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MARKENARTIKEL 3/2009
Marken muss im
Netz aktiv sein
Werbebotschafter der Industrie nutzen zunehmend das Internet, um die Zielgruppe der Best
Ager zu erreichen. Spezielle Portale bieten eine
attraktive Plattform, erläutert Alexander Wild,
Feierabend Online Dienste für Senioren AG.
MARKENARTIKEL: Wie agieren aus Ihrer Erfahrung, Herr
Wild, die Markenhersteller als Werbebotschafter bisher im Internet?
ALEXANDER WILD: Immer noch erstaunlich vorsichtig und
zurückhaltend. Noch längst haben sich nicht alle Markenartikler dem Charakter des Internets und seinen
Chancen geöffnet. Natürlich funktioniert Marketing
hier anders als auf den klassischen Einbahnstraßen
Print, TV oder Radio. Und natürlich hat die Zurückhaltung auch damit zu tun, dass die Nische Internet zunächst für »große« Marken weniger interessant war als
für »kleine« Marken, die ebenfalls Nischen bedienen.
Vor allem aber scheinen gerade die großen Marken
Angst vor Kritik der Web 2.0-Gemeinschaft zu haben.
Das ist, wie wir bei Feierabend immer wieder beobachten, wahrlich unnötig. Nicht nur, weil die Markenartikler ihren eigenen Angeboten mehr Vertrauen
entgegenbringen sollten. Auch, weil die »Schwarmintelligenz« hier wirklich funktioniert: Wo Produkte, wo
Dienstleistungen boshaft, ungerechtfertigt oder überzogen kritisiert werden, finden sich umgehend zehnmal
so viele Stimmen, die den Angegriffenen verteidigen.
Zusatzeffekt: Positive Stimmen sind viel glaubwürdiger, wenn auch einzelne negative auftauchen.
MARKENARTIKEL: Und was hat sich in den letzten beiden
Jahren geändert?
WILD: Die letzten beiden Jahre zeigen deutlich, wohin
die Reise geht. Wir haben bei Feierabend.de weniger
Bannerwerbung. Stark zu nimmt dagegen ContentPlacement in den Thementreffs, wo sich die Mitglieder
über alles vom Auto über Diabetes bis zum Wohnen
informieren und diese auch diskutieren. Hohe Relevanz haben auch Direktmarketing und Tests durch
Feierabend-Seniorenscouts. Banner werden heute vor
allem eingesetzt, um auf Aktionen, Themen und andere Maßnahmen hinzuweisen. Integrierte Kampag-
nen, die etwa einen Test durch Feierabend-Seniorenscouts mit E-Mail-Marketing und Content-Placement
verbinden, erzielen bei uns die besten Erfolge.
MARKENARTIKEL: Wie ernst nimmt die Markenartikelindustrie nach Ihren Beobachtungen die Zielgruppe
50plus, wo werden Fehler gemacht?
WILD: Die Situation hat sich in den letzten Jahren ganz
klar verbessert. Im Jahr 2000 hatten wir ein Seminar
mit dem – zugegebenermaßen bissigen – Titel »Senioren agil – Wirtschaft senil?« geplant. Wir hatten ja so
recht und mussten die Veranstaltung mangels Nachfrage absagen.
Um 2005 nahmen immer mehr
Unternehmen die
Zielgruppe 50plus ins Visier
und wunderten sich über die
sehr speziellen Ansprüche der
Zielgruppe
und darüber, dass
diese
mit
manchen Produkten Probleme hatten. Der absurde
Versuch, alle 45-
Vor mehr als zehn Jahren gründete Alexander Wild Feierabend.de.
Heute ist er Vorstandsvorsitzender der Feierabend Online Dienste
für Senioren AG. Der Diplomkaufmann war 1992 ein Jahr lang
Bezirksleiter im Lebenmittelhandel bei Aldi und 1996 Manager für
Multimedia-, Internet- und Marketingkongresse bei Management
Circle, Eschborn.
Fotos: feierabend.de
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Feierabend.de: Treffpunkt der Generation 50plus
und Plattform für Werbung, die mit der Zielgruppe
kommuniziert.
bis 85-Jährigen einer einzigen Zielgruppe zuzuordnen,
machte das Bild nicht klarer.
In den letzten beiden Jahren ist viel passiert. Die Unternehmen interessieren sich endlich wirklich für die
Älteren. Das merken wir bei der Nachfrage nach Tests
durch die Feierabend-Seniorenscouts. Im Auftrag von
Unternehmen überprüfen sie Produkte und Dienstleistungen auf Herz und Nieren und geben den Anbietern neue Ideen und Impulse. Die Feierabend-Seniorenscouts wiederum reagieren ausgesprochen positiv
darauf, dass sie endlich selbst gefragt werden, wenn es
um Angebote für ihre Generation geht. Und darüber
berichten sie bei Feierabend.de und vermutlich auch
in weiteren Foren. Mit dem Ergebnis, dass wir hier
Marktforschung, Imagepflege und Produktwerbung zu
einem höchst positiven Gesamtbild verbinden.
MARKENARTIKEL: Wie »tickt« die Zielgruppe und wie
muss die Ansprache aussehen?
WILD: Unsere Vorstellungen von »Senioren« passen
schlecht zur Realität der sogenannten »Best Ager«. Die
heute 60-Jährigen sind Kinder der Studentenbewegung
und des Wirtschaftswunders. Sie waren jung in einer
Zeit, in der viel ging und alles möglich schien. Vielleicht sind sie deshalb so selbstbewusst, fordernd und
anspruchsvoll und so neugierig, mutig und experimentierfreudig. In der Folge sind sie weniger markentreu.
Bekannte hochwertige Produkte und Marken haben
natürlich einen »Bonus« – aber der ist bei Unzufriedenheit schnell verspielt. Und damit eine Marke nicht
einfach mal »Pech« hat und der bloßen Neugier zum
Opfer fällt, muss sie aktiv werden. Das betrifft die Werbung, den Service und viele andere Punkte mehr.
MARKENARTIKEL: Welche Branchen machen auf Seniorenseiten das Rennen, gibt es Verschiebungen, Herr Wild?
WILD: Ich kann natürlich nur für Feierabend.de spre-
chen. Hier hat es erstaunlich wenige Verschiebungen
gegeben. Nahezu alle unserer Werbekunden sind Markenhersteller und Markenanbieter. Die drei Schlüsselthemen sind Lifestyle (Plus/Minus 40 Prozent) mit
den Branchen Mode, Einrichten und Wohnen, Automobil, F&B inklusive Convenience, Verlage, Versicherungen. An zweiter Stelle steht Reise/Touristik (rund
30 Prozent) mit Werbung von Reiseanbietern, Hotelketten, Kurorten und Kreuzfahrten. Dicht darauf folgt
Gesundheit/Wellness (etwa 25 Prozent) mit Pharmaund Medizinprodukten über Nahrungsergänzungsmittel bis hin zu gesunder Ernährung. Nur fünf Prozent der Werbung wird durch weitere Kunden, etwa in
den Bereichen Soziales und Non-Profit, belegt.
MARKENARTIKEL: Sie sprachen von der Zurückhaltung der
großen Marken. Rechnen Sie für 2009 mit mehr Mut?
WILD: Entwicklungen wird es sowohl auf der quantitativen wie auf der qualitativen Ebene geben. Mit der
Entwicklung des Internets zum Massenmedium werden auch die großen Marken hier stärker investieren.
Die Online-Kampagnen werden den Charakter von
Web 2.0 aufnehmen und sich auf die kommunikativen Bedürfnisse der aktiven Nutzer einstellen. Künftig wird die direkte Kommunikation mit den Kunden
in den Mittelpunkt des Marketings rücken und das
Marketing noch weiter aufgewertet werden. Viele unserer Kunden wissen sehr genau, dass die ältere Generation in Krisenzeiten wie diesen ein sicheres Einkommen hat. Auch bei unseren Mitglieder landeten
die Ersparnisse wohl eher auf deutschen Sparkassenkonten als in Island oder bei Lehman & Co.
MARKENARTIKEL: Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die eigenen Portale der Markenartikler?
WILD: Viele Markenartikler haben wunderschöne eigene Seiten. Allerdings läuft diese Kommunikation meist
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Pfanne und Wok auf dem Prüfstand: FeierabendSeniorenscouts testen Fissler-Produkte im Kochstudio.
als klassische Einbahnstraße – ein »Kontakt«-Button
macht noch kein Web 2.0. Unternehmen, die versuchen, eine eigene Community aufzubauen, haben mit
zwei Problemen zu kämpfen: Ein aktive Community
lässt sich nicht aus dem Boden stampfen. Das gilt erst
recht für die anspruchsvolle Zielgruppe 50plus. Damit dieses funktioniert, ist viel Geduld und Manpower
nötig. Zweitens hat das Portal eines Herstellers oder
Dienstleisters nie die gleiche Glaubwürdigkeit wie ein
neutrales. Wer dieses Problem umschiffen möchte, indem er ein scheinbar neutrales Portal gründet, kann
sicher sein, dass er auffliegt, und diesen Imageverlust
zu kompensieren wird richtig teuer.
MARKENARTIKEL: Sie sind sehr selbstbewusst. Aber welche
Portale nehmen Sie als Wettbewerber ernst?
WILD: Alle. Bis sie wieder verschwinden... Wir haben,
seit wir Feierabend machen, viele Portale kommen und
gehen sehen. Teils mit irrsinnig hohen Investorengelden
ausgestattet, haben sie es nicht geschafft, eine funktionierende Community aufzubauen. Fast so lange am
Markt wie wir ist das Forum-fuer-Senioren.de, relativ
jung ist Platinnetz.de dazu gekommen. Wir selbst empfehlen unseren Werbekunden immer, sich neben der
Größe auch das Umfeld der Community anzuschauen. Natürlich ist die Zahl derer, die sich an Nacktbildchen knackiger 60-Jähriger erfreut, hoch – fragt sich
nur, ob diese auf Werbung für Outdoor-Mode, Kücheneinrichtungen oder Kosmetika ansprechen. Abgesehen
von der Frage, ob die werbenden Unternehmen sich in
einem Umfeld präsentieren möchten, in dem ein öffentlicher Fotowettbewerb für einen Kalender mit Erotikbildern ausgeschrieben wird.
MARKENARTIKEL: Ein Blick in die Praxis. Welches konkrete Vorzeigebeispiel aus der Markenartikelindustrie fällt Ihnen ein?
WILD: Viele – um nur zwei zu nennen: Was passiert,
wenn ein geschwindigkeitsaffiner Ex-Polizist und ein
auf Sparsamkeit und Bequemlichkeit bedachter TaxiUnternehmer das gleiche Auto testen? Die beiden Autokenner und Vertreter gegensätzlicher Fahrstile lobten
übereinstimmend den Renault Laguna. Das schaffte
Aufmerksamkeit in der Community und neugierige Debatten. Schon beim Aufruf zum Test per Stand-AloneMailing hatten sich mehrere Hundert Interessenten gemeldet. Probefahrten und der Verkauf verschiedener
Renault-Typen stiegen bundesweit messbar an.
Die Kneipp-Werke stehen für umfassende Gesundheitsund Wellnessangebote. Um dieses der gesundheitsbewussten Generation 50plus zu kommunizieren, hat
Feierabend einen eigenen Thementreff für Kneipp aufgebaut, der über den Feierabend-Rundbrief kommuniziert wird. Hier geht es um Geschichte und Philosophie,
hier finden die Leser Tipps für die Anwendung im Alltag und Informationen über Produkte und den Zugang
zum Shop nebst Katalog- und Newsletterangeboten.
MARKENARTIKEL: ... und weitere Markennamen, die gelungen das Medium nutzen …
WILD: Klepper, die Outdoorjacke aus dem Hause Walbusch, wurde von Hundebesitzern und Wanderern
getestet; Bannerwerbung und Mailings begleiten die
Kampagne. Menschen mit erhöhten Cholesterinwerten testeten Deli Reform Diät-Margarine. Für Becel haben wir zur Teilnahme am DeutschlandWalk mit Rosi Mittermaier aufgerufen. Die regelmäßigen Mailings
für Cialis, ein Potenzmittel von Lilly Pharma, bescheren immer wieder weit überdurchschnittliche Klickraten. Der Thementreff für den Bayer Diabetes Service
gehört zu den meistbesuchten der Feierabend-Community. Zur Zeit prüfen kritische SeniorenScouts die
Gourmetmahlzeiten aus dem Hause Frosta.
Interview: Uwe Käckenhoff
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