Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik Institut für Mathematik und Rechneranwendung Vorlesung: Lineare Algebra (ME), Prof. Dr. J. Gwinner Ausgewählte Lösungen zu den Übungsblättern 4-5 Aufgabe 1, Lineare Unabhängigkeit (i) Gegeben sei der Vektorraum V = R3 und das System S = {a1 , a2 } mit a1 = (1, 1, 0)T und a2 = (1, 0, 1)T . (i1) Ist das System S linear unabhängig? (i2) Finden sie ein a3 ∈ V , welches sich nicht aus a1 , a2 linear kombinieren läßt. (i3) Ergänzen sie S zu einer Basis von V . (ii) Es sei das linear unabhängige System {v1 , v2 , v3 } eines reellen Vektorraumes V gegeben. Zeigen sie, dass {v1 + v2 , v1 + v3 , v2 + v3 } dann ebenfalls linear unabhängig ist. Es gelte dim V = 3. Ist {v1 + v2 , v1 + v3 , v2 + v3 } dann auch eine Basis von V ? Lösung (i1) Wir prüfen die lineare Unabhängigkeit: Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum mit dim V ≥ n. Die Vektoren v1 , . . . , vn ∈ V heißen linear unabhängig genau dann, wenn die Implikation λ 1 v1 + . . . + λ n vn = 0 =⇒ λ1 = . . . = λn = 0 gilt. Anderenfalls heißen sie linear abhängig. Die Gleichung λ1 a1 + λ2 a2 = 0 liefert sofort λ1 = λ2 = 0 und damit die lineare Unbhängigkeit von a1 und a2 . (i2) Die Menge aller Linearkombinationen von a1 und a2 ist die Ebene E = x ∈ R3 : x = s a1 + t a2 ; s, t ∈ R . Sie ist die lineare Hülle von a1 und a2 . Ein Vektor welcher nicht in dieser Ebene liegt, ist demnach linear unabhängig von a1 , a2 . Wie z. B. a3 = (0, 0, 1). Mit anderen Worten: das Gleichungssystem 1 1 0 x 1 1 0 = 0 x2 0 1 1 hat keine Lösung. (i3) Wir haben dim V = 3. Nach (a), (b) ist {a1 , a2 , a3 } ein aus drei Vektoren bestehendes, linear unabhängiges System und somit eine Basis von V . Beweis: Eine Basis ist per Definition ein vollständiges, linear unabhängiges System. Die lineare Unabhängigkeit von {a1 , a2 , a3 } folgt aus den Teilen (a) und (b). Die Vollständigkeit - D. h. Alle 3 P x ∈ R3 lassen sich als Linearkombination x = λi ai von {a1 , a2 , a3 } darstellen. - werden wir i=1 indirekt beweisen. Annahme: Das linear unabhängige System {a1 , a2 , a3 } ist nicht vollständig. Mit dieser Annahme gibt es also ein x ∈ R3 , welches sich nicht als Linearkombination von {a1 , a2 , a3 } darstellen läßt. Damit hat das Gleichungssystem x= 3 X λi ai bzw. x = A λ mit A = ((a1 ) (a2 ) (a3 )) und λ = (λ1 , λ2 , λ3 )T i=1 keine Lösung λ. Die Matrix A ist also singulär und {a1 , a2 , a3 } somit linear abhängig. Dies ergibt einen Widerspruch zur Voraussetzung. D. h. {a1 , a2 , a3 } ist vollständig. (ii) Wir prüfen die Aussage mit der Definition der linearen Unabhängigkeit. Setze λ1 (v1 + v2 ) + λ2 (v1 + v3 ) + λ3 (v2 + v3 ) = 0 . Ein Sortieren der Koeffizienten λi , i = 1, 2, 3 nach den Vektoren v1 , v2 , v3 ergibt (λ1 + λ2 ) v1 + (λ1 + λ3 ) v2 + (λ2 + λ3 ) v3 = 0 . Vor. =⇒ λ1 + λ2 = 0 λ1 + λ3 = 0 λ2 + λ3 = 0 Wir erhalten λ1 = λ2 = λ3 = 0 und damit die Behauptung. Falls {v1 , v2 , v3 } nun eine Basis von V (dim V = 3) ist, so ist {v1 + v2 , v1 + v3 , v2 + v3 } ebenfalls eine Basis von V . Beweis: Mit dem obigen Nachweis ist {v1 + v2 , v1 + v3 , v2 + v3 } linear unabhängig. Nach (i)(c) wissen wir, dass jedes aus n Vektoren bestehende, linear unabhängige System eines n-dimensionalen Vektorraumes vollständig ist. Dies sind genau die definierenden Eigenschaften einer Basis. Aufgabe 2, Problem der überflüssigen Vektoren Wählen Sie, falls möglich, unter den sechs Vektoren −1 1 1 2 −1 1 2 , 1 , − 5 , 1 , 1 , −1 4 −1 2 1 1 −2 eine Basis für R3 (Begründung) aus. Drücken Sie jeden Vektor, der nicht zur Basis gehört, als Linearkombination der Basisvektoren aus. Lösung Wir bilden die R- Matrix 1 −1 2 1 1 −1 R = 0 3 −9 −1 −1 1 . 0 0 0 0 3 −1 Die erste, zweite und fünfte Pivotspalte bilden eine Basis. Also die entsprechenden Spaltenvektoren −1 1 1 2 , 1 , 1 1 −1 4 bilden eine Basis in R3 . Wir drücken die letzte Nichtbasisspalte als Linearkombination der Basisvektoren aus. Basisvariable sind x1 , x2 , x5 , freie Variable sind x3 , x4 , x6 . Setze x3 = x4 = 0 und x6 = 1 in Rx = 0 und wir bekommen das Gleichungssystem x1 − x2 3x2 + − x5 x5 3x5 = = = −1 1 −1 2 1 4 ⇒ x1 = − , x2 = , x5 = − . 9 9 3 Hieraus folgt, dass 1 −1 1 4 2 1 2 1 − 1 . 6. Spalte = − + 9 9 3 1 −1 4 Aufgabe 3, Invertierbarkeit und lineare Unabhängigkeit Sei A ∈ Rn×n . Beweisen Sie die Äquivalenz der folgenden Ausssagen: (i) (ii) (iii) (iv) A ist invertierbar. Die Spaltenvektoren von A sind linear unabhängig. Die Zeilenenvektoren von A sind linear unabhängig. Das lineare Gleichungssystem A x = b ist für alle b ∈ Rn eindeutig lösbar. Beweis (i) ⇒ (ii) (i) Betrachte A λ = 0 =⇒ A−1 A λ = 0 =⇒ λ = 0 . Damit ist (ii) gezeigt. (ii) ⇒ (iv) Die Spaltenvektoren von A sind linear unabhängig und bilden damit eine Basis von Rn (siehe z.B. Nipp/Stoffer: ‘Lineare Algebra’ S. 80 Satz 4.3). D.h. jeder Vektor b ∈ Rn läßt sich linear aus Spaltenvektoren von A kombinieren. Also: ∃ ! x̃ ∈ Rn : b = A x̃ Betrachte damit A x = b =⇒ A(x − x̃) = 0 x = x̃ löst eindeutig das System A x = b. (ii) x − x̃ = 0 ist die einzige Lösung =⇒ =⇒ (iv) ⇒ (i) A x = b ist eindeutig lösbar. D.h. wir haben (ohne Beschränkung der Allgemeinheit) die Zerlegung A = L R mit rii 6= 0 ; 1 ≤ i ≤ n bei R = (rij )1≤i,j≤n . L und R sind als Produkte von Elementarmatrizen invertierbar. Für die Inverse von A folgt dann A−1 = R−1 L−1 . (ii) ⇔ (iii) Nach der obigen Implikationskette sind die Aussagen (i), (ii) und (iv) äquivalent. Wir haben also: (ii) =⇒ A ist invertierbar =⇒ AT ist invertierbar Betrachte AT λ = 0 =⇒ (AT )−1 AT λ = 0 =⇒ λ = 0 . Damit ist (iii) gezeigt. Die umgekehrte Richtung (ii) ⇐ (iii) folgt analog indem wir die die Äquivalenz von (i), (ii) und (iv) für AT verwenden. Aufgabe 4, Rangkriterien für die Lösbarkeit linearer Gleichungssysteme Mithilfe der Rangkriterien untersuchen Sie für welchen Wert von t ist das Gleichungssystem 2x1 + 3x2 − x3 = 2 3x1 + tx2 + 4x3 = 5 7x1 + 4x2 + 2x3 = 8 lösbar? Lösung Wir bilden die R- Matrix 2 R= 0 0 3 2t − 9 −13 −1 11 11 2 und die neue rechte Seite b̃ = 4 . 2 Falls 2t − 9 = −13 d.h. t = −2 ist der Rang (A) = 2 und das Gl. System Ax = b hat keine Lösung, da die neue drite Komponenete von b̃ (b̃neu = −2) ungleich Null ist. In diesem Fall gilt 3 Rang(A, b) = 3 > Rang(A) = 2. Falls t 6= −2, dann gilt Rang(A) = Rang(A, b) = 3 und das Gl. System ist eindeutig lösbar. Übungsblatt 5, Aufgabe 1 Seien N (A), B(A), N (AT ), B(AT ) die vier fundamentalen Unterräume von A ∈ Rm×n . (a) Bezüglich welcher Vektorräume werden diese Unterräume gebildet? Begründen sie, dass es sich bei den obigen Mengen tatsächlich um Unterräume handelt. (b) Bestimmen sie zu 1 3 3 2 6 9 5 A= 2 −1 −3 3 0 die 4 fundamentalen Unterräume und geben sie die folgenden Summen und Schnitte N (A) + B(AT ) , N (A) ∩ B(AT ) N (AT ) + B(A) , N (AT ) ∩ B(A) an. Lösung (a) Es gilt: = {x ∈ Rn : A x = 0} ⊂ Rn N (A ) = x ∈ Rm : AT x = 0 ⊂ Rm N (A) T , , B(A) = {y ∈ Rm : y = A x , x ∈ Rn } ⊂ Rm (1) B(AT ) = y ∈ Rn : y = AT x , x ∈ Rm ⊂ Rn . (2) Die Stabilität dieser Mengen bezüglich der Addition und der Multiplikation mit Skalaren folgt direkt aus der Linearität der Abbildung α(x) := A x. Damit handelt es sich um Unterräume von Rn bzw. Rm . (b) Mit der gegebenen Matrix A und den Darstellungen in (1) und (2) erhalten wir: 3 −3 1 1 0 1 ; s, t ∈ R , B(A) = s 2 + t 3 ; s, t ∈ R +t s N (A) = 0 1 −1 1 −3 0 1 0 5 3 0 T T −2 N (A ) = s ; s∈R , B(A ) = s + t ; s, t ∈ R . 3 3 1 2 1 Dabei sind B(A) bzw. B(AT ) die Mengen aller Linearkombinationen der Spalten von A bzw. AT , und N (A) bzw. N (AT ) die Lösungsmengen der zu A bzw. AT gehörigen homogenen linearen Gleichungssysteme. Die aufspannenden Vektoren von N (A), B(AT ) und N (AT ), B(A) bilden linear unabhängige Systeme. Damit folgt: N (A) + B(AT ) = R4 , N (A) ∩ B(AT ) = 0 N (AT ) + B(A) = R3 , N (AT ) ∩ B(A) = 0 . Übungsblatt 5, 2. Zusatzaufgabe 2. Die lineare Abbildung A : R3 → R3 sei durch 0 x → 7 A x mit A = 0 1 1 1 0 1 0 0 gegeben. (a) Bestimmen sie alle Fixpunkte von A. D. h. alle x ∈ R3 mit A x = x . (b) Welche linearen Abbildungen verfügen nur über den trivialen Fixpunkt x = 0 ? (c) Man konstruiere eine lineare Abbildung B : R3 → R3 , deren Fixpunktraum 2-dimensional ist. Lösung (a) Das Gleichungssystem A x = x ist äquivalent zum homogenen Gleichungssystem (A − I) x = 0. Mit −1 1 1 A−I = 0 0 0 1 0 −1 erhalten wir den folgenden Fixpunktraum (D. h. den Lösungsraum von (A − I) x = 0) von A. 1 F = x ∈ R3 : x = s 0 ; s ∈ R . 1 (b) Nach obigen Betrachtungen ist die Frage gleichbedeutend mit: Für welche Matrizen A − I verfügt das LGS (A − I) x = 0 nur über die triviale Lösung x = 0? Dies ist genau dann der Fall, wenn A − I invertierbar ist. (c) Eine lineare Abbildung mit 2-dimensionalem Fixpunktraum F ist z. B. durch die Matrix 2 0 0 B= 0 1 0 0 0 1 gegeben. Für den Lösungsraum von (B − I) x = 0 (also den Fixpunktraum von B) erhalten wir dann 0 0 F = x ∈ R3 : x = s 1 + t 0 ; s, t ∈ R , 0 1 also einen 2-dimensionalen Unterraum des R3 . Bemerkung Nach dem Dimensionssatz (siehe Vorlesungsskript S. 51) haben alle linearen Abbildungen B : R3 → R3 bei denen der Rang der zugehörigen Matrix B − I gleich 1 ist, einen 2-dimensionalen Fixpunktraum. r + dim (N (B − I)) = 3 . Dabei ist dim (N (B − I)) die Dimension des Kerns der linearen Abbildung B − I , also des Lösungsraumes von (B − I) x = 0.