Europäische Krise und die Rolle des deutschen

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Die Rolle Deutschlands in der Europäischen-Krise
Ist Deutschland EU-Zahlmeister oder Krisenprofiteur?
Was sind die Gründe für die Krise der Europäischen Wirtschaft, des EURO und für den Abbau
demokratischer Rechte und sozialer Errungenschaften in den Krisenländern?
1. Die Krise der Gemeinschaftswährung €
Der Kern der €-Krise: Steigende Renditen für Staatsanleihen.
Die Renditen, und damit auch die Zinssätze für Kredite stiegen seit Beginn der Krise 2008 in vielen
Euro-Staaten stark an.
Warum ist dies wichtig?:
Die Staaten leihen sich Geld über den Anleihemarkt. Diese Staatsanleihen werden auf dem sog.
Sekundärmarkt gehandelt, also nicht nur direkt vom Emittenten, der jeweiligen Nationalbank, per
Auktion an Großinvestoren verkauft, sondern nach der Emission auch direkt zwischen den Banken
und Investoren zu dann frei vereinbarten Kursen und Renditen gehandelt.
Große Nachfrage führt dann zu hohen Anleihepreisen und damit gleichzeitig zu niedrigen Renditen
(Zinssätzen).
Warum ist das so?
Wenn die Nachfrage nach einer Anleihe groß ist, dann muss der Emittent eben nur einen geringen
Zins zahlen, um das sog. Kontrahenten-Risiko (damit ist z.B. das Risiko der Zahlungsunfähigkeit
des Emittenten gemeint) zu vergüten, bzw. um die Anleihe attraktiv zu machen. Geringe Nachfrage
führt dann folglich zu niedrigen Preisen und hohen Renditen.
Zusammenfassung: Die Rendite spiegelt also die Risikoeinschätzung des
Marktes wieder. Staaten müssen ständig neue Anleihen emittieren, also am
Markt verkaufen, um bestehende alte Anleihen an deren Laufzeitende zu
refinanzieren. Staaten, die neue Anleihen verkaufen, müssen i.d.R. Zinsen in
Höhe der aktuellen Rendite der am Sekundärmarkt gehandelten Anleihen
zahlen. Niedrige Anleihekurse und hohe Anleiherenditen spiegeln also die
Markterwartung über die Solvenz des Schuldners, bzw. das Ausfallrisiko der
Investition wieder. Die Renditen, die sich auf dem Anleihemarkt herausbilden
sind ein Gradmesser für den Zinssatz den Staaten bei der Refinanzierung ihrer
Staatsschuld zahlen müssen. Mit Einführung der Gemeinschaftswährung 1999
hatten sich die zuvor stark unterschiedlichen Zinsen der nationalen Währungen
auf das niedrige Deutsche Niveau angeglichen.
Abbildung 1: Zwischen dem 2. Und 4. Quartal 2008 haben ausländische Banken ihre Forderungen gegenüber den
Krisenländern um 42 Prozent reduziert und damit deren Liquiditätskrise ausgelöst.
In Folge der Krise ab 2008 haben sich dann jedoch die Zinssätze für in €
begebene Schuldtitel der verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten wieder dramatisch auseinander
entwickelt. Dies hat die Krisenentwicklung in den sog. EU Randstaaten erheblich verstärkt, da nun
plötzlich der Zufluss ausländischen Kapitals für Staat und Privatwirtschaft versiegt ist.
Abbildung 2: Zinsentwicklung1 bei Europäischen Staatsanleihen
Quelle: Intereconomics No.4, July/August 2011, by Heiner Flassbeck & Friederike Spiecker
„Die Rolle Deutschlands in der Europäischen-Krise: Ist Deutschland EU-Zahlmeister oder
Krisenprofiteur?“ Ein Beitrag von Alexander Leipold
1
Per cent per annum; long-term (10 year) government bond yields, monthly data.
Source: OECD, http://stats.oecd.org/Index.aspx?DataSetCode=MEI_FIN, updated July 2011.
2. Nicht Staatsschulden sind das Problem, sondern die Auslandsschulden
a)- Die Aufgabe der nationalen Notenbanken vor Einführung des EURO 1999
Die Notenbank eines Landes mit eigener Währung kann Inflationsunterschiede gegenüber den
Handelspartnerländern durch Wechselkurs– und Zinspolitik entgegenwirken. Sie versucht einen
Wechselkurs zu den Währungen der Handelspartner ansteuern, der ungefähr der Kaufkraftparität
entspricht. Denn das sorgt für ausgeglichene Handelsströme (sog. ausgeglichene Leistungsbilanz)
und schützt das Land vor Überschuldung im Ausland wie auch vor dem horten großer ausländischer
Vermögensbestände, die gleichzeitig die Schulden der Handelspartner sind (und, wie viele
Währungskrisen gezeigt haben, nicht vollständig zurückgezahlt werden können).
Zugleich soll Spekulation gegen die eigene Währung am Devisenmarkt begrenzt werden, indem der
Zinssatz so festgesetzt wird, dass Wechselkursänderungen durch Zinsdifferenzen ausgeglichen
werden.
Ist ein Staat in eigener Währung verschuldet kann er diese beliebig vermehren (sog.
„Druckerpresse“) und damit die Staatsschulden in eigener Währung begleichen. Dadurch wird
natürlich der Außenwert der Währung geschwächt; sie wertet ab.
Ist ein Staat in Fremdwährung verschuldet (Auslandsschulden), ist die Vermehrung der eigenen
Währung keine Lösung.
Der mit der Geldvermehrung einhergehenden Abwertung kann nur durch Stützungskäufe
entgegengewirkt werden. Diese aber müssten mit Devisenreserven in Fremdwährung
vorgenommen werden, welche ja eben gerade nicht vorhanden sind.
Folge: Staaten können nur bei Verschuldung in Fremdwährung zahlungsunfähig werden.
Beispiele für Krisen mit Fremdwährungsschulden:
Argentinien 2001 und Deutschland 1931 waren in US$ verschuldet. Bis zum jeweils erfolgten TeilSchuldenerlass waren beide Länder praktisch wieder zu Entwicklungsländern geworden.
b)- Der EURO als „Fremdwährung“ für die Krisenländer
Warum sind die Renditen der Staatsanleihen in Japan, den USA oder Großbritannien nicht ebenfalls
gestiegen? Deren Verschuldungsgrad ist ja ebenfalls gestiegen und teils höher als bei den EUKrisenländern. Z.B. ist der Verschuldungsgrad Japans, gemessen am Brutto Nationalprodukt (GDP)
von 183% in 2007 auf heute 243,6% gestiegen. ´Der Verschuldungsgrad Spaniens mit 91,3% des
GDP ist im Vergleich relativ klein. (Quelle: AMECO, European Commission)
Antwort: Der Verschuldungsgrad eines Staates hat gar nichts mit seiner Kreditfähigkeit zu tun hat.
Einen Investor interessiert nicht die nominelle oder prozentuale Höhe der Staatsschuld. Viel
wichtiger ist es, ob es sich um In- oder Auslandsschulden handelt und ob der Staat über die
entsprechende Wirtschaftskraft verfügt, um ggf. die Auslandsschulden auch zurückzahlen zu
können. Konkret muss der Staat
einen Außenhandels- bzw.
Leistungsbilanzüberschuss
aufweisen, damit mehr Kapital ins
Land strömt, als für Importe
ausgegeben wird. Nur mit diesem
Leistungsbilanzüberschuss können
Kredite getilgt werden ohne sich neu
zu verschulden. Das Risiko des
Kreditausfalls lässt sich der Investor
am Kapitalmarkt durch einen
entsprechenden Zinsaufschlag
vergüten.
Abbildung 3:
Parallel zu den steigenden Leistungsbilanzdefiziten von Griechenland, Portugal und Spanien stiegen auch die Auslandsschulden dieser Staaten.
„Die Rolle Deutschlands in der Europäischen-Krise: Ist Deutschland EU-Zahlmeister oder
Krisenprofiteur?“ Ein Beitrag von Alexander Leipold
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Krisenprofiteur?“ Ein Beitrag von Alexander Leipold
Warum ist der EURO für die Euro-Mitgliedsländer eine Fremdwährung?
Antwort:
- Die Mitgliedsstaaten haben nur begrenzt Einfluss auf die Europäische Zentralbank (EZB), über
einen Vertreter der eigenen Nationalbank im EZB-Direktorium.
- Die Europäischen Verträge sehen vor, dass ein Land nicht die Schulden eines anderen
übernehmen muss. (No-Bail-Out Klausel) Damit haftet jedes Land innerhalb der Währungsunion
nur selbst für seine Schulden und ist damit vollkommen abhängig von privaten Finanzmärkten und
von Gläubigerländern.
Die sich selbst erfüllende Prophezeiung bei Fremdwährungsschulden:
- Aus Angst vor dem Staatsbankrott verkauft ein Investor seine Anleihe, andere verkaufen auch.
- Dadurch steigen die Renditen der vorhandenen Anleihen und auch die Zinsen für die staatliche
Refinanzierung steigen.
- Der höhere Schuldendienst erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsunfähigkeit (z.B.
Schuldenschnitt). Dies löst eine Verkaufslawine aus, ähnlich einem Banken-run.
Fazit: Der Kontrollverlust über die (eigen) Währung führt zur Diktatur der Finanzmärkte.
3. Ursachen für die Auslandsschulden der Krisenländer
Die Staatsverschuldung aller EURO Mitgliedsstaaten ist seit Beginn der Krise 2007 stark
angestiegen. In Spanien z.B. von 36,3% des Brutto-Inlandsprodukts (BIP) in 2007 auf über 91,3%
heute. Die Staatsschuld Deutschlands war übrigens bereits 2007 vor Krisenbeginn mit über 65,2%
des BIP fast doppelt so hoch wie die Spaniens und liegt mit heute 81,1% nur wenig unter dem
Verschuldungsgrad Spaniens.
Einige EU-Länder haben seit 2007 mehr Schulden
angehäuft, als in der gesamten Zeit seit dem 2.
Weltkrieg. Ursache der explodierenden Staatsschulden
waren jedoch nicht verschwenderische Staatsausgaben
in Infrastrukturprojekte oder Sozialleistungen, wie
etwa Rentenerhöhungen, sondern die Übernahme der
Schulden privater Banken und Investoren durch den
Staat sowie die unterschiedlichen Leistungsbilanz
Salden als Ausdruck der Wettbewerbsfähigkeit der
nationalen Ökonomien.
Zwischen 2008 und 2011 hat die EU-Kommission
staatliche Hilfen in Höhe von 4.500 Milliarden € an die
Banken genehmigt. Angesichts dieser Fakten kann
nicht davon die Rede sein, dass die von der Krise
besonders betroffenen EU Randstaaten (abfällig auch
PIIGS genannt) über ihre Verhältnisse gelebt hätten.
Abbildung 4
Quelle: TNI, Transnational Institute
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Krisenprofiteur?“ Ein Beitrag von Alexander Leipold
4. Ungleiche Leistungsbilanzsalden als Ursache der Krise
a)- Mehr Schulden auf der einen Seite, mehr Vermögen auf der andern.
Der Leistungsbilanzsaldo ist die Summe aus privatem
Finanzierungssaldo und öffentlichem (staatlichem) Budgetsaldo. Die Finanzierungssalden der drei großen volkswirtschaftlichen Sektoren - Staat, Privatsektor und Ausland müssen sich zu Null addieren. Wenn also ein Land ein
Leistungsbilanzdefizit aufweist, muss es sich bei einem Land
mit Leistungsbilanzüberschuss verschulden. Mit Einführung
des € und der damit verbundenen Zins Angleichung im EuroRaum hatte ein bis dahin nie dagewesener Kapitaltransfer
aus Deutschland in die heutigen EU-Krisenländer eingesetzt.
Das Geschäftsmodell der deutschen Großbanken basierte
wesentlich auf der Kredit Vergabe an die neuen EU-Partner.
Der in Deutschland erwirtschaftete Überschuss wurde auf
diese Weise großteils in den heutigen Krisenländern
investiert. Die Kreditnehmer, also Firmen, Banken und
Privatleute in Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien
haben damit insbesondere ihren Konsum ausgeweitet, bzw.
Investitionsgüter aus Deutschland gekauft.
Abbildung 5, Verschobene Bilanzpositionen:
So wurde es Deutschland ermöglicht über viele
Jahre Exportweltmeister zu werden. Die Exporterlöse wurden jeweils im EU-Ausland am
Kreditmarkt investiert und haben somit indirekt
unsere Exportwirtschaft stabilisiert. Gleichzeitig
hat Deutschland die eigene Binnenwirtschaft
geschwächt: Die schwache Lohnentwicklung in
Deutschland hat zu weniger Konsum, geringeren
Steuereinnahmen und staatlichem sparen geführt.
Z.B. haben die öffentlichen Nettoinvestitionen von
2001 bis 2008 abgenommen.
Abbildung 6: Parallel zu den steigenden Leistungsbilanzüberschüssen Deutschlands stiegen auch die Verbindlichkeiten des Auslands gegenüber der
Bundesrepublik.
Die Europäische Währungsunion (1999) hat zu
einer stark divergierenden Entwicklung der
Leistungsbilanzen geführt. Die Starken wurden
stärker, die schwachen schwächer. Die Folge war
eine Überschuldung des privaten Sektors, welche
dann 2007 zur Finanzkrise geführt hat.
Abbildung 7:
Historische Entwicklung der Leistungsbilanzen1 Europäischer Staaten
Quelle: Intereconomics No.4, July/August 2011, by Heiner Flassbeck &
Friederike Spiecker
1
Current account balance in per cent of GDP; negative values: deficit,
positive values: surplus.
2
1960-1990 West Germany.
3
Greece, Portugal, Spain and Italy.
Source: AMECO database (updated May 2011); own calculations.
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Krisenprofiteur?“ Ein Beitrag von Alexander Leipold
b)- Lohnstückkostendifferenz als Ursache des Leistungsbilanzdefizits
Die Südeuropäischen Länder und Irland
hatten zu hohe, Deutschland eine zu
niedrige Lohnstückkostenentwicklung.
Nur Frankreich hat sich an die gemeinsam
auferlegten Regeln der Währungsunion
gehalten.
Abbildung 8:
Lohnstückkostendifferenz1 führt zur Wettbewerbsverzerrung
innerhalb der Währungsunion
Quelle: Intereconomics No.4, July/August 2011, by Heiner
Flassbeck & Friederike Spiecker
1 Index of Unit Labour Cost of total economy 1999 = 100.
2 Greece, Portugal, Spain and Italy.
3 Yearly increase of 2%.
Source: AMECO database (updated May 2011); own calculations.
Die Inflation wiederum wird maßgeblich
durch die Entwicklung der Lohnstückkosten
bestimmt. Dies ist hier für die €Währungsunion dargestellt und lässt sich
auch für alle anderen Volkswirtschaften für
die letzten 50 Jahre empirisch belegen.
Abbildung 9: Lohnstückkosten bestimmen die Preisentwicklung
Die Inflation wird durch die Entwicklung der Lohnstückkosten
bestimmt.
Quelle: Intereconomics No.4, July/August 2011,
by Heiner Flassbeck & Friederike Spiecker
1 GDP deflator. (PREISENTWICKLUNG)
2 Compensation of employees (total economy) in ECU or euro per
employee divided by real GDP per employed person; concept of
fulltime equivalents where available. (LOHNSTÜCKKOSTEN)
Source: AMECO database (updated May 2011); own calculations.
Um gleiche Bedingungen innerhalb der Währungsunion (EMU) zu gewährleisten, ist die Europäische
Zentralbank (ECB) gehalten, die Inflation jedes EMU-Mitglieds bei genau 2% zu halten. Diese
grundlegende Spielregel der Währungsunion wurde jedoch nicht eingehalten. Tatsächlich war die
durchschnittliche Inflationsrate seit 1999 in Deutschland mit ca. 0,8% zu niedrig, während sie in
Südeuropa mit im Durchschnitt über 4% viel zu hoch lag. Deutschland hat sich so zum Schaden
der EU-Partner einen deutlichen Wettbewerbsvorteil verschafft. Zu Beginn der Währungsunion
wurde die unterschiedliche Wirtschaftskraft der €-Mitgliedsländer durch Festsetzung eines
€-Wechselkurses zum Beitrittstermin
ausgeglichen. Nach nur 14 Jahren
Währungsunion ist, verursacht durch die
auseinanderlaufende Lohnstückkosten
Entwicklung, die Wettbewerbsfähigkeit
Südeuropas im Vergleich zu Deutschland
um ca. 25% gesunken. Die Löhne in
Deutschland müssten also auf einmal und
in allen Bereichen der Wirtschaft um 25%
steigen, damit wieder die gleichen
Wettbewerbsbedingungen wie zu Beginn
der Währungsunion herrschen würden.
Abbildung 10: Inflation in den Mitgliedsstaaten der €-Währungsunion
Quelle: Intereconomics No.4, July/August 2011, by Heiner Flassbeck & Friederike Spiecker
1 GDP deflator 1999 = 100. 2 Greece, Portugal, Spain and Italy.
3 12 EMU countries. 4 Yearly increase of 2%.
Source: AMECO database (updated May 2011); own calculations.
Fazit: Die Lohnzurückhaltung in Deutschland und insbesondere die Ausweitung des Niedriglohnsektors, der Leiharbeit und der Werkvertragsarbeit, sowie das Fehlen eines staatlich festgesetzten
Mindestlohnes haben zu unfairen Wettbewerbsbedingungen gegenüber den EU-Partnerländern,
gleichzeitig zu einer Exportfixierung und Exportabhängigkeit unserer Wirtschaft geführt und sind
wesentliche Ursache der Wirtschafts- und Finanzkrise.
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Krisenprofiteur?“ Ein Beitrag von Alexander Leipold
5. Lösungsansätze und Irrwege der Krisenbekämpfung
a)- Warum ein „Schuldenschnitt“ keine Lösung ist
Ein Schuldenschnitt in einem Land führt zu Verkäufen anderer Staatsanleihen. Dadurch steigen die
Zinsen für die anderen Krisenländer. Länder, die ihren Schuldendienst nicht vertragsgemäß und
vollständig erfüllen, sind vom privaten Finanzmarkt praktisch ausgeschlossen. Öffentliche Ausgaben
können dann nicht mehr finanziert werden. Die Gläubigerländer müssen dann noch mehr Hilfskredite
bereitstellen. Das ursächliche Problem, die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Krisenstaaten, wird
aber nicht gelöst und führt so zwangsläufig zum Auseinanderbrechen des Euroraums.
b)- Die Maßnahmen der Politik: Austerität, Privatisierung öffentlichen
Eigentums, Haushaltskonsolidierung und drakonische Sparmaßnahmen
Die „Troika“ aus EZB, IWF und Europäischer Kommission ist in ihrer Herangehensweise ausschließlich
auf die staatliche Schuldenquote fixiert, also die Staatsschulden bezogen auf das BruttoInlandsprodukt (BIP / GNP). Das Problem dabei: Ein Bruch hat auch einen Nenner! In diesem Fall das
BIP. Die Staatsausgaben aber sind Teil des BIP.
(BIP = Staatsausgaben + Konsum + Investitionen + Exporte – Importe)
Bei sinkenden Staatsausgaben steigt also zwangsläufig die Schuldenquote. Hinzu kommt, dass
krisenbedingt die Steuereinnahmen sinken und Sozialausgaben (z.B. wg. Steigender Arbeitslosigkeit)
steigen. Folglich haben die Sparmaßnahmen nicht zu einer wesentlichen Reduzierung der
Schuldenquote geführt. Wenn der private Sektor, also Unternehmen und Privathaushalte nicht mehr
investieren und konsumieren, dann muss der Staat die fehlende Nachfrage ausgleichen um die
Wirtschaft zu stützen. Wenn nun der Staat gleichzeitig zum Sparen, zu Ausgabenkürzungen und
Steuererhöhungen gezwungen wird, dann bricht die Wirtschaft vollends zusammen. In Deutschland
wurde genau diese Deflationspolitik durch Reichkanzler Brüning 1930 bis 1932 bereits mit
verheerendem Ergebnis getestet: Die Wirtschaft Deutschlands wurde ruiniert, die Arbeitslosigkeit
stieg auf 6 Mio.
Die Troika adressiert in ihrer Politik sehr wohl die ungleichen Wettbewerbsbedingungen im
Euroraum: Sie fordert allerdings eine Anpassung nach unten. Die Löhne in Südeuropa und Irland
müssten also um ca. 25% sinken, um wieder Wettbewerbsfähig produzieren zu können. So wird eine
nicht endende Abwärtsspirale in Gang gesetzt, denn die deutsche Wirtschaft möchte ihre Wettbewerbsvorteile ja nicht aufgeben und muss die Lohnsumme folglich ebenfalls reduzieren.
Vergessen wird dabei, dass Löhne die wesentliche Voraussetzung für Konsum und damit für die
Produktion von Waren und Dienstleistungen sind.
Die Sparpolitik und die demontage des Sozialstaates führt zu Armut, sozialen Verwerfungen und
Unruhen. Da die Länder trotz aller Sparanstrengungen in der Rezession bleiben, sinkt das Vertrauen
der Märkte weiter und weitere Anleger ziehen ihr Kapital ab. In Südeuropa setzte 2008 eine
gigantische Kapitalflucht ein, die bis heute anhält und die Länder ökonomisch ausblutet.
Fazit: Die Verschuldungsquote der Krisenländer steigt nicht trotz der Sparpolitik, oder weil nicht
genug gespart würde, sondern gerade wegen der Sparpolitik.
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Krisenprofiteur?“ Ein Beitrag von Alexander Leipold
c)- Deutschland als Krisenprofiteur
Deutschland hat in mehrfacher Hinsicht vom EURO und nun von der Krise profitiert:
Zunächst hat der Kreditbedarf der neuen €-Länder zu einem Boom der deutschen Finanzwirtschaft
geführt. Dann hat unsere Exportwirtschaft außerordentlich vom kreditfinanzierten Konsum
Südeuropas profitiert. Und nun flieht das risikoscheue Kapital aus ganz Europa in den vermeintlich
sicheren Hafen der deutschen Staatsanleihen, sowie in deutsche Immobilien und anderer
Direktinvestitionen. Das führt zu der absurden Situation, dass Anleger deutsche Staatsanleihen
kaufen, obwohl deren Rendite teils unter der Inflationsrate liegt, ein Verlustgeschäft also.
Der deutsche Staat spart aufgrund dieser niedrigen Anleihen-Renditen jährlich Milliarden an
Zinskosten für die eigenen Staatsschulden. (je 1% Zinsdifferenz ca. 21 Mrd. €) und profitiert so von
der Kapitalflucht aus den Krisenländern.
Aber: Wenn Staat, Unternehmen und Haushalte sparen, dann fällt das BIP und das
Leistungsbilanzdefizit wird noch größer. Wenn nun alle EU-Staaten sparen, dann werden auch die
deutschen Exporte einbrechen, denn die Summe der Leistungsbilanzen einer Einheit von Staaten ist
immer Null. (Jedenfalls solange wir keinen Handel mit dem Mars treiben und die Marsianer nicht
bereit sind sich bei uns zu verschulden, um kreditfinanziert unsere Produkte zu kaufen.)
Fazit: Wir befinden uns in der gleichen Situation wie 1929 zu Beginn der Weltwirtschaftskrise und
wenden die gleichen falschen Maßnahmen an, die schon damals in den Abgrund geführt haben.
d)- Was ist zu tun? – Erfolgreiche Lösungsansätze
Wenn die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa die Ursache der heutigen Krisensituation sind,
dann müssen als Lösungsansatz Mittel gewählt werden, die diese Ungleichen Bedingungen
ausgleichen und gleichzeitig zu wirtschaftlichem Aufschwung und Wohlstand führen.
Hierzu ist es unerlässlich, dass die Lohnsumme insbesondere in Deutschland wesentlich gesteigert
wird. Um die in den letzten 14 Jahren gewachsenen Wettbewerbsverzerrung in Europa auch nur
annähernd auszugleichen, müssen die Löhne in Deutschland in allen Wirtschaftsbereichen jährlich
wesentlich über dem Produktivitätszuwachs plus dem EZB-Inflationsziel von 2% liegen. Auch wenn
dies durchgesetzt werden würde, würden die unfairen Wettbewerbsbedingungen die Krisenländer
noch weitere 15 bis 20 Jahre benachteiligen. Deren Schulden würden in dieser Zeit weiter wachsen,
da sie weiterhin jährlich Leistungsbilanzdefizite verzeichnen.
Für eine ausgeglichene Leistungsbilanz muss Deutschland mehr importieren. Hierzu muss die
Binnennachfrage durch Lohnsteigerungen gestärkt werden. (Deutsche Importe sind die Exporte der
Krisenländer.) Es muss in öffentliche Infrastruktur, Bildung, gesundheitsvorsorge usw. investiert
werden. Die Bedingungen hierfür sind günstig: Noch nie waren Kredite für den Staat so günstig wie
heute. Es muss eine gemeinsame Europäische Lohn- und Sozialpolitik sowie gemeinsame Fiskalpolitik
umgesetzt werden. Lohn- und Sozialdumping sowie Steueroasen dürfen kein zulässiges Mittel des
Wettbewerbs sein. Sie gehören ebenso verboten wie Drogen- oder Organhandel.
Die Finanzmärkte müssen streng reguliert und kontrolliert werden.
Ohne starke Tarifabschlüsse, umfassende Tarifbindung, die alle Betriebe einschließt und einen
staatlichen Mindestlohn, der den Niedriglohnsektor eingrenzt, werde sich Ungleichheit und
Widersprüche der Euroländer weiter verstärken. Dies wird dann zwangsläufig zu einem
unkontrollierten Zusammenbrechen der Währungsunion führen.
„Die Rolle Deutschlands in der Europäischen-Krise: Ist Deutschland EU-Zahlmeister oder
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6. Und wenn der Euroraum auseinanderbricht? Die Folgen:
a)- Die Folgen für die heutigen Krisenländer
Argument: Bei Rückkehr zu den nationalen Währungen würden diese sofort abwerten und dies zu
einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der verbleibenden Industrie führen.
Probleme: 1.) Aufgrund der Dominanz der deutschen Wirtschaft hat seit €-Einführung in den
Krisenländern eine Deindustrialisierung stattgefunden. Es ist dort keine nennenswerte Industrie
übrig, die zu einer ausgeglichenen Leistungsbilanz beitragen könnte.
2.) Durch Abwertung der nationalen Währung steigen die bestehenden Auslandsschulden in
Fremdwährung. Gleichzeitig werden Importe von Energie, Rohstoffen oder Lebensmitteln
unerschwinglich, da diese ebenfalls in Fremdwährung bezahlt werden müssen.
3.) Die gesamte Nationalökonomie wird vom privaten Finanzmarkt und damit von Auslandskrediten
abgeschnitten. Eine tiefe wirtschaftliche Depression ist die Folge.
b)- Die Folgen für Deutschland
1.)Die neue Währung (egal ob diese dann auch € heißt, oder D-Mark) wird massiv aufwerten,
vermutlich anfangs bis zu 50% oder 60%. Damit würden alle Exporte schlagartig aufhören, da sie
niemand mehr kaufen kann. Die deutsche Wirtschaft ist in höchstem Maße exportabhängig und
würde sofort kollabieren.
2.) Durch hohe Abschreibungen auf die Auslandsvermögen bei Banken und Unternehmen der
Krisenländer würde ein neue Bankenkrise ausgelöst, deren Verluste ein Mehrfaches des gesamten
europäische BIP betragen würden und damit größer sind als jeder denkbare staatliche
Rettungsschirm.
3.) Arbeitslosigkeit und Verarmung werden auch in Deutschland Ausmaße annehmen, die der großen
Depression der 1930er Jahre in nichts nachstehen.
4.) Die Gefahr ist groß, dass die auch das Ende der europäischen Einigung, der EU als politische- und
als Wirtschaftsgemeinschaft bedeuten wird. Anstatt das Ziel der politischen und sozialen Einheit
Europas anzustreben, könnten rechtsnationale und neofaschistische Bewegungen mit Fremdenhass
und Imperialen Bestrebungen die Meinungsführerschaft übernehmen.
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