Healthcare trifft Elektronik

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Finanzmarktkommentar HealthCare
Verfasser: Klaus Niedermeier, Finanzanalyst/CEFA, 12. September 2016, 9:12 Uhr
IFA 2016: Healthcare trifft Elektronik
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Fitness und Gesundheit wandern an das Handgelenk
Neue Tarife belohnen den „gläsernen Versicherten“ – Ist das gut?
Gerade in der Pflege bietet die moderne Elektronik noch viel Potenzial
Wearables – Technik zum Umschnallen
Auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin werden den Besuchern jedes Jahr die neuesten Trends und Produkte
aus der Unterhaltungselektronik vorgeführt. Der Schwerpunkt lag auch in diesem September wieder klar auf TV-Geräten &
Co., doch finden sich auf der Messe auch einige interessante Produkte aus dem Healthcare-Bereich, die sich aus der Elektronik entwickelt haben. Viele solcher Produkte lassen sich den „Wearables“ zuordnen, was für Mini-Computer steht, die so
klein sind, dass sie am Körper getragen werden können, z. B. wie eine Uhr, eine Brille oder integriert in die Kleidung. Hier
erledigen sie bestimmte Aufgaben, die auch aus dem Bereich Gesundheit und Fitness kommen, wie die Erfassung von Bewegungsdaten und Kalorienverbrauch oder Herz-Kreislauf-Daten. Die gesammelten Daten können am Wearable selber oder
mit weitergehenden Funktion auf dem Smartphone oder der Smartwatch oder auch dem PC ausgewertet werden. Hier geht
es auch darum, Produkte besser miteinander zu verknüpfen. So können neue Kopfhörer nicht nur Musik abspielen, sondern
gleichzeitig auch den Puls messen. Dadurch fällt das lästige Brustband weg, das viele Jogger heute noch tragen.
Der Markt wächst, steckt aber noch in den Kinderschuhen
Die verschiedenen Wearables und Apps werden derzeit insbesondere in der Fitnessbranche, also von den Gesunden, genutzt. Nach Zahlen von IMS Health machen Fitness-Apps weit über ein Drittel der Umsätze in dem Bereich der HealthcareApps aus. Nimmt man noch Ernährungs- und Lifestyle-/Stressapplikationen hinzu, die vom Ansatz her sehr ähnlich sind, so
zeigt sich, dass etwa zwei Drittel des Geschäftes mit Anwendungen gemacht werden, die dem Konsumenten sehr nahe stehen und mit wirklichen Krankheiten noch nicht viel zu tun haben.
Marktanteile Fitness-Tracker (USA)
Misfit
Nike
1%
Andere 5%
7%
Prognose Marktentwicklung Wearables
(Stückzahl in Millionen)
180
160
140
Jawbone
8%
120
100
80
60
Garmin
9%
40
20
Fitbit
71%
0
2014
Andere
Modular
2015
2016e
Ohr
Brillen
2017e
2018e
2019e
Kleidung
Handgelenk
Quellen: William Blair, IDC.
Die hier getroffenen Aussagen beruhen auf Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen,
die wir für zuverlässig halten, aber nicht überprüft haben. Die Haftung für Richtigkeit und Vollständigkeit
der gemachten Angaben ist auf grobes Verschulden begrenzt. Nachdruck nur mit Genehmigung.
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Finanzmarktkommentar HealthCare
Verfasser: Klaus Niedermeier, Finanzanalyst/CEFA, 12. September 2016, 9:12 Uhr
Die breite Anwendung durch Patienten jedweder Art lässt hingegen noch auf sich warten, auch wenn an dieser Stelle das
größte Potenzial liegt. Denn mit der kontinuierlichen Kontrolle von z. B. Blutzucker oder Blutdruck könnte für die Behandlung und Prävention vieler Krankheiten ein deutlicher Mehrwert geschaffen werden. In diese Richtung entwickelt zum Beispiel das schwedische Startup BioRing derzeit ein Wearable, das wie ein gewöhnlicher Ring am Finger getragen wird und
von dort nicht nur Aktivitäten, sondern auch Stoffwechseldaten des Trägers messen soll. Ziel ist es, Daten über Wasserund Proteingehalt, Fette und Kohlenhydrate zu liefern, diese mit dem Smartphone zu analysieren und gegebenenfalls Ernährung und Bewegung anzupassen. Auch könnten solche Daten theoretisch direkt an den behandelnden Arzt geschickt werden, so dass sich der Weg vom Patienten zur Praxis deutlich verkürzt. Der BioRing und ähnliche Produkte sind zwar momentan noch in der Entwicklungsphase, aber die Integration von Healthcare und Elektronik wird in den kommenden Jahren sicherlich eine Reihe von interessanten Neuerungen hervorbringen. Denn wer konnte sich noch vor 15 Jahren vorstellen, dass
heute jedermann mit dem Smartphone einen Mini-Computer mit sich spazieren trägt, der weitaus leistungsfähiger ist, als
komplette Desktop-PCs früherer Generationen?
Welchen Wert haben persönliche Daten?
Dass individuelle Gesundheitsdaten einen konkreten Wert haben, zeigt ein aktuelles Beispiel aus der Versicherungsbranche.
So bietet die Generali-Versicherung seit Juli ein neues Bonusprogramm namens „Vitality“ für ihre Berufsunfähigkeits- und
Lebensversicherungen an. In diesem Tarif erhalten Versicherte Rabatte, wenn sie persönliche Daten über Fitness und Ernährung preisgeben und regelmäßig an die Versicherung weiterleiten. Motivation für die Versicherer ist, dass der individuelle Lebensstil ein maßgeblicher Faktor für die eigene Gesundheit ist und ein gesunder Lebensstil sich dementsprechend in
niedrigeren Krankheitskosten niederschlagen sollte, was geringere Versicherungsprämien ermöglicht. Wer sportlich aktiv ist
und sich gesund ernährt und das auch noch der Versicherung mitteilt, wird also belohnt. Für eine Einschätzung des Gesundheitszustands können die elektronischen Helfer sicherlich wertvolle Unterstützung leisten, sie sind aber noch nicht in der
Lage, alle Zusammenhänge zu erkennen, geschweige denn den Arzt zu ersetzen.
Eng verbunden mit der Einführung von Wearables, Datenanalyse-Apps und ähnlichem ist die Diskussion um Datenschutz
und den Wert persönlicher Daten. Denn oft sind die Daten sensibel und dürfen vom realen Arzt gar nicht weitergegeben
werden, schwirren aber in vielen Fällen unter nur unzureichender Sicherung durch den Orbit und laufen deshalb Gefahr, in
falsche Hände zu geraten. Neben dem heiklen Punkt der Datensicherheit weisen Verbraucherschützer auf das Problem der
Entsolidarisierung des Versichertenkollektivs hin, die durch die Selektion „guter Risiken“ entsteht. Denn wenn viele Versicherte sich für derartige „Datensammeltarife“ entscheiden, wird es teuer für die Menschen, die ihre persönlichen Daten
nicht teilen wollen. Schwierig dürfte die Einführung ähnlicher Tarifmodelle in der privaten Krankenversicherung werden, da
der Gesundheitszustand eigentlich nur bei Vertragsabschluss erhoben werden darf – es bleibt spannend.
Roboter – Die Pfleger von morgen?
Auf der IFA wurde auch über die Möglichkeiten gesprochen, Roboter im Gesundheitswesen einzusetzen. Interessant ist vor
allem die Unterstützung in den Bereichen der Altenpflege, da hier in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung ein enormer Mangel an Pflegekräften offenkundig werden wird. So schätzt zum Beispiel das Statistische Bundesamt, dass die Zahl der Pflegebedürftigen von aktuell 2,6 Millionen bis 2050 auf 4,5 Millionen ansteigen wird.
In Japan ist die Entwicklung in diesem Bereich am weitesten fortgeschritten. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig
und reichen von Robotern, die älteren Menschen aus dem Bett helfen können, über automatisierte „Waschanlagen“ für ältere Menschen bis hin zu „Gesprächspartnern“ für Demenzkranke. Zwar ist der Vorbehalt gegenüber Robotern in Deutschland noch deutlich ausgeprägter als in Japan, aber nach einer Umfrage der Zeitung „Die Welt“ kann sich trotzdem jeder
Vierte vorstellen, von einem Roboter gepflegt zu werden.
Die hier getroffenen Aussagen beruhen auf Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen,
die wir für zuverlässig halten, aber nicht überprüft haben. Die Haftung für Richtigkeit und Vollständigkeit
der gemachten Angaben ist auf grobes Verschulden begrenzt. Nachdruck nur mit Genehmigung.
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