REGENSBURG MITTELBAYERISCHE ZEITUNG RE_REP_S MONTAG, 26. JULI 2010 SEITE 35 Neues Regensburg voll Fantasie Sechs Architekturbüros ließen die Gedanken frei spielen und stellten bei der Nacht der Architekten ihre Visionen vor. Der Dom liegt in einem venezianischen Ambiente direkt am Fluss und die Altstadt bekommt ihr eigenes Spiegelbild. KREATIV ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● VON MARIA LELL, MZ ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● PROVOKANT Das Regensburger Kultur- und Kongresszentrum (RKK) soll unterirdisch in der Maxstraße entstehen. Die Altstadt wird am DonauHauptarm gespiegelt und dort, wo einst Stadtamhof war, entsteht wie ein Zwilling ein exakter Nachbau. Natürlich sind diese Ideen nicht realistisch. Sie sollen einerseits bewusst provozieren und andererseits dazu ermutigen, der Fantasie freien Lauf zu lassen. Unabhängig von UNESCO-Vorgaben, Bauordnungsrecht und Altstadtgestaltungssatzung haben Architekten im Rahmen der Architekturwochen Regensburg frei entworfen. Indem man sich allen Begrenzungen der Realität entzieht, werden innovative Ideen gewonnen, welche wiederum neue Sichtweisen eröffnen. REGENSBURG. Das Welterbe verdoppelt Eine dieser Ideen hatte der Architekt Wolfgang Brandl. „Regensburg boomt“, stellte er fest. Die Stadt ist mit ihren italienisch anmutenden Plätzen sowohl bei Touristen als auch Studenten sehr beliebt. Da die Fläche der Altstadt im Verhältnis zu den Einwohnerzahlen jedoch sehr klein ist, ist die Aufnahme von Altstadtbesuchern eingeschränkt. Um das Potential von Regensburg voll auszuschöpfen, verdoppelt Brandl einfach das Welterbe, indem er die Altstadt an dem DonauHauptarm spiegelt. Museums-Altstadt für Touristen „Da Stadtamhof innerhalb seiner Geschichte bereits verschiedene Male geopfert wurde und in Zeiten der Abwrackprämie sinnvolle Ersatzmöglichkeiten für ausgediente Konzepte gerne angenommen werden, kann dieser Schritt auch ein letztes Mal vertreten werden“, scherzt Brandl. Die Regensburger Bürger könnten dann in die neue, energetisch perfektionierte Altstadt umziehen und würden sich sofort zurecht finden. Die Donau wäre in das Altstadtgeschehen eingebunden und eine funktionale Trennung zwischen der neuen, bewohnten Altstadt und der touristisch erschlossenen Museums-Altstadt wäre möglich. „Durch die neuen Ausrichtungen, neuen Blickbezüge und Wegverbindungen kommen bisher nie oder nicht mehr wahrgenommene Details und Sichtachsen wieder ins Blickfeld – so wird die Altstadt auch für alteingesessene Bürger wieder zu einem Erlebnis“, erklärt Wolfgang Brandl. Venezianische Perspektiven: Wolfgang Brandl verfrachtet seinen neuen Dom an einen Seitenarm der Donau. Fotos: Lell Brandschutzexperte Volker Hamann (links) und die Architekten Semmelmann und Mirbach Licht und Schatten erkunden Neben seinen provokanten Visionen, Miniaturmodellen und Bildern seines Schaffens konnte man auch die Rauminstallation „sichtWEISSen“ in den Büroräumen von Wolfgang Brandl erkunden. Die Installation zeigt die Art und Weise, wie Menschen Dinge betrachten und beurteilen. Indem man durch Sichtschlitze in einer weißen Wand schaute, konnte man die Wirkung von Licht und Schatten, Fenstern und Räumen erkunden. Neue Denkweisen anstoßen Auch das Architekturbüro „PURE Architektur“ von Mario Mirbach und Markus Semmelmann öffnete zur Nacht der Architekten seine Pforten. Die beiden lösen das strittige Thema um den Bau des RKK auf ihre ganz eigene Art. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge soll das RKK am Ernst-Reuter-Platz verortet werden. Die Vision von PURE Architektur für das RKK soll ebenfalls provozieren und zu neuen Denkweisen auffordern. Sie schlagen ein „unterirdisches Gebäude mit einem natürlich von oben belichteten zentralen Bewegungsraum unter der Maximilianstraße – ver- Das E.ON-Gebäude mit Lichthof und Kuben aus Metall und Glas Das Regensburger Kultur- und Kongresszentrum wird von Mirbach und Semmelmann unterirdisch in die Maxstraße (Bildmitte) verlegt. Doppelte Altstadt: Wolfgang Brandl hat sie gepiegelt. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ➤ Architekturwoche: Die Architekturwoche Bayern findet zum fünften Mal in zehn bayerischen Großstädten gleichzeitig statt, darunter auch in Regensburg. ➤ Motto: Der Titel der diesjährigen Architekturwoche lautet „Umbruch, Abbruch, Aufbruch“. Der deutsche Bund ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● UMBRUCH, ABBRUCH, AUFBRUCH ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● gleichbar mit der Belichtungssituation der Regensburg Arcaden – vor. Dieser unterirdische Lösungsansatz hätte viele Vorteile, beispielsweise müsste der Omnibusbahnhof nicht verlegt werden und der Gebäudebestand mit Studentenwohnheim müsste nicht erworben und rückgebaut werden. Brandl, Mirbach und Semmelmann treffen mit ihren Ideen den Geist der „A5“, der inzwischen fünften Archi- ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ➤ Ziel: Das Ziel der Veranstaltung ist es, sonst gewohnte Sichtweisen infrage zu stellen und neue Visionen zu schaffen. Dafür werden auch Hochschulen, Museen, Galerien und Künstler in die Architekturwoche mit eingebunden. Architektur soll als lebendiger Bestandteil der Kultur erlebt werden. (mxl) der Architekten (BDA) Bayern arbeitet dafür eng mit dem Architekturkreis Regensburg, der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, der Bayerischen Architektenkammer, den teilnehmenden Städten und den vielen regionalen Partnern und Förderern zusammen. ● ● ● ● tekturwoche in Bayern. „Architektur und Stadtplanung sollen in dieser Woche ein lebendiger, erfahrbarer Bestandteil unserer Kultur und Gegenstand des öffentlichen Diskurses sein“, wie die Landesvorsitzende des BDA Bayern, Petra Schober, erklärt. PURE Architektur zeigte außerdem, wie die Präsentation von Architektur im digitalen Zeitalter funktionieren kann. Auf der Homepage können sich ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● AM DIENSTAG IN DER MZ DIE TÄGLICHE REPORTAGE Glanz und Elend Romantisch und erhaben, dreckig und bettelarm: Regensburg war im 19. Jahrhundert vieles – nur nicht langweilig. KultTouren nimmt Besucher mit auf eine Zeitreise. ● Besitzer eines iPhones eine kostenlose Applikation namens „Augmented Reality“ (zu deutsch „erweiterte Realität“) herunterladen. Diese App soll es ermöglichen, schon vor der Fertigstellung eines Gebäudes das Endergebnis virtuell zu betrachten. Das iPhone erkennt ein an der Baustelle angebrachtes Code-Blatt und zeigt an, wie das fertige Gebäude aussehen wird. Die Bürger sollen sich dadurch mehr mit der baulichen Gestaltung ihrer Umwelt auseinander setzen. Die Architekten Martin Köstlbacher und Hans Miczka zeigten unter anderem ein Modell des umgestalteten Innenhofs des E.ON Bayern-Gebäudes in der Prüfeninger Straße. Ihre Büroräume teilen sie mit der Dauerausstellung „Regensburger Zyklus“ von Franz Joachim Braunmiller mit effektvollen Fotos von Regensburg.