Wasser auf dem Globus - European Christian Environmental Network

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Michael Kappes (Hg.)
Wasser –
Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
Materialien zur Gestaltung des
Schöpfungstages und der Schöpfungszeit
2011
(1. September bis 4. Oktober)
(Themenheft 1)
Eine Arbeitshilfe der
© Dr. Michael Kappes, ACK–NRW, Münster 2011
Herausgeber:
Dr. theol. Michael Kappes ist Leiter der Fachstelle Theologische Grundfragen und Ökumene in der Diözese
Münster, Lehrbeauftragter für Systematische Theologie an der Bergischen Universität Wuppertal,
Geschäftsführer der Bistumskommission für ökumenische Fragen und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
Christlicher Kirchen in Nordrhein-Westfalen (ACK-NRW).
Inhalt
Inhalt
1.
Einleitung
2.
Themenschwerpunkt 2011: Wasser –lebenswichtig –bedrohlich –bedroht!
–eine Problemanzeige (Lukas Vischer)
3.
Theologische Grundlagen
3.1
Bibeltheologische Grundlegung:
5
7
12
„Du kannst das Angesicht der Erde erneuern“(Ps 104,30).
Das Schöpfungslob des 104. Psalms als Ruf zur ökologischen Umkehr
3.2
(Erich Zenger)
12
Christliches Ursymbol Wasser
22
3.2.1 Was bedeutet „Symbol“/„symbolisieren?
22
3.2.2 Die Wassersymbolik des Alten Testaments
23
3.2.3 Die Wassersymbolik des Neuen Testaments
23
3.2.4 Die Wassersymbolik in kirchlichen Vollzügen –Taufe
23
3.3
Die Bedeutung des Wassers in verschiedenen Religionen
24
4.
„Heilige Wasser“–Die Bedeutung des Wassers im Licht der Riten und
gottesdienstlichen Feiern der verschiedenen Konfessionen
27
4.1
Osterwasser –Taufe –Christwerden als Sterben und Auferstehen mit Christus
27
4.2
Fußwaschung –Christsein ist Dienst am Nächsten
29
4.3
Wasser des Lebens –Wasser zum Leben
30
4.4
Wasserweihe –Theophanie –Hochfest der Orthodoxen Kirche
33
4.5
Taufe des Herrn
35
5.
Ökumenische Gottesdienstmodelle und liturgische
Gestaltungselemente
37
5.1
Modell eines Ökumenischen Taufgedächtnisgottesdienstes
37
5.2
Ökumenischer Wortgottesdienst mit Jugendlichen zum Thema „Wasser"
45
5.3
Modell einer Ökumenischen Vesper
49
5.4
Liturgische Gestaltungselemente
58
5.4.1 Gebete
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
58
3
Inhalt
5.4.2 Lobpreis
59
5.4.3 Schrifttexte
60
5.4.4 Lieder
61
5.4.5 Texte zur Besinnung
64
5.4.6
Meditationen zu zentralen Bibeltexten
71
5.4.7
Predigtanregungen
75
5.4.8
Aktionsformen
77
6.
Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit
zum Schwerpunkthema Wasser
80
6.1
Wasser –ein Lebenselement –was jeder für den Erhalt tun kann
80
6.2
Wasserverbrauch weltweit und zuhause
85
6.3
Hätten Sie’s gewusst? Fakten zum Wasser und seiner Bedrohung
auf dem Globus
86
7.
Anhang
88
7.1
Zentrale Aussagen der Kirchen zum Wasser als Quelle des Lebens
88
7.2
Hinweise auf weitere Materialien zum Thema
93
7.3
„Wasser“–Links zu weltweiten Hilfsprojekten
95
4
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
1. Einleitung
1.
Einleitung
„Wasser–Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens“ ist eine Arbeitshilfe für die Gestaltung des
ökumenischen „Tages der Schöpfung“ bzw. der „Schöpfungszeit“ im Jahr 2011 mit dem
Schwerpunkthema „Wasser“.
Sie ergänzt mit diesem thematischen Focus die von der ACK–NRW bereits im Jahr 2010 zum
Schöpfungstag vorgelegte Arbeitshilfe „Gottes Schöpfung feiern und bewahren“1. [download
unter: http://www.ack-nrw.de/downloads/2010/Arbeitshilfe_Schoepfungstag.pdf]
Die Anregung, im Kirchenjahr einen Tag für die Schöpfung einzuführen, verdankt die Ökumene der Orthodoxen Kirche. 1989 ist der „Schöpfungstag“vom damaligen Ökumenischen
Patriarchen, Dimitrios I., in den liturgischen Kalender der Kirche von Konstantinopel eingefügt worden. Der Patriarch lud damals die ganze „orthodoxe und christliche Welt“ein, jeweils
am 1. September „zum Schöpfer der Welt zu beten: mit Dankgebeten für die große Gabe der
geschaffenen Welt und mit Bittgebeten für ihren Schutz und für ihre Erlösung.“
Diese orthodoxe Initiative wurde auf der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung
in Graz (1997) nochmals in Form einer Empfehlung aufgenommen und in der von den Kirchen Europas 2001 unterzeichneten „Charta Oecumenica“ als Leitlinie 9 bekräftigt: „Wir
empfehlen, einen ökumenischen Tag des Gebets für die Bewahrung der Schöpfung in den
europäischen Kirchen einzuführen.“Einen Schritt zu größerer Verbindlichkeit und Konkretisierung brachte schließlich die Empfehlung der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung im rumänischen Sibiu/Hermannstadt, die sich für einen bestimmten Zeitraum (1.
September bis 4. Oktober) – beginnend mit dem orthodoxen Schöpfungstag über das Erntedankfest bis hin zum Gedenktag des Hl. Franz von Assisi –aussprach.
Dieser eindringliche Appell von Sibiu wurde von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) aufgenommen und auf der Mitgliederversammlung im Oktober
2009 der Beschluss gefasst, künftig in Deutschland einen ökumenischen Tag der Schöpfung
zu feiern:
1. „Die inhaltliche Grundlage des Tags der Schöpfung ergibt sich aus der ‚Brühler Empfehlung’: Lobpreis des Schöpfers, Umkehr wegen des menschlichen Vergehens an der
Schöpfung und das Einüben konkreter Schritte (‚Schule des Mit-Leidens’).
2. Als Termin für die Feier des ökumenischen Tags der Schöpfung auf Bundesebene wird
der erste Freitag im September eines jeden Jahres festgelegt.
3. Die Feier des Tags der Schöpfung in den Gemeinden kann lokalen und regionalen Besonderheiten angepasst werden. Die in einigen regionalen ACKs (z. B. BadenWürttemberg und Niedersachsen) und in Ortsgemeinden bereits geübte Praxis zeigt vielfältige Möglichkeiten, wie dies geschehen kann: beispielsweise mit einem jährlichen
1
Michael Kappes (Hg.) Gottes Schöpfung feiern und bewahren. Materialien zur Gestaltung des Schöpfungstages und der Schöpfungszeit 1. September bis 4. Oktober (Grundlagenheft), Münster 2010, 2. Aufl. 2011.
Bezugsadresse: Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Nordrhein–Westfalen, Domplatz 27, 48143
Münster; Tel: 0251 / 495–319; Fax 0251 / 495–6159; e–mail: info@ack–nrw.de
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5
1. Einleitung
Leitwort, einer ausdrücklichen Vergewisserung des gemeinsamen Glaubens an Gott, den
Schöpfer, und mit einem Gottesdienst an einem festen Tag innerhalb des Zeitraums zwischen dem 1. September und dem 4. Oktober.“(Erklärung vom 19. Januar 2010)
Auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München wurde die Einführung dieses Schöpfungstages im Rahmen der zentralen ökumenischen Feier zu Christi Himmelfahrt (13. Mai 2010)
feierlich proklamiert. Der Vorsitzende der ACK, Landesbischof Friedrich Weber, führte dazu
in seiner Predigt aus: „Dass die Schöpfung Gottes einen Platz im Kirchen- und Gottesdienstkalender bekommt, ist ein erster konkreter Schritt. Nicht einfach so, sondern weil Schöpfungsverantwortung eine Grundaufgabe der Kirchen ist, weil Lob Gottes und die Klage über
unsere Lage zusammengehören.
‚Nach mir die Sintflut’geht nicht mehr. Darum lasst Euch bewegen von Gottes Energie, die in
der Schöpfung und in uns lebt. Lasst nicht ab von der Hoffnung für alle Kreatur und lasst,
was Euch bewegt, zur Tat werden.“
Zu diesem Tun möchte dieses Materialheft ermutigen und eine Unterstützung bieten. Es richtet sich an Christinnen und Christen aller Konfessionen, die in Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen oder in den Gemeinden vor Ort Verantwortung für die ökumenische Arbeit
tragen.
Die Broschüre enthält neben einer theologischen Grundlegung zum Schwerpunkthema „Wasser“und dessen Vertiefung durch einen Blick auf den liturgischen Gebrauch des Wassers in
den Konfessionen verschiedene Gottesdienstmodelle zur Gestaltung des Schöpfungstages/Schöpfungszeit sowie eine Reihe ergänzender liturgischer Gestaltungselemente. Darüber
hinaus bietet sie praktische Anregungen für den Einzelnen und für Gemeinden, wie sie ihre
Schöpfungsverantwortung durch einen der Schöpfungsgabe Gottes gerecht werdenden Umgang mit Wasser konkret werden lassen können. Ein Anhang mit zentralen Aussagen der Kirchen zum Thema sowie Hinweise auf weitere Materialien und hilfreiche Adressen beschließt
die Arbeitshilfe.
Danken möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich Frau Bettina Fleige, ohne deren engagierte
Mitarbeit im Sekretariat bei der Erfassung und Zusammenstellung der Materialien die schnelle Fertigstellung dieser Arbeitshilfe nicht möglich gewesen wäre.
Ich wünsche allen LeserInnen und Lesern wiederum viele Freude und Kreativität bei der eigenen Umsetzung der Anregungen dieser Handreichung.
Michael Kappes
Vorsitzender der ACK–NRW
6
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
2. Themenschwerpunkt 2011: Wasser –lebenswichtig –bedrohlich –bedroht!
2.
Themenschwerpunkt 2011:
Wasser –lebenswichtig –bedrohlich –bedroht!
–eine Problemanzeige
Wasser –Die wichtigste Ressource der Menschheit2
Wasserversorgung bis 2025 für zwei Drittel der Weltbevölkerung gefährdet!
„1,1 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Trinkwasser, 2,5 Milliarden haben keinen
Zugang zu sanitären Einrichtungen und 5 Millionen sterben jährlich an Krankheiten, die
durch verschmutztes Wasser ausgelöst wurden. Bis 2025 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Ländern leben, in denen es nur eine mäßige bis schlechte Wasserversorgung geben
wird.“ Ohnmacht gegenüber diesen Erwartungen auch im Statement des UN Generalsekretärs
am World Water Day 2002.
Wasser ist die Voraussetzung für Leben. Wenn die gegenwärtigen Entwicklungen unaufhaltsam weitergehen, werden sogar noch größere Teile der Weltbevölkerung an Wassermangel
leiden. Das Ausmaß der Katastrophe erweckt in uns ein Gefühl der Hilflosigkeit. Gibt es überhaupt Lösungen? Ist es möglich, die Bedrohung abzuwenden?
Neue Herausforderungen für die Christen –Erkennen des Ausmaßes der Bedrohung eines
Gottesgeschenkes
Für Christen hat Wasser auch eine tiefe spirituelle Bedeutung, denn es ist ein Geschenk Gottes und gleichzeitig die Grundvoraussetzung des Lebens. Dies spiegelt sich sowohl im Gottesdienst als auch in den theologischen und liturgischen Traditionen der Kirchen wider. Wasser dient als Symbol in christlichen Feiern und Ritualen. Auf verschiedene Weisen unterstreicht die christliche Tradition die Bedeutung und die Heiligkeit des kostbaren Gutes. Wenn
wir nun diese Traditionen wieder aufleben lassen, werden wir aber auch an die Gefahren erinnert, die aus der reduzierten Verfügbarkeit und dem Qualitätsverlust durch Verschmutzung
resultieren.
Wassernutzung –Wasserübernutzung
Es gab schon immer Länder, in denen Wasser leichter verfügbar war, beziehungsweise solche,
wo es schwer zu finden war. Zum Beispiel wasserreiche Länder wie die USA nutzen allein 65
Prozent des verfügbaren Wassers für die Industrie und Kraftwerke, während 27 Prozent der
Landwirtschaft zukommen und 8 Prozent als Trinkwasser verbraucht, beziehungsweise für
2
Lukas Vischer, Wasser – Die wichtigste Ressource der Menschheit, in: Zeit der Schöpfung. Dossier zur
Schöpfungszeit 2010 (ECEN), hrsg. von Isolde Schönstein/ARGE Schöpfungsverantwortung, Wien 2010, S.
25–27.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
7
2. Themenschwerpunkt 2011: Wasser –lebenswichtig –bedrohlich –bedroht!
sanitäre Zwecke verwendet werden. In Gegensatz dazu werden in Asien nur 8 Prozent des
Wassers für die Industrie genutzt, während 86 Prozent der Landwirtschaft dienen.
Eine begrenzte Ressource
Die Verfügbarkeit von Frischwasser ist während der letzten Jahrzehnte stark zurückgegangen,
besonders in Afrika und Asien. Tatsächlich leiden 505 Millionen Menschen in 31 Ländern
unter Wasserknappheit. Wenn gegenwärtige Trends weitergehen, könnte die Zahl bis 2025
auf 2,4 bis 3,2 Milliarden Menschen steigen, wodurch auch die Gesundheit der Bevölkerung,
die ökonomische Entwicklung, die Nahrungsmittelproduktion und die Ökosysteme leiden.
Was sind die Gründe für diesen Rückgang?
Auf der einen Seite nimmt der Wasserentzug durch den Menschen stetig zu. Auf der anderen
Seite nimmt die Verfügbarkeit von Frischwasser in vielen Teilen der Welt ständig ab. Weltweit gesehen wird auch in Zukunft mehr Wasser entnommen werden. Zwischen 1900 und
1975 sind die Wasserverbrauchszahlen der USA um das Zehnfache gestiegen, während die
Bevölkerung nur um das Vierfache gewachsen ist. Generell verbrauchen Menschen 54 Prozent allen verfügbaren Frischwassers in Flüssen, Seen und Grundwasservorräten. Durch den
Bevölkerungszuwachs könnte der Verbrauch bis 2025 sogar auf 70 Prozent steigen. Wenn die
weltweite Wassernutzung weiterhin zunimmt, werden die Menschen innerhalb von 30 Jahren
90 Prozent allen verfügbaren Frischwassers nutzen. Die Hauptgründe für diesen gesteigerten
Wasserbedarf sind industrielle Produktion, intensive Landwirtschaft, der Lebensstil der Konsumgesellschaft und das Bevölkerungswachstum. Bezüglich der verminderten Verfügbarkeit
von Wasser sind folgende Faktoren von besonderer Bedeutung:
Klimawandel –Mit den Veränderungen am Klima wird sich auch der Wasserkreislauf unweigerlich verändern. In nördlichen Gebieten und in Flussbetten, die von der Schneeschmelze
abhängen, können Überflutungen sich häufen. Ein Temperaturanstieg führt auch zu einem
Anstieg der Evapotranspiration (= Summe der Verdunstung von Wasser aus der Tier– und
Pflanzenwelt sowie der Bodenoberfläche) – Wasser evaporiert von der Oberfläche und von
Pflanzen. In weiterer Folge wären sogar Gegenden mit hohen Niederschlägen auf Grund der
gesteigerten Evaporation von einer Reduktion des Wasserreservoirs betroffen. Die Häufigkeit
und Schwere von Dürren werden in vielen Gegenden zunehmen, als Folge von Änderungen in
der Gesamtregenmenge, was zu höheren Ernteverlusten und gesteigertem Wasserverbrauch in
der Landwirtschaft führt. Während Klimaforscher in der Vergangenheit vorsichtig mit
Schlussfolgerungen waren, ist es nun bereits eine unbestreitbare Tatsache, dass der Klimawandel existiert –und dass er von menschlicher Aktivität induziert wird.
Rodungen sind ein weiterer Störfaktor. Wenn Wälder geschlägert werden, ändert sich der
Wasserkreislauf; der Boden hält das Wasser nicht länger zurück, Quellen verschwinden,
Erosion nimmt zu. Dies gilt besonders für Berggegenden: Das Wasser rinnt schneller in die
Ebenen, was die Gefahr von Überflutungen erhöht.
8
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
2. Themenschwerpunkt 2011: Wasser –lebenswichtig –bedrohlich –bedroht!
Müll und Umweltgifte verringern die Menge des verfügbaren Wassers. Menschliche Abfälle,
ob von der Industrie oder von Haushalten stammend, gelangen ins Grundwasser, oder brauchen Wasser um entsorgt zu werden. Die Ablagerungen von Kunstdüngern aus der Landwirtschaft verschmutzen Flüsse, Seen und Grundwasserreserven. Oft sind die Schäden durch Verschmutzung praktisch irreversibel oder erfordern hohen technischen und damit finanziellen
Aufwand.
Schlechtes Management führt zu einem Verlust großer Mengen von Wasser. Wasser ist üblicherweise nicht dort verfügbar, wo es am meisten gebraucht wird. Dämme und Speichervorrichtungen sind notwendig. Leitungen müssen gebaut werden, um das Wasser an entfernte
Stellen zu bringen. Sich ändernde Bedingungen, wie der Klimawandel, bedingen auch eine
ständige Anpassung dieser Infrastruktur. Schnell wachsende urbane Zentren bringen besondere Probleme im Wassermanagement mit sich.
Die Auswirkungen der Wasserknappheit
Es ist wichtig zu betonen, dass die zunehmende Beanspruchung von Wasserressourcen im
Zusammenhang mit einer generellen ökologischen Krise steht. Die echte Bedrohung besteht
in der Tatsache, dass eine große Bandbreite ökologischer Probleme gleichzeitig behandelt
werden muss. Wassermangel kann daher nicht allein betrachtet werden in diesem Zusammenhang. Ebenso müssen Maßnahmen das gesamte Zusammenspiel berücksichtigen. Es ist keine
Übertreibung zu behaupten, dass die Wasserkrise allgegenwärtig ist. Welches ökologische
Problem man auch immer näher betrachtet, es hängt stets auf die eine oder andere Weise mit
Wasser zusammen.
Maßnahmen
Welche Maßnahmen können ergriffen werden in dieser Wasserkrise? Viele Maßnahmen sind
in der Lage die Verfügbarkeit von Wasser zu verbessern. Die Effektivität dieser Maßnahmen
kann verbessert werden durch:
•Steigerung der Speichermenge von Wasser
•Reduktion des Wasserverbrauchs in der Industrie durch
verbesserte Technologien
•Entwicklung effizienter Methoden der Wassernutzung in
der Landwirtschaft und durch eine verminderte Nutzung
von künstlicher Bewässerung
•Eine Verbesserung der Installationen im Bereich der
Wasserspeicherung und Weiterleitung
•Verminderung der Wasserverschmutzung und Wiederaufbereitung
von verschmutztem Wasser.
Es ist essentiell, Wasser als knappe Ressource zu betrachten und den Verbrauch so gering wie
möglich zu halten. Selbst dort, wo Wasser in großen Mengen verfügbar ist, muss eine Ver-
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
9
2. Themenschwerpunkt 2011: Wasser –lebenswichtig –bedrohlich –bedroht!
schwendung verhindert werden. Die Menge des Wasserverbrauchs in den Industriestaaten
muss weiter reduziert werden.
Um der Wasserkrise effektiv entgegenzutreten, müssen auch weiterführende Themen behandelt werden, wie:
Globale Erwärmung (um das Ausmaß des Klimawandels
gering zu halten und den Wasserkreislauf aufrechtzuerhalten)
Energieproduktion und Energieverbrauch. Im Vergleich zu Energie, die aus fossilen Brennstoffen oder Kernspaltung gewonnen wird, gilt die Energie aus Wasserkraft gemeinhin als
sauber. Tatsächlich jedoch birgt jede Form der Energiegewinnung Risiken. Die Konstruktion
von Staumauern fordert einen hohen ökologischen Preis. Energie zu sparen hilft daher auch
Wasser zu schützen.
Schutz der Wälder und Wiederaufforstung, besonders in Gebirgsgegenden. Wälder dienen
nicht nur als CO2-Speicher, sondern schützen auch die Wasserressourcen. Die Wasserkrise
erfordert eine gemeinsame Antwort. Sie betrifft alle Schichten der Gesellschaft, von den lokalen Gemeinschaften bis auf nationale und internationale Ebenen. Um die Teilnahme der Menschen sicher zu stellen, sind lokale Aktionen notwendig. Doch ist es wichtig zu erkennen, dass
die Probleme nur in überregionalem Maßstab wirksam bekämpft werden können. Kooperationen unter den Gemeinschaften sind daher erforderlich. In vielen Fällen jedoch kann eine Lösung durch internationale Zusammenarbeit gefunden werden. Diese internationale Zusammenarbeit kann am effizientesten über ein Netzwerk erfolgen. Die finanziellen Bedürfnisse
dafür sind enorm. Effektive Maßnahmen können daher nur von nationalen Regierungen und
internationalen Gemeinschaften beschlossen werden, welche die Wasserkrise als höchst prioritär einstufen und es dementsprechend bei der Verteilung ihrer Budgets berücksichtigen. Natürlich erfordert das Vorhaben auch internationale Solidarität. Große Summen müssen für
ärmere Länder verfügbar gemacht werden, um die Kosten der notwendigen Maßnahmen zu
decken.
Die Stellung der Kirchen
Das Thema ist von besonderer Bedeutung für die Gläubigen der Kirchen. Wenn die Existenz
von Lebewesen auf dem Spiel steht, haben sie keine andere Wahl, als der Wasserkrise entgegenzutreten und Stellung zu nehmen.
a) Bewusstseinsbildung
Kirchen sollen die einzigartige Rolle des Wassers für alle Lebewesen hervorheben. Christen
sehen Wasser als Geschenk Gottes an. Wasser ist ein Symbol des Lebens und ein Symbol von
Gottes Gnade. Wasser stellt daher mehr als nur ein nutzbares Gut dar. Wasser verdient Respekt und Schutz. Die Kirchen müssen Wasser als Leben spendendes Geschenk schätzen lernen. Es ist selbstverständlich, dass Gottes Geschenk der gesamten Schöpfung zugedacht ist.
Gemäß der zweiten Schöpfungsgeschichte fließt das Wasser aus Gottes Paradies über die
ganze Erde. Das paradiesische Geschenk ist für alle Lebewesen; und Jesus sagte uns, dass
Gott den Regen für alle Gerechten und auch Ungerechten schickt. Wasser gilt daher als ge10
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
2. Themenschwerpunkt 2011: Wasser –lebenswichtig –bedrohlich –bedroht!
meinschaftliches Gut. Die erste Aufgabe der Christen besteht daher darin, sich und ihre Mitmenschen des wahren Wertes von Wasser zu erinnern. Wasser kann Inhalt von Meditation
und Predigt sein. Es verdient einen Platz im Dienst an Gott. Der heilige Franziskus nannte
Wasser zu Recht „unsere Schwester“– nicht ein Objekt, sondern ein lebensspendendes Wesen. Bewusstseinsbildung muss gleichzeitig auch eine nachhaltige Bewusstwerdung der gegenwärtigen Situation sein. Warum sprechen wir von einer „Wasserkrise“? Was sind ihre
Wurzeln? Christen müssen es schaffen sich der tatsächlichen Krise bewusst zu werden und
dürfen ihre Gefahren keinesfalls übersehen oder herabsetzen. Die Thematik muss in ihrer vollen Komplexität betrachtet werden.
b) Teilnahme an öffentlichen Debatten und Aktionen
Da Wasser für das Leben essentiell ist, haben die Kirchen die Pflicht sich in der gegenwärtigen Debatte über angemessenes Wassermanagement zu beteiligen. Es sind fundamentale ethische Entscheidungen zu treffen und nur eine volle Teilnahme an der öffentlichen Diskussion
darf für die Kirchen in Betracht kommen. Eine Teilnahme ist essentiell auf allen Ebenen –
lokal, national, regional und international. Es müssen Wege gefunden werden, um die Ausarbeitung internationaler Abkommen in Zusammenarbeit zu ermöglichen. Aus diesem Grund
sollten Kirchen mit NGOs zusammenarbeiten, die sich intensiv mit der Thematik der Wasserkrise auseinander setzen, um aus deren Erfahrungen zu profitieren. In vielen Gegenden können Lösungen nur auf regionaler Ebene erzielt werden. Da Kirchen üblicherweise nationale
Grenzen überschreiten, können sie als wichtige Vermittler in Prozessen der regionalen Zusammenarbeit dienen. Ein Hauptaugenmerk muss darin liegen, die Menschen zur Teilnahme
an einem effizienten Wassermanagement zu bewegen.
c) Lebensstil
Um Glaubwürdigkeit zu wahren, müssen die Kirchen, sowohl auf persönlicher als auch auf
gemeinschaftlicher Ebene, einen Lebensstil vorleben, in welchem sich Respekt und Verantwortung gegenüber dem Geschenk des Wassers spiegeln. Christen müssen der exzessiven
Wassernutzung widerstehen und unnötige Verschmutzungen vermeiden. Sie sollten zugunsten
der Verfügbarkeit des Wassers an allen „indirekten“Maßnahmen teilnehmen die eine Steigerung der Wasserverfügbarkeit nach sich ziehen. Das Recht auf Wasserzugang muss erkannt
und als grundlegendes Menschenrecht propagiert werden, gestützt durch gesetzliche Grundlagen. Wasser verbindet uns mit der Schöpfung. Aus diesem Grund sind sein Schutz und seine
nachhaltige Nutzung eine absolute Notwendigkeit für den Erhalt des Lebens auf unserem Planeten und dem Wohlergehen zukünftiger Generationen.
Weiterführende Informationen:
Quellen lebendigen Wassers : Lukas Vischer,
ECEN Dossier: Water –Source of Life (englisch)
http://www.ecen.org/cms/uploads/water04.pdf
ECEN Dokumente über Wasser (englisch)
http://www.ecen.org/cms/index.php?page=water
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
11
3. Theologische Grundlagen
3.
Theologische Grundlagen
3.1
Bibeltheologische Grundlegung:
„Du kannst das Angesicht der Erde erneuern“(Ps 104,30).
Das Schöpfungslob des 104. Psalms als Ruf zur ökologischen Umkehr3
Erich Zenger
3.1.1 Der Anlass der biblischen Schöpfungstheologie
[… ]
Dass JHWH die Welt als ihr Schöpfer liebt, durchwaltet und vollendet, ist eine Grundüberzeugung, die der erste Teil unserer Bibel in Erzählungen, Prophetensprüchen, weisheitlichen
Reflexionen und nicht zuletzt in hymnischen Psalmen zu verkünden nicht müde wird. In solchen schöpfungstheologischen Texten sprechen sich keineswegs, wie bisweilen zu lesen ist,
eine unkritische Naivität und eine optimistische Weltsicht des antiken Menschen aus, deren
wir Menschen des 20. Jahrhunderts angesichts der erlittenen und befürchteten Katastrophen,
die wir nicht verdrängen dürfen – nicht mehr fähig sind. Historisch richtig ist: Die Schöpfungstheologie ist in Israel gerade angesichts erlittener Katastrophen zu ihrer Reife durchgebrochen. In ihr ringt sich Israel allen schmerzlichen Erfahrungen zum Trotz sein grundsätzliches Ja zur Welt und zum Leben in dieser Welt ab. Wie die einzelnen Beterinnen und Beter
in Stunden des Leids und der Verzweiflung den Menschen-Schöpfergott beschwören (vgl. Ps
22,10f; Ijob 3; Jer 20,14-18), so sollten angesichts geschichtlicher und kosmischer Erschütterungen und Ängste die Erzählungen und Bilder von dem Welt-Schöpfergott die Erde als Ort
der Gottesherrschaft, als Kosmos inmitten von Chaos, wahr- und annehmen lehren.
Wenn Israel die Darstellung seiner Ursprünge in den beiden großen Geschichtsentwürfen des
Jahwisten (J) und der Priesterschrift (P), die im Pentateuch kunstvoll verbunden wurden, mit
Schöpfungserzählungen beginnt, soll die Geschichte buchstäblich im Schöpfergott „begründet“werden, der die Erde und alles Leben auf ihr, ja sogar den Himmel liebt –trotz aller Sünde (vgl. Gen 3-4) und Gewalttat (vgl. Gen 6,11 f). Die schöpfungstheologische Rede von Gott
als dem Liebhaber des Lebens (vgl. Weish 11,24-26) entspringt aus einer „nachkritischen
Naivität", in der Israel aller Schuld– und Leiderfahrung zum Trotz das Leben der Erde als
kostbares Geschenk betrachtete, an dem es selbst hing – wie sein Gott. Dass die biblischen
Schöpfungserzählungen anthropozentrisch missverstanden wurden, ist leider allzu wahr. Aber
dass sie so gemeint waren und sind, wird man kaum sagen können, wenn man das geradezu
prophetisch-kritische Menschenbild dieser Erzählungen erfasst. Dass das Leben fundamental
und schöpfungswidrig bedroht und zerstört wird, ist –das schärfen diese Erzählungen provozierend offen ein –Werk des gierigen (Gen 3) und gewalttätigen (Gen 4) Menschen, ja „allen
Fleisches“(Gen 6,11 f). Der Resignation und der Verzweiflung, die angesichts dieser Realität
aufkommen könnten, setzen die Schöpfungserzählungen ihre Hoffnungsbilder entgegen: Der
Gott, der die „nackten Menschen“bekleidet (Gen 3,21), der den Brudermörder vor dem tödlichen Kreislauf der Blutrache schützt (Gen 4,15), der schließlich den Regenbogen als Zeichen
seines „ewigen Bundes“mit allem (!) Leben in die Wolken setzt (Gen 9,12-17) –das sind die
3
12
Erich Zenger, „Du kannst das Angesicht der Erde erneuern“(Ps 104,30). Das Schöpfungslob des 104. Psalms
als Ruf zur ökologischen Umkehr in: Bibel und Liturgie 64 (1991) 75–86.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
3. Theologische Grundlagen
Erich Zenger
Merkzeichen, mit denen die Erzähler festhalten wollen, dass der Schöpfergott sich nach wie
vor von seiner Vision gelingenden Zusammenlebens im Lebenshaus der Schöpfung (vgl. Gen
1) und im Paradeisos (vgl. Gen 2) leiten lässt. Wenn die jüdische Tradition bis heute dazu
einlädt, beim Aufscheinen des Regenbogens die Beraka „Gepriesen bist Du, Herr unser Gott,
König des Universums, weil du des Bundes [mit dem Leben] gedenkst, ihm die Treue hältst
und zu Deinem Wort stehst“zu sprechen, bringt sie diese Funktion der Schöpfungstheologe
auf den Punkt: Sie will einerseits Trost und Hoffnung stiften, und sie fordert andererseits dazu
auf, das Universum als Reich Gottes zu begreifen und sich dankbar und demütig in die Lebensordnung dieses Reiches einzufügen.
Gerade in und nach den katastrophischen Erfahrungen des Exils hat Israel von den Anfängen
geredet, die JHWH in der Geschichte des Gottesvolkes nicht nur als der Gott Israels, sondern
als der Schöpfer von Himmel und Erde gesetzt hat. Das ist die theologische Leistung Deuterojesajas, aber auch jener Redaktoren, die in der Exilszeit und bald danach die anderen Prophetenbücher schöpfungstheologisch überarbeiteten. Die hymnischen Abschnitte im Amosbuch
beispielsweise (Am 4,13; 5,8; 9,5f), die zusammen mit Am 1,2 die exilische Neuedition des
Amosbuchs (Am 1,1-9,6*) strukturieren, wollen einerseits dazu bewegen, die Katastrophe als
läuterndes Gericht anzunehmen, aber sie erinnern zugleich daran, dass JHWH als der Weltschöpfer seine einmal mit Israel als Teil der Welt eingegangene Bindung nicht aufgeben kann,
so er denn zu seinem Ja steht.
Worum es in dieser Schöpfungstheologie geht, lässt sich mit Jer 31,35f (vgl. auch Jer 32,18;
33,2; 51,19) so zusammenfassen:
„So spricht JHWH,
der die Sonne bestimmt zum Licht am Tag,
der den Mond und die Sterne bestellt zum Licht
in der Nacht, der das Meer aufwühlt, dass die Wogen brausen,
–JHWH der Heere ist sein Name:
Nur wenn jemals diese Ordnungen
vor meinen Augen ins Wanken gerieten, –Spruch JHWHs–,
dann hörten auch Israels Nachkommen auf, für alle Zeit vor meinen Augen ein Volk zu sein.“
Wenn Israel von den Anfängen der Welt redete, hatte es die konkrete Welt und Geschichte
vor Augen, in denen es lebte. Mit dieser konkreten, ja gegenwärtigen Welt beschäftigte Israel
sich noch in einer anderen Weise. Wie bei den Erzählungen über die Anfänge war es auch
hier in lebhaftem Gespräch mit seinen Nachbarkulturen. Eine solche andere Art des schöpfungstheologischen Umgangs mit der Welt vollzog sich vor allem in der Weisheitsüberlieferung, in der die Menschen die unterschiedlichen Phänomene und Prozesse der Natur, der Gesellschaft und der Geschichte daraufhin „durchleuchten“, dass sie in ihnen wiederkehrende
Abläufe und Gesetzmäßigkeiten entdecken, um daraus Regeln für das rechte Verhalten, zur
rechten Zeit und am rechten Ort abzuleiten. Die Weisheit zielt auf Lebenskunst, indem sie die
Vielfalt des Lebens ordnet und dazu befähigen will, sich den erkennbaren Ordnungen einzufügen, damit Leben als Zusammenleben gelingt. Das tut sie, weil sie zutiefst von dem Vertrauen beseelt ist, dass diese Ordnungen verlässlich und letztlich heilvoll sind. An diese Lebensordnung haben sich, so vertraut die Weisheit, sogar die Götter gebunden. Das ist auch das
Grundaxiom der Weisheit Israels, wie es Ps 104,24 b formuliert: „Alles hast du in/durch
Weisheit gemacht.“Dies ist eine Aussage über das Ganze der Welt! Wer sich im einzelnen
zurechtfinden will, gerade inmitten der bedrohten Welt, aber auch wer nicht verzweifeln will
angesichts der Zerstörungen, die er selbst auslöst, dem kann der Blick auf das Ganze OrientieMichael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
13
3. Theologische Grundlagen
Erich Zenger
rung und Kraft geben. Die weisheitliche Schöpfungstheologie legt, vor allem in ihrer älteren
Gestalt, den Akzent nicht auf die Schöpfung am Anfang, sondern auf die „Schöpfung“, die
sich fortwährend vollzieht. Fachtheologisch gesprochen: Nicht die creatio prima, sondern die
creatio continua ist ihr Hauptthema. Ob man das „Welterhaltung“oder „Neuschöpfung“nennen soll, hängt davon ab, wie man die Gefährdungen und Störungen der Welt beurteilt. Die
Hauptansage bleibt: Die weisheitliche Schöpfungstheologie trägt vor allem die Lebensordnungen zusammen, an denen die Welt als Lebensprozess hängt. Für ein Leben nach diesen
Ordnungen wirbt sie; in ihnen sieht sie den guten, das Leben liebenden Gott selbst am Werk.
3.1.2 Psalm 104 –ein weisheitlicher Schöpfungshymnus
Der 104. Psalm ist insofern weisheitlich, als er die konkret wahrgenommene Welt „systematisch“beschreibt. Der Psalmdichter listet, gewiss in poetischer Auswahl, all sein naturkundliches Wissen auf. Geradezu ins Detail verliebt (auch uns moderne Weltbetrachter faszinieren
ja immer wieder die Vielfalt und die Schönheit jedes „Einzelexemplars“ von Mineralien,
Pflanzen, Tieren und Menschen) zeichnet der Verfasser von Ps 104 die Welt so nach, wie er
sie sieht. Er durchschreitet die Lebensräume seiner dreigeteilten Welt, den Himmel (V. 2-4:
kurz), die Erde (V. 5-23: lang) und das Meer (V.25-26: kurz). Wie unsere Auslegung zeigen
wird, zeichnet er nicht nur die einzelnen Lebensräume und Lebenszeiten nach, sondern sieht
das Leben geradezu in funktionalen Zusammenhängen. So verbindet er auch Aussagen über
die Erschaffung der Erde (V. 5-9) mit solchen über ihre Erhaltung (V. 10-23).
Aber all dies geschieht nicht in der distanzierten Beschreibung des empirischen Wissenschaftlers oder des interessierten „Laien“, sondern im hymnischen Lobpreis. Nicht nur die Selbstaufforderungen zum Lobgesang am Anfang und am Schluss des Psalms, nicht nur die für den
Hymnus typischen Partizipien (in unserer Übersetzung leider nicht zu erkennen!) lassen für
den, der mit der Tradition der hymnischen Formen vertraut ist, sofort deutlich werden, dass es
hier von Anfang an bis zum Schluss um das Rühmen des guten Schöpfergottes geht. Die ganze „Skizze“des Weltbilds zielt auf die zentrale Aussage von V. 27-30: dass alles, was lebt,
sein gemeinsames Leben der gebenden Hand, dem liebevoll zugewandten Angesicht und dem
belebenden Atem Gottes verdankt – einem Du, vor und zu dem der Beter begeistert sein
Schöpfungslob singt. So ist der Psalm insgesamt ein weisheitlicher Schöpfungshymnus, um
dessen schöpfungstheologischen „Hauptteil“(V. 2 b-30) ein doppelter Rahmen gelegt ist. Den
äußeren Rahmen bilden „Aufgesang“ (V. 1 a: Selbstaufforderung zur Beraka) und „Abgesang“(V. 33-34: Widmung des Psalms; V. 35 a b: Bitte um „Erlösung von dem Übel“, das die
Schöpfung mutwillig bedroht und verletzt; V. 35 c: Selbstaufforderung zur Beraka, wie V. 1
a). Der innere Rahmen ist von (altorientalisch breit belegten) Motiven der GottkönigtumsTheologie bestimmt und zeichnet in V. 1 b-2 a JHWH als den im Königsglanz erscheinenden
Gott, dessen welterhaltende „Herrlichkeit“und freudige Zugewandtheit für die Welt bis zum
Ende der Weltzeit in V. 31-32 erfleht wird. Dieser innere Rahmen lässt JHWH die von ihm
geschaffene und geordnete Welt gewissermaßen buchstäblich umfangen und halten. Zu dieser
theologischen Rahmenstruktur gehört auch, nach dem breiten Abschnitt über die Erde (V. 523), der faszinierte Ausruf V. 24, der in seiner dritten Zeile nochmals das den Abschnitt einleitende (V. 5 a!) Themawort „Erde“wiederholt.
Der Psalm liest sich wie ein religionsgeschichtliches Florilegium (= lat. Blütenlese, Lesefrüchte M.K.) von phönizisch-kanaanäischen, ägyptischen und assyrisch-babylonischen, aber
auch genuin altisraelitischen Überlieferungen über die Themen „Bändigung und Verwandlung
14
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
3. Theologische Grundlagen
Erich Zenger
des (Wasser–)Chaos zu Kosmos durch eine (königliche) Gottheit“und „Der (Gott–)König als
Lebensmittler (Ernährer) seines Volkes/Reiches“; beide Themen sind im Psalm in der spannungsreichen Perspektive Tod – Leben kunstvoll verschmolzen. Er bietet eine gezielt monotheistische Synthese, die JHWH als (kanaanäischen) Regenbringergott und als (ägyptischen)
Sonnengott zeichnet. Er dürfte aus der nachexilischen Weisheitsschule stammen, der wir auch
sonst wunderschöne Schöpfungstexte (z. B. Spr 8,20-31) verdanken.
Sein besonderes Profil macht schon ein flüchtiger, vergleichender Blick auf Ps 93 bewusst,
mit dem sich Ps 104,1 b-9 teilweise bis in den Wortlaut hinein berührt. Während Ps 93 in seiner nachexilischen Gestalt durch V. 2 b und V. 5 eine tempeltheologische Gründung der Welt
verkündet (vgl. dazu unten IV.), ist Ps 104 durch und durch davon bestimmt, dass die Welt
tagtäglich neu und unvermittelt aus der gütigen Hand Gottes hervorgeht.
Der Psalm ist nun ein Abschnitt im vierten Psalmenbuch (Ps 90-106), das stark vom Thema
des Leben stiftenden Königtums JHWHs (vgl. besonders Ps 93-100), aber auch vom Leiden
am Tod in seinen vielen Formen (vgl. besonders Ps 90; 102; 105-106) bestimmt ist. Dabei hat
die Redaktion Ps 103 und Ps 104 gezielt nacheinander gestellt (vgl. die Stichwort- und Motivbezüge zwischen Ps 103,19-22 und Ps 104,2-4 sowie besonders die den beiden Psalmen
gemeinsame Rahmung!). Ps 104 ist demgemäß als Fortführung von Ps 103 die schöpfungstheologische Grundlegung der in Ps 103 verkündeten Botschaft vom vergebenden Gott.
3.1.3 Die Schöpfung ist Gottes Reich
1a
1b
1c
2a
2b
3a
3b
3c
4a
4b
5a
5b
6a
6b
7a
7b
8a
8b
9a
9b
10 a
l0 b
11 a
11 b
12 a
Lobpreise, meine Seele, JHWH!
JHWH, mein Gott, du bist sehr groß.
Mit Pracht und Glanz bist du bekleidet,
du umgibst dich mit Licht wie mit einem Mantel.
Der den Himmel ausspannt wie eine Zeltdecke,
der die Balken seiner Gemächer in den Wassern festmacht,
der Wolken bestimmt zu seinem Wagen,
der einherfährt auf den Flügeln des Sturmes,
der zu seinen Boten Winde macht,
zu seinen Dienern brennendes Feuer.
Er hat die Erde gegründet auf ihre Pfeiler,
dass sie nicht wanke auf immer und ewig.
Das Urmeer bedeckte sie wie ein Kleid,
bis über die Berge standen die Wasser.
Vor deinem Anschreien flohen sie,
vor der Stimme deines Grollens hasteten sie davon,
sie stiegen die Berge hinauf, fuhren hinab in die Täler
zu dem Ort, den du gegründet für sie.
Eine Grenze bestimmtest du, die sie nicht überschreiten dürfen,
dass sie nicht zurückkehren, um wieder die Erde zu bedecken.
Der Quellen sendet in die Täler;
zwischen den Bergen laufen sie dahin,
zu tränken alle Tiere des Wildlands,
Wildesel stillen daraus ihren Durst,
an ihnen wohnt das Fluggetier des Himmels,
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
15
3. Theologische Grundlagen
12 b
13 a
13 b
14 a
14 b
14 c
15 a
15 b
15 c
16 a
16 b
17 a
17 b
18 a
18 b
19 a
19 b
20 a
20 b
21 a
21 b
22 a
22 b
23 a
23 b
24 a
24 b
24 c
25 a
25 b
25 c
26 a
26 b
Erich Zenger
aus dem Dickicht erhebt es seine Stimme.
Der die Berge tränkt aus seinen Gemächern,
von der Frucht deiner Werke wird satt die Erde,
der Gras sprießen lässt für das Vieh
und Pflanzen für die Arbeit des Menschen,
um Brot aus der Erde hervorzubringen
und Wein, der des Menschleins Herz froh macht,
um zum Glänzen zu bringen sein Angesicht mit Öl,
und dass Brot des Menschleins Herz stark mache.
Es trinken sich satt die Bäume JHWHs,
die Zedern des Libanon, die er gepflanzt hat,
wo Vögel ihre Nester bauen,
wo in den Wipfeln der Storch sein Haus hat.
Die hohen Berge sind für die Steinböcke da,
die Felsen sind Zuflucht für die Klippdachse.
Der den Mond gemacht hat als Maß für die Zeiten,
die Sonne, die ihren Untergang kennt.
Du befiehlst Finsternis, und es wird Nacht,
in ihr wimmeln alle Tiere des Waldes,
die Junglöwen brüllen nach Beute,
um von Gott ihre Nahrung zu fordern.
Du lässt aufstrahlen die Sonne, da ziehen sie ab
und lagern sich in ihren Höhlen,
da tritt der Mensch heraus zu seinem Tun,
zu seiner Arbeit bis zum Abend.
Wie zahlreich sind deine Werke, JHWH.
Sie alle hast Du in Weisheit gemacht!
Übervoll ist die Erde von deinen Geschöpfen!
Da ist (noch) das Meer, groß und unermesslich weit,
in ihm ein Gewimmel ohne Zahl:
kleine Lebewesen zusammen mit großen.
Da ziehen Schiffe dahin,
der Leviatan, den du gebildet, mit ihm zu scherzen.
Mit dem den Hymnus eröffnenden „Aufgesang“V. 1 a fordert der Beter „seine Seele“, d. h.
sich selbst als Wesen voller Lebenshunger, auf, den Psalm als Beraka, d. h. als Preis- und
Dankgebet, zu rezitieren (vgl. die Doppel-Beraka über Brot und Wein in der Eucharistie!). Er
gilt JHWH als dem allen Göttern überlegenen König („Pracht und Glanz“sind typische Königsattribute: vgl. Ps 8,5f; 21,6), der sich als „Licht“, d. h. als Leben und Heil, offenbart –
eben in seiner Schöpfung und für sie.
Im ersten Abschnitt des corpus hymni (V. 2 b-4 b) beschreibt der Psalm JHWHs Schöpferhandeln im und am Himmel (das Themawort „Himmel" steht entsprechend in V. 2 b). Mitten
in die Chaoswasser baut JHWH seinen Königs-Palast und entmachtet sie so. Zugleich bestimmt er wie ein altorientalisch-kanaanäischer Wettergott die „Himmelsphänomene“ Wolken, Winde und Blitze zu Dienern für seine „königlichen“Aufgaben, für die Erde Geber des
Lebens durch die Gabe des lebenswichtigen Wassers zu sein, wie dann im nächsten Abschnitt
V. 5-18 (beachte wieder das Themawort „Erde“in V. 5 a!) plastisch entfaltet wird. Im Rück16
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
3. Theologische Grundlagen
Erich Zenger
griff auf die Vorstellungen vom Chaoskampf, bei dem JHWH „in illo tempore“dem Chaos
seine chaotisch-destruktive Gewalt nahm und in dem er zugleich die immer noch vom Chaos
ausgehenden partiellen Störungen Tag für Tag abwehrt, wird in V. 5-9 die anfängliche Gründung der Erde besungen. Dass das Chaos hier all seine destruktive Potenz verloren habe, wie
bisweilen gesagt wird, widerspricht nicht nur der Sicht der Welt, die in V. 29-30 anklingt,
sondern insbesondere der weisheitlichen Weltwahrnehmung, die für den Psalm charakteristisch ist. Dem Chaos ist eine Grenze gesetzt, die es nicht überschreiten kann, aber eben nur,
weil der Schöpfergott Tag für Tag seine chaosbändigende Mächtigkeit aufbietet. Geradezu
plastisch lässt der Dichter miterleben, wie der Urflut-Drachen vor der gebieterischen Stimme
JHWHs über die Berge und Täler hinhastet, bis er ins Meer kommt, wo er bleiben „darf“, aber
von wo aus er die Erde immer wieder bedroht und ihre Bewohner ängstigt. Dem „bösen“
Wasser wird nicht nur seine katastrophische Zerstörungsgewalt, gewissermaßen sein „Sintflut-Charakter“, genommen. Noch mehr preist der Dichter, dass JHWH das Chaoswasser in
„gutes“ Wasser verwandelt, indem er aus dem himmlischen Wasservorrat die Erde in ihren
unterschiedlichen Landschaften mit je spezifischer Lebenswelt (V. 10-12: Wildland „zwischen den Bergen"; V. 13-15: Acker–und Kulturland „auf den Bergen"; V. 16-18: „die hohen
Berge" mit ihrer Tier- und Pflanzenwelt; beachte das Schwenken der „Kamera" von unten
nach oben!) mit Quell- und Regenwasser versorgt.
Im „Schöpfungsbild" von V. 10-12 hat sich nicht die Erfahrung der großen Flusskulturen Ägyptens und Mesopotamiens, wo die Flüsse der Lebensnerv von Ansiedlung und Ackerbau
waren, niedergeschlagen, sondern das Erlebnis der syrisch-palästinischen Flüsse, nicht zuletzt
des Jordans, dessen Ufer noch bis zum Beginn unseres Jahrhunderts von dschungelähnlichem
Urwald und üppigem Dickicht gesäumt waren, die wilden und gefürchteten Tieren Lebensraum boten. Der Wildesel (V. 11 b) repräsentiert die Steppen–und Wüstentiere, denen JHWH
ebenfalls durch Quellbäche in den Wadis das lebensnotwendige Wasser gibt. So reichlich
fließt das Wasser in den Flüssen und Wadis des Wildlandes, dass an ihnen Vogelparadiese mit
Gekreische und Gesang aller Art entstehen. So preist dieser Abschnitt V. 10-12 JHWH als
Spender überschäumenden Lebens. Wenn gleichwohl diese Regionen und die dort lebenden
Tiere den Menschen damals nicht als nützlich, sondern eher als bedrohlich erschienen, so
sieht unser Psalm hier die gleiche Leben gebende Hand des Schöpfergottes am Werk wie in
der Lebenswelt der Menschen, die V. 13-15 besingt.
Der Lebensraum von Vieh und Mensch wird von JHWH so mit Regen versorgt, dass der Boden durch die von JHWH gegebene Lebenskraft (JHWH ist in V. 13-15 der Handelnde!) die
lebensnotwendigen Güter hervorbringt: Weide für das Vieh sowie Pflanzen und Bäume, aus
denen der Mensch durch seine Arbeit Brot (Essen), Wein (Trinken) und Öl (Salben) gewinnen
kann (V. 13-15). Nicht nur das tägliche Brot (es ist besonders wichtig; so wird es zweimal
genannt!) gibt JHWH, sondern auch Wein und Öl, Gaben des Überflusses und der festlichen
Lebenskultur. Hier ist nichts von der in Gen 3,17-19 beklagten Mühsal des palästinischen
Bauern zu spüren; hier spricht sich im Gegenteil das Staunen darüber aus, was diese Erde an
Gutem und Schönem hervorbringen kann, wenn sie unter dem Segen eines gütigen Schöpfergottes steht. Dabei hebt der Dichter hervor: diese Gaben der von Gott gegründeten und versorgten Erde erfreuen das Herz und das Angesicht des Menschen, d. h., sie können ihn stark,
glücklich und schön machen.
Noch einmal setzt der Dichter im Abschnitt über die Bergwelt (V. 16-18) mit dem Motiv des
Wassers an, um JHWHs überreiche Lebensgabe zu preisen. Die mächtigen und uralt werdenden Libanonzedern, deren Stämme bis zu 40 m Höhe und bis zu 4 m Durchmesser erreichen
können, sind in der alttestamentlichen Tradition Symbol für Kraft und Macht (vgl. Ez 17,22Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
17
3. Theologische Grundlagen
Erich Zenger
24). Solch riesige Bäume sind Götterbäume; der Psalm nennt sie „Bäume JHWHs“, er hat sie
gepflanzt, und sie sind in besonderer Weise Ausdruck seiner Lebensmächtigkeit. Selbst die
Bäume der Bergregion sind, so staunt der Dichter, „Lebensbäume“für Vögel. Ja, sogar dort,
wo die Waldregion aufhört, gibt es immer noch Leben; hier tummeln sich (wie man in der
Bergregion über En-Gedi erleben kann!) Steinböcke und Klippdachse.
Wie für den priesterschriftlichen Theologen, dem wir Gen 1,1 - 2,4 a verdanken, ist auch für
Ps 104 eine Voraussetzung dafür, dass die Erde das vom Schöpfergott gewollte „Lebenshaus"
bleibt, dass die unterschiedlichen Lebewesen die ihnen zugewiesenen Lebensräume und Lebenszeiten respektieren. Deshalb kommt nun in V. 19-23 die vom Schöpfergott gesetzte Lebensordnung der Zeiten so zur Sprache, dass zunächst Mond und Sonne als die „Ordner" der
Zeit und danach die dadurch geordneten Lebensvollzüge für die Wildtiere und sodann für die
Menschen (und der mit ihnen lebenden Tierwelt) beschrieben werden. Der Mond zeigt die
grundlegenden Ordnungen „Jahr“und „Monat“ (der altorientalische Kalender hat ursprünglich ein Mondjahr!) sowie die großen Festtage des landwirtschaftlichen und des kultischen
Lebens (z. B. Neumond–und Vollmondfesttag, aber auch Pessach, Wochen–und Herbstfest)
an. Die an zweiter Stelle genannte Sonne strukturiert die Zeit in Tag und Nacht und begründet
die in Israel entstandene Siebentage-Woche mit ihrer grundlegenden Unterscheidung von Arbeit und Ruhe. Dass hier zunächst der Sonnenuntergang (V. 19 b) genannt wird, hängt mit der
in der nachexilischen Zeit vorherrschend gewordenen Tageszählung zusammen, die den Tag
mit dem Sonnenuntergang beginnen lässt (so im Judentum und im liturgischen Kalender des
Christentums bis heute!). Nur wenn die Zeiten der Arbeit und der Ruhe, die Zeiten der Natur
und der Feste, aber auch die unterschiedlichen Zeiten der Tiere und der Menschen (V. 20-23)
beachtet werden, kann sich das allen gemeinsame Leben in seinem Reichtum entfalten – das
ist die großartige Idee dieses Abschnitts, die uns im Zeitalter der ökologischen Neubesinnung
höchst modern erscheint.
Nachdem der Psalmdichter in V. 5-23 die der Erde eingestifteten Lebensordnungen und möglichkeiten besungen hat, bricht er in V. 24 in sein begeistertes „Zwischenfazit" aus: All
dies ist die Erde von JHWH her – vorgängig vor allem Eingreifen des Menschen und unabhängig davon. Das ist ja das schöpfungstheologische „Ur-Erlebnis“ der alttestamentlichen
Menschen, über das sie unaufhörlich staunen: Dass das Leben einfach da ist, schier unerschöpflich vorgegeben, freilich auch darauf angewiesen, es immer neu entgegenzunehmen,
weil keines der Lebewesen es für sich selbst machen kann. So ist für den Psalmdichter die
natürliche Welt, insofern und wie sie lebt, ein höchst positives Machterlebnis, das ihm die
grundlegende und bleibende Zuwendung des Schöpfergottes zur Welt bewusstmacht. Alles ist
„in Weisheit“gemacht, und übervoll ist die Erde von der Lebenskraft, die Gott in sie „investiert“. Die „Weisheit“, von der hier die Rede ist, meint nicht nur eine Eigenschaft Gottes, sondern zugleich eine Eigenschaft der Welt, die Gott ihr eingestiftet hat. Sie ist das Geheimnis,
durch das sie den Menschen anrührt, geradezu als ein Ich anredet. Es ist nicht das Ich JHWHs
– Israel hat immer um die unaufhebbare Grenze zwischen der Schöpfung und dem Schöpfer
gewusst –, sondern es ist die Sinndimension und die Schönheit der Schöpfung, insofern sie
von und durch die Weisheit JHWHs gestaltet und geliebt wird. Wer auf diese „Weisheit“der
Schöpfung hört, gewinnt Weisheit, mit der das Leben zu sich selbst kommt.
Knapp, aber ausdrucksstark skizziert V. 25-26 noch das Meer, also das Wasser, das nach dem
altorientalischen Weltbild die Erdscheibe umgibt, als Lebensraum für Tiere und als Raum, der
durch Gottes Schöpfermacht seine mythisch-chaotische Gefährlichkeit verloren hat (V. 26 b).
Das Meer ist übervoll von großen und kleinen Wassertieren, die hier leben. Sogar Schiffe
können hier „einhergehen“. Da Schiffe keine Lebewesen sind, scheinen sie hier zu stören.
18
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
3. Theologische Grundlagen
Erich Zenger
Aber sie passen voll zur Perspektive des Psalms, weil die Schiffe auf dem Meer eindrucksvoll
dokumentieren, dass das Meer als Teil der von JHWH umsorgten Schöpfung seine chaotische
(nicht: seine gefährliche!) Macht verloren hat. Dass darauf nur so kurz angespielt wird, ist
dadurch bedingt, dass der Durchschnittsisraelit das Meer und die Seefahrt nur vom Hörensagen kennt (doch vgl. immerhin Spr 30,18 f; 31,14; Sir 43,24f). Dem Psalmdichter ist wichtig:
Auch über das Meer hält JHWH seine ordnende Hand; den Leviatan, den Meereschaosdrachen der kanaanäischen und altorientalischen Mythologie (wo er mit unterschiedlichen Namen „auftritt“), hat JHWH als Schöpfergott –ein für allemal entmachtet (vgl. auch Ijob 40,25
–41,26) –er spielt mit ihm wie ein Dompteur mit dem Delphin!
3.1.4 „Sie alle warten immerfort auf Dich“
27 a
27 b
28 a
28 b
29 a
29 b
29 c
30 a
30 b
31 a
31 b
32 a
32 b
33 a
33 b
34 a
34 b
35 a
35 b
35 c
35 d
Sie alle warten (voll Sehnsucht) auf dich,
dass du ihnen Speise gibst zur rechten Zeit.
Gibst du ihnen, so sammeln sie ein,
öffnest du deine Hand, so sättigen sie sich mit Gutem.
Verbirgst du dein Angesicht, sind sie verstört,
ziehst du ihren Atem zurück, schwinden sie dahin,
und zu ihrem Staub kehren sie zurück.
Sendest du deinen Atem, werden sie geschaffen,
und du erneuerst das Angesicht der Erde.
Die Herrlichkeit JHWHs währe auf ewig!
JHWH freue sich seiner Werke!
Der die Erde anblickt, und sie erzittert,
er berührt die Berge, und sie rauchen.
Ich will JHWH singen, solange ich lebe,
ich will meinem Gott aufspielen, solange ich da bin.
Ihm möge gefallen mein (Psalmen-) Vortrag,
ich selbst will mich freuen an JHWH.
Verschwinden sollen die Sünder von der Erde,
und Gottlose soll es nicht mehr geben!
Lobpreise, meine Seele, JHWH.!
Halleluja!
Sind in der „Weltbetrachtung“von V. 2 b-26 die elementaren Voraussetzungen und Bedingungen für Leben im Blick, so ist es in V. 27-30 das Leben selbst: „Sie alle warten auf dich“
(V. 27 a). Das gemeinsame Sich-Ausstrecken aller Lebewesen voller Lebenshunger und sehnsucht macht die Welt zur Schöpfung. Worauf aber wartet sie? Gewiss sie wartet, wie der
Psalm bildreich entfaltet, auf Regen, der sie belebt, auf Nahrung und Kleidung, auf Brot,
Wein und Öl. Aber darin wartet sie auf mehr: dass der lebendige Gott selbst auf sie zukommt
– „zur rechten Zeit!“Auf seine Zukunft warten sie alle, weil ER allein ihre Zukunft ist. Mit
ihm und durch ihn sind sie lebendig, ohne ihn werden sie todesstarr und zerfallen in Staub (V.
28-30). Hier sprechen sich die leidvollen Erfahrungen aus, die Israel auch mit dem Leben, mit
der Natur und mit seinem Gott selbst gemacht hat. Israels Theologie hat die Störungen und
Katastrophen nie verdrängt. Sie hat auch Krankheit und Tod nie verklärt. Die Klagepsalmen
und das Buch Ijob zeigen überdeutlich, dass Israels Theologie einerseits der Versuchung wiMichael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
19
3. Theologische Grundlagen
Erich Zenger
derstand, die Welt als Missgriff eines launischen oder zornigen Gottes zu verachten, und dass
sie andererseits nie der Illusion erlag, durch menschliches Machertum könne die Welt vollkommen werden. Im Gegenteil: Unser Psalm erlebt diese Störungen als Zeichen der absoluten
Verwiesenheit allen Lebens auf den einen Lebensatem, der JHWH selbst ist und an dem alle
teilhaben, die leben. Wenn und wo JHWH seine Lebenskraft „ausschickt“, macht er Tote
wieder lebendig (vgl. V. 30 a mit Ez 37,1-14) und gibt er der Erde immer wieder neue jugendliche Lebensfrische (V. 30 b). Dass die „alte“Erde täglich „jung“wird, ist die „neue“Botschaft, mit der der Psalm seine Weltbetrachtung hoffnungsvoll zusammenfasst. Aber zugleich
gilt: Wo die Lebewesen sich ihr Leben selbst nehmen wollen, gierig und gewalttätig wie Adam und Kain, zerstören sie sich selbst und ihre Lebenswelt.
Das ist der lebenspraktische Realismus der Weisheit, die um die Schicksalsgemeinschaft von
Mensch, Tier und Pflanze, ja um die unlösbare Verwiesenheit aller aufeinander weiß. Von
einer „königlichen“Sonderstellung redet unser Psalm (vielleicht als bewusste Gegenstimme
zu Gen 1, womit der Psalm 104 sich vielfach berührt?) nicht. Im Gegenteil: Ihm wird in V.
14.23 „Dienst“ an der Erde zugewiesen. Das ist seine „Sonderstellung“, die Pflanzen, die
JHWH aus der Erde „herauskommen“lässt, zu Brot, Wein und Öl umzuwandeln. Die in Gen
1-2 programmatisch entworfene Vision von pflanzlicher Nahrung als Absage an die Tötung
von Tieren leuchtet auch hier wieder auf. Es ist die Vision gewaltlosen Zusammenlebens, in
das die Menschen hier eingewiesen werden. Ihr Leben ist Leben neben und mit anderem Leben. Das Leben des Menschen im Lebenshaus der Schöpfung ist Teil „eines Vorgangs göttlichen Wirkens, der keineswegs nur für den Menschen oder nur auf ihn hin, sondern zugunsten
alles Lebendigen geschieht ... Was der Mensch für sein Leben wahrnimmt, gilt auch für tierisches Leben, und damit ist den Tieren prinzipiell das gleiche Lebensrecht zugestanden wie
dem Menschen“ (O. H. Steck). Die Sonderstellung der Menschen spricht der Psalm erst im
„Abgesang" an (V. 35 a b). Sie besteht traurigerweise darin, dass er als Sünder und Gott-loser
den gemeinsamen Lebensprozess stört und gefährdet und vor allem den Schöpfergott verleugnet und sich der ihm zugewiesenen „Lebensaufgabe“verweigert.
Die zum „inneren Rahmen“ gehörende Bitte V. 31-32 zielt darauf, dass das Warten der
Schöpfung nicht unerfüllt bleibt. Es ist die Bitte, der Weltkönig JHWH möge die Erde als Ort
des Offenbarwerdens seiner Herrlichkeit vollenden, gerade angesichts der Erfahrung, dass so
vieles auf der Erde das Erscheinen der Herrlichkeit behindert. Hier klingt jenes Leiden aller
Kreaturen an, das Röm. 8, 22 die Geburtswehen der „neuen“Erde nennt. Gerade eine Erde,
der er täglich seine erneuernde Zuwendung schenkt, soll und wird JHWH besonders liebgewinnen und sich an ihr freuen. Um und für sie wird er kämpfen (V. 32), so er denn seine Bindung an die Schöpfung zu seinem fundamentalen Lebensvollzug gemacht hat.
Die „Widmung“ V. 33-34 stammt schon aus der „Gebetsgeschichte“ des ursprünglichen
Psalms V. 1 b-32. Hier redet einer, der den Hymnus gebetet und sich dabei so sehr von dessen
theologischer Leidenschaft hat anstecken lassen, dass er in einem individuellen Lobpreisgelübde verspricht, sein ganzes weiteres Leben als einen einzigen grossen Lobgesang zu leben.
Das ist in der Tat eine angemessene „Fortschreibung“des Hymnus, insofern alles Gotteslob in
eben dem Gott gründet, dessen liebevolle Zuwendung in V. 1 b-32 hymnisch gefeiert wird.
Der Mensch, der das Gotteslob zur Gestalt seines Lebens macht, verwirklicht genau das, was
der Psalm mit Leben als verdankter Gottesgabe meint. Daran will der Beter sich auch nicht
durch die deprimierende Gegenerfahrung des Bösen und Rätselhaften in der Welt, um dessen
Verschwinden er bittet (V. 35 a b), behindern lassen. Im Gegenteil: Mit der abschließenden
„Andachtsformel“V. 35 c fordert der Beter sich (wie in V. 1 a) abermals auf, bei aller Bedrohtheit der Schöpfung auf den Schöpfergott zu blicken und in ihm „Freude“an der Schöp20
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
3. Theologische Grundlagen
Erich Zenger
fung sowie die Kraft zu einem schöpfungsgemäßen Leben zu finden – auch als Antwort auf
die in V. 35 beklagte Realität des Bösen.
3.1.5 Der Psalm heute: Ruf zur ökologischen Umkehr
[… ]
Das Schöpferlob von Ps 104 ist Gebet eines Menschen, der sich aufbrechen lässt von dem
Geheimnis, dass das Reich Gottes in der Schöpfung im Kommen ist. Der Psalm ist das ja des
Lobenden, der von sich selbst und von seinen Bedürfnissen weg – und auf das Ganze hinblickt – und dies voller Hoffnung, dass dieses Ganze Tag für Tag vom Schöpfergott neu geschaffen wird (V. 30). Als lobpreisendes Ja zum Schöpfergott ist der Psalm weder blinde noch
blenden wollende Zustimmung zu allem, was ist und geschieht. Im Gegenteil: Er ist Ausdruck
des Leidens daran, dass vieles nicht so ist, wie es sein könnte. Und er ist noch mehr Widerspruch gegen alles, was das Kommen des Gottesreichs in der Schöpfung behindert. Wer diesen Psalm singt, singt ihn auch gegen sich selbst! Indem er die Vision vom solidarischen Zusammenleben aller Lebewesen besingt, ist der Psalm ein öffentlicher Protest insbesondere
gegen alle „Weltbilder“ und die daraus entspringenden Taten der Menschen, die die Menschen und ihre Bedürfnisse zum „Maß aller Dinge“machen. So ist der Psalm keine kitschigidyllische Meditationsmusik, sondern ein kritisch-utopisches Lied, das heute zur ökologischen
Umkehr ruft. Indem es die Schönheit der Schöpfung, jenseits aller menschlichen Zwecke,
besingt, hält es an der Verheißung fest, dass die Schöpfung zum Leben berufen ist. Insofern es
diese Schönheit aber als täglich zu erneuernde aus der gütigen Hand Gottes kommen sieht und
insofern es die verbrecherischen, gott-losen Menschen als Zerstörer dieser Schönheit benennt
und das Nicht-Schöne nicht ausblendet, mahnt und motiviert es zur Umkehr.[… ]
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
21
3.2 Christliches Ursymbol Wasser
3.2
Christliches Ursymbol Wasser4
3.2.1 Was bedeutet „Symbol“/„symbolisieren?
Wasser ist...
• flüssig, also von unbestimmter Form und daher geeignet, alles materiell Ungeformte,
Geistige zu symbolisieren. Im pfingstlichen Kontext stehen Tau oder ein fließender Lebensbrunnen für die Ausgießung des Heiligen Geistes;
• frisch und kühl und daher geeignet, Erquickung, Freude, und ein Nachwachsen verbrauchter Kräfte zu symbolisieren;
• reinigend und daher geeignet, Läuterung, Säuberung und Erneuerung und Befreiung von
Sünde zu symbolisieren;
• durstlöschend, und daher geeignet, im geistigen Sinn den Durst nach Erkenntnis und Gott
zu stillen;
• ungebändigt und bedrohlich und daher geeignet, alles Vernichtende zu symbolisieren;
• tief und geheimnisvoll und daher geeignet, rational nicht auszulotende, geistige Tiefe oder
mystische Versenkung zu symbolisieren;
• veränderlich in seinem Lauf, seiner Fließgeschwindigkeit, Tiefe und Dynamik und daher
geeignet, den Lebenslauf des Menschen symbolisieren.
Symbole sind Stellvertreter einer nicht unmittelbar wahrnehmbaren geistigen Realität. Sie
weisen auf religiöse Wahrheiten hin und ermöglichen uns, alles, was sinnlich nicht fassbar ist,
entweder sprachlich oder bildhaft mitzuteilen. Jedes echte Symbol ist zweiteilig. Es besteht
aus einer materiellen und aus einer immateriellen Ebene. Die materielle Ebene, das Bezeichnende – hier das Wasser –, ist etwas physisch Wahrnehmbares. Die immaterielle Ebene, das
Bezeichnete, ist etwas nicht Physisches. Ihre Kraft, unsichtbare geistige Wahrheiten zu bezeichnen, schöpfen die materiellen Dinge aus ihren physisch wahrnehmbaren Eigenschaften,
die dem Wesen und vor allem den Wirkungen des Bezeichneten entsprechen. Um das Symbol
des Wassers zu verstehen, müssen wir also seine Eigenschaften und seine wahrnehmbaren
Wirkungen betrachten. Die materielle Wirklichkeit offenbart die geistige Wirklichkeit dessen,
was es repräsentiert. Wasser kann die göttliche Gnade symbolisieren, weil es auf der materiellen Ebene des Symbols physische Eigenschaften und Wirkungen hat, die auf der immateriellen Ebene dem Wesen und Wirken der göttlichen Gnade entsprechen: Wasser ist die Voraussetzung für Leben. Fruchtbarkeit und Erfrischung sind seine Wirkungen. Gottes Gnade ist wie
das Wasser. Sie schafft Leben und erhält es.
Eine andere Wirklichkeit des Wassers ist sein zerstörerisches, bedrohliches Potenzial, etwa als
Flutkatastrophe oder als Element, in dem Dinge versinken. Aufgrund dieser Eigenschaften
kann es Bedrohung und Vernichtung repräsentieren. Ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis
des Wassersymbols ist vor allem unsere unmittelbare Körperwahrnehmung: Wer am eigenen
Leibe erfahren hat, was Durst bedeutet, wie Wasser erfrischt, erquickt oder reinigt, versteht,
warum der Durst nach Wasser in der Wüste die Sehnsucht nach Gott symbolisiert. Und wer
erlebt hat, wie Überschwemmungen oder ein Sturm auf dem Wasser unsere Existenz bedrohen, versteht, warum Wasser die Gefahren der Sünde repräsentiert. Gerade die elementare
Universalität des Wassers und seine unmittelbare körperliche Erfahrbarkeit –sei es als Segen,
4
22
nach: Gerhard Monninger, Das christliche Ursymbol Wasser – sichtbares Zeichen einer unsichtbaren
Wirklichkeit, in: Wasser – Zur Quelle gehen, Umweltbrief, Gerhard Monninger, hrsg. von der Ev.Lutherischen Kirche in Bayern (Januar 2008), S. 3–4.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
3.2 Christliches Ursymbol Wasser
sei es als Bedrohung – kann seine Symbolkraft erklären, der wir zu allen Zeiten und in allen
Kulturen an zentraler Stelle begegnen. Wenn Wasser neben Brot und Wein das christliche
Ursymbol schlechthin ist, sollten wir Wasser in jeder Weise hoch schätzen und schützen.
3.2.2 Die Wassersymbolik des Alten Testaments
Im Alten Testament symbolisiert Wasser häufig das Leben spendende Wesen Gottes und die
Wirkung seiner Gnadengaben. Gott selbst ist ein Quell lebendigen Wassers, der vom Paradies
ausströmend die Schöpfung befruchtet (1. Mose 2,8-2,14). In der Trockenheit der Wüste ist
Wasser etwas unerhört Kostbares, nach dem sich der Körper sehnt. Durst, als elementare Erfahrung eines Wüstenvolkes, wird zum Symbol der Sehnsucht nach Gott; so wie der Körper
nach Wasser verlangt, verlangt die Seele nach Gott: Wie der Hirsch lechzt nach frischem
Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir (Psalm 42,2).
Neben dem Lebens- und Segenszeichen ist das Wasser als elementare Naturgewalt in der jüdisch-christlichen Tradition immer auch ein Symbol … drohender Vernichtung. So berichtet
das 1. Buch Mose, wie Gott über die Bosheit der Menschen erzürnt und beschließt, sie durch
eine gewaltige Flut von der Erde zu vertilgen: Und es geschah nach sieben Tagen, da kamen
die Wasser der Flut über die Erde. Im 600. Lebensjahr Noahs, im zweiten Monat, am siebzehnten Tag des Monats, an diesem Tag brachen alle Quellen der großen Tiefe auf, und die
Fenster des Himmels öffneten sich. Und der Regen fiel auf die Erde vierzig Tage und vierzig
Nächte lang (1. Mose 7,10-24). Da die Sintflut nicht nur vernichtet, sondern auch einen Neuanfang bedeutet, symbolisiert Wasser im Alten Testament sowohl die lebensbedrohliche als
auch die lebensspendende Kraft Gottes. Die Sintflut reinigt die Welt und erlaubt einen geläuterten Neubeginn. Vernichtung und Geburt stehen im Wassersymbol nahe beisammen.
3.2.3 Die Wassersymbolik des Neuen Testaments
Bezeichnend für den neuen Bund, den Gott durch die Sendung seines Sohnes mit den Menschen schließt, ist die Symbolik des „lebendigen Wassers“, die das Neue Testament wiederholt begründet. So berichtet das Johannesevangelium Kap. 4 von der Begegnung Jesu mit
einer samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen in Sychar und lässt ihn zu ihr sagen: Wer von
diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das
ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben
werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt (Joh 4,
13-14). Im 22. Kapitel der Offenbarung erblickt Johannes das Neue Jerusalem und sieht einen
Strom lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht von dem Thron Gottes und des
Lammes; mitten auf dem Platz und auf beiden Seiten des Stromes Bäume des Lebens, die
tragen zwölfmal Früchte, jeden Monat bringen sie ihre Frucht, und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker (Offb 22,1-2).
3.2.4 Die Wassersymbolik in kirchlichen Vollzügen–Taufe
Im Sakrament der Taufe, die ihr rituelles Gepräge nach dem Vorbild der Taufe Jesu im Jordan
entwickelt, fließen Elemente der Wassersymbolik beider biblischen Testamente zusammen.
Ursprünglich wurden die Täuflinge nicht nur mit dem Taufwasser besprengt, sondern tauchten vollständig in einem Taufbecken unter. Durch sein Untergehen im Wasser der Taufe verMichael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
23
3.2 Christliches Ursymbol Wasser
eint sich der Täufling mit dem Christus, der in Tod und Grab hinuntergestiegen ist, und wird
eben dadurch Teilhaber am Leben auch des auferstandenen Christus. Paulus schreibt dazu im
Römerbrief: „Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie
Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem
neuen Leben wandeln“(Röm 6,1-4). Das Taufwasser, das Bild des Grabes Christi, wird damit
zugleich zum „Bad der Wiedergeburt“(Tit 3,5; vgl. Joh 3,5), das dem Menschen das Leben
der Kinder Gottes schenkt (vgl. Gal 3,26f; 1. Joh 3,9; 5,18).
Martin Luther betont ebenfalls die Zeichenhaftigkeit des Wassers in der Taufe. Er schreibt im
Kleinen Katechismus: Was bedeutet denn solche Wassertaufe? Es bedeutet, dass der Alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden
und bösen Lüsten; und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch,
der in Gerechtigkeit und Reinigkeit vor Gott ewiglich lebe.
Es ist eine Frucht der ökumenischen Bemühungen im 20. Jahrhundert, dass die eine Taufe auf
Jesus Christus als das alle Christen über Konfessionsgrenzen hinweg einende Band wieder
entdeckt wurde Diese Gemeinsamkeit in der einen Taufe wurde deutschlandweit am 29. April
2007 durch die sog. Magdeburger Tauferklärung über die wechselseitige Taufanerkennung
von elf Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland im
Dom zu Magdeburg feierlich erklärt: „Jesus Christus ist unser Heil. Durch ihn hat Gott die
Gottesferne des Sünders überwunden (Römer 5,10), um uns zu Söhnen und Töchtern Gottes
zu machen. Als Teilhabe am Geheimnis von Christi Tod und Auferstehung bedeutet die Taufe
Neugeburt in Jesus Christus. Wer dieses Sakrament empfängt und im Glauben Gottes Liebe
bejaht, wird mit Christus und zugleich mit seinem Volk aller Zeiten und Orte vereint. Als ein
Zeichen der Einheit aller Christen verbindet die Taufe mit Jesus Christus, dem Fundament
dieser Einheit. Trotz Unterschieden im Verständnis von Kirche besteht zwischen uns ein
Grundeinverständnis über die Taufe. Deshalb erkennen wir jede nach dem Auftrag Jesu im
Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Zeichenhandlung des
Untertauchens im Wasser bzw. des Übergießens mit Wasser vollzogene Taufe an und freuen
uns über jeden Menschen, der getauft wird. Diese wechselseitige Anerkennung der Taufe ist
Ausdruck des in Jesus Christus gründenden Bandes der Einheit (Epheser 4,4-6). Die so vollzogene Taufe ist einmalig und unwiederholbar.“
24
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
3.3 Die Bedeutung des Wassers in verschiedenen Religionen
3.3 Die Bedeutung des Wassers in verschiedenen Religionen
3.3.1 Wasser im Islam5
Wasser wird im Islam als besonders segensreich empfunden. Allah schenkt den Menschen das
Wasser, das Leben und Natur wachsen lässt. In islamischer Paradiesvorstellung nimmt das
kühlende, erfrischende Wasser eine zentrale Rolle ein. Es wird in Verbindung gebracht mit
ewiger Jugend, Schönheit, immergrünen Pflanzen und Unsterblichkeit. Der Garten, in dem
das kühle, reine Wasser ewig fließt, ist der Aufenthaltsort für das ewige Leben des Rechtgläubigen. Der Prophet Mohammed, der die Gläubigen im Paradies empfängt, steht in der
Nähe eines paradiesischen Flusses. Wasser steht dem Gerechten, Rechtgläubigen zur Verfü–
gung. Dem Ungerechten, dem Verbrecher, entzieht Allah Wasser, seine Gärten trocknen aus,
seine Brunnen versiegen. Wasser ist ein Urbild der Reinheit. Der äußeren wie inneren Reinigung dienen die Waschungen vor dem Gebet und die vorgeschriebnen Waschungen vor dem
Besuch der Moschee. Diese Waschungen sind in festgelegter Weise durchzuführen: zuerst die
Waschung der Hände, dann des Gesichts, der Unterarme und der Füße. Diese Waschung dient
nicht nur der körperlichen Gesundheit, sondern auch der geistigen Vorbereitung auf das Gebet. Das Trinken aus einer heiligen Quelle gehört zur Pilgerreise nach Mekka.
3.3.2
Wasser im Hinduismus6
Wasser hat im Hinduismus einen außerordentlich hohen Stellenwert. Wasser gilt als Urquelle
des Lebens. Es wird als einziges der Elemente selbst als „unsterblich“ bezeichnet und ist
Grundlage der Schöpfung. Nach hinduistischer Auffassung wird die Welt erschaffen, nach
einer gewissen Zeit aufgelöst, um wieder neu zu entstehen. Wasser ist die Ursubstanz, die
auch nach der Weltauflösung übrig bleibt. Nach der Zerstörung der Welt erfolgt vor der Neuschöpfung eine Ruhepause, in der der Gott Vishnu auf dem Urwasser schläft. Vishnu sagt von
sich: „Ich bin der uranfängliche Erzeuger, er, der Wasser ist, das erste Wesen, die Quelle des
Lebens.“Auch der Schöpfergott Brahma, der aus Vishnu entsteht, hat Wasser getrunken, was
ihn erst fähig macht, tätig zu werden. Wasser transportiert die Seelen zum Ort des ewigen
Lebens, entweder der Erlösung zu, dem eigentlichen ewigen Leben ohne Wiedergeburt, oder
zu der Existenz als Ahne, der nach einer gewissen Zeit eine weitere irdische Geburt vor sich
hat. Welchen Weg die Seele letztlich beschreitet, hängt nicht von ihrem freien Willen ab, sondern von den guten oder schlechten Taten im letzten Leben. Der Mensch kann aber in seinem
irdischen Leben direkt dieses Schicksal beeinflussen. Durch Baden an heiligen Stätten an den
Ufern der Flüsse, durch rituelle Waschungen mit heiligem Wasser werden Sünden abgespült,
die Seele gereinigt.
So berichten die Heiligen Schriften der Hindu in ihren Richtlinien ausführlich über das Ritual
beim Morgengebet eines Gläubigen, besonders eines Brahmanen. Er muss sich frühmorgens
waschen und zwar möglichst in fließendem Wasser. Bevor er ins Wasser taucht, gießt er Wasser über seinen Körper. Wenn er in Richtung Ost, West und Süd das Wasser sprenkelt, spricht
er jeweils ein Gebet. Bevor er seinen Körper mit Asche bestreicht, trinkt er einen Schluck
5
6
nach: „Wasser im Islam“, aus: Religion betrifft uns 3/2001, S. 28.
nach: Informationen aus: Schule und Mission 3–1992/93, S. 189 und Religion betrifft uns, Lernzirkel Wasser
ist Leben, 3/2001.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
25
3.3 Die Bedeutung des Wassers in verschiedenen Religionen
Wasser und betet, dass er innerlich gereinigt werde. Dann sprenkelt er Wasser über den Hausaltar, über die Gegenstände, die für die heiligen Riten gebraucht werden und über die Statuen.
Da die Flüsse Ganges und Kaveri heilig sind, werden die Leichen am Ufer verbrannt und die
Asche unter ständigem Gebet der Anwesenden in das fließende Wasser gestreut. Hindus, die
an der Küste wohnen, bringen die Asche ihrer Toten zum Meer. Es wird geglaubt, dass sich
die Toten dadurch auf dem Pfad der Erlösung befinden. Wasser erlöst nicht nur die Seelen
vom Kreislauf der Wiedergeburt, sondern erfüllt auch den Wunsch nach ewiger Schönheit,
Jugend und verlängert das irdische Leben. Wasser gilt als Urgrund des Lebens und als Allheilmittel gegen Krankheiten.
3.3.3
Wasser im Buddhismus7
Im Buddhismus gelten Schlangen und Wassergeister als Freunde und früheste Verehrer des
Buddhas. Als die Mutter Maya den zukünftigen Buddha gebar, näherten sich aus der Luft
zwei Schlangenkönige. Sie produzierten zwei Wasserströme, einen heißen und einen kalten,
womit sie das gerade geborene Kind wuschen. Aus diesem Wasser entstanden der Legende
nach zwei Teiche, von denen der eine heute noch kalt und der andere warm sein soll. Wassergenien sind besondere Schutzgeister des Buddha und Hüter seiner Lehre. Nagarjuna, der später die buddhistische Lehre nach Tibet gebracht hat, hat diese in den Tiefen des Wassers von
den dort lebenden Schlangen empfangen. Der Überlieferung nach nahm ihn ein Schlangenkönig mit in sein Reich in den tiefen Wasserregionen der Welt und zeigte ihm sieben Kisten mit
Schriften, in denen die Weisheit niedergelegt ist. Nach dreimonatigem Studium in der Unterwasserwelt kehrte er mit den Schriften, die er nun verstanden hatte, auf die Erde zurück, um
diese Wahrheit den Menschen zu unterbreiten.
Wasser wird auch als Sinnbild für den Strom der Lehre gebraucht. Die buddhistische Lehre
wird dabei als Fluss begriffen, der überquert werden muss. Buddha benutzt dieses Gleichnis,
z.B. eine große Menschenmenge steht am Rande eines über die Ufer getretenen Flusses, kennt
dessen Tiefe nicht und scheut sich, ihn zu überqueren. Die Menschen stehen dort solange, bis
einer von ihnen mutig in den Strom geht und schließlich ans andere Ufer gelangt. Als die
Menschenschar sieht, dass er am anderen Ufer steht, überquert auch sie den Fluss. Die buddhistische Lehre soll sein wie ein Fluss der durch sein Fließen die Seelen der Erlösung zuführt.
7
26
aus: Religion betrifft uns, 3/2001, S. 30.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
4. „Heilige Wasser“–Wasser im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen
4.
„Heilige Wasser“ – Die Bedeutung des Wassers im Licht der Riten und gottes–
dienstlichen Feiern der verschiedenen Konfessionen8
4.1
Osterwasser –Taufe –Christwerden als Sterben und Auferstehen mit Christus
Sowohl in den alten als auch in den modernen Osternachtfeiern wird das Zusammenfließen
des Wassers mit dem Ostergeheimnis in den Lesungen der Osternacht deutlicht gemacht. Sie
beginnen mit der Schöpfungsgeschichte und führen uns durch die biblischen Erzählungen von
der Befreiung aus dem und durch das Wasser. Hier werden insbesondere die Sintflut und die
Arche erwähnt, der Durchzug durch das Rote Meer und die Schilderung in Exodus, als Gott in
der Wüste Wasser aus einem Felsen quellen lässt. Diese Bibelerzählungen von Gottes Befreiungshandeln durch Wasser sind ein Vorgeschmack der Auferstehung Christi und unserer eigenen Auferstehung mit ihm durch das Wasser der Taufe.
Liturgisch wird die Verbindung zwischen dem Wasser und dem Sterben und Auferstehen Jesu
in der Osternachtfeier mit der Segnung des Taufwassers zum Ausdruck gebracht, besonders
wenn Täuflinge ihren Taufglauben bekennen, zu dem lebendigen Wasser kommen und zu
Mitgliedern der Familie Christi, der Kirche, erklärt werden. Mit oder ohne Täuflinge erinnert
8
aus: Sieben Wochen im Zeichen des Wassers 2010: Heilige Wasser, hrsg. von Ökumenisches Wassernetzwerk (ÖWN) (download unter: http://www.oikoumene.org/de/activities/oekumenisches-wassernetzwerkoewn/ressourcen-und-links/sieben-wochen-fuer-wasser/ueber-die-kampagne/archiv/2010-heiligewasser.html?tx_wecdiscussion%5Bsingle%5D=2074
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
27
4. „Heilige Wasser“–Wasser im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen
das Osterwasser an unsere eigene Taufe und wird zum Brennpunkt für die Erneuerung unseres
Taufglaubens im Kreuz und in der Auferstehung Christi.
Die … Sieben Wochen im Zeichen des Wassers erinnern an die tiefsten liturgischen Wurzeln
der Taufe und Taufvorbereitung, die das Herzstück der Fastenzeit sind, und stellen die Verwendung von Wasser durch die Kirchen im Gottesdienst heraus. Durch die Jahrhunderte hindurch haben die Christen erkannt, dass die Kirche im öffentlichen Gebet am deutlichsten sie
selbst ist – denn wenn zwei oder drei um den Tisch des Wortes, das Taufbecken und den Abendmahlstisch versammelt sind, ist der auferstandene Christus mitten unter ihnen. Was die
christliche Gemeinschaft in ihrem öffentlichen Gottesdienst sagt und tut, empfängt und feiert,
verkündet und prägt, was sie glaubt. Wie sich die Gemeinschaft in Communio mit dem dreieinigen Gott erfährt, wird zur lebendigen Quelle für ihr Nachdenken darüber, was sie glaubt,
was sie ist und wie sie als Leib Christi in der Welt handeln sollte.
Dementsprechend hat das, was die christliche Gemeinschaft beim Gottesdienst im Zusammenhang mit Wasser sagt und tut – Taufwasser, die Taufe des Herrn, die Wasserweihe zur
Theophanie, die Fußwaschung, die Jesus an seinen Jüngern vornimmt und alle anderen liturgischen Verwendungen im öffentlichen Gottesdienst –, tiefe Implikationen für das christliche
Verständnis und Bewusstsein von Wasser heute. Dass wir im Gottesdienst Wasser verwenden
– und wie wir es verwenden und wie viel davon – hat Konsequenzen. Die liturgische Verwendung von Wasser in der christlichen Gemeinschaft kann eine reichhaltige Quelle für die
theologische Reflexion darüber sein, was Wasser bedeutet und wie wir mit ihm umgehen. Das
Maß, in dem die Christen die Heiligkeit des Wassers im Gottesdienst erfahren, wird auch mitbestimmen, wie sich die Kirchen mit anderen Glaubensgemeinschaften, Regierungen, Umweltschützern und allen, die sich heute für einen gerechten und ethisch vertretbaren Umgang
mit Wasser einsetzen, engagieren.
Wir wollen diese Sieben Wochen im Zeichen des Wassers mit einem Gebet aus der Osternachtfeier abschließen, das bei der Segnung des Taufwassers gesprochen wird. Mögen wir
glauben, was wir beten, und leben, was wir glauben:
„Bei der Taufe verwenden wir deine Gabe des Wassers,
das du zu einem reichen Symbol der Gnade gemacht hast,
die du uns mit diesem Sakrament
zuteil werden lässt.
Am Anfang der Schöpfung schwebte dein Geist auf dem Wasser
und machte Wasser zur Quelle aller Heiligkeit.“
(Freie Übersetzung aus dem Englischen)
John Gibaut ist Direktor der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen. Er ist Mitglied der Anglikanischen Kirche von Kanada und war
vierzehn Jahre lang Professor an der theologischen Fakultät der Saint Paul University in Ottawa, wo er unter anderem liturgische Theologie lehrte.
28
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
4. „Heilige Wasser“–Wasser im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen
4.2
Fußwaschung –Christsein ist Dienst am Nächsten
Jesus aber wusste, dass ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte und dass er von
Gott gekommen war und zu Gott ging, da stand er vom Mahl auf, legte sein Obergewand ab
und nahm einen Schurz und umgürtete sich. Danach goss er Wasser in ein Becken, fing an,
den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet
war. (Johannes 13,3-5)
Die Politik der wechselseitigen Verwundbarkeit leben
Für die meisten christlichen Traditionen stehen im Mittelpunkt der von Jesus vollzogenen
Handlung die einfachen Elemente Brot und Wein und das nicht so einfache Geheimnis des
Leibes Christi, der in der Welt gegenwärtig ist, wenn sich die Gemeinde zur Wiederholung
des letzten Abendmahls versammelt. Doch bevor Jesus seinen Jüngern das Brot und den
Kelch reichte, vollzog er eine andere Handlung, die in vielen Kirchen fast vergessen ist – er
goss Wasser in ein Becken und kniete nieder, um ihre Füße zu waschen.
Einer der Gründe dafür, dass Gruppen innerhalb der anabaptistisch-mennonitischen Tradition
das Ritual der Fußwaschung beibehalten haben, ist schlicht und einfach, dass Christus es befohlen hat: „Wenn ich nun, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt
auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr
tut, wie ich euch getan habe“ (Joh 13,14-15). Auf einer tieferen Ebene ist die gegenseitige
Fußwaschung jedoch eine verwandelnde politische Praxis, die in den Gläubigen eine ausgeprägt christliche Weise des Engagements in der Welt ausbildet.
In den vergangenen zehn Jahren ist es über viele Fragen zu heftigen Auseinandersetzungen
zwischen Christen gekommen, besonders vielleicht im Zusammenhang mit dem Umgang mit
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
29
4. „Heilige Wasser“–Wasser im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen
der Schöpfung. Die Gipfeltreffen in Kyoto und Kopenhagen haben die Christen im Westen
tief gespalten in der Frage, wie die Kirche auf Probleme wie Klimawandel, Umweltzerstörung, Wasserrechte und Zugang zu natürlichen Ressourcen reagieren sollte. Und weil im Zusammenhang mit diesen Fragen offenbar so viel auf dem Spiel steht, sind die Aktivisten auf
beiden Seiten entschlossen, ihre Sache aggressiv durchzufechten – im üblichen Rahmen des
politischen Engagements: Ressourcen mobilisieren, strategische Allianzen bilden, den PRKampf für sich entscheiden und alles tun, um die Machtinhaber von ihrer Zukunftsvision zu
überzeugen.
Die Praxis der Fußwaschung stellt viele dieser Prinzipien in Frage. Jesus hat wiederholt versucht, die Jünger von Standardvorstellungen darüber abzubringen, was Macht ist. „Wer unter
euch groß sein will, der sei euer Diener“, sagte er (Mt 20,26); wenn ihr ins Himmelreich
kommen wollt, „werdet wie die Kinder“(Mt 18,3); wenn ihr die Ersten sein wollt, stellt euch
hinten an. Dies waren keineswegs perverse Aufforderungen zum Selbsthass oder Aufrufe zur
Selbstgefälligkeit in Situationen der Unterdrückung. Vielmehr forderte Jesus seine Jünger
heraus, sich einem Leben in wechselseitiger Verwundbarkeit zu verschreiben, das im Vertrauen auf Gottes überreicher Liebe wurzelt. Indem er seinen Jüngern die Füße wusch, bot Jesus
eine physische, verkörperte Darstellung dieser neuen Politik an – einer Politik, die weit dramatischer noch in seinem Tod und seiner Auferstehung veranschaulicht wurde, in denen die
Macht „in der Schwäche zur Vollkommenheit geführt“wurde.
Wenn Christen niederknien, um einander die Füße zu waschen, dann üben sie eine alternative
Politik aus – eine verwundbare, aber zugleich zuversichtliche Daseinsweise in der Welt, die
die bloße Logik traditioneller Formen des Aktivismus –ob links oder rechts –in Frage stellt.
In dem reinigenden Wasser bei der Fußwaschung lernen Christen, anderen Gutes zu tun in
einer Haltung freiwilliger und wechselseitiger Unterwerfung. In unserer wechselseitigen Verwundbarkeit wird Gottes verwandelnde, geheimnisvolle, versöhnende Gegenwart in der Welt
sichtbar.
John D. Roth ist Professor für Geschichte und Direktor der Mennonite Historical Library am
Goshen College in Indiana, USA. Er ist auch Herausgeber der Mennonite Quarterly Review.
4.3
30
Wasser des Lebens –Wasser zum Leben
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
4. „Heilige Wasser“–Wasser im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen
„Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten;
wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten,
sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt. Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir solches Wasser,
damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen!“Johannes 4,13-15
Nipe maji ninywe, maji ya uzima Yesu akasema mmesha yapata… (gib mir zu trinken, das
lebendige Wasser, Jesus antwortet, du hast es bereits… ) – so heißt es in einem bekannten
Swahili-Lied, das davon erzählt, wie groß in Kenia das Bedürfnis und Verlangen nach Wasser
ist. Viele Menschen bitten auch heute noch: Gebt uns Wasser, wie können wir Wasser bekommen?
Die Degradation der Wassereinzugsgebiete infolge von Entwaldung, Bodendegradation und
industriellen Aktivitäten in diesen Gebieten hat zu unermesslichem Leid geführt und sich negativ auf die Wirtschaft ausgewirkt. Der gegenwärtige Streit um den Mau-Wald –dem größten aller Wassereinzugsgebiete in Kenia – ist nur die Spitze des Eisbergs. Anhaltende Dürreperioden, Ausbruch der Cholera sowie heftige Überschwemmungen verursachen Tod und
Verwüstung und bringen Leid über viele Menschen. Hintergründe für solche Ereignisse sind
fehlender Zugang zu sauberem Wasser, Missmanagement der natürlichen Ressourcen, Umweltzerstörung, soziale Ungleichheiten, unzulängliche sanitäre Grundversorgung und Armut.
Vor diesem Hintergrund fand vor kurzem eine presbyterianische Taufe von rd. 80 Erwachsenen aus der Massai-Gemeinschaft in Kijiado (einem semiariden Gebiet in Kenia) statt. Sie
wurden in einem eigens für diesen Zweck ausgehobenen Becken (einem tieferen Trog ähnlich) getauft. Weil die Flüsse in dieser Zeit kein Wasser führen, musste das Wasser für die
Taufe gekauft werden und hat 2000 K.Sh. gekostet (rd. 19 Euro). Das ist ziemlich viel Geld in
einer Region, wo Mensch und Vieh verhungern und verdursten. Doch die Täuflinge entschieden sich für Taufwasser, anstatt das Geld für Nahrung und Wasser zu verwenden, und sie entschieden sich auch für eine Taufe durch Untertauchen. Selbst für die Säuglinge musste der
Geistliche im Wasser stehen, auch wenn er diese durch Begießen taufte. Nach der Taufe
drängten die Gemeindemitglieder dann zu dem –inzwischen verschmutzten –restlichen Wasser, um damit ihr Vieh zu tränken.
Diese Geschichte ist ein Bild der Wirklichkeit, in der viele Gemeinschaften leben. Es scheint
eine starke Wechselbeziehung zwischen dem Taufwasser und dem Wasser für den täglichen
Gebrauch zu bestehen. Das Taufwasser steht für das Leben, für die Gnade Gottes und für Erneuerung und Hoffnung. In dem Wunsch dieser bestimmten Gemeinschaft nach Taufwasser,
auch zu einem hohen Preis, spiegelt sich aber auch das gleichermaßen große Verlangen nach
der Versorgung mit Wasser für den täglichen Gebrauch.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
31
4. „Heilige Wasser“–Wasser im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen
In einem solchen Kontext ist es nach wie vor das Wasser, das den Menschen das Evangelium
bringt und die Möglichkeit zu einem anderen Leben bietet. Städtische Kirchen und andere, die
Zugang zu Wasser haben, sowie diejenigen Kirchen, die am Muster der Taufe im Jordan festhalten möchten, planen den Bau ihrer Kirchen so, dass neben dem Altar ein größeres Taufbecken Platz findet, das für den Taufgottesdienst geöffnet und mit Wasser gefüllt werden kann.
Andere vollziehen die Taufe in Schwimmbecken. Die Mehrzahl der traditionellen Großkirchen vollzieht die Taufe durch Begießen. Wenn ich die verschiedenen Praktiken miteinander
vergleiche, komme ich zu dem Schluss, dass die Menschen, denen am meisten nach physischem Wasser dürstet, noch mehr nach Taufwasser dürstet.
In dem Gespräch, das Jesus mit der Samariterin führt (Johannes 4,7-15), bittet die Frau Jesus
um lebendiges Wasser. Natürlich brauchte sie auch das Wasser aus dem Brunnen Jakobs, aber
mehr noch brauchte sie das lebendige Wasser. Gott schenkt der Welt Jesus und Jesus schenkt
sich selbst der Welt als lebendiges Wasser. Dieses lebendige Wasser steht als Bild für den
Segen, der sich stets erneuert und der wie eine Quelle nie versiegt. Durch die Menschen, die
unter Wasserarmut leiden, bittet Christus auch heute noch um etwas zu trinken, um Wasser,
um lebendiges Wasser. Mögen wir in dieser Fastenzeit, in der wir uns einer Reihe von Annehmlichkeiten enthalten, um den Schmerz anderer nachempfinden zu können, auch zu konkreten Vorschlägen gelangen, wie den Vielen eine Antwort gegeben werden kann, die auch
heute noch rufen: Gebt uns Wasser… lebendiges Wasser!
Lucy Wambui Waweru von der Presbyterianischen Kirche von Ostafrika versieht zurzeit ihren
Dienst in der Vereinigten Kirche (Anglikaner, Methodisten und Presbyterianer) in Lavington/Nairobi.
32
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
4. „Heilige Wasser“–Wasser im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen
4.4
Wasserweihe –Theophanie –Hochfest der Orthodoxen Kirche
Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm
der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem
ich Wohlgefallen habe. Matthäus 3,16-17
In der heiligen Tradition und in der Liturgie der östlich-orthodoxen Kirchen hat das Wasser
eine tiefe symbolische Präsenz. Im Sakrament der Taufe ist das Wasser eng verbunden mit
dem Fest der Theophanie, das am 6. Januar gefeiert wird. Die Theophanie (von griech. theophania, was „Erscheinung oder Manifestierung Gottes in der Welt“bedeutet) ist eines der
wichtigen Feste der orthodoxen Kirche und offenbart der Welt die allerheiligste Trinität durch
die Taufe des Herrn durch Johannes den Täufer, dem Vorläufer, in den Wassern des Jordans.
Das Fest bezeichnet das Ende der heiligsten Zeit im Kirchenjahr, der „heiligen zwölf Tage“
zwischen der Geburt des Logos, unseres Gottes und Heilands Jesus Christus, am 25. Dezember und der Theophanie, wenn die drei Personen der heiligen Trinität bei seiner Taufe anwesend sind.
Das Fest beginnt am 5. Januar mit dem „Vorfest der Theophanie“, bei dem im Anschluss an
die Heilige Liturgie die erste Wasserweihe (mikros agiasmos) vorgenommen wird. Am 6.
Januar erfolgt nach der Heiligen Liturgie dann die zweite Wasserweihe (megas agiasmos). In
der südlichen Hemisphäre findet diese Zeremonie im Sommer statt, in der nördlichen im WinMichael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
33
4. „Heilige Wasser“–Wasser im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen
ter. In beiden Fällen handelt es sich um ein traditionelles und freudiges Fest, das die orthodoxe christliche Identität zum Ausdruck bringt.
Die Zeremonie des heiligen Wassers findet im Kirchengebäude statt, doch überall auf der
Welt, wo immer möglich, in der Nähe von offenen Gewässern: an Flüssen, Seen oder am
Meer. Als Zeichen der Segnung so, wie Christus das Wasser des Jordans segnete, wird Weihwasser in ein Gewässer gegossen (See, Fluss, Teich oder Strom) und ein Kreuz ins Wasser
geworfen (das anschließend von Tauchern, die dadurch gesegnet werden, wieder herausgeholt
wird).
Das beim Fest der Theophanie gesegnete Weihwasser wird den Gläubigen zu trinken gegeben, um ihre Gesundheit zu stärken und ihren Leib zu segnen. In den Wochen nach der Theophanie machen Priester vielerorts Hausbesuche und nehmen mit dem Weihwasser, das an
Theophanie gesegnet wurde, Segnungszeremonien vor.
Wir sind in heiligem Wasser getauft worden: heilig, weil es gesegnet wurde, heilig, weil es
lebenserhaltend ist, heilig, weil es Ursprung und Grund allen Lebens ist. Durch die Taufe sind
wir Christen geworden, da wir im Heiligen Geist Gottes getauft worden sind. Die zentrale
Botschaft des Festes der Theophanie lautet: Jesus ist getauft worden, doch auch wir sind getauft worden in seinem Namen und im Namen Gottes, des Vaters, und des Heiligen Geistes.
Die Segnung des Wassers zum Fest der Theophanie ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass die
ganze Schöpfung mit der heilig machenden Gegenwart Gottes erfüllt sein muss. Auch wenn
verschmutztes Wasser auf diese Weise gesegnet wird, muss es die orthodoxe Kirche dennoch
als „heiliges Wasser“ansehen. Diese Anomalie –oder dieser Widerspruch –verweist auf den
skandalösen Unterschied zwischen dem orthodoxen Verständnis von der Heiligkeit der
Schöpfung und der Entweihung dieser Gabe Gottes durch den Menschen.
Zum Abschluss möchte ich aus einer Botschaft Seiner Heiligkeit, des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios, aus dem Jahre 2005 zitieren: „Daraus folgt, dass Wasser die Tiefe des
Lebens und die Berufung zur Verklärung des Kosmos bedeutet. Wasser darf niemals als Privateigentum betrachtet oder behandelt werden, noch darf es ein Mittel zum Zweck der Verwirklichung individueller Interessen sein. Gleichgültigkeit gegenüber der lebenswichtigen
Bedeutung des Wassers ist Lästerung Gottes, des Schöpfers, und ein Verbrechen gegen die
Menschlichkeit.“
2010 ist wieder ein Jahr, in dem alle Christen die Auferstehung Jesu Christi, unseres Gottes
und Heilands, am selben Tag feiern. Wenn wir in diesen sieben Wochen im Zeichen des Wassers und in dieser heiligen Fastenzeit zur Vorbereitung auf Ostern über die Botschaft der Theophanie nachdenken, dann bitten wir auch darum, dass unsere gemeinsame Osterfeier in diesem Jahr ein Symbol der Einheit unter den Christen wie auch unserer gemeinsamen Sorge um
die Heiligkeit des Wassers sein möge.
Lic. Elias Crisostomo Abramides von der Griechisch-Orthodoxen Erzdiözese von Buenos
Aires und Südamerika lebt in Buenos Aires, Argentinien. Er ist Mitglied der Arbeitsgruppe
des Ökumenischen Rates der Kirchen zum Klimawandel.
34
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
4. „Heilige Wasser“–Wasser im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen
4.5
Taufe des Herrn
Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen
ließe. Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen!
Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er’s geschehen. Mt 3,13-15
Jesu Taufe durch Johannes im Jordan ist ein grundlegendes Bild, an das heute bei praktisch
jeder christlichen Taufe erinnert wird. Für die ersten Christen musste Jesu Taufe durch Johannes allerdings etwas irritierend gewesen sein. Schließlich sahen damals viele Menschen in
Johannes einen Rivalen Jesu. Manche glaubten, Johannes sei Gottes letztes Wort der Offenbarung gegenüber den Menschen, und es gibt heute noch Gruppen, die das glauben. Daher könnte die Tatsache, dass Jesus zu Johannes kam, um von ihm getauft zu werden, die Behauptungen der Anhänger des Johannes erhärtet haben.
Die Erzählung von der Taufe Jesu im Neuen Testament ist vielleicht weniger als biografische
Aufzeichnung wichtig als vielmehr als ein Paradigma für jede christliche Taufe. Die Taufe
Jesu durch Johannes war wie die christliche Taufe einzigartig, wurde von einer anderen Person gespendet, eröffnete den Zugang zu einem neuen Leben und bedeutete Erkenntnis des
Hereinbrechens des Reiches Gottes in die Angelegenheiten der Welt. Am bedeutsamsten aber
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
35
4. „Heilige Wasser“–Wasser im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen
ist, dass Jesus bei seiner Taufe die Gabe des Heiligen Geistes zuteil wurde und eine Stimme
vom Himmel die besondere Beziehung zwischen Jesus und seinem Vater verkündete.
Die Christen bekennen in ihrer Taufpraxis, dass Gott den neu Getauften die Gabe des Heiligen Geistes verleiht. Da Jesus bei seiner Taufe „Christus – der Gesalbte“wurde, wird jeder
neue Christ in der Taufe ebenfalls „Christus –ein Gesalbter“. Und da am Jordan die besondere Vater-Sohn-Beziehung angekündigt wurde, werden die Getauften in diese Beziehung mit
Gott eingegliedert. Viele Religionen der Welt verwenden Wasser in ihren Initiationsriten,
doch sind die Christen die einzigen, die bekennen, dass Gott sie in ihrer Taufe mit dem Heiligen Geist ausstattet.
Es sollte uns nicht verwundern, dass alle Christen Jahrhunderte lang in „lebendigem“(d.h. in
reichlich vorhandenem, vorzugsweise fließendem) Wasser taufen wollten. Diese großzügige
Verwendung von Wasser bei der Taufe erinnert an ihre Symbolik von Tod und neuem Leben.
Wenn Wasser auf diese Weise verwendet wird, dann wird die Bedeutung, die Christen mit der
Taufe verbinden, vor den Augen der Gemeinde, die diese zugleich todbringende wie lebenspendende Taufhandlung miterlebt, erkennbar: sie ist Teilhabe an Christi Tod und Auferstehung (Röm 6,3-5; Kol 2,12); Reinwaschung von Sünde (1. Kor 6,11); eine neue Geburt
(Joh 3,5); und die Erfahrung der Rettung aus dem Wasser (1. Petr 3,20-21).
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die meisten Kirchen jedoch angewöhnt, so wenig Wasser zu verwenden, dass die starke Symbolik der Taufhandlung kaum noch zu erkennen ist. Die
wenigen Tropfen, mit denen der Täufling besprengt oder begossen wird, sagen sowohl dem
Täufling als auch der anwesenden Gemeinde wenig über Tod und Neugeburt. Die symbolischen Eigenschaften des Wassers müssen als solche erst erklärt werden, da sie nicht länger für
sich selbst sprechen wie es der Fall wäre, wenn sie großzügig und freigiebig verwendet würden.
Viele Kirchen erneuern heute ihre Taufpraxis, so dass die Taufsymbolik wieder für sich selbst
sprechen kann. Die Passionszeit auf dem Weg nach Ostern bietet sich den Kirchen geradezu
an, um über ihre Taufpraktiken nachzudenken und sich zu fragen, ob diese deutlich genug auf
die Realitäten verweisen, für die sie stehen.
David Holeton ist Professor für Liturgie an der Karlsuniversität in Prag und verantwortlicher
Priester der altkatholischen Kirchengemeinde der Hl. Maria Magdalena an der Moldau.
36
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.1 Ökumenischer Taufgedächtnisgottesdienst
5.
Ökumenische Gottesdienstmodelle und liturgische Gestaltungselemente
5.1
Ökumenischer Taufgedächtnisgottesdienst 9
5.1.1 Erläuterung des Grundmodells und seiner ökumenischen Bedeutung
Ökumenische Taufgedächtnisgottesdienste haben inzwischen in zahlreichen Gemeinden einen
festen Platz im geistlichen Leben. Bei unterschiedlichen Anlässen werden sie in Verbindung
mit ökumenischen Begegnungen gefeiert. [… ] Das Thema „Schöpfung“ bietet sich für die
Konkretisierung dieses Modells an, da in der Taufe das von Gott geschenkte Leben dankbar
bedacht wird, und die Getauften zugleich bekennen, im Geist Jesu Christi eine neue Schöpfung zu sein. Dies hat auch ethische Bedeutung im Blick auf die gemeinsame Sorge für die
Bewahrung der Schöpfung.
Meilensteine bei der Entdeckung der ökumenischen Taufgedächtnisgottesdienste waren der
Evangelischen Kirchentag 1985 in Düsseldorf und der Katholikentag 1986 in Aachen. Bei
diesen Gelegenheiten wurden erstmals ökumenische Taufgedächtnisgottesdienste gefeiert.
Damit wurden Anregungen der 1982 in Lima verabschiedeten Konvergenzerklärungen der
Kommission für Glaube und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen über
Taufe, Eucharistie und Amt aufgenommen und umgesetzt.
Die mittlerweile breite ökumenische Praxis knüpft an die in vielen kirchlichen Traditionen beheimateten Formen der Tauferinnerung an. In unterschiedlicher Weise und in unterschiedlichem Ausmaß sind sie in den einzelnen Kirchen verankert, jeweils eingebettet in einen spezifischen Kontext geistlichen und liturgischen Lebens.
Ein traditioneller, altkirchlich verwurzelter Ort der Tauferinnerung ist die Feier der Osternacht. In der katholischen Liturgie ist dieser frühe Brauch der Tauferneuerung der ganzen
Gemeinde am stärksten bewahrt und ausgestaltet worden. Ergänzt wird diese zentrale gottesdienstliche Tradition durch andere Handlungen und Riten, die die Dimension der Tauferinnerung einschließen. Vor allem die Bekräftigung des Taufglaubens bei der Firmung und der
Erstkommunion gehört dazu. Aber auch die sonntägliche Besprengung mit Weihwasser
(Asperges), das Kreuzzeichen mit Weihwasser am Eingang der Kirche oder die Besprengung
des Sarges beim Begräbnis verweisen auf den Bezugskontext der Taufe.
In den konfessionellen Traditionen der evangelischen Landeskirchen stellt die Konfirmation
den zentralen und klassischen Ort der Tauferneuerung dar. Im Anschluss daran haben Gottesdienste zu Konfirmationsjubiläen einen breiten Eingang in die gottesdienstliche Praxis der
Gemeinden gefunden. Hinzu kommen zunehmend weitere und vielfältige kontextbezogene
und zielgruppenorientierte Formen des Taufgedächtnisses. Im Ablauf des Kirchenjahres steht
am 6. Sonntag nach Trinitatis bei der Verkündigung thematisch die Tauferinnerung im Mittelpunkt.
Nicht in allen Traditionen ist die Tauferinnerung gleichermaßen ausgebildet und verankert. In
der orthodoxen Tradition taucht sie eher beiläufig als explizit auf, wie z.B. im Zusammenhang
der Wasserweihe am Fest der Taufe Jesu. Auch in den meisten evangelischen Freikirchen hat
das Element der Tauferinnerung keine ausgeprägte gottesdienstliche Form gefunden. Vornehmlich in der Verkündigung und der Taufpredigt, sowie in persönlichen Zeugnissen werden
die Glaubenden an ihre eigene Taufe erinnert. Nur vereinzelt gibt es (vor allem in der menno9
aus: Umkehr ökumenisch feiern. Theologische Grundlagen und Praxismodelle. Erarbeitet von Paul
Deselaers, Matthias Haudel, Michael Kappes, Assaad Elias Kattan, Eugenie Neugebauer, Dorothea Sattler
und Klaus Peter Voß in Verbindung mit der ACK in Nordrhein-Westfalen, Frankfurt a.M. –Paderborn 2011,
S. 115–127.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
37
5.1 Ökumenischer Taufgedächtnisgottesdienst
nitischen Tradition) die Feier von Taufjubiläen. Eine agendarische Gestalt hat die Erneuerung
des Taufbundes bzw. die Feier zur Erneuerung des Bundes mit Gott in der Evangelischmethodistischen Kirche.
Grundlegende theologische Basis der ökumenischen Feiern ist die Überzeugung, dass die
Taufe eine konfessionsübergreifende Relevanz und Dimension hat und ein sichtbares Zeichen
und Band der Einheit in Christus verkörpert. Die Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung der Taufe, die 2007 im Magdeburger Dom unterzeichnet wurde, geschah auf der
Grundlage dieses fundamentalen ökumenischen Konsenses. Sie war für die beteiligten Kirchen ein feierlicher und sichtbarer Ausdruck dafür und ist als ein Markstein des ökumenischen Miteinanders der Kirchen in Deutschland zu betrachten. Angesichts noch nicht überwundener Differenzen konnten sich allerdings nicht alle Kirchen der ACK an dieser gegenseitigen Taufanerkennung beteiligen (täuferische Freikirchen und einige orientalisch-orthodoxe
Kirchen). Vor diesem Hintergrund ist es umso dringlicher, sich bei ökumenischen Taufgedächtnisgottesdiensten, wo immer möglich, um integrierende Gestaltungsformen zu bemühen
(Impulse dazu in der Arbeitshilfe „Taufgedächtnis und Glaubenserneuerung“–Texte aus der
Ökumenischen Centrale Nr. 7).
Der ökumenische Taufgedächtnisgottesdienst orientiert sich am Grundmuster der WortGottes-Feier bzw. dem Predigtgottesdienst. Zentrale Elemente sind die Tauferinnerung und
die gemeinsame Neuverpflichtung. Sie stehen im Mittelpunkt der gottesdienstlichen Feier.
Ein gemeinsamer Akt des Bekennens des einen verbindenden trinitarischen Glaubens, verbunden mit Lesungen und Gebeten und begleitet von Symbolen und Zeichenhandlungen, die
auf die Taufe Bezug nehmen (Wasserritus, Kerzen, Segensgeste), geben dem Gottesdienst
seine besondere Signatur. Das Leben im Glauben als Geschenk und Gabe der Neuschöpfung
in Christus soll sichtbar und lebendig werden. Im Rückgang auf die Taufe werden der geistliche Grund und die Quelle der Umkehr und Erneuerung freigelegt und vergegenwärtigt.[… ]
5.1.2
Struktur und Verlauf
1. Eröffnung
Musik/Gesang
Gruß und Einführung
Schuldbekenntnis
Christusanrufung
Gebet
Gesang
Zeichenhandlung
Gesang
Glaubensbekenntnis
(Gesang)
2. Verkündigung und Taufgedächtnis
Lesung
Antwortgesang
(Lesung des Evangeliums)
Auslegung
Lobpreis
3. Abschluss
Fürbitten
Vaterunser
Sendung/Segen/Entlassung
Musik/Gesang
Abkürzungen
A
Alle/Gemeinde
G
Gemeinde
L
Liturg/in
S
Sprecher/in
38
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.1 Ökumenischer Taufgedächtnisgottesdienst
(Orgel-) Musik zum Eingang
Einzug
der mitwirkenden Liturgen aus den beteiligten Gemeinden mit Kreuz, Bibel, Kerze, Blumen,
einem gefüllten Wasserkrug und einer Wasserschale. Die Symbolgegenstände werden auf dem
Altar/im Chorraum für alle sichtbar abgestellt.
Eingangslied
Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren GL 258 / EG 316
Eingangsvotum –Begrüßung
L
Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
A
Amen.
L
Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns
gegeben ist. (Röm 5,5).
Unser Herr Jesus Christus, dessen Namen wir seit unserer Taufe tragen, sei mit euch.
Und mit deinem Geiste.
A:
L
Liebe Schwestern und Brüder.
Als Christen aus verschiedenen Kirchen feiern wir diesen Gottesdienst. Gott hat uns zu
einem Volk berufen, über alle Trennungen hinweg. Unser Glaube, der uns eint, und
unsere Taufe, die wir empfangen haben, verbinden uns in Jesus Christus. Er ist der
Anfang der neuen Schöpfung, die Quelle unserer Hoffnung und das Fundament unseres Heils. In diesem Gottesdienst wollen wir uns gemeinsam erinnern lassen an den
Reichtum der Gnade, der uns in der Taufe zugesprochen ist. Christus, zu dem wir gehören, er stärkt unseren Glauben und gibt uns Kraft und Orientierung für unser Leben
und Handeln heute.
Lied
Nun jauchzt dem Herren alle Welt
GL 474 / EG 288
Sündenbekenntnis
Bußgebet
S1:
Gott, Schöpfer allen Lebens,
der sichtbaren und der unsichtbaren Welt,
du hast mit uns einen Bund geschlossen
und willst uns nahe sein.
Du kennst
unsere Herzen,
unsere Gedanken
und unser Handeln.
Wir entfernen uns von dir und voneinander,
wo wir die Gaben deiner Schöpfung
zurückweisen,
vernachlässigen,
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
39
5.1 Ökumenischer Taufgedächtnisgottesdienst
missbrauchen,
ausbeuten,
zerstören,
er-schöpfen.
S2:
Wir entfernen uns von dir und voneinander,
wo wir auf Kosten der anderen leben,
wo wir ihnen die Luft zum Atmen,
den Boden unter den Füßen,
die Lebens-Grundlage
und Wege in die Zukunft nehmen.
Wir entfernen uns von dir und voneinander,
wo wir unsere eigenen Schwächen übersehen:
unsere Bequemlichkeit,
unseren verschwenderischen Lebensstil,
unseren hohen Energieverbrauch,
unsere Unachtsamkeit,
im Kleinen und für das Große.
S3:
Gott, der Schöpfer allen Lebens,
der sichtbaren und der unsichtbaren Welt,
lenke unsere Herzen, unsere Gedanken
und unser Handeln zu ihm hin,
damit wir gemeinsam und füreinander
die Sorge lernen für die Bewahrung
seiner Schöpfung –damit alle leben können.
G:
Amen
aus: MISEREOR, Fastenaktion 2009 „Gottes Schöpfung bewahren - damit alle leben können“, Liturgische Bausteine, Aachen 2009, S. 63.
Gnadenzuspruch
L
Gott sagt seinem Volk sein Erbarmen zu. In seiner Gnade verheißt er:
Ich gieße Wasser auf den dürstenden Boden, rieselnde Bäche auf das trockene Land.
Ich gieße meinen Geist über deine Nachkommen aus und meinen Segen über deine
Kinder (Jes 44,3)
Nachlass, Vergebung und Verzeihung unserer Sünden gewähre uns der allmächtige
und barmherzige Herr.
Anrufung
L
Gott, Schöpfer und Herr der Welt,
du hast alles, was ist, ins Leben gerufen. Du hast uns dazu bestimmt, deine Ebenbilder
zu sein, um deine Schöpfung zu schützen und zu bewahren.
G
Kyrie eleison (gesungen oder gesprochen)
L
Herr Jesus Christus, Erlöser und Versöhner,
du hast uns zu Gliedern an deinem Leib gemacht.
40
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.1 Ökumenischer Taufgedächtnisgottesdienst
Mit der Taufe hast du uns in deine Nachfolge gerufen.
G
Kyrie eleison
L
Gott, Heiliger Geist, Beistand und Erneuerer,
du erfüllst unsere Herzen mit der Kraft deiner Liebe.
In einer bedrohten und zerrissenen Welt
ermutigst du uns, für Gerechtigkeit und Frieden zu wirken.
G
Kyrie eleison
Gebet
L
G
Gott, du bist die Quelle des Lebens. In deinem Licht sehen wir das Licht. Dich preisen
wir für die Werke deiner Schöpfung. Dein schöpferisches Wort steht am Anfang dieser
Welt und unseres Daseins. Es ist der Urgrund allen Lebens. In Christus hast Du dein
vollmächtiges Wort der Liebe und Gnade erneuert. Heil und Rettung wirkst du, wo
Unheil und Zerstörung unser Leben bedrohen. Erleuchte uns durch deinen Geist und
lass uns gemeinsam neu den Reichtum deiner Gnade erkennen und die Würde der Berufung ergreifen, die uns in der Taufe zuteil geworden ist.
Amen.
Lied
Herr, Jesu Christ, dich zu uns wend EG 155 / GL 516
Lesung
Tit 3,4-8 (oder Röm 6,3-8)
Antwortpsalm
Psalm 95,1-7 ( als Psalmodie oder mit gesungenem Kehrvers)
Evangelium
G
Joh 3,1-6 (oder Mt 28,16-20)
Halleluja (gesungen)
Predigt
Lied
Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt
EG 638
Hinführung zum Taufgedächtnis
L:
In diesem Gottesdienst dürfen wir persönlich und gemeinsam annehmen und erneuern,
wozu wir in der Taufe berufen sind. Wir wollen bekräftigen, was uns im Leben leitet
und trägt und uns miteinander als Glieder am Leib Christi verbindet. Gott, der uns von
falschen Wegen erlöst und befreit, ruft uns zu immer neuen Umkehr zu ihm auf.
Wir sind gerufen, mit Gottes Schöpfung verantwortungsvoll umzugehen. Als Zeichen
für neues und lebendiges Leben wollen wir in Erinnerung an Gottes Zusage, die er uns
in unserer Taufe gegeben hat, gleich einander mit Wasser segnen und senden.
Wassermeditation
Aus einem Krug wird Wasser in Schalen gegossen.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
41
5.1 Ökumenischer Taufgedächtnisgottesdienst
(Alternativ können die Liturgen mit der Gemeinde auch zum Taufstein/Taufbrunnen gehen
und dort die Wasserschalen mit Wasser aus dem Taufbrunnen füllen. Dann stellt sich die Gemeinde im Halbkreis um den Taufstein/Taufbrunnen.)
L1
Ohne Wasser gibt es kein Leben. Es erquickt und belebt.
In der Bibel ist das Wasser ein elementares Zeichen der Schöpfung.
Menschen und Tiere, Bäume und Pflanzen können ohne Wasser nicht existieren.
Wasser erinnert an die grundlegenden Gaben und gefährdeten Güter der Schöpfung.
L2
Wasser ist aber auch Zeichen bedrohlicher und tödlicher Urgewalt.
Im Anfang, so heißt es bei der Erschaffung der Erde, schwebte Gottes Geist über den
Wassern. Mitten in den Urgewalten des Chaos schafft Gott Raum zum Leben.
L3
In der Geschichte von der großen Flut, in der alles untergeht, rettet Gott Noah in der
Arche.
Beim Durchzug durch das Rote Meer befreit Gott die Töchter und Söhne Abrahams
aus der Hand ihrer Bedränger und führt sie in das Land der Verheißung.
L1
Wasser wird zum Zeichen des neuen Lebens, Zeichen der rettenden Macht Gottes.
L2
Die Taufe Jesu offenbart die heilbringende Zeitenwende. Jesus, der die Taufe des Johannes empfängt, stellt sich an die Seite der Sünder. Er ist der gesandte und vom Geist
göttlicher Liebe erfüllte Gottessohn.
L3
Das Wasser unserer Taufe, die wir im Namen Christi empfangen haben, ist ein Zeichen der in Christus angebrochenen Neuschöpfung. Es ist Symbol der erneuernden
Kraft Gottes. Gott gibt uns Anteil am Tod und an der Auferstehung Jesu Christi. Er
macht uns im Glauben gewiss, dass unsere Schuld vergeben ist und dass wir teilhaben
an einem neuen Leben in seinem Geist.
Lied
oder
Lied
Nun singe Lob, du Christenheit
Laudate omnes gentes
EG 265 / GL 638
Taizé / EG 181.6
Glaubensbekenntnis (Ökumenisches Glaubensbekenntnis von Nizäa–Konstantinopel
381)
L
Mit den Worten des Ökumenischen Bekenntnisses wollen wir unseren gemeinsamen
Glauben bekennen.
G
Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen…
Verpflichtung auf den Taufbund
L
42
Das ist unser gemeinsamer Glaube, der uns trägt und in dem unser Leben gründet.
Durch Gottes Geist will er Gestalt gewinnen in unserem Denken und Handeln.
Deshalb frage ich Euch:
Ihr habt den Glauben bekannt an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, den
Urheber und Freund des Lebens. Wollt Ihr euch mit seiner Gnade nach Kräften einsetMichael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.1 Ökumenischer Taufgedächtnisgottesdienst
zen für einen achtungsvollen Umgang mit dem Leben, für die Bewahrung der Schöpfung?
G
Ja, das wollen wir.
L
Ihr habt den Glauben bekannt an Jesus Christus, den Erlöser der Welt.
Wollt Ihr mit euren Worten und Taten Boten seines Heils und seiner Liebe sein, euch
mit seiner Hilfe einsetzen für Gerechtigkeit und Frieden unter den Menschen?
G
Ja, das wollen wir.
L
Ihr habt den Glauben bekannt an den Heiligen Geist, der Gemeinschaft schenkt und
das Leben erneuert. Wollt Ihr euch mit seiner Kraft einsetzen für eine wachsende Einheit, für ein geschwisterliches Zusammenleben der Kirchen und für Versöhnung unter
den Völkern?
G
Ja, das wollen wir.
L
Der dreieinige Gott, in dessen Namen wir getauft wurden, der Vater und der Sohn und
der Heilige Geist, spreche zu unserem menschlichen Ja sein göttliches Amen.
Er stärke unseren Glauben, unsere Hoffnung und unsere Liebe. Er schenke zu unserem
Wollen das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen.
G
Amen.
Lied
Ich bin getauft auf deinen Namen
(oder: Ich bin getauft und Gott geweiht
EG 200
GL 635)
Zeichenhandlung –Segensgeste
L
Als Zeichen der Verbundenheit wollen wir uns einander Gottes Frieden zusprechen
und dies mit einer Geste des Segens verbinden, indem wir mit Wasser die Hand des
Nachbarn berühren und ihm sagen: „Christus sagt: Ich bin das Leben. Er segne und
begleite dich.“
Wasserschalen werden weitergereicht. Jeder, der möchte, taucht seine Hand in das Wasser
und berührt die Hand des Nachbarn, macht dabei ein Kreuzzeichen in dessen Hand oder/und
spricht ihm das Segenswort zu. Während der Zeichenhandlung: Orgelspiel und nachfolgendes
Lied.
Lied
Strahlen brechen viele aus einem Licht
EG 268
Fürbitten
S1
Herr, unser Gott, Schöpfer und Vater, du bist die Quelle des Lebens.
Dein Namen wurde über uns ausgerufen am Tag unserer Taufe.
Hilf uns, behutsam und gerecht mit den Gaben und Gütern deiner Schöpfung umzugehen.
Darum bitten wir dich:
G
Herr, erbarme dich. (gesprochen oder gesungen)
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
43
5.1 Ökumenischer Taufgedächtnisgottesdienst
S2
Herr, unser Gott, dein Sohn Jesus Christus, hat sich hingegeben für uns.
Seine Liebe befreit uns von Angst und Schuld.
Er stiftet Versöhnung und macht uns zu Gliedern an seinem Leib.
Hilf uns, für Einheit zu wirken und Mauern zu überwinden.
Darum bitten wir dich:
G
Herr, erbarme dich.
S3
Herr, unser Gott, dein Geist erneuert und verwandelt. Er bringt Erstarrtes in
Bewegung.
Seit unserer Taufe erfüllt er unsere Herzen.
Stärke unseren Glauben und unsere Liebe. Hilf uns, Boten der Hoffnung zu sein.
Darum bitten wir Dich:
G
Herr, erbarme dich.
Vaterunser
L
Gemeinsam beten wir, wie Christus uns zu beten gelehrt hat:
Vater unser…
Sendung und Segen
L
Wir haben gemeinsam unseren Glauben bekannt und unserer Taufe gedacht. Gott, der
uns berufen hat, sendet uns in diese Welt. Er sagt uns zu, gegenwärtig zu sein, wo wir
in seinem Namen handeln. Sein Segen begleitet uns.
L
Gott, der Herr, segne euch und behüte euch.
Der Herr lasse sein Angesicht über euch leuchten und sei euch gnädig.
Er wende euch sein Antlitz zu und schenke euch Frieden.
G
Amen .
Auszug / Orgelnachspiel
Verwandte Literatur
 Die Feier des Taufgedächtnisses. Liturgische Handreichung. Hg. im Auftrag der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch Lutherischen Kirche Deutschlands vom Amt der
VELKD, Hannover 2007.
 Gottes Schöpfung feiern. Schöpfungstag und Schöpfungszeit – 1. September bis Erntedank. Arbeitshilfe der ACK. Ökumenischen Centrale, Frankfurt am Main 2008.
 Klaus Peter Voß, Die Liturgie der Tauferinnerung und ihre ökumenische Dimension. Ein
Werkstattbericht. In: Klaus Peter Voß, Ökumene und freikirchliches Profil. Beiträge zum
zwischenkirchlichen Gespräch, Berlin 2008, S. 178-192.
 Ökumenische Gottesdienste. Anlässe, Modelle und Hinweise für die Praxis. Hg. vom
Deutschen Liturgischen Institut, Trier, und vom Gottesdienst-Institut der Evangelisch–
Lutherischen Landeskirche in Bayern, Nürnberg, Freiburg i.Br. 2003.
44
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.2 Ökumenischer Wortgottesdienst mit Jugendlichen zum Thema „Wasser"
5.2
Ökumenischer Wortgottesdienst mit Jugendlichen zum Thema „Wasser"10
Vorbemerkung
Unsere Gottesdienstvorlage will kein fertiges Konzept liefern, sondern soll vor allem auch
zur Anregung für eigene Ideen dienen.
Das Thema „Wasser" mit dem Psalmvers „Bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht
schauen wir das Licht" (Ps 36,10) diente uns zur Inspiration.
Der Gottesdienstgemeinde soll im Verlauf des Wortgottesdienstes die Symbolkraft des
Wassers verdeutlicht werden. Deshalb macht es Sinn, mit dem Wasser im Wortgottesdienst
direkt in Berührung zu kommen, damit das gesprochene Wort auch zu einer sinnlichen Erfahrung werden kann. Hierfür haben wir nach der Ansprache zur Lesung genügend Raum
für eine Meditation mit Symbolhandlung vorgesehen. Das gemeinsame Beten und Feiern
von gemischtkonfessionellen Christen soll allen zu einem Quell des Lebens werden.
Vorbereitung
Vor dem Gottesdienst sollte in der Mitte des Altarraumes oder auf dem Altar eine große
(Glas-)Schale mit Wasser gestellt werden. Schön wäre es, diese Stelle mit bunten Tüchern zu
gestalten. Wenn die versammelte Gemeinde zu groß ist, können im Altarraum auch mehrere Wasserschalen aufgestellt werden. Die stärkste Symbolkraft hätte allerdings das mit
Wasser gefüllte Taufbecken anstelle der Schale.
Abkürzungen:
V: Vorsteher / Leiter des Wortgottesdienstes; L: Lektor; A: Alle; EG: Evangelisches Gesangbuch; GL: Gotteslob; TB: Troubadour
Eröffnungslied: GL 270 / EG 599 oder GL 638 / EG 265
Begrüßung und Hinführung zum Thema:
V: Erinnern Sie sich noch an ihre letzte Wanderung an einem heißen Sommertag? Vielleicht waren sie erschöpft und durstig und sehnten sich nach einer Erfrischung. Schließlich
entdeckten sie zwischen moosbedeckten Steinen eine Quelle, aus der ihr kühles, klares
Wasser hervorsprudelte. Diese Quelle war ein Geschenk und gab neue Kraft und Erfrischung. Auch Gott will für uns so eine Quelle sein. Es liegt an uns wie viel wir daraus
schöpfen. Denn bei Gott ist die Quelle des Lebens, in seinem Licht schauen wir das Licht.
10
Melanie Bräundl, Melanie Jörg, Florian Kluger, Thema „Wasser“. Ökumenischer Wortgottesdienst mit Ju–
gendlichen, in: Bei dir ist die Quelle des Lebens (Ps 36,6–10). Materialien für Gemeindearbeit und Gottes–
dienst zur Gebetswoche für die Einheit der Christen 2002, Stuttgart –Eichstätt 2001, S. 30–33.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
45
5.2 Ökumenischer Wortgottesdienst mit Jugendlichen zum Thema „Wasser"
Kyrie / Bußakt (nach Ps 36,6.7a.10)
L1:
„Herr deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, /
deine Treue, so weit die Wolken ziehn.“(V 6)
L2:
Aber meine eigene Begrenztheit hindert mich daran, gütig und treu zu sein. So wie
ich bin, bringe ich mich vor dich.
A:
Herr erbarme dich
L1:
„Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes, /
deine Urteile sind tief wie das Meer.“(V 7a)
L2:
Ich jedoch versuche oft nicht in die Tiefe des Meeres der Wahrheit vorzudringen,
sondern bleibe mit meinem vorschnellen Urteilen an der Oberfläche der Ungerech–
tigkeit.
So wie ich bin, bringe ich mich vor dich.
A:
Christus erbarme dich
L1:
„Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, /
in deinem Licht schauen wir das Licht.“(V 10)
L2:
Die Sinnlichkeit deiner Lebensquelle bleibt mir nicht selten verborgen. Meinen
Durst an dir zu stillen, vergesse ich schnell im Trubel der Zeit.
So wie ich bin, bringe ich mich vor dich.
A:
Herr, erbarme dich
Lied: GL 258 / EG 317 oder TB 133
Lesung: Joh 4,7-15 (Die Frau am Jakobsbrunnen)
Ansprache:
Die Ansprache sollte eine Verbindung der Lesung zur anschließenden meditativen Symbolhandlung sein. Nach der Ansprache sollte die Gemeinde dazu eingeladen werden zur Wasserschale/Taufbecken zu gehen und sich durch Eintauchen der Hand in das Wasser zu bekreuzigen oder die Stirn zu benetzen.
Hierbei kann der folgende Meditationstext vorgelesen und mit sanfter Meditationsmusik (evtl.
Meeresrauschen) unterlegt werden.
Meditationstext:
Wasser reinigt und erfrischt uns.
Das Plätschern der Wellen am See beruhigt uns.
Die Quelle schenkt uns neues Leben.
Ich möchte
mit dem Wasser des neuen Lebens
übergossen
eingetaucht
gewaschen
46
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.2 Ökumenischer Wortgottesdienst mit Jugendlichen zum Thema „Wasser"
erneuert werden.
Ich möchte
mit dem Wasser der Liebe
mit dem Wasser des Friedens
mit dem Wasser der Gerechtigkeit
reingewaschen werden.
Ich glaube, dass Gott für mich dieses lebendige Wasser ist.
In diesem Wasser werde ich gewaschen und gehe als neuer Mensch hervor.
Das Evangelium ist die Quelle, aus der ich leben darf. Hilf mir aus dieser
Quelle zu schöpfen, so dass ich dich immer wieder neu erkenne. Ich lebe in
diesem Bewusstsein,
glaube und hoffe, dass Gott mich stets aufs Neue stärkt.
Ich lebe mit dieser Hoffnung in der Gemeinschaft der Christen.
Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.
Ich vertraue darauf, dass mein Durst nach dir, dem lebendigen Gott,
stets gestillt wird.
Du wäscht mich im Wasser deiner Barmherzigkeit rein.
Lass mich selbst das klare und lebendige Wasser sein,
dass anderen Menschen ihr Leben erfrischt.
Fürbitten:
S 1:
Herr, du hast der Frau am Jakobsbrunnen versprochen für immer ihren Durst zu
stillen, wenn sie von deinem Wasser trinkt.
Lass uns erkennen, dass du das Wasser des Lebens bist.
A:
Wir bitten dich erhöre uns
S 2:
Herr, du gibst uns Orte, an denen wir verweilen können.
Hilf dass wir uns Zeit nehmen das Plätschern des Wassers oder den Gesang der Vögel
zu hören, um dir zu begegnen.
A:
Wir bitten dich erhöre uns
S 3:
Herr, du schenkst uns Sehnsucht nach lebendigem Wasser.
Lass diese Sehnsucht einen festen Platz in unserem Leben haben und unversiegbar in
uns sprudeln.
A:
Wir bitten dich erhöre uns
S 1:
Herr, deine Kraft ist frisch und stark.
Gib uns den Glauben, dass du uns für den Alltag stärken und uns Ausdauer schen–
ken willst.
A:
Wir bitten dich erhöre uns
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
47
5.2 Ökumenischer Wortgottesdienst mit Jugendlichen zum Thema „Wasser"
S 2:
Herr, du bist für uns zur Quelle geworden, indem du uns Jesus geschenkt hast.
Lass uns unseren Mitmenschen von deiner Liebe erzählen und lass uns die Liebe
weitergeben, damit sie zu einer unversiegbaren Quelle wird.
A:
Wir bitten dich erhöre uns
S 3:
Herr, wir stehen als Menschen verschiedener Kirchen vor dir.
Hilf uns, dass wir nicht wie Wellen gegeneinander prallen und im Tosen des Was–
sers unterzugehen drohen. Lass uns einander respektvoll begegnen, weil wir alle im
selben Fluss schwimmen.
A:
Wir bitten dich erhöre uns
Lied: GL 644 / EG 263 oder TB 151 oder TB 132
Vater unser
Segensgebet:
L:
L:
A:
Herr, allmächtiger Gott, alles hat seinen Ursprung in dir.
Segne uns, die wir uns mit dem lebensspendenden Wasser als Zeichen der Einheit
und Reinigung benetzt haben.
Wenn Krankheit und Gefahren und die Anfechtungen des Bösen uns bedrohen, dann
lass uns deinen Schutz erfahren.
Gib, dass die Wasser des Lebens allezeit für uns fließen und uns Rettung und
Einheit bringen.
Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn.
A: Amen
Und der Segen des allmächtigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des
Heiligen Geistes, komme auf uns herab und bleibe bei uns allezeit.
Amen
Schlusslied: EG 171
48
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper
5.3
Modell einer Ökumenischen Vesper
1. Grundstruktur
1. Eröffnung
Predigt (Homilie)
Eröffnungsruf
Besinnung
(Einführung/Gebet)
Stille
Musik/Gesang/Hymnus
Lobgesang Mariens (Magnificat)
2. Psalmengebet
4. Gebet
1. Psalm
Fürbitten
2. Psalm
Vaterunser
3. Gesang aus dem Neuen Testa–
Schlussgebet
ment (Canticum)
3. Wort Gottes und Besinnung
Lesung
5. Abschluss
Segen/ Sendung
Schlusslied
Antwortgesang
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
49
5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper
2. Verlauf
Orgelvorspiel
Eröffnungsruf
Liturg/in (= L):
Gemeinde (= G):
Oder:
L:
G:
L:
G:
L:
G:
Herr, öffne meine Lippen,
damit mein Mund dein Lob verkünde.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,
wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit.
Amen. (Halleluja.)
Herr, tue meine Lippen auf,
dass mein Mund deinen Ruhm verkündige.
Gott, gedenke mein nach deiner Gnade.
Herr, erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.
Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste,
Wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit.
Amen. (Halleluja)
(EG 727; s. auch RG 555)
Begrüßung/Einführung
Ich heiße Sie alle herzlich zu dieser Vesper willkommen.
Sie steht unter dem Thema: „Wasser – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens. Wir greifen
damit das Schwerpunkthema des diesjährigen Ökumenischen Schöpfungstages bzw. der
Schöpfungszeit auf, die dem „Wasser“gewidmet ist.
Der Impuls zu der Feier eines Ökumenischen Schöpfungsgottesdienstes in dieser Zeit des
Kirchenjahres ging von der 3. Europäischen Ökumenischen Versammlung im September 2007
in Hermannstadt/Sibiu in Rumänien aus. Vertreterinnen und Vertreter aller Konfessionsfamilien in Europa haben empfohlen, „dass der Zeitraum zwischen dem 1. September und 4. Oktober dem Gebet für den Schutz der Schöpfung und der Förderung eines nachhaltigen Lebensstils gewidmet wird, um den Klimawandel aufzuhalten.“ Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland hat diese Empfehlung aufgegriffen und beschlossen am 1. Freitag im September beziehungsweise wo dies nicht möglich ist, im Zeitraum vom 1. September
bis zum 4. Oktober eines jeden Jahres in ökumenischer Gemeinschaft einen „Tag der Schöpfung“zu feiern. Er findet in diesem Jahr das zweite Mal statt.
[Wir feiern diesen Gottesdienst ökumenisch. Beteiligt sind: (Gemeinden nennen).]
Wir bitten, dass Gottes Geist uns durch diesen Gottesdienst führt.
Lied
50
„Gott liebt diese Welt“(GL 297/EG 409)
oder
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper
„Solang es Menschen gibt auf Erden“(GL 300/EG 427)
1. Psalm
Psalm 104,1–24 (im Wechsel gesprochen)
1 Lobe den Herrn, meine Seele! / Herr, mein Gott, wie groß bist du! / Du bist
mit Hoheit und Pracht bekleidet.
2 Du hüllst dich in Licht wie in ein Kleid, / du spannst den Himmel aus wie ein
Zelt.
3 Du verankerst die Balken deiner Wohnung im Wasser. / Du nimmst dir die
Wolken zum Wagen, / du fährst einher auf den Flügeln des Sturmes.
4 Du machst dir die Winde zu Boten / und lodernde Feuer zu deinen Dienern.
5 Du hast die Erde auf Pfeiler gegründet; / in alle Ewigkeit wird sie nicht wan–
ken.
6 Einst hat die Urflut sie bedeckt wie ein Kleid, / die Wasser standen über den
Bergen.
7 Sie wichen vor deinem Drohen zurück, / sie flohen vor der Stimme deines
Donners.
8 Da erhoben sich Berge und senkten sich Täler / an den Ort, den du für sie
bestimmt hast.
9 Du hast den Wassern eine Grenze gesetzt, / die dürfen sie nicht überschreit
en; / nie wieder sollen sie die Erde bedecken.
10 Du lässt die Quellen hervorsprudeln in den Tälern, / sie eilen zwischen den
Bergen dahin.
11 Allen Tieren des Feldes spenden sie Trank, / die Wildesel stillen ihren
Durst daraus.
12 An den Ufern wohnen die Vögel des Himmels, / aus den Zweigen erklingt
ihr Gesang.
13 Du tränkst die Berge aus deinen Kammern, / aus deinen Wolken wird die
Erde satt.
14 Du lässt Gras wachsen für das Vieh, / auch Pflanzen für den Menschen, die
er anbaut, damit er Brot gewinnt von der Erde /
15 und Wein, der das Herz des Menschen erfreut, damit sein Gesicht von Öl
erglänzt / und Brot das Menschenherz stärkt.
16 Die Bäume des Herrn trinken sich satt, / die Zedern des Libanon, die er ge–
pflanzt hat.
17 In ihnen bauen die Vögel ihr Nest, / auf den Zypressen nistet der Storch.
18 Die hohen Berge gehören dem Steinbock, / dem Klippdachs bieten die Fel–
en Zuflucht.
19 Du hast den Mond gemacht als Maß für die Zeiten, / die Sonne weiß, wann
sie untergeht.
20 Du sendest Finsternis und es wird Nacht, / dann regen sich alle Tiere des
Waldes.
21 Die jungen Löwen brüllen nach Beute, / sie verlangen von Gott ihre Nah–
rung.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
51
5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper
22 Strahlt die Sonne dann auf, so schleichen sie heim / und lagern sich in ihren
Verstecken.
23 Nun geht der Mensch hinaus an sein Tagwerk, / an seine Arbeit bis zum
Abend.
24 Herr, wie zahlreich sind deine Werke! / Mit Weisheit hast du sie alle ge–
macht, / die Erde ist voll von deinen Geschöpfen.
oder gesungen mit dem Kehrvers „Herr, unser Herrscher, wie gewaltig..“
(GL 710)
2. Psalm
Psalm 148 (im Wechsel gesprochen)
1 Halleluja! Lobt den Herrn vom Himmel her, / lobt ihn in den Höhen:
2 Lobt ihn, all seine Engel, / lobt ihn, all seine Scharen;
3 lobt ihn, Sonne und Mond, / lobt ihn, all ihr leuchtenden Sterne;
4 lobt ihn, alle Himmel / und ihr Wasser über dem Himmel!
5 Loben sollen sie den Namen des Herrn; / denn er gebot, und sie waren er–
schaffen.
6 Er stellte sie hin für immer und ewig, / er gab ihnen ein Gesetz, das sie nicht
übertreten.
7 Lobt den Herrn, ihr auf der Erde, / ihr Seeungeheuer und all ihr Tiefen,
8 Feuer und Hagel, Schnee und Nebel, / du Sturmwind, der sein Wort voll–
zieht,
9 ihr Berge und all ihr Hügel, / ihr Fruchtbäume und alle Zedern,
10 ihr wilden Tiere und alles Vieh, / Kriechtiere und gefiederte Vögel,
11 ihr Könige der Erde und alle Völker, / ihr Fürsten und alle Richter auf Er–
den,
12 ihr jungen Männer und auch ihr Mädchen, / ihr Alten mit den Jungen!
13 Loben sollen sie den Namen des Herrn; / denn sein Name allein ist erhaben,
/ seine Hoheit strahlt über Erde und Himmel.
14 Seinem Volk verleiht er Macht, / das ist ein Ruhm für all seine Frommen, /
für Israels Kinder, das Volk, das ihm nahen darf. Halleluja!
oder gesungen mit dem Kehrvers „Sende aus deinen Geist und das Antlitz der
Erde wird neu“(GL 253)
52
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper
Psalmgebet11
Gott,
du hast Wasser des Lebens.
Gib uns davon zu trinken,
damit die Wüsten in uns grün werden.
Gib uns davon zu trinken,
damit das Harte in uns weich wird,
damit Liebe wachsen kann,
die Hoffnung nie versiegt,
der Glaube nicht austrocknet.
Gott,
gib uns das Wasser des Lebens
und lass es in uns
zur sprudelnden Quelle werden,
zur Quelle, die nie versiegt.
Und mach uns Mut,
Gott,
dieses Wasser des Lebens an
andere weiterzugeben,
es nicht in uns einzusperren,
Dämme und Mauern darum zu bauen,
sondern es auszugießen,
mit anderen zu teilen.
Gib du uns
Das Wasser des Lebens.
Gesang aus dem Neuen Testament „Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes“(GL 694)
oder
„Christus Sieger, Christus König, Christus Herr in E –
wigkeit“(GL 564)
Lesung
Genesis/1. Mose 9,8–17
Exodus / 2. Mose 17,1–7
Joh 4,7–15
Offb 21,1–7
Lied/Kanon
„Lobet und preiset ihr Völker den Herrn“(GL 282 / EG 337)
oder
Wasser aus wieviel Wolken geregnet ...
11
oder
oder
oder
nach: Andrea Schwarz, Singt das Lied der Erlösung. Mit Gott das Leben feiern. Freiburg – Basel – Wien
1990, S. 114.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
53
5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper
oder
„Agios, o Theos“(= Heiliger Gott, Heiliger Mächtiger, Heiliger
Unsterblicher, erbarme dich unser“)(orthodox)
Predigt (Homilie)
Lied
2. Herr, sei gelobt durch unsre Schwester Mond,
und durch die Sterne, die du gebildet hast.
Sie sind so hell, so kostbar und so schön.
3. Herr sei gelobt durch unsren Bruder Wind,
durch Luft und Wolken und jeglich Wetter.
Dein Odem weht, dort wo es ihm gefällt.
54
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper
4. Herr, sei gelobt durch Schwester Wasser,
sie ist gar nützlich, demutsvoll und keusch.
Sie löscht den Durst, wenn wir ermüdet sind.
5. Herr, sei gelobt durch Bruder Feuer,
der uns erleuchtet die Dunkelheit und Nacht.
Er ist so schön, gar kraftvoll und auch stark.
6. Herr, sei gelobt durch Mutter Erde,
die uns ernährt, erhält und Früchte trägt.
Die auch geschmückt durch Blumen und Gesträuch.
7. Herr, sei gelobt durch jene, die verzeihn,
und die ertragen Schwachheit, Leid und Qual.
Von dir, du Höchster, werden sie gekrönt.
8. Herr, sei gelobt durch unsren Bruder Tod,
dem kein Mensch lebend je entrinnen kann.
Der zweite Tod tut uns kein Leide an.
oder
„Komm, Heilger Geist, der Leben schafft“
(GL 241, EG 552)
Bußakt12
Lasst uns beten:
O Gott,
Schöpfer des Wassers, Quelle des Lebens,
Wir bekennen unsere Unfähigkeit,
den vielen Ungerechtigkeiten der Welt entgegenzutreten,
wie dem falschen Umgang mit Wasser.
Aber wir bekennen auch unsere Neigung,
dein Geschenk der Liebe, das allen Menschen zuteil wird, einzuschränken.
Vergib uns, wenn wir deine Güte und Gerechtigkeit hintertreiben.
Vergebungsbitte
Wir bitten dich,
vergib uns.
Laß es nicht nur beim Klagen, bei Appellen und
schönen Gottesdiensten
sein Bewenden haben.
Gib uns die Kraft, uns zu verändern
12
nach: Wasserströme in der Einöde. Gottesdienstordnung 5. Sonntag der Passionszeit (21. März 2010), hrsg.
von Ökumenisches Wassernetzwerk (ÖWN), download unter:
http://www.oikoumene.org/de/activities/oekumenisches-wassernetzwerk-oewn/ressourcen-und-links/oewnmaterialien.html.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
55
5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper
und bei uns selbst damit anzufangen.
Amen.
und/oder
Lobgesang Mariens (Magnificat)
„Meine Seele preist die Größe des Herrn“
(GL 689; KG 274.1)
Fürbitten13
Lasst uns beten:
L
Gott, unser Schöpfer, du hast die Erde geschaffen und gesehen, dass alles gut war.
Wasser bedeutet Leben; Flüsse sind Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen.
Daher bitten wir dich:
S1
Wir bitten für uns und die kommenden Generationen:
Dass wir bei all unserem Planen und Tun Achtung beweisen vor deiner Schöpfung,
damit wir unseren Kindern eine lebenswerte Umwelt erhalten.
A:
Wir bitten dich erhöre uns
S 2:
Herr, du schenkst uns Sehnsucht nach lebendigem Wasser.
Lass diese Sehnsucht einen festen Platz in unserem Leben haben und unversiegbar in
uns sprudeln.
A:
Wir bitten dich erhöre uns
S 3:
Herr, deine Kraft ist frisch und stark.
Gib uns den Glauben, dass du uns für den Alltag stärken und uns Ausdauer schen–
ken willst.
A:
Wir bitten dich erhöre uns
S 1:
Herr, du bist für uns zur Quelle geworden, indem du uns Jesus geschenkt hast.
Lass uns unseren Mitmenschen von deiner Liebe erzählen und lass uns die Liebe
weitergeben, damit sie zu einer unversiegbaren Quelle wird.
A:
Wir bitten dich erhöre uns
S 2:
Herr, wir stehen als Menschen verschiedener Kirchen vor dir.
Hilf uns, dass wir nicht wie Wellen gegeneinander prallen und im Tosen des Was–
sers unterzugehen drohen. Lass uns einander respektvoll begegnen, weil wir alle im
selben Fluss schwimmen.
A:
Wir bitten dich erhöre uns
13
56
nach: Jörg Menke, Die Vielfalt der Schöpfung feiern. Ökumenische Arbeitshilfe für den Gottesdienst, Heidelberg 2008, S. 25.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper
Vater unser
Segen 114
Segne uns und behüte uns, du rettender und treuer Gott. Sei um uns und in uns wie lebendiges
Wasser und schenke Frieden und Segen der ganzen Welt. Das gewähre euch der dreieinige
Gott,
+ der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.
A: Amen
Segen 2
Gott segne euch und behüte euch
Gott lasse Recht strömen wie lebendiges Wasser
Gott lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig
Gott breche die Gewaltwellen und setze Wellen der Versöhnung frei
Gott erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch jenen Frieden,
den die Welt euch nicht geben kann.
Oder:
Es segne euch der dreieinige Gott,
der Vater,
der Recht strömen lässt wie lebendiges Wasser,
und der Sohn,
der die Gewaltwellen durchbricht und Wellen der Versöhnung freisetzt,
und der heilige Geist,
der euch jenen Frieden gibt, den die Welt euch nicht geben kann.
Schlusslied:
14
„Mein schönste Zier und Kleinod bist“
oder
„Bewahre uns Gott..“(GL 845 / EG 171)
(GL 559 / EG 473)
„Donau-Friedenswelle“–Es ströme das Recht wie Wasser (Amos 5,24).Gottesdienstentwurf für die Gemeinden, Herausgegeben von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg der Evangelisch-Lutherischen
Kirche in Bayern, dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich, der Evangelischen Kirche A.B. in der
Slowakei, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn, der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien,
Stuttgart 2010, S. 36.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
57
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
5.4
Ökumenische Gottesdienstmodelle und liturgische Gestaltungselemente
5.4.1 Gebete
Gebet 115
Gott, du Quelle der Hoffnung, wir beten dich an. Wir danken dir für die Hoffnung auf ein
neues Leben für die ganze Schöpfung, unsere Kirchen und für uns selbst. Wir danken dir für
alle, die durch die eine Taufe in Christus zu Schwestern und Brüdern wurden. Wir sehnen uns
danach, immer mehr in dieser Einheit zu leben. Vergib uns unsere Trennungen und gib uns
die Kraft, sie zu überwinden. Amen.
Gebet 216
Gott, unser Vater, gib deinem Volk auf seinem Pilgerweg neuen Mut. Du lässt Leben in
der Wüste erblühen und Wasser aus Felsen hervorbrechen. Nimm unsere Zweifel und
Fragen und lass gute Früchte aus ihnen entstehen. Hilf, dass unsere Kirchen dich gemeinsam suchen und sich vereint nach dir ausstrecken. Begleite uns und zeige uns,
dass du in deiner Liebe unter uns bist. Lass uns zu der Einheit gelangen, die du für
dein Volk willst, durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn. Amen.
Gebet 317
Quelle des lebendigen Wassers,
reinige uns von unseren Ängsten und Qualen,
stille unseren Durst nach Gerechtigkeit und Frieden,
erfülle uns mit der Freude deiner Gegenwart,
damit wir zu denen werden,
die dein Geschenk der Liebe und Barmherzigkeit
für die ganze Welt verkündigen.
Amen.
15
nach: Bei dir ist die Quelle des Lebens (Ps 36, 6–10). Materialien für Gemeindearbeit und Gottesdienst zur
Gebetswoche für die Einheit der Christen 2002, Stuttgart –Eichstätt 2001, S. 46.
16
Ebd. S. 41 f.
nach: Wasserströme in der Einöde. Gottesdienstordnung 5. Sonntag der Passionszeit (21. März 2010), hrsg.
von Ökumenisches Wassernetzwerk (ÖWN), download unter:
http://www.oikoumene.org/de/activities/oekumenisches-wassernetzwerk-oewn/ressourcen-und-links/oewnmaterialien.html.
17
58
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
5.4.2 Lobpreis
Lobpreis 118
Gepriesen seist du, Gott ewiger Vater, Schöpfer und Bewahrer der Welt, dass Du Dich Deiner
gefährdeten Schöpfung zuwendest und nicht aufhörst, Leben zu schenken, auch wo wir es
verderben.
Du schaffst eine Welt, in der Regen uns erfrischt; in der es sich gut atmen lässt; in der wir die
Schönheit eines Baumes bewundern und unser Leben umgeben ist von der Fülle Deiner Geschöpfe.
Gepriesen seist Du, Jesus Christus, Sohn des Vaters und unser Bruder, dass Du Anteil nimmst
an den Ratlosigkeiten unseres Lebens. Du hast Deinen Frieden hineingetragen in die zerrissene Schöpfung; Du nimmst uns an in die Gemeinschaft mit Dir, auch wenn wir unseren Lebensstil nicht kurzfristig ändern können. Du trittst beim Vater für uns ein, bis Dein Erlösungswerk sich ganz durchgesetzt hat.
Gepriesen seist Du, Gott Heiliger Geist, Lebensspender, dass Du uns aufweckst aus Trägheit
und Sattheit. Du willst uns gebrauchen und rüstest uns zu für die Bewahrung des Lebens; Du
erhältst die Kirche als eine Stätte der Erneuerung aus dem Evangelium. Du schaffst alles neu
nach Gottes Willen.
Dafür sei Dir, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, Lob und Ehre in Ewigkeit.
Amen.
Lobpreis 219
L:
Liebender Schöpfer,
du sorgst für das Land, indem du Regen schickst;
du machst es fruchtbar und ertragreich,
und schenkst uns reiche Ernten!
A:
•Die ganze Schöpfung jauchzt vor Freude.
L:
Wenn wir für das Land sorgen, die Saat aussäen
und die Ernte einbringen,
A:
•dann singt die ganze Schöpfung vor Freude.
18
19
Norbert Copray, in: Gottes Erde –Zum Wohnen gemacht –Unsere Verantwortung für die Schöpfung. Impulse für Praxis und Gottesdienst (Woche für das Leben 2 .- 8. Mai 1999, hrsg. vom Sekretariat der DBK u.
Kirchenamt der EKD, Bonn –Hannover 1999, S. 36.
Per Harling, aus Gloria Deo, Prayers & Hymns for the 12. Assembly of Conference of European Churches
(CCEE/KEK) 2003.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
59
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
L:
Wenn wir die Bäche und Flüsse sauber halten,
und die Klarheit von Seen und Meeren achten,
A:
•dann singt die ganze Schöpfung vor Freude.
L:
Wenn wir erkennen, dass wir eine Familie sind,
Brüder und Schwestern,
die zusammen für das Land und die Gewässer Verantwortung tragen,
A:
•dann singt die ganze Schöpfung vor Freude, denn du segnest uns allezeit mit
Fülle.
Lobpreis 320
AUS DEM GOTTESDIENST DER TAUFE
Groß bist du Herr, und wunderbar sind deine Werke und kein Wort reicht hin, um deine
Wunder zu preisen! Denn du hast nach deinem Willen das Weltall aus dem Nichtsein ins Dasein geführt; durch deine Macht erhältst du die Schöpfung und durch deine Vorsehung verwaltest du die Welt. Aus vier Elementen hast du die (ganze) Schöpfung gebildet und durch
vier Jahreszeiten den Kreis des Jahres gekrönt. Vor dir erzittern alle geistigen Kräfte; dich
preist die Sonne, dich verherrlicht der Mond, dir dienen die Sterne, dir gehorcht das Licht, vor
dir erschauern die Abgründe, dir dienen die Quellen. Du hast ausgebreitet den Himmel wie
eine Umhüllung, du hast die Erde über den Gewässern gegründet, du hast das Meer mit Sand
umrahmt, du hast die Luft zum Atmen ausgegossen. Es dienen dir die Kräfte der Engel, die
Chöre der Erzengel beten dich an, die vieläugigen Cherubim und die sechsflügeligen Seraphim umgeben und verhüllen sich vor deiner unnahbaren Herrlichkeit.
5.4.3 Schrifttexte (in Auswahl)
Wasser –Gabe Gottes –Quelle neuen Lebens
Altes Testament
Gen / 1. Mose 1,1-2,5a
Schöpfungsbericht (P) (Gottes Geist schwebte auf dem Wasser)
Gen / 1. Mose 2,4b–25
Schöpfungsbericht (J)
(Scheidung u. Sammlung der Wasser; Grundlage
allen Lebens)
Gen / 1. Mose 6–9
20
60
Sintflut und Noah–Bund
zitiert nach: Orthodoxe Texte zur Schöpfung. Ein Florilegium, zusammengestellt von Erzpriester Constantin
Miron, Brühl 2010, S. 8.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
Gen / 1. Mose 21,14-20
Hagar und Ismael in der Wüste
Gen / 1. Mose / 26,18–22
Ex / 2. Mose 15,22–25
Ex / 2. Mose 17,1-7
1 Kön 19,1–13
Jes 12,1–6
Jes 35,1–10/ Jes 41,17–20
Jes 43,14–21
Amos 5,24
Jona 2,1-7
Isaak gräbt Brunnen
Bitteres Wasser wird süß
Wasser aus dem Fels
Berufung des Elija–Krug Wasser als Lebenselexier
„ihr werdet Wasser schöpfen voll Freude/aus den Quellen des Heils“
Hoffnung Israels auf Neuschöpfung –Wasserquellen sprudeln in der
Wüste
es ströme Recht wie Wasser
Rettung des Jona
Psalmen
Ps 36
Gott, die Quelle des Lebens
Ps 42
Ps 65
Ps 69
Ps 93
Ps 104
Sehnsucht nach Gott wie „der Hirsch lechzt nach frischem Wasser“
Dank für Gottes Gaben der Schöpfung
Ruf nach Rettung aus den Tiefen des Wassers
Jahwe ist mächtiger König
Wasser als gute Schöpfungsgabe
Neues Testament
Mk 1,9–11 parr
Joh 3,1–7
Joh 4,1-26
Joh 7,37–44
Apg 8,26–40
Röm 6,3–14
Offb 21,5;22,1
Taufe Jesu
Taufe als Neugeburt aus Wasser und Hl. Geist
Frau am Jakobsbrunnen
Christi Tod als Quelle neuen Lebens
Taufe des Äthiopiers
Taufe als Mitsterben und Auferstehen mit Christus
Gott schenkt das Wasser des Lebens
5.4.4 Lieder (Auswahl)
Zum Thema „Wasser–Gabe Gottes –Quelle neuen Lebens“
bieten sich folgende Lieder an:
a) aus dem Gotteslob (GL) oder aus dem Evangelischen Gesangbuch (EG ):
GL 211
GL 726
GL 742.2
GL 759
GL 527.3 / GL 743
GL 676 / GL 754
GL 266 / EG 321
GL 528.4
GL 529.2
EG 278
EG 279
EG 285
EG 202
EG 432
Gott redet und Quellen springen auf
Meine Seele dürstet
Lobe den Herrn meine Seele
Lobe den Herrn meine Seele
Meine Seele preise den Herrn
Meine Seele dürstet nach dir
Nun danket alle Gott
Meine Augen schauen allezeit zum Herrn
Zu dir, Herr, erbebe ich meine Seele
Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser
Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren
Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken
Christ, unser Herr, zum Jordan kam
Gott gab uns Atem
b) Neue geistliche Lieder
•
•
Miteinander gehen, zueinander stehn
Gott, unser Ursprung
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
61
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
•
•
•
•
•
•
•
•
•
62
Bei dir ist die Quelle des Lebens
Aus klarem Wasser schöpfen
Alles, was atmet
Bewahre uns, Gott
Du bist da, wo Menschen leben
Meine Seele dürstet
Gottes Brünnlein hat Wasser die Fülle
Komm, du Quelle des Lebens
Lob sei dir Gott
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
63
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
5.4.5 Texte zur Besinnung
Gedichte
Sensible Wege
Reiner Kunze
Sensibel
ist die Erde über den Quellen:
kein Baum darf gefällt,
keine Wurzel gerodet werden
Die Quellen könnten
Versiegen
Wie viele Bäume werden gefällt,
wie viele Wurzeln gerodet in uns
Bitte
Hilde Domin
Wir werden eingetaucht
und mit dem Wasser der Sintflut gewaschen,
wir werden durchnässt,
bis auf die Herzhaut.
Der Wunsch nach der Landschaft
diesseits der Tränengrenze
taugt nicht,
der Wunsch, den Blütenfrühling zu halten,
der Wunsch, verschont zu bleiben,
taugt nicht.
Es taugt die Bitte,
dass bei Sonnenaufgang die Taube
den Zweig vom Ölbaum bringe.
Dass die Frucht so bunt wie die Blüte sei,
dass noch die Blätter der Rose am Boden
eine leuchtende Krone bilden.
Und dass wir aus der Flut,
dass wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen
immer versehrter und immer heiler
stets von neuem zu uns selbst
entlassen werden.
64
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
Inselmittag
Hilde Domin
Wir sind Fremde
von Insel
zu Insel.
Aber am Mittag, wenn uns das Meer
bis ins Bett steigt
und die Vergangenheit
wie Kielwasser
an unsern Fersen abläuft
und das tote Meerkraut am Strand
zu goldenen Bäumen wird,
dann hält uns kein Netz
der Erinnerung mehr,
wir gleiten
hinaus,
und die abgesteckten
Meerstraßen der Fischer
und die Tiefenkarten
gelten nicht
für uns.
Traumwasser
Hilde Domin
Traumwasser
voll ertrunkener Tage.
Traumwasser
steigt in den Straßen.
Traumwasser
schwemmt mich hinweg.
Immer mit den vollen Händen
Hilde Domin
Immer mit den vollen Händen
es wachsen auf ihnen
es verdorren auf ihnen
und säen sich neu
Wiesen
Wälder Tiere
wachsen und leben dort
leben und sterben und werden geboren
auf meinen Händen
die gesamte Natur
vor der Erschaffung des Menschen
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
65
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
Ich staune sie an diese Landschaft
ich bewässere sie
mit dem gedeihlichen Wasser
mit Tränen
Immer den Kopf geneigt
einer Stimme entgegen
von der ich schon weiß
ich werde sie nie
hören
Text 121
Das Wasser lehrt uns, was wir leben sollen
Einen Weisen im alten China fragten einmal seine Schüler: „Du stehst nun schon so lange vor
diesem Fluss und schaust ins Wasser. Was siehst du denn da?“Der Weise gab keine Antwort.
Er wandte den Blick nicht ab von dem unablässig strömenden Wasser. Endlich sprach er:
„Das Wasser lehrt uns, wie wir leben sollen. Wohin es fließt, bringt es Leben und teilt sich
aus an alle, die seiner bedürfen. Es ist gütig und freigiebig. Die Unebenheiten der Geländes
versteht es auszugleichen. Es ist gerecht. Ohne zu zögern in seinem Lauf, stürzt es sich über
Steilwände in die Tiefe. Es ist mutig. Seine Oberfläche ist glatt und ebenmäßig, aber es kann
verborgene Tiefen bilden. Felsen, die ihm im Lauf entgegenstehen, umfließt es. Es ist verträglich. Aber seine sanfte Kraft ist Tag und Nacht am Werk, das Hindernis zu beseitigen. Es ist
ausdauernd. Wie viele Windungen es auch auf sich nehmen muss, niemals verliert es die
Richtung zu seinem ewigen Ziel, dem Meer, aus dem Auge. Es ist zielbewusst. Und sooft es
auch verunreinigt wird, bemüht es sich doch unablässig, wieder rein zu werden. Es hat die
Kraft, sich immer wieder zu erneuern. Das alles“, sagte der Weise, „ist es, warum ich auf das
Wasser schaue. Es lehrt mich das richtige Leben.“
Text 222
L: Gelobt seist du, mein Herr, durch Schwester Wasser,
gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.
KURZE ATEMPAUSE
L: Ganz herzlich begrüße ich Euch/Sie alle zu dieser Andacht/Besinnung anlässlich des ökumenischen Schöpfungstages/Schöpfungszeit. „Schwester Wasser" begleitet uns heute.
21
22
66
Nach einer Erzählung aus China –aus: Religionsunterricht praktisch 7. Schuljahr, hrsg. von Rudolf Tammeus, Göttingen 1997, S. 57.
aus: MISEREOR, Materialien zur Fastenaktion 2009: Gottes Schöpfung bewahren –damit alle leben können.
Liturgische Bausteine, Aachen 2009, S. 20.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
„Schwester Wasser", von der Franziskus im Sonnengesang singt: „Es ist nützlich, demütig,
kostbar und keusch.“
Der Religionsphilosoph Bernhard Welte hat diesen Gedanken einst ausgefaltet:
„Das Wasser ist demütig. Es sucht sich immer den niedersten Platz auf der Welt, und wenn es
in den Bergen entspringt, dann hat es nichts Eiligeres zu tun, als wieder herunter zu kommen
in die Tiefe. Ein anderer Grund ist der: Das Wasser ist demütig, weil es –wenn es ruhig ist –
gerne ausweicht und jedem, der sich ihm anvertraut, Raum gewährt. Wenn es nicht so demütig wäre und so Platz gewährend, könnten wir nicht in ihm baden. Und endlich ist es demütig,
weil es von sich selber kein Aufsehen macht. Es schmeckt für gewöhnlich nach nichts, und es
hat keine Farbe und ist ganz durchsichtig. In dieser Hinsicht ist sozusagen nichts daran. Gerade auch dieses Nichts gehört mit zu seiner Demut.
Diese Demut und die (heute oft genug bedrohte) Reinheit des Wassers darf uns freilich nicht
darüber täuschen, dass im Wasser doch auch eine große Kraft ruht. Weil das Wasser auch
Kraft hat, kann es auch nützlich sein. Freilich nur dann, wenn es in angemessener Weise genutzt wird, sonst kann es auch bedrohlich werden. Wenn das Wasser sich etwa mit dem Wind
verbindet, dann kann seine Kraft unheimlich werden. Die Demut, die Keuschheit, die Nützlichkeit des Wassers dürfen uns nicht dazu verführen, es für harmlos oder belanglos zu halten.
Es steckt allerhand in ihm.“
Und Bernhard Welte formuliert noch einen weiteren interessanten Gedanken: „Es ist schon
merkwürdig, dass das Wasser uns einlädt, uns zu entkleiden. Denn mit den Kleidern legen wir
auch die Statussymbole ab, den gebügelten Anzug, die feine Montur aus Seide oder Wolle
oder was immer, ebenso wie die Bluejeans, die ja auch ein Statussymbol sind. Wir legen damit aber doch wohl auch viel seelische Aufmachung ab und viel Sorge um unsere Geltung in
der Welt.“ –
Diese Sorge wollen wir nun Gott übergeben und uns anstecken lassen von der Nützlichkeit,
der Demut, der Kostbarkeit und der Keuschheit unserer Schwester Wasser.
Text 323
Jeder Tropfen Wasser zählt
L: Jeder Tropfen Wasser zählt,
wenn kostbarer Ackerboden ausgetrocknet.
Jeder Tropfen Wasser zählt,
wenn Menschen, Tiere und Pflanzen Durst leiden.
23
Ebd. S. 61.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
67
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
Jeder Tropfen Wasser zählt,
wenn Schmutz die Erde verunstaltet.
Jeder Tropfen Wasser zählt,
wenn mangelnde Hygiene zu Krankheiten führt.
Jeder Tropfen Wasser zählt,
für dich –für mich –für jeden Menschen.
Jeder Tropfen Wasser zählt,
wenn das Leben nach Wasser schreit.
Text 424
Dass es ein letztes Mal gibt,
dass ein warmer Frühlingsregen auf mein Gesicht fällt,
ein letztes Mal, dass ich den Duft einer Blume riechen,
ein letztes Mal, dass meinen Geliebten umarmen kann,
das macht das Leben und alles Lebendige
so unendlich kostbar.
Dass es ein letztes Mal gibt,
lässt mich mit offenen Sinnen,
klarer Vernunft und achtsamer Präsenz
den Alltag leben.
Dass es ein letztes Mal gibt,
lässt mich wissen, dass ich eingeflochten bin
in das ewige Werden und Sein des Lebens,
in dem Gott alle und alles in seinen Händen birgt.
Da es ein letztes Mal gibt, möchte ich,
dass das, was mir an Schönheit und Kostbarkeit vom Leben geschenkt wird,
auch für Menschen, die nach mir leben erhalten bleibt.
24
68
Eva Südbeck-Baur, in: Biblische Meditationen und Gebete für die Schöpfungszeit 2006 vom 1. September
bis zum 2. Sonntag im Oktober, hrsg. von Europäisches Christliches Umweltnetzwerk/Koalition für Schöpfungstag und Zeit der Schöpfung (ECEN), Genf 2006, S. 29.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
Meine Sterblichkeit, meine Begrenztheit ist eine Quelle meiner Liebesfähigkeit.
In der Begrenztheit liegt ein zukunftsweisender Wert,
den wir in den wirtschaftlich reichen Ländern
dringend nötig haben.
Text 525
Aus der Orthodoxen Tradition der großen Wasserweihe (6. Januar)
AUS DEM SEGENSGEBET DER GROSSEN WASSERWEIHE
(6. JANUAR)
Heute gar ist es gut zu feiern: der Chor der Heiligen ruft uns zur Versammlung und die Engel
feiern zusammen mit den Menschen. Heute erscheint die Gnade des Heiligen Geistes
in Gestalt einer Taube über den Wassern. Heute erstrahlt die unzugängliche Sonne und die
Welt ist vom Lichte des Herrn erleuchtet. Heute beleuchtet der Mond mit ihr die Welt mit
seinen Strahlen. Heute verschönern die leuchtenden Sterne mit der Klarheit ihres Glanzes den
Erdkreis. Heute lassen die Wolken den Tau der Gerechtigkeit vom Himmel auf die Menschheit hernieder regnen. Heute lässt sich der Unerschaffene freiwillig die Hand Seines eigenen
Geschöpfes auflegen. Heute kommt der Prophet und Vorläufer vor den Gebieter, zitternd steht
er neben Ihm, und sieht Gott zu uns herabkommen. Heute sind die Fluten des Jordan verwandelt in Wasser der Heilung durch die Ankunft des Herrn. Heute ist die ganze Schöpfung von
geheimnisvollen Wellen benetzt. Heute sind die Übertretungen der Menschen in den Wassern
des Jordan getilgt. Heute öffnet sich den Menschen das Paradies und die Sonne der Gerechtigkeit glänzt über uns. Heute ist das bittere Wasser des Moses dem Volk in süßes verwandelt
durch die Ankunft des Herrn. Heute enden wir unsere alte Klage und als neues Israel sind wir
errettet. Heute sind wir von der Finsternis befreit und erleuchtet vom Licht der göttlichen Erkenntnis. Heute sind die Nebel der Welt aufgelöst durch die Offenbarung unseres Gottes.
Heute wird die ganze Schöpfung vom Himmel angestrahlt. Heute sind die Verwirrungen begradigt und die Ankunft des Herrn zeigt uns den Heilsweg. Heute feiern die Himmel mit der
Unterwelt und die Unterwelt redet mit den Himmeln. Heute frohlocken alle über das heilige
und freudige Fest der Orthodoxen. Heute eilt der Gebieter zur Taufe, um die Menschheit in
den Himmel zu heben. Heute beugt sich, der sich nicht beugen kann, dem eigenen Knecht, um
uns von der Knechtschaft zu befreien. Heute haben wir das Himmelreich erworben, dieses
25
zitiert nach: Orthodoxe Texte zur Schöpfung. Ein Florilegium, zusammengestellt von Erzpriester Constantin
Miron, Brühl 2010, S. 8f.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
69
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
Reich des Herrn aber hat kein Ende. Heute teilen sich Erde und Meer die Freude der Welt und
die Welt ist erfüllt von Freude.
Text 626
Ökologie und Heilsökonomie –eine Betrachtung aus der orthodoxen Tradition
Clemens von Alexandria hat es im 2. Jahrhundert so formuliert: „Wenn du deinen Bruder
siehst, hast du deinen Gott gesehen" (Stromateis1). Wir würden vielleicht so formulieren:
Wenn du im Anderen den Bruder erkannt hast, hast du begonnen, Gott zu sehen. Ja, jenen
Gott, von dem es eigentlich heißt „Niemand hat Gott je gesehen!“(Joh 1,18) So erstaunlich
dieser Gedanke einer Gottesschau durch Menschen-Schau ist, er wird noch übertroffen durch
ein apokryphes Jesuswort, das in einem alten frühchristlichen Papyrus steht. Dort heißt es
nämlich: „Heb den Stein auf und du wirst mich finden, spalte das Holz und ich bin darin!"
(Papyrus 1 von Oxyrrynchos, Logion 5).
Während man das Wort des Clemens als Grundlage unseres sozialen Handelns von Christen
in der Welt bezeichnen könnte, stößt uns dieses zweite Wort, dieses Logion, darauf, Christus
sogar in allen Dingen zu entdecken. Das Ergebnis dieser Haltung ist, dass man den Christen
als denjenigen bezeichnet hat, der überall Christus entdeckt und sich darüber freut. (Alexander Schmemann hat das zum Beispiel so ausgedrückt.)
Dies setzt allerdings voraus: Man muss unter den Stein schauen! Oder anders gesagt: Wir
müssen sozusagen wissen, was oder wen wir „unter dem Stein" finden. Alle Wertung der
Schöpfung besteht in ihrem Woher, in der Aufdeckung ihrer Beziehung zum Schöpfer. (...)
Ökologie hängt also für uns Christen immer mit Ökonomie zusammen, nicht um Sinn der
„economy“–(das überlassen wir heute einmal den Windradherstellern und den Solarfirmen),
sondern mit der Heilsökonomie Gottes, mit der Einsetzung des Menschen als „Oikonomos“,
als Haushalter in Gottes gute Schöpfung. Damit ist nicht nur der rechte Umgang mit der uns
umgebenden Welt, eben der „Umwelt“gemeint, die man als „Oikos“, als ein Haus versteht,
sondern auch der rechte Nomos, das rechte Zu-Teilen, das rechte In-Beziehung-Setzen. Leontios von Neapolis, ein weiterer Kirchenvater (Sie sehen, wir mögen die Art und Weise des
patristischen Denkens!) sagt über diese Beziehung „Die Schöpfung verehrt Gott nicht direkt,
von sich aus, sondern durch mich verkünden die Himmel die Ehre Gottes, durch mich ehrt Ihn
der Mond, durch mich lobpreisen die Sterne Ihn, durch mich verehren und besingen die Wasser, der Regen und der Tau unseren Gott.“(PG 93, 1604AB)
26
70
Constantin Miron, Predigt beim Ökumenischen Gottesdienst der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in
Deutschland zum Schöpfungstag 2010, zitiert nach: ebd. S. 21f.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
5.4.6 Meditationen zu zentralen Bibeltexten
Gottes beständige Liebe:
Ex 17,1-7
Gebt uns Wasser zu trinken27
Meditation: Das Volk Israel brach voller Hoffnung in das verheißene Land auf. Der
Weg durch die Wüste wurde jedoch bald zu einer Zeit der Krise, der Zweifel und Fragen. Die
Israeliten verloren das Vertrauen und klagten Mose an: „Warum hast du uns aus Ägypten
geführt? Um uns verdursten zu lassen?" Sie stritten sich, stellten Gott auf die Probe und
sehnten sich an den Ort ihrer früheren Sklaverei zurück.
Obwohl sie uneinsichtig und undankbar waren, wich Gott in seiner Treue und Liebe
nicht von ihnen. Als sie nach Wasser verlangten, ließ er es im Überfluss aus dem Felsen
sprudeln. Damit bekräftigte er sein Versprechen, für sie die Quelle des Lebens zu sein.
Auch auf unserem Lebensweg gibt es Wüstenstrecken, z.B. dann, wenn Ängste und
Fragen die Oberhand gewinnen. „Wie soll ich mein Leben leben?" „Ist Gott bei uns,
wenn wir in Schwierigkeiten sind?" „Was bedeutet es heute, Christus nachzufolgen?" Die
Anfechtung, aufzugeben und in das alte Leben zurückzukehren, kann sehr groß werden.
Manchmal können unsere Fragen ziemlich anmaßend sein. Doch Gott bleibt uns trotzdem
treu. „Er ist keinem von uns fern". Selbst in tiefster Dunkelheit, wenn uns die Kraft
zum Durchhalten fehlt, ist er bei uns und lädt uns ein, beharrlich und treu den Weg mit
ihm zu gehen.
Unser ökumenischer Weg führt unsere Kirchen auch durch „Wüstenzeiten". Fragen
und Zweifel kommen auf. „Was müssen wir tun?" „Kommen wir voran?" Die Versuchung, umzukehren und sich wieder in die alten Verhältnisse zurückzuziehen, besteht
immer neu. Doch Gott in seiner unerschütterlichen Liebe gibt uns nicht auf. Er ruft uns
auf, alle Sünden und Trennungen hinter uns zu lassen und gemeinsam aus der Quelle
des Lebens zu schöpfen.
Getauft in ein neues Leben:
Joh 3,1-7
Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird,
kann er nicht in das Reich Gottes kommen 28
Meditation: Nikodemus steht für all diejenigen, die das Gefühl haben, dass ihnen irgendetwas fehlt. Er verkörpert alle, die sich nach dem Reich Gottes sehnen. Weil er nach einer Ant27
aus: Bei dir ist die Quelle des Lebens (Ps 36, 6–10). Materialien für Gemeindearbeit und Gottesdienst zur
Gebetswoche für die Einheit der Christen 2002, Stuttgart –Eichstätt 2001, S. 41.
28
Ebd. S. 42.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
71
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
wort sucht, wendet er sich an Jesus und kommt zu ihm. Er erkennt Jesus als den, der von Gott
gesandt wurde.
Christus bietet Nikodemus und allen, die wie er auf der Suche sind, das kostbare Geschenk
des neuen Lebens an. Durch Gottes Wirken, durch „Wasser und Geist", werden sie dem
Machtbereich der Sünde entrissen. Mit der Taufe werden sie zu Schwestern und Brüdern, zu
Gliedern am Leib Christi. Mit ihrem Handeln legen sie Zeugnis ab von dem einzigartigen
Reichtum der Erkenntnis Christi. Der zurückliegende gemeinsame ökumenische Weg hat den
Christen verstärkt die verbindende Bedeutung der Taufe bewusst gemacht. Durch die eine
Taufe und den einen Glauben sind alle Glieder des einen Leibes Christi geworden. Wir dürfen
deshalb nicht mehr nach „menschlichen Maßstäben" miteinander umgehen. Wir alle sind mit
Gott versöhnt und mit dem Dienst der Versöhnung betraut. Unsere immer noch vorhandenen
Trennungen verhindern, die Tragweite der einen Taufe wahrzunehmen und sie in ihren Auswirkungen anzuerkennen. Darum wollen wir einander helfen, immer mehr aus der einen
Quelle des Lebens zu schöpfen, damit wir Gottes Werk der Versöhnung durch unser Tun in
der Welt sichtbar machen.
Früchte des neuen Lebens
Ps 1,1-6
Sie sind wie Bäume, die an Wasserbächen gepflanzt sind, die zur
rechten Zeit Frucht bringen29
Meditation: Das Bild von den Bäumen, die an Wasserbächen gepflanzt sind, führt uns
die Wurzeln wie auch die Früchte des neuen Lebens vor Augen. Blühendes Leben ist
ohne Quellen nicht denkbar. So wie die Bäume Wasser und Wurzeln brauchen, so spricht
der Psalm von der Thora, dem Wort Gottes, als der zentralen Quelle für das Leben des
Volkes Gottes.
Das Wort Gottes ist wie frisches Wasser, wie eine fortwährend sprudelnde Quelle, die die
Kirchen und das Leben der Christen inspiriert. Es ist kein totes, sondern ein wirksames lebendiges Wort, das Frucht hervorbringt. Es schafft Vertrauen, Beständigkeit und Orient ierung, Geduld und Freiheit. Weil es unser Leben und unser Handeln verwandelt,
ist es wie das Saatkorn, das aufgeht, und wie ein blühender Baum, der Früchte trägt.
Die Bibel ist eine Gabe Gottes, die wir als Kirchen miteinander teilen. Als Christen aus
unterschiedlichen Traditionen und Kulturen sind wir berufen, zusammenzukommen und
zu lernen, immer besser auf das zu hören, was uns die Heilige Schrift heute zu sagen hat.
Dabei können wir überraschende Entdeckungen machen und uns gegenseitig anregen
und stärken. Ein ernsthaftes Hören auf das Wort Gottes wird nicht ohne Folgen bleiben.
Das Wort vereint uns. Es drängt uns, gemeinsam in einem Geist zu handeln. Je tiefer
wir in Christus verwurzelt sind, desto überzeugter und entschlossener werden wir tun,
29
72
Ebd. S. 45.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
was Christus uns aufgetragen hat. In seinem Geist werden wir eintreten für die Rechte der
Enteigneten; für die Solidarität mit den Armen. Wir werden zu Zeugen der Wahrheit, wenn
wir uns für eine friedliche Versöhnung, für die Würde des Lebens und die Bewahrung
der Schöpfung einsetzen. So wachsen Früchte des neuen Lebens unter uns und wir werden damit in dieser zerbrochenen Welt zu einem Zeichen der Hoffnung dafür, dass
Gott seine Schöpfung erneuert.
Gott –die Quelle der Hoffnung:
Offb 21,1-7 Wer durstig ist, den werde ich umsonst aus der Quelle trinken lassen, aus
der das Wasser des Lebens strömt30
Meditation: Das neue Leben in Christus wird durch Gottes Gnade allen großzügig angeboten.
Das „Wasser des Lebens" ist Gottes Geschenk. Wir verdienen uns das Heil nicht. Wir müssen
uns seiner nicht erst seiner „würdig" erweisen. Niemand hat das Monopol auf Christus, den
Zugang zur Quelle des Lebens. Das Heil ist ein Geschenk Gottes, das jeder für sich annehmen
und sich zu Eigen machen muss. Jeder ist aufgerufen, auf die Einladung zu einem neuen Leben in Christus zu antworten. Das bedeutet aber nicht, dass man nur für sich selber Christ ist.
Indem wir Christus näher kommen, kommen wir auch einander näher. Wir treten ein in die
Gemeinschaft derer, die, in allen Ländern und über alle Zeiten hinweg, sich zu Christus als
die Quelle der neuen Schöpfung, dem Herrn der Kirche und dem Herrn ihres eigenen Lebens
bekennen. Wir sind mit allen verbunden, die zu Christus gehören, auch wenn uns Missverständnisse oder konfessionelle Unterschiede voneinander trennen.
Christus verheißt uns „eine sprudelnde Quelle, deren Wasser ewiges Leben schenkt". Die
Hoffnung eines neuen Lebens gründet in Gottes Zusage. Sie schließt die Erneuerung unseres
eigenen Lebens, die Erneuerung aller Kirchen und die Erneuerung der Schöpfung mit ein.
Durch die eine Taufe auf den Namen Christi gehören wir zusammen. Wie Dürstende sehnen
wir uns nach der vollkommenen Einheit der Kirche. Wir erhoffen das gemeinsame Bekenntnis, das gemeinsame Zeugnis, den gemeinsamen Gottesdienst und die gemeinsame Feier der
Eucharistie an dem einen Tisch unseres Herrn. Um auf dieses Ziel zuzugehen, müssen wir
zusammenarbeiten. Wir hoffen und vertrauen darauf, dass der Heilige Geist uns auf diesem
Weg leitet und dabei noch viele ungeahnte Überraschungen für uns bereithält
30
Ebd. S. 46.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
73
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
Betrachtung zu Am 5,24 „Es ströme Recht wie Wasser“
Das Recht –
oft gebrochen, missachtet, verbogen, gebeugt,
unterentwickelt, zurückgehalten, ignoriert,
benutzt, missbraucht, verunstaltet,
überwältigt durch Ignoranz, Machtsucht,
Interessen, Gier nach Reichtum,
aus Verzweiflung und Demütigung,
hilflos zusehend,
wo Gerechtigkeit mit Füßen getreten wird,
wo Machtstreben den Schwachen das Leben nimmt,
wo Willkür sich ausbreitet
wie Wasser aus einer lecken Leitung,
wo Anarchie und Chaos vorherrschen
und Gemetzel und Krieg lauern.
Es ströme Recht wie Wasser!
alles benetzend wie ein Landregen,
durchtränkend alles Lebendige,
gereinigt vom Missbrauch,
getauft mit dem Geist der Gerechtigkeit;
das Recht als Rhythmus des Lebens,
als ordnende Harmonie,
als Grundton der Menschlichkeit,
als Zusammenspiel der Verschiedenen,
als Ausgleich zwischen Ungleichen,
als Melodie des Friedens.
Wolfgang Huber
74
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
5.4.7 Predigtanregungen
•
Das Wasser des Lebens –Auf dem Weg zur Quelle, Johannes 4,5-30
Bischof Dr. Markus Dröge, Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Predigt auf dem Kreiskirchentag 4. Juli 2010, Neukölln
I.
Es ist früh am Morgen. Du atmest die salzige Meeresluft ein und genießt die kühle Brise,
die über die See streicht. Wie gut, dass Du aufgestanden bist! Was für ein fantastischer
Morgen! Du läufst am Strand entlang, links die Dünen und rechts die Wellen, die das kühle Nass rhythmisch auf den Strand und über Deine Füße spülen.
Du spürst das Leben so kräftig und unmittelbar mit allen Sinnen wie den Sand zwischen
den Zehen. Es ist gut, dass der Alltag mit seiner manchmal erbarmungslosen, ewigen Wiederkehr des Gleichen unterbrochen wurde.
- Eine Augenärztin kann nicht rund um die Uhr immer nur funktionieren.
- Ein Busfahrer kann nicht immer nur am Steuer durch die Metropole fahren.
- Und unsere Kinder dürfen nicht permanent unter Druck gesetzt werden, weil schon wieder eine Mathearbeit ansteht.
Wir sind Kinder der Freiheit. Deshalb sehnen wir uns nach Freiheit, zum Beispiel mal
wieder ans Meer zu fahren, um dort am Strand die Weite zu spüren. Der Blick über den
Horizont darf nicht verloren gehen.
II.
Liebe Neuköllner Festgemeinde, mit Ihnen allen freue ich mich über die Gemeinschaft,
heute auf dem Kreiskirchentag. „Wasser des Lebens – Auf dem Weg zur Quelle“ unter
diesem Motto wird heute gefeiert, mit Aktionen, guten Worten und viel Musik. Und es ist
gut, nun zum Abschluss einen Gottesdienst zu erleben. Ein besonderer Grund zur Freude
ist es, dass wir dabei mit Ihnen, liebe Familie Moldenhauer die Taufe von Maya Cathleen
feiern können. Und alle 5 älteren Geschwister sind mit dabei! Mit dem Wasser des Lebens
nehmen wir ein Kind in die Gemeinschaft mit Christus und in seine Gemeinde auf. So
werden wir alle daran erinnert, dass Jesus Christus bei uns ist und mit uns gehen will. Jesus
Christus bringt uns das Wasser des Lebens. Davon erzählt uns die Geschichte von der Frau
am Jakobsbrunnen.
Text Johannes 4,5-30
Jesus war sich nicht zu schade, auf seiner Reise von Judäa nach Galiläa am Jakobsbrunnen
mit einer Samaritanerin zu sprechen. In der Nähe von Sichem, dem heutigen Nablus am
Fuße des Berges Garizim, ereignet sich diese Begegnung. Warum hält Jesus gerade hier
an? Die Samaritaner waren nicht beliebt. Bei ihnen wusste man nicht wirklich, ob sie Juden waren. Sie waren Migranten. Die Assyrer hatten vor Jahrhunderten Nordisrael erobert
und dort fremde Völker angesiedelt. Dann beteten sie eigenartige Götzen an und vergaßen
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
75
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
ihren Bund mit dem Gott Israels. Verlässliche Kameraden waren sie auch nicht. In einer
schwierigen Situation äußerer Bedrohung ließen sie Jerusalem im Stich und kehrten einfach zu ihren Zelten zurück. Und ausgerechnet bei diesen Samaritanern hält Jesus Rast und
begibt sich zum Brunnen. Dass sich auch gerade in diesem Kaff der berühmte Jakobsbrunnen befindet! Jesus trifft eine Frau am Brunnen und kommt mit ihr ins Gespräch. Ja, hier in
diesem Brunnen lässt sich das lebendige Nass schöpfen, ohne das wir nicht leben können,
erst recht nicht im heißen Israel. Aber Jesus geht es noch um mehr! Nicht nur um das kühle
Nass, mit dem wir uns waschen und erfrischen können, das unseren Durst stillt, wenn es
heiß ist, mit dem wir trockene Erde fruchtbar machen können, damit Büsche und Bäume,
Blumen und Früchte wachsen können. Jesus geht es noch um mehr! Wer an ihn glaubt, so
verspricht er, der soll eine innere Kraftquelle bekommen, die davor bewahrt, auszutrocknen, auszubrennen, und die davor schützt, die Hoffnung und das Vertrauen zu verlieren.
Mit dem Symbol des Wassers machen wir dies bei jeder Taufe deutlich: „Du Menschenkind sollst immer wieder den Dreck und den Staub des Lebens, im Bild gesprochen, abwaschen können: Die Verflechtungen in Schuld und Verzweiflung, in Aggressivität und Hass,
in die jeder von uns hineingeraten kann, – all dies soll Dir nicht die Würde nehmen, Dir
nicht die Freude am Leben verderben. Durch das, was Jesus für uns getan hat, durch seinen
Weg ans Kreuz und seine Auferstehung, gibt es die immer sprudelnde Quelle für Dein Leben.“
III.
Mich fasziniert an der Geschichte von der Frau am Jakobsbrunnen, dass es sowohl um das
ganz reale Wasser geht, das uns erfrischt und Leben schenkt, als auch um das Wasser im
geistlichen Sinn: die Quelle des Glauben. Eins ist vom anderen nicht zu trennen. Wer an
die Quelle des ewigen Lebens glaubt, der soll auch den Wert des Wassers als Lebensmittel
achten. Bei uns kommt das Wasser aus Wand und füllt unser Waschbecken oder perlt in
der Dusche über unseren Körper. Wir haben Eiswürfel im Kühlschrank, um unsere Getränke zu temperieren. Es ist schon mehr als 60 Jahre her, dass Männer und Frauen mit
Kanistern oder Kannen durch die Trümmer Neuköllns liefen, um sich Trinkwasser zu holen. Heute gleichen viele Bäder kleinen oder großen Luxusoasen. Das Wasser sprudelt
durch die Leitungen in unser Haus und ist da, wann immer wir es brauchen. Die Erde gilt
als blauer Planet. Das belegen die Fotos, die von Satelliten aufgenommen werden, in atemberaubend schöner Weise. Die Oberfläche unserer Erde ist zu 70 Prozent mit Wasser
bedeckt. Doch Süßwasser ist ein rares Gut. Und, man will es kaum glauben: Der Organismus eines erwachsenen Menschen besteht zu 70 Prozent aus Wasser. Das Wasser fließt in
unserer Welt über alle geographischen und sozialen Grenzen hinweg. Über seinen großen
Kreislauf gelangt Wasser überall hin. Verschmutzen und verschwenden wir das Wasser,
zerstören wir die Quelle allen Lebens. Alle Lebewesen dieser Erde haben ein natürliches
Recht auf reines Wasser. In Berlin erleben wir gerade, wie eine Bürgerinitiative um die
Berliner Wasserbetriebe kämpft. Mit Hilfe des demokratischen Mittels eines Volksbegeh76
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
rens soll in der Bundeshauptstadt eine Runde im städtischen Monopoly zurückgedreht
werden. Die Initiatoren werben dafür, dass die Berliner „ihr Wasser zurückhaben wollen“.
Sie wehren sich gegen die vollzogene Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe. Insofern spielt sich vor unseren Augen ein demokratisches Ringen ab, von deren Ausgang abhängen wird, wer zukünftig die Schlüssel für die Berliner Wasserversorgung in den Händen hält. Berlin befindet sich also gerade auf dem Weg zur Quelle. Ich begrüße diese demokratische Auseinandersetzung ausdrücklich. Bewahren wir uns also beides: Die Quellen
des Glaubens und den Segen eines gesunden Wasserkreislaufes, der für alle Menschen da
sein muss. Wasser darf nicht zum Machtmittel der Politik oder zum Spekulationsobjekt auf
dem Finanzmärkt werden. So wie die frohe Botschaft des Evangeliums für alle Menschen
da ist, so muss auch das Wasser als natürliches Geschenk der Schöpfung Gottes für alle da
sein.
IV.
Zurück zur Sehnsucht nach Strand und Wellen, nach salziger Meeresluft und einer kühlen
Brise, die über die See streicht. Das Geld ist heute knapp, es sitzt nicht mehr so locker. Bei
manchem ist er schon ein paar Jahre her, der letzte Urlaub, dazwischen nur Ferien zu Hause in Neukölln, mit Sommer und Sonne vorm Balkon. Aber vielleicht geht es ja doch, und
wenn auch nur für einen Ausflug an die Ostsee. Ein Tag am Strand, mit dem Jubelgeschrei
der Möwen im Ohr, dem Wind vom Meer und Sand an den Füßen. Und dann rein in die
See, ins frische kühle Nass.
Amen
5.4.8 Aktionsformen
Wassermeditation31
Ein Tonkrug mit Wasser und Schöpfkelle steht in der Mitte der Gruppe. Jemand
schöpft wiederholt Wasser und lässt es in den Krug zurückrinnen, um so Wasser hörbar und sichtbar zu machen.
1. Meditation:
Wasser! Im ewigen Kreislauf verbindet es Himmel und Erde. In Wolken und Regen,
in Schnee und in Eis fällt es zur Erde, macht grün sie und fruchtbar, verzaubert und
schmückt sie. Schafft Quellen und Bäche und Flüsse und Seen, gestaltet die Erde mit
Bergen und Tälern, ergießt sich ins Meer in unendliche Weiten, steigt wieder nach oben, verdunstend zum Himmel.
Es rinnt durch die Kehle, erfrischende Kühle. Spiegelt den Durst von uns Menschen
31
aus: Gottesdienstvorschlag für einen „Tag der Schöpfung“2000, von Klaus Hoof, Vorbachmühle, Weikersheim für die Arbeitsgruppe „Tag der Schöpfung“ im Evang. Oberkirchenrat Stuttgart (download unter
http://www.ecen.org/cms/uploads/Creationtime%202000,%20liturgical%20materials,%20German.doc).
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
77
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
nach Leben. Umhüllte uns schützend im Leib unserer Mutter, durchpulst unsre Zellen
und Adern mit Leben. Wiege des Lebens unter Gottes: Es werde!
Reinigt von Schmutz und kühlt unsren Körper, trägt uns beim Schwimmen und weckt
unsre Geister. Es lindert das Leiden in unsrem Weinen, wäscht ab unsre Tränen, tauft
auf Jesu Namen. Wasser –Geschenk des Himmels für die Geschöpfe der Erde.
2. Symbolhandlung
Aus dem Tonkrug wird eine Schale (oder mehrere Schalen) mit Wasser gefüllt. Der
Liturg/die Liturgin geht mit dieser Schale zu den Teilnehmenden und lädt sie mit den
Worten ein: Wenn Sie gerne möchten, tauchen Sie ihre Finger in das Wasser und kühlen Sie damit ihre Stirn oder ihr Gesicht. Nach dieser Handlung sagt er oder sie: Wie
dieses Wasser dich erfrischt und belebt, so belebe dich Gott mit seinem Geist.
3. Lesung: Joh 4,5-14
Da kam er in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob
seinem Sohn Josef gab.
Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er
sich am Brunnen nieder; es war um die sechste Stunde.
Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib
mir zu trinken!
Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Essen zu kaufen.
Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken,
der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine
Gemeinschaft mit den Samaritern. –
Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der
ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges
Wasser.
Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und
der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser?
Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat
daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh.
Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder
dürsten;
wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht
dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle
des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.
–Stille –
78
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
5.4 Liturgische Gestaltungselemente
Ein meditativer Wassertanz zu Versen aus Psalm 10432
Die Bewegungen sind für einen Bändertanz ausgelegt und müssen angepasst werden, wenn
der Wassertanz mit Jugendgruppen durchgeführt werden soll.
Zur Einstimmung hört man Wasserrauschen, z.B. von einem Regenmacher-Rohr. Die Hände
beginnen ganz langsam mit Wellenlinien, wechselseitig rechts und links.
Du lässest Wasser in den Tälern quellen, dass sie
zwischen den Bergen dahinfließen,
Wellenlinien mit den Händen.
Wellenlinien werden immer größer.
Dass alle Tiere des Feldes trinken und das Wild seinen
Durst lösche.
Körperposition verändern, in geduckter Haltung
(wie Tiere) bewegen.
An ihren Ufern wohnen die Vögel des Himmels und
singen unter den Zweigen.
Bewegung in aufrechter Position.
Du tränkest die Berge von oben her,
aus deinen Wolken wird die Erde gesättigt.
Rückenlage, ganz geöffnet nach oben hin.
Du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat
zu Nutz den Menschen,
Zuerst wächst eine Hand als „Gras“ aus der Erde,
dann die zweite.
Dass du Brot aus der Erde hervorbringst,
dass der Wein erfreue des Menschen Herz
Nun kommt ein Bein dazu, dann das zweite Bein.
Und sein Antlitz schön werde vom Öl und das Brot
des Menschen Herz stärke.
Körper erwächst aus der Rückenlage in die aufrechte
Haltung
32
aus: „Wasser – Gabe Gottes. Bausteine für Gemeindearbeit und Gottesdienst“(2006), hrsg. vom Evangelischen Oberkirchenrat Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Dekade zur Überwindung von Gewalt, den Umwelträten der Evangelischen Landeskirchen und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in BadenWürttemberg, S. 12.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
79
6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort
6.
Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort
Das Thema Wasser lässt sich mit vielen Aktivitäten verbinden:
- Gemeindefest im Sommer,
- Ausstellungen in Verbindung mit dem örtlichen Wasserwerk,
- Spurensuche Wasser im Ort, in der Region,
- Wasserläufe, Brunnen, Quellen, Wassermühlen
6.1
Wasser –ein Element für das Leben 33
[… ]
Wasser ist neben der Luft zum Atmen die wichtigste Voraussetzung und Grundlage allen Lebens. Für Christen sind diese Grundlagen des Lebens, die unbelebte und die belebte Natur
nicht einfach nur Material, dem Menschen zu Verbrauch und Ausbeutung überlassen, sondern
anvertraute Gaben der Schöpfung.
Der Mensch besteht zu mehr als 60 % aus Wasser. Ohne Wasseraufnahme stirbt der Mensch
nach wenigen Tagen. Alle lebenswichtigen Vorgänge beim Menschen und in der Natur sind
an das Wasser gebunden.
Alles Wasser auf unserem Planeten ist in einem unendlichen Kreislauf in Bewegung. Wasser
ist auf der Erde reichlich vorhanden, in flüssiger, gasförmiger oder kristalliner Form. Zwei
Drittel der Erde sind mit Wasser bedeckt, aber nur etwa 2 % der gesamten Wassermenge stehen uns als Süßwasser zur Verfügung. Davon aber wiederum nur etwa 0,6 % in Seen, Flüssen
oder als Grundwasser und nur dieses Grundwasser hat Trinkwasserqualität. Wir leben in
Deutschland in einem wasserreichen Land. Im Vergleich zu vielen anderen Menschen und
Regionen auf dieser Erde sind wir in einer bevorzugten Lage. In dem „Jahresgutachten 1997“
des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung zur weltweiten Wassersituation wird
festgestellt:
Ø
Ø
Ø
Ø
33
80
2 Mrd. Menschen auf der Erde leben ohne Zugang zu sauberem Trink- und Sanitärwasser.
Jeder 2. Mensch in den Entwicklungsländern leidet an einer wasserbedingten
Krankheit.
5 Millionen Menschen sterben jährlich durch Verunreinigungen und Keime im
Trinkwasser.
Alle 8 Sekunden stirbt nach Angaben der WHO ein Kind durch verschmutztes Wasser.
nach: Ulrich Hack, Wasser – ein Element für das Leben, in: Gottes Erde – Zum Wohnen gemacht – Unsere
Verantwortung für die Schöpfung. Impulse für Praxis und Gottesdienst (Woche für das Leben 2.-8. Mai
1999, hrsg. vom Sekretariat der DBK u. Kirchenamt der EKD, Bonn –Hannover 1999, S. 28–30.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort
Während in unbewohnten Gegenden Wasser im Überfluss vorhanden ist, wächst der Mangel
an Wasser mit dem Wachstum der Bevölkerung und steigender Nachfrage.
In den letzten 50 Jahren hat sich der Wasserverbrauch versechsfacht. Wassermangel bedroht
ein Viertel der Menschheit.
Zahlreiche Megastädte (Mexiko, Peking, Schanhai, Kalkutta, Bombay u. a.) können schon
heute ihre Einwohner nicht mehr ausreichend mit Trinkwasser versorgen.
Jeder von uns trägt Verantwortung für die Qualität unseres Wassers.
Auch in den Industriestaaten ist man nicht mehr frei von Sorgen um die Trinkwasserqualität.
Deshalb ist die konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips von ganz besonderer Bedeutung.
Jeder von uns trägt Verantwortung für die Qualität unseres Wassers. Der einzelne Bürger,
Haushalte, Industrie, kirchliche Einrichtungen u. a. haben viele Möglichkeiten zu einem sorgsamen Umgang mit der Ressource Wasser.
Wasserverbrauch und Wasservergeudung
Der Verbrauch von Wasser geschieht auf vielfältige Weise z.B. als Brauchwasser und Kühlmittel in Gewerbe und Industrie, als Transportmittel, als Möglichkeit für Erholung und Freizeitsport, zum Bewässern in der Landwirtschaft u.v.a.m. Für häusliche Verwendungszwecke
wird dagegen nur Wasser in Trinkwasserqualität verwendet.
Der Pro - Kopf - Verbrauch von Trinkwasser liegt bei durchschnittlich 140 Litern pro Tag.
Nur 3 - 6 Liter dienen zum Kochen und der Ernährung.
In Kirchengemeinden entfallen manche Verwendungsbereiche. Andere kommen hinzu. Deshalb sind in kirchlichen Einrichtungen zunächst Erhebungen über den Wasserverbrauch notwendig, mit deren Hilfe dann über Einsparmöglichkeiten nachgedacht werden kann.
Wassersparen
Kreativität und Eigeninitiative sind gefragt.
Wasserrechnung prüfen, Verbrauchsquellen kontrollieren und mit anderen Einrichtungen vergleichen. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen und Möglichkeiten, ohne großen technischen
Aufwand Wasser zu sparen. Sie sind in aller Regel sofort zu verwirklichen und verursachen
entweder überhaupt keine oder nur geringfügige Kosten, mittelfristig senken sie sogar die
Ausgaben. Allein mit wassersparenden Maßnahmen lassen sich 10 % Wasser und damit auch
Kosten sparen.
Tropfverluste undichter Wasserhähne kosten Geld.
Wassersparende Installationen und Maßnahmen:
Toilettenspülung
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
81
6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort
Spar-Spül-Kästen, Spül-Stop-Tasten oder Spar-Druckspüler ermöglichen bis zu 25 Liter Wasser pro Person und Tag einzusparen. Ihr Einsatz empfiehlt sich vor allem in Kindergärten,
Gemeindehäusern, Heimen u.a.
In diesem Zusammenhang sollten die Dichtungen von Druckspülern in allen kirchlichen Einrichtungen überprüft werden, da bis zu 5o Liter pro Toilette und Tag ungenutzt in die Kanalisation fließen können.
Wassersparende Armaturen
Mit Armaturen in Badezimmern, Küchen und Toiletten wird etwa 1/3 des täglichen Wasserverbrauchs gesteuert. Wassersparende Armaturen wie z. B. Durchflußbegrenzer, Einhandhebelmischer, Selbstschlußarmaturen reduzieren den Trinkwasserverbrauch erheblich. Für jede
Verbrauchseinrichtung sollten Wasserzähler installiert werden.
Wassersparende Geräte
Moderne Geschirrspülmaschinen und Waschmaschinen sind wesentlich sparsamer beim Wasserverbrauch als Geräte aus den 7oer und 8oer Jahren (Im Vergleich 120 Liter früher zu ca. 55
Liter heute).
Regenwassernutzung
Für die Toilettenspülung, zum Wäschewaschen und zur Gartenbewässerung sollte Regenwasser als Ersatz für Trinkwasser genutzt werden. Es sollte dazu eine entsprechende Beratung
eingeholt werden. In einigen Bundesländern wird die Nutzung von Regenwasser gefördert.
Für die Garten-/Außenanlagenbewässerung empfiehlt sich das Aufstellen von Regentonnen.
Auf jeden Fall lassen sich damit Trinkwasserressourcen sowie Kanalisation und Kläranlagen
schonen.
Wasserschonende Maßnahmen
Grünflächenbewässerung durch Oberflächenwasser
Für die Bewässerung von Grünflächen und Außenanlagen kirchlicher Gebäude sollte Oberflächenwasser/Regenwasser benutzt werden. Vor allem in den Sommermonaten, in denen naturgemäß ein höherer Wasserverbrauch besteht, sollte nicht noch zusätzlich Trinkwasser für die
Grünflächenbewässerung verschwendet werden. Auch lassen sich durch eine standortgerechte
Bepflanzung in den Sommermonaten erhebliche Wassermengen einsparen.
Entsiegelung von Flächen
Die Versiegelung unserer Landschaft durch Gebäude, Straßen, Gewerbeflächen und Parkplätze hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen und dazu beigetragen, dass Nieder82
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort
schlagwasser nicht mehr ausreichend versickern und somit zur Grundwasserneubildung beitragen kann. Auch hat die zunehmende Versiegelung die Hochwassergefahr in Flüssen und
Bächen erhöht. Die Versiegelung hat außerdem die natürliche Verdunstung verringert, den
Lebensraum für Tiere und Pflanzen an der Erdoberfläche und im Boden zerstört, das Kleinklima verschlechtert und Landschaftsräume verödet.
Inzwischen gehen immer mehr Kommunen dazu über, Abgaben für versiegelte Flächen zu
erheben. Damit werden Entsiegelungen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Deshalb sollte folgendes geprüft und umgesetzt werden:
Ø
versiegelte Flächen entsiegeln
Ø
Flächen wasserdurchlässig befestigen z. B. mit Rasengittersteinen, Porenpflaster, Ra–
senfugenpflaster oder Sylittfugenpflaster
Ø
Regenwasser versickern lassen z. B. durch entsprechende Systeme wie Flächenversickerung, Muldenversickerung oder Schachtversickerung.
Vermeidung von Schadstoffeinträgen ins Wasser durch:
Ø
Reduzierung von Nitrateinträgen auf landwirtschaftlich genutzten Böden
Ø
Verwendung von umweltschonenden Wasch- und Reinigungsmitteln
Ø
Einsatz von umweltfreundlichen Streumitteln im Winterdienst
Ø
Einsatz von Recyclingpapier in Gemeinde- und Pfarrbüros sowie kirchlichen Verwaltungseinrichtungen
Ø
Ordnungsgemäße Abfallbeseitigung, denn Abfälle aller Art gehören weder in die Toilette noch in das Spülbecken
Schritte in der Gemeindearbeit
Das Thema „Wasser als Lebenselement“in die Arbeit der Gemeinde und kirchlichen Institutionen einbringen.
Für die Umsetzung konkreter Maßnahmen empfiehlt sich die Bildung einer Arbeitsgruppe, in
der Benutzerinnen und Benutzer von Gemeinderäumen vertreten sind. Wichtige Arbeitsschritte können sein:
Ø
zunächst Verbrauchsdaten erfassen
Ø
Rundgang durch die Einrichtungen mit der Fragestellung, wo etwas geändert oder
gespart werden kann
Ø
Checkliste für Sparmöglichkeiten und Projekte aufstellen
Ø
Zuständigkeiten klären und Maßnahmen anordnen
Ø
Erfolg kontrollieren.
Für die Arbeit in der Gemeinde können darüber hinaus folgende Aktionen vorgesehen werden:
Ø
eine Wasserwoche veranstalten
Ø
Ausstellung im Gemeindehaus zum Thema in Absprache mit Wasserwerk, Umweltgruppen, Stadt
Ø
Verbraucherberatung um Informationen bitten
Ø
einen (Kinder-) Gottesdienst zum Thema durchführen
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
83
6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort
Ø
im Kindergarten einen Malwettbewerb durchführen.
Literatur:
„Ohne Wasser läuft nichts –Informationen zum Wassersparen",
hg. v. Arbeitsstelle für Umweltfragen der Ev. Kirche in Hessen-Nassau
(Tel.: 06151/367004) in Zusammenarbeit mit dem Hess. Ministerium für Umwelt, Energie,
Jugend, Familie und Gesundheit
Ein Bibeltag zum Wasser,
hg. v. Konferenz der Umweltbeauftragten der Ev. - Luth. Kirche in Bayern, Postfach 200751,
80007 München, Tel.: 089/548219-11
Bewahrung der Schöpfung –praktisch: Wasser, hg. v. Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der Gliedkirchen der EKD, Amt für Sozialethik KDA und Ökologie, Hans-BöcklerStr. 7, 40476 Düsseldorf
„Schwamm drüber – Umweltschonende und gesundheitsbewusste Reinigung in öffentlichen
Einrichtungen", hg. v. Landschaftsverband Westfalen - Lippe in Zusammenarbeit mit den
kirchlichen Umweltreferaten und den diakonischen Werken in NRW Tel.: 0251/591-3565
FAX: 0251/591-218
„Ein Wassertropfen auf Reisen" –Ein Lesebuch für die Kindergartenarbeit, hg. v. Hessisches
Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit
Sonderdruck für das Umweltreferat der Evang. - Luth. Kirche in Bayern Tel.: 089/54821911,
FAX: 089/54821920
84
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort
6.2
Wasserverbrauch weltweit und zuhause34
Woher kommt unser Wasser?
Der größte Teil befindet sich im Boden,
entweder direkt unter der Erdoberfläche
oder in tieferen Schichten. Die Menge dieses Wassers ist 60 Mal größer als die des
Wassers auf der Erdoberfläche. Neben dem
fließenden Grundwasser, das als Teil des
Wasserkreislaufes zirkuliert, gibt es die
Aquifere: Unterirdische Grundwasserspeicher, oft ohne Verbindung zur Biosphäre,
auch fossiles Wasser genannt. Mit ihnen
geht es uns wie mit dem Öl: Irgendwann
ist der Vorrat zu Ende. Überall auf der
Welt jedoch werden Aquifere in gigantischem Umfang ausgebeutet.
Wasserverbrauch weltweit
In den letzten sieben Jahrzehnten hat sich
der weltweite Wasserverbrauch versechsfacht. Die Unterschiede des Verbrauchs in
den einzelnen Regionen der Welt sind enorm: Während er in afrikanischen Trockengebieten bei etwa 20 Litern liegt, erreicht er in den USA ca. 295 Liter pro Tag.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sind mindestens 25 Liter pro
Tag zum Trinken, Kochen und den hygienischen Bedarf nötig.
34
Wasserverbrauch im Haushalt
Essen und Trinken*
Kaffee kochen
1 Liter
Kartoffeln kochen
1 Liter
Gemüse waschen
3,5 Liter
Obst waschen
2 - 5 Liter
Körperpflege und Hygiene*
ein Vollbad
120 - 180 Liter
einmal Duschen
30 - 90 Liter
Zahnpflege
0,5 Liter
Händewaschen
2 - 3 Liter
Morgenwäsche
3 - 5 Liter
Toilette*
spülen mit Spartaste
6 Liter
Normalspülkasten
10 -18 Liter
undichter Toilettenspülkasten
(24 Std.)
500 Liter
Geschirr spülen*
altes Gerät
20 - 30 Liter
neues Gerät
15 Liter
Handwäsche
20 - 40 Liter
Wäsche waschen*
alte Waschmaschine
60 -100 Liter
neue Waschmaschine
35 - 50 Liter
* Durchschnittswerte aus verschiedenen
Quellen, die ja nach Nutzerverhalten und
Gerätetyp / Programm variieren
aus: Wasser –Zur Quelle gehen, Umweltbrief, Gerhard Monninger, hrsg. von der Ev.-Lutherischen Kirche in
Bayern (Januar 2008), S. 5.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
85
6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort
Wasser auf dem Globus35
Vorkommen
Volumen in km3
in %
Weltmeere
Unterirdische Salzwasser
Unterirdische Süßwasser
Bodenfeuchte
Eis, Schnee und Firn
Salzwasserseen
Süßwasserseen
Sümpfe
Flüsse
Lebewesen
Atmosphäre
1.338.000.000
12.870.000
10.530.000
16.500
24.364.100
85.400
91.000
11.500
2.100
1.100
12.900
96,5
0,94
0,76
0,001
1,766
0,006
0,007
0,0008
0,0002
0,0001
0,001
Total
1.385.984.600
100
Hätten Sie´s gewusst?
•Süßwasserquellen im Meer - Der antike
König Agamemnon kannte keine Wasserprobleme, wohl aber die Süßwasserquellen
im Meer im heutigen Kiveri, nahe seiner
Königsburg. Hier strömen große Süßwassermengen untermeerisch aus, durch einen
12.000 Jahre alten Kanal. Im porösen Untergrund des Karstgebirges verschwindet
Regenwasser rasch und taucht als „anony-
großer Höhe. Tropische Frösche sind oft
auffällig gefärbt und sehr giftig.
•Energiequelle Wasserkraft –
Bayernweit sind rund 4.250 Wasserkraftanlagen in Betrieb, wovon die 220 großen
Anlagen über 90 Prozent des Stroms erzeugen. Alleine die 28 Anlagen an der Isar
erzeugen pro Jahr 1,6 Milliarden Kilowattstunden Strom für umgerechnet 440.000
Haushalte und vermeiden dadurch 10 Mil-
mes Wasser“ in Quellkanälen unterhalb
des Meeresspiegels wieder auf, wo es sich
mit dem Salzwasser vermischt.
• Astgabeln als Quellen des Lebens –
Verwandte unseres europäischen Laubfrosches sind vor allem in den Regenwäldern
Südamerikas weit verbreitet. Ihre Quappen
entwickeln sich dort häufig in den wassergefüllten Blattachseln der Urwaldbäume in
lionen Tonnen Kohlendioxid).
•Moderne Trinkwasserquellen –
In Deutschland stillen die Menschen ihren
Durst mit Wasser aus dem Hahn oder aus
der Flasche. 2005 kostete der Liter Leitungswasser im Schnitt 0,181 Cent, für
Mineralwasser zahlt man hingegen das
100- bis 1000-fache. Dennoch stieg der
Mineralwasser-Verbrauch zwischen 1970
35
86
Ebd. S. 9.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort
und 2007 von 12,5 Liter auf über 130 Liter.
•Wenn saubere Quellen fehlen –
Jährlich sterben 2,3 Millionen Menschen
an den Folgen verschmutzen Wassers.
2004 hatten 2,6 Milliarden, das sind 40
Prozent der Weltbevölkerung, noch nicht
einmal ein Minimum an sanitärer Wasserversorgung.
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
87
7. Anhang
7.1 Zentrale Aussagen der Kirchen zum Wasser als Quelle des Lebens
7.
Anhang
7.1
Zentrale Aussagen der Kirchen zum Wasser als Quelle des Lebens (in Auswahl)
(1) Erklärung: Wasser – Quelle des Lebens. Beschluss der 9. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Porto Alegre (Brasilien) vom 14.-28. Februar 2006
Der folgende Bericht wurde der Vollversammlung vorgelegt und von ihr entgegengenommen.
Die darin enthaltenen Beschlussfassungen wurden vom Ausschuss für öffentliche Angelegenheiten vorgeschlagen und von der Vollversammlung im Konsens gebilligt. Abweichende Meinungen von Vollversammlungsdelegierten erscheinen als Endnoten.
1. Wasser ist ein Symbol des Lebens. Die Bibel nennt das Wasser Ursprung des Lebens, Ausdruck der Gnade Gottes für die gesamte Schöpfung in Ewigkeit (1. Mose 2,5ff). Es ist eine
Grundvoraussetzung allen Lebens auf der Erde (1. Mose 1,2ff) und muss bewahrt und mit
allen Lebewesen und der übrigen Schöpfung geteilt werden. Wasser ist die Quelle der Gesundheit und des Wohlbefindens und verlangt verantwortungsvollen Umgang von uns Menschen als Partner und Priester der Schöpfung (Röm 8,19ff; Offb 22). Als Kirchen sind wir zur
Teilnahme an Gottes Plan einer neuen Schöpfung aufgerufen, in der allen ein Leben in Fülle
gewährt wird (Joh 10,10; Am 5,24). Daher ist es geboten, die Stimme zu erheben und zu handeln, wenn das Leben spendende Wasser weltweit und systematisch gefährdet wird.
2. Zugang zu Trinkwasser wird zu einem akuten Problem auf unserem Planeten. Wassermangel und fehlende sanitäre Versorgung bedrohen gegenwärtig das Überleben von 1,2 Mrd.
Menschen. Einseitiger Zugang zu Wasser führt zu Konflikten zwischen und innerhalb von
Menschen, Gemeinwesen, Regionen und Ländern. Auch die Artenvielfalt ist bedroht durch
die Erschöpfung und Verunreinigung der Trinkwasserreserven oder durch den Bau von großen Staudämmen bzw. Bergbau oder Treibhauskulturen (Bewässerung) im großen Stil, Aktivitäten, die häufig mit Zwangsumsiedlungen der Bevölkerung und Störungen des Ökosystems
einhergehen. Intakte und im Gleichgewicht befindliche Ökosysteme sind wesentliche Voraussetzungen für den Zugang zu Wasser. Wälder haben im Ökosystem Wasser eine unersetzliche
Funktion und müssen geschützt werden. Klimawandel und die Verfolgung mächtiger wirtschaftlicher Interessen verschärfen die Krise noch. Wasser wird zunehmend als Handelsware
betrachtet, die den Marktgesetzen unterworfen ist.
3. Immer mehr wird Wassermangel auch zu einer Konfliktquelle. Abkommen über internationale Wasserläufe und Flusseinzugsgebiete müssen viel konkreter gefasst sein und Maßnahmen zur Vertragsdurchsetzung sowie detaillierte Konfliktlösungsmechanismen enthalten.
4. Auf lokaler wie auf internationaler Ebene gibt es positive und ideenreiche Initiativen, die
der christlichen Position zu Wasserfragen erhöhtes Profil verleihen:
88
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
7. Anhang
7.1 Zentrale Aussagen der Kirchen zum Wasser als Quelle des Lebens
5. So haben Kirchen in Brasilien und der Schweiz eine gemeinsame Ökumenische Erklärung
zum Wasser als Menschenrecht und als öffentliches Gut abgegeben – ein ausgezeichnetes
Beispiel ökumenischer Zusammenarbeit. Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios erklärt,
dass Wasser niemals als Privatbesitz betrachtet und behandelt oder zum Mittel und Zweck
von Einzelinteressen werden darf. Er betont, dass Gleichgültigkeit gegenüber der Lebensbedeutung des Wassers sowohl eine Lästerung Gottes des Schöpfers als auch ein Verbrechen
gegen die Menschlichkeit sei. Kirchen verschiedener Länder und ihre Dienste und Werke haben sich im Ökumenischen Wasser-Netzwerk zusammengeschlossen, um sich gemeinsam für
die Verfügbarkeit von Trinkwasser und den Bau von adäquaten Abwassersystemen einzusetzen und für das Recht auf Wasser einzutreten. Grundsätzlich gilt: der Zugang zu Wasser ist
ein menschliches Grundrecht. Die Vereinten Nationen haben eine Internationale Aktionsdekade "Wasser –Quelle des Lebens", 2005-2015, ausgerufen.
6. Es ist wichtig, dass Kirchen und christliche Hilfswerke zusammenarbeiten und die Zusammenarbeit mit anderen Partnern, einschließlich anderer Glaubenstraditionen und NROs, und
insbesondere mit denjenigen Organisationen vergleichbarer ethischer Ausrichtung suchen, die
mit bedrohten und ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen arbeiten. Es ist unerlässlich, sich an
Diskussionen über Wasserpolitik und an entsprechenden Aktionen zu beteiligen, einschließlich Gesprächen mit Regierungen, Körperschaften oder multilateralen Institutionen. Nur so
kann die Bedeutung des Rechts auf Wasser bewusst gemacht und aufgezeigt werden, welche
alternativen Lebensweisen es gibt, die den ökologischen Abläufen besser Rechnung tragen
und Nachhaltigkeit langfristig sicherstellen.
Beschlussfassung:
Die vom 14. – 23. Februar 2006 in Porto Alegre (Brasilien) tagende Neunte Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen
a) nimmt die Erklärung "Wasser – Quelle des Lebens" an und ruft die Kirchen und ökumenischen Partner zur Zusammenarbeit auf, um:
b) das Bewusstsein für die Erhaltung und den Schutz der Wasserressourcen gegen Übernutzung und Verschmutzung –als fester Bestandteil des Rechts auf Leben –zu schärfen
und alle dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen;
c) sich stark zu machen für die Ausarbeitung von Rechtsinstrumenten und mechanismen, die auf lokaler, nationaler, regionaler und internationaler Ebene die
Durchsetzung des Rechts auf Wasser als eines menschlichen Grundrechts garantieren;
d) unter Kirchen und ökumenischen Partnern die Zusammenarbeit in Wasserfragen
durch Beteiligung am Ökumenischen Wasser-Netzwerk voranzutreiben;
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
89
7. Anhang
7.1 Zentrale Aussagen der Kirchen zum Wasser als Quelle des Lebens
e) Initiativen von Gemeinwesen zu unterstützen, mit dem Ziel, lokalen Bevölkerungen
verantwortungsvolle Verfügungsgewalt über Wasserressourcen zu geben, sie zu deren
Bewirtschaftung und Regelung zu befähigen sowie deren Nutzung für kommerzielle
Zwecke zu verhindern;
f) bei Regierungen und internationalen Hilfsorganisationen darauf zu dringen, solchen
Programmen Priorität einzuräumen und sie mit angemessenen finanziellen und anderen
Mitteln auszustatten, die Wasser für örtliche Gemeinschaften erschließen und verfügbar
machen und die bei der Planung und dem Bau funktionierender Abwassersysteme helfen, unter Berücksichtigung der notwendigen Vorkehrungen dafür, dass Menschen mit
Behinderungen Zugang zu diesem Trinkwasser und der sanitären Versorgung erhalten;
g) Streitigkeiten und die Ausarbeitung von Vereinbarungen zu verfolgen, in denen es um
Wasserressourcen und Flusseinzugsgebiete geht, um sicherzustellen, dass solche Übereinkünfte detaillierte, konkrete und eindeutige Konfliktlösungsbestimmungen enthalten;
h) einen Beitrag zur Internationalen Aktionsdekade "Wasser –Quelle des Lebens, 20052015, zu leisten, indem die ethische und spirituelle Dimension der Wasserkrise untersucht und herausgestellt wird.
(2) Ökumenische Erklärung zum Wasser als Menschenrecht und als öffentliches Gut, hrsg.
von Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund, Ökumenischer Rat Christlicher Kirchen
Brasiliens, Katholische Bischofskonferenz Brasiliens, Schweizer Bischofskonferenz, Bern
2005.
Wir, die im Ökumenischen Rat christlicher Kirchen Brasiliens und im Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund zusammengeschlossenen Kirchen und die Bischofskonferenzen Brasiliens und der Schweiz, angeregt durch lokale Initiativen in ihren Kirchen und ermutigt durch
weltweite kirchliche Äußerungen –und in Anknüpfung an die von der UNO ausgerufene Internationale Wasserdekade (2005-2015),
1. Wir erkennen an
•
Wasser ist eine Grundvoraussetzung für alles Leben. Ohne Wasser gibt es kein Leben.
Zugang zu Wasser haben oder nicht haben, entscheidet über Leben und Tod. Wasser
ist eine Gabe Gottes, das er allen für ein Leben in Fülle zum verantwortlichen
Gebrauch zur Verfügung stellt. Wasser ist deshalb grundsätzlich ein gemeinsames
Gut, das nicht zu privatisieren ist.
•
Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht. Das «Recht auf angemessene Ernährung» ist
festgehalten in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO von 1948
90
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
7. Anhang
7.1 Zentrale Aussagen der Kirchen zum Wasser als Quelle des Lebens
(Art. 25) und im UNO-«Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte» von
1966 (Art. 11). Bei der Umsetzung müssen die spezifischen Probleme und Bedürfnisse
der Frauen besondere Berücksichtigung finden: In vielen Ländern sind Frauen (und
Kinder, speziell Mädchen) für das Beschaffen von Wasser zuständig – mit Konsequenzen für die Gesundheit der Frauen (Tragen schwerer Lasten) und der Mädchen,
die dadurch gehindert werden, die Schule zu besuchen.
•
Wasser hat spirituelle Bedeutung. Wasser ist nicht nur ein Wirtschaftsgut, sondern es
besitzt eine soziale, kulturelle, medizinische, religiöse und mystische Bedeutung.
Schon im Schöpfungsbericht heißt es: «Gottes Geist schwebte über den Wassern...»
(Gen 1,2). Durch Moses versorgte Gott sein durch die Wüste pilgerndes Volk mit
Wasser. Für uns Christinnen und Christen liegt die Symbolkraft des Wassers in der
Taufe: «Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet,..» (Mk 16,16). Das Wasser hat
für viele Völker und Kulturen eine heilige Bedeutung und besitzt einen gemeinschaftsstiftenden, rituellen und traditionsverbundenen Wert.
•
Wasser wird für viele Menschen knapp. Durch den hohen Wasserverbrauch pro Kopf,
die wachsende Bevölkerungszahl, eine inadäquate Wasserbewirtschaftung, die Verschwendung, den Lebensstil und die Zerstörung von Wald, Boden und Wasserreserven
wird eine besondere Sorge für das Wasser sowie eine Prioritätensetzung bei dessen
Gebrauch nötig.
2. Wir fordern
•
Zugang zu Wasser ist als Menschenrecht lokal und global anzuerkennen, wie es im
Recht auf angemessene Ernährung enthalten ist. Es ist von allen Sektoren der Gesellschaft, in besonderer Verantwortung aber von Staaten zu respektieren. Die «Allgemeine Bemerkung» Nr. 15 des UNO Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und die von der Staatengemeinschaft in der FAO im November 2004 verabschiedeten «Freiwilligen Richtlinien zur Unterstützung der Verwirklichung des
Rechts auf angemessene Nahrung im Kontext nationaler Nahrungssicherheit» (bes.
Richtlinie 8c) sind zügig umzusetzen.
•
Wasser ist als öffentliches Gut zu behandeln. Der Staat muss die Verpflichtung übernehmen, allen Bewohnern Zugang zu Trinkwasser zu sichern. Das beinhaltet einen erschwinglichen Preis für Wasser, die Beschaffung der nötigen technischen und finanziellen Mittel sowie die Einbeziehung der Gemeinden und lokalen Gemeinschaften in
sie betreffende Entscheidungen zur Nutzung der vorhandenen Wasserressourcen.
Wasser als öffentliches Gut beinhaltet auch die Verpflichtung der Staaten, die Nut-
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
91
7. Anhang
7.1 Zentrale Aussagen der Kirchen zum Wasser als Quelle des Lebens
zung der Wasserressourcen mit friedlichen Mitteln so zu regeln, dass für alle Menschen auch der Nachbarstaaten das Recht auf Wasser respektiert wird.
•
Für den Wasserverbrauch sind gesetzliche Prioritäten festzulegen. An erster Stelle
steht die Stillung des Durstes von Mensch und Tier sowie der Wasserbedarf für die
Nahrungsproduktion. Das erfordert eine vorbeugende Umweltpolitik, im Geist der Solidarität zwischen Gemeinden, Ländern und Völkern.
•
Dem Recht auf Wasser ist mit einer von der UNO zu verabschiedenden Internationa–
len Wasserkonvention ein verbindlicher Rahmen zu geben.
3. Wir verpflichten uns
•
unsere Kirchen, Kirchgemeinden, Werke, ökumenischen Zusammenschlüsse und na–
hestehende Organisationen für die Unterstützung dieser Erklärung zu gewinnen, und
dafür zu beten;
•
zusammen mit den interessierten sozialen Bewegungen und NGOs der Schweiz und
Brasiliens die öffentliche Meinung, die politischen Kräfte und die Bevölkerung unserer Länder im Einsatz für die Anliegen dieser Erklärung zu motivieren und der Tendenz zur Privatisierung entgegen zu wirken;
•
die Regierungen unserer Länder dazu zu bewegen, dass sie durch entsprechende Ge–
setzgebungen das Menschenrecht auf Wasser und die Erklärung des Wassers als öffentliches Gut sichern und sich für die Erarbeitung einer von der UNO zu verabschiedenden Internationalen Wasserkonvention einsetzen.
Freiburg, 22. April 2005
Für den Ökumenischen Rat Christlicher Kirchen Brasiliens CONIC
Bischof Adriel de Souza Maia, Präsident
Für die Katholische Bischofskonferenz Brasiliens CNBB
Weihbischof Odilo Pedro Scherer, Generalsekretär
Für den Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund SEK
Irène Reday, Vizepräsidentin
Für die Schweizer Bischofskonferenz SBK
Weihbischof Peter Henrici, ressortverantwortlicher Bischof
92
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
7.2 Hinweise auf weitere Materialien zum Thema
7.2.
Hinweise auf weitere Materialien zum Thema
 Bei dir ist die Quelle des Lebens (Ps 36,6–10). Materialien für Gemeindearbeit und
Gottesdienst zur Gebetswoche für die Einheit der Christen 2002, Stuttgart – Eichstätt 2001.
 „Bewahrung der Schöpfung – praktisch: Wasser (1990), hg. v. Arbeitsgemeinschaft
der Umweltbeauftragten der Gliedkirchen der EKD, Amt für Sozialethik KDA und
Ökologie, Hans-Böckler-Str. 7, 40476 Düsseldorf
 Ein Bibeltag zum Wasser, hg. v. Konferenz der Umweltbeauftragten der Ev. - Luth.
Kirche in Bayern, Postfach 200751, 80007 München, Tel.: 089/548219-11
 Materialien des Ökumenischen Wassernetzwerkes (ÖWN), Sieben Wochen im Zeichen des Wassers 2011: Wasser und gerechter Frieden (Woche 1: Land und Wasser;
Woche 2: Öl und Wasser in Nigeria; Woche 3: Wasser als Ware; Woche 4: Frauen,
Wasser und Gewalt; Woche 5: Wasserkonflikt im Heiligen Land; Woche 6: Klimawandel und Flüchtlinge ;Woche 7: Wasser für die Landlosen in Guatemala)
[download unter: http://www.oikoumene.org/de/activities/oekumenischeswassernetzwerk-oewn/ressourcen-und-links/sieben-wochen-fuer-wasser/ueber-diekampagne/archiv/sieben-wochen-fuer-wasser.html]
 MISEREOR (1996): Wasser - ein globale Herausforderung. Sachbuch zur Fastenaktion 1996. (Postfach 1450, 52015 Aachen, Tel. 0241/479)
 Ohne Wasser läuft nichts –Informationen zum Wassersparen, hg. v. Arbeitsstelle für
Umweltfragen der Ev. Kirche in Hessen-Nassau (Tel.: 06151/367004) in Zusammenarbeit mit dem Hess. Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und
Gesundheit
 Wasser – Zur Quelle gehen, Umweltbrief, Gerhard Monninger, hrsg. von der Ev.Lutherischen Kirche in Bayern (Januar 2008) [Download unter:
http://www.zgv.info/cms/fileadmin/user_upload/download/umwelt/200801wasser_zur_quelle_gehen-monninger.pdf]
 Water - Source of Life. A Dossier produced by the European Christian Environmental Network (ECEN) (November 2003) [Download unter:
http://www.argeschoepfung.at/die-34-tage-der-schoepfungszeit.html]
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
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7.2 Hinweise auf weitere Materialien zum Thema
 Die Evangelische Landeskirche in Württemberg gibt schon seit dem Jahr 2000 jedes
Jahr ein Materialheft mit Anregungen zum „Schöpfungstag“unter wechselnden
thematischen Aspekten heraus „Wasser –Gabe Gottes. Bausteine für Gemeindearbeit und Gottesdienst“ (2006), hrsg. vom Evangelischen Oberkirchenrat Stuttgart in
Zusammenarbeit mit der Dekade zur Überwindung von Gewalt, den Umwelträten
der Evangelischen Landeskirchen und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen
in Baden-Württemberg (Download unter : http://www.umwelt.elkwue.de/fileadmin/mediapool/einrichtungen/E_umweltbeauftragter/Veranstaltungen/t
ds06wasser.pdf
 Zeit der Schöpfung. Dossier zur Schöpfungszeit 2010 (ECEN), hrsg. von Isolde
Schönstein/ARGE Schöpfungsverantwortung, Wien 20108 (Bezugsadresse: ARGE,
A - 1130 Wien, Don Bosco Haus, St. Veitgasse 25, www.argeschoepfung.at; [email protected]; Tel: 0043 (0) 1 878 39-539; Fax: 0043 (0) 1 878 39-540)
[download unter: http://www.argeschoepfung.at/die-34-tage-derschoepfungszeit.html]
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Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
7.3 „Wasser“– Links zu weltweiten Hilfsprojekten
7.3
„Wasser“–Links zu weltweiten Hilfsprojekten
Ø MISEREOR–Projekte
 Brasilien - Trotz Dürre leben (Projekt-Nr.: P23303):
http://www.misereor.de/projekte/projektpartnerschaften/brasilien-trotz-duerreleben.html
 Burkina Faso - Gärten in der Sahelzone (Projekt-Nr.: P11501):
http://www.misereor.de/projekte/projektpartnerschaften/burkina-faso-gemeinsamkaempfen.html
 Nigeria: Wasser schenkt Leben (Projekt-Nr.: P13101):
http://www.misereor.de/projekte/projektpartnerschaften/nigeria-wasser-schenktleben.html
 Indien: Sauberes Wasser. Ökumenische Aktion Miteinander Teilen
http://www.misereor.de/projekte/oekumenisch-miteinander-teilen/oemt-april.html
Ø „Brot für die Welt“–Projekte
 Äthiopien: Wasser marsch!
http://www.brot-fuer-die-welt.de/weltweit-aktiv/index_8364_DEU_HTML.php
 Uganda: Jeder Tropfen Regen ist ein Geschenk des Himmels
http://www.brot-fuer-die-welt.de/downloads/weltweit-aktiv/flyer_wasser.pdf
 Kiribati: Rettet uns vor dem Untergang!
http://www.brot-fuer-die-welt.de/weltweit-aktiv/index_8405_DEU_HTML.php
Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
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Impressum
Herausgeber und Bezugsadresse:
Dr. Michael Kappes
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen
in Nordrhein–Westfalen
Domplatz 27
48143 Münster
Tel: 0251 / 495–319
Fax: 0251 / 495–6159
e–mail: info@ack–nrw.de
Homepage: www.ack–nrw.de
1. Auflage Münster 2011
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Michael Kappes (Hg.), Wasser –Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens
Bereits 2010 erschienen:
Grundlagenheft zum Ökumenischen Tag
der Schöpfung/Schöpfungszeit
Bezugsadresse:
Dr. Michael Kappes
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen
in Nordrhein–Westfalen
Domplatz 27
48143 Münster
Tel: 0251 / 495–319
Fax: 0251 / 495–6159
e–mail: info@ack–nrw.de
Homepage: www.ack–nrw.de
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