Baggern unter der Wasserlinie Words: Lucie Maluck | Pictures: Lucie Maluck Ponton-Bagger, Jade-Weser-Port Im Norden Deutschlands entsteht am Strand der Nordsee ein neuer Hafen. Der Jade-Weser-Port soll der tiefste Tiefwasserhafen des Landes werden. Tag und Nacht wird an der niedersächsischen Küste Sand aufgespült und ausgehoben. Nicht zu übersehen im Heer der Baufahrzeuge ist der Liebherr-Ponton-Stelzenbagger MP 40. Seine Arbeit fängt da an, wo die anderen Bagger nicht weiter kommen. Angetrieben wird er von den 2.140 PS eines MTU-Motors. Mit Wucht schiebt sich die gelbe Schaufel aus dem Wasser. Meterhoch spritzt das Salzwasser in die Luft. Die Schaufel – in der Fachsprache Löffel genannt – ist voll mit dunkelbraunem Ton. Auch ein Kleinwagen würde in sie hinein passen, so groß ist sie. Schwungvoll und mit lautem Getöse dreht sie sich nach links und leert den Inhalt in das bereitstehende Schiff neben dem Bagger. Geschafft! Doch ausruhen gibt’s nicht. Mit viel Tempo bewegt sich der riesige Löffel wieder nach rechts und ab geht’s ins Wasser. Auf zur nächsten Ladung. Pausen kann sich der Bagger nicht erlauben – bis zum Ende des Jahres 2010 müssen vier Millionen Kubikmeter Lauenburger Ton aus dem Zufahrtsbereich des neuen Jade-Weser-Ports gehoben werden. Hier ent steht Deutschlands tiefster Tiefwasserhafen – ein Jahrhundert-Bauprojekt im Norden Deutschlands für die Containerschifffahrt der Zukunft. 60 – 18 – 360. „Die Schiffe werden größer und haben immer mehr Tiefgang. Als einziger Hafen in Deutschland erreichen wir unabhängig von der Tide eine Wassertiefe von 16,5 Meter“, erklärt Axel Kluth, der den Bau des Hafens verantwortet. Im Jahr 2011 soll der Jade-Weser-Port in Betrieb gehen. Tag und Nacht herrscht auf der Baustelle geschäftiges Treiben, um das ehrgeizige Ziel zu erreichen. Unermüdlich spülen Saugbagger die Fahrrinnen aus und pumpen den Sand dorthin, wo einmal die Terminals entstehen sollen. Rund 25 Millionen Kubikmeter Sand sind seit Beginn der Aufspülarbeiten Ende März 2008 in das Baufeld eingebracht worden. Doch im Zufahrtsbereich des Hafens liegt majestätisch wie ein unterirdischer Berg Lauenburger Ton. Der ist extrem hart und lässt sich kaum vom Meeresboden lösen. Zudem verflüssigt er sich, wenn er durch die Rohrleitungen gespült wird und vertrübt das Wasser. Es musste also ein wahrer Riese her, um das Problem zu lösen: Der Ponton-Stelzenbagger MP 40, gebaut von der Firma Liebherr. Ein 360 Tonnen schweres Ungetüm. Der Löffel kann 13 Kubikmeter Ton fassen. Er hängt an einem elf Meter langen Löffelstiel, der wiederum mit einem 16 Meter langen Monoblockausleger befestigt ist. Damit kann der Bagger bis zu 21 Meter tief graben und mit einer Losbrechkraft von knapp 1.000 Kilonewton Ton vom Boden lösen. Damit er fest auf dem Meer verankert ist, ist der gelbe Bagger über eine elastische Lagerung fest auf einem Ponton montiert. Dieser schwimmt nicht auf dem Wasser, sondern wird mit drei 36 Meter langen Stelzen positioniert, die auf dem Meeresgrund stehen. Sie geben dem Bagger dadurch so viel Stabilität, dass er auch bei starkem Seegang weiter arbeiten kann. Alles andere als ein Computerspiel. Die sensiblen Hände von Detlev Töllner steuern den Riesenbagger. Konzentriert sitzt er in seinem Führerhaus, rechts und links von ihm sind vier Bildschirme, ein kleiner Computer und 24 Knöpfe. Vor ihm der Joystick, mit dem er den 13 Kubikmeter fassenden Löffel punktgenau ins Wasser führt. Er trägt Hausschuhe. Es soll schön sauber bleiben in seinem „Wohnzimmer“, das von außen eher aussieht wie ein Gefängnis. Zwar gewährt Glas rings um den Sitz einen hervorragenden Ausblick, doch die Fenster sind vergittert. Aus Sicherheitsgründen, wie der 41-Jährige erzählt, denn der Bagger habe einfach zu viel Kraft. Detlev Töllner steuert nicht nur den Löffel, sondern auch die Höhe der Stelzen und die Bewegung des Pontons im Wasser. „Das sieht aus wie Computer spielen“, könnte der Laie denken. Doch es steckt mehr dahinter, viel mehr sogar. Denn der wichtigste Teil der Arbeit geschieht für den Fahrer unsichtbar 15 bis 20 Meter unter der Wasseroberfläche. Nur Monitore zeigen in etwa an, wie es dort aussieht. Und Monitore hat Detlev Töllner in seinem kleinen Wohnzimmer viele: Rechts neben seinem Fahrersitz zeigen zwei Bildschirme die Position und die Höhe der Stelzen an. Links neben dem Sitz kann der Fahrer sehen, wo genau sich der Ponton im Wasser befindet und direkt vor ihm ist ein kleiner Monitor, der die genaue Position des Löffels und des Lauenburger Tons zeigt. Ein Winkelgeber zeigt zudem die Position des Löffels zum Ponton. Diese Hilfsmittel müssen reichen, damit der Fahrer den Löffel genau an der richtigen Stelle ins Wasser lässt, den Ton vom Boden löst und einen vollen Löffel wieder an die Oberfläche bringt. „Das sieht vielleicht aus wie ein lustiges Computerspiel, erfordert aber viel Erfahrung“, weiß Detlev Töllner zu berichten, während aus dem Lautsprecher mit einem lauten Piepsen und Rauschen nautische Nachrichten angekündigt werden. Zwei Kanäle empfängt er über den Empfänger: Auf Kanal 20 läuft Jade Traffic, der Nachrichtensender für den gesamten Schiffverkehr auf dem norddeutschen Jadebusen, auf dem der aktuelle Seewetterbericht oder Hafennachrichten laufen. Kanal 67 ist ein Sender extra für die Baustelle. Das sieht vielleicht aus wie ein lustiges Computerspiel, erfordert aber viel Erfahrung.Detlev Töllner Zwei Wochen lang arbeitet Detlev Töllner täglich auf dem Ponton, eine Woche tagsüber von 6 bis 18 Uhr, eine Woche in der Nacht von 18 bis 6 Uhr. Nach Schichtende holt ihn das Transportschiff „Möwe“ ab und bringt ihn ins Wohnwagencamp nahe der Baustelle. Seine Heimat ist zu weit entfernt, um täglich nach Hause zu fahren. Auch am Wochenende wird durchgearbeitet. Erst die dritte Woche hat er frei. Trotz aller Widrigkeiten: Detlev Töllner liebt seinen Beruf. Dafür nimmt er in Kauf, dass er seine Familie nur selten sieht. Denn die Arbeit auf dem Ponton ist schon etwas Besonderes. 2.140 PS für den gesamten Bagger. Früher ist er kleinere Bagger an Land gefahren, doch dieser Riese ist anders. „Der hat so viel Kraft, das ist schon sehr beeindruckend“, so der Familienvater. „Aber auch gefährlich“, ergänzt er. „Eine falsche Bewegung am Joystick und der Löffel leert sich nicht über dem Schiff aus, sondern knallt dagegen und das Schiff ist die nächste Woche in der Werft.“ Da ist Konzentration gefragt – und viel Gefühl in den Fingern. Viel Kraft muss er nicht aufbringen, dafür ist ein anderer zuständig. Der sitzt im Keller des Pontons in einem Raum, der etwa zwei Mal so groß wie der Löffel des Baggers, aber dafür heißer als jede Sauna ist. Er ist gelb lackiert und hat 2.140 PS (1.600 Kilowatt): Der 4000er Motor mit 16 Zylindern, ein MTUler der größeren Sorte. Er treibt nicht nur den Löffel an, sondern hebt auch den Monoblock, den Löffelstiel und die Stelzen des Pontons an. Dazu bewegt er noch über einen so genannten hydraulischen Schottelantrieb den Ponton, damit sich der Bagger auf der Baustelle fortbewegen kann. „Ein kleiner Alleskönner, dieser Motor“, erklärt Maschinist Ferdinand Unger. „Auf ihn sind wir angewiesen, denn ohne den Motor geht hier an Bord nichts mehr.“ Lars Gödderz, der den Bagger bei der Herstellerfirma Liebherr betreut, kann sich für den Bagger keinen besseren Motor vorstellen: „Er hat viel Kraft, ist trotz der ständigen Feuchtigkeit, die ihn umgibt, äußerst robust und verbraucht wenig Kraftstoff”, so Gödderz. „Er verkörpert genau das, wofür MTU steht: gute Qualität und viel Leistung.” Da die salzige Luft alle Komponenten angreift, ist gute Pflege wichtig: So kümmert sich der Maschinist fortwährend nicht nur um den Motor, sondern auch um die Elektronik an Bord, um die Generatoren und den Ölwechsel. Weil es an Bord des Pontons ständig laut ist, trägt er gelbe Großkopfhörer. Und ab und zu gönnt er sich eine kurze Pause, am liebsten „unter Deck“ in der Küche. Ein kleiner Alleskönner, dieser Motor. Ohne ihn geht hier an Bord nichts.Ferdinand Unger, Maschinist an Bord des Pontons Männerfreundschaft auf hoher See. Hier wartet schon Mario Ostermeyer auf ihn. Er ist der zweite Fahrer auf dem Ponton und löst Detlev Töllner nach zwei Stunden ab. In der „freien Zeit“ zwischen den Schichten kümmert er sich um alles andere, was an Bord anfällt: streichen, aufräumen oder kochen. Mario Ostermeyer ist der Hausmann der Truppe, versorgt die dreiköpfige Mannschaft während der zwölfstündigen Schicht. „Schnitzel, Schweinebraten oder Steak – ich koche und brate alles, was satt macht“, erzählt er lachend. So sieht ein wahrlich eingespieltes Team aus. Von einem Lagerkoller redet nach zwei Wochen gemeinsamer Schicht keiner an Bord. Im Gegenteil, die drei verbringen auch ihre Freizeit zusammen und trinken im Wohnwagencamp gerne mal gemeinsam ein Bier oder schmeißen den Grill an. Dann schwärmen sie von „ihrem“ Großprojekt. „Wir sind schon stolz, bei so einem Jahrhundertbauwerk im Norden Deutschlands mitmachen zu können“, erzählt Mario Ostermeyer mit großen Augen. Wenn die ersten Containerschiffe in Wilhelmshaven anlegen, werden die drei aber schon auf der nächsten Baustelle ein. Wo, das wissen sie noch nicht. Aber zusammen, das steht für sie fest, denn an Bord des PontonStelzenbaggers MP 40 ist eine wahre Männerfreundschaft entstanden. Kontakt Eddie Madariaga Tel.: +49 7541 90-7032 Email [email protected]