deutlich erhöhten Regulierungskosten bergen die Gefahr in sich, dass die Geschäftsmodelle der regional tätigen Banken aufgrund von Fixkostenproblemen bedroht werden. Dies würde aber bedeuten, dass die Informationsbeschaffungsfunkton der Banken gerade dort nicht mehr funktionieren -­‐ 100 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion würde, wo ihr gesellschaftlicher Nutzen am höchsten ist, nämlich bei kleinen und mittelständischen Unternehmen. Es ist sehr bemerkenswert, dass die Kommission die Problematik von prohibitiv hohen Kosten der Bankenregulierung für kleinere Institute in Betracht zieht. In Anerkennung dieses Problems sieht der Aktionsplan zur Kapitalmarktunion vor, dass die Möglichkeit zur Zulassung von Kreditgenossenschaften, für die die bankaufsichtlichen Eigenkapitalvorschriften nicht gelten sollen, geprüft werden soll. Man könnte also von einem „CRR-­‐light“-­‐Ansatz sprechen. Etwas grundsätzlicher gedacht führt dieser Ansatz zu der Frage, ob man Kreditinstitute mit regional begrenztem Tätigkeitsfeld und unterhalb einer bestimmten Größe von den bankaufsichtlichen Vorschriften gemäß dem CRD IV/CRR-­‐Paket ganz oder teilweise befreien sollte. Denkbar wäre etwa, dass diese Kreditinstitute wieder komplett in die nationale Aufsicht zurückfallen und auf der Grundlage von rein nationalen Gesetzesvorschriften agieren. Es gäbe damit in gewisser Weise eine zweistufige Bankenaufsicht. Auf der ersten Stufe gäbe es eine rein nationale Aufsicht für kleinere, regional tätige Institute, wohingegen auf der zweiten Stufen jene Banken stehen, die überregional, möglicherweise sogar europaweit tätig sind, und damit den Aufsichtsvorschriften der Bankenunion unterliegen. In eine ähnliche Richtung weist der Ansatz der Kommission die Kreditvergabe durch Kreditfonds zu erleichtern. Das Vergabevolumen dieser Fonds ist in Europa in den letzten Jahre stark gewachsen, wenngleich es im Hinblick auf die Frage, ob diese Fonds als Kreditinstitute oder als Fonds reguliert werden, unterschiedliche Antworten in den Mitgliedsstaaten gab. Hierzulande wurden diese Kreditfonds in der Vergangenheit der Bankenaufsicht unterstellt. Am 12. Mai 2015 hat die BaFin ihre Verwaltungspraxis geändert und bestimmten AIFs diese Kreditvergabetätigkeit erlaubt. Die Kommission hat in ihrem Aktionsplan nun angekündigt, dass sie die Einführung eines einheitlichen Rechtsrahmens in der EU für die Tätigkeit dieser Kreditfonds prüfen will. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es EuVECA-­‐Fonds und ELTIFs in begrenztem Umfang bereits heute möglich ist Kredite zu vergeben. Soweit man Kreditfonds als Organisationen sieht, die ausschließlich eigenkapitalfinanziert sind, ist dieser Ansatz durchaus folgerichtig. Die zentrale -­‐ 101 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Begründung der Bankenregulierung besteht ja darin, dass sich durch die Refinanzierung von illiquiden und langfristigen Unternehmenskrediten mit liquiden und kurzfristigen Kundeneinlagen (Liquiditäts-­‐ und Fristentransformation) ein systemisches Risiko ergibt. Dieses systemische Risiko entsteht nicht oder ist jedenfalls deutlich geringer, wenn die Refinanzierung ausschließlich über Eigenkapital erfolgt. Im Hinblick auf faire Rahmenbedingungen muss aber tatsächlich gewährleistet sein, dass sich Kreditfonds weder direkt noch indirekt über kurzfristige Kundeneinlagen refinanzieren. Dies ist nach derzeitiger Rechtslage nicht sicher gestellt, da AIFs in begrenztem Umfang Kredite auf gemeinschaftliche Rechnung der Anleger aufnehmen dürfen. Soweit man von dieser Problematik absieht, wird die Tätigkeit der Kreditfonds den Wettbewerb im Bankensektor zu Gunsten der kreditsuchenden Unternehmen beleben. 5.3 Empfehlungen zur Stärkung der Finanzierungsbedingungen des Mittelstands Die unter den beiden vorangegangenen Abschnitten genannten Handlungsempfehlungen sollten im Grundsatz zu einer Belebung der Finanzmärkten führen und damit die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen, aber auch der privaten Haushalte, verbessern. Die Kommission hat es sich im Aktionsplan zur Kapitalmarktunion zum Ziel gesetzt, die Finanzierungsbedingungen insbesondere für KMUs zu verbessern. Daher werden dort weitere Initiativen genannt, die im folgenden kurz behandelt werden sollen. Erstens konstatiert die Kommission zu Recht, dass es für junge europäische Unternehmen nach wie vor eine große Finanzierungslücke gibt. Der Markt für Venture Capital ist in Kontinentaleuropa im internationalen Vergleich relativ klein. Hier werden unterschiedliche Ansätze genannte, wie etwa die Entwicklung des Crowdfunding-­‐Sektors oder die Stärkung der EuVECA-­‐Fonds. Gleichzeitig muss man aber feststellen, dass gerade die Frühphasenfinanzierung eine starke regionale Verankerung hat.105 Daher müssen hier die Handlungsschwerpunkte auf Ebene der Mitgliedstaaten liegen. Soweit es Deutschland betrifft wurden die Defizite des 105
So zeigen Studien, dass in dieser Frühphasenfinanzierung die geografische Nähe von Investor und Unternehmer von besonderer Bedeutung ist; vgl. z.B. (Lutz, Bender, Achleitner, & Kaserer, 2013). -­‐ 102 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Marktes für privates Beteiligungskapital bereits in Abschnitt 4.2.3.3 angesprochen. Sie liegen vor allem im Bereich der fehlenden steuerlichen Transparenz der Fonds, der Besteuerung der Management Fees und der steuerlichen Behandlung von Verlustvorträgen. Ohne eine zumindest teilweise Lösung dieser Probleme wird es nicht zu einer deutlichen Belebung des Marktes für privates Beteiligungskapital kommen. Sollte es jedoch zu einer Lösung kommen, würden davon sowohl junge Unternehmen als auch die KMUs profitieren. Zweitens wirft die Kommission den Vorschlag auf, inwieweit der Kreditzugang für KMUs dadurch verbessert werden könnte, dass Kreditdaten in standardisierter Weise erhoben und EU-­‐weit zur Verfügung gestellt werden. Die Teilnahme an diesem Datenaustausch sollte nach derzeitigen Vorstellungen der Kommission freiwillig sein. Grundsätzlich ist bei Vorschlägen dieser Art daran zu denken, dass Banken, wie mehrfach geschildert, von der Nutzung ihrer privat (und kostspielig) erhobenen Informationen leben. Sollten sie gezwungen werden, kostspielige Informationen über Kreditdatenbanken auch anderen Banken zur Verfügung zu stellen, würde das die Informationsbeschaffungsanreize mindern. Das Könnte sich dann letztlich in einer schlechteren Qualität der Kreditvergabeentscheidung und/oder in einer Reduktion des Vergabevolumens gerade an KMUs bemerkbar machen. Drittens wird von der Kommission die Frage gestellt, inwieweit die fehlende Kapitalmarktaffinität von KMUs auch eine Folge zu hoher Eintrittsbarrieren am Kapitalmarkt sein könnte. Konkret wird hier vorgeschlagen, unter bestimmten Voraussetzungen die Erfordernisse der Prospektrichtlinie abzusenken. Diese Thematik wurde bereits unter Abschnitt 4.2.2.4 diskutiert. Nach unserer Einschätzung ist die Wirkung solcher Erleichterungen zumindest zweifelhaft, zumal die Gefahren, die sich durch einen möglichen Vertrauensverlust seitens der Investoren ergeben könnten, erheblich sind. Unabhängig davon ist eine Überprüfung der Prospektrichtlinie und eine Anpassung derselben an geänderte Rahmenbedingungen sicherlich zweckmäßig. Viertens will die Kommission die Frage prüfen, inwieweit es für KMUs, die Finanzinstrumente auf multilateralen Handelssystemen (MTF) emittiert haben, einen EU-­‐weit einheitlichen, an den IFRS angelehnten Rechnungslegungsstandard geben -­‐ 103 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion sollte. Es wurde bereits in Abschnitt 4.2.2.5 darauf hingewiesen, dass dieser Ansatz erhebliche Risiken in sich birgt. Zwar mag die Fragmentierung der Rechnungslegungsstandards im Bereich der KMUs für Investoren ein Problem sein, allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die Beseitigung dieses Problems die Kapitalmarktorientierung der KMUs nachhaltig verändern würde. Vielmehr besteht die Gefahr, dass diese vom Zugang zu nicht regulierten Märkten abgeschreckt würden, wenn dieser die Erfüllung einer „IFRS-­‐light“-­‐Rechnungslegung voraussetzen würde. Vor diesem Hintergrund spricht die Kommission im Aktionsplan zur Kapitalmarktunion nur mehr von der Erarbeitung eines freiwillig anzuwendenden Rechnungslegungsstandards. Von größerer Bedeutung erscheint nach unserer Einschätzung die Frage, ob die Durchsetzung der IFRS-­‐Standards bei kapitalmarktnahen Unternehmen derzeit mit hinreichender Einheitlichkeit erfolgt. Hier wäre gegebenenfalls eine Harmonisierung angezeigt. Und fünftens sollte man erwähnen, dass das nach wie vor ungelöste Problem der steuerlichen Diskriminierung von Eigenkapital die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen insoweit belastet, als sie die Eigenkapitalbildung einschränkt. Die Kommission will hierzu im Rahmen des Legislativvorschlags für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-­‐Bemessungsgrundlage aktiv werden. 5.4 Zusammenfassung der Handlungsempfehlungen Die in diesem Kapitel diskutierten Handlungsempfehlungen werden in der nachfolgenden Abbildung 26 zusammengefasst. Dabei werden sie nach zwei Dimensionen angeordnet. Einerseits in Abhängigkeit davon wo die gesetzgeberische Zuständigkeit liegt. Andererseits werden sie danach geordnet, ob eine Umsetzung kurz-­‐ oder langfristig möglich erscheint. -­‐ 104 -­‐ Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion Zusammenfassung der Handlungsfelder
Analyse der integrierten Wirkung der europäischen Finanzmarktregulierung
– Zuständigkeit –
EU
Entlastung von STSVerbriefungen
(LCR, Solvency II)
EU-Privatplatzierungen/
Standardisiertes EUAnleiheprospekt
Modernisierung der
Prospektrichtlinie
Koexistenz von nationalen
Pfandbriefmärkten mit
integrierter Marktinfrastruktur
Integration der Marktinfrastruktur (Aktien- und
Anleihehandel)
Rolle der Kreditfonds (keine
Fristentransformation)
national
Paneuropäische Vertriebswege für
Finanzdienstleistungen (einschl.
Quellensteuerproblematik)
Regulierungsansatz im Bereich des
Verbraucherschutzes (MiFID)
Prüfung der Risiken von
Kreditdatenbanken
Harmonisierung Insolvenzund Gesellschaftsrecht
„CRR-light“/Nationale Aufsicht
für regional tätige Banken
Harmonisierung IFRS-Enforcement
Prüfung der Risiken eines
„IFRS-light“ für KMUs
Stärkung der Frühphasen- und privaten Beteiligungsfinanzierung
kurz
Überprüfung Solvency II
und Altersvorsorge
(Langfristfinanzierung)
– Umsetzungshorizont –
Abbildung 26: Übersicht zu den Handlungsfeldern im Rahmen der Kapitalmarktunion -­‐ 105 -­‐ Abschaffung/Milderung der
steuerlichen Diskriminierung
von Eigenkapital
lang
Finanzierung der Realwirtschaft und Kapitalmarktunion 6 Quellenverzeichnis BACH – Bank for the Accounts of Companies Harmonized -­‐ Database Brochure. Onlinedokument. Verfügbar unter: https://www.bach.banque-­‐
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