REISEZIEL Einzigartige Stätte des Buddhismus in Westbengalen Mit einem buddhistisches Kloster aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. sollte Moghalmari in Westbengalen das nächste Reiseziel aller Abenteurer sein. Text & Fotos: Sudipto Roy D ie Trägheit der Geschichte hält einen wunderbaren Adrenalinrausch für all jene bereit, die sich fragen, warum menschliche Evolution und Wissenschaft so nahe beieinanderliegen. Hier ist ein Fall, der die Unterschiede betont. Eine Forschergruppe der Universität Kalkutta um Professor Asok Datta entschied, auf dem Erdhügel einer abgeschiedenen Ortschaft im 26 März-April 2017 INDIEN FÜR SIE Distrik West Midnapur in Westbengalen, mit Ausgrabungen zu beginnen. Die Geschichte des Buddhismus und seine Fußabdrücke in Indien sind um eine Perspektive reicher! Durch zwei nationale Autobahnen von Kalkutta getrennt liegt Moghalmari ca. 170 Kilometer entfernt von der Hauptstadt. Während der Fahrt auf der Verlängerung des National Highway 60 von Midnapur nach Balasore (Odisha) fährt man unbemerkt an einem winzigen Schild vorbei, das zufällig auf die bemerkenswerteste aller archäologischen Stätten hinweist, die jemals in Bengalen gefunden wurden. Das schläfrige Dorf Moghalmari unterscheidet mit seinen nichts von anderen Dörfern im Nirgendwo des südlichen Teils von West Midnapur, nahe der Grenze zu Odisha – es liegt einsam und abgeschieden. Wenn man von der Autobahn REISEZIEL bürokratische Hürden haben jedoch dazu geführt, dass die Ausgrabungen über fast zehn Jahre und in fünf Etappen durchgeführt werden mussten und Fortschritte stark verzögert wurden. Erst 2012 erhielten die Forscher Gewissheit darüber, dass buddhistische Klosteranlage verborgen lag, die wahrscheinlich aus dem 6. Jahrhundert stammt und in Bengalen ihresgleichen sucht. Menschliche Figuren, unter anderem von Buddha und Bodhisattvas, Schüsseln, Terrakotta-Lampen, Gebetstafeln und Siegel gehören zu den Fundstücken im Zentrum des Ausgrabungsortes, das von massiven Backsteinwänden mit prunkvollen Ornamenten, Stuck und Blumenmotiven umgeben ist. abfährt, stößt man nach einigen hundert Metern allerdings auf einen erstaunlichen Hügel, den die örtliche Bevölkerung „Hügel von Sakhisena“ oder „Hügel von Sashisena“ machen – und mit der Abnormität, die dieser darstellt. Logik versus Legende In den Augen der Bevölkerung war der Hügel ein Sinnbild für die Existenz von Geistern. Die Bewohner erzählen sich viele Geschichten über den Hügel, so seien unheimliche Geräusche von Fußketten gehört oder entstellte Gestalten gesehen worden. Erst 1999 waren Experten, darunter Prof. Bratindra Nath Mukherjee und Prof. Asok Datta, erstmals in Dantan, einer ländlichen Gemeinde im Grenzgebiet zwischen Bengalen und Odisha. Die Forschergruppe von der Fakultät für Archäologie der Universität Kalkutta hatte sich auf die Suche nach Spuren des bengalischen Seehandels auf dem Fluss Subarnarekha gemacht. Nach einer ersten Inspektion des Sakhisena war sich Prof. Datta der historischen Bedeutung des Ortes sicher und veranlasste Ausgrabungen auf dem Gebiet. Der Hobby-Historiker Atanu Nandan Maity erzählt beim Rundgang über das Areal von der Geschichte Dantans: „Die Ausgrabungen des Teams um Asok Datta begannen 2003-2004. Gleich zu Beginn stießen sie auf eine Ziegelmauer, die an die traditionelle triratha Struktur alter religiöser Tempel erinnerte“, sagt Atanu während er auf das neueste Feld deutet, das für Besucher zugänglich gemacht wurde. „Der Mythos, der Sakhisena umgibt, reicht zurück bis in das Mittelalter. Eine Prinzessin, die im Gegensatz zu anderen Frauen ihrer Zeit studieren durfte, verliebte sich in ihren Mitstudenten Ahimanik. Sie reiste in unterschiedliche Teile des Landes und baute Grundschulen. Es wird davon ausgegangen, dass der Hügel hier in Moghalmari auf ihre Initiative hin entstanden ist“, fügt er hinzu. Je mehr wir an erstaunlicher wurde die – historische oder sagenhafte – Bedeutung dieses Ortes. Und mit den Temperaturen des Tages stieg auch die Komplexität der Erzählungen! Vielversprechende Hinweise förderten die Ausgrabungen in Moghalmari. Der Mangel an verlässlichen Finanzierungsquellen und Historische Bedeutung Atanu ist leidenschaftlicher Beobachter der nunmehr zehn Jahre andauernden Ausgrabungsarbeiten und zitiert gerne aus unterschiedlichen Expertengutachten. Er ist sich der historischen Bedeutung Moghalmaris sicher. Mit den geschichtlichen Fakten bestens vertraut, erklärt uns der Teilzeit-Schriftsteller aus Dantan, wie entscheidend die Lage des Klosters in jeder Hinsicht auch für seinen Erfolg gewesen war. So lag das Kloster an einer wichtigen Handelsstraße, die über ‘Dandabhukti’ von Pataliputra nach Viskhapatnam führte. Das Kloster war sogar durch eine Nebenstraße direkt mit dem Hafen von Tamralipta verbunden und lag in dessen Einzugsgebiet. Es wird daher angenommen, dass an erster Stelle Händler, und weniger der König, den Ausbau des Klosters vorantrieben. Beim Beschreiben seiner besonderen Verbindung zu den Ausgrabungsarbeiten und früherer Unterhaltungen mit Asok Datta, dem Ankerpunkt dieser Geschichte, sagt Atanu: „Sogar in den Lehren von Huien Tsang (auch bekannt als Xuanzang), der Indien im 7. Jahrhundert bereiste, werden mehrere buddhistische Siedlungen rund um Tamralipta erwähnt. Dies könnte als wichtiges Zeugnis und Ausgangspunkt weiterer Grabungen dienen. Prof. Datta betrachtete dieses Dokument als wichtige historische Quelle und legte dar, dass die vierzig unterschiedlichen Arten verwendeter Backsteine, die in den Gruben gefunden wurden, auf mehrere Auf- und Umbauperioden des Klosterbaus hindeuteten und Beleg einer bewegten Geschichte seien.“ INDIEN FÜR SIE März-April 2017 27 REISEZIEL Entwicklung der Ausgrabungen Indem er Parallelen zu Funden weiterer buddhistischer Siedlungen in Indien und Bangladesch zog, war Prof. Datta in den folgenden fünf Phasen der Ausgrabungen maßgeblich dafür verantwortlich, dass es das Dorf immer wieder in die Berichterstattung schaffte. Aus archäologischen Indizien, der Fundstücke folgerte er, dass das Kloster im 6. Jahrhundert n. Chr., wenn nicht sogar früher, gegründet worden sein muss. Der Stuck (dekorativ geformte Strukturen) ist mit dem aus ähnlichen Klöstern in Vikramshila, Nalanda, Paharpur, Mainamati, Tamralipta usw. vergleichbar. Vor seinem Tod im Jahr 2012 wiederholte er in einem seiner zahlreichen Aufsätze, dass Moghalmari ein neues Kapitel zur Geschichte Bengalens hinzufügen würde. Das Nationale Institut für Archäologie übernahm dann 2012 die Verantwortung für das Projekt. Für die Ausgrabungen, den Erhalt sowie den Bau eines Museums wurde eine Stiftung gegründet. Diesmal waren die Resultate schneller sichtbar. Zuerst wurden eine Goldmünze, deren Ausfertigung König Samachardeva zugeschrieben wird, sowie ein goldener Anhänger zutage gefördert. Anschließend stieß man auf sechs Terrakottaplatten, die mit Inschriften versehen in einer Truhe unter einem Treppenaufgang aufbewahrt worden waren. Die wichtigste Entdeckung überhaupt bestand jedoch im Fund des Klostersiegels, das den Namen des Klosters trug: „Sribandak Mahavihara”. Im Januar 2016 wurden 91 Bronzestatuen buddhistischer Gottheiten ausgegraben. Die Aufregung in der Gegend wuchs als Skulpturen und ein Stupa als Votivgabe in der zweiten aus insgesamt drei Bauphasen des Klosters entdeckt wurden. Grabungen in der ersten Phase 2016 brachten das Rad eines Spielzeugwagens aus Ton, Fragmente einer Basaltskulptur, eine Tonlampe, dekorative Stuckelemente, Terrakottatöpfe, ein Hüpfspiel für Kinder, Eisennägel, Armreife aus Muscheln sowie Perlen aus Terrakotta und Stein hervor. Potential für den Tourismus Dieser Ort, dessen Geschichte nach diesen langwierigen Ausgrabungen neu geschrieben werden muss, ist noch immer nicht touristisch erschlossen. Die historische und akademische Bedeutung von Dantan und Moghalmari kann dies jedoch ändern – es sind reichlich Sehenswürdigkeiten 28 März-April 2017 INDIEN FÜR SIE vorhanden. Neben dem Kloster in Moghalmari, das nur einen Bruchteil der ganzen über das Dorf verteilten buddhistischen Siedlung ausmacht, kann die ganze Region als Ort glorreicher Geschichte und archäologischen Reichtums betrachtet werden. Vieles davon kann mit einer Tour nach Moghalmari kombiniert werden: • Satdeulia: Auf einer leichten Anhöhe im Dorf Ektarpur in Dantan gelegen, bedeutet Satdeulia Sieben Tempel (von deuls: Tempel). Von den sieben Tempeln sind nur noch sieben kleine Graben rund um einen Teich übrig. Die Fundamente massiver Mauern, die rechteckig um das Dorf angeordnet sind, sind allerdings noch erkennbar. • Sharashanka: Möglicherweise lag eines der größten Wasserbecken in ganz Westbengalen in Dantan. Historikern zufolge könnte Dantan früher ein Hafen gewesen sein, der durch den Fluss Subarnarekha mit dem See verbunden war. Die Legende besagt, dass er von König Shashanka ausgegraben und von König Mukundadeb aus Odisha wieder zugeschüttet wurde. In den 1950er Jahren dokumentierte Lalit Mohan Samanta, ein Lokalhistoriker, Beispiele historischer Artefakte, die in der Gegend gefunden wurden. Solange eine archäologische Untersuchung aussteht, sind wertvolle neue Erkenntnisse allerdings nicht zu erwarten. • Kakrajit: Nachdem hier alte Statuen aus dem nahegelegenen Weiher Kundu Pukur geborgen werden konnten, wird auch Kakrajit als archäologisch bedeutsame Stätte betrachtet – keine fünf Kilometer von Moghalmari entfernt. Historiker glauben, dass dieser Ort eine kulturelle Verbindung zu Moghalmari hatte. Prof. Datta fand dort Spuren eines Dharmachakra. Interessanterweise wurden Statuen des Sonnengottes Surya aus dem Weiher gezogen. Wenn man bedenkt, dass der Kult um Surya im 10. und 11. Jahrhundert in Orissa aufkam, liegt die Vermutung nahe, dass dieser Glaube in den Statuen Ausdruck fand und entstand, als das buddhistische Kloster in Moghalmari seine Blütezeit bereits hinter sich hatte. • Fluss Subarnarekha: Der zuletzt bemitleidenswerte Zustand des Subarnarekha ist ein Zeugnis der sich verändernden Zeit. Der Filmemacher und Meister seines Fachs, Ritwick Ghatak, setzte den Fluss als Metapher für Obdachlose in REISEZIEL wären der Infrastruktur des Dorfs auch in erwerbstechnischer Hinsicht zuträglich. Obwohl hier noch viel zu tun ist, sollten erste Arbeiten an einem Museum klar im Vordergrund stehen. Zu den Anweisungen der Regierung des Bundesstaats sagt Atanu: „Die Aufbruchsstimmung war spürbar. Die Regierung des Bundesstaats wies dem Museum bereits einen Bauplatz zu und organisierte Gelder zu seiner Finanzierung. Als die Arbeiten beginnen sollten, protestierten Ureinwohner gegen den Bau, indem sie auf eine alte Gottheit verwiesen, die sich unter einem indischen Filmklassiker ein. Noch immer faszinieren der Fluss und seine Landschaft, besonders bei Sonnenaufgang und -untergang. Entscheidungsträger der öffentlichen Verwaltung und Privatwirtschaft sollten die Bandbreite des Tourismus als Wohltat für Moghalmari und Dantan erkenn, und Vorhaben in diesem Bereich vorantreiben. Das Museum oder Forschungszentrum sollte strategisch in der Nähe des National Highway 60 gebaut werden, um vorbeifahrende Reisende anzulocken. Darüber hinaus könnten Jugendliche aus den Dörfern zu Touristenführern ausgebildet, die Hütte auf dem Moghalmari Hügel wiederbelebt, eine Besichtigungsund Wandertour ausgeschrieben und die Anbindung nach Kalkutta verbessert werden. Diese Vorhaben dulden keinen Aufschub. Spärlich touristisch erschlossen Das Tourismusministerium der indischen Regierung hat in den letzten Jahren eine vernünftige Haltung im Hinblick auf die Förderung von Rundreisen zum Thema Buddhismus in Indien entwickelt. Dennoch muss ein so bedeutsamer Ort wie Moghalmari erst noch ins Zentrum der Aufmerksamkeit von Regierungskreisen rücken. Das Museum, das manche Fundstücke der Ausgrabungen beherbergt, ist in einer notdürftigen Behelfsunterkunft untergebracht. Obwohl die Regierung des buddhistischer Bedeutung anerkannt hat, wird er in staatlichen Archiven immer noch unter Hügel von Sakhisena geführt. Obwohl Moghalmari und Dantan verkehrstechnisch gut angebunden sind und besonders nah an der Autobahn zwischen West Bengalen und Odisha liegen, ist in den Städten einfach zu wenig los, um regelmäßig Besucher anzulocken. Ein Grund dafür könnten das Fehlen ordentlicher Unterkünfte sein, aber anders betrachtet kann gerade die Nähe zur Hauptstadt des Bundesstaats als Alleinstellungsmerkmal des Ortes fungieren. Diese einzige substanzielle Verbindung zum Buddhismus sollte vom Tourismussektor in Westbengalen endlich als Chance erkannt werden, das Image des Sorgenkinds abzuschütteln. In diesem Prozess könnte eine nachhaltige Ausrichtung zum Rückgrat eines Tourismusprogramms in diesem entlegenen Gebiet werden. Lokale, nationale oder internationale Touristen Hindernisse wie diese führten immer wieder zu Verzögerungen in der Gegend und nur selten entwickelten sich die Dinge zugunsten des Tourismus. Obwohl die Gastfreundschaft der Einwohner das Highlight unserer Reise war, geht die Geschichte dieses mystischen Ortes über die Grenzen des Bundesstaats hinaus. Auch wenn dies einen Angriff auf die untätigen oder besser gesagt schlecht ausgerüsteten Bundesstaats- und Staatsregierung darstellt, muss man sich der Gefahr bewusst werden, dass Fundstücke dieses bedeutsamen historischen Wunders verloren gehen, erodieren oder einfach in Vergessenheit geraten könnten. Die Befürchtungen sind da; genau jetzt ist wahrscheinlich der Moment, der eine positive Reaktion darauf erfordert. Hauptstadt Städte West Bengal Puruliya Medinipur Bankura Moghalmari KOLKATA Anfahrt Moghalmari liegt mit dem Auto 170 Kilometer von Kalkutta entfernt. Dantan ist an den South Eastern Railway angebunden. Unterkunft Typischerweise einen Tagestrip von Kalkutta entfernt, bietet das Dorf bisher keine speziellen Unterkünfte für Besucher. Mit genügend Vorbereitung bietet jedoch auch der Aufenthalt bei Gastfamilien einen Einblick in die ländliche Gastfreundschaft dieser Region. INDIEN FÜR SIE März-April 2017 29