Stadtforum Leipzig 01 | Oktober 2006 Aktuelle Fragen und Probleme der Leipziger Stadtentwicklung Stadtforum Leipzig 01 | Oktober 2006 Aktuelle Fragen und Probleme der Leipziger Stadtentwicklung Einleitung Mit der politischen Wende 1989 verknüpften die Leipziger die Hoffnung auf ein Ende der seinerzeit durch den Staat aktiv betriebenen bzw. durch eine jahrzehntelange, katastrophale Mangelwirtschaft bedingten Zerstörung ihrer Stadt. Damals konnte der bereits begonnene Abriß ganzer Stadtviertel vorübergehend gestoppt werden, wie auch die neue Wirtschaftsordnung die Möglichkeit einer umfassenden Sanierung der Stadt zu eröffnen schien. Trotz massiver wirtschaftlicher Schwierigkeiten und einem erheblichen Bevölkerungsrückgang setzte tatsächlich eine beispiellose Sanierungstätigkeit ein. Leipzigs Bevölkerung, viele Hausbesitzer sowie die Akteure der Stadtsanierung verband der Wille, das sanierungsbedürftige bauliche Erbe der Stadt als entwicklungsfähiges Potential zu begreifen. Ein erneuter Abriß von Baudenkmalen schien in den 1990er Jahren weitgehend undenkbar und wurde, wo er vereinzelt praktiziert wurde, von einer breiten Bürgerschaft als Rückfall in DDR-Zustände kritisiert. Seit dem Beginn des neuen Jahrtausends begann sich nicht nur die wirtschaftliche Situation zu festigen, sondern es konnte auch der Bevölkerungsrückgang gestoppt und in ein - wenn auch moderates - anhaltendes Wachstum gewendet werden. Immobilien- und Wohnungsmarkt stabilisieren sich seitdem deutlich. Leipzig entwickelt sich aktuell nach Branchenmitteilungen zum gefragtesten Investitionsort für Baudenkmale. Gleichzeitig setzte mit der Jahrtausendwende in Leipzig eine neue umfangreiche Abrißwelle von Altbauten ein, die im Einzelfall weder vor Bauten und Wohnensembles von hohem Denkmalwert noch vor solchen mit straßenbildbestimmender Bedeutung haltmacht. Ignoriert wird vielfach auch, daß es sich um baulich bereits gesicherte Gebäude handelt, oder daß es sanierungswillige Käufer gibt, die bereit sind, für zumutbare Konditionen ein Gebäude vor dem Abriß zu retten. Immer wieder müssen Mieter ihre Häuser verlassen, damit diese abgebrochen werden können. Mit 446 abgebrochenen Baudenkmalen seit 1990 nimmt Leipzig eine unangefochtene traurige Spitzenposition in Sachsen und ganz Deutschland ein 1. Dies sind nicht nur mehr Denkmale, als sie der Großteil der deutschen Städte überhaupt besitzt, zerstört wurden im Einzelfall auch Bauten von einer Qualität, von denen eine Reihe von Städten nicht ein einziges Beispiel aufzuweisen hat. 1 - Sächsische Zeitung vom 08.07.2006 4 Besonders bedenklich an diesen Entwicklungen ist, daß hier nicht freie Kräfte des Marktes wirksam werden. Die Abrisse erfolgen unter massivem Einsatz öffentlicher Fördergelder, und in zahlreichen Fällen werden private Hauseigentümer sogar von der Stadt zu Abrissen gedrängt. Die wichtigsten Akteure bei dieser immer weiter um sich greifenden Häuser- und Baudenkmalvernichtung sind nicht die privaten Eigentümer, sondern kommunale und staatliche Einrichtungen wie die städtische Wohnungsbaugesellschaft LWB (an sie gingen 68 % der bisherigen Abbruchgelder in Leipzig) oder die staatliche Vermögensverwaltung (TLG - Immobiliengesellschaft des Bundes), die ohne Rücksicht auf baukulturelle Fragen der Stadtentwicklung oder des Denkmalschutzes ihre Altbaubestände reduzieren bzw. so lange verfallen lassen, bis ein Abbruch baupolizeilich notwendig wird. Betriebswirtschaftlich basieren die Abbruchentscheidungen der LWB ausschließlich auf einer vergleichenden Analyse der mit einem Abbruch zu erzielenden Zahlungsströme aus Fördermitteln mit dem aus dem vergleichsweise mühsameren Geschäft von Investition und langfristiger Vermietung. Der aktuelle Anlagewert der Objekte (Eigentum der Leipziger Bürger) oder ihr Wertpotential angesichts eines deutlich anziehenden Immobilienmarktes spielen an keiner Stelle der Überlegungen eine Rolle, ganz zu schweigen von den genannten Aspekten des Städtebaus oder der Denkmalpflege. Relevant sind ausschließlich die kurzfristig zu realisierenden Zahlungsströme. Den Abrißplänen entgegenstehende unternehmerische Initiativen Privater werden regelmäßig aus Konkurrenzgründen vereitelt, gleiches geschieht mit alternativen Rettungsprojekten der Bürgerschaft. Die Folge ist, daß die vielfältigen Bemühungen seitens der Stadt und auch seitens staatlicher Stellen um die Erhaltung des baulichen Erbes neuerdings durch Kahlschlag-Strategien im Zeichen der „Stadterneuerung Ost“ regelrecht konterkariert werden. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Das aktuelle Abrißgeschehen in Leipzig ist dabei kein lokales Einzelphänomen, sondern reiht sich nahtlos in die allgemeine Situation in den von Stadtschrumpfungsprozessen betroffenen Flächenländern ein. Als Beispiele fanden besonders Chemnitz und Weißenfels wiederholt Eingang in die überregionale Presse. Nach Jahren der Tabuisierung werden Schrumpfungsprozesse nun zwar diskutiert, dies aber deutlich zu einseitig. Von Seiten der Kommunalpolitik, der Stadtplanung und der Wohnungswirtschaft spielen hierbei fast ausschließlich quantitative Größen wie Leerstand und Bevölkerungsstatistik die entscheidende Rolle. Fragen der städtebaulichen Qualität oder die Entwicklung von Strategien gegen die Schrumpfung werden erstaunlicherweise fast gar nicht angegangen. „Jedes Kulturdenkmal, das heute zugrunde geht, ist für alle Zeit verloren. Was wir jetzt nicht retten, kann nie mehr gerettet werden. Was wir jetzt versäumen, kann keine künftige Generation nachholen. Vor dieser Aufgabe gibt es kein Ausweichen.“ Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz Schutz und Ausprägung eines individuellen Ortsbildes gehören zu den Grundpfeilern der Stadtentwicklung. Als substantielle Mittel gegen schleichendes Absinken in die Austauschbarkeit erfordern sie qualifizierteste Lösungen bei Neubau und Denkmalerhaltung. Abriß darf nur in Frage kommen, wenn alternative Varianten ausgeschöpft sind. Viel zu oft und viel zu leicht konnte Denkmalschutz bisher ausgehebelt oder bis zur Farce herunterinterpretiert werden. Gerade die jüngsten Fälle vollzogenen oder geplanten Abrisses zeigen, daß es noch immer vielen Entscheidungsträgern an Gespür für unwiederbringliche Werte mangelt. Es braucht deutlich mehr kulturelle Verantwortung und vor allem einen offenen, fairen und sachlichen Dialog, der die Bereitschaft zu Veränderungen impliziert, einschließlich der Souveränität, sich selbst zu korrigieren. Im Mai 2007 werden sich in Leipzig die für Stadtentwicklung zuständigen Minister der Mitgliedsstaaten treffen. Das Treffen steht im Zusammenhang mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2007. Ziel ist nach Auskunft des Bundesbauministeriums die Verabschiedung einer „LeipzigCharta zur nachhaltigen Europäischen Stadt“. Angesichts der aktuellen Situation in Leipzig wäre es eine lohnenswerte Aufgabe für die Verantwortlichen bis dahin die Weichen so umzustellen, daß der Name der angestrebten Charta nicht blanke Ironie wird. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 5 Die Fakten Leipzigs historisches Stadtbild Leipzigs insbesondere im 19. Jahrhundert großräumig gewachsene Stadtstrukturen beeindrucken durch die noch immer weitgehende Geschlossenheit ihres räumlichen und baulichen Erscheinungsbildes sowie durch die Fülle und Größe öffentlicher Grünflächen. So zieht sich der Leipziger Auwald, der mit einer Gesamtfläche von fast 2.000 Hektar einer der größten noch geschlossenen Auwaldbestände Mitteleuropas ist, als eine in dieser Art einzigartige Naherholungslandschaft mitten durch die Stadt. Mehr als ein Drittel der 317.000 Wohnungen (Stand 2002) stammen aus der Zeit bis 1918. Auch von den über 15.000 Kulturdenkmälern der Stadt stammt der überwiegende Teil aus der Epoche des Historismus. Es war nicht nur eine Zeit der reichen Fassaden und aufwendiger Innenarchitekturen, sondern auch beeindruckender urbanistischer Leistungen von der Anlage der repräsentativen Wohngebiete bis zur Schöpfung eines differenzierten Systems großstädtischer Grünanlagen. Doch auch aus der Zeit der 1920/30er Jahre mit ihren schlichteren, aber dennoch sehr qualitätvollen Bauten hat Leipzig ein große Reihe von bedeutenden Einzelbaudenkmalen und Architekturensembles aufzuweisen. Aus der Zeit von 1919 bis 1948 stammen etwa ein Fünftel der Leipziger Wohnungen. Insgesamt war der baukulturelle Anspruch ausgesprochen hoch und konnte in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg trotz hochwertiger Einzelobjekte nicht in vergleichbarem Maß gehalten werden. Insgesamt war die Stadtstruktur Leipzigs bis zum Zweiten Weltkrieg durch eine außerordentliche urbane Kompaktheit, räumliche Dichte und funktionale Durchmischung charakterisiert. Beschädigung des Stadtbilds durch Krieg, Ideologie und Mangelwirtschaft Dieses Stadtbild hat durch die Bombardements im Zweiten Weltkrieg und in den Jahrzehnten der DDR bereits beträchtliche Einbußen erlitten. Manche Quartiere sind sogar fast vollständig verschwunden. Sie wurden durch Neubebauung ersetzt oder blieben bis heute verödet. Dieses Schicksal erlitten vor allem Teile der inneren Vorstädte. Im Krieg waren etwa 20 % der vorhandenen Wohnungen total zerstört worden (45.000 Wohnungen), weitere 20 % wiesen leichte bis schwere Schäden auf, die oftmals zum späteren Abriß führten. Einer der Gründe, die die Menschen 1989 in Leipzig auf die Straßen getrieben haben, war der Umgang des DDR-Regimes mit dem baulichen Erbe der Stadt. Nachdem in den vorangegangen Jahren bereits zahllose Bauten teils ideologisch bestimmter Baupolitik, zumeist aber der allgemeinen Mangelwirtschaft zum Opfer gefallen waren, hatte die Entwicklung in den 1980er Jahren eine geradezu dramatische Dynamik erhalten, da das jahrzehntelange Ausbleiben notwendigster Werterhaltungsmaßnahmen den flächenhaften Verfall der historischen Wohnquartiere bewirkte. Die Baupolitik reagierte auf diese Situation mit rabiaten Flächenabrissen und industriellem Plattenbau. Diese unheilvolle Entwicklung fand 1989/90 ihren abrupten Abschluß im Stadtteil Connewitz und am Neustädter Markt, die als Umgestaltungsgebiete bereits geplant waren. In Connewitz hatte man mit der Ausführung dieser Pläne bereits begonnen, als die Leipziger Bürger einen Abriß-Stopp erwirkten. Im Gegensatz dazu wurde im Areal Prager Straße – Stötteritzer Straße der Abbruch flächenhaft auch nach der Wende fortgesetzt. Eine umfassende Neuordnung des Stadtraumes konnte trotz großer Anstrengungen jedoch bis heute nicht abgeschlossen werden. So ist als Ergebnis dieser nunmehr anderthalb Jahrzehnte währenden Umgestaltung eine städtebauliche Brache zurückgeblieben. Im Januar 1990 fand auf Initiative des Kulturbundes, des Verbandes der bildenden Künstler und des Bundes der Architekten unter aktiver Teilnahme von rund 1.000 Bürgern die „Leipziger Volksbaukonferenz“ statt. In der Leipziger Volkszeitung hieß es dazu: „Die Konferenzteilnehmer rechneten schonungslos mit der verfehlten Baupolitik vergangener Jahrzehnte ab, die zu rapidem Verfall der Bausubstanz und zu uniformierten Neubaugebieten führte. Sie forderten mehrheitlich, der Erhaltung der Bausubstanz absolute Priorität gegenüber dem Neubau einzuräumen.“ Insgesamt hat Leipzig bis 1989 schon weit über ein Drittel seiner bis in die 1930er Jahre entstandenen historischen Bausubstanz verloren. Wegen dieser bereits vollzogenen massiven Beschädigung des Stadtbildes gibt es heute zahlreiche Situationen, wo mit dem Verlust nur eines einzigen weiteren Gebäudes der Punkt erreicht sein würde, an dem das gerade noch geschlossen wirkende Bild einer Straße oder eines Platzes endgültig „umkippt“. „Die Konferenzteilnehmer rechneten schonungslos Massive Fehlentwicklungen in den 1990er Jahren mit der verfehlten Baupolitik vergangener Jahrzehnte ab, die zu rapidem Verfall der Bausubstanz und zu uniformierten Neubaugebieten führte. Sie forderten mehrheitlich, der Erhaltung der Bausubstanz absolute Priorität gegenüber dem Neubau einzuräumen.“ 6 Zu Beginn der 1990er Jahre waren Leipzigs Altbauquartiere mit großen strukturellen Problemen, aber auch mit gravierenden Imageproblemen belastet. Die Gebäude wiesen zumeist wegen langjährig ausgebliebener Unterhaltungsmaßnahmen und wegen fehlender Modernisierung erhebliche Mängel auf. Das Ausstattungsniveau war oftmals niedrig, viele Wohnungen waren Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 praktisch unbewohnbar. Trotz Wohnungsmangels standen über 20.000 Altbauwohnungen leer. In vielen Fällen wurden die schon lange notwendigen Sanierungen durch unklare Eigentumsverhältnisse aber um weitere Jahre verzögert. Zur gleichen Zeit begann eine aufsehenerregende Neubautätigkeit vor allem im suburbanen Umland. In den 1990er Jahren entstanden 15 % des derzeitigen Wohnungsbestandes. Viele Leipziger erfüllten sich ihren Wunsch nach einem Eigenheim. Viel öfter war es aber kein eigenes Haus, sondern lediglich eine Neubauwohnung im Geschoßbau, die die Leipziger ins Umland zog. Dieser Neubauboom wurde durch großzügige staatliche Vergünstigungen (Steuererleichterungen, Pendlerpauschale) und nicht zuletzt durch den mit öffentlichen Mitteln realisierten Bau aufwendiger Infrastrukturen gefördert1. Wies etwa das Leipziger Straßennetz im Jahre 1989 noch eine Länge von 860 km auf, so sind es heute bereits 1.641 km (inklusive der eingemeindeten Ortsteile). Die effektive Verkehrsfläche vergrößerte sich im selben Zeitraum noch in weit höherem Maße, da zahlreiche Straßen und Straßenkreuzungen wesentlich verbreitert bzw. erweitert wurden. Doch auch die Länge etwa des Leipziger Rohrnetzes wurde von 2.113 km Länge im Jahr 1990 auf 3.103 km im Jahr 2005 erweitert; die des Kanalnetzes von 1.566 km (1990) auf 2.448 km (2005). Gleichzeitig sank die Einwohnerzahl Leipzigs 1989 bis 1998 um ca. 100.000 Einwohner. Die Stadt wuchs in der Fläche und dünnte sich dabei zunehmend aus. Bei gleichzeitigem intensivem Ausbau der Infrastruktur bedeutete dies enorm steigende Kosten pro Kopf, die sich in explosionsartig steigenden Verbraucherkosten niederschlugen. Trotzdem wurde man elementarer Probleme der Substanzunterhaltung nicht Herr. So gab im März 2006 die Leipziger Stadtverwaltung die folgende alarmierende Meldung an die Presse2: „Lothar Kötz, Sprecher des Tiefbauamtes: <Wir haben in diesem Jahr eine deutliche Zunahme an Schlaglöchern zu verzeichnen, es sind doppelt so viele wie 2005>. (...) Besonders problematisch ist, daß die zur Verfügung stehenden Mittel für den Straßenunterhalt von Jahr zu Jahr sinken. Von 7 Mio Euro 1994 sank der Betrag zum Flicken des Straßenbelages auf 4 Mio Euro im Jahr 2002 auf 750.000 Euro in diesem Jahr.“ Löwen-Center an der B 181 Der Ausbau der Infrastruktur hält noch immer an. Der Wohnungsneubau kam dagegen seit Mitte der 1990er Jahre aufgrund einer deutlichen Marktsättigung und dem Abbau der hohen Steuervorteile weitgehend zum Erliegen. Nach der ersten Euphorie fanden sich viele Leipziger nun in verhältnismäßig kleinen Wohnungen wieder, weit außerhalb urbaner Räume und mit schlechter Anbindung an den ÖPNV. Im selben Zeitraum sind aus vielen ehemals desolaten Altbauquartieren wieder attraktive und lebendige Wohnquartiere geworden, mit deren lebenswerter Urbanität die älteren wie die neuen Stadtrandsiedlungen bereits heute nicht mehr konkurrieren können. Parallel zur Suburbanisierung im Wohnungsbau fand eine solche Suburbanisierung auch im Gewerbebau statt. In den 1990er Jahren entstand um Leipzig ein Ring von Einkaufszentren auf der grünen Wiese, der auch noch heute zu einem enormen Kaufkraftabfluß führt (Saalepark, LöwenCenter, Wachau, Pösna Park, Paunsdorf Center). Die hier innerhalb kürzester Zeit entstandene Verkaufsfläche übertraf die der gewachsenen Stadt Leipzig anfänglich um das Dreifache. Allerdings gelang in den letzten Jahren eine Umkehrung dieser Entwicklung. Die Leipziger Innenstadt und zunehmend auch die innerstädtischen Stadtteilzentren gewinnen an Verkaufsfläche und Anziehungskraft. Dies ist nicht zuletzt die Folge eines konsequenten Wirkens von Leipzigs Stadtplanern und damit auch ein Beispiel dafür, wie Stadtplanung negative Prozesse umkehren kann. Doch auch hier bleibt weiterer Handlungsbedarf. So hat in den letzten Jahren nicht nur der Saalepark seine Verkaufsfläche vervielfacht, ganz aktuell wird dies auch für das Paunsdorf Center geplant. Hier ist die Rede von 150 Millionen Euro Investitionssumme, mit denen dem innerstädtischen Handel erneut massiv Konkurrenz gemacht werden soll. 1 - Leipziger Volkszeitung vom 07.03.2006; www.wasser-leipzig.de/index.php?page=124 2 - Wochenkurier vom 08.03.2006 Länge des Infrastrukturnetzes in Kilometer pro Einwohner in Leipzig (km/Kopf, gerundet)1 1990 1998 2005 Straßennetzlänge pro Kopf 0,0016 0,0029 0,0033 Rohrnetzlänge pro Kopf 0,0040 0,0059 0,0062 Zunahme in Prozent zwischen den Jahren 1990 und 2005 Straßennetzlänge Rohrnetzlänge + 106 % + 55 % (effektive Verkehrsfläche geschätzt + ca. 130 %) Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Kanalnetzlänge pro Kopf 0,0030 0,0047 0,0049 Kanalnetzlänge + 63 % 7 Bevölkerungsentwicklung 1989 lebten in Leipzig etwa 530.000 Einwohner. In den Jahren danach erlebte Leipzig einen regelrechten Exodus vor allem junger Bürger nach Westdeutschland, sowie einen starken Geburtenrückgang. Parallel dazu erfolgte eine Auszugswelle ins Leipziger Umland, so daß 1998 die Einwohnerzahl von Leipzig nur noch 437.000 betrug. Entgegen eines in den meisten ostdeutschen Städten anhaltenden Trends hat sich Leipzig aber nach den Einwohnerverlusten der 1990er Jahre heute auf einem Niveau von über einer halben Million Einwohnern stabilisiert und kann als Zuzugsinsel bezeichnet werden1. Der Suburbanisierungstrend ist nicht nur schwächer geworden, sondern hat sich 2002 sogar umgekehrt. Seitdem ziehen mehr Menschen aus den Siedlungsräumen der Stadtränder in die gewachsene Stadt. Leipzig ist seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zunehmend das Ziel von Wanderungsströmen vor allem aus den Klein- und Mittelstädten Westsachsens, aber auch aus den anderen neuen Bundesländern und dem Ausland geworden. Unter den Zuziehenden sind es insbesondere jüngere Bevölkerungsgruppen, die 18bis 30-Jährigen, die im Rahmen ihrer Ausbildung und Arbeitsplatzsuche nach Leipzig kommen. Bei den anderen Altersgruppen ist der Wanderungssaldo eher ausgeglichen. Das Bevölkerungswachstum in Leipzig ist derzeit noch ausschließlich auf Zuzugsgewinne zurückzuführen, denn noch sterben mehr Leipziger als geboren werden. Allerdings steigen aktuell die Geburtenzahlen spürbar. Nach Angaben des Jugendamtes der Stadt Leipzig hat sich die Zahl der Geburten gegenüber Mitte der 1990er Jahre von 2.500 pro Jahr auf gegenwärtig 4.300 nahezu verdoppelt2. Ein weiterer Anstieg ist durch den Zuzug vor allem junger Leute nach Leipzig absehbar3. Wirtschaft Gründe für den wachsenden Zuzug nach Leipzig sind neben der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes vor allem auch die wiedererlangte Urbanität der Stadt als „weicher“ Standortfaktor. Leipzig hat durch einige Großinvestitionen einen bedeutenden nationalen und internationalen Imagegewinn erfahren. Wirtschaftlich hat Leipzig einen erfolgreichen Strukturwandel vollzogen. Mit Porsche und BMW ist Leipzig zu einem bedeutenden Standort der Automobilindustrie geworden, hat in anderen Branchen wie Logistik (DHL), Medien- und Kommunikationstechnologie, Biotechnologie, Medizintechnik sowie Energie- und Umwelttechnik nachhaltige Marktpositionen aufgebaut. Unternehmen finden dabei in Leipzig eine reiche Forschungslandschaft vor, zu der mehrere Hochschulen gehören, darunter eine der größten und ältesten deutschen Universitäten. 1 - Kleinräumiges Monitoring des Stadtumbaus in Leipzig, Monitoringbericht 2005, S.I: „Die Bevölkerungszahl der Stadt Leipzig wächst entgegen dem Trend im Freistaat Sachsen aufgrund von Zuwanderungen. Die Bevölkerungszahl entwickelt sich – trotz eines gebremsten Anstiegs – in der Stadt noch immer günstiger als in den Umlandkreisen, deren Bevölkerung zurückgeht.“ 2 - s. Kreuzer 09/2006, S. 22 3 - Kleinräumiges Monitoring des Stadtumbaus in Leipzig, Wohnungsmarktbarometer 2005, S. 16: „Der Großteil der Befragten erwartet innerhalb der nächsten drei Jahre eine steigende (49%) bzw. in etwa gleichbleibende Einwohnerzahl (39%). Diese tendenziell positive, und gegenüber der Befragung des Vorjahres verbesserte Einschätzung der Leipziger Einwohnerentwicklung scheint sich unter anderem auf eine weiterhin erwartete positive Wanderungsbilanz gegenüber dem Umland zu stützen. Denn 58% der Befragten gehen davon aus, daß die Umzüge von Leipzig in das Umland in den nächsten drei Jahren weiter sinken werden; ebenfalls 58% erwarten steigende Umzüge vom Umland nach Leipzig“. 8 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Wohnungsleerstand Bereits 1990 standen in Leipzig über 20.000 Wohnungen leer, allerdings ausschließlich in einem nicht marktwirksamen unbewohnbaren Zustand. Um das Jahr 2000 erreichte der Leerstand mit fast 20 % seinen Höhepunkt. Er konzentrierte sich damals mit 39.000 Wohnungen auf die Gründerzeitbestände. Im Gegensatz zu den Altbauquartieren galten die großen Plattenbausiedlungen bis in die zweite Hälfte der 1990er Jahre als relativ stabil. Insgesamt sinkt der Wohnungsleerstand durch das Bevölkerungswachstum seitdem spürbar und stetig. Bereits bis 2004 konnte mit den deutlich gestiegenen Haushaltszahlen der Wohnungsleerstand auf 15 % reduziert werden. Diese Leerstandsangaben beinhalten auch zustandbedingt unvermietbaren Wohnraum. „Vor allem die jungen Leute wollen heute innenstadtnah wohnen, im Süden, im Norden, also die potentiellen Eltern. Gleichzeitig gibt es weiterhin Abwanderungstendenzen von jungen Leuten aus den klassischen Plattenbaugebieten, ob nun in Paunsdorf oder in Grünau.“ Siegfried Haller, Leiter des städtischen Jugendamtes im September 2006 1 Allerdings verteilen sich die Wanderungsgewinne innerhalb des Stadtgebiets sehr unterschiedlich. Gewinner sind nunmehr eindeutig die wieder attraktiven Altbauquartiere, die ausnahmslos Bevölkerungswachstum aufweisen. Einige dieser Wohngebiete wie z.B. in Gohlis Süd, der Südvorstadt oder auch in Schleußig sind bereits so ausgelastet, daß trotz vorhandener Nachfrage keine Zuwanderung mehr erfolgt. Teilweise kommt es hier sogar zu einer weiteren Verdichtung durch Wohnungsbau in den Innenhofbereichen. Diese gefestigten Quartiere beginnen ihrerseits deutlich auf ihre Nachbarquartiere auszustrahlen, indem nun hier verstärkt Zuzug stattfindet. So ist etwa eine signifikante Ausstrahlung von Schleußig auf das östliche Plagwitz zu beobachten. Plagwitz ist zudem als herausragendes Beispiel für einen Imagewandel vom verrufenen Industrieviertel zu einem gefragten Wohnviertel zu nennen. Besonders hervorzuheben ist aber auch der Leipziger Osten, wo die Bevölkerungszahlen allein in den letzten vier Jahren um sieben Prozent zugelegt haben2. Hier wohnen mehr junge Leute als anderswo, immer mehr Studenten und junge Familien zieht es hierher. Damit nimmt auch die Zahl der Kinder zu. Kleinteilig ist bei diesen Prozessen festzustellen, daß auch vermeintlich schwierige Einzellagen wie stark befahrene Straßen innerhalb der konsolidierten Quartiere gewinnen, z.B. die Könneritzstraße in Schleußig. Die peripheren Plattenbausiedlungen leiden dagegen unter wachsendem strukturellen Leerstand3, ebenso die einst für kurze Zeit dynamisch wachsenden suburbanen Siedlungen am Stadtrand. In diesen Bereichen finden trotz des allgemeinen Leipziger Bevölkerungswachstums deutliche Schrumpfungsprozesse statt. Die derzeit spürbar schrumpfenden Ortslagen liegen sämtlich in randstädtischen Lagen. Dies sind die Ortsteile Dölitz-Dösen (- 7,2 %), Grünau-Nord (- 4,4 %), Grünau-Siedlung (- 3 %), Mockau-Nord (- 2,5 %) und Wahren (- 1,8 %)4. Die Schrumpfung in den Siedlungen des industriellen Wohnungsbaus der DDR erfolgt dabei trotz zahlreicher, millionenschwerer baulicher Sanierungsmaßnahmen und Verbesserung der infrastrukturellen Ausstattung. Seit 1990 ist einer der Hauptschwerpunkte der Leipziger Stadtentwicklungspolitik, den Stadtteil Grünau mit hohem Aufwand in der Fläche zu erhalten und aufzuwerten. Insgesamt verlor jedoch Grünau seit 1989 von seinen ehemals knapp 90.000 Einwohnern bis heute mehr als 40.000 Einwohner. Ein Ende der Schrumpfung ist nicht in Sicht und aufgrund der Überalterung der Bevölkerung auch nicht erreichbar5. Tendenziell verlassen einkommensstärkere Haushalte und Familien mit Kindern die Siedlungen. Zunehmend ziehen aber auch sozial schwächere Haushalte nach. Ein bevorzugtes Ziel der Wanderungsströme aus Grünau sind die sanierten Altbauquartiere im Leipziger Westen. Prozentual steigt damit stetig der Anteil von Rentnerhaushalten. Der vergleichsweise geringe Zuzug nach Grünau erfolgt vor allem durch Menschen, für die diese Großwohnsiedlung wegen der billigen Mieten und des breiten Wohnungsangebots ein erster Anlaufpunkt in Leipzig ist. Dieser wird dann jedoch oftmals wieder verlassen, sobald besserer Wohnraum in anderen Stadtteilen gefunden wird6. 1- s. Kreuzer 09/2006, S. 22 2 - s. Leipziger Volkszeitung vom 18.03.2006 3 - Kleinräumiges Monitoring des Stadtumbaus in Leipzig, Monitoringbericht 2005, S. III: „Ein negativer Wanderungssaldo war 2004 wiederum in den durch Plattenbaubestände geprägten Ortsteilen - insbesondere den westlichen Teilen Grünaus - zu beobachten.“ 4 - s. Leipziger Volkszeitung vom 17.05.2006 5 - Ergebnisbericht Intervallstudie Wohnen und Leben in Leipzig-Grünau 2004, S.24: „Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß mit zunehmendem Rentneranteil bzw. überwiegend älteren Bevölkerungsschichten bei Abnahme jüngerer Einwohner und Familien ineinem einst kinderreichen Wohngebiet Leipzigs die Kinder rar werden. Damit ist absehbar, daß allein aus demographischen Gründen eine weitere Verringerung der Bevölkerungszahl erfolgen wird.“ 6 - ebd., S. 62: „Der hohe Anteil von überregionalen Zuzügen ist bemerkenswert und spricht vor allem für eine „Transferfunktion“, die Grünau für neu nach Leipzig Ziehende einnimmt. Da in Grünau leicht eine Wohnung zu bekommen ist, fungiert das Wohngebiet als eine erste Anlaufstelle, an der man sich zunächst niederläßt.“ Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 9 Aktuelle Gefährdung von rund 2.500 Gründerzeithäusern - eine Herausforderung? Probleme des ‚Stadtumbau Ost‘ in Leipzig 1 - Kleinräumiges Monitoring des Stadtumbaus in Leipzig, Monitoringbericht 2005, S.45: „Durch die Nachnutzung von Abbruchflächen sind in den Stadterneuerungsgebieten zwischen 1999 und Juli 2005 14,1 ha höherwertiger grüner Zwischennutzungen entstanden. Das dort bestehende Baurecht bleibt grundsätzlich bestehen, eine spätere Vermarktung ist möglich. 200 innerstädtische Flurstücke sind dadurch höherwertig gestaltet und per Gestattungsvereinbarung über Seit dem Zusammenbruch der DDR und dem Stopp der großflächigen Abrißprogramme sind in einem beispiellosen Kraftakt, in dem Hauseigentümer, Investoren, Kommunalpolitiker, Denkmalpfleger und engagierte Bürger zusammenwirkten, bis heute etwa 70 % aller Wohnungen aus der Gründerzeit im Geschoßwohnbau vollständig saniert worden, ebenso 60 % aus der Zwischenkriegszeit. Diese historische Leistung hat entscheidend dazu beigetragen, weite Teile der Stadt nach Jahrzehnten des Niedergangs wieder attraktiv und zukunftsfähig zu machen. Nach wie vor sind jedoch noch immer rund 2.500 Gründerzeithäuser unsaniert und oftmals dem ungebremsten Verfall preisgegeben. Immer häufiger müssen akut einsturzgefährdete Baudenkmäler aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden. Überdies wird die Durchlöcherung des urbanen Gewebes durch konzeptlose Abrisse auch baulich gesicherter, nicht selten auch teilsanierter Gebäude in manchen Gründerzeitquartieren noch beschleunigt. Damit besteht die Gefahr, daß das urbane Grundgerüst der Stadt Leipzig nachhaltigen Schaden nimmt und, wie bereits geschehen, für die Denkmallandschaft der Stadt unersetzliche Baudenkmale vernichtet werden. Hinzu kommt, daß der öffentlichen Hand durch die Begrünung der durch Abriß entstehenden Freiflächen erhebliche Kosten entstehen: So wurden im Zeitraum von 1999 bis 2005 in Leipzig Mittel in Höhe von 6 Mio Euro für die (temporäre!) Nachnutzung von Abbruchflächen eingesetzt1. Hauptproblem ist jedoch, daß bislang in privater Hand stehende Grundstücke nun in den städtischen Verantwortungsbereich wechseln. Einnahmen aus Grundbesitzabgaben entfallen, dafür muß die Stadt für die Unterhaltung sorgen (Pflege, Winterdienst, etc.). mehrere Jahre als öffentliche Grünfläche gesichert. Dafür wurden 5,97 Mio. € Fördermittel eingesetzt.“ 2 - ebd. S.46f: „Für den Rückbau von Wohngebäuden wurden seit 1991 in Leipzig Fördermittel in Höhe von 15,1 Mio. € eingesetzt, davon 3,3 Mio. € in 2001/2002 aus dem Landesrückbauprogramm und 11,8 Mio. € in 2003/2004 aus dem Programm Stadtumbau Ost, Programmteil Rückbau. Mit diesen Mitteln wurden 3.970 Wohnungen abgerissen. Der geförderte Abriß erfolgte zu etwa zwei Dritteln im Plattenbau und zu etwa einem Drittel im Altbau. 68% der bisher abgerissenen Wohnungen gehörten der LWB, 11% den Genossenschaften, 18% Privateigentümern und 3% der Stadt Leipzig. Der Fördermitteleinsatz konzentrierte sich neben der Großsiedlung Grünau auf die Altbaugebiete im Leipziger Osten und Westen. 3 - Stadtumbau Ost - Stand und Perspektiven. Erster Statusbericht der Bundestransferstelle 2006, S.74: „Im Altbaubestand wird es vor allem darum gehen, die Ressourcen stärker auf die stadtentwicklungsrelevanten, image- und stadtbildprägenden Quartiere und Gebäude zu konzentrieren. (…) Vor dem Rückbau von Gebäuden ist die Frage zu beantworten, inwieweit diese Maßnahme tatsächlich einen Zugewinn an neuer Stadtqualität ermöglicht. Im Zweifelsfall ist es dann besser, Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen als einem vorschnellen Rückbau zuzustimmen.“ (…) „In den Plattenbaugebieten muß, gerade bei der Umsetzung von Aufwertungsmaßnahmen, in noch viel stärkerem Maße die Frage nach einer langfristigen Tragfähigkeit gestellt werden.“ (…) Manche Akteure (Wohnungsunternehmen wie auch Kommunen) tun sich (auch angesichts in der Vergangenheit getätigter Investitionen) schwer, die Zukunftsfähigkeit einzelner Wohnungsbestände realistisch einzuschätzen. Die derzeit anstehende Fortschreibung der städtebaulichen Entwicklungskonzepte zeigt, daß der notwendige Rückbaubedarf in der ersten Phase des Stadtumbaus in vielen Fällen deutlich unterschätzt wurde. Werden diese Signale nicht ernst genommen, besteht in bestimmten Fällen die Gefahr weiterer Fehlinvestitionen in Bestände, die langfristig möglicherweise nicht zu stabilisieren und auf dem Wohnungsmarkt abzulösen sind. Strategische Entscheidungen dürfen sich dabei nicht allein auf die bestehenden Wohnpräferenzen der derzeitigen Bewohner in den Plattenbausiedlungen stützen.“ 10 Maßgeblich befördert werden diese Abbrüche durch das speziell für die ostdeutschen Städte aufgelegte Fördermittelprogramm „Stadtumbau Ost“2. Dieses seit 2002 bestehende Programm kommt auch in Leipzig zur Anwendung - ungeachtet der hier tatsächlich stabilen und sogar ansteigenden Bevölkerungszahlen. Zweck des Programms ist die Förderung des Abrisses von dauerhaft nicht mehr benötigtem Wohnraum und andererseits einer flankierenden Aufwertung der dauerhaft lebensfähigen Stadtviertel. Ansatz des Förderprogramms ist die sogenannte bauliche „Schrumpfung“ der Stadt von außen nach innen. Danach sollen die Städte an den Rändern zurückgebaut werden, ihre historischen Kerne dagegen an Attraktivität gewinnen. Eine aktuelle Untersuchung des Bundesbauministeriums zum Stand des Stadtumbauprogramms kommt zu dem Schluß, daß mit dem Instrument des Rückbaues sorgsamer umzugehen ist und in Zukunft eine konsequente Prioritätensetzung zugunsten der stadtbildprägenden Quartiere und Gebäude erfolgen muß3. Eine nahezu einhellige Forderung aller Experten ist, daß der Rückbau flächig und nicht als Ausdünnung vorhandener Stadtviertel zu erfolgen habe. Die Gründe dafür lägen neben zwingenden städtebaulichen Aspekten in den Unterhaltungskosten für die immer geringer ausgelastete Infrastruktur. Sinkt die Zahl der Nutzer an einem Versorgungsstrang (Frischwasserleitung, Abwasserleitung, Gas, ÖPNV, etc.), so verringert sich dessen Funktionsfähigkeit, wie andererseits die nun auf weniger Haushalte umgelegten Unterhaltungskosten pro Nutzer rapide ansteigen werden. Zahlreiche Abwasserleitungen müssen bereits regelmäßig mit Frischwasser durchspült werden, da das anfallende Abwasser nicht mehr normal abfließt. Sogar eine bedenkliche Verschlechterung der Qualität des Trinkwassers durch zu lange Standzeiten in den zu weiten Rohrleitungen ist absehbar. Bus- und Bahnlinien werden in ihren Außenstrecken kaum noch kostendeckend genutzt. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Damit das Fördermittelprogramm seinen Zweck erfüllen kann, sind die Kommunen aufgerufen, die entsprechenden Abriß- und Aufwertungsgebiete in sogenannten „integrierten Konzepten“ auszuweisen. Sie sollen eindeutig definieren, welche Wohngebiete wirklich nicht mehr haltbar und auch aus städtebaulichen Gründen am ehesten verzichtbar sind. Andererseits sollen erhaltenswerte Kerne der Stadt präzise definiert werden. Bislang haben es jedoch die ostdeutschen Städte zumeist nicht vermocht, die Mittel aus dem Stadtumbauprogramm sinnvoll zu kanalisieren. Gemäß dem Stadtentwicklungsplan (STEP) Wohnungsbau und Stadterneuerung gehören Gebiete in sämtlichen Altbauquartieren grundsätzlich zum potentiellen Abrißgebiet. Der aktuelle Bericht des Sächsischen Rechnungshofes zum Programm „Stadtumbau Ost“ kommt daher auch zu der eindeutigen Feststellung, daß die Gelder im Hinblick auf die bezweckten strukturellen Verbesserungen nahezu wirkungslos versandet sind 4. Auch nach Ansicht des Rechnungshofes wurden sogar falsche Anreize geschaffen („angebotsinduzierte Nachfrage“). Jeder Abriß-Quadratmeter wird mit 60 € vergütet (bis 31.12.05 sogar 70 €). Dazu kommt für die Wohnungsbaugesellschaften bei einer hinreichend hohen Abrißquote der Erlaß von Altschulden. An Abrißkosten sind in Sachsen tatsächlich zwischen 28 Euro/qm in Weißwasser und 38 Euro/qm in Chemnitz zu kalkulieren5. Der kurzfristig über Fördermittel Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 zu erzielende Gewinn steht dabei regelmäßig in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Wert des abgebrochenen Gebäudes. Vielfach wurden und werden gerade auch denkmalgeschützte Gebäude abgerissen, weil dies gefördert wird. Wertvolle, historisch gewachsene Stadtstrukturen wurden sinnlos zerstört, während gleichzeitig in die Plattenbaugebiete an den Stadträndern massiv Investitionen in deren Sanierung und Aufwertung geflossen sind. Das für viele Leipziger identitätsstiftende Doppel- Aufgrund dieser Abrißförderung hat sich in Leipzig nun ein regelrechter Wettlauf zwischen Abriß und Sanierung herausgebildet. Auf der einen Seite möchten die Hauseigentümer (vor allem die städtische Wohnungsbaugesellschaft LWB, zunehmend aber auch private Abrißspekulanten) in den finanziellen Genuß der Förderung gelangen. Dem gegenüber steht eine Sanierungstätigkeit durch lokale Bauträger (GRK, Hildebrand & Jürgens, REC 24, etc.), welche seit etwa 2004 wieder deutlich zunimmt. Das Vertrauen in den Markt ist also offensichtlich vorhanden. Verstärkt interessieren sich auch wieder Privatinvestoren und größere auswärtige Bauträger für Leipzigs Altbaubestände. Innerhalb der Immobilienwirtschaft gewinnen seit etwa einem Jahr Altbauten sowohl in ganz Deutschland als auch im Ausland immer stärkere Aufmerksamkeit. Seitens der Immobilienwirtschaft (Immobilienverband Deutschland) wird aktuell Leipzig neben München als Musterinvestitionsort für Altbaubestände gepriesen6. Hier spielen insbesondere die veränderten steuerlichen Absetzungsmöglichkeiten eine immense Rolle. Bisherige, sehr zugkräftige Steuersparmodelle wie Medienfonds und Schiffsbeteiligungen, die Eigenheimzulage und degressive Abschreibungen für den Neubau von Mietwohnungen sind per 1. Januar 2006 ersatzlos entfallen. So ist der Denkmalschutz als fast einzige Form der bisherigen Steuerabschreibungsmöglichkeiten übrig geblieben. Im Ergebnis läuft derzeit eine anhaltend hohe Nachfrage nach Wohnraum in den Altbauquartieren parallel zu einer deutlich steigenden Investitionsbereitschaft in Altbauten, insbesondere in ausgewiesene Baudenkmale. Vor diesem Hintergrund ist das letzte noch unsanierte Viertel der Leipziger Altbauten tatsächlich nicht ein hoffnungsloser Problemfall, sondern vielmehr ein interessanter und gefragter Investitionsgegenstand. Kaum eine andere deutsche Stadt dürfte ein mit Leipzig vergleichbares Investitionspotential im Altbau mit realen Vermietungschancen vereinen. Zugleich hat sich der Mietwohnungsmarkt stabilisiert, gleichzeitig sind mit der wachsenden Nachfrage auch wieder steigende Mieten zu beobachten. Trotzdem ist es weiterhin mitunter wegen der vorhandenen Fördermittel für kurzfristig kalkulierende Hauseigentümer lukrativer, ihr Haus abzureißen, als es an sanierungswillige Investoren zu verkaufen. Gebrauch von diesem Anreiz machen dabei aber weniger die langfristig kalkulierenden privaten Hauseigentümer als vielmehr die städtische Wohnungsbaugesellschaft LWB, aus deren Bestand 68 % aller bislang unter Fördermitteleinsatz in Leipzig abgebrochen Gebäude stammen. Die Wurzner Straße 56 wurde wie zahlreiche andere Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 haus Friedrich-Ebert-Straße 81a/b - das sogenannte Märchenhaus - hatte eine selbst für Leipzig einzigartig reiche Baugestalt, in der sich Stilformen der Spätgotik und Renaissance mit solchen des Jugendstils üppig verbanden. Nach jahrelanger Vernachlässigung folgte auf einen Dachstuhlbrand 2006 nicht die mögliche Sicherung, sondern der Totalabriß des insgesamt standfesten denkmalgeschützten Gebäudes - eine für Leipzig typische Abfolge. Baudenkmale aus der Reihe gebrochen, um durch einen von der Stadt hier großflächig geplanten sogenannten Dunklen Wald ersetzt zu werden. Allerdings sind mehrere der privaten Hausbesitzer nicht bereit, diesem nur temporären Konzept (Planungshorizont etwa 10-15 Jahre) ihre Häuser zu opfern. Dies gilt auch für die flankierenden Nachbargebäude der Wurzner Straße 56. 4 - Bericht des SRH 2005, S.170ff: „Zudem behindern z. T. gegenläufige Interessen zwischen Wohnungsunternehmen und Kommunen die Erreichung des Programmziels, wenn beispielsweise nach Plänen des Wohnungsunternehmens aus wirtschaftlichen Gründen bestimmte Gebäude abgerissen werden sollen, was aber die Stadt aus stadtgestalterischen Gründen oder Denkmalschutzgründen nicht befürwortet, oder wenn Wohnungsunternehmen entgegen den Planungen des flächenhaften Rückbaus der Stadt Bestände erhalten und sanieren wollen.“ … „Die Prüfung hat zudem gezeigt, daß die pauschale Förderung von 70 €/m² und auch die ab 2005 geltende Pauschale von 60 €/m² die tatsächlich anfallenden förderfähigen Kosten oft übersteigt und dadurch den Unternehmen Restfördermittel verbleiben, die sie ohne Zweckbindung und staatliche Steuerung verwenden können.“ … „Um mit insgesamt unzureichenden Mitteln überhaupt Ziele des Stadtumbaus zu erreichen, muß das Fördergeschehen sich auf einen flächenhaften Rückbau konzentrieren.“ … „Die Stadtumbaugebiete müssen sich auf die Gebiete mit erheblichen städtebaulichen Funktionsverlusten beschränken und sollten nach Schwerpunkten räumlich getrennt werden.“ 5 - Die Welt vom 20.06.2006 6 - Die Welt vom 29.12.2005 11 Zerstört Auswahl wichtiger abgebrochener Kulturdenkmale seit 1999 Gerichtsweg 8 Geschäftshaus im Jugendstil, reich verzierte Sandsteinquaderung im Erdgeschoß, schmiedeeisernes Treppenhaus um einen mittigen Fahrstuhlschacht. Zusammen mit Gerichtsweg 10 wegen Straßenbau abgebrochen. Gerichtsweg 10 (Bild rechts) Geschäftshaus im Stil der Neorenaissance. Klinkerfassade mit aufwendigen Sandsteingliederungen, Mittelerker aus Sandstein mit Muschelgiebel und Balkon im 3.OG. Vor dem Abbruch saniert und genutzt. Schönefelder Straße 6 (Bild nächste Seite) Jugendstilwohnhaus der Brotfabrik Gebr. Joachim Pätz&Co mit gediegener Ausstattung, im EG Natursteinsockel, im OG rote Klinker mit reliefiertem Putz, hofseitige Balkone, Wohnungen mit Edelholzdielen, Stuckdecken und aufwendigen Futtertüren. Zweinaundorfer Straße 30-34 Wohngebäudezeile mit Eckhaus an der Martinstraße, frühgründerzeitliche Gebäude mit Putzfassade und dezenten Sandstein und Stuckelementen. Czermaks Garten 14-16 - Kunstverlag Eckert & Pflug Gründerzeitliche Putzbauten mit sehr geringer Gebäudetiefe, Fassaden überformt und vereinfacht, bauliche Insel nach Zerstörungen des Krieges. Wegen Straßenbau abgebrochen. Friedrich-Ebert-Straße 62 (Bild nächste Seite) Spätklassizistisches Wohnhaus mit großen Etagenwohnungen, Fassade mit feinem Stuck und französischen Fenstern mit vorgelagerten Austritten in den Mittelzimmern, schöne alte Kachelöfen in einigen Wohnungen. Talstraße 3 Ehemals eingebautes Wohnhaus mit reichen Stuckdecken. Eines der wenigen Häuser, welches die Zerstörungen des Krieges im Bereich des Grassi-Museums überstanden hat. Zuletzt durch den Union-Verlag genutzt. Pfaffendorfer Straße 5 (Bild nächste Seite) Herrschaftliches Wohnhaus, um 1870 errichtet, mit zwei Seitenflügeln und Etagenwohnungen. Hausflur mit ionischen Säulen, Treppenanlage aus Eiche mit Schnitzwerk, dreiflügelige Wohnungstüren, reiche Stuckdecken, Parkett, mit Stucksopraporten bekrönte Flügeltüren. Markranstädter Str. 11/13 (Bild nächste Seite) Zwei Wohngebäude an sanierte ehem. Fabrik angebaut, Jugendstilfassade mit gelben Klinkern und Vogelornamenten, Treppenhaus im Originalzustand mit Wandmalerei. Stuckdecken, Zimmertüren mit Stucksopraporten mit floralen Motiven – guter Gesamtzustand. Karl-Heine-Straße 113 Fünfgeschossiges spitzwinkliges Eckhaus an einem typischen Plagwitzer Industriegleis („Bügeleisen“), Fassade aus roten und gelben Klinkern mit Verdachungen, Gesimsen und Konsolen aus Werkstein. Altranstädter Straße 22, 24, 26 Nr. 24 und 26 einfache eingebaute Wohnhäuser, Nr. 22 qualitätvoller mit Natursteinsockel und Gesimsen in der Fassade, Wohnungen mit Stuckdecken, sehr guter Bauzustand. Durch den Abbruch ist Nr. 28 nun freistehend. Querstraße 30 Um 1880 errichtetes viergeschossiges Mietshaus mit Ladeneinbauten im EG und eleganten mittelständigen Wohnungen mit Stuck und reichen Futtertüren, Fassade mit Sandsteinverdachungen über den Fenstern und Stuckarbeiten mit Löwenkopfmotiven. Dieskaustraße 79 Freistehendes Wohnhaus mit Erker, um 1910 errichtet, zweispännig, Putzfassade mit Antragsarbeiten, Wohnungen mit Pitchpinefußböden und Stuckdecken im Stil der Zeit, hofseitige Balkone – guter Bauzustand, Dach und Fassaden fördermittelgesichert. Hentschelsiedlung (Seite 17) In den 1930er Jahren entstandene gartenstadtartige Siedlung am südlichen Stadtrand. Die zweigeschossigen Häuser bildeten ein Ensemble um einen begrünten Innenbereich. 12 Friedrich-Ebert-Straße 81 a/b (Bilder Seiten 11, 18, 19) Herausragender Wohnhausbau des Architekten Robert Röthig, Meisterwerk des Eklektizismus in Leipzig – absolut unikate Architektur, reich gegliederte Fassade auf neogotischem Sandsteinsockel, Erker und Balkone mit übereichen Figurenschmuck, selbst Säulenschäfte mit Masken verziert, Hauseingänge mit Kreuzgewölbe und Mosaikfußboden, Wände mit Marmorbändern, aufgesattelte Eichenholztreppen mit eigenwilligen reich geschnitzten Geländern, Schablonenmalerei, in den Wohnungen unterschiedlichste Stuckdecken im Jugendstil, Futtertüren mit aufwendigen Bekleidungen analog des Treppenhauses. Humboldtstraße 12 (Bild nächste Seite) Um 1870 errichtetes elegantes Mietwohnhaus aus der ersten Phase der planmäßigen Bebauung der inneren Vorstädte. Putzfassade mit frühgründerzeitlichen Stuckelementen. Ungebremster Verfall führte zum Abbruch des Denkmals. Torgauer Straße 22 (Bild nächste Seite) Linke Doppelhaushälfte eines axialsymmetrischen Hauses in geschlossener Bebauung, Klinkerfassade mit vom aufkommenden Jugendstil geprägten Zierelementen. Wohnungen mit einfachen Stuckdecken, rechte Haushälfte saniert und bewohnt. Lange Straße 8 und 10 Klassizistische Mietshäuser, Nr. 8 mit Eingangsportal aus schlanken gußeisernen Säulen in profiliertes Mauerwerk gefaßt. Nr.10 sehr hohes und schmales Haus, Wohnung im 1.OG mit gründerzeitlichen Verzierungen (hölzerne Sopraporte über den einflügeligen Türen). Querstraße 26-28 - Thiemes Hof (Bild Seite 14) Um 1870 errichteter Geschäftshauskomplex mit H-förmigem Grundriß. Die Fassaden der beiden Flügel an der Querstraße mit Erkern, reiche Innenausstattung mit Stuckdecken, Flügeltüren und Parkett. In den Erdgeschossen Verkaufs- und Lagergewölbe. Zwei runde Treppenhäuser mit korinthischen Innensäulen aus Eichenholz und mittigem Fahrstuhl. Spätklassizistische Putz- und Stuckfassade mit Sandsteingesimsen. Bedeutendster und größter Geschäftshofbau außerhalb der Innenstadt. Dittrichring 11 Um 1870 errichtetes Wohn- und Geschäftshaus gegenüber der Thomaskirche, ehemals herrschaftliche Raumausstattungen, besonders wertvoller Eingangsbereich mit Carrarischem Marmor und Stuckarbeiten im klassizistischen Stil mit Neorenaissanceelementen. Scherlstraße 10-12 Klassizistische Häuser, letzte Reste der Gebäudezeile in welcher Friedrich Nietzsche wohnte. Imposantes zweiflügeliges Metalltor mit gußeisernen Löwenköpfen. Augustenstraße 9 (Bild Seite 15) Fünfgeschossiges Wohnhaus mit spätklassizistischen vollständig erhaltenen Stuck- und Sandsteinverzierungen in der Fassade. Dachdeckung erneuert, Haus gesichert, die nachfolgenden weniger gut erhaltenen und ihres Zierrates beraubten Nachbarhäuser werden als Selbstnutzerobjekte angeboten. Eisenbahnstraße 68, 70, 72 (Bild Seite 15) Fünfgeschossiges Gebäudeensemble von architektonisch zusammengehörigen Wohn- und Geschäftshäusern in geschlossener Blockrandbebauung. Das Mittelhaus Nr. 70 mit Erkern und sehr eleganten Wohnungen mit Stuckdecken, aufgesattelte Eichenholztreppe mit vollständig erhaltenem Geländer und reich geschnitzten Antrittpilaren, aus Wohngebäudesicherungsprogramm Dach mit Tonziegeln neu gedeckt, Verblechungen Fassade erneuert, Hof entkernt. Nr. 68 schon zu DDR-Zeiten als Geschäftshaus umgebaut, Wohnungen auf den Etagen waren zusammengelegt und mit Zentralheizung ausgestattet, Treppen sehr detailreich in Eiche und vollständig erhalten. Nr. 72 Wohnhaus in der Qualität wie Nr. 68. Die Gebäude Nr. 66-74 bildeten eine bauliche Einheit, der Fassadenschmuck vom Mittelhaus Nr. 70 setzte sich nach den Seiten zu den Nachbarhäusern fort und wurde an diesen jeweils etwas schlichter interpretiert, so daß die Grenzen der fünf Häuser optisch ineinander übergingen. Die Fassaden bestanden aus profilierten Sandsteingesimsen welche durchlaufend von runden und dreiekkigen Fensterverdachungen über einem oder zwei Fenstern gegliedert waren, darunter Konsolen und Platten mit grotesken Maskenornamenten aus Stuck. Die flankierenden Häuser sind saniert und bilden nun einen baulichen Torso analog willkürlicher Kriegszerstörungen. Ein derartiges Ensemble im Stil der Neorenaissance ist in Leipzig äußerst selten und nur noch in der Eisenbahnstraße 41-45 erlebbar. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Gerichtsweg 10 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 13 Zerstört 14 Friedrich-Ebert-Straße 62 Humboldtstraße 12 Markranstädter Straße 11 Pfaffendorfer Straße 5 Torgauer Straße 22 Wurzner Straße 132 Hirzelstraße 17 Friedrich-Ebert-Straße 93 Schönefelder Straße 6 Braustraße 26 Thiemes Hof Gohliser Brauerei Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Augustenstraße 9 Köbisstraße 11 Täubchenweg 90-92 Eisenbahnstraße 68-72 Fr.-Ebert-Straße 95 a/ Waldplatz HNO-Klinik Liebigstraße 18 a Markranstädter Straße 11 Windorfer Straße 17 Restauration „Terrasse“ Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 15 Zerstört Emilienstraße/ Karl-Liebknecht-Straße Philipp-Rosenthal-Straße/ Johannisallee Wurzner/ Brandiser Straße Eisenbahnstraße 16 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Torgauer/ Wurzner Straße Sternwartenstraße Gerichtsweg/ Dresdner Straße Hentschelsiedlung Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 17 Zerstört Treppenhaus Fr.-Ebert-Str.81 a/b Fassade Czermaks Garten 6 Fassade Täubchenweg 92 Fassadendetail Täubchenweg 90 geborgene Stuckornamente Braustraße 26* Fassadendetail Täubchenweg 87 Fassade Gerichtsweg 8 Kapitellfragment Wurzner Straße 56* Fragment Wurzner Straße 114* * auf Privatinitiative hin aus dem Bauschutt gerettet 18 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Fassadendetail Friedrich-Ebert-Straße 81 a/b Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 19 Bedroht Auswahl akut abbruchgefährdeter Kulturdenkmale Wohnanlage Buschenaustraße Eigentümer: LWB In sich geschlossene Wohnanlage aus den 1930er Jahren unter Verwendung dunkelroter Klinker im Wechsel mit Putzflächen, hochwertiger Vertreter der Architektur dieser Zeit. Aurelienstraße 56-58 Eigentümer: unbekannt, Entwicklung: TLG Eckhaus mit Klinkerfassade direkt an den Karl-Heine-Kanal grenzend, anschließend im Uferverlauf ein industrieller Klinkerbau. Nr. 58 mit reicher Stuckfassade, in beiden Häusern für die Gegend auffallend detailreiche Stuckdecken, Flügeltüren mit Sopraporten aus Stuck. Kurt-Schumacher-Straße 43 Eigentümer: privat siehe Seite 37 Karl-Heine-Straße 82 und 84 Eigentümer: unbekannt, Entwicklung: TLG Zwei fünfgeschossige Häuser der Firma Rud. Sack, Klinkerfassaden mit typischer Neorenaissancegliederung, Stuckdecken, insgesamt gute Bausubstanz, die bei Neubebauung des Areals gut integriert werden kann. Gerichtsweg 5 Eigentümer: TLG Pendant zum ältesten deutschen Stahlbetonbau der Drukkerei Röder in der Perthesstrasse, sollte im Interesse der Ensemblewirkung mit dem Flügel in der Perthesstrasse entwickelt werden. Täubchenweg 17 Bibliographisches Institut (Bild nächste Seite) Eigentümer: TLG Herausragend wichtiger Ort für die Kultur der deutschen Sprache und Allgemeinbildung (Duden, Meyers Lexikon). Breite Straße 32 Eigentümer: privat Spätklassizistisches Eckhaus. Scheffelstraße 36 Eigentümer: LWB Vornehmes Jugendstilwohnhaus, noch geprägt von der ausklingenden Neorenaissance, mit großem Fördermitteleinsatz gesichert, gute Wohnlage. Fassade ursprünglich mit Balkonen. Siehe auch Seite 39 Eisenbahnstraße 129 und 131 (Bild rechts) Eigentümer: privat An Zierat reiches mehrgeschossiges Eckhaus mit Erker und Kuppelturm im Stile der Neorenaissance mit später errichtetem Nachbarhaus mit bossiertem Natursteinsockel und ebenfalls Erkern in Formen des Jugendstils. Beide Gebäude sind unverzichtbare Dominanten am so genannten „Torgauer Platz“. Dieser Platz ist der letzte ohne Verluste erhaltene große gründerzeitliche Stadtplatz Leipzigs. Auch der Neubau an der Torgauer Straße nimmt ausdrücklichen Bezug auf diese Platzarchitektur, ein Verlust dieser Häuser wäre nicht nur der endgültige Verlust des vollständig erhaltenen Platzes, sondern würde auch den Neubau aus seinem städtebaulichen Zusammenhang reißen, welcher dann ungewollt den Platz beherrscht, ohne auf ihm zu stehen. Eisenbahnstraße 64 Eigentümer: privat und LWB Eckhaus mit Jugendstilelementen und Erkern, die dem Gebäude Nr. 66 noch einen städtebaulichen Zusammenhang im Stadtteilpark Rabet verleiht. Wohnanlage Zerbster Straße Eigentümer: LWB siehe Seite 40 Wurzner Straße 96 Eigentümer: privat Fünfgeschossiges Wohnhaus mit reichem bauplastischen Fassadenschmuck, bildet den Anfang einer baulichen Insel von mehreren bewohnten Häusern, deren Eigentümer sich dem „Lichten Hain“ widersetzen. Gute Entwicklungschancen durch unverbaubare Südseite mit Blick in Kleingärten, Kindergarten in unmittelbarer Nähe. Käthe-Kollwitz-Straße 6 Eigentümer: LWB siehe Seite 42 Hermann-Liebmann-Straße 43 Eigentümer: privat Wichtiges und im Zustand seiner Erbauung erhaltenes Eckhaus am Rabet. Bildet nunmehr durch seine detailreiche Fassade und den betonenden Eckerker eine besonders dominante Raumkante des neu entstandenen Stadtteilparks Rabet, als Kopfbau für die die erhaltenswerte Altsubstanz ergänzenden nachfolgenden geplanten Stadthäuser von entscheidender städtebaulicher Bedeutung. Margaretenstraße 6 Eigentümer: privat Sehr qualitätvolles Wohnhaus in Sichtweite des Elsaparks, keine gegenüberliegenden Gebäude, solider Bauzustand mit einmaligem Portal aus Zöblitzer Serpentin, Fassade mit Halbsäulen, Fensterverdachungen und Gewänden aus Sandstein mit roten Verblendklinkern. Wohnungen mit feinen Stuckdecken, Originaltüren mit Sopraporten, geschliffenes Kristall -Farbglas in den Treppenhausfenstern, angrenzende Häuser saniert und bewohnt. 20 Friedrich-Ebert-Straße 91 Eigentümer: privat Ehemals – und nun wieder- freistehende klassizistische Mietvilla, das nunmehr älteste noch erhaltene Baudenkmal dieses Straßenabschnittes und vorletztes Gebäude der in Auflösung begriffenen Straßenseite. Original erhaltene Flügeltüren mit den zeittypischen Schlössern und zapfenförmigen Fitschbändern, schlichte, gewundene und eingelassene Eichenholztreppe, Etagenwohnungen mit partiell vorhandenem später eingebautem Deckenstuck Verwendung von Ziegelsteinen im Klosterformat. Konradstraße 36-38 Eigentümer: unbekannt Reste des durch Kriegseinwirkung beschädigten Geschäftshauses Wirth an der Hermann-Liebmann-Straße. Bauwerk aus roten Klinkern unter Verwendung von Profilklinkern, ehemals reicher bauplastischer Schmuck – Reste davon noch erhalten (Fratzen als Schlußsteine der Fensterstürze), sollte in das am Rande des Stadtteilparks Rabet geplante Nahversorgungszentrum integriert werden. Wurzner Straße 108 (Bild Seite 23) Eigentümer: unbekannt Jugendstilhaus mit gegliederter Klinker- und Putzfassade. Bildet den östlichen Abschluß einer „baulichen Insel“. Spitzwinklig verlaufende Giebelwand, die neuen Bäume des „Lichten Hains“ sind parallel dazu gepflanzt – eine Erhaltung des Gebäudes würde das Gesamtvorhaben noch ein wenig städtebaulich aufwerten. Wurzner Straße 38 (Bild nächste Seite) Eigentümer: unbekannt Hochwertiges Eckhaus an der Roßbachstraße, Neorenaissancebau mit Eckerker in reicher Formensprache, angrenzend ebenfalls gleichwertige, teilweise sanierte und bewohnte mehrgeschossige Mietshäuser mit eleganten Wohnungen mit nicht allzu großen Zuschnitten, die überwiegend Stuckdecken aufweisen. Auch die Treppenhäuser sind von auffallender Schönheit. Die gesamten Gebäude sind von der Fortführung des „Dunklen Waldes“ akut bedroht. Hofmeisterstraße 14 (Bild Seite 23) Eigentümer: LWB Geburtshaus des für die jüngere deutsche Geschichte bedeutenden Komponisten Hanns Eisler, früher Vertreter des Leipziger Mietshausbaues vom Beginn der zweiten Bebauungswelle in den inneren Vorstädten – guter Bauzustand, sollte ursprünglich für die Umfeldgestaltung eines innerstädtischen „Hirschgeheges“ weichen. Ruststraße 29 und 31 (Bild Seite 23) Eigentümer: unbekannt Gebäudezeile zwischen Knauthainer und Eytraer Straße (auf der Rückseite das neue Seniorenheim) bestehend aus einfacheren Mietwohnhäusern, die um 1880 errichtet wurden. Stark verwahrloster Zustand, abgebrannte Dachstühle und ungebremster Verfall nach abgebrochenen Sanierungen. Für den Erhalt der geschlossenen Blockstruktur im fast vollständig konsolidierten Wohngebiet von Bedeutung. Dammstraße 8, Schorler-Villa Eigentümer: privat Auf einem Eckgrundstück stehende, sehr reich verzierte Villa im Stil der Neorenaissance. 1891 errichtetes Wohnhaus des für die Entwicklung des Areales des alten Dorfes Schleußig (Hüffer) zum hochwertigen Wohnstandort verdienten Architekten Schorler. Lützner Straße 116 und 118 (Bild Seite 22) Eigentümer: unbekannt Zwei gut erhaltene Gebäude mit markanter Eckausbildung in der Formensprache des ausklingenden Jugendstils. Exponierte Lage an der Gabelung der Lützner Straße gegenüber der Einmündung der Henriettenstraße. Der KSP West sieht an dieser städtebaulich hoch interessanten Stelle eine belanglose Wiese vor. Meißner Straße 60-62 (Bild Seite 22) Eigentümer: privat Zwischen sanierten Häusern, in exponierter städtebaulicher Lage (schließt die Gebäudezeile zur H.-Liebmann-Straße aus der Blickrichtung vom Stannebeinplatz). Sehr reich und fein verzierte Sandstein- und Stuckfassade mit ebenfalls verzierten Mansarden mit Rundbogenfenstern, welche zum Vollgeschoß nachträglich vereinigt wurden. Doppelhaus mit asymmetrischen Eingängen – Unikat in Leipzig. Der Block ist in der Meißner Straße stark perforiert und z.Zt. „Bedarfsanpassungsgebiet“. Areal Mariannenstraße - Bennigsenstraße - Torgauer Straße - Hermann-Liebmann-Straße Eigentümer: Streubesitz siehe Seite 27 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Eisenbahnstraße 129 und 131 Eisenbahnstraße 129-131/ Torgauer Platz Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 21 Bedroht 22 Bibliographisches Institut Eisenbahnstraße 131 Lindenauer Markt 4 Meißner Straße 60-62 Wurzner Straße 32-38 Torgauer Straße 14 Wohnanlage Karl-Jungbluth-Straße Ostheimstraße Delitzscher Straße 81 Lützner Straße 118 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Bautzmannstraße 4 Wurzner Straße 104-108 Delitzscher Straße 81 Dieselstraße 7 Dohnanyistraße 1/ Hofmeisterstraße 14 Hermann-Liebmann-Straße 43 Aurelienstraße 58 Ruststraße 29 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Dieselstraße 9 23 Kommunale Schrumpfungsprozesse in Deutschland In Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern sind kommunale Schrumpfungsprozesse eines der drängendsten Probleme der Stadtentwicklung. Sie sind derzeit Gegenstand zahlreicher Studien und Fachpublikationen. So liegen mittlerweile auch übergreifende Studien über die Reaktionen der deutschen Kommunen auf das Schrumpfungsphänomen vor1. Ihnen zufolge gibt es in den Städten Deutschlands erhebliche Fehlentwicklungen, wobei sich Leipzig in diesen Kontext leider nahtlos einfügt. Die Grundfrage dabei ist, ob und mit welchen Resultaten die Städte schrumpfen. Im Mittelpunkt der Diskussion um die nachhaltige Entwicklung stehen die Steuerung der Siedlungsflächenentwicklung, die ressourcenschonende Stadtentwicklung, die sozialverträgliche Wohnraumversorgung und die Sicherung der Infrastrukturen. Eine allgemein angestrebte Entwicklungsrichtung zu Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung unter Schrumpfungsbedingungen gibt es allerdings nicht. Die Bandbreite der möglichen Entwicklungen liegt auf der einen Seite in der Schrumpfung durch „Rückzug aus der Fläche“, also einer Stadtentwicklung von außen nach innen. Leitbild einer solchen Stadtentwicklungspolitik wäre das traditionelle Bild der kompakten europäischen Stadt. Dem steht auf der anderen Seite die Vorstellung der „perforierten Stadt“ entgegen. Durch das Brachfallen von Wirtschaftsflächen oder den Rückbau nicht weiter genutzter Wohneinheiten kann eine Auflockerung der Stadtstruktur erreicht werden. Die genutzte Stadtfläche würde sich dabei jedoch nicht verringern, sondern nur die Einwohnerdichte weiter abnehmen. Unabhängig von diesen beiden Polen der Entwicklung kann das Phänomen des weiteren Wachsens in der Fläche durch neue Wohn- und Gewerbegebiete am Stadtrand auftreten. Derzeit sehen in Deutschland etwa die Hälfte der befragten Gemeinden in der Verringerung der Baudichte und der „besseren Versorgung mit Grün- und Freiflächen“ positive Aspekte des Bevölkerungsrückgangs, trotz aller damit verbundenen Probleme der Kostensteigerung für den Erhalt und Betrieb der Infrastruktur. Deutschlands Kommunen können kurzfristig einer Auflockerung und verstärkten Begrünung ihrer Quartiere mehr abgewinnen, als einem geordneten Rückbau der äußeren Stadtgebiete. So formulierte kaum eine der deutschen Städte für sich das Ziel, bestehende Siedlungsflächen vollständig aufzugeben. Begründet wird diese Politik fast durchgehend mit den Bedürfnissen der Wohnungswirtschaft, welche die Entscheidungen über Rückbauprojekte rein betriebswirtschaftlich fällt und dabei oft zusammenhanglos im Raum verteilte Objekte zum Rückbau auswählt. Ebenfalls gibt es in den Kommunen erhebliche Bedenken, auf entwickelte oder festgelegte Siedlungsflächen zu verzichten, da sie sich damit aus ihrer Sicht Optionen für bessere Zeiten verschließen würden. Die Rückbauprojekte der Wohnungswirtschaft, die den Leitbildern der nachhaltigen und behutsamen Stadtentwicklung entgegenstehen, können von den Planungsverantwortlichen selten verhindert werden. Wirtschaftliche Bestandssicherung ist für die (kommunalen) Wohnungsträger das erklärte Ziel. Im Extremfall führt dies nicht selten zum Abriß planerisch erhaltenswerter Substanz im Innenstadtgebiet, während der stadtstrukturell sinnvolle Rückzug am Rand von Großwohnsiedlungen nicht stattfindet. Ebenfalls muß festgestellt werden, daß die Anpassung der Infrastruktur bisher oft nicht im erforderlichen Maße mitbedacht wird, weshalb die Städte und die Träger der Infrastruktur höhere Kosten in Kauf nehmen müssen 2. Häufig wird seitens der planenden Verwaltung ausgeführt, daß der Schrumpfungsprozeß und die darauf folgenden ersten Rückbaumaßnahmen zu erheblichen Folgeproblemen geführt haben und die Kommunalfinanzen zunehmend belastet worden sind. Beispiele dafür sind die Unterauslastung der technischen Infrastruktur, die fehlende Bündelungsfunktion für den öffentlichen Nahverkehr und der erhöhte Kostenaufwand zur Pflege zusätzlicher Grünflächen. Damit führt die erkennbar einseitige, durch Förderprogramme unterstützte Ausrichtung der kommunalen Planungspraxis auf den Wohnungsmarkt zur Schaffung neuer Problembereiche. Auflockerung und Entdichtung - so ausdrücklich das Ergebnis der hier zitierten Studie - können daher als prioritäre Zielsetzungen nicht als förderfähig angesehen werden. 24 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Ein weiteres, besonders schwerwiegendes Manko des aktuellen Umgangs mit der städtischen Schrumpfung ist, daß diese nach Jahren der Tabuisierung nun auch öffentlich, aber sehr einseitig diskutiert wird. Beachtung finden durch Stadtplanung, Politik und Wohnungswirtschaft fast nur die meßbaren Größen wie Leerstand, Bevölkerungsrückgang und Brachflächen. Städtebauliche Qualität, Überlegungen zur langfristigen Nachfrage verschiedener Wohnlagen, Denkmalschutz, Identität und nicht zuletzt stadtgestalterische und stadtkulturelle Aspekte spielen derzeit oftmals keine oder zumindest eine nur verschwindend geringe Rolle. Dadurch werden vielerorts ausgerechnet jene Bauten und Wohnquartiere zerstört, die auf langfristige Sicht die Qualität der Stadt ausmachen könnten. Ihrer im Stadtbild ablesbaren Geschichte und damit Einzigartigkeit in Teilen beraubt, sinkt der Wert der Stadt als Identifikationsort für seine Bewohner und verliert seine Attraktivität als Zuzugsort, nicht zu sprechen vom Verlust an touristischem Potential als dem in weiten Landstrichen einzig verbliebenen aktuell wachsendem Wirtschaftszweig. Vollständig unreflektiert bleibt zudem, daß jedes Bauwerk für sich einen gebauten Wert darstellt, der mit dem Abriß unwiederbringlich zerstört wird. Der tatsächliche Wert zahlloser derzeit abgerissener Bauten übersteigt dabei deutlich die für den Abriß gezahlten Summen. Da der Eigentümer letztere jedoch als bare Prämie einstreichen kann, überwiegen für ihn - ganz kurzfristig gedacht - die Vorteile, da der entgegenstehende Wert des Gebäudes mit diesem verbunden und nicht sofort liquide ist. Um Stadtschrumpfungsprozesse künftig im Sinne von Nachhaltigkeit zu steuern, müssen weitere Parameter in die Planung dieser Prozesse integriert werden. Vor allem muß sich die Einsicht durchsetzen, daß man auf eine rein betriebswirtschaftlich auf gegenwärtige Verhältnisse reagierende Optimierung verzichtet, um nachhaltige Lösungen zu erreichen. Diese Forderungen zu erfüllen, bedarf es allerdings spezieller Rahmenbedingungen, die erst noch zu schaffen sind. Letztlich muß eine ganzheitliche Sicht auf Stadtumbau- und Stadtrückbauprozesse sowie die Integration aller zur Problemlösung notwendigen Handlungsfelder und deren Akteure gewonnen werden. 1 - Beispielsweise die folgende Studie, auf die im nachfolgenden Text Bezug genommen wird: Beseck/Hänsch/Henckel, Stadtplanung unter veränderten Vorzeichen. Ergebnisse einer Befragung der planenden Verwaltung schrumpfender Städte, in: EurUP 02/2006, S. 64-71. 2 - Zur städtischen Infrastruktur insgesamt zählen u.a. die soziale Infrastruktur (Kindergärten, Schulen, etc.) und die technische Infrastruktur, wie Verkehrsinfrastruktur (Straßen, ÖPNV, Bahn, etc.) sowie die stadttechnische Infrastruktur zur Wasserversorgung (Trinkwasser, Abwasser) und Energieversorgung (Strom, Gas, Fernwärme). Ca. 80 % der anfallenden Kosten für technische Infrastruktur sind Fixkosten. Bei Rückgang der Nachfrage steigen die Wartungskosten. Diese können sich mitunter sogar vervielfachen. Mit dem Nachfragerückgang verbundene Qualitätseinbußen (Bsp. ÖPNV - Verringerung der Taktfrequenz; Bsp. Abwasser - Spülen der Rohre mit Frischwasser) sowie steigende Kosten bedingen wiederum einen zusätzlichen Nachfragerückgang. Deshalb steigt der spezifische Erschließungsaufwand mit abnehmender Bebauungsdichte auch nicht linear, sondern progressiv. In einer Beispielrechnung der TU Dresden für Infrastrukturtarife wird bei einem unmittelbar schrumpfungsbedingten Rückgang der Nachfrager um 20 % letztlich von einem Nachfragerückgang auf 40 % ausgegangen, der im Ergebnis zu einer Tarifsteigerung für die verbleibenden Verbraucher auf 250 % führt. (vgl. Marschke, Stadttechnische Infrastruktur in schrumpfenden Städten. Ringvorlesung an der TU Dresden am 23. Januar 2006 (http://tu-dresden.de/die_tu_ dresden/zentrale_einrichtungen/zdw/veranstaltungen/ringvorlesung/Stadttechnische%20Infrastruktur%20in%20schrumpfen den%20Staedten.pdf#search=%22konzessionsabgaben%20erdgas%20chemnitz%22). Das Problem war bislang auch schon wiederholt Thema in der Presse, bsp.: VDI Nachrichten vom 28.03.02 Energie: Ostdeutsche Infrastruktur muss angepasst werden. Stadtwerke leiden unter Abriss von Wohnungen. - LVZ vom 05.02.03 „Zweite Miete“ wird immer teurer. - FAZ vom 23.02.04 Im Stadtumbau Ost drohen hohe Folgekosten. Wirtschaftlichkeit der Versorgungssysteme ist gefährdet / Studie empfiehlt Rückbau vom Stadtrand. - www.mdr.de vom 27.10.04 Nebenkosten. Warum sich Wassersparen im Osten kaum lohnt. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 25 Die derzeitige Leipziger Stadtplanung Seit dem Ende der DDR konnte durch das Wirken zahlreicher Akteure in einem gewaltigen Kraftakt ein Großteil der historischen Stadtstruktur und der Baudenkmäler Leipzigs gerettet werden. Hieran hatten Leipzigs Stadtplaner und Denkmalpfleger entscheidenden Anteil. Auch gegenwärtig laufen eine Reihe von Maßnahmen und Programmen, die eine langfristige Stärkung der Altbauquartiere zum Ziel haben. Dazu zählen Quartiersmanagement in entwicklungsfähigen, aber unterstützungsbedürftigen Stadtteilen im Leipziger Westen und im Leipziger Osten, aber auch die durchaus innovativen Instrumente der gezielten Förderung von Wohneigentumsbildung im Altbau (Selbstnutzer), die Ausweisung innerstädtischer Eigenheimstandorte (Stadthäuser) oder die Unterstützung von Zwischennutzungsprojekten (der Haushalten e.V. mit seinem Konzept der Wächterhäuser; www.haushalten.org). Eine deutliche Aufwertung haben historische Stadtviertel auch durch die Anlage von neuen Stadtparks z. B. auf einstigen Bahnanlagen in Plagwitz oder am ehemaligen Eilenburger Bahnhof erfahren. Seit 1999 sind in Leipzig knapp 20 Hektar neuer Grünflächen in Stadtteilparks entstanden. Nicht zuletzt wurde noch im vergangenen Jahr ein Gebäudesicherungsprogramm der Stadt Leipzig mit einem Volumen von 500.000 € auf den Weg gebracht, mit dem ca. 20 gefährdete stadtbildprägende Bauten für eine spätere Sanierung gesichert werden sollen. Trotz dieser sehr anerkennenswerten Bemühungen sind in der Leipziger Stadtentwicklungspolitik zugleich erhebliche Fehlentwicklungen zu kritisieren, die unter Umständen zu einer nachhaltigen Beschädigung von zukunftsfähigen Stadtstrukturen führen werden. Hatte man in den 1990er Jahren noch die Situation, daß in den Altbauquartieren trotz wachsenden Leerstands kein nennenswerter Abriß stattfand, wird dieser seit etwa 1999 mit zunehmender Dynamik betrieben. Eine solche Abrißdynamik entwickelt sich in diesen Vierteln parallel zu einer kontinuierlich ansteigenden Wohnraumnachfrage. Im Zeitraum 2001 bis 2004 wurde der Abriß von 1.312 Altbauwohnungen mit öffentlichen Geldern gefördert. Zeitweilig übertraf der Abriß im Altbaubestand sogar den Plattenbauabriß (2003: Abriß von 537 Wohnungen im Plattenbau, gleichzeitig 888 Wohnungen im Altbau)1. Das in den 1990er Jahren zu beobachtenden Phänomen des wachsenden Leerstands war deutschlandweit erst recht spät seitens der Stadtplanung als ein gravierendes Problem erkannt worden. Als auf diese Erkenntnis hin in Leipzig die Ausarbeitung weitgreifender Abrißpläne erfolgte, war bereits der Punkt erreicht, an dem sich wieder eine Nachfrage nach Wohnraum stärker zu entwickeln begann. Die Stadtentwicklungsplanung sollte von ihrem Ansatz her langfristig angelegt sein. Im Bezug auf Abrisse in Altbauquartieren legt die Leipziger Stadtplanung ihren Entscheidungen jedoch eher eine Situation zugrunde, wie sie für die zweite Hälfte der 1990er Jahre charakteristisch war. Sie geht von der nicht mehr zutreffenden Annahme aus, daß viele der Altbauquartiere ein strukturelles Leerstandsproblem hätten, und deshalb Abrisse auch in den kommenden Jahrzehnten die Hauptwege des Stadtumbaus darstellen müßten. „Perforierte Stadt“ als Konzept: Diese im Auftrag der Stadt erstellte Studie für die Lützner Straße sieht den Abriß der Wohngebäude und die Verwendung der Trümmer als Lärmschutzwand vor. 26 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Die Aufgabe der Stadtplanung in Bezug auf den Umgang mit Leerstandsphänomenen Unzweifelhaft ist es Aufgabe der Stadtplanung insgesamt, Probleme der Stadtentwicklung zu erkennen und nach Möglichkeit zu lösen. Dabei dürfen die Möglichkeiten der Stadtplanung aber nicht überschätzt werden. Klassische Stadtplanung war lange Zeit einerseits Angebotsplanung für private Vorhabenträger und andererseits konkrete Planung öffentlicher Baumaßnahmen. Angesichts der aktuellen Schrumpfungsphänomene in weiten Teilen Europas findet diese herkömmliche Angebotsplanung vielerorts praktisch jedoch nicht mehr statt. Dafür ist Stadtplanung heute mit den Problemen von Leerständen und Umnutzungen in Gebieten konfrontiert, die in der Vergangenheit geplant und bebaut wurden. Diskutieren kann man nun, ob es die Aufgabe der öffentlichen Planung ist, private Hauseigentümer dazu zu bringen, ihre Gebäude abzureißen. Grundsätzlich dürfte in einem solchen Ansatz schlicht eine Anmaßung der öffentlichen Hand gegenüber dem privaten Bürger und dem privaten Immobilienmarkt gesehen werden. Zunächst sollte es jedem Hauseigentümer überlassen bleiben, ob er aktuelle Leerstandsprobleme „auszusitzen“ versucht oder ob er auf diese mit Abriß reagiert. Eine Berechtigung der öffentlichen Hand, in diese Überlegungen einzugreifen besteht erst dann, wenn sich mit der Leerstandsentwicklung strukturelle Probleme verbinden, welche sich insgesamt negativ auf die Stadt, deren Bewohner und die Entwicklungschancen der Stadt verbinden. Hierbei dürfte es wohl unzweifelhaft in jedem Fall legitim sein, den Hauseigentümer mit verschiedenen Anreizen oder auch Zwangsmitteln dazu zu bewegen, Gebäude von städtebaulichem und/oder denkmalpflegerischem Wert zu erhalten. Wie bis in die zweite Hälfte der 1990er Jahre zurückreichende Beobachtungen des Leipziger Altbaubestands erweisen, schien ein solches strukturelles Problem in einzelnen Stadtvierteln tatsächlich zu bestehen. Die Reaktion der Stadtplanung, auf diese Probleme mit verstärkten Abrissen zu reagieren, erschien wenn auch nicht zwingend, so aus der damaligen Situation heraus zumindest nachvollziehbar. Seit etwa 2000 aber beginnt sich die Lage in Leipzig durch einen stetig steigenden Zuzug in die Altbaugebiete zu verbessern. Im Gegensatz dazu konnte die Auszugsbewegung in den Plattenneubaugebieten am Stadtrand nicht gestoppt werden, trotzdem die Stadtplanung versuchte, diese Entwicklung in städtebaulich und sozial verträgliche Bahnen zu lenken. Nach Einschätzung der für den Stadtumbau Ost zuständigen Transferstelle in Erkner wird das Leerstandsproblem vorerst noch nicht einmal mit den insgesamt für Abrisse vorgesehenen Mitteln gelöst werden können1. „Das Durchschnittsalter der Mieter in den Plattenbausiedlungen steigt. Spätestens in 15 bis 20 Jahren bekommen wir einen neuen Leerstandsschub“, so die dafür zuständige Projektleiterin. Das bedeutet, daß jeder Euro aus Fördermitteln, der in den Abbruch eines Altbaus gesteckt wird, für die Bewältigung des Leestandsproblems im industriellen Wohnungsbau fehlt. Da etwa die Bevölkerung der Großsiedlung Grünau kurz-, mittel- und langfristig unaufhaltsam auf ein Bruchteil ihrer ursprünglichen Größe schrumpft, kommt man - wenn man Grünau als Stadtteil tatsächlich erhalten will - um einen flächigen Abriß ganzer Wohnquartiere oder gar Wohnkomplexe nicht herum. Ohne flächige Teilabrisse entstehen hier strukturelle Probleme, die letztlich zu einem sozial unverantwortlichen Niedergang Grünaus insgesamt führen werden. Mitbetroffen wären dann auch die ansonsten überlebensfähigen Bereiche. 1 - Leipziger Volkszeitung vom 19.06.2006, siehe auch Die Welt vom 20.06.2006 „Perforierte Stadt“ als Realität: Die Merseburger Straße in Plagwitz. Im Wettlauf zwischen Sanierung und fördermittelbedingtem Abbruch löst sich die Stadt auf. Die ehemals klare Struktur des Wechsels von geschlossener Bebauung, Straßen, Plätzen und Grünanlagen wurde durch eine lose Abfolge von Brandgiebeln und ungenutzten Brachflächen ersetzt. Im euphemisierenden Planerdeutsch: „Mehr Qualität durch mehr Freiräume“ - tatsächlich schlicht eine Abfolge von Fehlstellen. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 27 „Umstrukturierungsgebiet“ Mariannenstraße. Das geschlossen erhaltene Gründerzeitquartier, das ausnahmslos aus ausgewiesenen Baudenkmalen besteht, soll laut KSP Ost in eine Wiese verwandelt werden. Obwohl nicht einmal für die infolge der Flächenabrisse in den 1980er Jahren entstandenen Brachflächen eine Neugestaltung vorgenommen wurde, beginnt man, die angrenzende noch geschlossene Bebauung in ebensolche Brachen zu verwandeln. Das Eckhaus Hermann-Liebmann-Straße 43/ Rabet (Bildmitte) ist zum Abbruch vorgesehen. Die stadträumliche Fassung des gerade angelegten Stadtparks würde damit verloren gehen. 1 2 3 4 5 6 Der „Dunkle Wald“. Mehr „Dunkler Wald“. Noch mehr „Dunkler Wald“. Auszug aus dem Konzeptionellen Stadtteilplan (KSP) für den Leipziger Osten, Stand 2003. Quelle: Stadt Leipzig, www.leipzig.de (Stadtentwicklung) Lediglich die hellblau und braun angelegten Gebiete sind als „konsolidiertes Gebiet“ bzw. „Erhaltungsgebiet“ nicht direkt von Abriß und Perforation bedroht. Einzig die rot markierten Gebäudezeilen genießen „Erhaltungspriorität“. 1 Die untenstehende Legende gibt die Zielkategorien der Stadtentw icklungspläne wieder. 2 6 3 5 4 violett = Bestandsanpassungsgebiete, in denen die Anpassung und Qualifizierung der Bebauung für ein künftig realistisches Nutzungsmaß sowie die Nutzung vorhandener oder entstehender Baulücken für die Wohnumfeldaufwertung im Mittelpunkt stehen. Gebäudesicherung nachrangig, Teilrückbau von Gebäuden und Neuanlage von Freiflächen vorrangig. 28 hellgrün = Umstrukturierungsgebiete, für die eine längerfristige Strukturveränderung mit teilweise noch offener Entwicklungsperspektive erforderlich ist. Instandsetzung und Modernisierung nachrangig, Gebäudesicherung nur in Sonderfällen. dunkelgrün = Umstrukturierungsgebiete mit Priorität, für die eine kurz- bis mittelfristige Strukturveränderung zur Entwicklung neuer Bebauungsstrukturen oder übergeordneter Freiräume umgesetzt werden soll. Abbruch und Teilrückbau vorrangig, Gebäudesicherung nachrangig. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Beispiel Leipziger Osten Leipzigs Osten verfügt über eine Vielzahl von architektonisch und städtebaulich anspruchsvollen Quartieren. Gutbürgerliche gründerzeitliche Wohnlagen wechseln mit zeitgleich entstandenen Arbeiterwohnquartieren, die ebenfalls über beachtliche städtebauliche Qualitäten verfügen. Die zur Erbauungszeit der Gebäude Ende des 19. Jh. relativ hohen Bodenpreise im Leipziger Osten zwischen 36 bis 100 Mark (im Vergleich dazu betrugen die Kosten im Leipziger Westen ca. 20 bis 30 Mark)1 sind ein Beleg für diese Qualität. Zudem verfügen die östlichen Stadtteile über eine Fülle von teils sehr großen, teils kleineren Grünflächen in Form von Stadtparks und Stadtplätzen. Viele der hier befindlichen Wohnquartiere weisen großzügig begrünte Hofbereiche auf Der Leipziger Osten geriet Ende der 1990er Jahre verstärkt in den Fokus der Leipziger Stadtplaner. Sie erkannten frühzeitig das Problem, daß Stadtentwicklung nicht zwingend Wachstum, sondern gegebenenfalls Schrumpfung bedeuten kann. Speziell für den Leipziger Osten entwickelte man daher Instrumente, die über Leipzig hinaus ein Vorbild für jene Städte abgeben sollten, denen die Erkenntnis des Schrumpfens noch bevorstand. Auf dem Höhepunkt des Leipziger Bevölkerungsrückgangs und Wohnungsleerstands plante man für die historischen östlichen Stadtteile den Abriß von ca. 30 % der vorhandenen Wohnbebauung. Diese Strategie wird seither in vollständiger Negierung der massiven Zuzüge in den Leipziger Osten (7 % vor allem junger Leute und Familien seit den letzten Jahren) verfolgt. Zwei der Handlungsschwerpunkte sind bisher das Rabet und die Wurzner Straße. Der Flächenabriß am Rabet ist heute weitgehend abgeschlossen. Er fand in einem Bereich statt, in dem schon zu DDR-Zeiten flächenhafte Abrisse erfolgten. Betroffen waren vorgründerzeitliche Bauten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts mit einer zumeist sehr geringen Wohnqualität. Die betroffenen Flächen wurden und werden von der Stadt aufgekauft und dauerhaft zu einem attraktiven und großflächigen Stadtteilpark umgestaltet. Die umliegenden Stadtviertel konnten so deutlich aufgewertet werden. Der Park wird von der Bevölkerung lebhaft angenommen. Diese neu entstandene Qualität wird jedoch von Seiten der Stadtplanung selbst zum Teil wieder aufs Spiel gesetzt, indem sie weitere Abrisse innerhalb der nun den Park begrenzenden Raumkanten zuläßt bzw. selbst initiiert (Bsp. Häuserblock an Hermann-Liebmann-Straße 43). Im Bereich der Wurzner Straße setzt die Stadt mit sehr hohem planerischem und finanziellem Aufwand ihr Konzept des sogenannten „Dunklen Waldes“ und des „Lichten Haines“ um. Entlang der vorhandenen Hauptstraße werden die Hauseigentümer massiv bedrängt, ihre gründerzeitlichen Wohnhäuser abzureißen und unter Beibehaltung des Baurechts eine Gestattungsvereinbarung (im Regelfall 10 Jahre) über eine Zwischennutzung mit der Stadt abzuschließen. Zahlreiche teils unsanierte, teils teilsanierte Häuser wurden so bereits abgerissen. Andere Hauseigentümer verweigern jedoch standhaft ihre Einwilligung. Dies geschieht teilweise auch am Rabet, etwa in der Eisenbahnstraße. Sie planen statt dessen ihre Häuser zu sanieren und nach Möglichkeit zu vermieten, wie sie dies bereits in der Vergangenheit getan haben. In den durch neuere Abrisse entstandenen Baulücken hat die Stadt in hoher Dichte Bäume – den sogenannten „Dunklen Wald“ – pflanzen lassen. Erreicht wurde so allein eine Perforierung der vormals intakten Stadtstruktur. Weder ist das Konzept wegen des Widerstands der Hauseigentümer flächig umsetzbar, noch konnten auf diese Weise wirklich attraktive Aufenthaltsräume entstehen. Zusätzlich dringt nun Verkehrslärm in vormals ruhige Innenhöfe, wodurch jetzt auch der Wohnwert der Nachbarstraßen beeinträchtigt wird. Die verbleibenden freigestellten Gebäude verlieren massiv an Attraktivität und Wert. Die fehlende Isolierung der freigelegten Brandwände führt zu Bauschäden. Sie beeinträchtigt die Chancen der Vermietung und muß auf Kosten des privaten Eigentümers wieder angebracht werden (Durchschnittskosten ca. 10.000 Euro). Mehrkosten und sinkender Wert der Gebäude setzen eine Spirale weiteren Verfalls und Abrisses in Gang. Das gesamte Viertel stellt sich mittlerweile als ein optisch zerrissener und kaum mehr urbaner Raum dar. Potentielle Investoren meiden deshalb solche Umgestaltungs- bzw. Rückbaugebiete, obwohl sie gerade hier dringend benötigt würden. Der latente Wertverfall der betroffenen Grundstücke bringt nicht nur den Grundstücksmarkt partiell zum Erliegen. Es geraten auch die privaten Hauseigentümer mit ihren bereits sanierten und vermieteten Häusern unverschuldet in größte finanzielle Schwierigkeiten, da die zur Weiterführung der Finanzierungen benötigten Beleihungswerte gegen Null tendieren. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 1 - Leipzig und seine Bauten. Hg. v. d. Vereinigung Leipziger Architekten und Ingenieure. Leipzig 1892, S. 364-36. 29 Areal Mariannenstraße - Bennigsenstraße Torgauer Straße - Hermann-Liebmann-Straße Dieses homogen mit hochwertigen vier- und fünfgeschossigen Mietshäusern im Jugendstil und der Neorenaissance bebaute Areal ist bis auf zwei sich gegenüberliegenden kleinen Baulücken in der Eisenbahnstraße nahezu im Zustand der Erbauungszeit erhalten. Durch umfangreiche Instandsetzungen gegen Ende der DDR in einem substantiell sehr guten Zustand, ist dieses einmalige Ensemble von Totalabbruch und Perforation akut bedroht. Trotz teilweiser Konsolidierung, hier besonders die linke Seite der Mariannenstraße durchgehend, ist dieses Gebiet im KSP-Ost als „Umstrukturierungsgebiet“ und „Bedarfsanpassungsgebiet“ ausgewiesen. Dieser unerträgliche Planungszustand führt zum dramatischen Wertverfall der betroffenen Grundstücke, damit verbunden ihre Unverkäuflichkeit und Beleihungsunfähigkeit. Das Resultat ist ein völliges Ausbleiben jeglicher Investitionstätigkeit, obwohl das Entwicklungspotential dieser Gebäude von den Rahmenbedingungen her als gut einzustufen ist. Insbesondere die zu DDR-Zeiten erfolgte komplette Entkernung der Innenhöfe unter Schonung des Altbaumbestandes und wertvoller Hintergebäude besonders in der Eisenbahnstraße, ist eine parkartige Struktur entstanden. Die Wohnungs- und Zimmergrößen sind auch unter heutigen Bedingungen als marktfähig einzustufen. Auf Grund des guten baulichen Zustandes, welcher meist nur durch Vandalismus und Plünderung oder abgebrochene Sanierung beeinträchtigt ist, erscheint auch eine Zwischennutzung als machbar und sinnvoll, zumal die Wohnungen in der Vergangenheit mit Innen-WCs und Bädern versehen wurden. Alle abgebildeten Details befinden sich an Gebäuden, die gemäß Konzeptionellem Stadtteilplan Ost einer grünen Wiese weichen sollen. 30 Ludwigstraße 127 Mariannenstraße 78 Mariannenstraße 103 Mariannenstraße 93 Ludwigstraße 127 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Abbruch der Baudenkmale Täubchenweg 90-92 und Köbisstraße 11 Im August 2006 mußten im Stadtteil Reudnitz drei wichtige und stadtbildprägende Baudenkmale einem geplanten Neubau eins Seniorenheims weichen. Das hinter ihnen liegende Häusergeviert ist bereits nahezu vollständig saniert. Eine Entwicklung der Gebäude wäre machbar gewesen. Der alte Baumbestand in dem recht geräumigen Innenhof wäre ein weiterer Standortvorteil gewesen. Trotz weit überdurchschnittlicher Ausstattung im Innern und der Fassaden wurden selbst minimale Standards denkmalpflegerischer Bergung von Originalfragmenten unterlassen. Durch den gleichzeitigen Abbruch der gründerzeitlichen Gebäude Täubchenweg 85-87 auf der gegenüberliegenden Seite der Straße im Auftrag desselben Eigentümers verschwand innerhalb weniger Tage ein vollständiger historischer Kreuzungsbereich im Ortsteilzentrum von Reudnitz. Das herrschaftliches Wohnhaus Köbisstraße 11 (erbaut um 1900) war eines der prachtvollsten Wohnhäuser des Viertels überhaupt. Besonders bemerkenswert waren das repräsentative Portal und die große stuckverzierte Halle. Breite Treppen führten in die Wohnungen. Das Haus wies Stilelemente von Jugendstil und Neurenaissance auf. In den Wohnungen fanden sich üppige Stuckdecken im Jugendstil, Parkettfußböden, Zimmertüren ein- und zweiflüglig mit in der Mittelachse tiefen gestemmten Futtern. Die ehemalige Hausbesitzerwohnung im 2. OG war mit einer getäfelten Holzdecke und Schiebetüren zwischen den Zimmern im Stil der späten 1920er Jahre mit Anflügen des Art Déco ausgestattet. Die Fassade mit ihren Erkern und Mittelbalkonen war zu DDR-Zeiten gemeinsam mit der Rückfront neu verputzt und dabei vereinfacht worden. Das gesamte Haus war wohlerhalten und hätte lediglich einer einfachen Sanierung bedurft. Nach Informationen des Stadtforums soll an die Stelle dieses Gebäudes später die Tiefgaragenzufahrt des Seniorenheims angelegt werden. Das nach einer Auflage der Denkmalpflege zu bergende Portal wurde beim Abbruch zerstört, von der reichen Innenausstattung wurde noch nicht einmal das Parkett geborgen. Mit dem Gebäude Täubchenweg 90 (um 1900) wurde ein elegantes Jugendstilhaus mit gediegenem Interieur abgebrochen. Unter anderem hatten sich drei originale Öfen mit Gußtüren in einem sehr guten Zustand erhalten. Obwohl nach Kriegsschäden Teile des Obergeschosses nur unvollständig wiedererrichtet worden waren, hatte sich der äußerst prächtige Gesamteindruck erhalten. Trotz vorhandenen Bauschäden befand sich der Bau in einem sanierungsfähigen Zustand. Hier wurden noch nicht einmal die wertvollen Öfen gesichert. Das Eckgebäude Täubchenweg 92 (1904) hatte eine höchst bemerkenswerte Jugendstilfassade. Diese war mit reichen figürlichen Antragsarbeiten - überwiegend üppigen Frauenfiguren geschmückt. Die großzügige Treppenanlage war mit doppelten, fast mannshohen Antrittpilaren (Treppenhaussäulen) ausgestattet, die Wohnungen mit zweiflügligen Stubentüren, Stuckdecken und Edelholzfußböden. Bei diesem Gebäude bestand aufgrund jahrelanger Vernachlässigung zuletzt akute Einsturzgefahr. Dennoch hätte der Erhalt wenigstens der Fassade und des Treppenhauses in Erwägung gezogen werden müssen. Völlig unverständlich bleibt, daß bei dem Abbruch keine Fassadenteile geborgen wurden. Allerdings wurde hier zumindest eine der großen Treppenhaussäulen gesichert. Wohlerhaltenes großbürgerliches Wohnhaus Köbisstraße 11: vom reichen Interieur - u.a. holzgetäfelte Decken, mehrflügelige Schiebetüren mit Ätzglasdekor, Eichenparkett - blieb nichts erhalten. Nicht einmal das Portal (Bild oben) wurde geborgen. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 31 Beispiel Grünau Der Stadtteil Grünau ist zwischen 1976 und 1988 als drittgrößter Standort des industriellen Wohnungsneubaus in der DDR westlich der historischen Stadtgrenzen Leipzigs errichtet worden. Seit 1990 ist Grünau ein Schwerpunkt der Leipziger Stadtplanung sowie des Einsatzes von öffentlichen Fördermitteln und Steuervergünstigungen. Seit 1990 sind allein aus Mitteln der Wohnungsbauförderung und des Städtebauförderprogramms „Weiterentwicklung großer Neubaugebiete“ insgesamt weit über 50 Mio Euro zur Wohnumfeldverbesserung ausgegeben worden. Begleitet wurden diese Maßnahmen von baulichen Aktivitäten wie dem Neubau des „Allee-Centers“ und dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. In Anbetracht der Defizite aus DDR-Zeiten erschienen diese Maßnahmen zunächst dringend erforderlich, ahnte doch noch niemand den künftigen Leerstand. 1999 setzte in Grünau der Rückbau von Wohnraum ein. Inzwischen sind von den ehemals ca. 36.000 Wohnungen etwa 3.800 abgerissen worden. Trotz dieser Bemühungen ist die Bevölkerung im selben Zeitraum von ursprünglich knapp 90.000 Einwohnern um bereits 40.000 zurückgegangen. Diese rückläufige Tendenz hält unvermindert an. Der derzeitige Leerstand beträgt 22 % und betrüge ohne die erfolgten Abrisse sogar 28 %. Als im Juni 2006 in Magdeburg der Bundesverband für Wohneigentum und Stadtentwicklung (vhw) die „Nachfrageentwicklung nach Plattenbauwohnungen in ostdeutschen Städten“ zum Tagungsthema machte, konnte die seit 20 Jahren aus Westdeutschland bekannte Tendenz anhand neuester Milieustudien erstmals mit Prognosezahlen unterlegt werden1. Das ernüchternde Fazit: die „Platte“ hat keine Zukunft. Benjamin Poddig von der Forschungsgruppe WohnWissen des vhw belegte die Einschätzung mit den Ergebnissen repräsentativer Befragungen. Danach erhält der Plattenbau bundesweit gegenüber allen anderen Gebäude- und Siedlungstypen in einer Werteskala nach dem Schulnotensystem übereinstimmend die schlechtesten Noten von den Befragten. Betrachtet man zusätzlich die Alters- und Sozialstruktur der heutigen Bewohner, so zeichnet sich ein Segregationsprozeß ab: Es dominiert die Generation „55 plus“, zusammengesetzt aus „traditionsbewußten“ und „DDR-nostalgischen“ Milieus, die sich als generell „immobil“ charakterisieren lassen. Poddig: „Es sind Bewohnergruppen, die ab 2015/2020 aus dem Bevölkerungsspektrum zunehmend verschwinden und ihre Werte an die Kinder nicht weitergeben können. Junge ziehen in die Siedlungen kaum noch nach.“ Der alarmierende Tatbestand dabei: die Sanierung der Siedlungen ändert an diesem Befund nur wenig. Dauerhafte Zuzüge sind auch in Grünau nicht zu verzeichnen. Letztlich werden hier vor allem Rentner wohnen bleiben, doch auch dies ist ungewiß, wenn der Leerstand noch weiter zunimmt. Absehbar ist allein, daß auf die Rentner keine Neuzuzüge folgen werden. Trotzdem soll Grünau nach dem Willen der Stadtplaner auch weiterhin ein Schwerpunkt der Leipziger Stadterneuerung sein. Durch die Sicherung weiterer Förderprogramme (Soziale Stadt, EFRE) soll mit hohem Mitteleinsatz die Aufwertung und Stabilisierung weiter befördert werden. Auch die Gebäudesanierung durch öffentliche Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften schreitet voran. Selbst wenn seit diesem Jahr der Ansatz verfolgt wird, sich bei den künftigen Sanierungen auf den Kernbereich des Stadtteils Grünau zu konzentrieren, erfolgen die Abrisse weiterhin nur punktuell und keinesfalls in der Fläche. Im Ergebnis dünnt der Stadtteil Grünau unaufhaltsam weiter aus mit allen negativen Folgen für die dortigen Bewohner, aber auch für die Einwohner in anderen Leipziger Stadtteilen. Hierzu sei nur ein Beispiel angeführt. Während in Leipzig-Grünau die in der Fläche vorhandenen Kindertagesstätten nicht annähernd ausgelastet sind (2002: die Kinderkrippen zu ca. 45%, die Kindergärten zu ca. 80 % und die Horte zu ca. 75 %), kann in den vergleichsweise kinderreichen Altbauquartieren die Nachfrage oft nicht gedeckt werden. Hier überschreitet die Auslastung regelmäßig sogar die Marke von 100 %. Zudem wird die geringe Auslastung in Grünau in vielen Fällen nicht einmal durch Kinder aus dem direkten Wohnumfeld gewährleistet. Wegen des gravierenden Mangels an Kindertagesstätten in den Altbauquartieren weichen viele Eltern auf die freien Kapazitäten in Grünau aus und nehmen dafür z. T. sehr weite und zeitaufwendige Wege in Kauf. 32 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Großsiedlungen insgesamt Während der Anteil der komplett sanierten Wohnungen in Grünau im Jahr 2000 nur bei 54 % lag, betrug er in den anderen Großsiedlungen des industriellen DDR-Wohnungsbaus bereits 70 %. Zum Vergleich dazu lag er bei den Wohnanlagen der Zwischenkriegszeit, die in der Regel vergleichbare Wohnansprüche befriedigen, dies jedoch im Regelfall in einem städtebaulich und architektonisch deutlich höherwertigen Rahmen, erst zwischen 50 und 60 %. Durch die mittlerweile in allen Großsiedlungen vorgenommenen Sanierungen würde ein flächiger Abriß heute stets auch bereits sanierte Wohngebäude betreffen. Dieser Umstand ist auf das Fehlen einer langfristig tragfähigen - also flächenhaften - Strategie für den Umgang mit den Großsiedlungen zurückzuführen. Zu diesen Versäumnissen kommt das Fehlen eines planerischen Ansatzes hinsichtlich der städtebaulichen Gesamtqualität des Leipziger Stadtraums. So wurden beispielsweise die städtebaulich im hohen Maße störenden überdimensionierten 11-Geschosser im südlichen Musikviertel aufwendig saniert, anstatt sie in der Höhe zumindest der Umgebungsbebauung anzupassen. Ähnliches läßt sich für die 11-Geschosser in Lößnig im Bezug auf das Landschaftsbild im Umfeld des Lößniger Erholungsparks feststellen. Durch eine massive Aufstockung mit Schrägdächern wurden die negativen Wirkungen sogar noch zusätzlich verstärkt. Der von der Stadtplanung beschworene Mut zu kräftigen flächigen Einschnitten in die Substanz beschränkt sich bislang noch immer auf die Altbauquartiere, vor allem auf den Leipziger Osten. Nicht unerwähnt bleiben soll, daß es natürlich auch unter den in industrieller Fertigung errichteten Wohnquartieren solche mit vergleichsweise hoher Qualität und städtebaulichem Anspruch gibt. Als solche Quartiere, die für die Stadtgestalt und deren bauhistorische Vielfalt insgesamt eine ebenfalls wichtige Rolle spielen, seien z. B. die Bebauung um den Dorotheenplatz oder das Bauensemble westlich der Straße des 18. Oktober und die Kernzone des Stadtteils Grünau um die Stuttgarter Allee genannt. 1 - Die Welt vom 01.07.2006 Ausweisung von neuem Bauland Trotz zahlreicher im Einzelfall auch sehr großflächiger vorhandener Brachen und Baulücken innerhalb der gewachsenen Stadt (bedingt durch Krieg und Abbruch) wird nachwievor neues Bauland ausgewiesen. Betroffen sind mitunter gerade auch besonders sensible Lagen, etwa unmittelbare Randlagen des Auwaldes, die noch nie zuvor bebaut waren oder fürs Stadtklima wichtige Kaltluftkorridore (u.a.: Auensiedlung in Böhlitz-Ehrenberg; Rosenthalterrassen an der Stallbaumstraße mit über 170 neuen Wohnungen; Wohnsiedlung in Probstheida; Süd-Wiederitzsch in der Aue der Nördlichen Rietzschke; Lindenthal am ehemaligen Flugfeld). Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 33 Verkehrsplanung Seit den 1990er Jahren ist es in Leipzig gelungen, die Verkehrsinfrastruktur auf ein in jeder Hinsicht westeuropäischen Standards entsprechendes Niveau zu heben, was von großer Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der Stadt ist. Zahlreiche kleinere und größere Straßen wurden so umgestaltet, daß sie den Anforderungen des fließenden und des ruhenden Verkehrs wie auch den Bedürfnissen der Anwohner und Passanten entsprechen. Aktuellstes Beispiel ist die gerade in diesem Jahr fertiggestellte Lützner Straße im Stadtteil Lindenau. Leider wurden jedoch bei der Trassenplanung und Dimensionierung gerade der größeren Verkehrsachsen oftmals städtebauliche Fragen sichtbar zurückgestellt. Mitunter bedingten nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stehende Finanzierungsmöglichkeiten (Bsp. WM 2006 - Olympia Sofortprogramm) unausgewogene Planungen. Einer rein verkehrstechnischen Optimierung wurde in vielen Fällen deutlich der Vorrang vor Rücksichtnahme auf städtebauliche Gegebenheiten und städtebauliche Potentiale eingeräumt. Einige Trassen, wie etwa die neue B2 im Leipziger Osten, die innere Jahnallee oder die Georg-Schumann-Straße wurden so weitgehend aus- bzw. neugebaut, daß sie nur noch eine eingeschränkte Aufenthaltsqualität besitzen. In mehreren Fällen sind generelle Zweifel an der Notwendigkeit und den Dimensionen solcher Ausbaumaßnahmen angebracht. Zudem ist bereits heute absehbar, daß sich viele ambitionierte Verkehrsplanungen der 1990er Jahre aufgrund leerer kommunaler Kassen und des Rückgangs von Transfergeldern nicht im vorgesehenen Umfang werden umsetzen lassen und Gefahr laufen, Stückwerk zu bleiben. Dazu gehören die Schließung des Mittleren Rings oder der flächendeckende Ausbau der Straßenbahn als Stadtbahn. So wird seitens der Leipziger Verkehrsbetriebe angestrebt, das bestehende und voll funktionsfähige Straßenbahnnetz für den Einsatz von Bahnen mit einer größeren Wagenbreite neu zu errichten. Besonders schmerzlich ist, daß bereits mehrere außerordentlich wertvolle Gebäude der Ausweitung der Verkehrsflächen weichen mußten. Weitere Abbrüche im Denkmalbestand sind bereits geplant. Das Beispiel Henriette-Goldschmidt-Haus und die Friedrich-Ebert-Straße Auftakt der Vernichtung von besonders wertvollen Denkmälern im gründerzeitlichen Altbaubestand Leipzigs war der Abbruch des Henriette-Goldschmidt-Hauses im Jahr 1999. Besonders fragwürdig wurde der Abriß dieses Gebäudes durch den Umstand, daß weder zum Abrißzeitpunkt noch heute ein verkehrstechnisches Erfordernis erkennbar war bzw. ist. Es gibt in Leipzig Die Gebäudezeile Friedrich-Ebert-Straße 18, 16 und 14 vor dem Abbruch. wohl kaum eine formale Hauptstraße, die selbst zu Hauptverkehrszeiten ein dermaßen geringes Verkehrsaufkommen aufweist wie die Friedrich-Ebert-Straße. Dem 1871 errichteten spätklassizistischen Wohnhaus kam nicht nur eine hohe Bedeutung als Baudenkmal zu. Das Haus verband sich mit einer enormen historischen Bedeutung in Bezug auf das ehemals reiche jüdische Leben Leipzigs wie auch bezüglich der Anfänge der Frauenbewegung. 1889 hatte das Gebäude der „Verein für Familien- und Volkserziehung Leipzig“ erworben, den Henriette Goldschmidt 1871 gegründet hatte. Sie war eine Mitbegründerin der bürgerlichen Frauenbewegung und eine führende Fröbelpädagogin in Deutschland. Sie lebte selbst 31 Jahre in dem Haus. Es wurde Heimstatt eines Volkskindergartens, des Seminars für Kindergärtnerinnen, des Lyzeums für Damen, eines Schülerinnenpensionats und eines Seniorenheims. 1921 erhielt das Haus seinen späteren Namen und wurde in die Henri-Hinrichsen-Stiftung eingegliedert, die der Stadt in treuhänderische Verwaltung zum Zwecke der Frauenbildung übergeben wurde. 1939 schlugen die Nationalsozialisten die Buchstaben des Namensreliefs der Jüdin Henriette Goldschmidt über dem Hauseingang ab; 1942 ermordeten sie Henri Hinrichsen im KZ AuschwitzBirkenau. 1990 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. Es repräsentierte mit den 34 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 etwa zeitgleich entstandenen Gebäuden Friedrich-Ebert-Straße 14 und 18 und der noch älteren 21 die ursprüngliche Bebauung der ehemaligen Hauptgeschäftsstraße der inneren Westvorstadt. Bereits in den 1960er Jahren wurden entsprechend dem Leitbild der autogerechten Stadt eine teilweise, schon damals für den tatsächlichen Verkehr überhaupt nicht erforderliche Straßenaufweitung durchgeführt. Diesen Abrissen folgten weitere schmerzliche Häuserabrisse in den 1980er Jahren. Insgesamt blieb an dieser für die erweiterte historische Innenstadt wichtigen Stelle ein heterogenes Bild. Dennoch ließen die noch vorhandenen Gebäude und Straßenführungen die stadtbaugeschichtlichen Zusammenhänge noch gut erkennen. „Die Kulturstadt Leipzig hat, statt Besonnenheit und Weitsicht walten zu lassen und Bürgerinteressen ernst zu nehmen, ein wertvolles Zeugnis Leipziger Kulturgeschichte aufgegeben. Die Stadt, die dem Andenken der einst fünfzehntausend jüdischen Bürgern verpflichtet ist, hat, statt eines der letzten sichtbaren Zeichen von deren Wirken zu erhalten und für aktive Erinnerungsarbeit zu nutzen, die Wirkungsstätte Henriette Goldschmidts und das Stif- In einer 1995 seitens der Stadtverwaltung vorgelegten Planung zur Umgestaltung der Friedrich-Ebert-Straße wurden nun nicht, wie allgemein erwartet, taugliche Pläne für eine urbane Aufwertung, Wiederverdichtung und Wiederherstellung der stadträumlichen Typik der Straße vorgelegt, sondern Pläne, welche die nur teilweise realisierte Verkehrsplanung der 1960er Jahre konsequent zum Abschluß brachten. Neben einer maßstablosen und verkehrlich unsinnigen Straßenraumverbreiterung war der Abbruch von insgesamt sieben Baudenkmalen vorgesehen. Durch ausdauernden Protest erreichten die Leipziger Bürger eine weitreichende Reduzierung der Ausbaupläne wenigstens im Nordabschnitt der Straße. Für den Südabschnitt blieb es bei der von der Verwaltung gewünschten Rückversetzung der Baukante um nicht weniger als zwölf Meter inmitten eines gewachsenen innerstädtischen Wohnquartiers. Die dafür im Weg stehenden drei Baudenkmale, die Häuser Friedrich-Ebert-Straße 14 und 18 sowie das Henriette-GoldschmidtHaus (Nr. 16), wurden zum Abriß freigegeben und damit die bestehenden Chancen für eine ReUrbanisierung des Straßenraumes vollends vertan. tungsvermächtnis Henri Hinrichsen verloren.“ Friedrich Magirius, Nachruf auf ein Haus, in: Leipziger Blätter 36, S. 58 Zahlreiche und vielfältige Rettungsversuche für das Gebäude waren vergebens. Weder der anhaltende und breite Widerstand der Leipziger Bürger, noch die dringenden Appelle von prominenten Persönlichkeiten, wie Hildegard Hamm-Brücher oder Ignatz Bubis, vom Deutschen Akademikerbund und vom Verband ehemaliger Leipziger Juden in Israel bewirkten ein Umdenken der Stadtverwaltung. Ebenfalls nicht akzeptiert wurde das Angebot eines engagierten Bürgervereins, das Haus aus eigener Kraft zu sanieren und es danach gemeinsam mit interessierten Nutzern zu bewirtschaften. Die südliche Friedrich-Ebert-Straße heute: Eine vollkommen überdimensionierte Trasse von herausragender Trostlosigkeit. Die dringend gebotene Verknüpfung der inneren Westvorstadt mit dem Bachstraßenviertel wird durch die maßlose Straßenaufweitung dauerhaft massiv erschwert. Das Beispiel Waldplatz Im Sommer 2005 wurde mit dem am Waldplatz gelegenen Gebäude Friedrich-Ebert-Straße 95a erneut ein klassizistisches Baudenkmal dem Straßenausbau geopfert. Mit dem 1862 errichteten Gebäude verlor der städtebaulich bedeutsame Waldplatz seine gesamte Südwestbebauung. Der abgerissene Bau war das älteste Gebäude und der letzter Zeuge für die vorgründerzeitliche Stadterweiterung in diesem Gebiet. Mit dem gegenüberliegenden prachtvollen Waldplatzpalais bildete er gleichsam das Tor zum Waldplatz, an den sich westlich die breite, weitgehend unbebaute und baumbewachsene äußere Jahnallee anschließt. Das sächsische Landesamt für Denkmalpflege hatte nachdrücklich den Wert dieser „städtebaulich wichtige Ecksituation“ betont. Grund für den Abriß war die Einrichtung einer separaten Abbiegespur im Zuge des Ausbaus der innerstädtischen Jahnallee zu einer mehrspurigen Fernverkehrsstraße. Der tatsächliche Bedarf für eine solche Abbiegespur ist jedoch nur schwer ersichtlich. Nicht nur, daß an dieser Stelle vernünftigerweise kein übermäßiger Abbiegeverkehr zu erwarten ist, gab es an dieser Stelle bislang noch zu keinem Zeitpunkt entsprechende Probleme. Nicht zuletzt waren in die Sicherung von Dach und Fassade dieses Hauses erst fünf Jahre zuvor 200.000 DM Städtebaufördermittel geflossen. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 35 Das Beispiel Kleine Funkenburg Trotz mehrfach widerlegter verkehrstechnischer Notwendigkeit mußte mit der spätklassizistischen Kleinen Funkenburg erneut ein wertvolles Baudenkmal im Hinblick auf ausgewiesene überregionale Bedeutung einem überdimensionierten Straßenausbau weichen. Weder andauernde massive Proteste weiter Teile der Leipziger Bevölkerung, darunter zahlreiche Prominente aus Kunst und Kultur, noch der ausdrückliche Erhaltungswunsch des Bundesbauministeriums (welches den Straßenausbau finanzierte) noch eine bundesweit kritische Berichterstattung in der Presse konnten die Leipziger Stadtverwaltung von der Zerstörung abhalten. Im Mai 2005 wurde unter bundesweitem Medienecho und gegen den vielfach bekundeten Willen der Leipziger Bevölkerung das außerordentlich wertvolle Baudenkmal Kleine Funkenburg, Jahnallee 25 abgebrochen. Der im Eigentum der städtischen Wohnungsbaugesellschaft LWB stehende Bau mußte im Auftrag der Stadt Leipzig der Offenlegung des Elstermühlgrabens sowie einer Verbreiterung der Jahnallee weichen, genauer der von den Anwohnern vehement abgelehnten und mit einer Straßenaufweitung verbundenen Verlegung einer Straßenbahnhaltestelle. Die Kleine Funkenburg war 1850 im spätklassizistischen Stil als bürgerliches Wohnpalais durch den wohlhabenden Brauereibesitzer Karl Wilhelm Naumann errichtet worden und markierte den äußeren Punkt der alten Rannischen Vorstadt. Zugleich stand ihr Bau am Beginn der großen westlichen Stadterweiterung der 2. Hälfte des 19. Jh. zum Waldstraßenviertel hin. Es war das älteste noch erhaltene Gebäude der Jahnallee. Das Gebäude bildete zusammen mit dem Nachbargebäude Thomasiusstr. 1 (erbaut 1865) ein geschlossenes architektonisches Ensemble und markierte die südöstliche Begrenzung des kleinen dreieckigen Platzes mit dem Brückensprengungsdenkmal von 1863. Von der Landesdenkmalpflege und anderen Fachgutachtern wurde dem Bau ein architektonisch-künstlerischer Wert von „überregionale Bedeutung“ zuerkannt. Diese Qualifizierung bezog sich auf den Umstand, daß Mitte des 19. Jh. im mitteldeutschen Raum nur sehr wenige Bürgerpalais dieser Größe entstanden sind und weiter, daß sich gerade die Kleine Funkenburg noch in einem Ausmaß im Originalzustand erhalten hat, der im weiten Umfeld ohne Vergleich war. Die Innenausstattung (aufwendig gestaltete Dielenfußböden, Türen mit historischen Messingkastenschlössern usw.) war noch in weiten Teilen original erhalten wie auch das Treppenhaus mit seiner großartigen hölzernen Treppenspindel. Im Zuge der Abbrucharbeiten wurden illusionistische Architekturmalereien an den Wänden freigelegt, deren Qualität und Umfang in der sächsischen Architektur der Zeit um 1850 einzigartig waren. Im Gegensatz zu vielen anderen Baudenkmalen war dieses Gebäude baulich nicht gefährdet, sondern in einem guten, modernisierungsfähigen Zustand. Mehrere Leipziger Organisationen, Vereine und Initiativen sowie zahlreiche weitere Bürger und Prominente nicht nur aus Leipzig hatten mehrfach versucht, den Abbruch zu verhindern. So wurden etwa durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz Pläne und Gutachten erstellt, welche die Nutzung und die verkehrstechnisch völlig befriedigende Integration des Baudenkmals in die Straßenausbaupläne in mehreren Varianten nachwiesen. Für das Gebäude gab es zu keinem Zeitpunkt ein Nutzungsproblem. So konnten sogar noch während der Planungsphase des Abbruchs zwei Kaufinteressenten gefunden werden, wie es auch entsprechende Mietangebote gab. Der Ausbau der Jahnallee, die bei sportlichen Großereignissen vollständig für den Fahrzeugverkehr gesperrt werden wird, konnte mit Sonderfördermitteln des Bundes für die Fußball-WM 2006 verwirklicht werden. Noch während der Abbruchdebatte bekundete die Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen, Frau Iris Gleicke, daß der Bund eine Integration des Gebäudes in die Verkehrsplanung begrüßen würde. Trotzdem wurde der Abriß durchgeführt, weil die Stadt befürchtete, durch eine Planänderung mit der Umsetzung der Planung in zeitlichen Verzug zu geraten. 36 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Das Beispiel Nordvorstadt Im Dezember 2005 stellte die Stadtverwaltung ihre Planungen für die künftige sogenannte Nord-Tangente vor. Aus dieser Verkehrsplanung läßt sich eine Gefährdung mehrerer wertvoller historischer Gebäude und Gartenanlagen erkennen. So würde durch die Neuerrichtung einer künftigen Hauptverkehrsstraße südlich der Parthe u.a. das Gebäude Kurt-Schumacher-Straße 43 überplant und abgerissen werden. Das um 1875 errichtete Eckhaus ist mit seinem markanten, halbseitig freistehenden und durch alle Geschosse gehenden kuppelbekrönten Eckturm ein markantes Baudenkmal in der durch Krieg und verfehlte Stadtplanung zu DDR-Zeiten bereits schwer gezeichneten Nordvorstadt. Diese Form der Eckausbildung ist als einziges Beispiel erhalten geblieben. Sie war typisch für die alte Nordvorstadt. In Anbetracht des bereits sanierten Zustands und des reich ausgestatteten Treppenhauses sowie des bildkünstlerisch aufwendig gestalteten Eingangsportals und nicht zuletzt wegen der städtebaulich reizvollen Lage am Partheufer wäre eine Zerstörung dieses Gebäudes wegen einer solchen Straßenbaumaßnahme ein schwerer VerKurt-Schumacher-Straße 43: Die markante Eckausbildung war einst typisch für die alte Nordvorstadt. Das unmittelbar an die Innenstadt angrenzende Viertel wurde bereits von den Luftangriffen des Krieges stark gezeichnet und bis heute fehlt eine städtebauliche Konzeption für dieses Gebiet. Nun plant die Verwaltung das inselhaft erhaltene Bauensemble um die Kurt-Schumacher-Straße 43, dem überdies durch seine Lage am Flüßchen Parthe ein hohes städtebauliches Entwicklungspotential zukommt, für eine Straßenerweiterung zu beseitigen. lust. Ebenfalls zu befürchten ist, daß man auch das sanierte Nachbargebäude und das gegenüberliegende freistehende Haus der neuen Straße opfern wird, so daß der historische Stadtraum in diesem Bereich völlig zerstört werden würde. Absehbar sind bereits jetzt die Folgen für das Gebiet im Hinblick auf das Investitionsverhalten der Hauseigentümer und potentieller Investoren. Wie schon das Beispiel Friedrich-Ebert-Straße zeigt, führt die Bekundung der Stadtplanung, in einem Stadtgebiet den Abriß von Häusern für den Straßenbau zu erwägen, mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ausbleiben jeglicher Investitionen. Da die neue Trasse voraussichtlich erst nach 2010 verwirklicht werden soll, hieße das mehrere Jahre Stillstand unmittelbar nördlich der Innenstadt. Weiter können die für die Emil-Fuchs-Straße in Aussicht stehenden Eingriffe in Vorgartenbereiche eine große Gefahr für die Attraktivität und das weitere Investitionsverhalten auch in diesem mit hochwertigen Villen bebauten Bereich darstellen. Hier sind besonders die Folgen für die noch nicht sanierten Villen zu berücksichtigen. Das am Rande der barocken Parkanlage Rosenthal liegende Viertel blickt auf eine bauliche Entwicklung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Es präsentiert sich bislang als eine harmonische Einheit höchstwertiger Bauten aus verschiedenen Architekturgeschichtsepochen, für deren Gesamtbild nicht zuletzt die herrschaftlichen Vorgärten von Bedeutung sind. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 37 Die Stadt als Eigentümer - die städtische Wohnungsbaugesellschaft LWB Die Stadt Leipzig ist der mit Abstand größte Wohnungseigentümer der Stadt. Auch ein großer Teil der noch unsanierten Altbauten gehört ihr. Im Jahr 2000 standen von den ca. 320.000 Leipziger Wohnungen etwa ein Viertel im kommunalen Eigentum. Verwaltet werden die städtischen Immobilien in der zu 100 % stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft LWB. Zu denken wäre, daß die Stadt auf diese Weise einen erheblichen Einfluß auf die Umsetzung ihrer Stadtplanungskonzepte nehmen kann. Letztlich könnte so die Möglichkeit bestehen, daß Leipzigs Bürger selbst über den von ihnen gewählten Stadtrat und Oberbürgermeister zu großen Teilen über ihr historisches Bauerbe mitbestimmen könnten. Insbesondere sollte man erwarten, daß das städtische Wohnungsbauunternehmen den ihm lediglich zur Verwaltung anvertrauten Bestand an wertvollen historischen Bauten sorgsam entwickelt bzw. diesen Bestand zu annehmbaren Marktpreisen privatisiert, falls der LWB die Möglichkeiten zu Investitionen fehlen sollten. Die erwiesene Zukunftsfähigkeit des Altbaubestandes insgesamt und sein derzeit stetig steigender Wert auf den Immobilienmärkten lassen seine sorgfältige Erhaltung auch aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen als die richtige Strategie erscheinen. Dabei kann es für den Gesamtbestand überdies sogar betriebswirtschaftlich angeraten sein, auch solche Einzelbestände zu sanieren, die derzeit zwar nur eine geringe Mietnachfrage zeigen, die aber nach ihrer Sanierung deutlich den Marktwert für die umliegenden Bestände erhöhen werden. So ist es für den Eindruck eines Wohnviertels genauso entscheidend, daß auch die vorgelagerte Hauptstraße nicht desolat erscheint. Der Wohnwert der rückwärtig gelegenen Immobilien ist deutlich höher, wenn sie nicht durch Abbruchgrundstücke an der Hauptstraße zusätzlich verlärmt werden. Manch derzeit noch schwer vermietbares Eckgebäude gibt dem dahinterliegenden Stadtviertel erst seine Prägung und Identifikation. Auch insgesamt sind es die am wenigsten durch Abbrüche gezeichneten, baulich geschlossenen Straßenzüge, welche einen urbanen Charakter besitzen und als Wohnquartiere besonders nachgefragt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint das derzeitige Agieren des städtischen Wohnungsbauunternehmens LWB völlig unverständlich. Unbestreitbar ist zunächst, daß große Bestände der LWB in den letzten Jahren z.T. sehr aufwendig und denkmalgerecht saniert worden sind. Andererseits verschlechtert sich der bauliche Zustand zahlreicher der LWB anvertrauter Bauten mit zunehmender Geschwindigkeit. Daneben betreibt sie zielstrebig den Abriß eines großen Teils ihres Altbaubestandes. Davon betroffen sind auch Objekte, in die während der 1990er Jahre erhebliche Fördermittel zur Sicherung und Teilsanierung geflossen sind. Die Abrißanträge der LWB beinhalten sogar ganze Häuserquartiere bzw. in sich geschlossene Wohnanlagen. Interessierte private Investoren werden mit weit überzogenen Preisforderungen vom Kauf abgehalten. Aus Sicht der LWB ist für die Preisbestimmung nicht der Marktwert eines Gebäudes entscheidend, sondern die Fördergelder, die sie durch Abrißprämien und Altschuldenerlaß erlangen könnte. Des weiteren besteht ein ausdrückliches Interesse, Konkurrenten vom Markt fernzuhalten. Dabei könnte ein privat sanierter ehemaliger LWB-Häuserbestand sich wertsteigernd auch auf benachbarte Häuser im LWB-Besitz auswirken: Die LWB setzt jedoch ausschließlich auf die Ausschaltung jeglichen unternehmerischen Wettbewerbs. Diese Strategie wird ganz unverhohlen auch öffentlich vertreten. So konnte man in der Leipziger Volkszeitung nach dem Abbruch des Hauses Karl-Heine-Straße 30 im Herbst 2004 lesen1: „Sanieren will Beck [der damalige LWB-Geschäftsführer] die Gründerzeithäuser aber nicht. <Durch den Abriß von Plattenbauten wird der Markt gerade wieder gesund. Wenn wir jetzt die alten Häuser an den Markt bringen, konterkarieren wir diese Entwicklung.>“. Im Januar 2005 schlugen Leipzigs Immobilienmakler Alarm und machten die stadteigene LWB für das aktuelle Häusersterben in den Gründerzeitvierteln verantwortlich2. Sie benannten dabei mehrere Objekte, bei denen die LWB den Verkauf an Preisforderungen, die ein Mehrfaches über den Marktpreisen lagen, scheitern ließ und stattdessen diese Häuser dem Verfall überantworteten. Einer der Leipziger Makler äußerte in diesem Zusammenhang den Vorwurf: „Der LWB-Geschäftsführer wolle vor allem eins: das Wohnungsangebot verknappen. In der Branche halten viele diesen Ansatz für vermessen. <Die LWB maßt sich eine ordnungspolitische Funktion an, die ihr einfach nicht zusteht. Dadurch zementiert der Großvermieter sein Übergewicht am Markt - zu Lasten der Stadt und ihrer Bewohner.>“. Durch ein zu 100 % kommunales Unternehmen werden somit Gebäude und Bauensembles vernichtet, welche einen hohen potentiellen Wert als Immobilien haben. Es sind Werte, die letztlich Leipzigs Bürgern gehören. Sie können von der LWB erwarten, daß sie diesen kommunalen Altbaubestand sorgsam verwaltet und bewahrt. Überdies stehen die Abbrüche in einem krassen Gegensatz zu den Zielstellungen einer behutsamen Stadtentwicklung und des Denkmalschutzes. 1 - Leipziger Volkszeitung vom 18.10.2004. 2 - Leipziger Volkszeitung vom 18.01.2005 . 38 Seitens der Stadtverwaltung, der von der Leipziger Bürgerschaft gewählten Stadträte und der LWB wird jedoch betont, daß es sich bei der LWB um ein privatwirtschaftlich ausgerichtetes Unternehmen handele. Deshalb dürfe es keine Einmischung der Stadtverwaltung in die Geschäfte der LWB geben. Wenn dem so wäre, würde es bedeuten, daß hier ein Unternehmen entstanden ist, in dem die Angestellten losgelöst vom Unternehmenseigentümer völlig frei in ihren Entscheidungen wären. Bei einem stadteigenen Unternehmen ist eine solche Entwicklung nicht hinnehmbar. Die Bürger haben einen elementaren Anspruch darauf, daß das städtische Eigentum im Interesse der Bürgerschaft verwaltet und gemehrt wird. Dieses öffentliche Interesse schließt Fragen der Baukultur und des Denkmalschutzes ein. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Das äußerst repräsentative Eckhaus Karl-HeineStraße 30, zugleich Kopfbau der Anschlußbebauung, markierte durch seine Lage im Scheitelpunkt der hier aufeinanderstoßenden beiden Hauptstraßenzüge von Plagwitz das Zentrum dieses Stadtteils. Ein Abbruchantrag des Hauseigentümers LWB wurde 1999 aus denkmalpflegerischen und städtebaulichen Gründen abgelehnt. Die Unterlassung der Reparatur geringfügiger Schäden führte zur Gefährdung der Standsicherheit des Gebäudes, so daß der Abbruch schließlich - vorbei an der Landesdenkmalpflege - baupolizeilich angeordnet wurde. Das Beispiel Karl-Heine-Straße 30 Im Oktober 2004 mußte das stattliche gründerzeitliche Mietshaus Karl-Heine-Straße 30, zugleich Mittelpunkt des Stadtteils Plagwitz, aus baupolizeilichen Gründen abgerissen werden. Das Eckgebäude war bis dahin der Leitbau der sich anschließenden Bebauung und bildete den attraktiven Blickpunkt der sich hier kreuzenden Hauptstraßenzüge von Plagwitz. Der eigentliche Grund für den Abbruch, der ohne die erforderliche Genehmigung des Landsdenkmalamtes erfolgte,1 war die jahrelange vorsätzliche Vernachlässigung des Hauses durch den Eigentümer LWB. Obwohl die Mieter seit langem auf eine Reparatur des in den 1960er Jahren aufwendig mit Naturschiefer und Zinkblech eingedeckten Daches gedrängt hatten, unterließ die LWB diese notwendigen Erhaltungsmaßnahmen. Kaufinteressenten wurden mit überzogenen Preisforderungen abgeschreckt. Zur Erklärung des Vorgangs äußerte der Geschäftsführer der LWB gegenüber der LVZ lapidar: „Bei Mieterlösen von vier Euro pro Quadratmeter können wir nicht Baukosten von 1.400 Euro übernehmen.“ Mit hohen Abrißkosten von mehreren zehntausend Euro wurde ein denkmalgeschütztes Gebäude im Wert von mehreren hunderttausend Euro beseitigt. Die nach dem Abriß auf nachdrückliches Drängen der Bevölkerung und der ansässigen Gewerbetreibenden hin erfolgte Freiflächengestaltung wurde von der Stadt finanziert. In aller Deutlichkeit stellt sich hier die Frage, mit welchem Recht Angestellte eines städtischen Unternehmens in einem solchen Umfang öffentliche Gelder und Werte vernichten dürfen und dies unwidersprochen als betriebswirtschaftlich zwingende Kalkulation darstellen können. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 1 - Die Lokalpresse berichtete wiederholt und ausführlich, siehe insbesondere Leipziger Volkszeitung vom 18.10.2004. 39 Das Wohnensemble Zerbster Straße ist eine Inkunabel des sozialen Wohnungsbaus im Deutschland der 1920/30er Jahre. Im sanierten Zustand wäre mit einer Vollvermietung zu rechnen. Schon mehrere Investoren haben sich in der Vergangenheit für die städtebaulich und architektonisch anspruchsvolle Anlage interessiert und es wurden Kaufangebote zum Marktwert unterbreitet. Trotzdem will die stadteigene LWB die baulich völlig gesicherte Anlage (u.a. komplett neues Dach) lieber abbrechen. Beweggrund sind ausschließlich die aus öffentlichen Mitteln zu erlangenden Abbruchprämien, die in ihrer Summe die Abbruchkosten und den Marktwert übersteigen. Das Beispiel Zerbster Straße Aktuell setzt die LWB einen neuen Schwerpunkt im Abbruch von kompletten Wohnanlagen der 1920/30er Jahre. Dies betrifft das gesamte Leipziger Stadtgebiet. Im Stadtteil Eutritzsch, nur zwei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, plant die LWB bspw. den Abriß der denkmalgeschützten Wohnanlage Zerbster Straße. Aufgrund anhaltender Proteste der Leipziger Bevölkerung und einer deutschlandweit kritischen Berichterstattung bat Oberbürgermeister Burkhard Jung das städtische Unternehmen, nach einem Kaufinteressenten zu suchen. Dies wurde dem Stadtforum mit Schreiben vom 12. Mai 2006 mitgeteilt. Völlig ungeachtet dieser Bitte verlautbart die LWB weiter öffentlich, daß sie am Abriß festhalten wird. In der am 3. Juni 2006 erschienenen Ausgabe des Amtsblatts der Stadt Leipzig schrieb sie den Abbruch für den Zeitraum ab 1. August 2006 öffentlich aus. Damit würde eine nicht wieder zu heilende gewaltige Lücke in die Stadtstruktur von Eutritzsch gerissen werden. Damit würde ohne jegliche Not ein Ensemble von architektonisch und städtebaulich hohem Rang vernichtet werden. Errichtet wurde die Anlage 1923 durch den Architekten Alfred Liebig (1878-1952) für das damalige Wohnfürsorgeamt der Stadt Leipzig. Liebig war ein Schüler von Paul Wallot, dem Architekten des Berliner Reichstags. Die Zerbster Straße ist eine der ersten großen Wohnungsanlagen des kommunalen sozialen Wohnungsbaus in Leipzig und steht am Beginn einer bedeutenden Entwicklung, in deren Verlauf u.a. die Kroch-Siedlung in Gohlis-Nord und der Rundling in Lößnig entstanden. In Eutritzsch fügt sie sich die Bebauung an der Zerbster Straße in ein Ensemble größerer Wohnanlagen ein, zu dem die bekannten Meyerschen Häuser von 1899/1900 ebenso gehören wie eine Reihe weiterer moderner Wohnquartiere der 1920er Jahre an der Theresienstraße. Die in ihrem Gesamtzuschnitt attraktiven Wohnungen der Anlage Zerbster Straße würden sich für Modernisierungsmaßnahmen geradezu ideal anbieten. Hier könnten die Belange des Denkmalschutz mit denen eines zeitgemäßen Wohnens optimal vereint werden. Auch wäre im sanierten Zustand eine gute Vermietbarkeit dieser Häuser zu erwarten, wie dies in Leipzig für sanierten Wohnraum der 1920/30er Jahre generell zutrifft. Nicht zuletzt ist die gesamte Anlage baulich gesichert. Sogar die Dächer sind von er LWB bereits vollständig erneuert worden. Einsturzgefahr ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. 1 - Die hier genannten Zahlen entstammen weitgehend der Berichterstattung in der Leipziger Volkszeitung, vor allem vom 18.04.2006. 40 An diesem Beispiel wird deutlich, welche fatalen Auswirkungen der Einsatz von Fördermitteln haben kann, wenn er nicht im Einklang mit einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik steht. Die Wohnanlage Zerbster Straße wurde im Rahmen des Stadtumbau-Ost-Programms nicht etwa als Aufwertungsgebiet, sondern als potentielles Abrißgebiet ausgewiesen. Das städtische Unternehmen LWB würde für den Abriß (175 Wohnungen mit ca. 10.000 m² Wohnfläche) 60 € Abrißförderung pro m², also ca. 600.000 € erhalten1. Dazu kämen 770.000,- € Altschuldenerlaß durch den Bund. Nach eigenen Angaben der LWB soll die anschließende Gestaltung der Grünanlage nicht aus ihren eigenen Mitteln finanziert werden. Demzufolge müßte die Stadt Leipzig direkt dafür aufkommen. Bei ca. 3.000 m² Fläche und erfahrungsgemäß ca. 50 €/m² Investitionskosten wären dies etwa 150.000 €. Dazu kämen noch unbezifferte Kosten für den anschließenden Pflegaufwand. Die tatsächlichen Abbruchkosten würden dagegen zwischen 200.000 und 250.000 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 € betragen. Angenommen T€ 250, würde das bedeuten, daß der LWB T€ 600 + 770 – 250 = insgesamt 1.120.000 € Gewinn verblieben. Dazu käme dann noch die städtische Investition von T€ 150 für das Grundstück. T€ 600 u. T€ 770 wechseln lediglich von einer öffentlichen Kasse in die andere. Tatsächliche Ausgaben der öffentlichen Hand wären dagegen die Kosten für den Abbruch von T€ 250 und für die Grünanlage von T€ 150. Dazu käme der Verlust der Bausubstanz, die aktuell einen Marktwert von 500.000 € hat. Der Verlust für die öffentliche Hand betrüge also mindestens ca. 900.000 €. Nach eigenen Angaben der LWB soll die Anlage nun sogar 2 Mio € Wert haben. Danach betrüge der Verlust für die öffentliche Hand 2,4 Mio €. Dazu kämen 400.000 €, die die LWB nach eigenen Angaben in den letzten Jahren in den Unterhalt der Anlage investiert hat, ein Aufwand, der mit dem Abriß nutzlos verloren ginge. Unberücksichtigt bleiben bei dieser Rechnung die zukünftigen Unterhaltungskosten für die Grünanlage aus Mitteln der öffentlichen Hand (die keinesfalls gesichert sind), sowie die ausbleibenden Einnahmen aus Grundsteuer und Infrastrukturabgaben. Zahlreiche Leipziger haben sich bereits öffentlich für den Erhalt der reizvollen Anlage eingesetzt. Ein offener Brief, Unterschriftenlisten, eine Demonstra- Der städtebauliche Schaden und der Verlust an Denkmalsubstanz werden hier ebenfalls nicht beziffert. Insgesamt entstünde durch den Abbruch jedenfalls unmittelbar für die öffentlichen Kassen ein Schaden, der zwischen 1 Mio und 2,5 Mio € anzusetzen ist. Der hier nicht bezifferbare volkswirtschaftliche Schaden und der kulturelle Verlust dürften sich auf mehrere Millionen Euro summieren. Andererseits würden bei einem Verkauf der Wohnanlage 500.000 € in die öffentlichen Kassen fließen. Dazu würden dann die Steuern kommen, die aufgrund der Sanierung anfallen (Gewinnbesteuerung der Baufirmen, Besteuerung der Gewinne aus Vermietung, etc.). Überdies würden die Unterhaltungskosten durch die Stadt bzw. die LWB für das Grundstück sofort entfallen. tion sowie eine deutschlandweite kritische Berichterstattung in den Medien veranlaßten OBM Jung, die LWB zur erneuten Suche nach einem Kaufinteressenten aufzufordern. Dem Stadtforum wurde dies in einem Brief vom 12. Mai 2006 offiziell mitgeteilt. Völlig ungeachtet dieser Bitte des OBM schrieb die LWB den Abbruch in der am 3. Juni 2006 erschienen Ausgabe des Leipziger Amtsblattes für die Zeit ab 1. August 2006 öffentlich aus. Als Begründung für die Genehmigung des von der LWB betriebenen Abrisses wird seitens des Stadtplanungsamtes allein und pauschal auf den noch immer zu hohen Wohnungsleerstand in ganz Leipzig hingewiesen. Fragen der Differenzierung des Leerstandsproblems nach Wohnlagen, der Aspekt des Kaufinteresses durch Investoren oder gar eine eventuelle Strategie, welche den Erhalt gerade solch wertvoller Anlagen wie in der Zerbster Straße zum Ziel haben solle, spielen dagegen in der städtischen Argumentation keine Rolle. Wie schon beim Beispiel Karl-Heine-Straße 30 ausführlich dargelegt, maßen sich auch hier die Angestellten eines städtischen Unternehmens an, öffentliche Gelder im Umfang von mehreren Millionen Euro zu vernichten. Dazu kommen die Vernichtung von städtebaulichen und denkmalpflegerischen Werten, zu deren Schutz die Stadt als der Eigentümer des Unternehmens gesetzlich verpflichtet ist und die öffentliche Mißachtung einer ausdrücklichen Bitte des Oberbürgermeisters. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 41 Das Beispiel Großer Wahrener Rundling 1 - Leipziger Volkszeitung vom 03.04.2006 2 - Leipziger Volkszeitung vom 16.03.2006 Direkt im Zentrum des Stadtteils Wahren läßt die LWB seit Jahren den sogenannten Großen Rundling verfallen. In dem aus 22 Häusern (150 Wohnungen) bestehenden Ensemble lebten zu Beginn dieses Jahres noch 6 Mietparteien. Nachdem die LWB seit Jahren keine Neuvermietungen mehr vorgenommen hat, sollen nun auch die letzten Mieter ihre Häuser verlassen. Sie wären dann unbewohnt und dem beschleunigten Verfall preisgegeben. Auch zu einer Ausschreibung der Anlage durch die LWB ist es nicht gekommen1. Das architektonisch anspruchsvolle Wohnensemble und der vor ihm liegende runde Schmuckplatz stellen das Zentrum des Stadtteils dar. Die Bauten entstanden 1927 nach Plänen des Stadtbaurats Hubert Ritter (1886-1967), von dem auch der berühmte Rundling in Leipzig-Lößnig (1929/30) und die Leipziger Großmarkthalle (1928/29) stammen. Geschickte Gliederung durch Simse, Giebel, Risalite, Portale und nicht zuletzt dezente Farbnuancen der Fassadengestaltung bewirken den Eindruck einer aus mehreren Einzelbauten bestehenden und doch zusammengehörenden Anlage. Von der Friedrich-Bosse-Straße öffnet sich der Blick auf einen großzügigen begrünten, von Süden belichteten Innenhof. Die Grünfläche wurde erst in den letzten Jahren mit öffentlichen Mitteln neu gestaltet und war ein Anziehungspunkt gerade für junge Familien. Der Große Wahrener Rundling bildet zusammen mit dem benachbarten Wahrener Rathaus das Zentrum des Stadtteils. Die architektonisch und städtebaulich außerordentlich anspruchsvolle Anlage verfügt über einen der großzügigsten und schönsten grünen Innenhöfe Leipzigs. Ohne nachvollziehbare Gründe unterblieben bis heute Sanierungsmaßnahmen oder Verkaufsbemühungen durch den Eigentümer LWB. Vielmehr mußten 2006 die letzten verbliebenen 6 Mietparteien ihre Wohnungen verlassen. Damit sieht die Anlage nun einer erfahrungsgemäß auf den Leerstand folgenden, immer schneller werdenden Verfallsspirale entgegen. Der Abbruch scheint eine Frage der Zeit. LWB-Sprecher Hoffmann sagte dazu am 3. April 2006 gegenüber der Leipziger Volkszeitung, es müsse einem „nicht bange sein um das sehr interessante Ensemble“. Das Beispiel Käthe-Kollwitz-Straße 6 Noch im Jahr 2006 plant die Stadt Leipzig das der LWB gehörende Haus Käthe-Kollwitz-Straße 6 abzubrechen. Das Gebäude befindet sich nahe des Zentrums der Stadt und grenzt an die Außenseite des Dittrichrings. Es ist in diesem Abschnitt der Käthe-Kollwitz-Straße das letzte erhaltene historistische Gebäude. Entsprechend seiner prominenten Lage ist es um 1885/87 mit höchstem architektonischem Anspruch errichtet worden und hat sich in diesem Zustand bis heute erhalten. Es besitzt eine noble Fassade im Stil der Neorenaissance, die vollständig aus Sandstein besteht. Seitens der LWB wurde der Bau über mehrere Jahre hinweg völlig vernachlässigt, und dies trotz seiner immobilientechnisch hervorragenden Lage. Betrieben wurde zu keinem Zeitpunkt eine dem Objekt und der Lage entsprechende Entwicklung, sondern lediglich die Vermarktung als freies Baugrundstück. Der jetzt vorbereitete Abriß soll Baufreiheit für die Erweiterung einer benachbarten Klinik schaffen. Aufgrund der jahrelangen Vernachlässigung kann nicht mehr der Erhalt des gesamten Hauses, sondern nur noch der Erhalt der Fassade und der Dachlandschaft sinnvoll diskutiert werden. Nach diesem aus denkmalpflegerischer Sicht schmerzhaften Zugeständnis wurde nun im Zuge der Abbruchplanung seitens der LWB vorgebracht, daß der Erhalt der Fassade technisch nicht möglich sei. Daraufhin wurde im Frühjahr 2006 durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz die Planung eines Architekturbüros vorgelegt, mit der die Machbarkeit des Erhalts nachgewiesen wurde. Die LWB entgegnete darauf, daß der Erhalt der Fassade ohne Abstriche an der geplanten Nutzung des Neubaus gewiß technisch möglich sei, jedoch die Mehrkosten unzumutbar wären. 42 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Daraufhin erwirkten das Stadtforum und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beim Regierungspräsidium Leipzig, daß dafür eine Förderung in einer Größenordnung bis zu ca. 200.000 € in Aussicht gestellt würde. Dieses Förderangebot wurde von der LWB dann ohne nähere Begründung abgelehnt. Dem Stadtrat war seitens der Stadtverwaltung bereits im Dezember 2005 in einer Vorlage mitgeteilt worden, daß der Bau insgesamt wertlos und nicht zu retten sei. Belegt wurde dies mit Innenaufnahmen besonders desolater Bauteile. Der Wert der Fassade oder relevante städtebauliche Fragen wurden weder angesprochen, noch waren sie auf Bildern erkennbar. Als Abrißgrund wurde den Stadträten die Notwendigkeit der Klinikerweiterung für die Fußball-WM 2006 genannt (Leipzig ist jedoch einer der größten deutschen Medizinstandorte mit einem dichten Netz unterschiedlichster Kliniken). Noch absurder war die Verlautbarung des potentiellen Investors, das Haus müsse nun schnellstmöglich aus hygienischen Gründen abgebrochen werden2. Das Haus Käthe-Kollwitz-Straße 6 besitzt eine überaus wertvolle Fassade in noblen Formen der Neorenaissance, die im Gegensatz zu herkömmlichen Stuckfassaden der Gründerzeit vollständig aus Sandstein besteht. Zwischen Innenstadtring und Gottschedstraße gelegen, Wie in zahlreichen anderen Fällen auch, beruft sich die LWB bei ihren Abbruchantrag auf den derzeit desolaten Zustand des Gebäudes. Einen Zustand, den sie durch jahrelange Vernachlässigung selbst herbeigeführt hat, wobei die Mahnungen der Denkmalpflege ignoriert wurden. Durch diesen Abbruch würden eine hochwertige und immobilienwirtschaftlich wertvolle historistische Sandsteinfassade vernichtet werden. Wenn die Stadt zuließe, daß ein Gebäude in dieser Lage und von diesem baukünstlerischen Wert trotz angebotener Fördermittel abgebrochen würde, so gäbe es kein Argument mehr, mit dem private Abrißwünsche im städtischen Baudenkmalbestand abgewehrt werden könnten. Ein den gesetzlichen Bedingungen entsprechender Denkmalschutz würde in Leipzig praktisch nicht mehr durchsetzbar sein. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 ist es auf seiner Straßenseite das einzige erhaltene historische Gebäude und läßt die einstige Pracht der Straße erahnen. Jetzt soll der Bau einem schlichten Klinikzweckbau weichen. Auch der von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und dem Stadtforum erbrachte Nachweis der technischen und finanziellen Möglichkeit zur Integration zumindest der Fassade in den Neubau können die LWB und den Klinikbetreiber nicht von ihren Abbruchplänen abbringen. 43 Beispiel Gemeinsame Gebäuderettung durch die Stadtverwaltung und HausHalten e.V. Der Verein Haushalten e.V. vermittelt für städtebaulich bedeutsame, aber leerstehende Bauten Zwischennutzer. Hauseigentümer werden von den Unterhaltungskosten entlastet, Zwischennutzer erhalten äußerst kostengünstig Räume für ihre Projekte (Künstler, Vereine, etc.) und das Haus erhält einen Wächter. Mehrere Wächterhausprojekte mit LWB-Objekten scheiterten an deren überzogenen Forderungen. Wächterhaus Kuhturmstraße In enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung (ASW) vermittelt der Verein HausHalten e.V. (www.haushalten.org) zwischen den Eigentümern denkmalgeschützter, aber bedrohter Häuser und Interessenten, die bereit sind, in einem einfachen Umfeld (meist Kohleheizung und Etagentoiletten) selbst handwerklich aktiv zu werden. Die Nutzer zahlen kein Nutzungsentgelt, lediglich Nebenkosten und einen geringen Vereinsbeitrag. Sie erhalten ein Nutzungsrecht für mindestens 5 Jahre, in denen sie als „Hauswächter“ wirken und damit durch die Belebung und Kontrolle der Häuser zu deren Erhalt beitragen. Die Hauseigentümer werden zudem von Unterhaltungskosten entlastet. Erste Wächterhäuser konnten mittlerweile zur allseitigen Zufriedenheit von Hauseigentümern, Zwischennutzern und Stadt und Verein eröffnet werden. Etwa 8 Monate haben die ehrenamtlich wirkenden Vereinsmitglieder dazu auch mit der LWB verhandelt. In dieser Zeit wurden immer neue Vertragsentwürfe diskutiert, in die von Seiten der LWB im Laufe der Zeit immer weitere Bedenken, insbesondere hinsichtlich (nie näher spezifizierter) Haftungsrisiken einflossen. Konkret diskutiert wurden die Gebäude Lützner Straße 6 und 18, wobei die LWB letzteres eigentlich abreißen wollte, hierfür aber keine Genehmigung bekam. Am Ende der Verhandlungen stand ein für den Verein unannehmbarer Vertragsentwurf, der die Instandhaltung und Instandsetzung (originäre Eigentümerpflichten) auf HausHalten e.V. abgewälzt hätte, und zudem viele der von der LWB in den Vertragstext eingebrachten Passagen die Nutzung und den Erhalt wesentlich eingeschränkt hätten. Im Ergebnis haben Verein und ASW viel Zeit und Arbeitskraft verloren, mit denen andere Objekte hätten gerettet werden können. Das Beispiel Scheffelstraße 36 Wächterhaus Lützner Straße Im Stadtteil Connewitz plant die LWB derzeit den Abriß des Hauses Scheffelstraße 36. Das denkmalgeschützte, 1903 von dem Architekt H. Heusing errichtete Gebäude mit seiner schönen Putz- und Stuckfassade sowie seiner reichen originalen Innenausstattung und seinen großzügig geschnittenen Wohnungen ist es eines der wenigen Gebäude am Connewitzer Kreuz, die den Zweiten Weltkrieg überstanden haben. Schon wiederholt geplant und städtebaulich erforderlich wäre am Stadtteilzentrum Connewitzer Kreuz eigentlich eine Schließung der Kriegslücken mit mehrgeschossigen Bauten. Stattdessen besteht nun die Gefahr, daß im Zuge der Errichtung eines neuen Einkaufszentrums durch die staatliche TLG das baulich intakte Gebäude Scheffelstraße 36 abgerissen wird. Das Grundstück soll dabei der geringfügigen Erweiterung eines bestehenden Parkplatzes und der Neuerrichtung einer Verkaufsbude weichen. Der Abriß wäre nicht nur ein unersetzlicher Verlust für das Stadtbild am Connewitzer Kreuz., sondern es würde auch hochwertiger Wohnraum in einer der gefragtesten Leipziger Wohngegenden vernichtet. Nicht zuletzt wäre damit auch eine skandalöse Verschwendung öffentlicher Gelder verbunden. Das im Eigentum der LWB stehende Gebäude erfuhr erst in den letzten Jahren aus Mitteln des Wohngebäudesicherungsprogramms eine aufwendige Schwammsanierung, des weiteren wurde eine Dachhälfte neu eingedeckt und eine Ausbesserung aller Außenfassaden sowie die Erneuerung der Dachentwässerung und des Giebelputzes vorgenommen. Wächterhaus Demmeringstraße Scheffelstraße 36. Erbaut 1903 von Architekt H. Heusing Kein Abriß eines Baudenkmals für Verkaufsbuden und Parkplätze! Für den Erhalt des Jugendstilhauses Scheffelstraße 36 in Connewitz 44 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Der Abriß des Bibliographischen Instituts Im Jahr 2005 beantragte die Treuhand-Liegenschafts-Gesellschaft (TLG), ein Nachfolgeunternehmen der Treuhandanstalt im Besitz des Bundes, für das am Täubchenweg liegende Areal des Bibliographischen Instituts den Gesamtabriß. Das im traditionsreichen Graphischen Viertel im Osten der Innenstadt liegende Institut ist besonders durch die Herausgabe des Dudens ein für die Geschichte der deutschen Sprache wichtiger Ort. Zugleich ist es die letzte noch erhaltene historische Raumkante des linksseitigen Täubchenweges zwischen „Brauerei Bauer“ und Crusiusstraße. Zum Abrißvorhaben gehörte auch der auf dem Grundstück liegende, 1898 errichtete Erweiterungsflügel der Druckerei C.G. Röder in der Perthesstraße 3. Bei diesem schlichten, aber durchaus charmanten Bau handelt es sich um den ältesten Stahlbetonbau Deutschlands. Zum ersten Male wurden hier Geschoßdecken und Pfeiler in Eisenbeton ausgeführt. Nicht zuletzt aufgrund öffentlichen Bürgerprotestes wurde die behördliche Abrißgenehmigung zumindest für diesen Bau widerrufen. Wogegen die TLG in der Presse ankündigte1: „Wir werden uns mit Händen und Füßen gegen den neuen Bescheid wehren.“ Die übrigen Bauten werden in jedem Fall abgebrochen. Grund für den beantragten Abriß ist lediglich die Freiräumung des Grundstücks für eine anschließende Vermarktung als Bauland. An eine Entwicklung der wertvollen Bauten wurde dabei ebenso wenig gedacht, wie daran, daß vielleicht ein Investor gerade Interesse an den entwicklungsfähigen Industriedenkmalen haben könnte. Nicht zuletzt sind die zum Abriß vorgesehenen Gebäude zwischen Perthesstraße und Gerichtsweg substantiell in einem so gutem Zustand, daß sie bedenkenlos noch einige Jahre auf eine Neunutzung warten könnten. Besonders befremdlich an dem Abrißvorhaben ist zudem, daß sich die TLG noch beim Ausbau des Gerichtsweges zur neuen B 2 beharrlich geweigert hatte, Flächen für den Straßenbau abzutreten und sich dabei u.a. ausdrücklich auf den Denkmalschutz und Entwicklungsmöglichkeiten des Grundstückes berufen hatte. Insbesondere spielte damals das Argument der größeren denkmalpflegerischen Bedeutung der Druckerei eine Rolle. Deshalb mußten schließlich die beiden Baudenkmale Gerichtsweg 8 (Jugendstil) und das besonders wertvolle und überwiegend sanierte Geschäftshaus Nummer 10 (Neorenaissance) der neuen Straße weichen. Diese Opfer sind nun letztlich umsonst gewesen. Der Staat als Akteur der Denkmalvernichtung das Beispiel TreuhandLiegenschaftgesellschaft 1 - Leipziger Volkszeitung vom 30.06.2006. Völlig ohne Not mußte das klassizistische Baudenkmal der Zufahrt für einen Aldi-Markt weichen, der hier zwischen zwei benachbarten Supermärkten errichtet wurde. Die Braustraße 26 war der baulich mit Abstand wertvollste Bau des gesamten Straßengevierts. Erneut ließ die staatliche TLG ein Baudenkmal für eine anspruchslose Gewerbebebauung abbrechen, ohne einen Erhalt des Denkmals überhaupt in Erwägung gezogen zu haben. Der Abbruch der Braustraße 26 für eine Aldi-Zufahrt Ebenfalls 2005 wurde der TLG wunschgemäß die Abbruchgenehmigung für das 1872 errichtete spätklassizistische Kontor- und Wohngebäude Braustraße 26 erteilt, der Abbruch ist inzwischen vollzogen. An der Stelle des abgebrochenen Gebäudes legte die TLG die Zufahrt für einen neuen Aldi-Markt an, der seitdem in Rufweite zwischen zwei bestehenden Märkten liegt. Das Gebäude gehörte zu dem derzeit in Leipzig heiß diskutierten Feinkostgelände (Karl-Liebknecht-Str. 36), dessen hinteres Areal mit dem zweiten Hof komplett gefallen ist. Der Bau in der Braustraße war das letzte erhaltene Gebäude eines Leipziger Brauereibesitzers, in welchem zeittypische repräsentative Wohnungen ebenso vorhanden waren, wie ein größerer Saal im Erdgeschoß (evtl. ehem. Schanksaal). In dieser Funktion war das Gebäude mit der Kleinen Funkenburg identisch und befand sich ebenfalls im Besitz der Brauerei C.W. Naumann. Damit ging hier ein weiterer Baustein der Stadtgeschichte verloren. Obwohl der Brauereibetrieb schon in den 1920er Jahren eingestellt wurde, hatte sich das Haus im Zustand seiner Entstehung erhalten. Besonders bemerkenswert waren neben der einstmals repräsentativen Innenausstattung und dem schmiedeeisernen Tor zum Grundstück, die großartigen doppelten Kelleranlagen. In den oberen Kellern des Grundstücks waren massive Kappengewölbe auf breiten Entlastungsbögen eingespannt, welche wiederum von extrem schlanken Gußeisensäulen getragen wurden. Der Tiefkeller war dagegen massiv in Stein ausgeführt. Die Keller hätten sich ohne weiteres erhalten lassen. Auch das Wohnhaus selbst war trotz starker und vom Eigner ungebremster Verwahrlosung noch zu retten gewesen. Eine gastronomische Nutzung gerade in dieser traditionsreichen Stätte hätte eine hervorragende Ergänzung des auf dem vorderen Feinkostgelände geplanten neuen Kultur- und Kneipenareals darstellen können. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 45 Zur Entwicklung im Leipziger Stadtzentrum Das Gebäudeensemble des Zentralmessepalastes während der vollständigen Entkernung. Erhalten blieben nur die Straßenfassaden. Das Gebäude Grimmaische Straße 12/ 14 wurde vollständig abgebrochen. Auch der Schutzstatus historischer Bausubstanz im Zentrum ist scheinbar beliebig einzuschränken. Das trifft selbst auf Baudenkmale erster Kategorie zu. Anstatt ein Baudenkmal grundsätzlich als Ganzes zu sehen, reduziert sich durch seinen, meist schlechten Bauzustand, durch heutige Umnutzungs- bzw. Nutzungskriterien bei maximaler Nutzflächenausbeute und nicht zuletzt durch den Druck des entsprechende Mehrkosten scheuenden Investors der tatsächliche Schutz immer mehr auf einzelne Bauteile, meist nur auf die Fassade. Nach beispielgebender Praxis ist die Ausnahme mittlerweile zur Regel geworden. Das Ergebnis sind Schaukulissen, historische Fragmente ohne Hintergrund, beraubt der Geschlossenheit des ursprünglichen Baugedankens, beraubt auch der geschichtlichen Spuren verschiedener Umbauten und Überformungen. Die Formel Baudenkmal gleich Fassade ab 1. Obergeschoß hat sich agilen Projektentwicklern als preisgünstiges, leicht erreichbares Ziel eingeprägt. Man orientiert sich am Äußeren, am schönen Schein, ein oberflächliches Denk- und Verhaltensmuster, das auf vielen Ebenen der Gesellschaft Verbreitung gefunden hat. Ein kritisches Hinterfragen dieser Entwicklung durch Verwaltung und Stadtrat ist nicht erkennbar. Eine fatale Folge davon ist, daß sich diese Sichtweise auch im öffentlichen Verständnis festzusetzen beginnt und sukzessiv ein verflachtes Bild der Aufgabe des Denkmalschutzes geprägt wird. Der befindet sich im Kraftfeld der Interessen und damit in der Frage der Zumutbarkeit von Auflagen ohnehin stets in einer vergleichsweise schwachen Position und muß um jedes Zugeständnis feilschen. Die bei Entkernungen manchmal stattfindende Bergung von Ausstattungsdetails wird zur makabren Notrettung von Stilmustern, denen willkürlich der Zusammenhang genommen wurde. Ist der Krater dann wieder geschlossen, suggeriert die sanierte historische Fassade nicht nur fälschlich das komplette Gebäude, sondern auch höchste Sensibilität beim Umgang mit dem baulichen Erbe. Abgesehen von wenigen Bauherren, die tatsächlich mit dankenswerter Behutsamkeit zu Werke gehen und sich auf den Ort und seine Geschichte einlassen, ist eine schonendere Gesamtentwicklung – wenn auch mehrfach auf demokratischem Wege eingefordert – noch immer nicht erkennbar. Zunehmend preisgegeben wird auch ein weiteres Wesensmerkmal des Stadtkerns, die Kleinteiligkeit und die damit einhergehende lebendige Vielfalt der Architektur- und Nutzungsformen. Die Balance zwischen großen und kleinen Stadtbausteinen ist längst verloren. Parzellenschluckende Makrostrukturen bis in Quartiergröße sind weiter auf dem Vormarsch: Karstadt (7 Parzellen), Galeria Kaufhof (13), Neumarkt 12–14 (3), Petersbogen (5), Marktgalerie (7). In ihrem Gefolge stets der gleiche Mix aus allerorts dominanten Firmenketten. Kleinere Läden und Familienbetriebe haben kaum Chancen daneben zu bestehen. All das wirkt sich in dem vergleichsweise kleinen Zentrum schnell milieu- und stadtbildprägend aus. Hier muß entgegengesteuert werden. Beispiel Karstadt Symptomatisch für diese Entwicklung ist das aktuelle Beispiel Karstadt. Mit dem Argument des Konkurrenzdrucks der Randmärkte abgesichert, konnte maßlos und ungebremst expandiert werden. Heute ist bis auf Stentzlers Hof das gesamte Quartier – immerhin sieben weitere Grundstücke – in der Hand des Unternehmens. Entsprechend klotzig die Planung: Tabula rasa mit Ausnahme der Kaufhausfassade, dann drei Tiefgaragengeschosse und darüber 31.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, davon ein Drittel für Fremdmieter. Die Baudenkmale Neumarkt 38 (1867/68, Paul Eduard Bachmann) und Neumarkt 40 (1867, Moritz Kornnagel), durften samt Hintergebäuden bis auf die Straßenfassaden abgebrochen werden. Peterskirchhof 7 (1868/69, Moritz Kornnagel) fiel gänzlich. Die Kopie der fein gegliederten Fassade ist zwar vorgesehen, im Erdgeschoß brutal gekappt für die Garagenzufahrt. Wohl bleibt so dem Neumarkt die früher erwogene Straßenrampe erspart, andererseits wird bei 430 öffentlichen Parkplätzen intensiver Verkehr in Neumarkt, Peterskirchhof und Petersstraße gezogen. 46 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Messehaus Petershof, Petersstraße 20, Sporergäßchen 6-10, Burgstraße 7-13, Thomaskirchhof 9, erbaut 1928/29 von Alfred Liebig, 2004 Abbruch, u.a. Verlust der Rückfront, des großen Kinosaals (Capitol) und der Treppenspindel, nur ein Teil des Lichthofes und die Hauptfassade ab 1.OG erhalten Thomaskirchhof 8, zu Petersstraße 16 gehörig (ehemals Messehaus Freyberg), 1996 Totalabbruch Thüringer Hof, Burgstraße 19-23, EG und historische Kellergewölbe 1994 abgebrochen Klingers Haus, Petersstraße 48, Schloßgasse 2/4, erbaut 1887/88 von Arwed Roßbach, 1994 Abbruch, nur Fassade erhalten Goldener Arm, Petersstraße 28, erbaut 1879 von Max Bösenberg, Umbau 1930/31 von Brachmann, Crämer & Petschler, 1996 Totalabbruch Kaufhaus Karstadt, Petersstraße 25-31, Preußergäßchen 2-14, Neumarkt 30-36, erbaut 1914/15 von Wilhelm Kreis, 2004 Abbruch, Verlust des letzten historischen Treppenhauses und des Haupttreppenhauses von 1954/55, nur Fassade erhalten Neumarkt 38 (zeitweiliger Sitz der Handelskammer), erbaut 1867/68 von Paul Eduard Bachmann, 2004 Abbruch einschließlich Hintergebäude, nur Fassade erhalten Neumarkt 40, erbaut 1867 von Moritz Kornnagel, 2004 Abbruch, einige Ausstattungsteile für Integration in den Neubau geborgen, Fassade erhalten Peterskirchhof 7, erbaut 1868/69 von Moritz Kornnagel, 2004 Totalabbruch, Wiederaufbau der Fassade ab 1. OG als Kopie vorgesehen (EG wird Zufahrt Tiefgarage Karstadt) Sparkasse, Schillerstraße 5, Magazingasse 4, erbaut 1863 von Gustav Müller, 1996 Entkernung, teilweiser Verlust der Innenausstattung, Fassaden erhalten Magazingasse 5, 1999 Totalabbruch Magazingasse 7/9, 1999 Totalabbruch Ehem. Messehaus Monopol (seit 1926 mit dem Zentralmessepalast verbunden), Grimmaische Straße 10, Architekt Emil Franz Hänsel, 1996 Abbruch, nur Fassade erhalten Zentralmessepalast, Grimmaische 16, Neumarkt 2, Abbruch einschließlich des Erweiterungsbaus von 1981 (Grimmaische Straße 12/14), nur Fassade erhalten Messehaus Hansahaus, Grimmaische Straße 13/15, Totalabbruch, u.a. Verlust der beiden nördlichen Treppenhäuser, Wiederaufbau des Lichthofes als Kopie Messehaus Specks Hof, Reichsstraße 4-6, Teilabbruch, u.a. Aufgabe des 1985 komplett ausgemalten östlichen Lichthofs, Teile des alten Passagensystems und Straßenfassaden erhalten Strohsack (Bursa Heinrici), Ritterstraße 7, 1995 Abbruch der vierseitigen Hofanlage, nur Fassade des Vorderhauses bis zum 2.OG erhalten Oktober 2006 Baumaßnahme wurden hierbei nicht berücksichtigt. Paulaner, Klostergasse 3, erbaut 1860/65 von Moritz Wünsch, 1991/92 Abbruch, nur Fassade und Dach erhalten Barfußgäßchen 10, Totalabbruch Trifugium, Barfußgäßchen 15 (Eckhaus zum Dittrichring), Teilabbruch (EG und 1.OG), Wiederaufbau als Kopie mit geborgenen Originalteilen Barthels Hof, Markt 8, Hainstraße 1, Kleine Fleischergasse 2, erbaut 1747-50 von George Werner, Vorderhausumbau 1870/71 durch B. L. Grimm, Teilabbruch, Verlust des Daches und großer Teile der Innenausstattung; Hoffassaden und Straßenfassade erhalten Hainstraße 2, Entkernung, 1995 Abbruch der Hofgebäude, Fassade erhalten Hainstraße 4, erbaut 1775, 1997 Abbruch der Hofgebäude, nur Fassade erhalten Hainstraße 6, Totalabbruch, Wiederaufbau der Fassade als Kopie Hainstraße 8, Renaissance-Kern, Kastenerker von 1703, Abbruch der Hofgebäude Zum Großen Joachimsthal, Hainstraße 10, Abbruch der Hofgebäude Hainstraße 12, Totalabbruch, Wiederaufbau der Fassade als Kopie Wildschütz, Brühl 10/12, alter Kern, Umbau 1903/04 von A.+L. Stentzler, 1996 Totalabbruch | Baudenkmals und die Qualität der jeweiligen Untergrundmessehalle, Markt, Totalabbruch der 1987/88 rekonstruierten und erweiterten Halle. Eingangsbauwerk, erbaut 1924 von Otto Droge, für den Wiederaufbau vorgesehen Grimmaische Straße 28, Universitätsstraße 2, 2005 Totalabbruch, Wiederaufbau der Fassade ab 1. OG als Kopie Stadtforum Leipzig dient primär der Veranschaulichung der Quantität des Verlusts, der Zustand des Königsbau (Bamberger & Hertz), Goethestraße 1, erbaut 1910/13 von Schmidt & Johlige, 1998 Abbruch, nur Fassade erhalten Blauer und Goldener Stern, Hainstraße14, 1896 Umbau, 1996 Abbruch, Fassade erhalten Universitätsstraße 4, 2005 Totalabbruch, Wiederaufbau der Fassade ab 1. OG als Kopie Nach 1990 entkernte oder komplett abgebrochene Baudenkmale. Die Aufstellung Heuwaage, Ritterstraße 50 (Eckhaus zum Brühl), 1995 Totalabbruch, Wiederaufbau der Fassade als Kopie Neumarkt 4, 1996 Abbruch, nur Fassade erhalten Grimmaische Straße 25, Eckhaus Ritterstraße (Genth), 1994 Totalabbruch Verlust historischer Bausubstanz im Stadtzentrum Augustusplatz/Grimmaisches Tor, 1997 Zerstörung der archäologischen Grabungsfunde der Befestigungsanlagen der Grimmaischen Bastion des Neuen Grimmaischen Tores und des Grimmaischen Steinwegs durch Bau der Tiefgarage 47 Ausgewählte Industriedenkmale Brauerei Lützschena Die Brauerei Lützschena zählt zu den markantesten und größten Industriedenkmalen der Stadt. Die Anlage kann ohne Übertreibung als eine der herausragenden erhaltenen Industriebauten des Art Deco im Leipziger Raum gelten. Die an großen Brauereibetrieben einst reiche Stadt Leipzig verfügt nach den maßlosen Abbrüchen der jüngeren Vergangenheit mittlerweile nur noch über drei nahezu vollständig erhaltene Standorte. Neben der ehemaligen Brauerei C.W. Naumann in der Zschocherschen Straße – die ebenfalls einer ungewissen Zukunft entgegensieht - und der noch im Betrieb befindlichen historischen Brauerei Bauer am Täubchenweg verdient die Lützschenaer Brauerei besondere Aufmerksamkeit. Der gewerbliche Braubetrieb geht mindestens auf das Jahr 1785 zurück. Seitdem erfolgten ständige Umbauten und Erweiterungen. Die heutige imposante Gestalt, die den Stadtteil Lützschena als weithin sichtbare Landmarke prägt, entstand zwischen den beiden Weltkriegen. Von der riesigen Anlage sind besonders das 1928 errichtete Sudhaus mit der charakteristischen grünen kupfergedeckten Kuppel, das zur selben Zeit entstandene Werkstattgebäude mit seinem Uhrturm und der Schmiede, die große Lagerhalle mit Laderampe, das Garagengebäude und die um 1900 errichtete alte Mälzerei gegenüber des Sudhauses hervorzuheben. Zur Anlage zählt ebenfalls eine Gastwirtschaft mit Biergarten aus dem 19. Jahrhundert sowie alte Eiskeller mit gemauerten Gewölben. All diese Gebäude befinden sich im Zustand des ungebremsten Verfalls, nachdem Anfang der neunziger Jahre der Braubetrieb eingestellt wurde und, wie leider typisch bei der Abwicklung der DDR-Industrie, alle zum Weiterbetrieb notwendigen Maschinen und Anlagen demontiert wurden. Gefordert werden muss mindestens eine bauliche Notsicherung besonders des Sudhauskomplexes. In der letzten Zeit entstanden große Schäden durch Vandalismus und Plünderung an der Kupferdeckung der Kuppel und an den Dachrinnen, die fast vollständig gestohlen wurden. Im Inneren befinden sich noch die bunt verglasten Dekkenleuchten mit dem Logo der Brauerei – aber wie lange noch? Aufsehenerregend sind auch die Deckenkonstruktionen aus Stahlbeton in den Gebäuden der Zwischenkriegszeit, die in ihrer strengen und gewaltigen Formgebung nicht häufig anzutreffen sind. Die Stadt Leipzig sollte sich zu Ihrer Verantwortung gegenüber dem neuen Stadtteil Lützschena bekennen und zeitnah Planungen für eine Neunutzung dieses traditionsreichen Areals unter Einbeziehung und Erhaltung der historischen Substanz auf den Weg bringen. 48 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Rinderschlachthalle Die 1936 erbaute Rinderschlachthalle an der Altenburger Straße gehörte zu den herausragenden Beispielen der Leipziger Industiearchitektur. Der feinproportionierte, streng sachliche Klinkerbau stellte die letzte Erweiterung des 1888 eröffneten Städtischen Vieh- und Schlachthofs dar und bildete dessen Raumkante zur benachbarten Wohnbebauung der Südvorstadt. Auf Betreiben des Mitteldeutschen Rundfunks, der heute das gesamte ehemalige Schlachthofareal nutzt, wurde die baulich intakte Rinderschlachthalle 1999 abgerissen. Ein Teil der übrigen historischen Gebäude auf dem Gelände wurde saniert. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 49 Gohliser Brauerei Im Juli 2006 wurde die Aktienbierbrauerei Gohlis abgebrochen. 1871 gegründet, hatte sie 1872 den Betrieb in ihren Gebäuden an der Hallischen Straße (Georg-Schumann-Straße) aufgenommen. Als Baumeister zeichneten Kornagel und Oertel, als Architekt A. Einenkel, Chemnitz, verantwortlich. Mit der effektiven Anordnung der Gebäudeteile gemäß dem Produktionsablauf im Brauprozeß fand das beispielhafte Gebäudeensemble Einzug in die damalige Fachliteratur. Entlang der Breitenfelder Straße stand als imposante bauliche Einheit Kontor, Malz- und Gerstelager, Darre und Sudhaus. Unter einem Großteil des Geländes erstreckten sich gewaltige, zum Teil doppelte Gewölbekeller mit Höhen von fast 8 m. Der Braubetrieb wurde Anfang nach 1990 mit der Abwicklung des VEB Getränkekombinat Sachsenbräu eingestellt. Wegen des Umbaus der Georg-Schumann-Straße erfolgte im Kreuzungsbereich an der Breitenfelder Straße im Jahr 2000 ein vergleichsweise aufwendiger denkmalpflegerischer Eingriff. Für den Bau eines Ampelmastes wurde die historische Einfriedung der Brauerei versetzt und unter Verwendung geborgenen Materials neu aufgebaut. Das betraf auch einen Teil des Metallzaunes, der nach noch erhaltenen Originalteilen rekonstruiert wurde. 2004 wurde durch ein Leipziger Architekturbüro eine Planung für dieses Gelände erstellt, die alle von der Denkmalpflege als erhaltenswert und erhaltbar erachteten Bauteile in eine Neubauplanung integrierte, und die zudem auch erhebliche architektonische Qualitäten aufwies. An deren Stelle erfolgt nun eine Totalberäumung des Areals für eine anschließende Zweckbebauung mit einem Supermarkt durch die Handelskette Kaufland. Neuen Kaufland-Märkten mußten zuvor schon an anderen Orten in Leipzig zum Teil überaus wertvolle Baudenkmale weichen, so in Reudnitz und in Lindenau. Umgesetzt wird dabei das von der Stadtplanung entwickelte Zentrenkonzept, wonach in den Stadtteilen große Supermärkte errichtet werden sollen, nicht selten anstelle vorhandener Baudenkmale, so etwa auch in Connewitz. In unmittelbarer Nähe des neuen Kaufland-Marktes in Gohlis befinden bereits zwei weitere solcher künstlicher Zentren, die noch dazu nur mäßig frequentiert sind. Wie schon in zahlreichen anderen Fällen führte eine Teilabbruchgenehmigung zum Abbruch des gesamten Denkmalbestands und dies ohne daß es von Seiten der Behörden erkennbare Bemühungen gegeben hätte, den Abbruch der ungenehmigten Bauteile zu stoppen oder den Rechtsbruch zu sanktionieren. So sollten große Teile der Fassade entlang der Breitenfelder Straße in den Neubau integriert werden. Hinsichtlich der Mälzerei war lediglich der Abbruch der nördlichen Teile (zur Georg-Schumann-Straße) genehmigt worden. Der Abbruch der Malzdarre mit allen ihren Teilen (u.a. mit Lisenen und einem flachen Giebel geschmückt und Achsen differierender Fenstergrößen) war ausdrücklich nicht gestattet worden. Ein erfahrener Statiker hatte bei einem Ortstermin noch am 14. Juli 2006 bestätigt, daß hier keine Einsturzgefahr drohte, so daß keinerlei Rechtsgrundlage für diese Abrisse bestand. 50 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Ehemalige Kammgarnspinnerei/ Orsta-Hydraulik Die Ausdehnung des Zoos auf das ehemalige Areal der Kammgarnspinnerei bis hin zur Pfaffendorfer Straße ist städtebaulich sinnvoll und eröffnet der Umstrukturierung des Zoos zusätzliche neue Möglichkeiten. Konfliktpunkt ist hierbei jedoch eine für Leipzig in dieser Größe und gestalterischen Stringenz singuläre Industriearchitektur, zwei, mit einem älteren Kern verbundene Baukörper (Färberei und Sortierungsgebäude) im Stil des Funktionalismus. Vor dem Wettbewerb zum geplanten Tropenhallen-Projekt haben dem Vernehmen nach Untersuchungen zur möglichen Integration und Umnutzung des Industriebaus, etwa als Zoo-Hotel, Parkhaus, o.ä. stattgefunden, wobei keine der Erhaltungsvarianten als realisierbar eingestuft wurde. Da Stadtverwaltung, Zoo und Denkmalbehörden offenbar alle Fragen hinlänglich und abschließend beantwortet sahen, wurde für den Wettbewerb die Symbiose des vorhandenen Denkmalensembles mit der neuen Halle nicht thematisiert und die Teilnehmer durften von einem beräumten Baufeld ausgehen. Bezeichnend ist, daß die Voruntersuchung und damit die Qualität der Alternativbemühungen nicht öffentlich gemacht wurde. Es scheint, als sollten generell Fragen des Denkmalschutzes im Zoo eher intern abgehandelt werden, um unliebsame Diskussionen und deren mögliche Folgen zu vermeiden. Daß das Baudenkmal Kammgarnspinnerei und sein unbestreitbar herausragender Wert für die Wirtschafts-, Sozial- und Architekturgeschichte Leipzigs im Abriß enden soll, ist angesichts der beeindruckenden Ausstrahlung dieses Komplexes sowie seiner Gliederung und Fassadengestaltung, die in bewußter Korrespondenz zu den Bühringschen Klinkerarchitekturen im Zoo entwickelt wurde, nicht nachvollziehbar und nachdrücklich zu kritisieren. Im Übrigen schließt der Entwurf des Wettbewerbssiegers HPP den Erhalt des Industriebaus keineswegs aus. Die Kammgarnspinnerei Leipzig, 1830 als Privatfirma gegründet und 1837 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, war eine der ältesten ihrer Art in Deutschland. Der Entwurf der Fassade der 1934 errichteten Färberei sowie die Ausgestaltung der beiden Treppenhäuser, Garderoben und Duschräume stammen vom Architekten Erwin Graebner, Architekturbüro Schilling & Graebner, Dresden. Der große Erweiterungsbau, das sogenannte Sortierungsgebäude, wurde nach Entwürfen des gleichen Büros 1936 fertiggestellt. Die Spinnerei wurde bis 1959 betrieben. In dem vom Deutschen Werkbund Sachsen 1998 herausgegebenen Band „Industriearchitektur in Leipzig“, der auch eine Aufnahme der Kammgarnspinnerei enthält, verwies der damalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf in seinem Geleitwort darauf, daß im Gegensatz zu den gemeinhin genannten Eckwerten sächsischer Identität gerade jene Bauzeugnisse ein Schattendasein fristen, die berichten, daß Sachsen lange auch eine der hochentwickeltsten und produktivsten Industrieregionen Europas war. „Hervor treten Architekten, Ingenieure und Bauleute, sowie – und dies mag am Ende des 20. Jahrhunderts womöglich gar als Anregung mit Beispielcharakter taugen – die Bauherren, die solch oft richtungsweisendes Schaffen initiiert und finanziert haben.“ Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 51 Baukultur Belanglose Neubauten und Banalisierung des Stadtbilds - Defizite der Baukultur „Aus der reichen Geschichte der Bürgerstadt In den letzten Jahren sind in Leipzig Fragen der Stadtentwicklung und Architektur regelmäßig kritisch diskutiert worden, wobei Entscheidungen des Stadtrates und der Verwaltung teilweise auf Widerspruch seitens der Bürgerinnen und Bürger stießen. Obwohl die Sanierung eines großen Teils der historischen Bausubstanz gelungen ist, muß selbst bei wohlwollender Betrachtung festgestellt werden, daß das einst sehr hohe Niveau der Leipziger Baukultur in den letzten 15 Jahren nicht annähernd erreicht werden konnte. Neben einer Vielzahl belangloser Neubauten haben rücksichtlose Umbauten, unsensible Überformungen bestehender Gebäude sowie vermeidbare Abrisse vielerorts zu einer Banalisierung des Stadtbildes geführt. Angesichts dieser Situation muß es das Ziel einer Kulturstadt wie Leipzig sein, in Zukunft wieder einen adäquaten baukünstlerischen Qualitätsstandard zu erreichen und vorhandene Qualität sorgsamer zu schützen. Leipzig resultiert ein hoher Qualitätsanspruch an die Fortführung baukultureller Traditionen in die Gegenwart und Zukunft. Neben den Leistungen auf dem Gebiet der städtebaulichen Planung und im behutsamen Umgang mit der historischen Bausubstanz ist ein solcher Anspruch insbesondere auch bei der Gestaltung von neuen Gebäuden zu fordern und zu fördern.“ Dr. Engelbert Lütke Daldrup, Zur Förderung der Baukultur, in: Leipziger Blätter 36 (2002), S. 60 Wie die Erfahrungen anderer Städte im In- und Ausland zeigen, haben sich mit unabhängigen Fachleuten besetzte Beiräte für Fragen der Baukultur (häufig als „Gestaltungsbeiräte“ bezeichnet) als ein geeignetes Instrument erwiesen, einen solchen Qualitätsstandard dauerhaft zu etablieren. In Deutschland hat sich der seit 1998 existierende Gestaltungsbeirat in Regensburg, ursprünglich nach Linzer Modell entstanden, als Vorbild für ähnliche Gremien in Lübeck, Halle/Saale und Köln entwickelt. Nach dem „Regensburger Modell“ berät der in regelmäßigen Abständen tagende Beirat dabei die Verwaltung und den Stadtrat bzw. seine Ausschüsse bei städtebaulich bedeutsamen Bauvorhaben. Nach übereinstimmender Erfahrung sind dabei die absolute Unabhängigkeit der Mitglieder von Politik und Verwaltung sowie ihre regelmäßige Rotation von entscheidender Bedeutung für die Akzeptanz und den Erfolg eines solchen Beirates. Ein Beirat für Baukultur in Leipzig könnte auch dazu beitragen, potentielle Konflikte zwischen Bürgern und Verwaltung im Vorfeld zu klären und den notwendigen Diskurs über Städtebau und Architektur zu fördern. Beiräte für baukulturelle Fragen dienen dabei der im Baugesetzbuch festgelegten Aufgabe an die Städte und Gemeinden, die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild zu erhalten und zu entwickeln. Durch ihren beratenden Charakter gehen diese Beiräte mit der Sächsischen Gemeindeordnung und der Sächsischen Bauordnung konform. Gestaltungsbeiräte sind funktionierende Praxis in zahlreichen anderen Städten zur allgemeinen Zufriedenheit von Bauherren, Verwaltung und Öffentlichkeit. Das ausdrücklich von der Bundesregierung empfohlene Instrument Baukulturbeirat wurde bereits in zahlreichen Städten eingerichtet, und noch nirgends wieder abgeschafft. Ziel der Einrichtung des Leipziger Beirates für Baukultur wäre es, behutsame Stadtentwicklung zu fördern, die Architekturqualität auf einem hohen Standard zu sichern sowie städtebauliche und architektonische Fehlentwicklungen zu verhindern. Der Beirat für Baukultur würde als unabhängiges Sachverständigengremium den Oberbürgermeister, den Stadtrat und die Verwaltung unterstützen. Er würde Vorhaben von besonderer städtebaulicher Bedeutung in ihrer Auswirkung auf die Stadtgestalt Leipzigs begutachten, um durch fachlich kompetente Empfehlungen eine Entscheidungsgrundlage für Stadträte und Verwaltung zu geben. Das Verfahren wurde in Leipzig mit dem Olympiabeirat bereits in ähnlicher Form praktiziert. Die Haushaltskosten für den Regensburger Beirat belaufen sich auf 50.000 Euro jährlich. Ein solcher Beirat könnte natürlich nicht alle Probleme lösen, aber folgende Anliegen wesentlich befördern: 1.) Bürgerbeteiligung würde tatsächlich ernst genommen werden, da der Vorschlag aus breiten Teilen der Bürgerschaft (Kultur, Kunst, Bürgervereine, etc.) kommt; 2.) Verfahren würden transparenter: Der unabhängige Beitrat tagt öffentlich und gibt zuvor den Sitzungstermin bekannt. Jeder Bürger kann sich an ihn wenden. Verfahren werden aus einem für den Bürger undurchschaubaren Verhandlungsprozeß innerhalb der Verwaltung herausgeholt. 3.) Stadtrat wird gestärkt. Er erhält fundierte Informationen zu anstehenden baulichen Projekten nicht mehr allein von der Verwaltung. Bislang muß der Stadtrat der fachlich weit besser informierten Verwaltung schlicht und einfach deren Verlautbarungen glauben. Eigentlich soll er sie aber kontrollieren und ihr Vorgaben machen können. Durch einen Beirat wird die fachliche Grundlage für eigenständige Entscheidungen des Stadtrates in Baufragen verbessert. 4.) Verwaltung wird gestärkt. Die Verwaltung steht Investoren/Großinvestoren nicht länger allein gegenüber: Bislang konnte ein Investor auch zum stadtunverträglichsten Projekt sagen: „So oder gar nicht!“, und es oblag allein dem Verhandlungsgeschick der Verwaltung, Schlimmstes zu verhüten (Bsp. Kaufhof). Künftig kann die Verwaltung so auftreten, daß sie dem Investor gegenüber weiter weitgehend kooperativ auftritt, aber darauf verweisen kann, daß am unabhängigen Beirat eben nicht vorbeizukommen ist. Des weiteren ist die Verwaltung auch gegenüber dem Stadtrat besser abgesichert, wenn etwa strittige Vorhaben von diesem Unterstützung finden. 52 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 5.) Eskalationen wie der Streit um die Kleine Funkenburg können vermieden werden: Hat der Beirat ein positives Votum für ein unter Umständen auch kontrovers diskutiertes Projekt gegeben, dann steht auch für die Öffentlichkeit fest, daß dies nicht das Ergebnis undurchschaubarer und unter Umständen fragwürdiger Entscheidungsprozesse ist, sondern auch die Ansicht unabhängiger Fachleute, die für ihr Votum öffentlich einstehen müssen. 6.) Es entstehen keine Standortnachteile, keinem wird etwas genommen: Der Beirat ist allein beratend tätig. Er hat nichts verbindlich zu entscheiden. Der Beirat ist um Konsens bemüht. Datenschutzinteressen bleiben selbstverständlich gewahrt. Dies ist funktionierende Praxis in zahlreichen anderen Städten zur allgemeinen Zufriedenheit von Bauherren, Verwaltung und Öffentlichkeit. Das ausdrücklich von der Bundesregierung empfohlene Instrument Baukulturbeirat wurde bereits in zahlreichen Städten eingerichtet, und noch nirgends wieder abgeschafft. Probleme mit Beiräten sind nicht bekannt. Durch die höhere Qualität von Neubauten würde letztlich der Standort Leipzig gewinnen (wichtiger weicher Wirtschaftsfaktor). 7.) Kosten-Nutzenverhältnis enorm positiv. Mit extrem geringem Aufwand kann ein extrem hoher Nutzen erzielt werden. Den sehr geringen Kosten für einen solchen Beirat steht gegenüber, daß auch millionenschwere Bauprojekte ein wirklicher Gewinn für die Stadt werden und nicht bereits nach Fertigstellung an umfangreiche Nachbesserungen gedacht werden muß. Nähere Informationen dazu, insbesondere der Entwurf einer Geschäftsordnung eines solchen Beirates für Leipzig, siehe unter: www.stadtforum-leipzig.de „Projekte“. Stiftung „Denkmalschutz und Baukultur Leipzig“ Zur Sicherung von gefährdeten Altbauten in Leipzig soll eine gemeinnützige Stiftung etabliert werden. Damit können Gelder von Leipziger Bürgern und die hier tätigen Privatunternehmen eingeworben werden, die sich auf diesem Gebiet engagieren wollen und ggf. an entsprechenden steuerlichen Absetzmöglichkeiten interessiert sind. Bislang besteht diesbezüglich noch keine Möglichkeit. Mit Hilfe der Stiftung können überdies auch Fördermittel eingeworben werden, die durch die Stadt Leipzig mit ihren Ämtern und Gesellschaften bisher nicht zu erlangen sind. Viele Fördermöglichkeiten stehen unter dem Vorbehalt einer privaten Investitionsbeteiligung, die nicht durch eine Beteiligung aus öffentlichen Kassen ersetzt werden kann. Mit der Errichtung einer solchen Stiftung wird daher die Möglichkeit eröffnet, zusätzliches privates Kapital in die Sicherung von Altbauten investieren zu können und dieses Geld unter Umständen durch Fördermittel zu vervielfachen. Der Vorschlag zur Gründung einer Stiftung ist auch bereits in den Beschluß der Ratsversammlung zum Gebäudesicherungsprogramm vom 18.05.2005 eingegangen. Im Einzelnen bedeutet dies die Schaffung einer selbständigen Stiftung mit Rechtsfähigkeit, d.h. Körperschaft, die die Aufgabe hat, mit Hilfe des ihr gewidmeten Vermögens den festgelegten Stiftungszweck dauerhaft zu verfolgen. Verbunden werden muß dies mit dem Status der Gemeinnützigkeit im Sinne des Steuerrechts, d.h. u.a. Befreiungsmöglichkeit von Steuern, bestimmten staatlichen Gebühren und Kosten; Zuteilung öffentlicher Zuschüsse; Berechtigung zum Empfang von Spenden, die beim Spender abzugsfähig sind. Aufgaben der Stiftung sollen sein: - Verwaltung der Zustiftungen und Zuwendungen; Auswahl von Förderobjekten, an die die Stiftungsmittel vergeben werden - Stellung ggf. von Eigenmittelersatz für Förderobjekte bei im übrigen Finanzierung durch Fördermittel von öffentlichen Stellen - Einsatz als Träger von BSI-Projekten (Beschäftigung schaffende Infrastrukturförderung) sowie „Ein-Euro-Jobs“ für die Sicherung von Dächern, Fassaden an Förderobjekten im Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen, d.h. insbesondere Agentur für Arbeit Leipzig etc. - Erstellung einer jährlichen Liste der Objekte, die grundsätzlich gefördert werden sollen, in Zusammenarbeit mit den Bürgervereinen und der zuständigen Gremien und Ämtern der Stadt Leipzig - Beratung von Eigentümern gefährdeter Objekte hinsichtlich eigener Sicherungsmaßnahmen, Beschaffung von Fördermitteln, etc. - Beratung und Unterstützung von Initiativen, die sich gefährdeter Objekte annehmen, diese sichern und zwischennutzen (Bsp.: „Verein HausHalten e.V.“ an der Lützner Straße) - Schaffung eines öffentlichen, positiven Bewußtseins (insbesondere auch der Wirtschaft) für die besondere Werthaltigkeit der Leipziger Gründerzeitarchitektur, des Leipziger Stadtbilds und der funktionierenden Stadtstruktur, auch vor dem Hintergrund der zukünftigen Finanzierbarkeit und des weichen Standortfaktors „Stadtbild und Wohnqualität“ - Unterstützung oder Initiierung ggf. von Marketingmaßnahmen für den Altbaubestand in der Stadt Leipzig (ggf. später erweiternd) - Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Stiftungen (insbesondere Bürgervereine, Verein Neue Ufer, Deutsche Stiftung Denkmalsschutz, etc.); Nutzung von Synergien - Übernahme ggf. koordinatorischer und organisatorischer Aufgaben des geplanten Beirates für Baukultur der Stadt Leipzig Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 53 Einzelfragen Der Mythos der Unvermietbarkeit von traditionellen Ausfallstraßen Immer wieder wird behauptet, daß die traditionellen Ausfallstraßen langfristig nicht zu halten seien. Tatsächlich sind hier die Probleme des Leerstands im Laufe der 1990er Jahre besonders offensichtlich geworden. Trotzdem wäre eine weitere Perforation der Leipziger Ausfallstraßen nicht nur stadtplanerisch falsch, sondern auch wohnungswirtschaftlich unnötig. Ausfallstraßen (bspw.: Georg-Schumann-Straße, Georg-Schwarz-Straße, Zschochersche Straße, Eisenbahnstraße, Jahnallee, Gorkistraße, Bornaische Straße, Karl-Liebknecht-Straße, Dresdner Straße) stellen das städtebauliche Grundgerüst der einzelnen Stadtviertel dar. Diese funktionieren durch den Wechsel von Verkehrsachse, an der Einkaufen, Gastronomie und weitere öffentlichen Bedürfnisse verortet sind, und den dahinter befindlichen ruhigeren Wohnstraßen. Beide Bereiche sind zwingend aufeinander angewiesen. Die Hauptstraße findet ausreichende Nutzer nur in den Wohnbereichen und die Wohnbereiche brauchen zu ihrer Versorgung die Hauptstraßen. Überdies sind gerade die Hauptstraßen für die lokale Identifikation unverzichtbar, befinden sich doch hier die stadtbildprägenden öffentlichen Einrichtungen und zumeist die prachtvollsten Bauwerke des Viertels (insbesondere die Eckgebäude an Straßenkreuzungen). Wenn man diese Bereiche abreißen würde, zerstörte man das urbane Grundgerüst. Überdies würden Verlärmung, die an der Hauptstraße traditionell vorkommt in bislang ruhige Wohnhöfe und damit an die Bebauung der zweiten Reihe getragen. Der Wohnwert des Viertels würde in der Fläche sinken. Nicht zuletzt haben aber auch die Hauptstraßen durchaus eine Zukunft hinsichtlich eines befriedigenden Vermietungsstandes. Mit dem zunehmenden Auffüllen der dahinterliegenden Wohnquartiere wird sich automatisch auch wieder die Nachfrage nach der Hauptstraße erhöhen. Für viele Nutzer überwiegen die Vorteile der Hauptstraßenlage, etwa Büros, Arztpraxen, aber auch Senioren, die das Leben vor der Haustür und dem Fenster schätzen, oder Menschen, die tendenziell preiswerteren Wohnraum suchen, beispielsweise Studenten-WGs. Geboten ist also eine gezielte Aufwertung dieser Straßen, vor allem durch Baumpflanzungen, Einbau lärmreduzierender Straßenbahngleise, ausschließlichem Einsatz von lärmarmen, neuzeitlichen Straßenbahnfahrzeugen etc. Skeptiker seien hierzu nicht allein auf die Hauptverkehrsstraßen in nahezu sämtlichen westdeutschen Städten oder im nahen Berlin verwiesen, sondern in Leipzig beispielsweise auf die hochlebendige Bornaische Straße in Connewitz oder die gerade seit den letzten Jahren stetig aufblühende Zschochersche Straße in Plagwitz, nicht zu sprechen von der Vorzeigestraße Karl-Liebknecht-Straße in der Südvorstadt und in Connewitz. Der Mythos der zu großen baulichen Hülle Leipzigs Regelmäßig wird angeführt, Leipzig sei in den 1930er Jahren eine Stadt mit 700.000 Einwohnern gewesen, da sei nun angesichts der derzeitigen halben Million Einwohner zuviel Wohnraum vorhanden. Leipzig hat jedoch im und in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Tausende von Wohnungen durch Bomben und Abrisse verloren (über ein Drittel des Bestands). Weiter haben sich aber auch die Wohnansprüche deutlich verändert. Noch in den 1930er Jahren lebten viel mehr Personen in einer Wohnung als heute. Die durchschnittliche Wohnfläche je Einwohner nimmt seit Jahrzehnten stetig zu. Bundesweit hat sie sich von 15 m² im Jahr 1950 auf 43 m² im Jahr 2002 fast verdreifacht1. Betrug sie in Ostdeutschland etwa 1989 noch 27,4 m²/Einwohner, waren es 1999 bereits 35,2 m²/Einwohner2. Zur weiteren Verdeutlichung der Unbrauchbarkeit der genannten Argumentation mit Bevölkerungszahlen aus lang vergangenen Zeiten sei noch auf das Beispiel Wien verwiesen. Hatte die Stadt Wien im Jahr 1916 eine Einwohnerzahl von 2.239.000, so betrug diese im Jahr 1988 nur noch 1.506.201 (2005: 1.631.082) 3. Die Bevölkerungszahl sank also um ein Drittel. Dies hatte keinerlei Auswirkungen auf den Altbaubestand. Im Gegenteil, sorgsam erhaltene Altbauten (ergänzt um oftmals anspruchsvolle Neubauquartiere) prägen bis heute das Stadtbild und dies nicht zuletzt gerade auch an den Ausfallstraßen. Die Idee eines Flächenabrisses oder der Stadtperforation hat in Wien zu keinem Zeitpunkt bestanden. Der Mythos „Mehr Qualität durch weniger Dichte“ 1 - Siehe etwa Bundeszentrale für politische Bildung: http://www.bpb.de/ popup/popup_druckversion.html?gui d=W4LHHY. 2 - Siehe etwa: http://ifsstaedtebauinstitut.de/HI2000/hi0100a.htm. 3 - Siehe etwa: http:// de.wikipedia.org/wiki/Wien „Bevölkerungsentwicklung“. 54 Die Behauptung, durch geringere Bebauungsdichte oder mehr „Durchgrünung“ der Stadt entstünde ein Mehr an Wohnqualität, ist eines der zentralen Argumente der Perforationsbefürworter und hat mit dem Ziel, „Freiraumelemente“ zu schaffen, Eingang in die derzeitige Stadtentwicklungsplanung gefunden. Träfe diese Behauptung zu, müßten nicht nur Städte wie Barcelona, Mailand oder Paris eine denkbar geringe Lebensqualität aufweisen. Auch in Leipzig wären das Waldstraßenviertel, Schleußig oder die Südvorstadt städtebauliche Problemzonen. Tatsächlich entsteht urbane Qualität vor allem durch einen erlebbaren Kontrast von Stadt- und Landschaftsraum sowie durch die Einordnung hochwertiger Grünflächen in klar definierte Stadträume, nicht aber durch die Anlage diffuser Freiflächen. Die sich seit dem Zweiten Weltkrieg im Leipziger Stadtgefüge ausbreitenden Lücken weisen keine nennenswerten Aufenthaltsqualitäten auf. Die Menschen erholen sich - wie man täglich erleben kann - in grünen Innenhofbereichen oder in den traditionellen Stadtparks, nicht aber in den neu geschaffenen Baulücken an den Verkehrsstraßen. Lücken in der Bauflucht und freigestellte Brandgiebel werden im Regelfall nur als eine Störung des städtebaulichen Gefüges wahrgenommen. Ausnahmen bilden nur jene Stadtgebiete, die erhebliche Defizite an Freiräumen und Grün aufweisen. Solche Situationen gibt es in manchen Großstädten, nicht aber in Leipzig. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 Insgesamt ist an der aktuellen Stadtplanung zu kritisieren: - Der Stadtentwicklungsplan Wohnungsbau und Stadterneuerung (STEP W+S) basiert noch immer auf extremen Negativszenarien von 2000/ 2001, als Bevölkerungsverlust und Wohnungsleerstand ihren Höhepunkt erreicht hatten. Die etwa im aktuellen Monitoringbericht Stadtumbau ausdrücklich genannten positiven Entwicklungen in der Kernstadt werden nicht ausreichend berücksichtigt. - Viele negative Entwicklungen wurden und werden weitgehend schicksalsergeben beobachtet und hingenommen, eine - durchaus mögliche - aktive Steuerung der Stadtentwicklungsprozesse wird nicht oder nicht hinreichend unternommen. Vom (veralteten!) Befund zunehmender Leerstands im Altbau ausgehend, wird auf die Notwendigkeit großzügigen Rückbaus orientiert. - Der von nahezu allen Experten geforderte konsequente flächenhafte Rückbau von außen nach innen findet keinen Niederschlag in den Stadtentwicklungsplänen. Stattdessen wird weiterhin die städtebaulich inakzeptable und ökonomisch unsinnige Strategie der „Perforierten Stadt“ praktiziert. - Belange des Denkmalschutzes spielen im Zweifelsfall ebenso eine untergeordnete Rolle wie die Verantwortung gegenüber der Tradition der Europäischen Stadt. Eine nachhaltige, der Baukultur Leipzigs verpflichtete Stadtentwicklung wird so trotz aller partiellen Bemühungen verhindert. - Erkenntnisgrundlagen für die Stadtentwicklung sind in Leipzig gegenwärtig vor allem Statistiken, Tabellen und Diagramme. Aspekte des Stadtraums, der Architektur, von Typologie und Maßstäblichkeit, von Stadtgeschichte und Tradition - kurz: der Baukultur - bleiben im technokratischen Prozeß des Stadtumbaus weitgehend unberücksichtigt. Schlußfolgerungen Eine der Hauptforderungen des Aufbaus Ost ist: Stärken stärken. Die noch weitgehende Geschlossenheit des historischen Stadtbildes und die gerade im Vergleich zu den westlichen Bundesländern enorme Dichte an Baudenkmalen insbesondere aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert sind einer der entscheidenden und langfristig ausbaubaren und tragfähigen Standortvorteile Leipzigs. Zunächst hat ein solches gewachsenes historisches Stadtbild einen sehr hohen identitätsstiftenden Wert für die Bewohner. Zugleich wirkt Leipzig nicht zuletzt wegen seines Stadtbildes sehr anziehend auf neu hinzuziehende Bürger. Ein attraktives und unverwechselbares Stadtbild mit einem hohen Denkmalbestand ist aber vor allem auch langfristig und nachhaltig ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. In allererster Linie gilt dies ganz offensichtlich für den Tourismus. Leipzig wird wegen seiner attraktiven Bauten und der Dichte seiner Handelsund Kultureinrichtungen gern besucht, nicht wegen der leider zunehmenden Baulücken und der zumeist belanglosen Neubaugebiete. Nicht zu unterschätzen ist der wirtschaftliche Aspekt der Erhaltung der Altbausubstanz im Hinblick auf die Sicherung von regionalen Arbeitsplätzen in Handwerk und Dienstleistung. Für die Entwicklung konkreter, der Stadt Leipzig angemessener Handlungsstrategien kommt einer von der Bertelsmann Stiftung in diesem Jahr erstellten umfassende Studie besonderes Gewicht zu1. In dieser Studie wurden deutsche Kommunen mit ähnlichen Problemlagen einer Clusteranalyse unterzogen. Entsprechend dieser Typisierung werden Handlungsansätze aufgezeigt, um die „Stärken zu stärken“ und negative Entwicklungen in den Griff zu bekommen. Leipzig zählt nach dieser Studie zu den insgesamt 7 „aufstrebenden ostdeutschen Großstädten mit Wachstumspotentialen“. Gekennzeichnet sind diese Städte von einem künftigen Bevölkerungswachstum bei vergleichsweise etwas geringerer Alterung, durch Re-Urbanisierungstendenzen und einen dynamischen wirtschaftlichen Strukturwandel mit hohen Wachstumspotentialen. Bei den Handlungsempfehlungen stehen die Themen Bildung, zukunftsorientierte Seniorenpolitik, Kinder- und Familienfreundlichkeit sowie eine demographiesensible Infrastrukturpolitik im Mittelpunkt. Diese insbesondere auch auf Leipzig zugeschnittenen Handlungsempfehlungen sind aus fachlicher Sicht als ausgesprochen durchdacht und ausgewogen zu bezeichnen. Wenn Leipzigs Entwicklungspotentiale ausgeschöpft und strukturelle Probleme nach Möglichkeit minimiert werden sollen, wäre eine der derzeit wichtigsten Aufgaben für Stadtrat und Stadtverwaltung, diese Handlungsempfehlungen zu diskutieren und weitestgehend zur Richtschnur der künftigen Stadtentwicklungspolitik zu machen. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 1 - Esche/Große/Starmann/Schmidt (Bertelsmann Stiftung), Wegweiser Demographischer Wandel 2020, im Erscheinen. Als Frühwarn- und Informationssystem für Kommunen hat die Stiftung im Februar 2006 ein Internetportal eingerichtet, auf dem die 15 Demographietypen beschrieben und differenzierte Handlungsansätze aufgezeigt werden, siehe www.wegweiserde mographie.de. 55 Handlungsstrategien 1. Sofortige Beendigung der Förderung des Abrisses von Denkmälern in Sachsen Mit sofortiger Wirkung darf der Abriß eines ausgewiesenen Baudenkmals nicht mehr mit Fördermitteln unterstützt werden. Damit werden die falschen und in ihrer Wirkung verheerenden Anreize für solche Abrisse genommen. Wenn Hauseigentümer am Abriß eines Denkmals kein Geld mehr verdienen können, sondern im Gegenteil dafür die Abrißkosten selbst zu tragen haben, werden diese Denkmalabrisse deutlich zurückgehen. Durch die derzeit praktizierte Fördermittelpolitik in Sachsen wird letztlich das Sächsische Denkmalschutzgesetz ausgehebelt. Dieser Zustand muß sofort beendet werden. 2. Sofortiger Abrißstop in den Altbauquartieren Leipzigs - Einstellung der öffentlichen Abrißförderung von Altbauten und - restriktiver Umgang mit Abrißwünschen. Stadtentwicklungsprozesse sind langwierig. Die derzeitige Stadtplanung folgt Strategien, die in einer Momentsituation Ende der 1990er Jahre entstanden sind, als die negativen Stadtentwicklungsprozesse der 1990er Jahre ihren Höhepunkt, aber kurz darauf auch ihr Ende erreichten. Der wirtschaftliche Strukturwandel in Leipzig wurde gerade erst vollzogen. Die positiven Auswirkungen etwa von Großansiedlungen wie der von BMW beginnen sich nun zu entfalten. Dasselbe gilt für die Aufwertung der Gründerzeitquartiere etwa mit neuen Grünanlagen, Straßenbäumen und nicht zuletzt für die notwendige Fortführung der Gebäudesanierung . Weitere Abrisse etwa im Leipziger Osten würden bedeuten, daß die Stadtplanung ihren eigenen Erfolgen - etwa am Rabet, am Eilenburger Bahnhof oder am Lindenauer Markt - nicht vertraut. Hier muß sich die Erkenntnis durchsetzen, daß sich die Situation gegenüber dem Jahr 2000 grundlegend zum Positiven geändert hat. Was jetzt ohne wirkliche Not abgerissen wird, ist unwiederbringlich verloren. Baudenkmale lassen sich nicht ersetzen. Die Verantwortlichen müssen endlich erkennen, daß sie das bauliche Erbe unserer Stadt für die Mitbürger und für die kommenden Generationen verwalten und daß dieses Erbe nicht einer stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft zur Disposition steht. 3. Konsequenter flächenmäßiger Stadtumbau in den Plattenbaugebieten am Stadtrand, deren Zurückführen auf dauerhaft lebensfähige Kerne Wenn der Rückbau im Plattenbaubestand künftig nicht wirklich in der Fläche erfolgt, kann dies letztlich dazu führen, daß z. B. Grünau irgendwann völlig aufgegeben werden muß. Ein solches ungesteuertes Ausbluten wäre mit schmerzhaften und teuren Nebenwirkungen für die Stadt Leipzig insgesamt verbunden. Seitens der Stadtplanung muß endlich erkannt werden, daß der massive Bevölkerungsrückgang in den großen Plattenbaugebieten auf Dauer nicht aufzuhalten ist und alle gegenläufigen Maßnahmen letztlich gegen den Markt gerichtet sind und damit einer ergebnislosen Vernichtung öffentlicher Mittel gleichkommen. In bestimmten Kernzonen kann und soll Grünau dagegen durchaus dauerhaft bestehen bleiben, sofern sich deren Entwicklung und Größe an einer langfristigen Wohnungsnachfrage orientiert. 4. Zuzug in die Altbauquartiere weiter massiv befördern - Leipzig muß noch familienfreundlicher werden Der bereits bestehende stetige Zuzug in die historischen Stadtviertel muß aus den oben genannten Gründen mit allen Möglichkeiten befördert werden. Zuzug findet dabei von außen wie auch als lokale Binnenwanderung statt. Letztere erfolgt aus den suburbanen Randgebieten und aus den Plattenbaugebieten. Dafür müssen die Umzugsanreize deutlich erhöht werden. Periphere Siedlungen dürfen nicht weiter auf Kosten der Zukunftsfähigkeit des urbanen Kerns mit teuren Infrastrukturmaßnahmen (Bsp. Straßenbau) oder einem Überangebot an ÖPNV oder anderen öffentlichen Einrichtungen (Bsp. Kindergärten) künstlich gestützt werden. Andererseits ist im urbanen Kern alles dafür zu tun, daß hier insbesondere Familie mit ihren Kindern optimale Bedingungen vorfinden. Neben den Familien sind es vor allem die jungen Leute, die noch keine Kinder haben, für die die Altbauquartiere anziehender werden müssen. Ist dies in Vierteln wie etwa der Südvorstadt oder Plagwitz/ Lindenau mittlerweile im hohen Maße der Fall, fehlt es gerade im Leipziger Osten an einem breiteren Angebot an Kultur- und Sozialeinrichtungen sowie Gastronomie. 56 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 In diesem Zusammenhang können und sollen dann auch mehr Grünanlagen in der Stadt entstehen. Oberste Priorität muß dabei die Anlage und Unterhaltung von dauerhaften Grünflächen haben sowie die weitere Begrünung der Innenhöfe geschlossener Wohnquartiere. Platz für neues Grün soll auf Industriebrachen, insbesondere auf den ehemaligen Bahnanlagen oder durch den Abriß von Hinterhofgebäuden und Schuppen bzw. anderer versiegelter Hofflächen entstehen. Dafür sollten verstärkt Fördermittel eingeworben bzw. deren Einrichtung kommunalpolitisch vorangetrieben werden. Erfahrungsgemäß sind es gerade solche grünen Höfe, die junge Familien für ihre Kinder suchen. In keinem Fall sollten weiterhin straßenseitige Wohngebäude oder Baudenkmale (insbesondere auch Industriedenkmale) für die Anlage von Grünflächen abgerissen werden. Ausschließlich in bereits bestehenden Häuserlücken können ergänzend dazu auch Zwischenbegrünungen betrieben und öffentlich gefördert werden. Die Anlage dauerhafter und in ihrer Struktur nutzerfreundlicher Grünanlagen ist dabei nicht zuletzt als Stärkung der Altbauquartiere gegenüber den tatsächlich in der dieser Hinsicht oftmals defizitären Wohngebieten im suburbanen Umfeld zu sehen. 5. Für die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft LWB müssen Leitlinien der Stadtentwicklung verbindlich werden - Stadtunverträgliche Abrißvorhaben sind mit sofortiger Wirkung zu beenden. An die Stelle einer kurzfristig kalkulierenden und letztlich auch für die benachbarten eigenen, zum Erhalt gedachten Bestände oftmals unverträglichen Abrißpolitik muß eine langfristig kalkulierenden Geschäftspolitik treten, die den Werten und Potentialen der Altbaubestände gerecht wird. Die kurzfristige Möglichkeit zur Mitnahme von Abrißfördermitteln darf nicht länger zur Vernichtung finanziell viel höherer Werte und Potentiale mißbraucht werden. Wohnungsmarktregulierung durch Abriß im Altbau mit dem Ziel, privaten Anbietern die Marktlage zu erschweren, darf nicht länger Geschäftsziel des städtischen Unternehmens sein. Im Hinblick auf den Wirtschaftsstandort Leipzig kann es kein städtisches Ziel sein, privaten Unternehmen und privaten Hauseigentümern wirtschaftlich zu schaden. Es ist die Aufgabe des Stadtrates als gewählter Vertretung der Leipziger Bürger, in Zusammenarbeit mit der Verwaltung verbindliche Leitlinien für die Geschäftspolitik der LWB auszuarbeiten. Kurzfristig ist zu gewährleisten, daß die LWB sämtliche derzeit noch laufende Abrißanträge zurückzieht. Ab sofort darf die LWB bei Objekten in Sanierungsgebieten, in Gebieten mit Erhaltungssatzung bzw. bei vorliegendem Denkmalschutz Abbruchanträge nur einreichen, wenn bereits im Vorfeld das Einvernehmen mit der Landsdenkmalpflege hergestellt wurde. 6. Angemessene und stadtverträgliche Verkehrsplanung Künftige Verkehrsplanung muß strikt an dem Grundsatz ausgerichtet sein, daß sich die Straßenbauvorhaben den gewachsenen Stadtstrukturen anzupassen haben, nicht umgekehrt. Gebaute Geschichte darf genau so wenig leichtfertig zur Disposition gestellt werden wie städtebauliche Qualität und die in der Altbausubstanz liegenden Entwicklungspotentiale. Dies beinhaltet vor allem auch eine absolute Zurückhaltung bei Eingriffen in die städtebaulich so wichtigen Eckgebäude, die geradezu eine klassische Tabuzone der Straßenplanung darstellen müssen. Weiterhin muß bei der Frage nach einem weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bei jedem Vorhaben die Frage nach der langfristigen Finanzierbarkeit der Unterhaltung intensiv bedacht werden. Vor dem Hintergrund der bereits jetzt seit Jahren stetig steigenden Unterhaltungskosten muß eindeutig geklärt werden, in welchen Bereichen die finanziell immer schlechter ausgestattete Stadt künftig Einsparungen vornehmen will, und welche Bereiche sie gezielt entwickeln will. 7. Einrichtung eines geeigneten Gremiums zur Absicherung eines baukulturellem Niveaus, welches Leipzigs Anspruch als traditionelle Kulturstadt gerecht wird Anknüpfend an die Erfahrung in zahlreichen Städten in und außerhalb Deutschlands sowie im Einklang mit einer ausdrücklichen Empfehlung des Bundesbauministeriums sollte in Leipzig ein Beirat für Baukultur eingerichtet werden. In diesem von der Stadtverwaltung unabhängigen Gremium sollen Fachleute die Stadt in Fragen der Stadtentwicklung, Stadtgestaltung und nicht zuletzt der Architektur von wichtigen, das Stadtbild mitbestimmenden Neubauten beraten. Für die Bürger sollen auf diesem Weg diese Prozesse endlich transparenter werden. Stadtforum Leipzig | Oktober 2006 57 Stadtforum Leipzig © Stadtforum Leipzig 2006 Aktuelle Fragen und Probleme der Leipziger Stadtentwicklung Redaktionsschluß 15.September 2006 01 | Oktober 2006 www.stadtforum-leipzig.de [email protected] Bildnachweis: Autoren: Titelbild und S.37: Siegfried Kuntzsch S.14 (Fr.-Ebert-Str.93): Frank Heinrich S.16 oben: Frank Speckhals (2x) S.16 Mitte links: ASW S.18 (Gerichtsweg 8, Täubchenweg 87): Frank Heinrich S.19: Karsten Schmidt S.36 unten: Wolfgang Zeyen S.43 unten: Karsten Schmidt S.48 oben: Hans Christian Schink alle übrigen Abbildungen: Archiv Stadtforum Heinz-Jürgen Böhme Volker Eckert Wolfram Günther Alexander Khorrami Stefan Riedel Quellen (soweit nicht im Text benannt): - Kleinräumiges Monitoring des Stadtumbaus in Leipzig, Monitoringbericht 2005. - Kleinräumiges Monitoring des Stadtumbaus in Leipzig, Wohnungsmarktbarometer 2005. - Ergebnisbericht Intervallstudie „Wohnen und Leben in Leipzig-Grünau“ 2004. - Stadtumbau Ost - Stand und Perspektiven. Erster Statusbericht der Bundestransferstelle 2006. - Stadtentwicklungsplan (STEP) der Stadt Leipzig. - Quartalsberichte des Amts für Statistik und Wahlen der Stadt Leipzig.- Beiträge zur Stadtentwicklung, hg. vom Dezernat Stadtentwicklung und Bau (erschienen sind bislang 43 Einzelhefte). - Der Leipzig Atlas, hg. von Schmidt/Mayer/ Wiktorin u.a., Köln 2005. 58 Stadtforum Leipzig | Oktober 2006