Rudi Krawitz Die Gestaltung von Lernumgebungen aus individualpädagogischer Sicht 2 1. Schule als individualpädagogische Praxis Wie auch immer über Schule als Institution gedacht und wie kontrovers die Diskussion heute nach den verschiedenen internationalen Leistungsvergleichsstudien über ihre Aufgaben geführt wird, eines scheint unstrittig: Sie hat den professionellen Auftrag, für Kinder und Jugendliche möglichst wirksame Anlässe zum Lernen zu schaffen. So ist es zunächst aus pragmatischer Sicht durchaus konsequent und dürfte keinem allzu großen Widerspruch Anlass geben, die Schule als Haus des Lernens“ zu bezeichnen, wie es die nordrhein-westfäli” sche Bildungskommission in ihrer Denkschrift Zukunft der Bildung – ” Schule der Zukunft“ bereits 1995 in programmatischer Absicht getan hat. Dass in der Schule gelernt werden soll, gilt als selbstverständlich; wie dieses Lernen jedoch pädagogisch, didaktisch und methodisch zu gestalten ist, und was die heranwachsende Generation zu lernen hat, darüber sind sich die Betroffenen keineswegs einig. Und über Schule, Unterricht und Lernen mitzureden hat bekanntlich jeder; schließlich ist jedermann in irgendeiner Weise betroffen: als Schüler, als Eltern oder als Lehrer. Daran werden auch die inzwischen vielerorts vorgenommenen Versuche, sogenannte Bildungsstandards“ zu entwickeln, ” nichts zu ändern vermögen. Nachdem seit dem Erscheinen jener programmatischen Denkschrift inzwischen über zehn Jahre vergangen sind, lohnt es sich, noch einmal über das darin vertretene Bildungsverständnis und die daraus resultierende Notwendigkeit der Umgestaltung der Institution Schule nachzudenken. Die Aufgaben der Schule werden darin sehr deutlich individualpädagogisch aufgefasst. Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrerinnen und Lehrer bilden eine Gemeinschaft der individuell Lernenden. Die Schule gibt dazu Raum und wird verstanden als ein Ort, – an dem alle willkommen sind, die Lehrenden wie die Lernen” den in ihrer Individualität angenommen werden, die persönliche Eigenart in der Gestaltung von Schule ihren Platz findet, – an dem Zeit gegeben wird zum Wachsen, gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt vor einander gepflegt werden, 3 – dessen Räume einladen zum Verweilen, dessen Angebote und Herausforderungen zum Lernen, zur selbsttätigen Auseinandersetzung locken, – an dem Umwege und Fehler erlaubt sind und Bewertungen als Feedback hilfreiche Orientierung geben, – wo intensiv gearbeitet wird und die Freude am eigenen Lernen wachsen kann, – an dem Lernen ansteckend wirkt“ (a. a. O., S. 86). Gegen diese Bestimmung der Schule als Haus des Lernens“ regt sich ” Widerstand aus der (berechtigten?) Besorgnis, ob und inwieweit denn in diesem Haus des Lernens“ überhaupt noch hinreichend Platz für ” Bildung und Erziehung sei. Hans-Günter Rolff, damals selbst Kommissionsmitglied, berichtete darüber, dass das Wort vom Haus des Lernens (. . . ) als Leitbild ” für Schulreform, Schulentwicklung und Lehrerbildung gedacht“ sei und in der Bildungskommission lange darüber diskutiert wurde, ob die Schule nun als Haus des Lernens“ oder des Lernens und des ” ” Lebens“ oder der Bildung“ oder der Erziehung“ zu bezeichnen sei ” ” (Rolff 1997, S. 33). In einem 1996 durchgeführten Symposion von Wissenschaft und ” Wirtschaft“ wurde besorgt die eigentliche pädagogische Grundfrage thematisiert: Welchen Stellenwert hat Bildung in dem angedachten ” Reformkonzept überhaupt noch?“ Und in Folge dieser berechtigten Frage wird kritisch, aber leider nicht immer frei von Polemik, nachgefragt: Soll und kann in der Schule der Zukunft – wie sie den Gut” achtern vorschwebt – Bildung stattfinden?“ (Schlaffke / Westphalen 1996, S. 14). Der von den Kritikern des Symposions eingangs formulierte Anspruch hinsichtlich unverzichtbarer pädagogischer Qualitätsstandards scheint zunächst konsensfähig: Die beste Vorbereitung auf ” die Zukunft wird durch eine Bildung erreicht, die beherrschtes Wissen und Persönlichkeitswerte miteinander verbindet. Neue Methoden – fächerübergreifender Unterricht, Gruppenarbeit, Planspiele – sind dafür nötig. Zukunftsgerechte Schulen müssen ein breit angelegtes, fundiertes und vernetztes Allgemeinwissen bieten und mit Wert- und Handlungsorientierung dafür sorgen, daß der Unterricht zu einer Entfaltung aller im Menschen angelegten Kräfte und Begabungen beiträgt und es zur Ausformung der ganzen Persönlichkeit kommt. So- 4 lide Bildungsfundamente, Persönlichkeit und Gestaltungskraft sind heute stärker gefragt als früher Spezialwissen und -können“ a. a. O., S. 27). Auch Kurt Aurin, bekannter Freiburger Erziehungswissenschaftler und Bildungsforscher, initiierte als Reaktion auf die nordrheinwestfälische Denkschrift rasch einen Sammelband mit dem Untertitel Brauchen wir eine andere Schule‘“ Die Antwort, die dieser Unter” ’ titel als Nein zu implizieren scheint, lautet bei Aurin differenzierter: Erneuerung durch Weiterentwicklung des Bewährten“ (Aurin / Wol” lenweber 1997, S. 221). Die Kritiker und Skeptiker befürchten, dass es um die Zukunft von Bildung, Erziehung und Leistung im Haus des Lernens“ der ” Bildungskommission schlecht bestellt sei, weil sie sowohl Lehrern wie Schülern offensichtlich nicht zutrauen, diesen oben in den sechs Punkten beschriebenen Freiraum des Hauses des Lernens bildungswirksam auszugestalten: In der Realität der Schulen, mit Normalschülern ” – konzentrationsunfähig, nur in geringem Maße motivierbar und in der intellektuellen Belastbarkeit recht unterschiedlich – und mit Durchschnittspädagogen, die verständlicherweise auch mit menschlichen Unzulänglichkeiten zu kämpfen haben, würde das Lernkonzept schlichtweg zum Chaos im Schulalltag und zum Leistungsabfall führen müssen“ (a. a. O., S. 36). Dabei will das Haus des Lernens“ zunächst einmal, wie jede Be” hausung, vor allem Schutz gewähren; den notwendigen Schutz nämlich, den Kinder und Jugendliche brauchen, um sich in der konstruktiven wie kontroversen Auseinandersetzung mit den Mitmenschen und den Sachen selbsttätig bilden zu können; sowohl in kritischen Diskursen wie aber auch im bloßen Sicheinlassen auf die vielfältigen Phänomene der Welt. Als mit Kopf, Herz und Hand“ sehende, denkende ” und handelnde Individuen, d. h. als unteilbare (in-dividuelle) LeibSeele-Geist-Gestalt- und Haltungseinheiten sollen die Kinder und Jugendlichen mit pädagogischer Begleitung sich bilden können. Dieses Haus des Lernens“ sollte am Jahrhundertende jenen ” Schutz für Bildung gewähren, den Theodor Ballauff bereits in den sechziger Jahren gegenüber vielfältigen pädagogischen Entfremdungserscheinungen mit seiner noch viel stärkeren Metapher vom Bollwerk ’ für Bildung‘ massiv einklagen musste. Es ist nach wie vor die unverzichtbare Aufgabe von Schule als In” stitution zur Verteidigung der Bildung“ (Ballauff 1964, S. 28), Kin- 5 dern und Jugendlichen in der Tradition der griechischen PAIDEIA, Raum und Begleitung für ihre individuelle Entfaltung, Prägung, Verwandlung und Umwendung zu gewähren. Bildung wird in dieser Tradition unverändert durch PAIDEIA als Geleit zur Umwendung des ” ganzen Menschen in seinem Wesen“ gewährt (Heidegger, GA. Bd. 9, S. 217). Pädagogik als Begleitung ermöglicht in der Schule die Frei” gabe der Individualität, d. h. eines eigenen Weges des Heranwachsenden, auf dem er die ihm gemäßen Aufgaben findet und selbständig und verantwortungsbereit zu lösen versucht“ (Ballauff 1964, S. 17). Der Freiburger Heidegger-Schüler Eugen Fink begreift den Bildungsauftrag in ähnlicher Weise individualpädagogisch: Der Mensch ” wird begriffen als das seltsame Ding inmitten der Dinge, das nicht einfach bleiben kann, wie es die Natur entläßt, das nicht in fester Art steht wie Fels und Welle, wie Pflanze und Tier, – das sich vielmehr eine Fassung geben muß, eine Sinngestalt, eine Prägung, ein Gesetz“ (Fink 1970, S. 13). Der Mensch selbst also bildet sich, PAIDEIA ist die dazu notwendige Begleitung, das Haus des Lernens ist der Schutzraum. Der Mensch bildet sich“, so heißt auch die Formel, die Hartmut ” von Hentig inzwischen in bewusst einfach gewählter Sprache verwendet: Bilden ist sich bilden. Der prägnante Sinn des Wortes Bildung ” kommt jedenfalls in der reflexiven Form des Verbums am klarsten zum Ausdruck“ (von Hentig 1996, S. 39). Es gilt nun, vielfältige Anlässe zu schaffen, die Kinder und Jugendliche herausfordern sich zu bilden. Dies ist – sehr einfach und allgemein formuliert – der Auftrag der Schule als Haus des Lernens“ ” in all ihren vielfältigen Erscheinungsformen. Diesen Auftrag professionell auszuführen, erfordert eine neue individualpädagogische Praxis, – in der die umfassende pädagogische Aufgabe der Bildung als individuelle Entfaltung, Prägung, Verwandlung und Umwendung des ganzen Menschen nach innen und außen und in all seinen Möglichkeiten nicht reduziert wird auf die reine Geistesbildung im Sinne des verengten elitären intellektualistischen Bildungsverständnisses des 19. Jahrhunderts; – in der die durch Unterricht und Lernen zu ermöglichende Erkenntnis in der subjektiven Wechselwirkung zwischen Sinnlichkeit und Verstand, Anschauung und Begriff, Empfindung und Erscheinung nicht in einer rationalistischen lehrtheoretischen 6 Didaktik reduziert wird auf die bloß kognitive Komponente des kurzschlüssigen‘ Begriffslernen; ’ – in der der institutionalisierte Unterricht als eigentlich, wesentlich und ursprünglich immer aktiver (selbsttätiger) Prozess des Sich-kundigmachens nicht zum lehrgangszentrierten passiven Konsum von fertigen und richtigen Wissensbrocken verkommt; – in der die Verantwortung für die Erziehung als begleitender Beistand zum Aufbau einer je eigenen strukturellen Klarheit“ ” (Rombach, 1979, S. 144) nicht einfach nur der Zufälligkeit der alltäglichen Intuition außerschulischer Sozialisationsinstanzen überlassen bleibt. 2. Bildung durch Unterricht und Erziehung 2.1 Pädagogik als Handlungsorientierung Zu Beginn des 21. Jahrhunderts scheint die Pädagogik, auch wenn sie sich vielerorts in der kritisch-rationalen Identität einer streng erfahrungswissenschaftlich prozedierenden Erziehungswissenschaft präsentiert, für viele kaum mehr geeignet, praktisch wirksame oder gar ethisch verbindliche Handlungsorientierungen für Bildungs-, Erziehungs- oder Unterrichtsprozesse bereitzustellen. Pädagogik befindet sich in der immer wieder als pluralistisch etikettierten postmoder” nen“ Konsum- und Informationsgesellschaft in einer erheblichen Legitimationskrise. Die groß angelegten strukturellen Versuche von Schulund Bildungsreformen des 20. Jahrhunderts müssen insgesamt entweder als praktisch gescheitert oder aber als politisch verhindert betrachtet werden. Übrig blieben am Ende des Jahrhunderts bescheidene pluralistische Suchbewegungen“ der Erziehungswissenschaft, wie ” Oelkers und Tenorth es 1991 – selbst etwas hilflos – zum Ausdruck brachten. Pädagogische Systemversuche gelten heute als naiv anachronistisch; die theoretische Beschäftigung damit wird in Fachkreisen lediglich noch unter historischen Gesichtspunkten und Fragestellungen akzeptiert. An die Stelle pädagogischer oder erziehungswissenschaftlicher Systemversuche treten jetzt Versuche der Systematisierung des in der Praxis immer schon vorhandenen und sich weiterentwickelnden pädagogischen Wissens. 7 Erziehungswissenschaft wird so reduziert auf ihren analytischen Aspekt der methodisch organisierten Beobachtung pädagogischer Praxis. Der synthetische Aspekt von Erziehungswissenschaft als praktischer Pädagogik mit dem präskriptiven Anspruch der Handlungsorientierung wird nicht mehr als wissenschaftlich relevante Aufgabe angesehen. Die Situation der Praxis von Unterricht und Erziehung ist dementsprechend uneinheitlich, eben pluralistisch‘. Pragmatismus tritt an ’ Stelle wissenschaftlich-praktischer Handlungsorientierung. Pädagogik verliert als praktische Wissenschaft ihre Bedeutung. Die Anstren” gung des Begriffs der Bildung“ (vgl. Fischer unter Berufung auf Natorp 1989, S. 17) wird erst gar nicht mehr unternommen. Die Fachwissenschaften, die in den Unterrichtsfächern der Schule (insbesondere in der Sekundarstufe I und dann noch deutlicher in der Sekundarstufe II) mehr oder minder abgebildet werden, determinieren den Bildungs- und Unterrichtsprozess einseitig zugunsten materialer Wissensinhalte und formaler Fertigkeiten. Bildung wird dabei stark reduziert auf die intellektuelle Außenseite der Geistesbildung, die subjektive Innenseite von Bildung als Entfaltung, Prägung und Umwendung des ganzen (individuellen) Menschen mit allen seinen Möglichkeiten wird dabei weitgehend vernachlässigt. In logischer Konsequenz dieser Sichtweise werden jetzt wieder – wie schon in den 1970er Jahren – formale und materiale Bildungsstandards formuliert. Während die Grundschule schon in den 1980er Jahren vielerorts eine durchaus pädagogische Neurorientierung als Lebens-, Lern- und Erfahrungsraum für Kinder erfuhr, fehlt der Sekundarstufe I unseres gegliederten Schulsystems zu Beginn des neuen Jahrhunderts nach wie vor eine klare strukturelle Identität. Nachdem schon nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Terrorstaates die Chance einer qualitativen und organisatorischen Neuordnung des Bildungssystems in Deutschland versäumt wurde (vgl. Tenorth 1988), haben alle späteren Reformversuche keine einschneidenden Strukturveränderungen mehr bewirken können. So ist das Schulwesen im Bereich der Sekundarstufe I in allen Bundesländern Deutschlands nach wie vor pädagogisch und didaktisch unterentwickelt. Auch in den neuen Bundesländern ließen sich nach der Vereinigung keine wesentlich neuen Strukturen durchsetzen und etablieren. 8 Nach wie vor haben wir es so in Deutschland mit einem föderalistisch schulpluralistischen Bildungswesen zu tun, das sich ganz besonders im Bereich der Sekundarstufe I als extrem uneinheitlich erweist: – Gymnasium, – Realschule, – Hauptschule, – Gesamtschule – und bis zu zehn verschiedene Sonderschultypen, darüber hinaus in einzelnen Bundesländern noch weitere neue Schultypen, wie beispielsweise in Rheinland-Pfalz – Regionale Schule, – Duale Oberschule, teilen sich die zehn- bis sechzehnjährigen Kinder und Jugendlichen der Klassen 5 bis 10 nach keineswegs immer eindeutigen und pädagogisch vernünftigen Auslesekriterien. Studium und praktische Ausbildung ihrer Lehrerinnen und Lehrer (aufgeteilt in zwei Phasen) sind bislang ebenfalls uneinheitlich strukturiert und organisiert. Die fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Anteile in Studium und Referendariat sind je nach Studiengang und angestrebter Fakultas höchst unterschiedlich gewichtet. Diese pluralistische Uneinheitlichkeit des stark horizontal gegliederten und föderalistisch organisierten und verantworteten Bildungssystems muss zunächst als status quo und nur bildungspolitisch zu verändernden Ausgangslage aller weiteren Überlegungen zu einer pädagogisch verantwortlichen Gestaltung schulisch organisierter Bildungsprozesse hingenommen werden. Trotz anstehender oder begonnener Bildungs- und Studienreformen kann eine pädagogische Innovation und Schulentwicklung im Sinne einer wirklichen und wirksamen Anstrengung des Begriffs der ” Bildung“ gegenwärtig nur innerhalb der je einzelnen Schule, ihrer Lehrerinnen und Lehrer wie selbstverständlich unter Beteiligung der Schülerinnen und Schüler und ihrer Eltern erfolgen. Bildung durch 9 Unterricht und Erziehung erfordert so die Entwicklung und Realisierung eines eigenständigen pädagogischen Konzepts, das von allen Beteiligten im Sinne eines für die eigene Schule geltenden Mindestkonsens im Sinne einer Corporate Identity“ akzeptiert und getragen ” werden muss. 2.2 Die pädagogische Doppelaufgabe Unterricht ’ und Erziehung‘ aus bildungstheoretischer Sicht Aus der Sicht transzendental-kritischer Pädagogik zeigen sich die pädagogischen Phänomene von Unterricht und Erziehung vorrangig als subjektive Aktivität des einzelnen Individuums. Lehrerinnen und Lehrer begleiten und unterstützen diese subjektiven Prozesse der Eigenaktivität lediglich dialogisch. Alfred Petzelt prägte für diese Annahme die Formel: Unterricht und Erziehung gehören zum Ich, wel” che Verhältnisse sie auch anträfen, und welche Formen sie immer annehmen möchten. Sie begleiten das Ich in jeder Lage und in jedem Alter“ (Petzelt 1964, S. 12). Aus der ontologischen Perspektive wird zwar die Vorrangigkeit des Seins vor dem Subjekt betont, doch ist es auch in dieser bildungstheoretischen Sicht immer nur das einzelne Individuum, das selbsttätig dem Einbezug ins Denken“ folgen kann, wie Theodor Ballauff deut” lich zu machen versuchte: Die pädagogische Aufgabe, aus der der ” Unterricht und seine Theorie hervorgehen, kann nur lauten: denken lernen in der Entziehung aus der Verfremdung durch Vermittlung ins Denken“ (Ballauff 1970b, S. 16). Und als Fundamentaleinsicht einer transzendental-kritischen Lo” gik des Lernens“ formuliert Lutz Koch daher konsequent: Lernen ” ist nicht rezeptive Abbildung gegebener Objekte im Lernenden, sondern eben synthetische Erzeugung jener begrifflichen Einheit, die unser Verständnis von Gegenständen erst konstituiert“ (Koch 1991, S. 177f.). In der Orientierung an der Transzendentalphilosophie Kants, der daraus abgeleiteten transzendental-kritischen Pädagogik Alfred Petzelts und unter Berücksichtigung der Hegelschen Idee einer Phäno” menologie des Geistes“, lässt sich ein bildungstheoretisches Verständnis von Erziehung und Unterricht im Spannungsfeld von Fachwissenschaft, Didaktik und Pädagogik anhand einer Begriffsskizze erläutern: 10 Bildung des Individuums durch Unterricht und Erziehung Absoluter Geist als belebendes Prinzip der vernünftigen Natur Objektiver Geist als soziale Welt Subjektiver Geist das Individuum verfügt über: verfügt über Theoretische Vernunft ⇓ philosophisch: ⇓ Praktische Vernunft PHILOSOPHIE ⇓ Moralphilosophie pädagogisch: erfordert: ⇓ UNTERRICHT pädagogisch: ⇓ wird konkret: PÄDAGOGIK ⇓ folgt der Idee von Wahrheit philosophisch: ⇓ Erkenntnistheorie Erkennenlernen ⇓ Handelnlernen erfordert: ⇓ ERZIEHUNG ⇓ folgt der Idee von ⇓ Wahrhaftigkeit wendet sich vermittelt über: ⇓ dient dem Erwerb von DIDAKTIK Kenntnissen ⇓ führt zu Wissen ⇓ verschafft Einsicht in die Notwendigkeit sittlicher Ordnung an das ⇓ INDIVIDUUM als transzendentales Bewusstsein ⇓ führt zu Haltung 11 2.3 Pädagogik als konkrete Philosophie Die pädagogische Aufgabe erschöpft sich also vollgültig darin, Kinder und Jugendliche zum rationalen Urteilen und zum verantwortlichen Handeln zu befähigen. Das Urteilen-Lehren und das Handeln-Lehren können so begrifflich die beiden Zielrichtungen pädagogischer Aktivität aus der Sicht der unterrichtenden und erziehenden Pädagogen kennzeichnen. Schüler sollen sowohl zum angemessenen Urteil über die mannigfaltigen Erscheinungen der Welt als auch zum verantwortlichen Eingreifen auf dem sozialen Handlungsfeld der zwischenmenschlichen Interaktion befähigt werden. Die Handlungsorientierung für diese zielgerichtete Aktivität könnte eine als konkrete Philosophie zu kennzeichnende Pädagogik als Prinzipienwissenschaft liefern, die – ohne in dogmatische Normativität zu verfallen – der leitenden Maßgeblichkeit der Ideen von Wahrheit und Wahrhaftigkeit lediglich in transzendental-kritischer Normativität verpflichtet ist. Dieser Grundbestand transzendental-kritischer Pädagogik muss heute immer noch gegenüber positivistischen, hermeneutisch-lebensphilosophischen, fundamental-ontologischen und kommunikativen Konzepten verteidigt werden (vgl. Fischer 1989; Krawitz 1980, 1997). Das kompromisslose Festhalten am Philosophieren als Kri” tik der Vernunft und ihrer Leistungen“ (Fischer 1979, S. 274), gewissermaßen das Erbe des pädagogischen Neukantianismus, ist unverzichtbares Grundprinzip jeder vernunftgeleiteten und der Aufklärung verpflichteten Pädagogik. Dieses Philosophieren als prinzipiengeleitetes Fragen über die Selbstreflexion des Ich als transzendentales Bewusstsein wird dabei zur pädagogischen Aufgabe für die Erziehungspartner auf beiden Seiten, die Kinder wie die Erwachsenen und damit zur praktischen Erziehungsaufgabe schlechthin. Pädagogisches Handeln als ein vernunftgeleitetes Miteinander-Umgehen versteht sich so immer als Philosophieren-Lehren und Philosophieren-Lernen im Medium argumentierender Vernunft: Wer die besseren Argumente hat, ist Lehrender, ” wer die Argumente des anderen anerkennt, ist Lernender“ (Heitger 1978, S. 23). Es ist die gemeinsame Verpflichtung auf die Vernunft, deren Möglichkeiten und Grenzen vom erkennenden und handelnden Ich immer nur argumentierend ausgemessen werden können, die der Pädagogik ihr oberstes allgemeines und formales Prinzip zumutet – eine Einsicht die aus der transzendental-kritischen Aufklärungsphilosophie über den Neukantianismus bis zur Kritischen Theorie der 12 Frankfurter Schule der Pädagogik bewahrt werden konnte. Denn es ist nicht einzusehen, wie wir ohne Philosophie imstande wären, eine ” Identität auf einem so zerbrechlichen Boden, wie die Vernunft ihn bereitet, auszubilden und zu sichern“ (Habermas 1976, S. 58; vgl. auch ders. 1981). Der Auftrag der Pädagogik ist und bleibt Vernunftbildung im umfassenden Sinne; er darf nicht technisch reduziert werden auf zweckrationale Ausbildung, auch wenn dies in unserer gegenwärtig radikal konsumistisch orientierten Welt zweck mäßig schiene. Das Kantische Prinzip der Endzweckmäßigkeit der Menschlichkeit im Menschen, auch wenn es häufig genug mit Füßen getreten wird, muss ganz besonders in der Pädagogik aufbewahrt bleiben. Die Kinder sollen dieses oberste sittliche, Autonomie ermöglichende, emanzipatorische Prinzip im denkenden und handelnden Umgang mit den Sachen und den Mitmenschen in zunehmender Verantwortlichkeit erkennen und anerkennen lernen. Die Einsicht, dass dieses Erkennen- und Anerkennenlernen des moralischen Grundprinzips von der Menschlichkeit des Menschen als Endzweck ohne manipulative Indoktrination zu geschehen hat, verpflichtet pädagogisches Handeln streng und allein auf den Dialog. Die eigene, stellungnehmende Urteilskraft des Kindes soll im pädagogischen Dialog herausgefordert werden. Es soll lernen, die normative und legitimierende Relevanz vorhandener Geltungsansprüche kritisch zu prüfen, um sie selbstverantwortlich anerkennen oder aber verwerfen zu können. Lehrer und Erzieher erhalten ihren pädagogischen Führungsauftrag lediglich aus der Notwendigkeit des Aufbaus eines Vernunftwillens, der beim sinnlich zunächst fremdbestimmten Kind noch nicht vorhanden ist. Schon Kant hat uns in seinen Aussagen über Pädagogik auf diese Aufgabe hingewiesen und Paul Natorp hat ihr in seiner Sozialpädagogik“ (1899) systematische Geltung verschafft. ” Erziehung und Unterricht dienen so diesem Aufbau eines Vernunftwillens, der über das eigene Bewusstsein als Ich lediglich den Prinzipien von Wahrheit und Wahrhaftigkeit verpflichtet bleibt und sich als Vernunftwille im Ideal von jeder Form der Fremdbestimmung denkend lösen kann. Erziehende und unterrichtliche Maßnahmen ermöglichen dadurch, dass sie rein dialogisch ausgerichtet sind, Emanzipation in einem idealistischen Verständnis des Begriffs: emancipation, das heißt Entlassung aus der (väterlichen) Gewalt; Befreiung aus der Abhängigkeit und der Fremdbestimmung fremden Denkens und Geführtwerdens zur Freiheit als Autonomie des Vernunftwillens. 13 Gerade heute muss es wieder verstärkt darum gehen, das ohnehin sehr eng institutionalisierte Feld pädagogischen Handelns vor drohender Fremdbestimmung durch zweckrationale, bildungsökonomischen Prioritäten folgenden Anforderungen zu bewahren und der regulativen Idee von Bildung als umfassender Vernunftwillensbildung zu ihrem Recht zu verhelfen. Dazu hat pädagogische Theorie vor allem zu verhindern, – dass das pädagogische Denken der Gegenwart der aufklärerischen und transzendental-kritischen Tradition entfremdet wird, – dass dem Geltungsanspruch von Vernunftsprinzipien nicht mehr gefolgt wird, – dass Psychologie und Didaktik losgelöst vom philosophisch-pädagogischen Grundgedanken das Erziehungs- und Unterrichtshandeln technologisch verkürzen, – dass rationalistisch reduzierte Erziehungs- und Unterrichtskonzepte kritiklos Anwendung finden und Lehrer zu bloßen Systemfunktionalisten missbraucht werden – und dass das Philosophische aus der Frage nach der Bildung des Menschen generell eliminiert wird. 2.4 Der dialogische Aspekt der Vernunftbildung Erziehung und Unterricht als Akte pädagogischen Handelns zwischen Heranwachsenden und Erwachsenen werden heute in der modernen Pädagogik, deren Einzug in die Schulstuben allerdings noch viel zu oft auf sich warten lässt, am allgemeinsten, prozessual und inhaltlich noch nichts festschreibend und festlegend, als Kommunikationsprozesse bezeichnet. So können die wechselnden Aktivitäten der Erziehungspartner und ihre prinzipielle Berechtigung in einem permanenten, nie abschließbaren Prozess des Sichverständigens angemessen auf den Begriff gebracht werden. Freilich bleibt dieser Begriff für die Pädagogik so lange leer, bis er in einem theoretischen Rahmen seinen systematischen Ort zugewiesen bekommt. Geht man etwa vom Verständnis einer kybernetisch-technologischen Informationstheorie aus, die heute angesichts der neuen computergestützten Kommunikationsmöglichkeiten wieder an Bedeutung gewinnt, so ist Kommunikation als nahezu monologische Übermittlung von Informationen 14 (Nachrichten) von einem Kommunikator zu einem Kommunikanten zu verstehen. In technologischer Diktion ausgedrückt, ließe sich danach der Kommunikationsablauf allgemein etwa folgendermaßen umschreiben: Eine Quelle liefert über einen Sender unter Ausnutzung eines Kanals eine Nachricht, die einen potentiellen Empfänger als Ziel erreichen soll. Der Empfänger seinerseits hat dabei mehr oder minder große Möglichkeiten der Rückmeldung (feed back) an die Quelle, um Verständnis oder Missverständnis zu signalisieren. Mit einem solchen Kommunikationsverständnis ist allerdings in einer dem Vernunftprinzip verpflichteten Pädagogik nichts anzufangen, da das von vornherein unterstellte starke Informationsgefälle der dialogischen Grundstruktur des pädagogischen Handelns generell widerspricht. Demgegenüber zeigt sich in Watzlawicks, Beavins und Jacksons (1974) provisorischen Formulierungen“ pragmatischer Kommunika” tions-Axiome eher eine pädagogische Dimension im Sinne des Dialogischen, indem dort deutlich auf die pädagogisch relevante prozessuale Wechselbeziehung zwischen den Kommunikationspartnern mit ihren inhaltlichen und personalen Implikationen eingegangen wird. Ihre axiomatische Unterstellung, nach der alles Verhalten Kommunikation genannt werden müsse, nimmt dem Begriff allerdings wieder seine systematische Eignung zur Begründung eines dialogischen Verständnisses von pädagogischem Handeln in Erziehung und Unterricht. Natürlich ist es logisch richtig zu behaupten, dass der Entzug aus der Kommunikationssituation besonders auf der Beziehungsebene geradezu einen vieldeutigen Kommunikationsbeitrag darstellt, doch verliert der Kommunikationsbegriff durch diese universalistische Überdehnung jene Trennschärfe, die von einem systematischen pädagogischen Begriff, der zur Handlungsorientierung herangezogen werden soll, verlangt werden muss. Watzlawicks, Beavins und Jacksons Kommunikationsbegriff, dem bloß analytische Bedeutung zukommt, eignet sich demnach wenig, das pädagogische Handeln von Lehrern und Erziehern synthetisch zu leiten; er ist jedoch hilfreich in der pädagogischen Situationsanalyse. Die Pädagogik sollte sich daher weniger an dieser psychologischpragmatischen Konstruktion orientieren, als vielmehr an Jürgen Habermas’ philosophisch-transzendentaler Theoriereflexion. Denn Habermas kommt in seinen philosophischen Überlegungen zu einem differenzierteren synthetischen Begriff von Kommunikation, der für das 15 pädagogische Handeln programmatischen Charakter annimmt und direkt handlungsleitend wirkt. Er unterscheidet dabei begrifflich – das kommunikative Handeln von Menschen im Medium der Alltagssprache im Rahmen von (zunächst kritiklos) verbindlich angesehenen Geltungsansprüchen – vom Diskurs, als dem von Vernunft geleiteten sprachlichen Versuch, bestrittene oder problematisierte Geltungsansprüche rational zu thematisieren, zu kritisieren und einem nach Maßgabe von Vernunftargumenten vorläufig wahrheitsfähigen Konsensus zuzuführen. Während – kommunikatives Handeln unter der naiven Voraussetzung der Geltung von Sachverhalten und Sinnzusammenhängen innerhalb eingelebter und normativ abgesicherter Sprachspiele abläuft, – soll im Diskurs ein problematisiertes Einverständnis, das im ” kommunikativen Handeln bestanden hat, durch Begründung“ wieder hergestellt werden (Habermas 1971, S. 115). Erziehung zur Diskursfähigkeit wird so zum Programm einer aufgeklärten kritischen Pädagogik, der es darum geht, erkenntnisleitende Interessen zu entdecken und Widersprüche rational aufzuklären, um so die Heranwachsenden auf ihre demokratische Teilnahme und Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen vorzubereiten. Um Diskurse mit dem Zweck eines wahrheitsfähigen Konsensus überhaupt vernünftig führen zu können, bedarf es jedoch einer transzendentalen Unterstellung, eines Leitprinzips für rationale Kommunikation: Eine ideale, herrschaftsfreie, allein dem rationalen Argument verpflichtete Sprechsituation muss kontrafaktisch“ vorausge” setzt werden. D. h., obgleich oder gerade weil der historische Regelfall von Kommunikation durch Störungen und Verzerrungen gekennzeichnet ist, bedarf es eines transzendentalen Prinzips, an dessen Maßgeblichkeit jene Fehlformen von Kommunikation zuallererst gemessen und dadurch kritisiert werden können. Wenn überhaupt, dann nur am Maßstab der kontrafaktischen, idealen, bloß denkbaren Konstruktion einer rationalen (vernunftgeleiteten) Sprechsituation sind irrationale 16 Scheinargumente von Vernunftargumenten zu scheiden und als unberechtigt zurückzuweisen. Die Konsensustheorie diskursiv erschlossener Wahrheit unterstellt im Urteil die Möglichkeit der Zustimmung jedes vernünftigen Erkenntnissubjekts zum vernünftig erkannten Argument und dessen Geltung. Jeder, der redet, auch wenn er beabsichtigt, wissentlich die Unwahrheit zu sagen, muss notwendig von der Unterstellung ausgehen, dass durch die vernünftige Rede Wahrheit erzeugt werden kann. Die Konsensustheorie von Wahrheit verkennt nicht, dass Alltagssprachhandeln dem Anspruch auf diskursive Begründung oft nicht entspricht, ja geradezu zuwiderläuft. Gerade das pädagogische Handeln jedoch, wenn es primär prozesshaft als kommunikatives Handeln bzw. Dialog gefasst wird, verlangt das Problematisieren von Normen und Sinnorientierungen, von Geltungsansprüchen und Herrschaftsverhältnissen in der Spielsituation von Schule als antizipierende Simulation möglicher Realsituationen gesellschaftlicher Praxis. Schule ist ein äußerst geeigneter Ort der Erprobung jener Prinzipien, die zu einer Steigerung der Diskursfähigkeit der eine demokratische Gesellschaft tragenden vernünftigen Bürger beitragen. So darf das pädagogische Feld der Schule nicht bloß affirmativ als ein Ort gesellschaftlicher Reproduktion gefasst werden, sondern vielmehr offensiv und idealistisch als ein Ort der Produktion, Konstruktion und Erprobung humaner Möglichkeiten. Allgemeinstes und formales Ziel der Erziehung ist so die Diskursfähigkeit des Vernunftsubjekts. Zu erreichen ist es allein über die argumentierende Vernunft im Bildungsdialog. Über den Erwerb rationaler Diskursfähigkeit erreicht das Bildungssubjekt in zunehmendem Maße die Kompetenz zur sachlichen und verantwortlichen Argumentation, die es nach und nach aus der Situation der Abhängigkeit fremder Autoritäten befreit und damit der Mündigkeit zuführt. Emanzipation zur Mündigkeit als das normative Postulat jeder Vernunftpädagogik (als konkreter Philosophie) erfordert vom pädagogischen Praktiker Rücksichtnahme auf die Entwicklungsstufe der Vernunftwillens-Aktivitäten des Kindes, wie Paul Natorp überzeugend gezeigt hat, bzw. auf das individuelle Posses” sivverhältnis“ des kindlichen Ich in der Sichtweise des Neukantianers Alfred Petzelt. Aber über dieser gewissermaßen psychologischtechnischen Faktenanalyse des Erziehungs- und Bildungsprozesses muss die faktische philosophische Potentialität des kindlichen Ich ge- 17 sehen werden. Nur durch die prinzipielle Annahme der umfassenden, uneingeschränkten individuellen Bildungsfähigkeit eines jeden Kindes wird ihm der Aufbau eines Vernunftwillens ermöglicht. Das Hinstarren auf seine Begrenztheiten und das Diagnostizieren seiner Schwächen führen sowohl das Kind wie seine Lehrer in die Handlungsunfähigkeit eines pädagogischen Defätismus. Im Vernunftbildungsdialog herrschen nicht Erzieher oder Lehrer über die Kinder, sondern es herrscht der Logos des verbindlichen Arguments, von dem man nicht von vornherein schon weiß, ob er sich einstellt und wer über ihn verfügt. 2.5 Die Universalität des Vernunftbildungsdialogs Lehren und Lernen sind nur in einer oberflächlichen Betrachtungsweise die jeweiligen, eindeutig zu unterscheidenden und zuzuordnenden Aufgaben von Lehrern einerseits und Schülern andererseits. Gewiss ist es üblich und liegt im Begriff, dass wir dem Lehrer die Aufgabe des Lehrens und dem Lerner, den wir Schüler nennen, die des Lernens zuweisen. Der Lehrer hat schon gelernt, er ist der Gelehrte‘, ’ der der Sache, in der es in seiner Lehre geht, bereits nachgespürt hat. Der Schüler hingegen ist der Lehrling‘, der die Spur der Sache verfol’ gen, der lernen soll. Kompetentes Lehren ist dem Lehrer offenbar nur nach vorausgegangenem Lernen möglich; allein wer angemessen gelernt hat, vermag auch zu lehren. Zum Lehrer wird man also nur über das Lernen, und dies allerdings in einem unabschließbaren Prozess, denn Lernen als eine besondere systematische Weise des Erkennens, ist eine dem Erkenntnissubjekt grundsätzlich zugemutete unvollendbare Aufgabe der diskursiven Welterschließung. Der Lehrer ist so, seinen Schülern gleich, ein lebenslang Lernender, also angesichts ihm immer noch ungelöst anstehender Fragen selbst Schüler. Als Schüler muss so der Lehrer die Rolle seiner Schüler aus der eigenen aktuellen, immer wiederkehrenden Erfahrung kennen. Aber seine Schüler wiederum kennen auch die Rolle des Lehrers, und zwar aus einer doppelten eigenen Erfahrung heraus: Zum einen werden sie in den unterschiedlichsten Lehr- und Lernsituationen selbst zum Lehrer ihrer Mitschüler, wenn sie als bereits Belehrte oder Gelehrte den noch nicht auf die Spur gekommenen Lernenden selbst helfend anleiten. Zum andern aber sind die Schüler in einem dialogisch verstandenen Unterricht immer wieder aufgefordert, den Lehrer darüber zu belehren, wie und was sie gelernt haben. D. h. die Schüler erpro- 18 ben quasi lehrend, den gelernten Zugang zu einer Sache darzustellen, indem sie versuchen, mit dem Gelernten angemessen lehrend umzugehen. Lehrer und Schüler tauschen so lehrend und lernend im Wechsel ihre jeweiligen Sicht- und Zugangsweisen zum Gegenstand aus. Nachdem der Schüler die Sichtweise des Lehrers kennengelernt hat, belehrt er ihn seinerseits über die eigene, die er über die Lehre durch das eigene Lernen erworben hat. Argumente bilden dabei das dialogische Vehikel zur Darstellung der eigenen Position. Ein dem erkenntnis-kritischen Verständnis von Lernen angemessener Unterricht verläuft so im ständigen Wechsel der argumentierenden Verständigung zwischen Lehrer und Schülern über ihren jeweiligen subjektivtheoretischen Zugang zum Erkenntnisobjekt. Das dialogische Prinzip erfordert, dass die Lehre im Erkenntnisunterricht, die innerhalb der Grenzen theoretischer Vernunft den Schülern die Welt zu erschließen sucht, nicht lediglich Fakten darstellt und Wissen vermittelt, sondern die Schüler zur urteilenden Stellungnahme auffordert. Wichtiger als die Kenntnis der Fakten ist für die Schüler die Urteilsfähigkeit. Im Urteilen lernen die Schüler – das angemessene Erschließen des Faktischen (als das Wahre nach Maßgabe von Sachlichkeit), – zum anderen aber darüber hinaus das verantwortliche Einschätzen des Faktischen (als das Gute nach Maßgabe von Verantwortlichkeit) im praktischen Urteil, – oder aber das Seinlassen‘ der Sache bzw. das Sich-einlassen‘ ’ ’ auf die bloß ästhetische Betrachtung des Faktischen (als das Schöne nach Maßgabe des Geschmacks). Das dialogische Unterrichtsverständnis beachtet demnach alle Perspektiven des menschlichen Inbeziehungtretens mit der Welt. Erkenntnis-Unterricht, Ästhetik-Unterricht und Handlungs-Unterricht sind so keine deutlich abzugrenzenden Unterrichtsgebiete, sondern unverzichtbare Perspektiven des urteilenden Umgangs mit Sachen und Menschen. Im Vernunftbildungsdialog soll gemeinsam nach der Geltung des überzeugenden Arguments gesucht werden, wobei im Idealfall Lehrerund Schülerrolle prinzipiell ausgetauscht werden können. Wo auch 19 immer um Geltungsansprüche gestritten‘ wird, handelt es sich um ’ einen Bildungsdialog. Man lässt sich belehren und lernt, oder man lehrt selbst und belehrt damit andere. Das dialogische Prinzip hat universalistischen Charakter. Es gilt für jede vernunftgeleitete Begegnung zwischen Menschen, sofern sie zugeben, noch nicht ausgelernt‘ ’ zu haben. 2.6 Bildung durch Unterricht Anerkennt man als Pädagoge die Geltung formaler Orientierungspunkte als transzendentale (vernunftgeleitetes Denken und verantwortliches Handeln ermöglichende) Prinzipien a priori, wie sie die transzendental-kritische Philosophie und Pädagogik seit Kant in unterschiedlicher Gewichtung aber genereller Übereinstimmung der angestrebten Zielrichtung postuliert, so ergeben sich eindeutige, unumgehbare Konsequenzen für die Organisation intentionaler pädagogischer Prozesse, deren Durchsetzung in der pädagogischen Praxis allerdings noch immer unbewältigtes Desiderat ist. Unterricht als Bildungsprozess ist nur dann transzendental-pädagogisch zu verantworten, wenn er den transzendentalen Prinzipien – das sind die Ideen von Wahrheit, Schönheit und Wahrhaftigkeit – folgt und dabei dem einzelnen, von Verstand, Urteilskraft und Vernunft geleiteten Bewusstsein in seinem Anspruch auf eigenverantwortliche (autonome) Welterschließung gerecht wird. Die grundlegende Einsicht, – dass Lernen, als Sonderform von Erkennen immer nur angemessen zu verstehen ist als die synthetische Leistung des subjektiven Bewusstseins – und dass Handeln, als verbindliche Tätigkeit autonomer Willensaktivität, immer selbst gewählten und eigenverantwortlichen Maximen folgen soll, erfordert eine spezifische, näher zu kennzeichnende Strukturierung der pädagogischen Handlungsfelder und Beschreibung der darauf agierenden Erziehungspartner. Folgende Aspekte sind dabei zu berücksichtigen: 20 2.6.1 Unterricht ist pädagogische Praxis Für den Lehrer, der immer gleichzeitig (auch wenn dies nicht seiner ausdrücklichen willentlichen Absicht entspricht) Erzieher ist, könnte die transzendental-kritische Reflexion eine wesentliche Hilfe zur Handlungsorientierung bieten. Denn pädagogische Aufgaben sind durch die bloße Anwendung didaktischen und methodischen Fachwissens nur teilweise verantwortlich zu erfüllen. Es bedarf darüber hinaus der eigenen antizipierenden philosophischen Reflexion, Begründung und Kritik, der das Handeln leitenden Prinzipien und Maximen. Die durchaus notwendige Orientierung an entwicklungs- und lernpsychologischen Grundlagen und Einsichten und das Ausrichten unterrichtlicher Prozesse nach didaktischen und fachwissenschaftlichen Maßgaben muss in die umfassende pädagogische Gestaltung der erzieherischen und unterrichtlichen Situation integriert werden. Lehrer müssen sich als Pädagogen begreifen lernen. Dies ist eine, so scheint es, tautologische Forderung. Doch, beobachtet man die praktische Arbeit vieler Lehrer in den verschiedenen Schularten unseres gegliederten Schulsystems, oder bedenkt man ihre Einstellungen zum unterrichtlichen Handeln, wie sie sich in manchen Gesprächen erschließen lassen, erscheint das Bild des pädagogischen Lehrers eher der Ausnahmeerscheinung oder dem bloßen Idealbild zu entsprechen. Lehrer orientieren sich stark an Fachwissenschaften und Didaktik, manchmal an Psychologie oder einer mehr oder minder vorwissenschaftlichen Anthropologie, selten aber an Pädagogik (vgl. Krawitz 1997). 2.6.2 Pädagogische Praxis ist philosophische Praxis Die Pädagogik als Wissenschaft muss deutlich machen, dass sie der praktischen Handlungsorientierung dient, indem sie ihre leitenden Prinzipien auf die Handlungsebene transponiert und anhand konsequenter und einsichtiger Forderungen an die Praxis auch konkretisiert. Das heißt: Die Pädagogik muss sich als Handlungswissenschaft begreifen. Sie muss befreit werden aus dem ihre jüngere abendländische Wissenschaftsgeschichte hartnäckig begleitenden Vorurteil, lediglich eine abstrakte Bildungsmetaphysik zu sein, die lediglich der geistigen Erbauung der sie spekulativ am Leben erhaltenden idealistischen Ka’ thetergelehrten‘ und deren immer mehr schwindenden Zahl träum’ 21 ender Jünger‘ diene. Sie muss aber genauso aus der Umklammerung jener pragmatischen Mächte befreit werden, die sie Erziehungswis’ senschaft‘ nennen und ihr die Handlungsrelevanz durch Anleihen auf andere Wissenschaften (Psychologie, Soziologie, Anthropologie, Ökonomie) erschleichen oder durch Verkürzungen ihres umfassenden Aufgabenfeldes zu erzwingen suchen. Pädagogik muss als konkrete Philosophie rehabilitiert werden. Sie muss das ganze Gewicht ihres philosophischen Anspruchs geltend machen, um die Schule aus der bildungsökonomistischen Entfremdung zu befreien und vor ihrem drohenden Verfall zur zweckrationalen Ausbildungsinstitution zu retten. Pädagogik als konkrete Philosophie und damit Unterricht als philosophische Praxis sind neben einer verantwortlichen demokratischautonomen Politik, die bisher immer noch Idee geblieben ist, die einzig denkbaren Möglichkeiten, die Welt verantwortlich zu gestalten. Über die Bildung des Vernunftwillens wird das einzelne Bildungssubjekt identisch mit den Vernunftprinzipien einer Welt der Menschlichkeit und der Sachlichkeit (vgl. Ballauff 1964; 1970a,b; 1989), in der alles Unmenschliche und Unsachliche der erbarmungslosen Kritik des Vernunftarguments ausgeliefert wird. Die Frageformel: Darf der Mensch, was er kann?“ (Eppler 1979) ” deutet die Richtung des von Urteilskraft geleiteten radikalen Argumentierens nach Vernunftprinzipien an. Sie ist die gegenwärtig wohl noch immer aktuelle Umformulierung des kategorischen Imperativs in einen Interrogativ. – Wie sollte diese Frage anders abgehandelt werden als mit den Mitteln des umfassenden Vernunftgebrauchs, der die Grenzen der formallogischen wie zweckrational-technischen Argumente zu übersteigen vermag? – Wo sollte diese Frage angemessener aufgehoben sein als innerhalb des Argumentationsrahmens praktischer Philosophie? – Und wer anders könnte das Einzelbewusstsein für die Vernunftargumente praktischer Philosophie aufschließen als die konkrete Philosophie der Pädagogik, die den ontogenetischen Entwicklungsprozess einzelner Menschen zuallererst zum Vernunftbildungsprozess werden lässt? 22 2.6.3 Unterricht als philosophische Praxis dient der Vernunftwillensbildung Der Schüler muss in der philosophischen Praxis des Unterrichts als Vernunft- und Willensautonomie erkannt und anerkannt werden. Seine Willensautonomie muss das Ziel aller pädagogischen Bemühungen sein. Er ist weniger der Adressat belehrender Wissensvermittlung und erzwingender Moralisierungsbemühungen als vielmehr der Dialogpartner in einem immer wieder erneut und selbständig zu erschließenden Zusammenhang von Sache und Verantwortung, von Lehrer und Lernendem, in welchem er jederzeit als Aktivität selbst zur eigenen Stellungnahme herausgefordert wird. Der Schüler muss sich als Willen, die Schule als Ort der Vernunftwillensbildung begreifen lernen. Dem Schüler ist von Seiten der Belehrenden der nur scheinbar widersprüchliche Einwand: Das weiß ich . . . , aber das glaube ich nicht ” . . .“ (Bichsel 1969) jederzeit zuzugestehen. Der elementare Fragewille, auch wenn er noch wenig zielgerichtet erscheint, ist die treibende Kraft des erwachenden Erkenntnissubjekts und dessen vielseitiger Interessen. Doch durch das fortwährende Verdrängen der kindlichen Interessen im institutionalisierten Schulsystem verstummen die unlogischen aber kreativen Kinderfragen nach und nach. Der Geist wird vollgestopft mit Bücherwissen und eingerichtet nach einer fremden Logik, die als einzig richtige anzusehen gelehrt und gelernt wird. Das Kind richtet sich nach und nach ein in der Heteronomie fremder Willen, die ihrerseits vielleicht schon fremdbestimmt vorgegebenen Ordnungen fraglos folgen. Der eigene Wille wird so in die Zucht vorgetäuschter Kausalität genommen, die durch hierarchische Bildungssysteme, pragmatisch-verlässliche Lehrpläne, Curricula, Bildungsstandards, maßregelnde Gesetze, Verordnungen und Erlasse wiederum heteronom legitimiert wird. Man richtet sich ein in einem System der Notwendigkeiten und verliert zunehmend den Mut, sich seiner eigenen Vernunft und Willenskraft zu bedienen und die Geltungsansprüche vermeintlicher Notwendigkeiten der Kritik der eigenen Vernunftargumente auszusetzen. Die Schule als Ort der unbehinderten Vernunftwillensbildung zu rehabilitieren und zu sichern, ist in einer Zeit des vordergründig ökonomischen Denkens und Rechnens der Bildungverwalter, die vordringlichste Aufgabe praktischer Pädagogik. 23 Bildung ist keine Ware! 3. Bildung Sicht in individualpädagogischer 3.1 Sehen, Denken, Handeln – Ästhetik, Logik, Ethik Die Philosophie der Aufklärung des ausgehenden 18. Jahrhunderts mit ihrer ohne Übertreibung als kopernikanisch zu bezeichnenden Entdeckung‘ der subjektiven Vernunft des Individuums, bietet heu’ te noch immer die gemeinsame philosophische wie pädagogische Argumentationsbasis, unter deren Niveau trotz aller geistiger Weiterentwicklungen und Strömungen weder in der Alltagskommunikation noch im wissenschaftlichen Diskurs zurückgegangen werden kann. Wir verdanken es der theoretischen Anstrengung des Königsberger Philosophen Immanuel Kant (1724–1804), dass sich die Philosophie vom bloßen Herumtappen“, wie er es nannte, fortan auf den Weg ” einer kritischen Wissenschaft aufmachte und dadurch dem einzelnen Menschen pädagogisch Mut machen konnte, sich selbst seines ei” genen Verstandes zu bedienen“, sich aus der Bevormundung ungeprüfter normativer Dogmen zu befreien und sich zu emanzipieren, aber auch dadurch selbstverantwortlich zu werden. Ich behaupte, diese von Kant eingeleitete, kritisch-konstruktive Bewegung der Aufklärung ist bis heute nicht abgeschlossen. Wir leben nach wie vor im Zeitalter der Aufklärung, das all zu oft und immer wieder von unglaublichen irrationalen Rückfällen erschüttert wird. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang nur, dass es mir heute, aufgrund der erschreckenden nationalistischen und fremdenfeindlichen Exzesse von unaufgeklärten Jugendlichen und unbelehrbaren Erwachsenen, wieder dringend notwendig erscheint, mit meinen Studentinnen und Studenten der Pädagogik jenen pädagogisch fundamentalen Text von Adorno aus dem Jahre 1966 zu lesen, dessen erster Satz eindringlich mahnt: Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch ” einmal sei, ist die allererste an Erziehung“ (Adorno 1966, S. 88). Adorno glaubte, dass diese Forderung für eine aufgeklärte Gesellschaft so selbstverständlich sei, dass sie eigentlich keiner weiteren Erklärung und Begründung mehr bedürfe. Gleichzeitig sah er jedoch die stets 24 vorhandene latente Gefahr der Wiederholung solcher ungeheuerlichen Vergehen an der Menschlichkeit. Nur durch eine unerschütterliche und immer wieder pädagogisch geübte und politisch praktizierte Bindung an die Kraft der Vernunft wird Aufklärung praktisch verwirklicht werden können. Jede Generation ist dabei mit pädagogischer Unterstützung von neuem auf den Weg zu bringen. Adorno sah, ebenso wie die anderen Repräsentanten der Frankfurter Schule der Kritischen Theorie, deutlich, dass Aufklärung eine unabschließbare und von jeder Generation immer wieder selbst zu leistende Aufgabe bedeutet und dass eine sozial, politisch und pädagogisch tragfähige Theorie der Gesellschaft nie zu einem geschlossenen statischen System erstarren dürfe, sondern stets dynamisch offen und ideologiekritisch argumentieren müsse. Zur Vorbereitung der folgenden Thesen zu einer Ästhetik der Individualität und der daraus resultierenden individualpädagogischen Sichtweise von Bildung zunächst zurück zu Kant: Von ihm haben wir die philosophisch wie pädagogisch plausible Einteilung unserer subjektiven Erkenntnisvermögen in Verstand, Vernunft und Urteilskraft, die es uns ermöglichen, subjektiv verantwortliche Verstandesurteile, moralische Urteile und ästhetische Urteile abzugeben. Wohlgemerkt, es handelt sich bei dieser philosophischen Einteilung und Deutung Kants nicht um eine fragwürdige vermögenspsychologische Interpretation, sondern um eine prinzipielle voraussetzende Annahme zur Begründung der notwendigen Bedingungen der Möglichkeit von subjektiver Erfahrung und verantwortlichem Handeln. Verstand, Vernunft und Urteilskraft sind philosophisch, pädagogisch und didaktisch die für alles subjektiv verantwortliche Sehen, Denken und Handeln a priori (d. h. prinzipiell) anzunehmenden Möglichkeitsbedingungen, ohne deren konstitutive Geltung Erfahrung rein zufällig und Handeln völlig unverbindlich bliebe, so dass alles subjektive Sehen, Denken und Handeln unkritisierbar wäre, weil es ohne sie weder Maßstäbe der intersubjektiven Geltung noch der subjektiven Verantwortung gäbe. In der Pädagogik geht es im Zusammenhang mit ihren zentralen Aufgaben von Bildung, Erkenntnis, Unterricht und Erziehung (vgl. Krawitz 1997) immer um Sehen, Denken und Handeln. Das Sehen kommt dabei allerdings sehr oft zu kurz, weil wir viel zu oft und vorschnell blind an die vermeintlich rationale Klarheit und präzise Treffsicherheit der Begriffe im Sinne der Logik glauben. Aber gerade 25 das kontemplative Sehen, das im Sinne Kants zwar einerseits subjektiv eingeengt und andererseits von Begriffen a priori vorbestimmt (determiniert) wird, ist die notwendige Voraussetzung für das Entdecken des Wesentlichen. Und bei diesem Akt des kontemplativen Sehens kommt der subjektiv konstruierenden Einbildungskraft, als der Fähigkeit aus einer äußeren (zunächst diffusen) Sinnesmannigfaltigkeit ein inneres ästhetisches (oder besser gesagt: aisthetisches) Bild zu entwerfen, eine entscheidende Funktion zu. Im offenen kontemplativen Sehen auf das Sichzeigende das Wesen (griechisch das EIDOS) zu entdecken, hat nach Kant philosophisch die Phänomenologie von Edmund Husserl (1913) in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses zu rücken versucht. Und pädagogisch ging Heinrich Rombach (1979) diesem aisthetischen Aspekt der Wesensstruktur eines Phänomens, leider mit viel zu wenig Resonanz, in seiner phänomenologischen und strukturpädagogischen Sichtweise des Erziehungsgeschehens nach. Sehen steht für mich als Metapher für eine von Einbildungskraft geleitete sinnliche Anschauung. Den gesamten Bereich der sinnlichen Anschauung (Wahrnehmung) nennen wir seit alters her AISTESIS, in der Moderne als Ästhetik übersetzt. Das umfassende Feld der Ästhetik ist dabei nicht modernistisch zu verkürzen auf eine bloße Lehre vom Schönen. Bei den Griechen war die AISTETIKE EPISTEME grundsätzlich die Wissenschaft der sinnlichen Wahrnehmung. Und der philosophische Kritiker unserer postmodernen Lebenswelt, Wolfgang Welsch fordert meines Erachtens zu Recht, Ästhetik heute wieder im ursprünglichen Sinne als Aisthetik zu verstehen: als Themati” sierung von Wahrnehmungen aller Art, sinnhaften ebenso wie geistigen, alltäglichen wie sublimen, lebensweltlichen wie künstlerischen“ (Welsch 1993, S. 9 f. und auch S. 46). Am Anfang aller Ein-Sicht, die zu Erkenntnis führen kann, steht in dem von mir angedeuteten metaphorischen Sinne also das Sehen. Die begriffliche Fassung dessen, was ich wahrgenommen (gesehen, gehört, gespürt) habe, richtet sich nach den Gesetzen des Denkens, und diese sind in der Logik aufgehoben. Greife ich durch selbsttätiges und eigenverantwortliches Handeln in ein Geschehen ein, orientiere ich mich an der Maßgeblichkeit prinzipieller Grundsätze, die ihrerseits in der Ethik aufgehoben sind. Ästhetik, Ethik und Logik sind demnach seit alters her die drei theoretisch konstruierten Systeme zur Darstellung, Beschreibung und Kritik des subjektiven vernunft- 26 geleiteten Sehens, Denkens und Handelns. (Wolfgang Welsch geht philosophisch heute sogar soweit, das aisthetische Moment der Erkenntnis nicht nur auf die Wahrnehmung zu beschränken, sondern auch durch ästhetisches Denken“ eine unangemessen verkürzende ” rationalistische Logik zu überwinden.) 3.2 Individualpädagogisches Sehen, Denken und Handeln Mit der Formel individualpädagogisches Sehen, Denken und Han’ deln‘ versuche ich, in meiner gesamten theoretischen wie praktischen pädagogischen Arbeit in Erziehung und Unterricht drei wesentliche Momente (Bewegkräfte) zum Ausdruck zu bringen: 3.2.1 Erstes Moment: Die individualpädagogische Sichtweise von Erziehung und Unterricht – Der unteilbare Mensch in seiner Besonderheit Um zu verhindern, dass die unvoreingenommene ästhetisch-phänomenologische Sicht auf einen Menschen von vornherein unangemessen – gewissermaßen formallogisch – verstellt wird, vermeide ich in Erziehung und Unterricht alle Formen negativ etikettierender Begriffe. Ich beziehe mich dazu auf einen alten Topos, von dem ich glaube, dass er mein pädagogisches Anliegen, ästhetisch, logisch und ethisch präzise trifft: Individualpädagogik. Dies ist ein Begriff, den der Kantianer Johann Christoph Greiling 1793 prägte, um deutlich zu machen, dass für alles praktische pädagogische Handeln in Erziehung und Unterricht eine Allgemeine Pädagogik wie eine Spezielle Pädagogik als Grundlage verantwortlichen Erziehungs- und Unterrichtshandelns nicht ausreichen. Im pädagogisch verantwortlichen Umgang mit dem einzelnen und unverwechselbaren Individuum ist darüber hinaus unbedingt eine von Urteilskraft geleitete praktische Kompetenz der handelnden Pädagogen notwendig: die individualpädagogische Orientierung. In Greilings Sprache von 1793: Denn eben aus der Beobachtung eines ” gewissen Individuums und der Anwendung der allgemeinen und speciellen Bildungsregeln auf das so oder so geeigenschaftete Subjekt, entstehet erst die Individual Pädagogik. Diese muß sich demnach ieder Erziehungskünstler selbst entwerfen, wozu scharfe Beobachtung, und richtige Anwendung der allgemeinen und speciellen Gesetze und Regeln oder praktische Urtheilskraft gehöret“ (Greiling 1793, S. 120). 27 Mit dem Titel Individualpädagogik‘ möchte ich einen aus mei’ ner Sicht notwendigen und radikalen, als ästhetisch zu kennzeichnenden Sichtwechsel postulieren: Im Zentrum des pädagogischen Sehens, Denkens und Handeln steht das leiblich-geistig-seelisch unteilbare und unverwechselbare einzelne Kind mit seinen spezifischen Möglichkeiten und subjektiven Bedürfnissen, aber auch mit seinen immer vorhandenen Begrenzungen und Behinderungen. Die ästhetische Bedeutung des Individuellen tritt dabei in den Vordergrund. Die pädagogisch oft heimlich unterstellte Norm einer Durchschnittsentwicklung wird ersetzt durch die Einsicht und das Geltenlassen einer Vielfalt möglicher menschlicher Existenz- und Gestaltungsmöglichkeiten. Ähnlich wie im Bereich der modernen und postmodernen Kunst, wo schon lange eine Koexistenz des Heteroge” nen“ (Welsch 1993, S. 69) herrscht, geht die individualpädagogische Sichtweise radikal von der Heterogenität der sich bildenden, zu erziehenden und zu unterrichtenden Individuen aus. Das Kind als Individuum zu sehen, bedeutet allerdings nicht, wie vielleicht missverständlich angenommen werden könnte, im Sinne eines neuzeitlichen Individualismus’ die egoistischen Bedürfnisse des Einzelnen gegenüber den sozialen Erfordernissen der Gemeinschaft zu bevorzugen oder gar auf Kosten der Gruppe zu kultivieren. Individuum steht vom lateinischen Ursprung her für das Unteilbare, für die Ganzheit. Der unteilbare Mensch als Ganzheit in seiner Besonderheit steht für mich im Mittelpunkt des ästhetischen Sehens, des begrifflichen Denkens und des individualpädagogischen Handelns. Der ästhetisch unteilbaren Ganzheit Kind‘, mit all seinen vorhandenen ’ Stärken und Schwächen, Möglichkeiten und Grenzen durch Erziehung und Unterricht zur Bildung ihrer individuellen Struktur zu verhelfen, kennzeichnet den individualpädagogischen Auftrag der Schule. 3.2.2 Zweites Moment: Das unvoreingenommene Sehen – die ästhetische Sensibilisierung des individualpädagogischen Sehens Mir geht es um die Rehabilitation eines verlorengegangenen ästhetischen Verständnisses von Sehen. Wie schon angedeutet, bedeutet es eine Einengung von Ästhetik, sie auf eine Lehre vom Schönen und der Kunst zu beschränken. In Kants Transzendentalphilosophie erhielt die Ästhetik als Lehre von der sinnlichen Wahrnehmung, wie sie in der griechischen Antike verstanden wurde, ihre erkenntnislei- 28 tende Bedeutung zurück und wurde neben der transzendentalen Logik unverzichtbarer Teil einer transzendentalen Elementarlehre für die Erkenntnistheorie. Über die reinen Formen der sinnlichen Anschauung, Raum und Zeit, die als Prinzipien der Erkenntnis für jeden menschlichen Erkenntnisprozess a priori vorausgesetzt werden müssen, sind dem Erkenntnissubjekt die Erscheinungen der Sinnlichkeit zugänglich. Über die Urteilskraft und den Verstand werden diese sinnlichen Erfahrungen schließlich als Erkenntnisse in einen Begriff gefasst. Die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt liegen im Zusammenspiel von Anschauung (nach Maßgabe transzendentaler Ästhetik) und Begriff (nach Maßgabe transzendentaler Logik). Dies ist eigentlich eine Binsenweisheit, deren pädagogische und didaktische Bedeutung jedoch immer wieder missachtet wird, indem besonders in Unterrichtsprozessen, quasi im Sinne eines ästhetischen Kurzschlusses, lediglich kognitiv begriffslogisch gearbeitet wird und die Kinder daher nichts wirklich begreifen können. Was heißt nun individualpädagogisches Sehen? Was ist überhaupt zu sehen? Zunächst heißt es einfach, den Blick frei zu bekommen für eine unvoreingenommene Begegnung mit dem einzelnen Kind und seiner Situation. Dazu muss auf die immer vorhandenen Hindernisse für eine offene und unverzerrte Wahrnehmung achtgegeben werden. Diese Hindernisse lassen sich leider wohl nie generell ausräumen, doch wenn sie als Möglichkeiten der ästhetischen Wahrnehmungsverzerrung erst einmal erkannt werden, verlieren sie zumindest einen Teil ihres negativen Einflusses. Es sind vor allem – die Vorurteile, die eine vernünftige, von unbefangener Anschauung und reflektiertem Begriff geleitete Wahrnehmung verhindern, – das fremdbestimmte Denken, das eben zu bestimmter Sicht zwingt, – die heimlichen Theorien, die den Blick fehllenken, – die statisch fixierenden Begriffe, die eigene Anschauungen verstellten und blind‘ machen, ’ – die nur aspekthafte (selektive) Wahrnehmung, die den Blick einengt. 29 Diese Wahrnehmungsverzerrungen lassen sich nur aufdecken und überwinden durch eine konsequente Blickrichtungsänderung. Die ästhetische Gestalt (das ist die leiblich-seelisch-geistige Ganzheit) des einzelnen und unverwechselbaren Kindes ist in den Blick zu rücken. Individualpädagogisch heißt das – die Merkmale seiner einmaligen Erscheinung und unverwechselbaren Identität zu entdecken, – die spezifischen Lebensbedingungen in seiner sozialen Situation zu erkennen, – die subjektiven Ausdrucksmöglichkeiten seiner Persönlichkeit zu entschlüsseln, – und die speziellen Interaktionsformen in seinen Kontakten mit der Mitwelt und seinen Mitmenschen kennen zu lernen. Mit einem solchermaßen ästhetisch wachen Blick‘ und in begrifflich ’ skeptischer Zurückhaltung ist dann im Dialog mit dem Kind selbst zu klären, in welche Richtung und mit welchen Zielen eine individualpädagogische Begleitung sinnvoll möglich sein wird. Aber nur durch eine sorgfältige ästhetische Sensibilisierung des individualpädagogischen Sehens kann durch Lehrerinnen und Lehrer auf die sinnliche Mannigfaltigkeit der sehr verschiedenen Ausdrucksformen des einzelnen Kindes in Erziehung und Unterricht angemessen reagiert werden. Der leider viel zu früh verstorbene Würzburger Pädagoge Wilhelm Pfeffer hat in seiner phänomenologisch orientierten theoretischen Arbeit mit leiblich, seelisch und geistig schwer behinderten Menschen (1988) gezeigt, wie eine ästhetisch sensibilisierte und begrifflich aufgeklärte Haltung hilft, den Dialog selbst unter derart erschwerten Bedingungen aufzunehmen und dadurch wirkliche und wirksame Entwicklungs- und Bildungsmöglichkeiten auch für schwer behinderte Menschen zu schaffen; davon könnte die traditionelle norm- und lehrgangsorientierte Schulpädagogik viel lernen. 30 3.2.3 Drittes Moment: Die dialogische Struktur des individualpädagogischen Handelns – die sinnliche Mannigfaltigkeit der verschiedenen Ausdrucksformen des einzelnen Kindes und die unterschiedlichen menschlichen Lebensmöglichkeiten Individualpädagogisches Handeln als verantwortliche Begleitung jedes einzelnen Kindes mit dem Ziel der Bildung einer individuellen Struktur vollzieht sich allein im Dialog. Dabei ist von zwei Prämissen auszugehen: 1. Bildung ist weit mehr als intellektuelle Geistesbildung. 2. Der Dialog ist weit mehr als verbale Kommunikation. Das in unseren Schulen bis heute vorherrschende bildungstheoretische Verständnis von Erziehung und Unterricht erweist sich in seiner starren Orientierung am Bildungsdenken des 19. Jahrhunderts als unangemessene intellektualistische Reduktion (vgl. Krawitz 1997). In dem Maße wie der griechische LOGOS philosophisch auf die neuzeitliche Ratio verkürzt wurde, reduzierte sich Bildung auf eine reine Geistesbildung. Im nur intellektuellen und rationalen und damit gewissermaßen anästhetischen“ (Welsch) Bildungsdenken bleibt so wenig oder ” gar kein Platz für Kreatives, Außergewöhnliches und Abweichendes, für Phantastisches, Irrationales und Unbekanntes. Ein solches reduziertes Bildungsverständnis tut sich daher auch schwer, fremde kulturelle Einflüsse gelten zu lassen, andere ungewohnte Lebensformen zu akzeptieren, einfachere Sprachmuster zuzulassen und letztlich ganz besonders das Bildungsverständnis auch auf Menschen auszudehnen, denen infolge kognitiver Beeinträchtigungen die Teilhabe eben an dieser traditionellen intellektualistischen Bildung versagt bleibt. Sieht man aber Bildung – wie beispielsweise Otto Friedrich Bollnow (1950, S. 39 f.) – als die harmonische Formung des Menschen ” durch vielseitiges Verstehen menschlicher Lebensmöglichkeiten“, so bedeutet dies wohl doch, dass auch ganz unterschiedliche menschliche Lebensmöglichkeiten berechtigt sind und jeweils spezifisch bildungswirksam sein können. Und das heißt für Kinder, dass sich Bildung besonders wirkungsvoll in der Erprobung ihrer Möglichkeiten in konkreten Lebenssituationen ereignen kann. Der Mensch bildet sich“ ” und Das Leben bildet“. Dies sind die Formeln, mit denen Hartmut ” von Hentig (1996) in bewusst schlichter Form die Schule rügt, da sie aus Bildung Schulbildung gemacht“ hat. ” 31 Nimmt man Bollnows sehr allgemeine Aussage über die Bildung als harmonische Formung des Menschen durch vielseitiges Verste” hen menschlicher Lebensmöglichkeiten“ und von Hentigs reflexives Bildungsverständnis ernst, so erweist sich der aus dem 19. Jahrhundert in unsere Schulgegenwart tradierte Bildungsbegriff mit seiner einseitigen Fixierung auf eine reine Geistesbildung als nicht mehr tragfähig. Die Berücksichtigung der dialogischen Struktur der individualpädagogischen Interaktion, in der die jeweils beteiligten Individuen ihre von inneren Bildern geprägte aisthetische Weltsicht je mit ihren Mitteln und Möglichkeiten ausdrücken dürfen, kann ein neues revidiertes ästhetisches Bildungsverständnis ermöglichen: Das einzelne Individuum erwirbt im Dialog mit anderen seine eigene und unverwechselbare individuelle innere Gestalt, die als gebildete Haltung ästhetisch nach außen und auf andere wirken kann. So wird auch der gebildete geistig behinderte Mensch nicht mehr als Defizitwesen angesehen werden können, sondern er beeindruckt im Dialog mit seinen Mitmenschen durch die Echtheit des Ausdrucks der Möglichkeiten seines inneren Wesens. Der Neurologe Oliver Sacks (1989) betont in seinen Aussagen über geistig behinderte Menschen immer wieder deren Würde“, die sich vor allem in der Konkretheit“ ” ” ihrer einfältigen‘ Ausdrucksformen zeigt. In der traditionellen ratio’ nalistisch klassifizierenden Sonderpädagogik wird dieses Phänomen intellektuell herablassend vielerorts immer noch als Konkretismus“ ” (dis)qualifiziert. Ästhetisch gebildet zu nennen ist aber nicht der kognitiv-rationalistisch geschulte Kopf, sondern die sinnliche Erscheinung der unteilbaren Gestalt einer Person in ihrer Haltung als Persönlichkeit. 3.2.4 Jung, schön, fit – Die konsumistische Ästhetisierung unserer Lebenswelt und die Anästhesie des Einzelnen Bildung im ästhetischen Zusammenhang von Gestalt und Haltung zu thematisieren, könnte nun heute leicht als hoffnungslos romantische pädagogische Nostalgie identifiziert werden. Gestalt und Haltung kennzeichnen sensible Phänomene, die sich einer rationalistischen operationalen Begriffsdefinition, nach der in der szientistisch orientierten Welt vor allem gefragt wird, entziehen. Wir leben inzwischen weitgehend in den Verhältnissen einer konsumistisch ästhetisierten Lebenswelt, in der uns die Flut der äuße- 32 ren Bilder die eigene produktive Einbildungskraft und damit unsere inneren Bilder zuschüttet. Die aufdringlich bunte Bilderwelt von Werbung, elektronischen und Printmedien führt dabei nicht zu einer Ästhetisierung unserer Wahrnehmung, sondern bewirkt genau das Gegenteil, nämlich die Anästhesie unserer Sinnlichkeit. So wie in der medizinischen Anästhesie die Empfindlichkeit des Körpers ausgeschaltet werden kann, besteht für uns heute die Gefahr durch die Bilderflut sinnlich anästhesiert zu werden. Ästhetische Empfindungslosigkeit bis zur totalen Abstumpfung ist die Folge. Für Wolfgang Welsch (1993) lässt sich unsere gesamte gegenwärtige (als postmodern etikettierte) Lebenswelt in allen Bereichen durch diesen Widerspruch zwischen Ästhetik und Anästhetik generalisierend kennzeichnen. Performance ersetzt heute Haltung und die individuelle Gestalt wird angepasst an kollektive Modeklischées. Das Individuum in seiner Einmaligkeit und Eigenart wird durch die herrschende anästhetisierende Wirkung der Warenästhetik konsumistisch enteignet. Pädagogik hat hier energisch gegenzusteuern! 4. Die individualpädagogische Gestaltung von Lernumgebungen Zur Vorbereitung und Planung von Unterricht ist in der didaktischen Literatur der letzten drei Jahrzehnte immer wieder viel gesagt worden (vgl. z. B. Gebauer u. a. 1977, Moser 1978, Adl-Amini u. a. 1980, König u. a. 1980, Meyer 1980, Peterßen 1982, Becker 1991 ff., Glöckel u. a. 1992, Hell u. a. 1993, Gonschorek / Schneider 2000). Planungsvorlagen und Vorbereitungsschemata wurden entwickelt und immer wieder – vielfältig modifiziert – vorgeschlagen, waren jedoch meist theoretisch zu anspruchsvoll konstruiert, konnten sich dadurch kaum durchsetzen und wurden von den Lehrerinnen und Lehrern in den Schulen deshalb nur unter berechtigtem skeptischem Vorbehalt angenommen. Die Rede von der strikt auf der Grundlage einer Feier’ tagsdidaktik‘ konzipierten Unterrichtsvorbereitung einerseits und der lediglich auf einen Spickzettel‘ reduzierten Vorbereitung auf der Ba’ sis einer durch die Praxis erworbenen Alltagsdidaktik‘ andererseits ’ (Meyer 1980) machte bald die Runde. Und besonders heute, da aufgrund der stark veränderten Rahmenbedingungen eine streng nach Plan vorgenommene geschlossene Konzeption von Unterricht obsolet 33 geworden ist, sind die zahlreichen Vorschläge zu einer differenzierten schriftlichen Unterrichtsvorbereitung umstrittener denn je. Dennoch ist es wohl notwendig, sowohl Studentinnen und Studenten wie den jungen Berufsanfängern im Referendariat – gewissermaßen heuristisch – konzeptionelle Vorbereitungs- und Planungshilfen an die Hand zu geben, mit deren Hilfe die Komplexität und Interdependenz von Intentionen, Inhalten, Methoden und Medien mit den individuellen Besonderheiten jeweiliger Lernender durch Planung in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht und dadurch in der realen Interaktionssituation Unterricht‘ professionell angemessen durchgeführt ’ werden kann. Was professionell guten Unterricht ausmacht, ist didaktisch und pädagogisch allerdings bis heute nicht unstrittig. Langweilig zu sein ” ist die ärgste Sünde des Unterrichts“, hat schon Johann Friedrich Herbart 1806 geklagt. Aber immer noch reimen Schülerinnen und Schüler oft: Wenn alles schläft und einer spricht, so heißt das Ganze: ’ Unterricht‘. Ist es vielleicht der institutionalisierten Schulveranstaltung Unterricht‘ eigen, langweilig und uninteressant zu sein? Her’ bart war selbst skeptisch gegenüber den pädagogischen Möglichkeiten des institutionalisierten Rituals Unterricht‘. Für ihn kann Unterricht ’ immer nur Ergänzung“ von sachlicher Erfahrung mit den Erschei” nungen der Welt und dem praktischen Umgang mit den Mitmenschen sein, ersetzen kann er diese nicht. In seiner berühmten Schrift All” gemeine Pädagogik aus dem Zwecke der Erziehung abgeleitet“ von 1806 untersucht er subtil, was institutionalisierter Unterricht vermag und was nicht, und er beschreibt dies treffsicher in einer schönen Metapher: Der Unterricht spinnt einen langen, dünnen, weichen Fa” den; den der Glockenschlag zerreißt, und wieder knüpft; der in jedem Augenblick die eigne Geistesbewegung des Lehrlings bindet, und, indem er sich nach seinem Zeitmaß abwickelt, ihr Tempo verwirrt, ihren Sprüngen nicht folgt und ihrem Ausruhen nicht Zeit läßt“ (ebd., S. 167). In einem von seinem Schüler Sallwürk notierten Aphorismus beklagt Herbart die Tendenz institutionalisierten Unterrichts zu einem didaktischen Rationalismus (vgl. dazu Krawitz 1997), der das Individuum und seinen individuellen Lernprozess zu wenig berücksichtigt: Dem Schulwesen liegt immer ein sehr allgemeines Bedürfnis nach ” Unterricht für viele zum Grunde. Dabei wird die Wirksamkeit der Lehrmittel vorausgesetzt, aber nicht pädagogisch mit Rücksicht auf 34 die Verschiedenheit der Individuen erwogen“ (Herbart / Sallwürk 1896, Bd. 2, S. 451). Unterricht, der nicht institutionalisiert verkürzt und didaktisch rationalisiert wird, kann auch als ganz individuell-subjektiver Prozess des Sich-kundig-machens des einzelnen Lernenden verstanden werden. Dazu ist Muße (übrigens die ursprüngliche Bedeutung des lateinischen Wortes schola‘ – Schule‘) notwendig, um dem besinn’ ’ lichen Anschauen und dem besonnenen Begreifen der einzelnen Lernenden zu ihrem Recht zu verhelfen. In Herbarts Metapher von 1806 heißt es demnach weiter: Wie anders die Anschauung! Sie legt eine breite, weite Fläche auf ” einmal hin; der Blick, vom ersten Staunen zurückgekommen, teilt, verbindet, läuft hin und wieder, verweilt, ruht, erhebt sich von neuem, – es kommt die Betastung, es kommen die übrigen Sinne hinzu, es sammeln sich die Gedanken, die Versuche beginnen, daraus gehen neue Gestalten hervor und wecken neue Gedanken, – überall ist freies und volles Leben, überall Genuß der dargebotenen Fülle! Diese Fülle, und dies Darbieten ohne Anspruch und Zwang, wie will es der Unterricht erreichen! – (. . . ) In der That, wer möchte Erfahrung und Umgang bei der Erziehung entbehren? Es ist, als ob man des Tages entbehren, und sich mit Kerzenlicht begnügen sollte!“ (ebd., S. 168 f.). Kann man in diesen bildschönen Sätzen Herbarts von 1806 nicht ein frühes Votum für einen, wie wir heute sagen würden, erfahrungsoffenen Unterricht erkennen, in den die Lebenswelt der Kinder und auch der Lehrer hereingeholt wird; ein Unterricht, in dem die Beteiligten es wagen dürfen, aus dem Elfenbeinturm traditioneller gymnasialer akademisch-propädeutischer Wissensvermittlung ebenso auszubrechen wie aus dem Bildungskeller“ (Hiller 1989, S. 11) weniger at” traktiver Bildungsgänge unseres differenzierenden und selektierenden Klassen-Schul-Systems. Dabei sollten allerdings die Möglichkeiten institutionalisierter Pädagogik auch nicht überschätzt werden, denn es ist wohl niemals möglich, das wirkliche Leben im Unterricht der Schule didaktisch verbindlich abbilden‘ zu können. ’ Dialogischer Unterricht, der das Subjekt als selbsttätigen Konstrukteur seines Erkenntnisprozesses ernstnimmt, geht davon aus, dass der Schüler selbst die Möglichkeit hat, seine eigenen vorläufigen Erfahrungen, die vielleicht begrifflich noch wenig strukturiert sind, in den Unterrichtsdialog einzubringen. So entsteht ein frucht- 35 barer Wechselwirkungsprozess von Lehren und Lernen. Nicht ein einseitiger monokausaler Kommunikationsablauf vom wissenden‘ Leh’ rer zum unwissenden‘ Schüler bestimmt den Unterricht. Der Leh’ rer gibt vielmehr seine dominante Rolle des wissenden Belehrenden auf. Er muss dabei keineswegs seine Autorität als der erfahrende Erwachsene verlieren. Das pädagogische Verhältnis wird gestaltet als Begegnung prinzipiell gleichwertiger Personen, die jeweils ihre subjektiven Erlebnisse und vorläufigen Begriffe in einem Bildungsdialog zusammentragen, um dadurch zu neuen erweiterten Anschauungen und Erfahrungen zu gelangen. Die Dialogpartner suchen dabei nach der Geltung von vernünftigen Argumenten, wobei Lehrer wie Schüler dieselben gleichberechtigt einbringen dürfen. Wird dabei Geltung gefunden, wird gelernt. Wer die gültigen Argumente vorbringt, ist gewissermaßen der jeweilige Lehrer‘; wer sie als gültig akzeptiert und ’ in seine eigene subjektive Weltsicht aufnimmt, ist Schüler‘. So sind ’ die Rollen von Lehrer und Schüler im dialogischen Unterricht nicht statisch fixiert, sondern dynamisch flexibel. Der Lehrer erfährt die Sichtweisen seiner Schüler, die Schüler lernen gegenseitig ihre Argumente und subjektiven Erfahrungen sowie die ihres Lehrers kennen (vgl. dazu Heitger 1963, Pöppel 1992). Anton Menke kommt in seiner systematischen Analyse zum Ge” genstandsverständnis“ der dialogischen Pädagogik Martin Bubers und Romano Guardinis zu vergleichbaren Konsequenzen: Es kann auch geschehen, daß der Schüler in die Irre geht. Jetzt ” wird der Lehrer nicht tatenlos zu-sehen. Er wird aber auch nicht den Schüler am Gängelband führen; was er tun wird ist, mit dem Schüler gemeinsam gegenstandsgemäße‘ Argumente zu suchen und zu finden. ’ Er steht jetzt mit ihm in der gemeinsamen Situation, allerdings an ’ beiden Enden‘ und ein Stück Wegs tiefer in sie hinein‘. Hat sich der ’ Erzieher zum Organ‘ (Buber) des Gegenstandes‘ erzogen, dann läßt ’ ’ er den Gegenstand‘ selbst sprechen“ (Menke 1964, S. 94). ’ So gewinnt im dialogischen Unterricht der Interaktionsaspekt neben dem Sachaspekt gleichrangige Bedeutung. Schon Kant ging als erkenntniskritischer Subjektivist in seinen pädagogisch relevanten Aussagen (in der Metaphysik der Sitten von 1797) konsequent von einem dialogischen Verständnis von Unterricht aus: Denn wenn jemand der Vernunft des Anderen etwas abfragen ” will, so kann es nicht anders als dialogisch, d.i. dadurch geschehen: daß Lehrer und Schüler einander wechselseitig fragen und antwor- 36 ten“ (Kant, Akademie Textausgabe Bd. VI, S. 478). In der Sicht dieses erkenntnistheoretisch-kritischen Subjektivismus, der die theoretische Grundlage für einen dialogischen Unterricht abgibt, beginnt jeder Erkenntnisprozess und damit jeder Lernprozess (der nichts anderes als eine besondere Form des Erkenntnisprozesses ist) im zeitlichen Sinne zunächst mit einem durch sinnliche Anschauung vermittelten Erlebnis. Für Kant ist dies das erste Produkt, welches unser Verstand ” hervorbringt, indem er den rohen Stoff sinnlicher Empfindung bearbeitet“ (Kant, KrV A 1). So gesehen verhält sich das erkennende Subjekt im ursprünglichen Sinne empirisch-induktiv, indem es sich von der umgebenden sinnlich wahrnehmbaren Welt belehren‘ lässt. ’ Richtet man aber kritisch den Blick auf die Bedingungen dieses vermeintlich intuitiv-kontemplativen, phänomenologischen Prozesses des lernenden und erkennenden Erkenntniserwerbs, wird deutlich, dass erfahrungsbedingende bzw. erfahrungsbegründende Prinzipien diesen Prozess von Erfahrung und Lernen (a priori) strukturieren. Es sind damit theoretisch-heuristisch zwei Stränge oder Stämme der lernenden Erkenntnis anzunehmen: – die Sinnlichkeit im Erlebnis lernbarer Zusammenhänge und Fakten – und der Verstand als die ordnende Instanz der Begriffe, die helfen, die diffuse Mannigfaltigkeit der Erlebnisse zu ordnen und kommunizierbar zu machen. Zwischen diesen beiden Stämmen oszillierend, bewegt sich die intellektuelle Entwicklung eines lernenden Kindes, so wie es Piaget mit seiner Theorie des Äquilibrationsprozesses von Assimilation und Akkommodation plausibel beschrieben hat. Diese erkenntnistheoretische und damit auch lerntheoretische Zwei-Stämme-Prämisse vom Zusammenspiel von Sinnlichkeit (Anschauung) und Verstand (Begriffe) kann heuristisch und didaktisch als vereinfachtes Modell für das komplexe, noch immer dunkle und schwer zu analysierende Erkenntnisproblem herangezogen werden, wenn es darum geht, durch Unterricht Kindern selbsttätiges Lernen als begreifende Erfahrung zu ermöglichen. Lernen als Erkennen ist so nicht nur Erkennen von Seiendem (Lehr-Lernstoff im materialen Sinne), sondern auch Erkennen von Erkenntnisstrukturen (Methode im formalen Sinne des spezifischen Zugangs zur Realität). Materiale 37 und formale Aspekte des Unterrichts werden so aufgehoben im kategorialen Sinne (vgl. Klafki 1959), und Unterricht erhält die Aufgabe, – dem Schüler die Möglichkeit zu schaffen, aus der Mannigfaltigkeit der sinnlich gegebenen Anschauung subjektiv eine sinnkonstituierende Zusammenschau als Synthese herzustellen – und durch ordnende Begriffe dieser subjektiven Synthese eine kommunizierbare Einheit zu geben. Dieses Verständnis von lernendem Erkennen im Unterricht in der Wechselwirkung von Anschauung und Begriff erscheint zunächst sehr formalistisch und abstrakt, wenn man nicht die besonderen Möglichkeiten der vorab wirkenden erkennenden Phantasie, als Mittlerin zwischen Anschauung und Begriff, miteinbezieht. Phantasie (Einbildungskraft) liefert ein zusammengesetztes Bild, das der subjektiv Lernende auf den Begriff bringt. Dieses Bild erst wird zum Gegen’ stand‘ des lernenden Erkennens. Es mag zunächst sehr vage sein, holzschnittartig, grobgerastert und jeweils subjektiv sehr unterschiedlich ausfallen. Im Unterricht wird es der eigentliche Inhalt des dialogischen Lernens zwischen Schülern und Lehrer. Das lernende Erkennen im dialogischen Unterricht könnte demnach in folgender Weise theoretisch begrifflich gefasst werden: – Etwas Diffuses ist der subjektiven Anschauung des Lernenden / Erkennenden gegeben und ist unter den Erkenntnisbedingungen von Raum und Zeit zu erfassen. – Der Lernende / Erkennende schafft aus diesem Diffusen eine Synthese mit Hilfe seiner subjektiven Phantasie, d.h., er konstruiert sich das Bild eines zusammengesetzten Gegenstandes. – Der Lernende / Erkennende wendet Begriffe an, um der von ihm geschaffenen Einheit des im Bild gewonnenen Gegenstandes die abschließende, aber auch immer nur vorläufige logisch-rationale und kommunizierbare Struktur zu geben, die das subjektive Begreifen im Sinne der Integration in das eigene System (in Piagets Terminologie: Schema) ermöglicht. Für das didaktisch-methodische Vorgehen in einem dialogischen Unterricht folgt daraus: 38 – Ein auf subjektive Erkenntnisse ausgerichteter Unterricht ist so zu planen und zu organisieren, dass in erster Linie der subjektive Blick für die diffuse Vielfalt der Sinnlichkeit so geöffnet wird, dass der individuell Lernende zu möglichst vielfältigen und mehrdimensionalen Synthesen der subjektiven Anschauung gelangen kann. – Der Lehrer hat dabei in seiner Unterrichtsplanung zu berücksichtigen, dass die Struktur des Unterrichtsgegenstandes nie objektiv vorhanden ist, sondern vielmehr die jeweils eigenen subjektiven Erkenntnisse den Gegenstand synthetisch konstruieren und konstituieren. Diejenigen Erkenntnisse, von denen die Unterrichtsplanung des Lehrers ausgeht, lassen sich insofern nicht einfach als Fakten vermitteln. Der jeweilige lernende Adressat muss sie als eigene Erkenntnisse subjektiv selbst erwerben. – Ohne subjektive Erlebnisse in der Sinnlichkeit als erste Anregung des Lernenden kommt ein Erkenntnisprozess überhaupt nicht in Gang. Das erfordert, dass der Unterricht nicht ausschließlich die begrifflichen Abstraktionsleistungen des Schülers fördert und fordert, sondern Sinnlichkeit (konkrete Erlebnisse) als Feld der jeweils subjektiven Synthese im dialogischen Lernen ausdrücklich zulässt. – Erst danach macht es Sinn, vom Schüler abstrakte Verstandesleistungen im Sinne der Begriffsbildung zu verlangen und abzufragen‘. ’ – In einem am dialogischen Prinzip der subjektiven Erkenntnis orientierten Unterricht kann als grundsätzliche Voraussetzung die Bildsamkeit eines jeden Kindes angenommen werden. Dialogfähig ist jeder Mensch dadurch, dass er immer etwas über seine subjektive Weltsicht ausdrücken kann, was nicht ausschließlich in einer elaborierten Verbalsprache erfolgen muss, sondern in vielfältigen anderen Ausdrucksformen möglich ist. Zusammenfassend ist zu sagen: – Lernen im dialogischen Unterricht muss immer als oszillierender Prozess zwischen Sinnlichkeit und Verstand begriffen werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe ” sind blind“ (Kant, KrV B 75, A 51). 39 – Das Ding an sich“ ist der Erkenntnis nicht zugänglich, sondern ” immer nur Erscheinungen desselben. – Das Erkennen und damit das Lernen als Sonderform des Erkennens ist immer als aktives Bearbeiten sinnlicher Empfindungen zu verstehen. – Erkenntnis ist ein Interaktionsprozess zwischen Subjekt und Objekt. – Wirklichkeit ist immer eine Konstruktion durch das Subjekt. Daraus ergeben sich im Unterricht als Erkenntnis- bzw. Lernprozess folgende notwendige didaktische Schritte: – in der äußeren Welt ist dem Erkennenden / Lernenden zunächst eine diffuse Menge sinnlicher Wahrnehmungsmöglichkeiten gegeben (zunächst also ein Chaos); – der Erkennende / Lernende schafft durch seine subjektive Einbildungskraft eine Synthese (Zusammenschau); – dadurch wird das Bild eines zusammenhängenden Gegenstandes konstruiert; – durch den Begriff erhält dieses Bild eine logisch-rationale Struktur. Die traditionelle Vermittlungsdidaktik, die noch stark von der Idee eines konsequent vom Lehrer geplanten lehrstofforientierten Unterrichts mit vorgegebenen geschlossenen Artikulationsschemata ausging, wird heute meistens nicht mehr so eng umgesetzt. Sie wird ergänzt durch eine Arrangementsdidaktik, in der der Lehrer seine didaktische Aufgabe eher in der Planung und Vorbereitung von Lernsituationen und der Prozesssteuerung des Unterrichts sieht. Die sich heute allmählich durchsetzende Subjektorientierung der Didaktik verlangt vom Lehrer weniger eine geschlossene, einseitig an einer als feststehend angenommenen Struktur des Unterrichtsgegenstandes orientierte Unterrichtsplanung, sondern das Arrangieren von Lernsituationen, gewissermaßen die Modellierung von Lernwel” ten“ (Kösel 1993) bzw. die Vermittlung einer persönlich richtigen ” Lernhilfe“ (Homfeldt 1996) unter Berücksichtigung der individuellspezifischen Dispositionen und subjektiven Lernvoraussetzungen der einzelnen Kinder. 40 Die Einsicht, dass Lernen nicht linear durch Lehren bewirkt werden kann, sondern immer aktive Tätigkeit des einzelnen Schülers ist, erfordert eine stärkere Prozessorientierung in der Planung und Gestaltung des Unterrichts. Die Struktur des Unterrichtsgegenstandes, die der Lehrer in seiner didaktischen Analyse erschließt, ist Ergebnis seiner aktiven Vorbereitungstätigkeit. Die Schülerinnen und Schüler erschließen sich im aktiven, selbsttätigen Lernprozess des Unterrichts jedoch eine eigene subjektive Struktur des Unterrichtsgegenstandes. Im unterrichtlichen Dialog können sie dann ihre je subjektiven Einsichten und Erkenntnisse miteinander austauschen, die einzelnen Erkenntnisaspekte auf ihre Geltung überprüfen und zu einem gemeinsamen Konsens gelangen. Wenn der einzelne Schüler jeweils als Subjekt seines Lernens verstanden wird, verlangen sowohl eine nicht mehr so eng festgelegte Vermittlungsdidaktik wie auch eine offene Arrangementsdidaktik eine professionell adäquate individualpädagogische Unterrichtsvorbereitung, -gestaltung und -reflexion, zu der die nachfolgenden Leitfragen handlungsleitende Hinweise geben können: 41 Leitfragen zur individualpädagogischen Unterrichtsvorbereitung, -gestaltung und -reflexion 1. Didaktische Analyse 1.1 Didaktische Begründung des Unterrichtsgegenstandes 1.1.1 Zukunftsbedeutung Welche Bedeutung kann die an diesem Unterrichtsgegenstand zu gewinnende Erfahrung, Erkenntnis, Einsicht, Fähigkeit, Fertigkeit, Einstellung für die Zukunft dieser Schüler haben? 1.1.2 Gegenwartsbedeutung Welche Bedeutung hat der Gegenstand im gegenwärtigen Leben dieser Schüler? 1.1.3 Erschließende Bedeutung Welchen Sinn- oder Sachzusammenhang soll dieser Unterrichtsgegenstand exemplarisch, genetisch oder hermeneutisch erschließen; bzw. welche Handlungskompetenz soll durch ihn vermittelt werden? 1.1.4 Lehrplanbezug / Bezug zum Schulprogramm Welche Bedeutung hat der Unterrichtsgegenstand im Lehrplan bzw. im Schulprogramm? Warum wird er aufgegriffen, obwohl er nicht im Lehrplan oder Schulprogramm enthalten ist? 1.1.5 Strukturanalyse des Unterrichtsgegenstandes: Welche Struktur hat dieser Unterrichtsgegenstand aus der Sicht des vorbereitenden Lehrers? 1.1.6 Lernvoraussetzungen Welche Vorkenntnisse und Methoden sind zur Auseinandersetzung mit diesem Unterrichtsgegenstand notwendige Voraussetzungen? 1.1.7 Einstiegs- und Anknüpfungsmöglichkeiten In welchem größeren Zusammenhang steht dieser Unterrichtsgegenstand? Ergeben sich Möglichkeiten der Anknüpfung an vorausgegangene Inhalte? 1.1.8 Differenzierung Ermöglicht der Unterrichtsgegenstand Zugänge auf unterschiedlichem Niveau? Ist eine Zieldifferenzierung möglich? 1.2 Didaktische Begründung der Ziele Welche Lernziele werden im Einzelnen angestrebt? Welche Lernziele sollen am Ende des Lernvorgangs überprüft werden? 2. Individualpädagogische Analyse 2.1 Sozio-kulturelle Voraussetzungen Wodurch ist die besondere Lebenssituation der Schüler gekennzeichnet? Welche Bedeutung haben ihre spezifischen sozio-kulturellen Lebensverhältnisse? Welches soziale Klima und welche äußeren Arbeitsbedingungen resultieren daraus? Gibt es bei einzelnen Schülern besondere Lebensprobleme? 2.2 Sachstruktureller Entwicklungsstand, Methoden- und Sozialkompetenz der Schüler Welche konkreten Vorerfahrungen können bei den Schülern im Hinblick auf den Unterrichtsgegenstand erwartet oder vorausgesetzt werden? Welche Lernmethoden, Arbeits-, Interaktions- und Kooperationsformen sind bei diesen Schülern möglich? Mit welchen Erschwernissen, Lernproblemen oder Behinderungen ist bei einzelnen Schülern zu rechnen? 2.3 Interessen- und Motivationslage der Schüler Was ist über die spezifische Leistungsmotivation der Schüler und die mögliche Lernmotivierung zu sagen? Gibt es spezielle Interessenlagen der Schüler? Können besondere Beiträge einzelner Schüler zum Thema erwartet werden? 3. Methodische Strukturierung 3.1 Schülerbeteiligung Inwieweit können Schüler in die methodische Planung einbezogen werden? Welche Schwierigkeiten stehen im Weg? 42 3.2 Strukturierung des Unterrichtsinhalts Welche Lernschritte ergeben sich? 3.3 Lehrformen / Lernformen Welche Lehr- und Lernformen erscheinen adäquat und können eingesetzt werden? Wo könnten Probleme auftreten? Welche alternativen Lehr-/Lernformen stehen zur Verfügung, um darauf reagieren zu können? 3.4 Sozialformen Welche Sozialformen sind im Blick auf den Unterrichtsgegenstand einzusetzen? Welche Sozialformen sind hinsichtlich der speziellen Kooperations- und Kommunikationsformen der Klasse angemessen? 3.5 Medien Welche Medien kommen zum Einsatz? Begründung! 3.6 Ergebniskontrolle Wie werden die Lernergebnisse gefestigt, registriert und überprüft? Gibt es Möglichkeiten des Transfer? 4. Vorgesehene Verlaufsplanung eventuell nach folgendem Schema: Phase Zeit Unterrichtsaktivitäten Sozialformen Medien Anmerkungen Alternativen 5. Reflexion im und nach dem Unterricht 5.1 Unterrichtsatmosphäre Haben sich die Schüler und der Lehrer wohl gefühlt? Wodurch entstanden emotionale Spannungen? Welche Unterrichtsstörungen traten auf? 5.2 Unterrichts- und Lernverlauf War das Unterrichtskonzept nach der Thematik, den Zielen und Inhalten für alle Schüler angemessen? Waren die Interaktions- und Kommunikationsformen angemessen? Waren Methoden, Medien und Organisation angemessen und zureichend? Welche Situationen hatten lernprozessdiagnostische Einsichten zur Folge? 5.3 Unterrichts- und Lernaktivitäten Welche Möglichkeiten hatten die Schüler zu Selbsttätigkeit und Kooperation? Welche Funktion übernahm der Lehrer? Welche Schüler oder Gruppen wurden besonders herausgefordert? Wie war das Verhältnis von Lehrer- und Schüleraktivität? 5.4 Sozialformen Entsprachen die gewählten Sozialformen dem Konzept des Unterrichts? Gab es einen Bruch zu den Gewohnheiten der Klasse? 5.5 Differenzierung Welche Maßnahmen wurden als Differenzierung wirksam (Aufgabenart, Schwierigkeitsgrad, Medieneinsatz, Bearbeitungszeit)? Welche weiteren Differenzierungsmaßnahmen wären für einzelne Schüler nötig gewesen? 5.6 Ergebniskontrolle Waren die eingesetzten Maßnahmen zur Ergebniskontrolle angemessen? Haben die Schüler über ihren Lernerfolg selbst Rückmeldung erhalten? Was haben die Schüler eventuell im Sinne des Geheimen Lehrplans“ gelernt? ” Wie ist das Verhältnis von Ergebnis und Aufwand zu beurteilen? Muss die Weiterführung des Unterrichts korrigiert werden? Müssen die Schüler bei einer Weiterführung neu und anders interessiert werden? 43 Die vorgestellten Leitfragen zur individualpädagogischen Unterrichtsvorbereitung, -gestaltung und -reflexion beziehen sich auf fünf – lediglich heuristisch zu trennende – Teilbereiche der komplexen Zusammenhänge von Vorbereitung, Durchführung und Reflexion professionell guten Unterrichts: – die didaktische Analyse, – die individualpädagogische Analyse, – die methodische Strukturierung, – die vorgesehene Verlaufsplanung, – die Reflexion im und nach dem Unterricht. Alle fünf Teilbereiche stehen innerhalb eines lebendigen Interaktionsfeldes Unterricht‘, in dem immer auf die besonderen situativen Be’ dingungen flexibel einzugehen ist, prinzipiell in einem untrennbaren Zusammenhang, der nur zum Zwecke einer differenzierten professionellen Unterrichtsplanung in Teilaspekte zerlegt werden kann. 4.1 Zur didaktischen Analyse Die traditionelle, aus der geisteswissenschaftlichen Pädagogik entwickelte und besonders von Wolfgang Klafki vertretene bildungstheoretische Didaktik sah in der didaktischen Analyse den Kern der Unterrichtsvorbereitung. Durch eine intensive und kritische didaktische Auseinandersetzung hat der Lehrer zu klären, welcher Bildungsgehalt der jeweils zu unterrichtende Unterrichtsinhalt enthält. Analyse bedeutet Zerlegung einer komplexen Ganzheit in ihre Einzelteile. In der didaktischen Analyse als Teil der Unterrichtsvorbereitung wird die Bedeutungsganzheit des Unterrichtsgegenstandes zum Zwecke einer rationalen Unterrichtsplanung heuristisch zerlegt. Die von Klafki dazu erstmals 1958 formulierten fünf fundamentalen Grundfragen – nach der Gegenwartsbedeutung, – nach der Zukunftsbedeutung, – nach der Sachstruktur, – nach der exemplarischen Bedeutung 44 – und nach der Zugänglichkeit sind bis heute unverzichtbarer Bestandteil jeder sachgerechten wie schülergemäßen Unterrichtsvorbereitung. Aus diesem Grunde sind Klafkis Grundfragen, die er auch in der Weiterentwicklung seiner kritisch-konstruktiven Didaktik beibehalten hat, unter Punkt 1.1 der hier vorgeschlagenen Leitfragen zur Unterrichtsvorbereitung (begrifflich teilweise modifiziert) integriert. Es ist heute davon auszugehen, dass besonders die Frage nach der Zukunftsbedeutung von Unterrichtsgegenständen von größter lebenspraktischer Relevanz für die Schülerinnen und Schüler als spätere Erwachsene ist, so dass dieser Aspekt hier an den Anfang der in einer didaktischen Analyse zu klärenden Probleme gestellt wurde. Es ist dabei die Frage zu beantworten, inwiefern der vorgesehene Unterrichtsgegenstand dazu geeignet ist, – Erfahrungen, – Erkenntnisse, – Einsichten, – Fähigkeiten, – Fertigkeiten, – Einstellungen zu gewinnen, die für die Zukunft der Schülerinnen und Schüler bedeutsam, nützlich oder gar unverzichtbar sind. Gleichzeitig darf selbstverständlich die Bedeutung des Unterrichtsgegenstandes im Hier und Jetzt‘ nicht übersehen werden. Bil’ dung ereignet sich vorrangig durch eine aktive Auseinandersetzung mit den Phänomenen der gegenwärtigen Lebenswelt, mit dem Ziel der Einsicht, des Verstehens und des verantwortlichen Handelns. Die Frage nach der erschließenden Bedeutung eines Unterrichtsgegenstandes wird bei Klafki unter dem Gesichtspunkt seiner exempla” rischen Bedeutung“ gesehen. Auf der Basis der geisteswissenschaftlichen Tradition Wilhelm Flitners hat dagegen Ernst Begemann nach seinem Verständnis von Lernen als Eigenwelterweiterung“ (zuerst ” 1968, zuletzt 1996) auf den weiter gefassten Begriff der fundamen” talen Erschließung“ zurückgegriffen. Exemplarische Bedeutung hat ein Unterrichtsgegenstand, wenn an seinem Beispiel ein allgemeiner 45 Sachverhalt oder ein allgemeines Problem in seiner Bedeutung für andere ähnliche Sachverhalte und Probleme – eben exemplarisch – erschlossen werden kann. Ein Unterrichtsgegenstand muss aber auch in seinem Entstehungs- und Entwicklungszusammenhang – das heißt in seiner genetischen Bedeutung – gesehen werden. Und schließlich ist der Aspekt der Deutung, Auslegung, Interpretation in den Blick zu rücken; die hermeneutische Perspektive zum Unterrichtsgegenstand. Dass der Lehrplanbezug des geplanten Unterrichtsgegenstandes offengelegt werden muss, gehört selbstverständlich zur didaktischen Inhaltsbegründung. Die sogenannte Sachanalyse“ ist begrifflich angemessener zu fas” sen als Strukturanalyse des Unterrichtsgegenstandes – und zwar lediglich und vorläufig aus der Sicht des Unterricht vorbereitenden Lehrers. Denn die Struktur eines Gegenstandes steht nicht fest (als Ding an sich), sondern erschließt sich immer erst als Erscheinung (Phänomen) in der subjektiven Sicht des jeweiligen Erkenntnissubjekts. So werden die einzelnen Schülerinnen und Schüler im Prozess des Unterrichts und der aktiven, möglichst selbsttätigen Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand dessen Struktur für sich zu allererst selbst erschließen müssen. Dies entbindet den Lehrer allerdings nicht von der Verpflichtung einer sorgfältigen Strukturanalyse aus seiner Erkenntnisperspektive, um gegebenenfalls jedem einzelnen Schüler die notwendige persönlich richtige Lernhilfe“ (Homfeldt 1996, S. 188) ” bereitstellen zu können. Im Rahmen der didaktischen Analyse ist weiterhin zu klären, welche allgemeinen Lernvoraussetzungen im Sinne von notwendigen Kenntnissen und Methodenkompetenzen erforderlich sind, damit die Schüler sich überhaupt mit dem Unterrichtsgegenstand auseinandersetzen können. Diese vorbereitenden Überlegungen wiederum stehen in engem Zusammenhang mit der Frage nach sinnvollen Einstiegsund Anknüpfungsmöglichkeiten. Denn sinnvolles Lernen ist immer sowohl fortschreitendes Lernen“ als auch Zurückkommen auf schon ” ” Gelerntes“, wie Heinrich Rombach in seinen phänomenologischen Reflexionen über die Anthropologie des Lernens eindrucksvoll darlegt (Rombach 1969; Krawitz 1997, S. 152ff.). Es ist demnach (zunächst allgemein und noch nicht auf die spezifischen Lernmöglichkeiten und probleme der einzelnen Schüler bezogen) zu klären, in welchem größeren Zusammenhang der vorgesehene Unterrichtsgegenstand steht und 46 welche Vorerfahrungen zum Verständnis und zur Aneignung unverzichtbar sind. Die Frage nach den Möglichkeiten der Differenzierung, die der Unterrichtsgegenstand bietet, bekommt im Rahmen der individualpädagogischen Analyse, in der auf die individuellen Lernvoraussetzungen und Besonderheiten der einzelnen Schüler eingegangen wird, noch besondere Bedeutung. Im Rahmen der didaktischen Analyse ist jedoch schon vorab zu fragen, ob der Unterrichtsgegenstand überhaupt Zugänge auf unterschiedlichen Niveaus zulässt und ob eine Differenzierung der Lernziele für einzelne Schüler möglich ist. Die didaktische Begründung der angestrebten Lernziele und deren mögliche Überprüfung am Ende des Lernvorgangs beschließen die didaktische Analyse. 4.2 Zur individualpädagogischen Analyse Der individualpädagogische Teil der Unterrichtsvorbereitung stellt die einzelnen Schüler als selbsttätig mit Kopf, Herz und Hand (Pestalozzi) lernende In-dividuen in den Mittelpunkt der pädagogischen Überlegungen zu einer differenzierten Unterrichtsvorbereitung, -gestaltung und -reflexion (zur individualpädagogischen Sichtweise vgl. Krawitz 1997). Das In-dividuum ist das unteilbare Leib-Seele-GeistWesen, das sich als Erkenntnissubjekt seinen individuell-spezifischen Zugang zur äußeren Welt der vielfältigen Erscheinungen schafft. Neben die didaktische Analyse, die sich im wesentlichen mit der Struktur des Unterrichtsgegenstandes und dessen Bedeutung beschäftigt, tritt jetzt eine differenzierte individualpädagogische Analyse, in der die einzelnen Schülerinnen und Schüler, deren sozio-kulturelle Lebenssituation, ihr jeweiliger sachstruktureller Entwicklungsstand sowie ihre spezifische Interessen- und Motivationslage bedacht, analysiert und zur didaktischen Analyse in Beziehung gesetzt werden müssen. Da die Lernprobleme der Schüler sehr oft durch ihre Lebensprobleme verursacht sind, muss eine individualpädagogisch orientierte Unterrichtsvorbereitung die besondere Lebenssituation der einzelnen Schüler mit ihren sozio-kulturellen Besonderheiten in den Blick rükken und die unterrichtlichen Maßnahmen, soweit es möglich ist, darauf einstellen. Die Lebensprobleme der heute heranwachsenden Kin” der sind soviel größer als ihre Lernprobleme, sie schieben sich gebieterisch vor diese oder fallen ihnen in den Rücken, daß die Schule, wenn sie überhaupt belehren will, es mit den Lebensproblemen aufnehmen 47 muß: sie muß zu ihrem Teil Leben ermöglichen“ (von Hentig 1976, Einband und 1987, S. 15). Das soziale Klima und die spezifischen Arbeitsbedingungen in einer Klasse wiederum resultieren zum Teil aus diesen besonderen sozio-kulturellen Lebensverhältnissen, in denen die Schüler aufwachsen. Sie beeinflussen die organisatorischen Rahmenbedingungen, innerhalb derer Unterricht erfolgreich verlaufen oder aber hoffnungslos scheitern kann. Bei unterrichtsvorbereitenden Überlegungen zum sachstrukturellen Entwicklungsstand der Schüler sind besonders deren vorhandene Vorerfahrungen und subjektiven Vorverständnisse (vgl. dazu Girg 1994) zu berücksichtigen. Sie lassen sich allerdings oft erst im Prozess des Unterrichts selbst erschließen, so daß an dieser Stelle die Grenzen der Möglichkeiten einer alle Einflussfaktoren antizipierenden Unterrichtsplanung deutlich werden. Insofern ist es notwendig, innerhalb der methodischen Planung und der Verlaufsplanung des Unterrichts Phasen vorzusehen, in denen der weitere methodische und inhaltliche Fortgang gemeinsam mit den Schülern erschlossen und geplant wird. Im Zusammenhang mit der Analyse des jeweiligen sachstrukturellen Entwicklungsstandes der einzelnen Schüler ist auch die Frage der Erschwernisse, der Lernprobleme oder Behinderungen bei einzelnen Schülern nachzugehen. Die spezifische Interessen- und Motivationslage der Schüler zu berücksichtigen verhindert, dass die Kinder in der Schule immer nur Antworten auf Fragen bekommen, die sie gar nicht gestellt haben. Denn methodisch richtig lehren können heißt nicht, Lernende auf ” dem schnellsten Weg zum richtigen Wissen zu führen, sondern Sachverhalte so darzustellen, aufzugreifen und einzuführen, daß sie fraglich und fragwürdig werden, und dann, ausgehend von den Fragen der Lernenden, die Antworten zu entwickeln und zu erarbeiten“ (Benner 1989, S. 52). 4.3 Zur vorgesehenen methodischen Strukturierung und Verlaufsplanung Was unter dem Begriff Unterrichtsmethoden‘ zu verstehen ist, da’ rüber konnte sich bis heute keine einheitliche Auffassung durchsetzen. Dies hängt mit der Komplexität von Unterricht zusammen. So werden in Veröffentlichungen zur Unterrichtsmethode sehr unterschiedliche 48 Schwerpunkte gesetzt. Auch wenn es keine eindeutige Begriffsklärung gibt, lassen sich doch wesentliche methodische Aspekte erkennen, die das Unterrichtsgeschehen bestimmen. Diese stehen in einer Interdependenz zueinander. Es sind die Unterrichtsschritte oder Phasen, die Lehr- und Lernverfahren, die Sozialformen und schließlich die Medien. Obwohl eine konsequente gestufte, in Form eines Artikulationsschemas aufgebaute Verlaufsplanung von Unterrichtsprozessen immer wieder versucht wurde (vgl. z. B. die Zusammenstellung von Vogel 1973 oder Keck 1983), ist es besonders bei der Vorbereitung offener, beweglicher bzw. schülerorientierter Unterrichtsvorhaben schwierig, einen gestuften Ablauf des Unterrichts verbindlich vorzuschreiben oder aber auch nur den möglichen Verlauf zu antizipieren. Glöckel unterscheidet daher idealtypisch zwölf methodische Grundstruktu” ren (Typen der Artikulation, Stufenkonzepte)“ und sagt ausdrücklich: Es dürfen nicht zu wenige solcher Grundstrukturen sein, weil ” sie sonst zu allgemein und abgehoben‘ sind, aber auch nicht zu viele, ’ damit man sie noch handhaben kann“ (Glöckel 1992, S. 172). Glöckel versteht seine Zusammenstellung methodischer Grundstrukturen von Unterricht als offene Liste, die Ergänzung und Varia” tion erlaubt und mit inneren Überschneidungen rechnet“ (S. 172). Sie eignet sich gerade für noch unerfahrene Anfänger (Studenten oder Referendare) als außerordentlich praktikable Hilfe bei der Planung und Vorbereitung von Unterricht. Als ein Beispiel für eine angemessene Stufung von Unterrichtsprozessen in der vorbereitenden und planenden Antizipation sei hier der Vorschlag Glöckels für die Bewälti” gung komplexer Handlungsprobleme, Vorhaben, Projekte“ exemplarisch vorgestellt: Bewältigung komplexer Handlungsprobleme, Vorhaben, Projekte (nach Glöckel): – Begegnung mit einem praktischen Problem, einer zu lösenden Aufgabe – Zielsetzung in freier Entscheidung – Sichtung der Aufgabe, Planung und Verteilung der Arbeit, Bereitstellung der Mittel – Ausführung in Teilschritten, Auseinandersetzung mit unvorhergesehenen Problemen, wenn nötig Änderung des Plans, Gewin- 49 nung notwendiger Informationen und Fertigkeiten, dabei Phasen der Arbeitsteilung und Arbeitseinigung, Fassung von Zwischenergebnissen – Fassung des Ergebnisses, Prüfung, Fixierung, Auswertung, Rückblick auf den Arbeitsweg, Selbstkritik – Einordnung in den größeren Zusammenhang, Ausblick auf weitere Aufgaben Bei näherer Betrachtung lässt sich in ausdifferenzierten Stufungsmodellen für nahezu alle Lernhandlungen ein Dreischritt erkennen: – Vorbereitung, – Erarbeitung, – Ergebnissicherung / Anwendung Zumindest dieses Grundmodell des Lernens sollte der Lehrer auch bei den Formen offenen Unterrichts im Blick haben, damit diese modernen Unterrichtskonzeptionen nicht strukturlos bleiben. Lehrhandlungen des Lehrers und Lernhandlungen der Schüler sind im Unterricht wechselseitig aufeinander bezogen. Sie werden im Lernprozess durch Ziele und Inhalte, aber auch durch die jeweiligen Lernvoraussetzungen und Vorerfahrungen bei den Schülern bestimmt. Der angestrebte Lernprozess ist vom vorbereitenden Lehrer immer unter diesen Aspekten vorausschauend zu überdenken, wobei er im Sinne eines individualpädagogischen Handelns die Lernbiographien der einzelnen Schüler mit ihren subjektiven Bedürfnissen im Blick haben muss. Bei den Lehr- und Lernhandlungen wird es sich je nach dem Aktivitätsanteil des Lehrers und der Schüler um unterschiedliche Formen handeln: Es können Formen der Darbietung sein, Formen der Erarbeitung durch unterschiedliche Gesprächsformen, und schließlich kann es sich um weitgehend selbständige, vom Schüler selbstgesteuerte und sogar selbstorganisierte Lernverfahren handeln. Für den Fall, dass Probleme und Schwierigkeiten den Lernprozess behindern, sollte der Lehrer möglichst alternative Möglichkeiten bereit haben. Unmittelbar mit den Lehr- und Lernverfahren stehen die Sozialformen in einer engen Beziehung, ja sogar in einer gewissen Abhängigkeit; denn die Lehr- und Lernverfahren bestimmen im Lernprozess 50 doch sehr eindeutig auch die sozialen Beziehungen der Schüler untereinander sowie diejenigen zum Lehrer. So kommt es einmal zur Gruppenarbeit, ein anderes Mal zur Partnerarbeit oder zum Unterricht im Plenum. Die Auseinandersetzung mit den Medien bei der Vorbereitung von Unterricht ist ein umfangreiches Feld, das oft für den Lehrer unüberschaubar geworden ist. Medien lassen sich in sehr unterschiedlichen Funktionen nutzen. Der Lehrer muss auf der Basis der ihm zur Verfügung stehenden Medien eine begründete Auswahl treffen und sich über ihre Funktionen im Lernprozess im Klaren sein. 4.5 Zur Reflexion im und nach dem Unterricht Das Konzept eines schülerzentrierten, individualisierenden, differenzierenden, selbsttätiges Lernen fördernden Unterrichts erfordert und ermöglicht eine professionelle Lernbegleitung mit einer Lernprozessdiagnostik, in der die Beobachtung von individuellen Lernprozessen und die kritische Reflexion des Unterrichtsverlaufs besondere Bedeutung gewinnen. Lehrerinnen und Lehrer, die nicht mehr allein im streng lehrgangsorientierten Unterricht versuchen, Lernprozesse zentral zu steuern, sondern differenzierend individuelle Lernangebote machen und selbstgesteuertes Lernen zulassen, gewinnen im Unterrichtsverlauf Freiraum für lernprozessdiagnostische Aufgaben. Auch im Sinne einer kontinuierlich weiterführenden Unterrichtsvorbereitung, die Erfahrungen aus vorhergehenden Unterrichts- und Lernprozessen aufgreift und für die weitere Planung berücksichtigt, kommt der Reflexion von Unterrichtsabläufen einschließlich ihrer Störungen eine zentrale Bedeutung zu. Insofern können die unter Punkt 5 vorgeschlagenen Leitfragen als Strukturierungshilfe für die eigene Unterrichtsbeobachtung und -reflexion verstanden werden. Sie werden daher nachfolgend kurz erläutert. Von ganz wesentlicher Bedeutung für ein erfolgreiches Lernen ist die Lern- und Unterrichtsatmosphäre, die jeweils von vielfältigen Einflüssen bestimmt wird. Die subjektive Befindlichkeit von Schülerinnen und Schülern wie ihrer Lehrerin oder ihres Lehrers wirkt sich immer auf die soziale Stimmung in der Klasse aus und kann sogar die Atmosphäre der ganzen Schule positiv wie negativ beeinflussen. Es ist daher pädagogisch äußerst wichtig, die jeweilige Stimmung von Unterrichtssituationen wahrzunehmen und zu versuchen, die Ursachen 51 für Missstimmungen zu ergründen, um daraus Konsequenzen abzuleiten und Maßnahmen für eine Verbesserung bzw. Umstimmung zu finden. In diesem Zusammenhang sind auch die auftretenden Unterrichtsstörungen zu analysieren. In aller Regel handelt es sich dabei in den meisten Fällen um Störungen, die nur auf dem Hintergrund des Gesamtkontextes und -verlaufs Unterricht‘ gedeutet werden können. ’ Für sich allein‘ stört ein einzelner Schüler selten. Er stört‘ vielmehr ’ ’ innerhalb eines ganz spezifischen Interaktionsgeschehens. Gestört ist so nicht der einzelne Schüler, sondern der Interaktionsprozess. Insofern ist es für die Reflexion des Lehrers hilfreich, sowohl schon während des Unterrichtsverlaufs wie auch nach dem Unterricht mögliche Störvariablen zu erkennen und darauf durch Veränderung des didaktischen Arrangements oder methodische Variationen zu reagieren, um die Lern- und Unterrichtssituation bereits situativ reagierend zu verbessern oder aber für künftige Weiterführungen alternative Möglichkeiten zu finden. Im engen Zusammenhang mit diesen verschiedenen zu beachtenden Aspekten der Unterrichtsstimmung‘ stehen die Fragen nach der ’ Angemessenheit des jeweiligen Unterrichtskonzeptes, der Thematik, der Ziele, der Inhalte in Bezug auf die besondere Situation der Schülerinnen und Schüler. Aus der von didaktischer Skepsis gegenüber dem eigenen Handeln geleiteten (selbst-)kritischen Analyse – der beobachteten Wirkungen des eigenen Unterrichtskonzepts, – der Effektivität der darin realisierten methodischen Möglichkeiten – und der Beurteilung der Angemessenheit der Lerninhalte und -ziele ergeben sich konstruktive Konsequenzen für die Weiterführung des Unterrichts unter Berücksichtigung einer stetigen Modifikation und Verbesserung und des favorisierten eigenen Unterrichtskonzepts und -managements. Die sorgfältige Beobachtung der verschiedenen Schüleraktivitäten gibt dem Lehrer Kriterien an die Hand, die er in konstruktiver Kritik an die Schüler mit dem Ziel der Verbesserung individuellen Lernverhaltens weitergeben kann. Durch eingeschobene Phasen der Unterrichtskritik zwischen Schülern und Lehrer, dem sogenannten Metaunterricht, lernen Schüler wie Lehrer den selbstkritischen Umgang 52 mit ihren eigenen Lehr- und Lernmethoden und können so gemeinsam für eine stetige Verbesserung des Unterrichtskonzeptes, der Unterrichtsmethoden sowie der verschiedenen Sozial-, Interaktions- und Kommunikationsformen sorgen. Die stets wiederkehrende kritische Rückfrage nach den Maßnahmen der Differenzierung ist in einem subjektorientierten Unterricht unverzichtbar. Aus jedem Unterrichtsverlauf, in dem den Schülern Phasen des selbsttätigen Lernens zugemutet und dadurch subjektive Zugangsweisen zugelassen werden, können Konsequenzen für noch weitergehendere Differenzierungsmaßnahmen abgeleitet werden. Je intensiver ein Lehrer als Lernbegleiter‘ Schüler in ihrem spezifischen ’ Lernverhalten beobachtet und dadurch kennengelernt hat, desto mehr Möglichkeiten findet er, ihnen besondere Lernhilfen, -medien, -methoden anzubieten bzw. auch die Lerninhalte auf die jeweils besonderen Lernvoraussetzungen und Vorerfahrungen abzustimmen. Schließlich ist in einer kritisch reflektierenden Analyse des Unterrichtsverlaufs die Frage nach der Ergebniskontrolle und den daraus resultierenden weiterführenden Konsequenzen bedeutsam. Und hierbei darf auch die in mancher Hinsicht durchaus berechtigte ökonomische Frage nach dem Verhältnis von Aufwand und Ergebnis gestellt und selbstkritisch beantwortet werden. Außerdem ist dabei das Nachdenken darüber angebracht, was die Schülerinnen und Schüler im Unterricht eventuell an pädagogisch kontraproduktiven Inhalten oder Verhaltensweisen im Sinne des sogenannten Heimlichen Lehr” plans“ ( hidden curriculum‘) gelernt haben. Hoffentlich nicht: Unter’ richt ist halt – wie immer – langweilig und uninteressant, und wir haben wieder einmal nur für die Schule gelernt. Literaturhinweise Adl-Amini, B. / Künzli, R. (Hrsg.): Didaktische Modelle und Unterrichtsplanung, München 1980. Adorno, Th. W.: Erziehung nach Auschwitz (1966), in Adorno, Th. W., Erziehung zur Mündigkeit. Vorträge und Gespräche mit Hellmut Becker 1959–1969, S. 88–104, Frankfurt/M. 1971. Aurin, K. / Wollenweber, H. (Hrsg.): Schulpolitik im Widerstreit. Brauchen wir eine andere Schule“, Bad Heilbrunn 1997. ” Ballauff, Th.: Schule der Zukunft (1964), Bochum o. J. Ballauff, Th.: Systematische Pädagogik, Heidelberg 1962 (3. Aufl. 1970a). 53 Ballauff, Th.: Skeptische Didaktik, Heidelberg 1970b. Ballauff, Th.: Pädagogik als Bildungslehre, Frankfurt/M. 1986 (2. Aufl. Weinheim 1989). Becker, G. E.: Handlungsorientierte Didaktik. Eine auf die Praxis bezogene Theorie, Weinheim 1991. Becker, G. E.: Planung von Unterricht. 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