Die tägliche Werbedosis kann an manchen Tagen für einen Kopf zu viel werden Over-Advertised? Alles scheint zur Werbefläche und Werbezeit zu werden: Jeder freie Raum wird schier zugepflastert mit Werbebotschaften - visuell und akustisch. Die Menschen haben sich daran gewöhnt - oder doch nicht? Kommunikations- und Medienforscher Matthias Karmasin meint, dass der Informationskonsum aufgrund biologischer Grenzen beinahe unverändert ist - während das Angebot laufend steigt. Die Folge: Informationsüberlastung. "Internationale Studien besagen, dass weniger als fünf Prozent der Informationen wahrgenommen werden. Das heißt konkret: Sinkende Erinnerung an die Werbung und Werbevermeidung. Vor allem digital ist das leicht möglich." Die Werbebranche scheint das unbeeindruckt zu lassen. Die Werbekonkurrenz nimmt zu, Produktwettbewerb wird zunehmend durch Kommunikationswettbewerb ergänzt und ersetzt, erzählt Karmasin. Die Zahl der Wer- aktive Wahrnehmung und eine dementsprechende Verhaltensäußerung - und damit vielleicht sogar die Chance darauf, einen Kauf auszulösen. Wien-Nord-Geschäftsführer Eduard Böhler sieht dies so: "Natürlich haben wir uns alle an die Vielzahl und das Ausmaß der Werbebotschaften gewöhnt - aber in Wirklichkeit ist es einfach zu viel, und nur mehr ein Bruchteil der Botschaften schafft es, wahrgenommen zu werden." Als Werber, so Böhler weiter, muss man sich eines fragen: "Was kann ich den Menschen bieten, das sie in diesem Wirrwarr noch bereit sind, aufzunehmen - und viel mehr noch: Welchen emotionalen Mehrwert kann ich schaffen, damit die Menschen an meiner Botschaft hängenbleiben?" Werbung muss berühren, muss unterhalten, aufregen oder nachdenklich machen, das ist heute so wichtig wie noch nie, ist Böhler überzeugt. betreibenden wird weiter wachsen, da zunehmend auch nicht erwerbswirtschaftlich orientierte Organisationen den Nutzen von Werbung in Form von Öffentlichkeitsarbeit entdecken, ist der Universitätsprofessor überzeugt. Die Folgen: Werbung und Content vermischen sich. "Werbung soll nicht als solche wahrgenommen werden. Man versucht, Aufmerksamkeit durch direkte Ansprache - Permission Marketing - und durch direkten Nutzen zu erzielen", so Karmasin weiter. Für die Werbebranche bedeutet das, dass Anforderungen an Gestaltung und Inhalte der Werbung steigen werden. Gewöhnungseffekt. Ogilvy-CEOFlorian Krenkel will differenzieren: "Die Menschen sind einerseits überfordert und sie haben sich andererseits daran gewöhnt. Was heißt, dass sie den Großteil der dargebotenen Botschaften nicht mehr wahrnehmen. Zumindest nicht bewusst. Das liegt in unserer Natur." Unser Bewusstsein sei glücklicherweise sehr selektiv und beschäftige sich stets nur mit den Dingen, die unserem momentanen Fortkommen dienlich sind, weiß Krenkel: Trifft eine Werbebotschaft ein aktuelles Bedürfnis oder Interesse, hat M. Karrnasln, sie die Chance auf Medienforscher Eindruck hinterlassen. Ähnlich äußert auch Ogilvy-Boss Krenkel künftige Anforderungen: "Welche Botschaften Produkte und Marken im Bereich des Unbewussten hinterlassen möchten, gilt es künftig stärker zu bedenken. Der dort hinterlassene Eindruck ist für das Bild einer Marke oder eines Produkts nämlich deutlich wichtiger als der kurzfristig bewusste. Der Grundstein für eine zukünftige Kaufentscheidung wird vielfach im Unbewussten gelegt, so Krenkel weiter: "In Anbetracht der täglich wachsenden Menge an austauschbaren Produkten und Marken, der vielen, schnellen und vor allem ständig präsenten neuen digitalen Kommunikationsmittel ist Werbung in Zukunft also mehr denn je gefordert, einerseits Botschaften selektiv und spitz an den Konsumenten zu bringen und andererseits Bedacht darauf zu nehmen, in welches .rosa Rauschen' wir Konsumenten betten wollen, um ihnen ein positives Image von Marken und Produkten zu vermitteln." • U Florian Krenkel, Eduard Böhler, Ogilvy Wien Nord