www.dorner-verlag.atPhilosophie/Psychologie Oberstufe Karl Lahmer. Mythen zur Diversität 1 1 Begriffserklärung Diversität bedeutet Vielfalt, Unterschiedlichkeit, synonym verwendet werden Begriffe wie Heterogenität, Verschiedenheit, Differenz. Diversität thematisiert u. a. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Menschen. Aus pädagogischer Sicht steht die Förderung der vielfältigen Kompetenzen im Zentrum. Kompetenzen – umfassend definiert – beziehen sich auf den Menschen als denkendes, fühlendes und sozial agierendes Wesen, ganz im Sinne von SchOG § 2, 1 und SchUG § 17, 1: „Die jungen Menschen sollen zu selbstständigem Urteil und sozialem Verständnis geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sowie befähigt werden […] Der Lehrer hat […] jeden Schüler nach Möglichkeit zu den seinen Anlagen entsprechenden besten Leistungen zu führen, […] den Unterricht als Grundlage für weitere Bildung zu organisieren.“ © 2014 Verlag E. DORNER, Wien Sowohl das SchUG als auch der in Österreich zugrunde gelegte Kompetenzbegriff nach Franz E. Weinert formulieren die normativen Handlungsmuster bzw. Orientierungspunkte für den Unterricht in seiner Gesamtheit: Im Zentrum steht die Schülerin/der Schüler, also das einzelne Individuum. Ausgangspunkt ist dessen Lebenspraxis. Zu fördern (zur Entfaltung zu bringen) sind die Anlagen, Begabungen und Fähigkeiten. Das Bewährungsfeld solcher Kompetenzen ist nicht die Schule allein (im Sinne des Abfragens von Lernergebnissen), sondern das Leben neben und nach der Schule. 1.Lebenspraxis als Ausgangspunkt ist geeignet, sich auf das Vorwissen der SchülerInnen einzulassen, dieses zu aktivieren und so die Lernmotivation zu steigern. Aus der Psychologie kennen wir den sogenannten Matthäus-Effekt: „Denn wer da hat, dem wird gegeben. Wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen werden, was er hat.“ Das heißt, gute Vorkenntnisse begünstigen den Erwerb neuen Wissens. Unzureichende Vernetzung des neuen Wissens mit den vorhandenen Kenntnissen begünstigt das Vergessen. Für die Unterrichtsqualität ist nicht entscheidend, welche (theoretischen) Ziele als wünschenswert formuliert werden, sondern das, was tatsächlich dabei herauskommt. Pointiert formuliert heißt das: Nicht die Theorie bestimmt, was wir lernen müssen, sondern die Lebenspraxis bestimmt, mit welchen Theorien wir uns auseinandersetzen. LehrerInneninformation 1 von 2 2.SchOG § 2 und SchUG § 17 fordern uns auf, die SchülerInnen zu Autonomie und Selbstbestimmung zu führen, Alternativen abwägen zu lassen und so ihre Urteilkraft zu schärfen. 2 Gelebte Diversität Mythen und Gedankenexperimente eignen sich in besonderer Weise, die beiden oben genannten unterrichtlichen Orientierungspunkte in die Tat umzusetzen. Mythen sprechen in Bildern und erleichtern so das Verständnis, sie regen an, das Vorwissen zu aktivieren. Mythen haben Risse, das heißt, sie beinhalten Widersprüche, sind unabgeschlossen und provozieren so zum Weiterdenken. In den Mythen sind Menschen so dargestellt, wie sie sind, unvollkommen, neugierig, teilweise ratlos. Die gesamte conditio humana in ihrer Diversität wird thematisiert. In den Schulbüchern Kernbereiche Psychologie und Philosophie kompetent (E. Dorner Wien 2012 bzw. 2013) sind die beschriebenen Unterrichtsprinzipien so umgesetzt, dass SchülerInnen zu einer kritischen Auseinandersetzung motiviert werden. Im Folgenden eine Übersicht zu Mythen und Gedankenexperimenten, in denen Diversität in den verschiedenen Facetten thematisiert werden kann: 1. Lahmer, KB Philosophie, S. 203 und 205 – Tarnungen und Enttarnungen: Ring des Gyges (Platon) und Schleier des Nichtwissens (John Rawls) Themenkontext Ethik: Aspekte der Gerechtigkeit, der Ungleichheit, des Schutzes von Minderheiten werden thematisiert. 2. Lahmer, KB Philosophie, S. 183 – Warum zeige ich Empathie? Stachelschweine (Arthur Schopenhauer) Themenkontext Ethik: Fragen des reziproken Altruismus können thematisiert werden. Einfühlung und Vertrauen veranlassen uns, dem anderen eine Gefälligkeit zu erweisen; Dankbarkeit bewegt uns, eine erhaltene Wohltat zu erwidern. 3. Lahmer, KB Philosophie, S. 100f. – Wer bin ich? Und wenn ja, warum? Schiff des Theseus (Plutarch) Themenkontext Anthropologie: Fragen zur Identität, modern ausgedrückt, zu den Ich-Zuständen werden erörtert. www.dorner-verlag.atPhilosophie/Psychologie Oberstufe © 2014 Verlag E. DORNER, Wien 4. Lahmer, KB Philosophie, S. 249 – Warum bin ich unvollkommen? Prometheus, Epimetheus, Pandora Themenkontext Anthropologie, politische Philosophie, Kulturentstehung: Ein wichtiger Aspekt humaner Bildung ist es, im Sinne von Menschenwürde und Toleranz Personen mit ihren Stärken und Schwächen (Inklusion und Diversität) zu respektieren. 5. Lahmer, KB Philosophie, S. 125f. und 128f. – (Warum) bin ich halb, wen ich allein bin? Mythos von den Kugelmenschen (Platon) und Mythos von Mars/Venus (John Gray) Themenkontext Anthropologie: Sowohl Homosexualität als auch Genderfragen können diskutiert werden. 6. Lahmer, KB Philosophie, S. 86 – (Warum) bin ich kritisch? Mythos von den drei Verwandlungen (Friedrich Nietzsche) Themenkontext Anthropologie: Der Mythos thematisiert die Befreiung des Menschen von Normen, Geboten und Verboten, er fordert zum Selbstdenken auf. LehrerInneninformation 2 von 2 7. Lahmer, KB Philosophie, S. 252 – Wie entstand der Glaube an die Götter? (Kritias) Themenkontext Religionskritik: Religion, Herkunft, Migrationshintergrund etc. können diskutiert werden. Literatur Kunter, Mareike/Trautwein, Ulrich: Psychologie des Unterrichts, Paderborn: Schöningh 2013 Lahmer, Karl: Kernbereiche Philosophie – kompetent, Wien: E. Dorner 2013 (+ Lösungen und CD-ROM) Lahmer, Karl: Kernbereiche Psychologie – kompetent, Wien: E. Dorner 2012 (+ Lösungen und CD-ROM) Nida-Rümelin, Julian: Philosophie einer humanen Bildung, Hamburg: Edition Körber-Stiftung 2013 Weinert, Franz E. (Hg.): Leistungsmessungen in Schulen, Weinheim und Basel: Beltz 2001