82 Helmut Schwegler Pauen, M. (1996) Mythen des Materialismus. Die Eliminarionstheorie und <las Problem der psychophysischen Idenritat. Dtsch. Z. Philos. 44: 77-99. Primas, H. (1985) Kann Chemie auf Physik reduziert werden? Chemie in unserer Zeit 19: 109-119 und 160-166. Roth, G. (1999) Die biologischen Grundlagen von Geist und BewuStsein. In diesem Band. Roth, G., Schwegler, H. (1995) Das Geist-Gehirn-Problem aus der Sichr der Hirnforschung und eines nicht-reduktionisrischen Physikalismus. Ethik und Sozialwissenschaften 6: 69-156. Scheibe, E. (1997) Die Redukrion physikalischer Theorien. Teil I: Grundlagen und elementare Theorie. Berlín Heidelberg New York: Springer. Scheibe, E. (1999) Die Reduktion physikalischer Theorien. Teil II: Inkommensurabilitat und Grenzfallreduktion. Berlin Heidelberg New York: Springer. Scheffler, I. (1965) Comments. In: Cohen, R.S., and Wartofsky, M.W. (Hg.) Boston Studies in the Philosophy of Science, Vol.2, 77-80. New York. Schwegler, H. (1998) The plurality of systems, and the unity of the world. In: Altmann, G., and Koch, W.A. (Hg.) Systems - New Paradigms. for the Human Sciences, Berlin New York: de Gruyter. Stock!er, M. (1999) Redukrion/Redukrionismus. In: Sandkiihler, H. J. (Hg.) Enzyklopadie Philosophie, Hamburg: Felix Meiner. Srockler, M. (1992) Pladoyer fur einen pragmarisch eingeschrankten Reduktionismus. ln: Deppert, W., Kliemt, H., Lohff, B., und Schafer, J. (Hg.) Wissenschaftstheorie in der Medizin, 157- 183. Berlin New York: de Gruyter. Michael Pauen Grundprobleme der Philosophie des Geistes und die Neurowissenschaften 1. Einleitung Die Philosophie hat bislang nicht sehr viel Gliick gehabt, wenn sie sich mit den Fragen eingelassen hat, die auch die empirischen Wissenschaften beschaftigten: Die Naturphilosophie ist zu groBen T eilen durch die Physik ersetzt worden, die rationale Psychologie durch die empirische Psychologie, und so konnte man vermuten, daB auch die Philosophie des Geistes friiher oder spater durch die Neuro- und Kognitionswissenschaften verdrangt werden wird. Hier wie in den anderen genannten Fallen mag die Philosophie den empirischen Wissenschaften den Weg ebnen, sie mag sogar mit ihren Fragen, ihren methodischen Úberlegungen und ihren begrifflichen Priizisierungen eine Weile selbst diese Entwicklung fordern, doch es scheint, als waren die eigentlichen Antworten und die wirklich wichtigen LOsungsansatze nicht von den Philosophen, sondern von den Wissenschaftlern zu erwarten. Zuweilen entsteht sogar der Eindruck, als wiirde die Philosophie die Entwicklung mit miiBigen Spekulationen und bloBen Scheinproblemen hemmen: Úberlegungen dariiber, wie es ist, eine Fledermaus zu sein (Nagel 1974), Gedankenexperimente iiber invertierte Farbspektren (Palmer 1999, Hardin 1987, 1990, 1997) oder Behauptungen iiber die Existenz eines unergriindlichen ,Ratsels des BewuBtseins' (Levine 1983, Chalmers 1996a, 1996b) scheinen den Fortschritt bei der Erklarung von Gehirn und BewuBtsein eher zu behindern, als daB sie einen produktiven Beitrag leisten wiirden. leh mochte im folgenden zeigen, daB eine solche Einschatzung der Rolle der Philosophie des Geistes nicht gerecht wird. 84 Michael Pauen Dabei mochte ich mích auf drei Beispiele konzentrieren. Das erste Beispiel betrifft die Interpretation empirischer Erkenntnisse. Selbst perfekte Korrelationen von mentalen und neuronalen Prozessen jeweils eines Typs scheinen namlich ganz gegensatzliche Jnterpretationen ZU erJauben. leh mochte zeigen, daB die Philosophie helfen kann, die dadurch entstehenden Unklarheiten zu beseitigen: Eine der drei wichtigsten Varianten kann namlich durch theoretische ůberlegungen zuruckgewiesen werden, zwischen den beiden anderen, so wird sich herausstellen, kann auf der Basis weiterer empirischer Erkenntnisse entschieden werden. Das zweite Problem ergibt sich direkt aus dem interdisziplinaren Charakter des Versuches, Geist und BewuBtsein zu erforschen. Ausgangspunkt ist die Úberlegung, daB auch eine vollstandige neurobiologische Theorie uber die elektrochemischen Aktivitiiten von Nervenzellen offenbar noch nicht erklaren kann, warum diese Aktivitat in bestimmten Fallen mit BewuBtsein verbunden ist. Dies hatte zur Folge, daB die Neuround Kognitionswissenschaften ausgerechnet in einer zentralen Frage eine unuberwindliche „Erklarungslucke" akzeptieren muBten. leh mochte im folgenden zeigen, daB philosophische Úberlegungen sowohl bei der Problemanalyse wie auch bei der Entwicklung von LOsungsstrategien eine wichtige Rolle spielen konnen. SchlieBlich stellt sich drittens die Frage nach den Konsequenzen der Erkenntnisse der Neuro- und Kognitionswissenschaften fiir das menschliche Selbstverstandnis. Hier wird zu untersuchen sein, inwieweit eine Erkenntnis der neuronalen Mechanismen unser Selbstverstandnis als verantwortlich handelnder Subjekte in Frage stellen kann. Wird also die Realitiit des BewuBtseins gefahrdet, wenn wir die neuronalen Prozesse kennen, die dem BewuBtsein zugrunde liegen? Kann man noch von einem einheitlichen leh sprechen, wenn wir die Vielzahl der Mechanismen verstehen, aus denen unser SelbstbewuBtsein hervorgeht? Kann man schlieBlich eine Person fiir ihre Handlungen verantwortlich machen, wenn diese Handlungen auf neuronale Prozesse zuriickgehen, die durch Naturgesetze determiniert werden? Grundprobleme der Philosophie des Geistes 85 Selbstverstandlich kann es hier genausowenig wie bei den anderen Beispielen darum gehen, mit fertigen LOsungsvorschlagen aufzuwarten. leh mochte jedoch mo~liche Antworten erortern, wobei die Rolle philosophischer Uberlegungen im Mittelpunkt stehen wird. Unnotig diirfte auch die Bemerkung sein, daB es hier nur um Beispiele fiir die Probleme gehen kann, mit denen sich die Philosophie des Geistes in der Gegenwart befaBt. Dennoch handelt es sich um exemplarische Fragestellungen, die einen ersten ůberblick uber die Bedeutung philosophischer ·ůberlegungen fiir die Erforschung des BewuBtseins geben konnen. 2. Grundfragen Ein relativ groBer Teil der neurobiologischen Forschung konzentriert sich auf die Entdeckung moglichst stabiler und spezifischer Korrelationen zwischen neuronaler Aktivitiit und BewuBtseinsprozessen. Die jungsten Fortschritte bei den sogenannten bildgebenden Verfahren haben hier wesentlich genauere Einblicke ermoglicht. Weitere Fortschritte sind von einer Verbesserung der Verfahren selbst, aber auch von einer Kombination unterschiedlicher Ansatze zu erwarten, durch die die Starken dieser Methoden, etwa die vergleichsweise gute raumliche Auflosung von fMRI und PET und die gute zeitliche Auflosung von MEG und EEG, miteinander kombiniert werden konnen (Barinaga 1997, Posner & Raichle 1996). Erfolgversprechend ist auch die Messung der Aktivitiit einzelner Neuronen sowie die Nutzung von besonderen Umstanden, die eine sehr genaue Unterscheidung zwischen bewuBter und unbewuBter Wahrnehmung erlauben, wie dies etwa bei dem sogenannten Hysterese-Phanomen der Fall ist (Kleinschmidt 2000) Soweit es um den konkreten Zusammenhang von Gehirn und BewuBtsein geht, stoBen all diese Methoden jedoch an eine prinzipielle Grenze: Auch die genauesten Korrelationen zwischen einem gewissen BewuBtseinszustand, beispielsweise einem eindeutig beschriebenen Typ von Schmerzerfahrungen, und der Aktivitat bestimmter Neuronenpopulationen, sagen 86 Michael Pauen wir im vorderen Teil des Gyrus cinguli und im somatosensorischen Kortex, 1 wiirde immer noch unterschiedliche Interpretationen offenlassen - selbst dann, wenn die neuronale Aktivitat einschlielSlich der relevanten Neurotransmitter und Neuromodulatoren bis hinab zur Molekiilebene genauestens beschrieben worden ware: Zum einen lage der Gedanke nahe, daíS wir es hier tatsachlich nur mit einem einzigen Vorgang zu tun hatten, daíS mentale und neuronale Aktivitat also miteinander identisch waren. Zweitens ware es aber auch moglich, daíS die Korrelation eine GesetzmafSigkeit indiziert, die zwei unterschiedliche Aktivitaten miteinander verbindet, so wie etwa der Stromflu/5 durch eine Spule in einer gesetzmal5igen Beziehung zu dem dadurch entstehenden magnetischen Feld steht. Die neuronale Aktivitat ware die Basis der mentalen Prozesse, die ihrerseits wiederum Einflu/5 auf das weitere Geschehen auf der neuronalen Ebene nehmen konnten. Es bestiinde also eine lnteraktion zwischen mentalen und neuronalen Prozessen; Schmerzen wiirden durch ein bestimmtes Muster neuronaler Aktivitat entstehen, gleichzeitig kéinnte das mentale Phanomen Schmerz seinerseits die Ursache einer bestimmten Handlung sein, mit der der schmerzempfindende Organismus auf seine Situation reagiert. SchlielSlich ware es drittens denkbar, da/5 die mentale Aktivitat nur als eine zusatzliche, ihrerseits jedoch wirkungslose Eigenschaft neuronaler Prozesse aufgefal5t wird: Relevant fiir die Steuerung des Verhaltens waren also allein die neuronalen Prozesse; diese besa15en zusatzlich noch einen ,Erlebnisaspekť, der aber keinerlei Einflu/5 auf das neuronale Geschehen hatte. Offenbar ist diese Situation unbefriedigend: Natiirlich mochten wir wissen, ob wir mit unserer neurobiologischen Beschreibung gleichzeitig auch die mentalen Prozesse erfal5t haben oder ob diese Prozesse ein zusatzliches Phanomen darstellen, das méiglicherweise einen ganz eigenstandigen Einflu/5 auf die neuronalen Prozesse ausiibt. Aul5erdem wollen wir nicht nur etwas iiber die ,neuronale Basis' mentaler Phanomene wissen, sondern wir wollen diese Phiinomene selbst erforschen. 1 cf. Rainville et al. 1997, Cross 1994. Grundprobleme der Philosophie des Geistes 87 Es fragt sich daher, ob die Philosophie etwas dazu beitragen kann, eine Entscheidung zwischen den genannten Interpretationsalternativen zu erleichtern. Immerhin sind alle drei Positionen intensiv in der Philosophie des Geistes diskutiert worden. Die zuerst genannte, monistische Interpretation entspricht der klassischen Identitiitstheorie, die zweite Interpretation ist die des interaktionistischen Dualismus, und die zuletzt genannte Option wird im allgemeinen unter dem Tite! Eigenschaftsdua/ismus verhandelt. Beginnen wir mit dem Eigenschaftsdualismus. Wie erwahnt, interpretiert diese Position die eingangs genannte psychophysische Korrelation als das Produkt einer gesetzmal5igen Verbindung zwischen einer neuronalen und einer mentalen Eigenschaft, die jedoch ihrerseits kausal nicht wirksam sein soli. Attraktiv erscheint der Eigenschaftsdualismus nicht zuletzt deshalb, weil er die Eigenstandigkeit mentaler Prozesse wahrt, ohne gleichzeitig Behauptungen iiber die Existenz von geistigen Substanzen zu machen. Anders als der interaktionistische Dualismus umgeht er aul5erdem das Problem, wie denn mentale Prozesse EinfluB auf physische Vorgange nehmen konnen.2 Bei naherer Betrachtung werden hier allerdings gravierende Probleme erkennbar. Die Ablehnung psychophysischer lnteraktionen hat namlich zur Folge, daB mentale Prozesse aus der Sicht des Eigenschaftsdualisten nicht zu den Ursachen fiir physische Prozesse und damit auch nicht zu den Ursachen eines bestimmten Verhaltens gehoren konnen. Konkret bedeutet dies nicht nur, daB meine Schmerzen nicht unter den Ursachen dafiir sind, da/5 ich ein bestimmtes Schmerzverhalten zeige, genausowenig waren sie dafiir verantwortlich, daíS ich iiber meine Schmerzen spreche, ja, da/5 ich mich an sie erinnere: In al! diesen Fallen sind physische Prozesse wie die Bewegung von Muskeln, die Aktivitat von Neuronen in den Sprachzen2 Ein Beispiel fiir eine eigenschaftsdualistische Position bietet Chalrners 1996a; Diskussionen dieser Position u.a. bei Bieri 1992b und Pauen 2000a. Dort auch eine ausruhrlichere Darstellung der hier vertretenen Argurnentation. 88 Michael Pauen tren oder aber die Anlage von Gedachtnisspuren involviert, doch keiner dieser Prozesse kann von den kausal unwirksamen mentalen Eigenschaften abhangig sein. Wiirde <las genannte neuronale Aktivitatsmuster aus welchen Griinden auch immer einmal auftreten, ohne von Schmerzerfahrungen begleitet zu sein, dann diirfte sich dies im Verhalten der Versuchspersonen in keiner Weise niederschlagen, schlieJSlich wird dieses lediglich von physischen, insbesondere neuronalen Prozessen bestimmt. Problematischer noch diirfte die Tatsache sein, daB auch wir selbst es im Riickblick nicht bemerken wiirden, sollte die neuronale Aktivitat einmal in der Abwesenheit von Schmerzen auftreten: Da die mentalen Phanomene kausal unwirksam sind, hangen die Gedachtnisspuren jenes Ereignisses allein von der neuronalen Aktivitat ab. Da diese sich nicht verandert hat, wird sich die Gedachtnisspur nicht von der gewohnlicher Schmerzereignisse unterscheiden; wir wiirden also meinen, daB wir die Schmerzen tatsachlich gespiirt hatten. Der Eigenschaftsdualist kann somit niemals sicher sein, daB er die mentalen Zusrande, an die er sich zu erinnern meint, tatsachlich erfahren hat. Offenbar fiihrt seine Theorie also zu abwegigen Konsequenzen. Aus diesen Ůberlegungen ergeben sich zwei Folgerungen: Zum einen kann der Eigenschaftsdualismus nicht als annehmbare Interpretation der eingangs skizzierten empirischen Beobachtungen betrachtet werden. Es ware also nicht sinnvoll, stabile Korrelationen von Schn;ierzerfahrungen und neuronaler Aktivitat im Gyrus cinguli und im somatosensorischen Kortex so zu interpretieren, als hatten wir es hier mit einer neuronalen Aktivitat zu tun, die zusatzlich. noch einen mentalen ,Erlebnisaspekť hatte. Grundsatzlich wird man zweitens zu dem Ergebnis kommen, daB eine sinnvolle Interpretation empirischer Ergebnisse in den Neuro- und Kognitionswissenschaften von der Annahme ausgehen muB, daB auch mentale Prozesse kausal wirksam sind: Nur so laBt sich gewahrleisten, daB sie iiberhaupt in empirischen Untersuchungen erfaBt werden konnen. Diese Forderung wird nicht durch den Eigenschaftsdualismus, wohl aber durch die beiden anderen Ansatze erfiillt, also durch die Identitatstheorie und den interaktionistischen Dualismus. Grundprobleme der Philosophie des Geistes 89 Der interaktionistische Dualismus trifft wie der Eigenschaftsdualismus eine Unterscheidung zwischen neuronalen und mentalen Phanomenen; anders als der Eigenschaftsdualismus geht er jedoch von einer Wechselwirkung zwischen beiden Ebenen aus. lm Gegensatz zu einer weitverbreiteten Auffassung muB ein Dualist allerdings nicht die Existenz geheimnisvoller geistiger Substanzen postulieren, vertraglich mít seiner Position ist auch die Behauptung, Bewuf5tseinsprozesse seien eine besondere Art physischer Phanomene, solange diese Art physischer Prozesse von den gleichzeitig stattfindenden neuronalen Prozessen unterschieden wird. Mit ihrem Postulat einer psychophysischen lnteraktion entgeht diese Position auch den Problemen des Eigenschaftsdualismus; sie kann also der nur schwer iiberwindbaren Vorstellung gerecht werden, daf5 unsere bewuBten Entscheidungen unter den Ursachen. fiir unsere Handlungen und unsere Empfindungen unter den Ursachen fiir unsere Aul5erungen iiber diese Empfindungen sind. Offensichtlich ware es allerdings nur dann gerechtfertigt, von einer Interaktion zwischen mentalen und neuronalen Phanomenen zu sprechen, wenn wir konkrete empirische Belege fiir eine solche Wechselwirkung hatten. Solche Belege waren insbesondere dort zu erwarten, wo wir mentale Phanomene fiir ein bestimmtes Verhalten verantwortlich machen, beispielsweise dann, wenn wir aufgrund einer bewuf5t vollzogenen Willensentscheidung unsere Hand heben.3 Der Dualist miil5te in diesem Falle erwarten, daB sich die zugrundeliegenden neuronalen Prozesse nicht allein auf neurobiologischer Basis erklaren lassen. Dies wiirde selbstverstandlich auch fiir die physikalistischen Varianten des Dualismus gelten: Gerade dann, wenn man mentale Ereignisse als physische Phanomene versteht, wird man erwarten, daB sie Einfluf5 auf die neuronalen Prozesse nehmen. Selbstverstandlich kann auch der Dualismus stabile psychophysische Korrelationen akzeptieren; 4 doch irgendwo in der Kette zwischen 3 4 Einen Vorschlag fiir ein anderes Experiment macht Libet 1994. cf. hierzu Carrier & MittelstraB 1989. '/ 90 Michael Pauen Reiz und Reaktion miiBte etwas passieren, das nicht mehr auf der Basis neurobiologischer Erkenntnisse zu erklaren ware, sondern den Riickgriff auf die Willensentscheidung erforderte. Es miiBte also innerhalb dieser Kette einen Schritt geben, der auch bei vollig identischen neuronalen Bedingungen anders ausgefallen ware, sofern es eine andere Willensentscheidung gegeben hatte. Diese Forderung muB der Dualist iibrigens unabhangig von seinen Ansichten zum Problem der Willensfreiheit aufstellen: Die bewuBte Willensentscheidung muB kausal wirksam sein; dabei kann sie jedoch ihrerseits durch vorangehende mentale oder neuronale Ereignisse determiniert sein. Wenn sich eine solche psychophysische Interaktion nachweisen JieBe, dann wiirde dies den interaktionistischen Dualismus stiitzen. Erwiese sich ein solcher Nachweis als unmoglích, dann wiirde dies gegen diese Option sprechen. Gegenwartig ist eine endgiiltige Antwort selbstverstandlich noch nicht moglich; immerhin haben sich in den bislang vorliegenden Arbeiten noch keine Hinweise auf eine solche lnteraktion gefunden. Wichtiger noch diirfte sein, daB vorliegende Studien zum Ablauf bewuBter Entscheidungen gegen die Annahrne sprechen, daB die relevanten neuronalen Prozesse von mentalen Willensakten abhangig sind. So hat insbesondere Benjamin Liber (1985) Belege fiir die Annahme gebracht, daB zumindest bei sehr einfachen Bewegungen das BewuBtsein, eine Entscheidung getroffen zu haben, erst einsetzt, nachdem die Bewegung auf der neuronalen Ebene bereits durch den Aufbau eines sogenannten "Bereitschaftspotentials" im motorischen Kortex eingeleitet worden ist. Sollten sich Libets Resultate, die kiirzlich prinzipiell bestatigt worden sind (Haggard & Eimer 1999), auch weiterhin als haltbar erweisen, dann miiBten wir zu dem SchluB kommen, daB Handlungen nicht durch die auf sie bezogenen bewuBten Willensakte gesteuert )( werden. Ausgerechnet in einem paradigmatischen Fall lieBe sich also die vom Dualismus postulierte psychophysische Interaktion nicht nachweisen. Karne man auch in anderen paradigmatischen Fallen zu ahnlichen Ergebnissen, so wiirde dies entschieden gegen den interaktionistischen Dualismus sprechen. l Grundprobleme der Philosophie des Geistes 91 Doch was ist mit der dritten Alternative, also der Annahme, daB stabile Korrelationen als lndizien fiir die Identiti:it mentaler und neuronaler Prozesse gewertet werden konnen? Zunachst ist unklar, was es bedeutet, wenn man behauptet, daB zwei Prozesse miteinander identisch sein sollen, geschweige denn zwei Prozesse, die sich so massiv voneinander unterscheiden, wie es BewuBtsein und die Aktivitat von einfachen Nervenzellen nun einmal tun. 5 Kann man also auch die Identitatsbehauptung als eipe wenig sinnvolle Alternative zuriickweisen, so wie dies oben mít dem Eigenschaftsdualismus geschah? Um diese Frage zu beantworten, verdeutlicht man sich am besten, wíe wír Identitatsbehauptungen im Alltag gebrauchen. .\ Um solche Behauptungen geht es, wenn wířiřleiner Person, die wir gerade getroffen haben, einen Schulkameraden erkennen, den wir seit zehn Jahren nicht mehr gesehen haben. Wir sagen dann, daB die Person identisch mít unserem Schulkameraden ist. Áhnliche Probleme treten auf, wenn wir nach dem Verhaltnis von Samuel Clemens zu Mark Twain6 fragen oder wenn wir eine Melodie horen und dann in dem vor uns spielenden Orchester nach dem zugehorigen Instrument suchen. Finden wir das Instrument, dann konnen wir sagen, es sei identisch ist mit demjenigen, das die Melodie spielt. Identitatsbehauptungen spielen also offenbar in solchen Fallen eine besondere Rolle, wo wir zwei unterschiedliche Beschreibungen oder Zugange haben und dann erkennen, daB sich beide nur auf ein Objekt oder ein Ereignis beziehen. Der Fall des Musikinstrumentes zeigt iiberdies, daB die konkreten Wahrnehmungen oder Erfahrungen abhangig von den Zugangen recht unterschiedlich sein konnen, auch wenn sich beide auf einen Gegenstand oder ein Ereignis beziehen. 5 "Beilaufig gesprochen: Von zwei Dingen zu sagen, sie seien identisch, ist ein Unsinn, und von einem zu sagen, es sei iden'tisch mit sich selbst, sagt gar nichts." Wittgenstein 1984, 62 (fractatus logicophilosophicus 5.5303). 6 "Mark Twain" war der Kiinstlernarne von Samuel Langhorne Oemens. 92 Michael Pauen Es fallt nicht schwer, diese Ůberlegungen auf das Verhaltnis von Gehirn unci BewuíStsein zu iibertragen. lmmerhin haben wir es auch hier mit zwei unterschiedlichen Zugangen zu tun. BewuíStsein erfahren wir nur aus der Perspektive der ersten Person: Direkt zuganglich sind mir nur meine eigene Schmerzen, meine eigenen Gedanken unci meine eigenen Wiinsche. lm Gegensatz dazu ist das Gehirn ein aus der Perspektive der dritten Person zuganglicher Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung wie eine Niere, ein Computer oder eine Braunsche Rohre. Wenn wir also die ldentitat von mentalen unci neuronalen Prozessen behaupten, dann meinen wir, daíS sich bestimmte neurobiologische Erkenntnisse auf den gleichen Vorgang bzw. die gleichen Eigenschaften beziehen wie gewisse BewuíStseinserfahrungen, die uns aus der Perspektive der ersten Person zuganglich sind. Damit ist nur die Bedeutung von ldentitatsbehauptungen geklart, unklar bleibt aber, unter welchen Bedingungen es berechtigt ist, solche Behauptungen aufzustellen. Wenn Mark Twain identisch mit Samuel Clemens ist, dann muíS er sich immer dort unci nur dort aufgehalten haben, wo Samuel Clemens war: lnsofern scheint es in der Tat gerechtfertigt, stabile unci spezifische Korrelationen als lndiz fiir eine Identitatsbeziehung zu interpretieren. Alleine sind sie jedoch unzureichend; so konnte es sich bei Samuel Clemens etwa um einen Privatsekretar handeln, der sich stets am gleichen Ort aufgehalten hat wie Mark Twain. Notwendig ist also auíSerdem der AusschluíS von Alternativinterpretationen. lm Falle des Verhaltnisses von Geist unci BewuíStsein ware der interaktionistische Dualismus eine solche Alternative; Einwande gegen diese Position wiirden also indirekt die Identitatsbehauptung stiitzen. Da die ldentitatstheorie im Gegensatz zur interaktionistischen Variante des Dualismus keinen EinfluíS autonomer7 mentaler Prozesse auf neuronale Aktivitat annimmt, kann die Entscheidung zwischen diesen beiden Positionen auf empirische Erkenntnisse zuriickgreifen; sollte es keine Belege fur ei7 Gemeint sind damit mentale Prozesse, die - anders als es die Identitatstheorie annimmt - nicht gleichzeitig auch auf der physiologischen Ebene beschrieben werden konnen. Grundprobleme der Philosophie des Geistes 93 ne psychophysische lnteraktion geben, dann sprache <las fur die Identitatsbehauptung. ln jedem Falle hatte diese Theorie eine ganze Reihe von Vorteilen. Wenn geistige Prozesse neuronale Ereignisse sind, dann sind sie selbstverstandlich kraft dieser ldentitat auch in der Lage, andere physische Ereignisse zu beeinflussen. 8 Anders als bei der dualistischen lnteraktionstheorie sind hier also keine komplizierten Annahmen uber die Wechselwirkung zwischen neuronalen unci mentalen Prozessen notwendig. Auch der Erklarungsaufwand scheint geringer zu sein: Wir miiíSten keine neuen mentalen Entitaten einfuhren, und es ware unnotig, jenseits der neuronalen Ebene noch eine ganz andere Art von Prozessen, namlich autonome mentale Prozesse einzufuhren, die dann noch zusatzlich erklart werden miiíSten. Dieser Vorteil bliebe auch gegeniiber ,physikalistischen' Varianten des Dualismus bestehen, schlieíSlich wird auch hier eine ganz neue Art physischer Phanomene postuliert. Wenn umgekehrt mentale Prozesse neuronale Prozesse sind, dann sind Erklarungen bestimmter neuronaler Prozesse gleichzeitig auch Erklarungen der zugeh6rigen mentalen Vorgange: SchlieíSlich haben wir es hier jeweils nur mit einem einzigen ProzeíS zu tun, den wir nur aus zwei verschiedenen Perspektiven beschreiben konnen. Es scheint damit, als waren wir bei der Klarung des urspriinglichen Problems zumindest einen Schritt vorangekommen: Von den drei lnterpretationsalternativen, die anfangs zur Verfugung standen, konnte eine, der Eigenschaftsdualismus, aufgrund theoretischer Ůberlegungen zurilckgewiesen werden. AuíSerdem zeigte sich, daíS zwischen den beiden anderen auf der Basis empirischer Befunde unterschieden werden kann: Sollte es nicht moglich sein, die von den Dualisten behauptete 8 Der Untersdůed zum interaktionistischen Dualismus sollte klar sein: Fiir die Identitatstheorie ist jedes mentale gleichzeitig ein neuronales Ereignis, die Wirkung eines mentalen Prozesses laBt sich daher immer ! auch in den korrepsondierenden physiologischen Kategorien beschrei- / ben. Genau dies gilt fiir den interaktionistischen Dualismus nicht: Da l mentale Ereignisse von neuronalen Prozessen unterschieden werden, schlieBt das Wirksamwerden eines mentalen Prozesses eine gleichzeitige neuronale Beschreibung aus. K Michael Pauen 94 Grundprobleme der Philosophie des Geistes lnteraktion von mentalen und neuronalen Phanomenen nachzuweisen, dann wiirde dies entschieden fiir die Identitatstheorie sprechen. radikal von allen anderen korperlichen Organen, z.B. den Nieren, also von jenen Organen, die noch nicht einmal eine Spur von BewulStsein haben? Wie kann aus der Anhaufung von Millionen jeweils fiir sich genommen unbewulSter Neuronen so etwas wie phanomenales BewulStsein entstehen?9 3. Erklarung mentaler Zustande Vorausgesetzt wird hier allerdings, dalS nicht noch ganz neue Varianten ins Spiel gebracht werden und dalS keine wichtigen theoretischen Einwande gegeniiber einer der beiden verbliebenen lnterpretationsvarianten erhoben werden konnen. Dies ist nun zumindest bei der Identitatstheorie leider der Fall. Es gibt hier in der Tat eine ganze Reihe von gravierenden Vorbehalten; am wichtigsten scheint mir dabei das sogenannte Erklarungsliickenproblem zu sein. Zwar betrifft das Problem nicht ausschlielSlich die Identitatstheorie, allerdings wirft es fiir diesen Ansatz besonders gravierende Schwierigkeiten auf. Aufgetaucht ist dieses Problem i.ibrigens nicht erst in den letzten Jahren, es wird vielmehr mit einem sehr instruktiven Geki !u.i.~ dankenexperiment bereits zu Begiim des achtzehnten J ahr""-- hunderts in Leibniz' MONADOLOGIE (Leibniz 1979, urspr. 1714) er6rtert, es steht im Mittelpunkt von Emil DuboisReymonds beri.ihmtem IGNORABIMUS Aufsatz (DuboisReymond 1974, urspr. 1872), und in der Gegenwart wird es von Philosophen (Levine, Chalmers, Bieri, Beckermann, Kim) ebenso wie von Neurobiologen (Flohr 1993), Neuropsychologen (Rolls 1999, LeDoux 1996) und Psychologen (Windmann & Durstewitz 2000) er6rtert. Ausgangspunkt ist dabei die In~ ! ~n, dalS auch ein vollstandiges Wissen iiber die neuronal"ěn Prozesse im Gehirn nicht erklaren wiirde, warum BewulStsein entsteht, insbesondere scheint dabei offenzubleiben, warum Zustande des sogenannten ,phanomenalen BewulStseins' wie Schmerzen, Farbempfindungen oder Furchtzustande so erfahren werden, wie dies nun einmal der Fall ist. In diesem Sinne heilSt es bei Colin McGinn: 95 Auf den ersten Blick erscheint die Frage tatsachlich unlosbar: Es ist einfach nicht zu erkennen, inwiefern Erkenntnisse uber neuronale Prozesse uns weiterhelfen sollen, wenn wir etwas iiber die Entstehung des BewulStseins und seiner spezifischen Qualitaten erfahren wollen. Wichtig ist dabei zunachst, dalS wir es hier nicht mehr mit einem empirischen Problem zu tun haben, d~ etwa durch eine Erweiterung unseres neurobiologischen W1ssens zu losen ware. Das Problem scheint vielmehr 1-..:-... auch dann bestehen zu bleiben, wenn wir beliebig viel i.iber die "-'- . t· '"'p>ď'~\ neuronalen Prozesse in unserem Gehirn wiilSten.10 T atsachlich konnen philosophische Ůberlegungen zu einer L6sung dieser Frage beitragen. Wenn ein Problem so ratselhaft erscheint, dann liegt der Verdacht nahe, die Frage sei f.!!ls.ch-gestellt._pder sie basiere auf sprachlichen o"de;iň'haltli:. chen Verwirru~enaua~6c1ireich i~ folg~nd~n zeigen, ist auclrhier der Fall. Dabei mulS man allerdings die beiden oben beschriebenen Ansatze unterscheiden: Sollte sich der Dualismus als richtig herausstellen, dann geht BewulStsein in einem gewissen Sinne aus neuronaler Aktivitat hervor. Wir konnten dann z.B. fragen, warum jene neuronalen Prozesse im somatosensorischen Kortex und im Gyrus cinguli uberhaupt BewulStsein hervorbringen, und genauer, warum sie Schmerzen und nicht beispielsweise Futcht oder Freude entstehen lassen. Auf der anderen Seite sollten wir jedoch nicht verwundert sein, dalS hier ein Ratsel .entsteht: Wenn BewulStsein ein Phanomen jenseits 9 McGinn 1989, 99. Wie k6nnen die Farben des phanomenalen BewulStseins aus glitschiger, grauer Materie entstehen? Was unterscheidet das Organ, das wir als ,Gehirn' bezeichnen, so lO Man kann also auch nicht behaupten, es handle sich hier um ein Scheinproblem, das sich von selbst auflosen wiirde, wenn unser neurobiologisches Wissen erst ·einmal weit genug reichen wiirde. (Parricia Churchland, 1996). 96 Michael Pauen der bislang bekannten physischen Prozesse ist, dann konnen wir auch nicht erwarten, daB es sich aus dem bereits vorliegenden physiologischen oder physikalischen Wissen erklaren lafk Wenn es sich hier um eine Erscheinung eines ganz neuen Typs handelt, dann diirfte ihre Erklarung eben auch die Grenzen der Neurobiologie und der Physik sprengen, so wie wir diese Wissenschaften heute kennen. Insofern existiert hier tatsachlich ein Problem, doch es ist leicht zu sehen, warum dieses Problem hier auftreten mu/S. Der Dualist muB diese Schwierigkeiten erwarten, sie stellen daher keinen Einwand gegen seine Theorie dar. Ganz anders sieht es aus unter den Pramissen der Identitiitstheorie: Wenn zwischen mentalen und neuronalen Prozessen eine Identitiitsbeziehung besteht, dann diirfte es dieses Ratsel eigentlich gar nicht geben. Wie bereits erwahnt, miiBte unter diesen Bedingungen eine physiologische Erklarung der Entstehung eines bestimmten neuronalen Prozesses gleichzeitig auch eine Erklarung fiir die Entstehung des damit identischen mentalen Prozesses liefern, schlieB!ich ware der neuronale ProzefS ja gleichzeitig auch ein mentaler ProzeB. W enn wir wissen, dafS Mark Twain identisch mit Samuel Clemens ist, dann muB uns die Krankenakte von Samuel Clemens auch Aufschliisse iiber Mark Twain geben. Eventuelle Zweifel waren gleichzeitig Zweifel an der Identitat von Mark Twain und Samuel Clemens. Genau diese Zweifel treten nun in der Tat im Falle des Verhaltnisses von mentalen und neuronalen Prozessen auf. Doch worin bestiinde <las Ratsel unter den Pramissen der Identitatstheorie nun genau? Festzuhalten ist zunachst, daB wir in eine Konfusion geraten, wenn wir einerseits annehmen, mentale Prozesse seien identisch mit bestimmten neuronalen Aktivitaten, und dann gleichzeitig nach einer Erklarung dafiir verlangen, wie der mentale Zustand aus der neuronalen Aktivitat „hervorgeht": Die Frage setzt ja bereits eine Unterscheidung zwischen dem „produzierenden" neuronalen und dem „produzierten" mentalen ProzeB voraus, doch diese Unterscheidung kann es nicht geben, wenn die Identitatstheorie zutrifft. Es ist daher kein Wunder, daB wir uns hier mit einer Erklarung schwertun: Die Frage ist einfach falsch gestellt. Grundprobleme der Philosophie des Geistes 97 Der Identitiitstheoretiker kann allenfalls fragen, wie psychologische und neurobiologische Theorien sinnvoll aufeinander bezogen werden konnen. Diese Frage scheint jedoch prinzipiell losbar zu sein. Zwar kann man keine reibungslosen ůbergange zwischen Theorien erwarten, die auf unterschiedlichen Niveaus der wissenschaftlichen Beschreibung und Erklarung arbeiten. 11 Dennoch haben wir im allgemeinen keine prinzipiellen Probleme mit solchen ůbergiingen. Dies ist auch dann der Fall, wenn wir nach naturwissenschaftlichen Erklarungen fiir Phiinomene suchen, die uns aus dem Alltag bekannt sind, also wenn wir beispielsweise wissen wollen, warum Wasser bei 0°C friert und bei l00°C kocht. Zwar beziehen sich unsere naturwissenschafdichen Theorien nur auf eine Substanz namens „H2 0", doch es fallt uns sehr leicht, <las physikalische oder chemische Wissen iiber H 20 fiir unsere Alltagserfahrungen mit Wasser nutzbar zu machen. Genau dies scheint im Verhaltnis von mentalen und neuronalen Prozessen schwierig zu sein: Erkenntnisse iiber die Entstehung eines bestimmten Aktivitatsmusters im Gyrus cinguli und im somatosensorischen Kortex scheinen auch dann keine plausiblen Erklarungen fiir die konkrete Qualitat von Schmerzerfahrung zu liefern, wenn wir ansonsten gute Grunde fiir die Annahme hatten, daB jene neuronale Aktivitat identisch mit der Schmerzerfahrung ist. Die philosophische Diskussion liber dieses Problem hat nun gezeigt, daB der entscheidende Grund fiir diesen Unterschied zwischen der Erklarung bestimmter Eigenschaften von Wasser und der Erklarung mentaler Phanomene offenbar darin besteht, daB sich BewufStseinsprozesse und insbesondere Zustande des phanomenalen BewuBtseins im Gegensatz zu Alltags- [ phanomenen nicht durch ihre relationalen Eigenschaften beschreiben lass~n. 12 Solche relationalen Beschreibungen versuchen eine Eigenschaft nicht durch Hinweise auf ihr ,Wesen' zu erfassen; im Mittelpunkt stehen vielmehr die Beziehungen zu anderen Objekten oder Eigenschaften. Die Durchsichtigkeit von Wasser laBt sich also beschreiben als eine spezifische Be11 McCauley1981, 1986. 12 Levine 1995. 98 Michael Pauen ziehung zwischen dieser Substanz und bestimmten elektromagnetischen Wellen, seine Dichte als Beziehung zwischen einer bestimmten Menge dieser Substanz und der gleichen Menge anderer Substanzen etc. Entscheidend ist nun, da15 sich unser Alltagsbegriff von Wasser offenbar durch solche relationalen Beschreibungen wie ,fliissig', ,geruchlos', ,durchsichtig', ,Dichte von lg/cm3 bei 4°C', ,Siedepunkt von l00°C auf Meeresh6he' etc. explizieren laíSt: Es ware sinnlos zu bezweifeln, daíS es sich bei einer Substanz, die diesen Beschreibungen entspricht, um Wasser handelt. Treffen diese Kriterien also auf H 2 0 zu, dann gibt es kaum mehr einen begriindeten Einwand gegen die Identifikation von Wasser und H 2 0. Gleichzeitig erscheint es plausibel, eine Erklarung fiir Kristallisierung von H 2 0 bei 0°C auch als Erklarung fiir <las Frieren von Wasser zu akzeptieren.13 Genau dies scheint nicht fiir BewuíStsein und insbesondere nicht fiir <las phanomenale BewuíStsein zu gelten. Natiirlich gibt es bestimmte Relationen, die charakteristisch fiir Rotempfindungen sind. Solche Empfindungen werden normalerweise von Objekten wie reifen T omaten hervorgerufen und fiihren ihrerseits u.a. zu verbalen AuíSerungen wie „dieses Objekt ist rot". Doch wahrend unser Alltagsbegriff „Wasser" vollstandig durch solche Beschreibungen erfaíSt werden kann, scheint dies bei phanomenalen Erfahrungen nicht moglich zu sein. Der Grund dafiir ist recht einfach. Ega! wie genau die Beschreibung der Ursachen und Wirkungen einer Rotempfindung auch sein mag, es scheint immer moglich, daíS jemand, auf den diese Beschreibung zutrifft, in Wirklichkeit eine ganz andere oder eben auch gar keine Empfindung hat. Eine Person, so lautet <las sogenannte „lnverted-Spectrum-Argument", konnte seit ihrer Geburt immer dort Griln sehen, wo wir Rot sehen und umgekehrt, doch sie hat gelernt, <las Wort „rot" genauso zu verwenden wie wir es tun, obwohl sie in den entsprechenden Situationen eine Griinerfahrung hat; die Unterschiede konnen also niemals auffallen. Diese Úberlegung wiirde dafiir sprechen, daíS phanomenale Erfahrungen einen Kern haben, der sich relationalen Beschreibungen entzieht. Damit wiirde uns 13 Levine 1983, Kim 1998. Grundprobleme der Philosophie des Geistes 99 <las Verbindungsglied zwischen phanomenalen und neuronalen Prozessen fehlen. Infolgedessen waren wir auch nicht in der Lage, die entsprechenden neuronalen Erkenntnisse fiir die phanomenalen Erfahrungen nutzbar zu machen. Es gibt einige wichtige Einwande gegen derartige Gedankenexperimente. Sie erwecken den Eindruck, prinzipielle Moglichkeiten, unabhangig von empirischen Bedingungen aufzuzeigen. T atsachlich geht in sie jedoch immer schon unser Alltagswissen ein. Dieses Wissen aber kann sich verandern und damit <las Gedankenexperiment in Frage stellen. Es kommt hinzu, daíS eine zentrale Voraussetzung des InvertedSpectrum-Argumentes bezweifelt werden kann: Da <las Farb- ) I spektrum nicht symmetrisch ist, 14 miiíSten sich lnversionen[ vermutlich doch im Diskriminationsverhalten niederschlagen. Entscheidend ist jedoch, da15 es keineswegs sicher ist, ob man BewuíStseinserfahrungen nicht doch relational beschreiben kann. leh kann hier nur einige Indizien nennen, die dafiir sprechen, daíS solche relationalen Beschreibungen in der T at moglich sind. AnschlieíSend werde ich skizzieren, was passieren wiirde, wenn tatsachlich iiberzeugende relationale Beschreibungen moglich waren. Festzuhalten ist zum einen, daíS es mittlerweile eine ganze Reihe von Hypothesen und empirischen Belegen gibt, die darin iibereinkommen, daíS BewuíStsein konkrete Funktionen hat: Es dient unter anderem dazu, uns bei wichtigen, neuen Problemen Zugang zu Informationen und Lósungsmoglichkeiten zu geben, die noch nicht in unseren eingeiibten Handlungsmustern enthalten sind. 15 Bei Emotionen sind solche funktionalen Zusammenhange ein direkter Bestandteil unseres Alltagsvokabulars. 16 Begriffe 14 So kommt es nur zwischen Rot und Orange bei einer Abdunklung zu einem Wechsel des Farbtones uber die Helligkeitsveranderung, wir sehen diese Farben dann namlich als Braun, auBerdem scheinen Blau und Griin einen groBeren Bereich des Farbspektrums einzunehmen als ~ot (Hardin 1997, Einwande bei Palmer 1999 und Nida-Riimelin 1998). 15 Baars 1997, Roth 1994. 16 cf. Pauen 1999d. Grundprobleme der Philosophie des Geistes wie Furcht, Freude, Trauer oder Ekel implizieren Annahmen iiber Handlungstendenzen, die ein konstitutives Element der emotionalen Erfahrung selbst ausmachen. Ekel beinhaltet eine T endenz zur Zuriickweisung, im Extremfall zum Ausspeien des ekelhaften Objektes; genauso scheint Furcht eine Neigung zur Entfernung, Freude oder Verlangen eine Tendenz zur Annaherung einzuschliel5en. Wir wiirden daran zweifeln, ob jemand wirklich weil5, was mit Eke/ gemeint ist, wollte er behaupten, sein massiver Ekel sei es gewesen, der ihn zur Annaherung an ein Objekt veranlalSt hatte. Genausowenig wiirden wir erwarten, dal5 ein Baby, das aufgrund einer „Emotionsinversion" von vornherein Schmerz statt Freude empfindet, so reagieren wiirde wie ein normales Kincl: Anzunehmen ware vielmehr, dalS es bei dem ersten heftigen Schmerz aufschreien wiirde, auch wenn dieser Schmerz de facto durch ein Streicheln ausgelost worden sein mag. Diese Annahmen sind bislang zumindest teilweise durch die Emotionspsychologie bestatigt worden17 und es ist anzunehmen, dal5 es auch in Zukunft zu einer weiteren Prazisierung und Korrektur dieser Annahmen kommen wird. In diesem Falle miil5ten sich Bewul5tseinszustande auf die Dauer ganz ahnlich durch relationale Beschreibungen erfassen lassen, wie dies oben am Beispiel von Wasser demonstriert wurde. Wir ( miil5ten dann nur noch in neurobiologischen Beschreibungen ') \ die entsprechenden ,Gegenstiicke' finden, so wie H 2 0 das naturwissenschaftliche Gegenstiick zu W asser ist. W enn wir dann erklaren konnten, wie das Gehirn diese Funktionen zu realisieren vermag, dann hatten wir gleichzeitig auch die Bewul5tseinsprozesse erklart, schlielSlich haben wir diese ja zuvor · durch genau diese Funktionen erfal5t. Solche relationalen Beschreibungen wiirden somit die gesuchte Briicke zwischen psychologischen Theorien und der Perspektive der Neurobiologie bilden, sie wiirden es uns ermoglichen, neurobiologische Erkenntnisse zur Beantwortung psychologischer Fragen heranzuziehen.18 17 cf. LeDoux 1996, Frijda 1993, Frijda et al. 1989, Plutchik 1993, Rolls l8 1999; eine kritische Diskussion bei Meyer et al. 1993/1997. Lewis 1966, 1972, Kim 1998. 101 Eine Ůberwindung der Erklarungsliicke ist offenbar prinzipiell moglich und es scheint, als wiirde der Philosophie dabei eine wichtige Rolle zufallen: Zum einen kann sie helfen, Verwirrungen in der Fragestellung zu vermeiden, zum zweiten kann sie auch aus einer Problemanalyse L6sungsstrategien entwickeln. Als entscheidend hatte sich dabei zum einen die Einsicht erwiesen, dalS es - unter den Pramissen der Identitatstheorie - nicht um das Verhaltnis zweier Prozesse, sondern um die Beziehung zweier. Theorien ging, konkret um die Frage, wie neurowissenschaftliche Erkenntnisse fiir das Verstandnis mentaler Prozesse genutzt werden konnen. Wichtig ist zweitens der Nachweis, dal5 relationale Beschreibungen eine Verbindung zwischen beiden Theorien herstellen konnen. Zwar konnte die Frage, ob mentale Prozesse wirklich in solchen Beschreibungen erfalSbar sind, nicht abschliel5end beantwortet werden, immerhin gibt es jedoch keine prinzipiellen Einwande gegen einen solchen Versuch, vielmehr sprechen Erkenntnisse der Emotionspsychologie ebenso wie funktionale Implikationen unserer Alltagsbegriffe von Emotionen fur die Erfolgsaussichten eines solchen Unternehmens. 4. Konsequenzen Nehmen wir 'also an, es hatte sich herausgestellt, dal5 mentale Phanomene physische Prozesse sind. Aul5erdem ware die „Erklarungsliicke" iiberwunden; fiir die Entstehung dieser Prozesse stiinden also Erklarungen zur Verfiigung, wie wir sie bei physischen Prozessen im allgemeinen gewohnt sind. Unter diesen Voraussetzungen waren unsere geistigen Prozesse „in Wirklichkeit" nur natiirliche Phanomene; menschliche Personen waren also in ihrer Bewul5tseinserfahrung und in ihrer Subjektivitat Naturgesetzen unterworfen, die sich nicht prinzipiell19 von denjenigen unterscheiden, die fiir Steine, ein19 Hier muE zwischen Identitatstheorie und physikalistischem Dualismus unterschieden werden: Der ldentitatstheorie zufolge waren hier die gleichen Gesetze wirksam, dem Dualismus zufolge, der ja physische Phanomene eines neuen Typs postuliert, ki:innte man allenfalls von ,gleichartigen' Gesetzen sprechen. 102 Michael Pauen fache Bakterien oder Computer gelten. Es sieht also so aus, als wiirden Menschen sich nicht prinzipiell von solchen einfacheren Objekten oder Lebewesen unterscheiden. Mit welchem V { Recht konnten wir dann aber noch daran festhalten, daB Men! schen, anders als diese einfachen Lebewesen oder Artefakte, bewuBtseinsfahige und verantwortliche Subjekte sind? Auch hier handelt es sich um eine Frage, die nicht nur Philosophen beschaftigt hat; dennoch handelt es sich um ein genuin philosophisches Problem. Es geht allerdings nicht - wie in den beiden vorangegangenen Teilen - um Fragestellungen und Voraussetzungen, die empirischen Erkenntnissen zugrunde liegen, vielmehr geht es .um die Konsequenzen, die zu erwarten waren, sollten sich die gemeinsamen Bemiihungen der empirischen Wissenschaften und der Philosophie schlieBlich als erfolgreich erweisen. Tatsachlich ist auch dieser Problemkomplex in der Philosophie immer wieder mit Nachdruck diskutiert worden. Dabei handelt es sich im einzelnen um drei miteinander zusammenhangende Fragen. Sie betreffen die , . , ·rt. Realitat von BewuBtsein, den Status von Subjektivitat und tN•<'<"' .i. schlieBlich das Problem der Willensfreiheit. Fragen der iJ1t~~f>.•'-~ Subjektivitat haben die neuere Philosophie seit dem 1 Florentiner Neuplatonismus immer wieder beschaftigt, das Problem der Willensfreiheit spielt schon bei Augustinus, in Ansatzen sogar bei Aristoteles eine Rolle. Demgegeniiber ist die Frage nach der Realitat des BewuBtseins erst in der letzten Zeit in den Mittelpunkt getreten. Immerhin lagt sich hier jedoch die konkreteste Antwort geben. Hinsichtlich der beiden anderen Fragen fehlen bislang nicht nur die empirischen Erkenntnisse, auch in der Philosophie sind die moglichen Antworten noch heftig umstritten. Dennoch diirfte sich ein Úberblick liber diese Diskussion als fruchtbar erweisen, weil er dazu beitragen kann, fehlerhafte Fragestellungen und Vereinfachungen zu vermeiden. Zunachst also zu der Frage, ob eine naturwissenschaftliche Erklarung mentaler Prozesse die Realitat des BewuBtseins in Frage stellt. Die zugrundeliegenden Úberlegungen sind recht einfach und haben auf den ersten Blick auch eine gewisse Plausibilitat: Wenn wir eine solche naturwissenschaftliche Er- Grundprobleme der Philosophie des Geistes 103 klarung hatten, dann wiiBten wir endlich, was BewuBtsein „in Wirklichkeit" ist. Vertreten worden ist diese Argumentation mit groBem Nachdruck durch den sogenannten Eliminativen Materialismus, den zumindest zeitweilig Autoren wie Willard V. O. Quine (1966b), Paul Feyerabend (1963b), Richard Rorty (1965, 1970a, 1970b), sowie insbesondere Paul Churchland (1979) auf ihre Fahnen geschrieben haben. Churchland zufolge ist unsere Úberzeugung, daB es so etwas wie bewuBte Phanomene gibt, das Postulat einer vorwissenschaftlichen Theorie, der sogenannten ,Alltagspsychologie'. Ahnlich wie andere Alltagstheorien wurde sie entwickelt, um Prognosen und Erklarungen fiir Geschehnisse zur Hand zu haben, denen wir im Alltag begegnen, in diesem Falle eben fiir das Verhalten anderer Personen. Um dieses Verhalten zu erklaren, habe es sich als zweckmaBig erwiesen, unseren Mitmenschen Wiinsche und Bediirfnisse zuzuschreiben. Erst spater hatten wir dann die Úberzeugung ausgebildet, selbst solche BewuBtseinserfahrungen zu machen. Eine ausgearbeitete neurobiologische Theorie werde allerdings aussagekraftigere Erklarungen und genauere Prognosen ermoglichen. Damit werde nicht nur die Alltagspsychologie iiberfliissig, vielmehr wiirden sich auch die von ihr postulierten BewuBtseinszustande als verzichtbar erweisen. Unsere Nachfahren diirften daher nur noch von neuronalen Zustanden sprechen, ja sie wiirden auch nur solche Zustande erfahren - auf unsere Glaubenszustande und Wiinsche miiBten sie genauso mitleidig herabsehen, wie wir heute auf die Essenzen der Alchimie, das Phlogiston oder den Warmestoff. Die philosophische Diskussion der letzten Jahre hat einige schwerwiegende Einwande gegen den Eliminativen Materialismus hervorgebracht. Erwahnen mochte ich hier nur, daB auch der Eliminative Materialist irgendeine Art von Zugang zu seinen neuronalen Prozessen gewinnen muB - doch dazu ben6tigt er schon wieder jene BewuBtseinszustande, deren Existenz er jedoch nicht akzeptiert. Es kommt hinzu, daB er an seine Theorie glauben muB. Leider bestreitet seine Theorie jedoch die Realitat von Glaubenszustanden. Genausowenig erscheint es nachvollziehbar, daB eine Gesellschaft, die Wiinsche und Bediirfnisse nicht ?f tt4 / --- i tt 104 Michael Pauen selbst aus der Perspektive der ersten Person kannte, den Verweis auf solche ihr vóllig fremden Zustande als Erklarung fur ein bestimmtes Verhalten akzeptiert haben sollte. 20 Aus diesen und anderen Einwanden ergibt sich nun allerdings nicht, daB der Eliminative Materialismus als ein weiterer Beleg fur die Nutzlosigkeit philosophischer Spekulation abgetan werden kann. Entscheidend ist vielmehr, daB diese Theorien - letztlich gegen den Willen ihrer Autoren - deutlich gemacht haben, zu welch ~~~g~~~E-ID~­ schrankung auf rein~~l~-~!.1-~c;b;iťtlifhc::..~a.g~__fiip.tJ. Da~sicnmCllt nur, da/5 es wenig sinnvoll ist, die Realitat des BewuBtseins abzustreiten, vielmehr wird hier auch deutlich, warum dies der Fall ist. Entscheidend ist, daB wir auch fur den Zugang zu neuronalen Prozessen bereits die Existenz von BewuBtseinszustanden voraussetzen miissen. f/ Genauso wichtig ist allerdings die grundsatzliche Einsicht, f ~ ' • daB eine neurobiologische Erklarung mentaler Zustande noch nicht zeigt, daB es sich hier „in Wirklichkeit" um physische und „eigentlich nicht" um mentale -Prozesse handelt. Die wissenschaftstheoretische Diskussion iiber das Verhaltnis von unterschiedlichen Theorien, die sich auf einen Gegenstandsbereich beziehen, hat vielmehr gezeigt, daB es keinen Grund gibt, eine psychologische Theorie zu verwerfen, nur weil wir denselben Sachverhalt auch physiologisch erklaren kónnen. 21 Die Realitat des BewuBtseins laBt sich also nur schwer bestreiten. Mit dieser Einsicht ist allerdings noch nicht viel gewonnen, solange es uns darauf ankommt, den besonderen Status menschlicher Personen gegeniiber solchen Lebewesen oder Systemen zu begriinden, die wir nicht als Personen akzeptieren wiirden, obwohl sie, wie etWa hóhere Tiere, durchaus iiber BewuBtsein verfugen mógen. Ein entscheidendes Kennzeichen einer Person scheint vielmehr zu sein, daB sie iiber so etwas wie Subjektivitat verfugt, d.h. daB sie sich selbst als einer Person mit einer bestimmten Lebensgeschichte und mit bestimmten charakteristischen- Merkmalen bewuBt ist, und daB sie die 20 cf. 21 Pauen 1996a. McCauley 1986, 1981. Grundprobleme der Philosophie des Geistes 105 von ihr initiierten Handlungen als eigene Handlungen erkennt unci damit auch die Verantwortung fur diese Handlungen iibernehmen kann. 22 Die Diskussion ZU dieser Frage wird - wie bereits erwahnt - bis heute sehr kontrovers gefuhrt, unci ein Ende dieser Kontroverse ist derzeit nicht in Sicht. Autoren wie Manfred Frank (1991) und Dieter Henrich (1970) verweisen darauf, daB wir immer schon iiber ein unmittelbares, „prareflexives" BewuBtsein von uns selbst verfugen miissen, bevor wir uns irgendeine Eigenschaft zuschreiben kónnen: Ein Selbst zu sein, sei keine Eigenschaft und auch keine Konstellation von Eigenschaften, von der ich irgendwann einmal erfahren kann, daB sie auf mich zutrifft. Ganz im Gegenteil miisse ich mich schon auf mich selbst beziehen konnen, bevor ich irgendeine Eigenschaft sinnvoll als meine Eigenschaft begreifen kann. 23 Dieses Argument erscheint plausibel, man mag dennoch zweifeln, ob das prareflexive Selbst wirklich all das umfaBt, was wir meinen, wenn wir von Subjektivitat sprechen, schlieBlich stellt es nur eine Voraussetzung fur die Selbstzuschreibung von konkreten Eigenschaften dar. Offensichtlich verstehen wir unter einem ,leh' aber mehr, namlich so etwas wie einen vergleichsweise stabilen Kern der Eigenschaften und Ereignisse, die wir uns zuschreiben. Genau dies kann das von Frank postulierte prareflexive Selbst jedoch nicht gewahrleisten, schlieBlich geht es jeder Zuschreibung von Eigenschaften voraus. Seinerseits enthalt es jedoch keinerlei Festlegung auf irgendeine konkrete Eigenschaft und vermag daher auch grundlegende Veranderungen der personalen Eigenschaften nicht auszuschlieBen. 24 22 cf. Fischer 1994, Peter F. Strawson 1972 So stellt Frank fest, "daB wir SelbstbewuBtsein anders zu beschreiben haben denn als ein BewuBtsein von etwas, wobei ,etwas' hier for einen einzelnen Gegenstand namens Selbst (oder leh oder auch Person) stiinde. SelbstbewuBtsein ist nicht gegenstandlich, seine Vertrautheit ist iiber kein zweites Glied vernůttelt, sein urspriinglicher Vollzug geschieht irreflexiv, kriterienfrei und beruht auch nicht auf teilbaren Wahrnehmungsbefunden." Frank 1992, 5. 2 4 cf. Galen Strawson 1997. 23 106 Michael Pauen Tatsachlich setzen die Skeptiker an genau diesen Punkten an. Zum einen gibt es sowohl auf der theoretischen wie auf der empirischen Ebene eine ganze Reihe von Indizien, die gegen die Annahme sprechen, es gebe einen realen Kern von Subjektivitat, der zum Gegenstand innerer Beobachtung werden konnte. Egal, ob man sich auf die neuronale oder auf die kognitive Ebene bezieht, so scheint Subjektivitat das Produkt eines dezentralen, konstruktiven Prozesses zu sein, der die unterschiedlichen und zum Teil sogar widerspriichlichen Motive, Erfahrungen, Wahrnehmungen und Erkenntnisse25 zu einem ,Selbstmodell' 26 integriert. AuBerdem sprechen einige vor allem von Dennett und Kinsbourne (1992) vorgelegte empirische Ergebnisse fiir die Annahme, daB wir zumindest innerhalb eines - allerdings recht engen - zeitlichen Rahmens unsere Selbstzuschreibungen andern, ohne uns dessen bewuBt ZU sem. Die Konsequenzen aus diesen Beobachtungen sind Gegenstand einer immer noch andauernden philosophischen Debatte. Wahrend das Selbst fiir Dennett eine bloBe Fiktion ist, 27 stellt es fiir Frank den Mittelpunkt von Erkenntnis und Erfahrung dar. 28 Ohne hier direkt Stellung zu nehmen, mochte ich doch zumindest auf eine Option hinweisen, die es erlaubt, sowohl an der Realitat des Ichs festzuhalten wie auch den relevanten empirischen Erkenntnissen gerecht zu werden. Statt das leh als eine feste GroBe oder gar als eine Art von Objekt zu betrachten, kann man es namlich - in Anlehnung an ~29 25 cf. Gazzaniga & LeDoux 1978, Nisbett & Wilson 1977, Minsky 1990. 26 cf. Metzinger 1993. 27 "The self .„ turns out to be a valuable abstraction, a theorisťs fiction rather than an interna! observer or boss. If the self is ,jusť the Center of Narrative Gravity „. then, in principie, a suitably ,programrneď robot, with a silicon-based computer brain, would be conscious, would have a self." Dennett 1991, 431. 28 "lst Subjektivitat nicht in der Tat der helle Punkt, von dem aus sich Licht verbreitet iiber alle unsre Bezugnahmen auf Gegenstiinde und Verhaltnisse der Welt?" Frank 1992, 7. 29 "Denn das empirische BewuEtsein, welches verschiedene Vorstellungen begleitet, ist an sich zerstreut und ohne Beziehung auf die Identi- Grundprobleme der Philosophie des Geistes 107 - auch als das Produkt einer integrativen Leistung sehen. In diesem Falle kann man sowohl den konstruktiven Charakter von Subjektivitat wie die Abwesenheit eines „wirklichen Zentrums" akzeptieren, ohne daB sich daraus ein Argument gegen die Realitat des Ichs ergeben wiirde. Statt dessen laBt sich vermuten, daB aus der integrativen Leistung ein „Selbstkonzept" hervorgeht, das neben konkreten Charaktertnerkmalen beispielsweise auch das Wissen um die eigene Lebensgeschichte enthalten kann. Aus ihm lassen sich Aussagen iiber die eigene Person ableiten, gleichzeitig erlaubt es die Zuschreibung weiterer Eigenschaften und Episoden. Gewisse Korrekturen an schon vorgenommenen Zuschreibungen, aber auch Spannungen unter den Eigenschaften, die man sich selbst zuschreibt, wiirden dabei noch keine Zweifel an der Realitat des Selbst begriinden.30 Keineswegs werden damit samtliche Zweifel an der Existenz von Subjektivitat beseitigt. Dennoch laBt sich der Eindruck nicht ganz vermeiden, daB d~Suhj~.kt von ei,!!!.gen Au- I toren e_nYas voreilig zu Grab,e g.e!!.!1-g.e~ge. Der Nachweis, daB es kein ,inneres Objekt' namens ,leh' gibt, reicht fiir eine Widerlegung der Subjektivitat genausowenig wie gewisse Unstimmigkeiten in der Selbstzuschreibung von Episoden und Eigenschaften. Ganz ahnliche Probleme treten auf, wenn man nach den empirischen Indizien fiir das dritte zentrale Moment unserer Konzeption von Personalitat, die Willensfreiheit, fragt. Wir gehen im allgemeinen davon aus, daB man einer Person Handlungen zuschreiben und sie gegebenenfalls fiir eine Handlung auch tat des Subjects. Diese Beziehung geschieht also dadurch noch nicht, daE ich jede Vorstellung mit BewuEtsein begleite, sondern daE ich cine zu der andern hinzusetze und mir der Synthesis derselben bewuBt bin. Also nur dadurch, daE ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorstellungen in cinem BewuEtsein verbinden kann, ist es moglich, daE ich mir die Identitat des BewuEtseins in diesen Vorstellungen selbst vorstelle, d.i. die analytische Einheit der Apperception ist nur unter der Voraussetzung irgend einer synthetischen moglich." Kant 1956, 142b (KrV, B 133). 30 cf. Pauen 2000b. ~ ll:t! ; ! I •1. - f - 1 eti.. - bl"'<h'lrnc"-' ; 108 ~w..&~ ?~ !t fa.;. "-'" IGJ...r./*4/Q.;J.l·,y... v~..t. .:... toc·-11.t # .J -~ ov•< ( cN~()L·, ,.,,.._, / T't. ~ • ' • ~dJJJ ~ ~ ~""! .,,,..~„ 1'."ÍJ,tc.~ ·~y< , / lt.?'i< /<:t..<:'J"'-~{ • ;:K;" k.t/~«A-} ' Michael Pauen verantwortlich machen kann. Dies scheint allerdings vorauszusetzen, daB sich die Person auch gegen diese Handlung hatte entscheiden konnen. Auch dieses Problem ist in der philosophischen Diskussion nach wie vor heftig umstritten, dennoch gibt es einige wichtige Argumente, die in Betracht gezogen werden sollten, wenn es um empirische Indizien fiir oder gegen die Freiheit des Willens geht. Besondere Bedeutung hat dabei die Frage, ~­ terministische Natur . esetze die 6.glic~ Willensfrei;; eit ausschlieBen: Wenn BewuBtsein, so wie zu Beginnaíešes Abschnittes angenommen, ein physischer ProzeB ist, der der Geltung von Naturgesetzen unterliegt, dann scheint es keine freien Entscheidungen geben zu konnen. Menschlichen Wesen wiirde also ein zentraler Aspekt von Personalitat fehlen, namlich die Fahigkeit zu freiem und verantwortlichem Handeln. Bei naherer Betrachtung zeigt sich, daB auch diese SchluBfolgerung voreilig ist. Notwendig ist zunachst eine Verstandigung dariiber, was iiberhaupt gemeint ist, wenn man von ,Freiheiť spricht. Unterscheiden lassen sich zwei wichtige Varianten: Zum einen die sogenannte Haudlun,~sfreiheit. Frei in diesem Sinne ist eine Person dann, wenn sie so handeln kann, wie es ihren Willensentscheidungen entspricht. Eingeschrankt wird die Handlungsfreiheit in der Regel durch auBere Zwange; typische Beispiele waren die Situation eines Strafgefangenen oder aber die eines physisch Abhangigen, der gegen seinen Willen weiter zu seiner Droge greifen muK Einen wesentlichen Schritt weiter geht der Begriff der Willensfreiheit. Hier wird auch gefragt, ob die der Handlung zugrundeliegende Entscheidung frei ist, ob die Entscheidung also auch anders hatte ausfallen konnen. Hier geht es ničlit nur um auBere Zwange, sondern ebenso um psychische Einfliisse: Auch wenn ich nicht unter externen Zwangen stehe, kann meine Entscheidung durch meine psychischen Eigenschaften, meine Erziehung und meine Anlagen so bestimmt werden, daB eine andere Option de facto nicht mehr offen steht: leh hatte midi also nicht anders entscheiden konnen. Willensfreiheit setzt daher voraus, daB ich in einem letzten Sinne der Urheber meiner Handlungen bin. Auch wenn alle Grundprobleme der Philosophie des Geistes 109 auBeren Umstande vollig identisch waren, miiBte ich imstande sein, mich anders zu entscheiden. Genau dies scheint jedoch durch den Determinismus ausgeschlossen zu werden: Wenn Entscheidungsprozesse wie andere mentale Prozesse auch physische Prozesse sind, dann unterliegen sie den Naturgesetzen. Sofern es sich hier um deterministische Gesetze handelt, bestehen im konkreten Fall offenbar keine Entscheidungsalternativen. 31 Auf der anderen Seite fragt frt> ~ sich aber auch, ob eine Zuriickweisung des Determinismus i,.-f •.iť.J oder der Nachweis, daB mentale Prozesse keine physischen Prozesse sind, unseren Spielraum fiir freie Entscheidungen vergroBern konnten. In den letzten Jahren hat es jedoch gerade in diesem Punkt wesentliche Einwande gegeben: Zum einen liegt hier offenbar ein MiBverstandnis uber die Rolle von Naturgesetzen vor: Diese IJ§stimmen nich.t etwa das Verhalten von Planeten, fallenden Kugeln oder Neuronen oder zwingen ihnen gar ein Verhalten auf, das diese am Ende gar nicht ,wollten', vielmehr beschreibe.tJ.. sie nur, was diese Objekte ,von sich aus' tun. 32 Auf der anderen Seite wiirde auch der bloBe Wegfall deterministischer Reaktionszusammenhange - beispielsweise im Gehirn - uns keinesfalls berechtigen, von einer ,freien Handlung' zu sprechen; es scheint vielmehr, daB wir es dann nur mit einem zufiilligen Geschehen zu tun haben. Insofern diirften sich die vielfach geauBerten Hoffnungen auf makroskopische Konsequenzen der Quantenphysik33 als triigerisch erweisen. Von einer freien Handlung verlangen wir schlieBlich nicht nur, daB sie nicht determiniert ist, notwendig ist auch, daB wir selbst es waren, die die Entscheidung getroffen haben. Genau diese Form von Selbstbestimmung kann durch den bloBen Wegfall des Determinismus offenbar nicht gewahrleistet werden. Dies scheint auf den ersten Blick in ein Dilemma zu fiihren: Wenn der Determinismus gilt, sind wir offenbar nicht frei, weil unsere Handlungen durch Naturgesetze bestimmt werden; gilt der Determinismus nicht, dann bleibt uns nur der 31 cf. 32 cf. Van Inwagen 1982 Schlick 1978. 33 Kane 1989. 110 Michael Pauen Z!!f.all. T atsachlich kann es eine Handlung, die in einem letzten Sinne selbstbestimmt ist, gar nicht geben: Um iiberhaupt irgendeine freie Entscheidung treffen zu konnen, miissen wir bereits iiber bestimmte Minimalvoraussetzungen verfiigen, 1-. \ doch wir konnen nicht der Urheber dieser Voraussetzungen, f also letztlich unser eigener Urheber sein. 34 Nagel (1986, 1990) und Galen Strawson (1989) haben daraus gefolgert, die Existenz freier Handlungen sei prinzipiell ausgeschlossen, und zwar ganz unabhangig davon, wie die physische Realitat nun beschaffen ist. Es waren damit also keine empirischen Erkenntnisse, sondern theoretische Einsichten, die gegen die Realitat von Freiheit sprechen. Bei naherer Betrachtung zeigt sich jedoch, daíS man hieraus auch ein wichtiges Argument far die Freiheit ableiten kann: Wenn von vornherein klar ist, daíS Freiheit in dem oben skizzierten Sinne noch nicht einmal theoretisch moglich ist, dann handelt es sich vielleicht gar nicht um eine sinnvolle Erklarung dessen, was J,-.C . wir meinen, wenn wir von „freien Handlungen" sprechen. Es 5.f'~ scheint vielmehr, als sei diese Konzeption von Freiheit in sich \ selbst unstimmig; sie kann daher keinen sinnvollen MaíSstab I fiir unser Urteil iiber die Existenz freier Handlungen bilden. Doch gibt es hierzu eine Alternative? Freiheit, so wurde oben gesagt, ist Selbstbestimmung. Dann allerdings scheint es kaum sinnvoll, die Úberzeugungen, Wiinsche und sonstigen Eigenschaften der Person, die sich hier selbst bestimmt, als Einschrankungen ihrer Freiheit zu begreifen. Wenn es also zu meinen ureigensten Úberzeugungen gehort, daíS Diebstahl verwerflich ist, do daB man sagen konnte, diese Úberzeugung bilde einen Teil dessen, was konstitutiv fiir mein „Selbst" ist, dann wiirde man eine Handlung, die dieser Ůberzeugung folgt, nicht als unfrei bezeichnen konnen. Insofern scheint sich eine Moglichkeit abzuzeichnen, solche Entschliisse als „frei" zu bezeichnen, die aus den personalen Merkmalen des Han• delnden hervorgehen. 35 Damit ist die Entscheidung iiber die Existenz freier Handlungen wieder an die empirischen Wissenschaften zuriickver- (1 34 cf. Galen Strawson 1989, Nagel 1986, 1990. 35 cf. hierzu ausfiihrlicher: Pauen 2001b Grundprobleme der Philosophie des Geistes 111 wiesen: Sollte es bewuBte Entschliisse geben, die sich auf personale Merkmale wie Úberzeugungen oder Charaktereigenschaften zuriickfiihren lassen, dann waren die aus diesen Entschliissen hervorgehenden Handlungen tatsachlich frei. Die bereits erwahnten Ergebnisse von Benjamin Libet werfen hier jedoch ein schwerwiegendes Problem auf: Aus seinen Experimenten scheint sich namlich zu ergeben, daíS unser Handeln eben nicht von unseren bewuBten Entschliissen, sondern von vorbewuBt ablaufenden neuronalen Prozessen, namlich dem Aufbau des Bereitschaftspotenrials abhangt. Erst infolge dieser Aktivitat entstiinde dann <las - illusorische - BewuBtsein, eine Entscheidung getroffen ZU haben. Damit ware eine zentrale Bedingung des skizzierten Begriffes von Freiheit verletzt: Die eigentlich Entscheidung scheint nicht auf personalen Merkmalen zu basieren, sondern auf vorbewuBten, neuronalen Prozessen. Das BewuBtsein, eine Entscheidung zu treffen, wiirde erst dann entstehen, wenn die Handlung schon eingeleitet, die Entscheidung somit getroffen ist. Von Selbstbestimmung konnte aiso keine Rede sein, vielmehr waren wir in · unseren Entscheidungen abhangig von neuronalen Prozessen. 36 Libets Ergebnisse sind allerdings aus unterschiedlichen Griinden umstritten: 37 Zum einen ist nicht klar, ob es wirklich, so wie von ihm angenornmen, einen genau besrimmbaren Moment der Entscheidung gibt, oder ob Entscheidungen nicht eher prozessualen Charakter haben. In diesem Falle konnte der Aufbau des Bereitschaftspotentials von bewuBten Vorentscheidungen abhangen, die bereits vor dem Einsetzen der von ihm vorgenommenen Messungen gefallen waren. Es kommt hinzu, daB Libet (1985) selbst die Existenz eines bewuBten „Vetos" belegen zu konnen glaubt, <las die Handlung noch bis wenige Millisekunden vor der eigentlichen Ausfiihrung zu verhii:de~n vermag. Wiird: man die Freiheit an die lJ.nterla.B- ~ barke1t emer Handlung bmden, dann ware also auch unter 36 cf. Roth 1998, 37 Siehe dazu die Birnbacher 1995. Diskussion im AnschluE an Libet (1985) sowie Gomes 1999, Walter 1998, 299-308 und Hartmann 1998, 242-244. 112 X Michael Pauen den von Libet beschriebenen Bedingungen ein zentrales Kriterium freier Handlungen erfiillt. Offensichtlich ist auch bereits fiir die Interpretation der Ergebnisse Libets eine Verstiindigung dariiber notwendig, was denn ilberhaupt unter einer Entscheidung zu verstehen ist. Handelt es sich um einen momentanen Akt, der zeitlich auf Millisekunden genau zu verorten ist, oder haben wir es mit einem ProzeB zu tun, der sich uber einen mehr oder weniger genau bestimmbaren Zeitraum erstreckt und sich moglicherweise in mehrere Phasen unterteilen laBt? Mehr noch diirfte die Notwendigkeit einer solchen Verstiindigung fiir die Frage nach der Willensfreiheit im allgemeinen gelten: Offenbar ist die Suche nach empirischen Belegen fiir die Existenz freier Handlungen solange problematisch, wie wir nicht wissen, was denn iiberhaupt die entscheidenden Kriterien eines freien Willensaktes waren. Von besonderer Bedeutung diirfte dabei die Frage sein, wie wir mit den Problemen umgehen, die sich aus der traditionellen Vorstellung einer vollstiindig freien bzw. selbstbestimmten Handlung ergeben. Unnotig sein dilrfte dabei der Hinweis, daB solche philosophischen Diskussionen sich immer eng an den vorliegenden empirischen Ergebnissen orientieren miissen: Eine iiberzeugende und fiir die Interpretation der Experimente Libets rele} vante Antwort auf die Frage nach dem Ablauf eines Entschei\ dungsprozesses wird man trivialerweise nur von Theoretikern erwarten konnen, die diese Experimente kennen. 5. Fazit Es scheint also, als wilrde die Philosophie des Geistes nicht nur milBige Spekulationen anstellen, die friiher oder spater durch solide wissenschaftliche Erkenntnisse ersetzt werden. Philosophische Úberlegungen konnen offenbar bei der Interpretation empirischer Ergebnisse helfen, indem sie die Konsequenzen und Voraussetzungen der einzelnen Varianten deutlich machen, sie konnen aber auch dazu beitragen, Fehler in Fragestellungen aufzuspiiren oder Erklarungsstrategien zu entwickeln, schlieBlich kann die Philosophie auch versuchen, Grundprobleme der Philosophie des Geistes 113 die kiinftigen Entwicklungen und ihre mutmaBlichen Konsequenzen zu skizzieren. Dabei geht es nicht um philosophische Science-Fiction, sondern um ein Abschatzen der Konsequenzen der wahrscheinlichsten Entwicklungen - in dem oben vorgestellten Fall also um die Frage, ob bzw. unter welchen Bedingungen die zu erwartenden Erkenntnisse in den Neuround Kognitionswissenschaften zu fundamentalen Veriinderungen des menschlichen Selbstverstiindnisses fiihren konnen. Natiirlich wird es .in vielen Fallen moglich und oft sogar sehr sinnvoll sein, empirische Untersuchungen so zu gestalten, daB die philosophisch relevanten Fragen nicht beriihrt werden. Schwierig diirfte dies allerdings werden, sobald die fundamentalen Proble'me des Zusammenhangs von Geist und Gehirn betroffen sind. Es ist heute sicherlich noch nicht klar, ob wir auf diese Fragen einmal eine zufriedenstellende Antwort finden werden. Sollte dies aber moglich sein - und einiges spricht dafiir - dann dilrfte die Philosophie des Geistes daran nicht ganz unbeteiligt sein. 114 Michael Pauen 6. Literatur Baars, B. J., (1996) Understanding Subjectivity: Global Workspace Theery and the Resurrection of the Observing Seif. Journal of Consciouness Srudies 3: 211-216. (1997) In the Theatre of Consciousness. Global Workspace Theery. A Rigorous Scientific Theery of Consciousness. Journal of Consciousness Studies 3: 292-309. Barinaga, M. (1997) New lmaging Methods Provide a Better View lnto the Brain. Science 276: 1974-1976. Bieri, P. (1982) Nominalismus und innere Erfahrung. Zeitschrift fiir philosophische Forschung 36: 3-24. (1989) Schmerz: Eine Fallsrudie zum Leib-Seele-Problem. ln: Poppe! (Hg.) Gehirn und Bewugtsein. (1992a) Was machr Bewugtsein zu einem Ratsel? Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1992: 48-56. (1992b) Trying Out Epiphenomenalism. Erkennmis 36: 283309. Bieri, P. (Hg.) (1987) Analytische Philosophie der Erkenntnis. Weinheim. (1993) Analytische Philosophie des Geistes. Bodenheim. Birnbacher, D. (1990) Das ontologische Leib-Seele-Problem und seine epiphanomenalistische Li:isung. ln: Biihler, K.-E. (Hg.), Aspekte des Leib-Seele-Problems. Philosophie, Medizin, Kiinstliche lntelligenz. Wiirzburg. (1995) Die philosophische Brisanz der Neurowissenschaften wird unterschatzt. ln: Ethik und Sozialwissenschaften 6: 8385. Block, N. (Hg.) (1980) Readings in Philosophy of Psychology. 2 Bde. London. Bubner, R. (Hg.) (1970) Hermeneutik und Dialektik. Aufsatze (H.-G. Gadamer zum 70. Geburtstag.). Tiibingen. Carrier, M. & Mittelstr~, J. (1989) Geist, Gehirn, Verhalten. Das Leib-Seele-Problem und die Philosophie der Psychologie. Berlín New York. Chalmers, D. J. (1995) Facing up to the Problem of Consciousness. Journal of Consciousness Srudies 2: 200-219. (1996a) The Conscious Mind. In Search of a Fundamental Theery. New York Oxford. Grundprobleme der Philosophie des Geistes 115 (1996b) Das Ratsel des bewugten Erlebens. ln: Spektrum der Wissenschaft, Februar 1996: 40-47. Churchland, P. M. (1979) Scientific Realism and the Plasticity of Mind. London New York Melbourne. (1981) Eliminative Materialism and the Propositional Attirudes. ln: Goldman, Readings in Philosophy. (1985) Reduction, Qualia, and the Direct Introspection of Brain States. Journal of Philosophy 82: 8-i8. (1988) Perceptual Plasticity and Theoretical Neutrality: A Reply to Jerry Fodor. ln: Goldman, Readings in Philosophy. (1992) Matter and Consciousness. A Contemporary lntroduction to the Philosophy of Mind. Cambridge MA London. (1995) The Engine of Reason, the Seat of the Soul. A Philosophical Journey into the Brain. Cambridge MA London. Churchland, P. S. (1996) The Hornswoggle Problem. ln: Journal of Consciousness Srudies 3: 402-408. Clark, A. (1993): Sensory Qualities. Oxford. Cross, S. A. (1994) Pathophysiology of Pain. Mayo Clinic Proceedings 69: 375-383. Davidson, D. (1970) Mentale Ereignisse. In: Bieri, Analytische Philosophie des Geistes. (1993) Thinking Causes. ln: Heil & Mele, Mental Causation. Davies, M. & Humphreys, G. W. (Hg.) (1993) Consciousness. Psychological and Philosophical Essays. Oxford Cambridge MA. Dennett, D. C. (1982) Mechanism and Responsibility. In: Watson, Free Will. (1991) Consciousness Explained. Boston New York Toronto. Dennett, D. C. & Kinsbourne, M. (1992) Time and the observer: The Where and When of Consciousness in the Brain. The Behavioral and Brain Sciences 15: 183-247. Dubois-Reymond, E. (1974) Vortrage uber Philosophie und Gesellschaft. Hamburg. Esken, F. & Heckmann, H. D. (1998) Bewugtsein und Reprasentation. Paderborn. Feigl, H. (1967) The ,Mental' and the ,Physical'. The Essay and the Postscript. Minneapolis. 116 Michael Pauen Feyerabend, P. K. (1963a) Materialism and the Mind-Body Problem. ln: Christensen & Turner, Folk Psychology. (1963b) Mentale Ereignisse und das Gehirn. In: Bieri, Analytische Philosophie des Geistes. Fischer, J. M. (1994) The Metaphysics of Free Will. An Essay on Control. Oxford Cambridge. Flohr, H. (1993) Die physiologischen Bedingungen des BewuEtseins. ln: Lenk & Poser, Neue Realitaten. (1994) Denken und BewuEtsein. ln: Fedrowitz, Matejovski, Kaiser, Neuroworlds. Frank, M. (1991) SelbstbewuEtsein und Selbsterkenntnis. Essays zur analytischen Philosophie der Subjektivitat. Stuttgart. (1994a) Vorwort. ln: ders., Analytische Theorien. (1994b) SelbstbewuBtsein und Rationalitat. In: Kolmer & Korten Grenzbestimmungen. Frank, M. (Hg.) (1991) SelbstbewuEtseinstheorien von Fichte bis Sartre. Frankfurt. (1994) Analytische Theorien des SelbstbewuBtseins. Frankfurt. Frankfurt, H. G. (1969) Alternate Possibilities and Mora! Responsibility, in: Journal of Philosophy 66. (1971) Freedom of the Will and the Concept of a Person, in: Journal of Philosophy 68, dt. in Bieri, Analytische Philosophie des Geistes. (1988a) Identification and Wholeheartedness, in: ders., The lmportance of What We Care About. (1988b) The Importance of What We Care About. Philosophical Essays. Cambridge. (1999) Necessity, Volition, and Love. Cambridge. Frijda, N. H. (1993) Moods, Emotion Episodes, and Emotions. In: Lewis & Haviland, Handbook of Emotions. Frijda, N. H., Kuipers, P., ter Schure, E. (1989) Relations Among Emotion, Appraisal, and Emotional Action Readiness. Journal of Personality and Social Psychology 57: 212-228. Gazzaniga, M. S. & LeDoux, J. E. (1978) The Integrated Mind. New York London. Goldman, A. I. (Hg.) (1993) Readings in Philosophy and Cognitive Science. Cambridge MA London. Gomes, G. (1999) Volition and the readiness potential. Journal of Consciousness Studies 6: 59-66. Grundprobleme der Philosophie des Geistes 117 Haggard, P. & Eimer, M. (1999) On the Relation Berween Brain Potentials and the Awareness of Voluntary Movements. Experimental Brain Research 126: 128- 133. Hardin, C. L. (1987) Qualia and Materialism. Closing the Explanatory Gap. Philosophy and Phenomenological Research 47: 281-298. (1990) Color and Illusion. ln: Lycan, Mind and Cognition. (1997) Reinverting the Spectrum. ln: Byrne & Hilbert, Readings on Color, Bd. I. Hartmann, D. (1998) Philosophische Grundlagen der Psychologie. Darmstadt. Heil, J. & Mele, A. (Hg.) (1993) Menta! Causation. Oxford. Henrich, D. (1970) SelbstbewuEtsein. Kritische Einleitung in cine Theorie. In: Bubner, Hermenutik und Dialektik Bd. I. Jackson, F. (1982) Epiphenomenal Qualia. Philosophical Quarterly 32: 127-136. Kane, R. (1989) Two Kinds of Incompatibilism. Philosophy and Phenomenological Research 1: 219-254. Kant, I. (1956) Kritik der reinen Vernunft. Hamburg. Kim, J. (1966) On the Psycho-physical Identity Theory. American Philosophical Quarrerly 3: 227-235. (1989) The Myrh of Nonreductive Materialism. ln: Warner & Szubka, The Mind-Body-Problem. (1990a) The Nonreductivisťs Troubles With Menta! Causation. In: ders., Supervenience. (1990b) Postscripts on Menta! Causation. ln: ders., Supervenience. (1993c) Noncausal Connections. ln: ders., Supervenience. (1996) Philosophy of Mind. Boulder. (1998) Mind in a Physical World. An Essay on the Mind-Body Problem and Menta! Causation. Cambridge. (im Druck): Reduction, Reductive Explanation, and the Explanatory Gap: A Current Perspective on Physical Explanation of Mentality. Kleinschmidt, A. (2000), Wahrnehmungskoirrelierte Hirnaktivitat. ln: Newen & Vogeley, Selbst und Gehirn. Kripke, S. A., (1993) Name und Norwendigkeit. Frankfurt. (1994) Identitat und Norwendigkeit. In: Frank, Analytische Theorien. 118 Michael Pauen Lanz, P. (1996) Das phanomenale BewuBtsein. Eine Veneidigung. Frankfurt. LeDoux, ]. E. (1996) The Emotional Brain. The Mysterious Underpinnings of Emotional Life. New York. Leibniz, G. W. (1979) Monadologie. Ůbers. und eingel. v. Hermann Glockner. Stuttgan. Lenk, H. & Poser, H. (Hg.) (1995) Neue Relitaten Herausforderung der Philosophie. XVI. Deutscher KongreB fur Philosophie. Vonrage und Kolloquien. Berlin. Levine, J. (1983) Materialism and Qualia: The Explanatory Gap. Pacific Philosophical Quanerly 64: 354-361. (1991) Cool Red. Philosophical Psychology 4: 27-39. (1993) On Leaving Out What Iťs Like. In: Davies & Humphreys, Consciousness. (1995) Qualia: intrinsisch, relational - oder was? In: Metzinger, BewuBtsein. Lewis, D. (1966) An Argument for the Identity Theory. Journal of Philosophy 63: 17-25. (1972) Psychophysical and Theoretical Identifications. In: Block, Readings in Philosophy of Psychology Bd. I. Lewis, M. & Haviland, J. M. (Hg.) (1993) Handbook of Emotions. New York London. Libet, B. (1985) Unconscious Cerebral Initiative and the Role of Conscious Will in Voluntary Action. The Behavioral and Brain Sciences 8: 529-539. (1994) A Testable Field Theory of Mind-Brain Interaction. Journal of Consciousness Studies 1: 119-126. (1996) Solutions to the Hard Problem of Consciousness. Journal of Consciousness Studies 3: 33-35. Lycan, W. G. (Hg.) (1990) Mind and Cognition. A Reader. Oxford Cambridge MA. McCauley, R. N. (1981) Hypothetical Identities and Ontological Economizing: Comments on Causey's Program for the Unity of Science. Philosophy of Science 48: 218-227. (1986) lntenheoretic Relations and the Future of Psychology. In: Christensen & Turner, Folk Psychology. McGinn, C. (1989) Can We Solve the Mind-Body Problem? In: Warner & Szubka, The Mind-Body Problem. Grundprobleme der Philosophie des Geistes 119 Metzinger, T. (1993) Subjekt und Selbstmodell. Die Perspektivitat phanomenalen BewuBtseins vor dem Hintergrund einer naturalistischen Theorie mentaler Reprasentation. Paderborn. Metzinger, T. (Hg.) (1996) BewuBtsein. Beitrage aus der Gegenwansphilosophie. Zweite Auflage. Paderborn. Meyer, W. U„ Schiitzwohl, A. Reisenzein, R. (1993/1997) Einfiihrung in die Emotionspsychologie 2 Bde. Bern Gottingen. Minsky, M. (1990) Mentopolis. Stuttgan. Nagel, T. (1974) What ls It Like to Be a Bat? Philosophical Review 83: 435-450, dt. Ín Frank, Analytische Theorien. (1986) The View from Nowhere. New York Oxford. (1990) Was bedeutet das alles? Eine ganz kurze Einfiihrung in die Philosophie. Stuttgan. Newen, A. & Vogeley, K (Hg.) (2000) Selbst und Gehirn: Menschliches SelbstbewuBtsein und seine neurobiologischen Grundlagen. Paderborn. Nida-Riimelin, M. (1998) Venauschte Sinnesquatitaten und die Frage der Erklarbarkeit von BewuBtsein. ln: Esken & Heckmann, BewuBtsein und Reprasentation Nisbett, R. E. & Wilson, T. D. (1977) Telling More Than We Can Know: Verba! Repons on Menta! Processes. Psychological Review 84: 231- 59. Oeser, E. & Seitelberger, F. (1988) Gehirn, BewuBtsein und Erkennmis. Darmstadt. Palmer, S. E. (1999) Color, Consciousness, and the Isomorphism Constraint. The Behavioral and Brain Sciences 22. Pauen, M. (1996a) Mythen des Materialismus. Die Eliminationstheorie und das Problem der psychophysischen Identitat. Deutsche Zeitschrift fur Philosophie 44: 77-100. (1996b) Wahrnehmung und Mentale Reprasentation. Philosophische Rundschau 43 : 243-264. (1998a) Is There an Empirical Answer to the Explanatory Gap Argument? Consciousness and Cognition 7: 202-205. (1998b) Die Sprache der Bilder. Bestimmung und Funktion piktorialer Formen mentaler Reprasentation. In: Sachs& Rehkamper, Bild-Bildwahrnehmung, Hombach Bildverarbeitung. Wiesbaden. 120 Michael Pauen (1999a) Materialismus und Metaphysik. Konnen naturwissenschaftliche Erkennmisse BewuEtsein und Subjektivitat in Frage stellen? Neue Rundschau 110: 29-47. (1999b) Phenomenal Experience and Science: Separated by a ,Brick Wall'? The Behavioral and Brain Sciences 22. (1999c) Reality and Representation. Qualia, Computers, and the ,Explanatory Gap.' In: Riegler & Peschl, Understanding Representation. (1999d) Das Ratsel des BewuBtseins. Eine Erkliirung~strategie. Paderborn. (2000a) Painless Pain. Property Dualism and the Causal Role of Phenomenal Consciousness. American Philosophical Quarterly 37: 51-64. (2000b) SelbstbewuEtsein: Ein metaphysisches Relikt? Philosophische und empirische Befunde zur Konstitution von Subjektivitat. In: Newen & Vogeley, Selbst und Gehirn. (200la) Grundprobleme der Philosophie des Geistes. Eine Einfuhrung. Frankfurt. (2001b) Freiheit und Verantwortung. Wille, Determinismus und der Begriff der Person. Allgemeine Zeitschrift fur Philosophie. Pauen, M. & Stephan, A. (Hg.) (2001) Phanomenales BewuEtsein. Paderborn. Popper, K. R. & Eccles, J. C. (1989) Das leh und sein Gehirn. Miinchen. Place, U. T., (1956) Is Consciousness a Brain Process? ln: Chappell, The Philosophy of Mind. Plutchik, R (1993) Emotions and their Vicissitudes: Emotions and Psychopathology. ln: Lewis & Haviland, Handbook of Emotions. Posner, M. L. & Raichle, M. E. (1996) Bilder des Geistes. Hirnforscher auf den Spuren des Denkens. Heidelberg Berlin Oxford. Pothast, U. (1987) Die Unzulanglichkeit der Freiheitsbeweise. Zu einigen Lehrstiicken aus der neueren Geschichte von Philosophie und Recht. Frankfurt. Porhast, U. (Hg.) · (1978) Seminar: Freies Handeln und Determinismus. Frankfurt. Quine, W. V. O. (1966a) The Ways of Paradox and Other Essays. New York. Grundprobleme der Philosophie des Geistes 121 (1966b) On Menta! Entities. ln: ders., The Ways of Paradox. (1985) States of Mind. Journal of Philosophy 82: 5- 8. Rainville, P., Duncan, G. H., Price, D. D., Carrier, B., Bushnell, M. C. (1997) Pain Affect Encoded in Human Anterior Cingulate But Not Somatosensory Cortex. ln: Science 277: 968-971. Rolls, E. T. (1999) The Brain and Emotion. Oxford New York. Rorty, R. (1965) Leib-Seele Identitat, Privatheit und Kategorien. ln: Bieri, Analytische Philosophie des Geistes. (1970a) Unkorrigierbarkeit als Merkmal des Mentalen. ln: Frank, Analytische Theorien. (1970b) ln Defense of Eliminative Materialism. Review of Metaphysics 24: 112-121. (1976) Realism and Reference. The Monist 59: 321-340. (1987) Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie. Frankfurt. Roth, G. (1991a) Die Konstitution von Bedeutung im Gehirn. ln: Schmidt, Gedachmis. (1994) Das Gehirn und seine Wirklichkeit. Kognitive Neurobiologie und ihre philosophischen Konsequenzen. Frankfurt. (1998) Ist Willensfreiheit eine lllusion. Biologie unserer Zeit 28: 6-15. Roth, G. & Schwegler, H. (1995) Das Geist-Gehirn-Problem aus der Sicht der Hirnforschung und eines nicht-reduktionistischen Physikalismus. Ethik und Sozialwissenschaft 6: 69-77. Roth, G. & Prinz, W. (Hg.) (1996) Kopf-Arbeit. Gehirnfunktionen und kognitive Leistungen. Heidelberg Berlin Oxford. Schlick, M. (1978) Freier Wille, in: Pothast, Seminar. Schmidt, S. J. (1991) Gedachtnis. Probleme und Perspektiven der interdisziplinaren Gedachmisforschung. Frankfurt. Spaemann, R (1996) Personen. Versuche iiber den Unterschied zwischen ,etwas' und ,jemanď. Stuttgart. Strawson, P. F. (1972) Einzelding und logisches Subjekt. Ein Beitrag zur deskriptiven Metaphysik. Stuttgart. (1982) Freedom and Resentment. In: Watson, Free Will; dt. in Pothast, Serninar. Strawson, G. (1986) Freedom and Belief. Oxford. (1989) Consciousness, Free Will, and the Unimportance of Determinism. Inquiry 32: 3-27. 122 Michael Pauen (1997) The Self. Journal of Consciousness Srudies 4: 405-428. (1998) Free Will. Artikel in: Routledge Encyclopedia of Philosophy. Van Gulick, R. (1995) Who's in Charge Here? And Who's Doing Ail the Work? ln: Heil & Mele, Menta! Causation. Van lnwagen, P. (1982) The Incompatibility of Free Will and Determinism, in: Watson, Free Will. Walter, H. (1996) Die Freiheit des Deterministen. Chaos und Neurophilosophie. Zeitschrift fiir philosophische Forschung 50: 364-385. (1998) Neurophilosophie der Willensfreiheit. Von libertarischen Illusionen zum Konzept natiirlicher Autonomie. Paderborn. Watson, G. (Hg.) (1982) Free Will. Oxford New York. Windmann, S. & Durstewitz, D. (2000) Phanomenales Erleben: Ein fundamentales Problem fiir die Psychologie und die Neurowissenschaften. Psychologische Rundschau 51: 75-82. Wittgenstein, L. (1984) Tractarus logico-philosophicus. Tagebiicher 1914-1916. Philosophische Untersuchungen. Frankfurt (=Werkausgabe Bd. I). Achim Stephan Emergenz in kognitionsfahigen Systemen 1. Einleitung Die englischen Ausdrticke ,to emerge' oder ,emergence' haben eine alltagssprachliche sowie unterschiedlich starke technische Bedeutungen: So wird mitunter von der ,emergence of x' gesprochen und damit lediglich das ,Erscheinen' oder ,Auftauchen' von x gemeint. ln einem solchen Sinne sind Buchtitel wie z.B. The emergence of symbols (Bates 1979) zu verstehen. Natiirlich lieJ~e sich auf diese Weise auch von der ,emergence of cognitive systems' reden. Um diesen alltagssprachlichen Gebrauch des Begriffs der Emergenz soli es im folgenden aber nicht gehen. Vielmehr will ich mích dem technischen Begriff der Emergenz zuwenden. Dieser bezeichnet eine Eigenschaft ,zweiter Stufe', indem er Eigenschaften erster Stufe als ,emergenť auszeichnet und damit von anderen, den ,nicht-emergenten' Eigenschaften, unterscheidet. In der Fachwelt gibt es jedoch ganz unterschiedliche Auffassungen dartiber, nach welchen Kriterien emergente von nicht-emergenten Phanomenen zu unterscheiden sind. Einige Kriterien sind sehr streng, so d~ nur wenige, vielleicht gar keine Eigenschaften unter den entsprechenden Begriff fallen, andere fordern einen eher inflationaren Gebrauch des Emergenzbegriffs mit dem Ergebnis, d~ sehr viele, wenn nicht alle Systemeigenschaften ,emergenť genannt werden muBten. Die Folge ist, d~ zur Zeit eine betrachtliche Verwirrung dartiber herrscht, was genau gemeint ist, wenn in so verschiedenen Bereichen wie Theorien der Selbstorganisation, der Philosophie des Geistes, der Theorie dynamischer Systeme, der Kreativitatsforschung oder dem Konnektionismus von emergenten Eigenschaften die Rede ist.