Autoantikörper - Autoantibodies - Autoanticorpi Prof. Dr. med. Hans-Peter Seelig - Dr. rer. nat. Claudia A. Seelig Karlsruhe - Merano Intrinsic-Faktor-Autoantikörper Indikationen Perniziöse Anämie, Morbus Biermer, chronische atrophische Gastritis. Die Spezifität für Morbus Biermer ist sehr hoch. Es finden sich keine falsch positiven Antikörper bei Gesunden. Bei Vitamin B12-Mangel, der nicht auf einem Morbus Biermer beruht, werden die Antikörper höchstens in 1 % der Fälle gefunden. Immunpathologie Die anfängliche Verwirrung der diskrepanten Befunde über die Existenz von Intrinsic-FaktorAutoantikörpern hat sich dadurch erklärt, dass zwei Typen von Intrinsic-Faktor-Antikörpern existieren. Die Typ I-Antikörper (blockierende Antikörper) blockieren die CobalaminBindungsstelle des Intrinsic-Faktors und verhindern so die Aufnahme von Vitamin B 12. Diese Antikörper binden vor allem an freien IF im Magensaft, einige sind auch in der Lage, das Cobalamin wieder aus IF-Cobalamin-Komplexen freizusetzen. Die Typ II-Antikörper binden an die Rezeptorbindungsstelle des IF-Cobalamin-Komplexes auf dem IF-Molekül (bindende oder präzipitierende Antikörper). Sie können sowohl mit freiem Intrinsic-Faktor als auch mit IFCobalamin-Komplexen reagieren. Beide Typen von Autoantikörpern führen schlussendlich zu dem gleichen immunpathogenen Effekt, sie verhindern die Resorption von Vitamin B 12 im Ileum. Im Serum kommen beide Typen von Autoantikörpern vor. Intrinsic-Faktor-Antikörper werden teilweise von immunkompetenten Zellen in den Speicheldrüsen produziert. Diese sekretorischen IgA-Antikörper erreichen den Magen mit verschlucktem Speichel. Hauptquelle der Antikörperbildung ist jedoch der Magensaft. Die im Magensaft auftretenden Typ I- und Typ II-Antikörper gehören zumeist der Immunglobulinklasse IgG an, sekretorische IgA-Antikörper wurden aber ebenfalls gefunden. Die im Blut zirkulierenden Typ IAntikörper sind vom IgG-, die Typ II-Antikörper vom IgG- und IgM-Isotyp. Die Antikörper können die Plazentabarriere überwinden und auch im Urin auftreten. Es wurde vermutet, dass die Antikörper gegen den Intrinsic-Faktor durch eine Schädigung der Parietalzellen entstehen, in deren Gefolge die Antigene in die Blutbahn übertreten. Eine eindeutige immunpathogene Rolle konnte den im Blut zirkulierenden Antikörpern gegen den IntrinsicFaktor noch nicht zugewiesen werden. Im Gegensatz dazu können die im Speichel und Magensaft vorhandenen Antikörper zu einer funktionellen Neutralisierung des Intrinsic-Faktors führen. Die Immunpathogenese des Vitamin B12-Mangels durch die Intrinsic-Faktor-Antikörper ist jedoch nicht so einfach, wie es zuerst scheinen mag. Bei einem normalen sauren pH-Wert des Magensafts können die Antikörper nicht an den Intrinsic-Faktor binden, die CobalaminBindungsstelle ist dann im Duodenum nicht von dem Antikörper besetzt. Da Typ I-Antikörper nur bei einem hohen pH-Wert des Magensaftes binden können, wird diskutiert, dass IF- und Parietalzell-Antikörper synergistisch wirken. Parietalzell-Antikörper könnten die Protonenpumpe blockieren und so zu einer Achlorhydrie und einem erhöhten pH-Wert im Magensaft führen. Über die Wirkung der Typ II-Antikörper ist noch wenig bekannt. Die getrennte Bestimmung der beiden Antikörpertypen ist nicht von diagnostischem Interesse. Über die Prävalenz von Typ I- und Typ II-Autoantikörpern gibt es unterschiedliche Daten. Typ Iund Typ II-Autoantikörper wurden in 35 - 75 % der Fälle, nur Typ I in 0 - 60 % und nur Typ II in 0 - 22 % der Patienten mit Morbus Biermer gefunden. In niedrigen Konzentrationen scheinen sowohl Typ I- und Typ II-Antikörper simultan vorzukommen, in hohen Konzentrationen Typ I zu prädominieren. Anfänglich war nur die Bestimmung der Typ I-Antikörper möglich. Mit Elisa und festphasengebundenem Intrinsic-Faktor lassen sich beide Typen nachweisen. Der Nachteil des anfänglich verwendeten Radioimmunoassays besteht darin, dass aufgrund der kompetitiven Verdrängung von 57Co-Cyanocobalamin von der IF-Bindungsstelle nur blockierende Typ IAntikörper nachgewiesen werden können und dass bei Anwesenheit ausschließlich von Typ IIAntikörpern negative Resultate erhalten werden. Transportproteine wie Transcobalamin II können radioaktiv-markiertes Cobalamin binden und so zu falsch negativen Testergebnissen füh- © Prof. Dr. HP Seelig, Dr. CA Seelig 1 03.09.2013 Autoantikörper - Autoantibodies - Autoanticorpi Prof. Dr. med. Hans-Peter Seelig - Dr. rer. nat. Claudia A. Seelig Karlsruhe - Merano Intrinsic-Faktor-Autoantikörper ren. Hohe Serumspiegel von Cobalamin (Shilling-Test) können zu falsch positiven Resultaten führen. Vorkommen Perniziöse Anämie (Morbus Biermer (1872), Addison-Biermer-Anämie, Addison-Anämie). Die Prävalenz der Antikörper wird mit 50 - 80 % je nach Sensitivität des Assays angegeben. Die Biermer-Anämie kann vor allem in jüngerem Lebensalter mit anderen Autoimmunerkrankungen wie Hyperthyreoidismus (4,7 - 7 %), Diabetes mellitus Typ 1 (1,1 %), systemischem Lupus erythematodes oder Sjögren-Syndrom assoziiert sein. Die Assoziation mit Antikörpern gegen den Intrinsic-Faktor und / oder Parietalzellen (H+ /K+ ATPase) werden als wichtiger Hinweis für die Autoimmunpathogenese des Krankheitsbildes angesehen. Es sei darauf hingewiesen, dass der Begriff Biermer-Anämie eine Gastropathie mit defekter IF-Sekretion bedeutet und nicht einfach mit irgendeinem Vitamin B12-Mangel oder einer megaloblastären Anämie gleichgesetzt werden kann. Megaloblastäre Anämien sind durch die Anwesenheit von Megaloblasten in Blut und Knochenmark als Folge einer gestörten DNA-Synthese gekennzeichnet, die verschiedene Ursachen haben kann. Die häufigsten Formen der megaloblastären Anämie beruhen auf einem Vitamin B12- oder Folsäuremangel. Die juvenile perniziöse Anämie (kongenitale megaloblastäre Anämie) beruht auf einer Malabsorption von Vitamin B12 (Imerslund-Grasbeck Syndrom) bei normaler IF-Sekretion oder auf einem kongenitalen Mangel an Intrinsic-Faktor, bedingt durch einen Defekt eines für die IF-Synthese benötigten Enzyms bzw. infolge der Sekretion eines funktionell anormalen IF. Die letzteren Formen sind weder mit IF-Autoantikörpern noch mit Parietalzell-Autoantikörpern assoziiert. Über das Verhalten der Antikörper bei Krankheitsverlauf liegen wenige Untersuchungen vor. Sie scheinen trotz Ausheilung der Anämie weiterhin bestehen zu bleiben. © Prof. Dr. HP Seelig, Dr. CA Seelig 2 03.09.2013