06 UMBAU SIGRISTENHAUS Das historische Boswiler Sigristenhaus, bestehend aus Wohnhaus, Tenne und Scheune, geht auf die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück und beeindruckt als imposantes, bedeutendes Freiämter Bauernhaus. Den neuen Nutzungsabsichten des Künstlerhauses entsprechend wird es umfassend saniert, thermisch isoliert und umgebaut. WOHNHAUS Im EG des Wohnhauses sind die Büroräumlichkeiten, im 1., 2. und 3. OG Gästezimmer untergebracht; sämtliche Nasszellen sind in einem Sanitärturm übereinander gestapelt. Die Erschliessung des Wohnbereichs erfolgt geschossweise über das Treppenhaus in der Tenne mit je einem Durchgang durch die neu zu erstellende Brandmauer. Der Charakter der bestehenden histori- schen Räume wird möglichst belassen. Die neuen Bauteile werden sich sowohl strukturell wie auch optisch klar vom Bestand unterscheiden. TENNE Durch das grosse Tenntor und einen Nebeneingang sind der Saal, die Musikstudios und sämtliche Gästezimmer über das zentrale Treppenhaus erreichbar. Das Treppenhaus durchdringt vom Keller bis zum 3. OG den haushohen Luftraum. Das Zentrum des Gebäudes wird optisch freigespielt, und die Struktur des ursprünglichen Strohhauses wird sicht- und er leb bar gemacht. Ein Steinboden prägt die ehemalige Tenne infahrt, die Brandschutzmauer zwischen Tenne und Wohnhaus ist gemauert und verputzt, das Treppenhaus aus Sichtbeton oder Stahl stützenfrei konstruiert. SCHEUNE Der multifunktionale Saal ist über einer neuen Beton- decke in Holz erstellt, ebenso die darüber liegenden Musikstudios. Der über zwei Geschosse reichende stützenfreie Saal ist in seiner Grösse variabel: Durch das Öffnen eines zweiflügligen Tores kann die Saalfläche beinahe verdoppelt werden. In geschlossenem Zustand ist der Saal zirka 60 Quadratmeter gross und zirka 4,80 Meter hoch. Auf der Nordseite erweitert sich der Luftraum bis unter den Giebel des Hauses, von wo auch das natürliche Licht den Raum erhellt. Der Saal ist flexibel bespielbar: Eine Bühnensituation kann je nach Bedürfnis nördlich, mittig oder südlich eingerichtet werden. In den seitlich angebrachten grossen Kastenräumen können ein Klavier, eine FahrBAR und die Bestuhlung verstaut werden, so dass der Saal vollständig geleert und «neutralisiert» werden kann. ÄUSSERE VERÄNDERUNGEN Das unter Denkmalschutz stehende Haus erfährt an seiner Aussenhaut nur geringfügige Änderungen. Lediglich die Nordfassade wird komplett neu gestaltet und wieder näher an die wohl ursprünglich geschlossene Holzfassade herangeführt. Das kleine giebelständige Vordach wird als typologisch an Scheunen fremdes Element entfernt. Die Verglasungen liegen mit Ausnahme der mittigen Balkontüre hinter senkrecht zur Fassade stehenden Holzlamellen. Die neue Fassade macht auf moderate Weise die innere Struktur nach aussen sichtbar. Die Verglasungen hinter Holzlamellen bringen ein Maximum an «gefiltertem» Licht in die Innenräume. Die Dachhaut wird (vor allem im Tennbereich) punktuell mit Glasziegeln versehen. UNTER EINEM DACH VEREINT Zukünftig wird das Sekretariat im Wohnteil des Sigristenhauses untergebracht, und MusikerInnen werden in den darüber liegenden Räumen wohnen und arbeiten. Der in der heutigen Scheune neu entstehende Saal wird in der Alltagssituation als Probelokal genutzt. Tenne und Scheune erhalten jedoch durch die Option, den Saal in seiner gesamten Breite zu öffnen, eine erhöhte Nutzungsflexibilität. Der multifunktionale Raum soll nicht nur als Übungs- und Unterrichtsraum dienen, sondern kann ebenso als Seminarraum oder kleiner Konzertraum genutzt werden. Somit entsteht eine erhebliche Freiheit bezüglich der Nutzung und des Zusammenwirkens der gesamten Infrastruktur. Die weitere Planung wird zusätzlich den Bedarf an Raum für Magazin /Archiv klären. Durch den betrieblichen Einbezug des Sigristenhauses in das Gebäudeensemble Boswil entstehen somit neue Flexibilitäten, die Parallelnutzungen erlauben bis hin zu Fremdvermietungen von Teilen des Ensembles. Die nach aussen kaum wahrnehmbare Sanierung des Sigristenhauses spielt sich hauptsächlich im Innern ab und gibt dem Gebäude, der heutigen Zeit und den vielfältigen Nutzungen entsprechend, die Möglichkeit neuen Lebens zurück. RÖSCH / FURRER SAS-ARCHITEKTEN PORTRÄT ROLF FURRER / CHRISTOF RÖSCH Rolf Furrer, * 1955 in Basel, ist seit 1984 selbständiger Architekt. Neben zeitgenössischen Neubauten sind es oft Umbauten, die er realisiert. Seine Auseinandersetzung mit Kunst hat ihren Ursprung in der Arbeit im öffentlichen Raum Basels, wo er ein modulares System für Tramstationen entwickelt hat. Christof Rösch, * 1958 in Zürich, ist über die Mitarbeit an Beleuchtungsprojekten seines Vaters und die künstlerisch-handwerkliche Ausbildung an der Hochschule der Künste in Basel zuerst Künstler geworden. 1999 wird die erste skulpturale Idee auch Architektur. Heute ist Rösch als Künstler, Architekt und Vermittler tätig. Furrer und Rösch arbeiten seit 1999 an gemeinsamen Projekten: Das «Haus Schigliana» (ein Haus im Haus) in Sent wurde mit «Gute Bauten GR» ausgezeichnet. Es folgte unter anderem das Hotel Piz Tschütta, Vnà / GR. Heute arbeiten sie vorwiegend in transdisziplinären und integrativen Planungsprozessen, namentlich dort, wo gesellschaftliche, historische, künstlerische und architektonische Fragestellungen zusammenwirken.