Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff Universität Passau WS 2007/08 Mankiw, N. G. (2003), Macroeconomics. 5. Aufl. S. 257262. Taylor, J. B. (2007), Economics, 5. Aufl. S. 602-633. y, s .y y* Pflichtlektüre: f(k) IV. Kurzfristige Schwankungen c* (n+δ)k McDowell, M. et al. (2006), Principles of Economics, S. 703-716. Blanchard, O. (2006), Macroeconomics. 4. Aufl. S. 335341. s.f(k) Weiterführende Lektüre: s.y* k* k 136 138 Wohltmann, H.-W. (2000), Grundzüge der makroökonomischen Theorie. 3. Aufl. S. 38-61 und 69137 105. • Bei der Betrachtung längerer Zeiträume ist, insbesondere bei konstantem technischem Fortschritt, mit einem stetigen Wachstum des BIP zu rechnen. • In manchen Jahren fällt dieses Wachstum aber aus. • Eine Rezession ist eine Periode unterdurchschnittlichen Wachstums; evtl. stellt sich sogar ein fallendes Inlandsprodukt und ein sinkendes Einkommen ein. • Dies geht zumeist einher mit einer erhöhten Unterbeschäftigung. • Eine Depression ist eine besonders schwerwiegende Rezession. • Diese periodischen Entwicklungen werden 139 Konjunkturzyklus genannt. Wachstumsrate des realen BSP • Im Rahmen eines Konjunkturzyklus variieren die meisten makroökonomischen Variablen im Gleichlauf. • Eine fallende Produktion geht mit erhöhter Unterbeschäftigung einher. Es besteht somit eine inverse Beziehung zwischen Produktion und Arbeitslosigkeit. • Die gleichlaufenden prozentualen Schwankungen der Bruttoinvestition fallen oftmals besonders stark aus. • Das Preisniveau steigt in Boomphasen und sinkt oder stagniert in einer Rezession. 7 6 BIP-Wachstum, real 5 4 3 2 1 2004 2002 2000 1998 1996 1994 1992 1990 1988 1986 1984 1982 1980 1978 1976 1974 1972 0 -1 -2 1972-1993: Früheres Bundesgebiet; ab 1992: Gesamtes Bundesgebiet Datenquelle: World Development Indicators 140 • Wie unterscheiden sich kurzfristige von langfristigen Entwicklungen der Produktion? • Langfristig wird die Produktion durch das Wachstum der Einsatzfaktoren und den technischen Fortschritt bestimmt, also durch die Angebotsseite einer Volkswirtschaft determiniert. • Dieses Niveau der Produktion nennen wir auch das „potentielle Inlandsprodukt“ oder die „Vollbeschäftigungsproduktion“. • Kurzfristig können Änderungen der physischen Menge an Einsatzfaktoren auftreten, z.B. durch Ernteausfälle. Auch der Stand des technischen Wissens könnte plötzlichen Veränderungen ausgesetzt sein. 142 141 • Zumeist wird aber die Existenz von kurzfristigen Schwankungen darauf zurückgeführt, dass die tatsächliche Produktion von ihrem potentiellen Niveau abweicht. Wie ist das zu erklären? • Kurzfristig wird die Produktion entscheidend durch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage beeinflusst. • Während eines Booms erhöhen Firmen die Produktion, um die zusätzliche Nachfrage zu befriedigen. • In einer Rezession wird die Produktion dagegen reduziert und Arbeitskräfte freigesetzt. • Daher müssen wir die Bestimmungsfaktoren der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage kennen lernen. 143 Eine zentrale Bedeutung für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage kommt der Konsumnachfrage der Haushalte zu. Konsum wird bestimmt durch • das laufende verfügbare Einkommen, • das Vermögen, • (erwartete) Preisänderungen, • das zu erwartende Lebenseinkommen, • die relative Position im Lebenszyklus, • Steuerzahlungen. Im Rahmen einer Konsumhypothese werden typischerweise nur einige wenige dieser Einflussgrößen berücksichtigt. • Im Rahmen der absoluten Einkommenshypothese von Keynes (1936) wird dem laufenden Einkommen eine zentrale Rolle zugewiesen: C = C(Y) • Hierbei wird argumentiert, dass ein Anstieg des Einkommens zu einem Anstieg des Konsums als auch einem Anstieg der Ersparnis führt. 144 • In linearisierter Form gilt: C = a + cY, mit a>0, autonomer Konsum c, marginale Konsumquote, mit 0<c<1. • Die private Ersparnis, S, ist die Differenz zwischen verfügbarem Einkommen und privatem Konsum: S = Y – C. Es folgt in linearisierter Form: S = Y – a – cY = –a + sY; s=1-c Hierbei ist s die marginale Sparneigung (0 < s < 1). 145 C,S S>0 S = -a+(1-c)Y a S>0 45° -a 146 C = a+cY Y0 Y1 Y 147 • Wir wollen nun die Frage beantworten, wie die gesamtwirtschaftliche Nachfrage die Produktion determiniert. • Dabei werden alle Umsätze aus dem Produktionsprozess als Einkommen an die Wirtschaftssubjekte ausgeschüttet. Diese wiederum verwenden ihr Einkommen teilweise für Konsumzwecke, bewirken damit aber erneut Rückwirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. • Hierbei unterstellen wir, dass alle Größen real geplant werden. Der Konsumplan bezieht sich also nicht auf eine nominale €-Größe, sondern auf (gewichtete) Mengen an Konsumgütern. 148 • Im Gegensatz zu obigem Cartoon unterstellen wir unterausgelastete Produktionskapazitäten. • Diese bewirken, dass Unternehmen eine zusätzliche Nachfrage befriedigen können. • Wir unterstellen dabei, dass Unternehmen zu konstanten Grenzkosten produzieren, so dass die zusätzliche Nachfrage nicht die Inflation erhöht. 149 Ad 1) Die geplante Güterproduktion wird durch die Unternehmer festgelegt in Höhe der zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Für dieses Gleichgewicht ist hier (im Gegensatz zur Mikroökonomik) nicht das Preisniveau verantwortlich. Dieses Preisniveau wird bestimmt durch die Höhe der Inflationsrate, an die sich die Wirtschaftssubjekte der Volkswirtschaft gewöhnt haben. Aufgrund von Menukosten gibt es kurzfristig keine weiteren Preisniveauschwankungen. Kurzfristig werden Überstunden oder höhere Maschinenlaufzeiten hingenommen, um die Produktion zu erhöhen. Das Gütermarktmodell (1) YS=YD (2) Y=YS (3) I=I (4) C=a+cY (5) YD=C+I 150 151 Ad 2) Die geplante Produktion der Unternehmer wird realisiert. Ad 3) Die Unternehmer planen und realisieren die Höhe der Nettoinvestition. Diese wird im Modell als exogen betrachtet und autonom festgelegt. Nettoinvestitionen sind gering gegenüber dem Kapitalstock und haben (insbesondere kurzfristig) keinen Effekt auf die Produktion. Ad 4) Die Haushalte antizipieren ihr verfügbares Einkommen, Y, und planen die Aufteilung dieses Einkommens in Konsum und Ersparnis. Ad 5) Gemäß gesamtwirtschaftlichem Produktionskonto teilt sich das Nettoinlandsprodukt auf in Konsum- und Investitionsgüter. Es existieren Verhaltenshypothesen über geplante Größen. Diese sind die Produktion, die Nettoinvestition und der geplante Konsum (Y, I, C). → Unterschied zu ex-post Betrachtung, wo nur realisierte Größen einander gegenübergestellt und Plangrößen nicht betrachtet werden. → Bei Ungleichgewichten YS > YD oder YS < YD erfolgen Planrevisionen in Form ungeplanter Lagerbestandsveränderungen. Bei dieser Größe können Plan und Realisierung also voneinander abweichen. 152 153 Einkommens-Nachfrage-Diagramm (Keynessches-Kreuz) YD Zusammengefasstes Modell: Y=YD P1 Iu > 0 Y = C + I = a + cY + I YD P 1 ⇔ Yˆ = (a + I ) 1− c Multiplikator Iu < 0 autonome Komponenten P2 45° Y2 ^ Y Y1 Y 154 155 Y=YS YS,YD C, I YD=C+I P S(Y1) I C=a+cY a+I I=I a 45° ^ Y Y Y1 156 S, I S=-a+sY P ^ -a • Dieses Gütermarktgleichgewicht lässt sich auch dadurch abtragen, dass die gesamtwirtschaftliche Ersparnis der Nettoinvestition gegenüber gestellt wird. • Es gilt die Definitionsgleichung S=Y-C . • Unter Verwendung der Gleichungen (3), (1), (2) und (5) wird hieraus die (alternative) Gleichgewichtsbedingung: S=I I 157 • In einer Volkswirtschaft können nun Störungen auftreten. Wie verändert sich hierbei das Gleichgewicht? • Diese Frage wird im Rahmen einer so genannten komparativ-statischen Analyse beantwortet. • Hierzu leiten wir den Investitionsmultiplikator (dY/dI) her: Y Y 158 159 Die Gleichung Y = 1 (1 − c ) (a + I ) wird total differenziert: YS,Y, C, I YS=Y 1 dY = (da + dI ). 1− c YD=a+cY+I1 P1 YD=a+cY+I0 P0 Sofern sich der autonome Konsum nicht ändert, gilt da=0. Eine solche Konstanz nicht näher betrachteter Variablen wird als „ceteris paribus“-Annahme bezeichnet. Es folgt dann: dI I=I1 dI 1 dY = . dI 1 − c I=I0 45° Y^0 Y^1 dY (>dI) 160 Y 161 • Der Multiplikatorprozess kann mit Hilfe einer quasi-dynamischen Analyse beschrieben werden. • Hierfür wird die Anpassung in einzelne Multiplikatorrunden zerlegt. • Es wird angenommen, dass die Anpassung nicht sofort erfolgt, sondern die Auswirkung eine gewisse Zeit benötigt. • Es ergibt sich dann folgende Wirkungskette: IÇ 162 YÇ CÇ SÇ (Sickerverlust) 163 • Eine andere Störung ergibt sich bei einer Variation des autonomen Konsums. S, I S=-a1+sY • Haushalte könnten die Ersparnis erhöhen durch eine Absenkung von a. • Der Multiplikator hierzu lautet: dY = 1 da < 0. 1− c da < 0 • Dies entspricht einer Verschiebung der Nachfragekurve im Einkommens-Nachfrage-Diagramm nach unten. P1 P0 ^ ^ Y1 S=-a0+sY I=I Y Y0 -da • Alternativ kann eine Darstellung im S/Y-Diagramm vorgenommen werden. 164 • Hierbei ergibt sich das, was als „Sparparadoxon“ bezeichnet wird: Der einzelwirtschaftliche Versuch, die Ersparnis zu erhöhen, scheitert im gesamtwirtschaftlichen Kontext. • Bestimmungsgröße für die Ersparnis ist allein die Investition. 165 • Das Sparparadoxon resultiert u.a. aus der organisatorischen Trennung der Spar- und Investitionsentscheidung. • Wird über Investitionen und Ersparnisbildung simultan entschieden, so ergibt sich kein Sparparadoxon. • Eine solche simultane Entscheidungsbildung wird aber nur bei wenigen Investitionen der privaten Haushalte vorliegen (z.B. Häuserbau) oder bei Unternehmensentscheidungen, Investitionen über einbehaltene Gewinne zu finanzieren. • Diese schafft sich durch die Multiplikatorrunden selbst die zu ihrer Durchführung notwendige Ersparnis. 166 167