Stadt Friedrichshafen Büro des Oberbürgermeisters/Presse Pressesprecherin: Andrea Gärtner Adenauerplatz 1, 88045 Friedrichshafen Telefon: 07541 / 203 1030 Fax: 07541 / 203 8 1030 Mobil: 0170 / 930 96 44 E‐Mail: [email protected] Internet: www.friedrichshafen.de Medieninformation 23.01.13/ag Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus Im Zweiten Weltkrieg beschäftigten Stadt, Firmen und Landwirte in Friedrichshafen zeitweise oder dauernd ausländische Arbeitskräfte, welche die Rüstungsindustrie bzw. die Ernährungsgrundlage aufrecht erhalten sollten. Mit dem Begriff Zwangsarbeiter werden spätestens seit Juni 1941 insgesamt ca. 14 000 zwangsweise rekrutierte Männer, Frauen und Kinder bezeichnet. Die hohe Anzahl an Zwangsarbeitern ist vor allem der ansässigen Kriegswirtschaft zuzuschreiben und setzt sich aus mindestens 28 Nationen und Staatenlose zusammen. Mit weit über 5 000 Zwangsarbeitern bildeten die „Ostarbeiter“, also Russen, Ukrainer oder Weißrussen, den größten Anteil; mit Abstand folgten dann die „Westarbeiter“, v. a. Franzosen und (ab 1943) italienische Kriegsgefangene. Die Massenquartiere für Zwangsarbeiter befanden sich auf dem Zeppelin‐Werftgelände („Lager Hochstraße“), in Allmannsweiler und an zahlreichen weiteren Orten und wurden u. a. für die kriegswichtigen Luftschiffbau Rüstungsfirmen Zeppelin, Dornier Maybach Metallbauten, Motorenbau O:\OB-Büro\Pressemittelung-Pressegespräche 2013\Holcaustgedenktag 27-01-2013 Geschichte.doc und -2Zahnradfabrik Friedrichshafen erstellt. Die Lebensbedingungen in diesen Barackenlagern waren schlecht bis katastrophal, es galten weder arbeitsrechtliche noch hygienische Vorkehrungen; Verstöße oder gar Aufbegehren wurden hart geahndet. Im Zusammenhang mit der Produktion von Fertigungsteilen der A4‐Rakete beim Luftschiffbau Zeppelin wurde eine Abnahmestelle für Raketentriebwerke und bis Oktober 1942 ein dazu gehöriges Barackenlager bzw. das spätere Konzentrationslager (KZ) bei Oberraderach auf der Gemarkung Brunnhalden‐Sumpfwiesen von vorwiegend sowjetischen Zwangsarbeitern erbaut. 1943 wurde die Halbschalen‐ Produktion aufgenommen, wobei die Luftschiffhalle auf dem Flughafen Löwental abgebaut und am Nordrand des Zeppelin‐ Werftgeländes in veränderter Form wieder aufgebaut wurde. Ab Sommer 1943 produzierten über 1 200 Häftlinge aus dem KZ Dachau die A4‐Halbschalen. Die Häftlinge waren in einem durch elektrische Zäune abgetrennten Teil des Lagers ‚Don’ (heute südlich der Albert‐Schweitzer‐Straße) untergebracht. Als nach dem Luftangriff vom 20. Juli 1944 das KZ‐Außenlager Dachau in Friedrichshafen aufgelöst wurde, wurden für kurze Zeit 300‐600 Häftlinge nach Oberraderach verlegt. Mit der Teuringertal‐Bahn wurden sie bis Meistershofen gebracht und gelangten dann in Fußmärschen zu den Arbeits‐ und Einsatzstellen, um unter anderem für Räumungsarbeiten und zur Minensuche eingesetzt zu werden. Ab September 1944 wurde ein Teil der Häftlinge beim Stollenbau in Überlingen‐Goldbach zur Verlagerung der Rüstungsfirmen Dornier Metallbauten, Luftschiffbau Zeppelin, Maybach Motorenbau und Zahnradfabrik Friedrichshafen unter noch härteren Bedingungen eingesetzt. Bei der Schließung des Lagers Oberraderach im September 1944 wurden insgesamt -3762 Häftlinge über Dachau in andere Konzentrationslager gebracht. Mit dem Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus wird seit seiner Einweihung am 29. April 1998 einer herausragenden Person des örtlichen Widerstands gegen das nationalsozialistische Unrechts‐Regime sowie der Ausbeutung und Ermordung von Zwangsarbeitern, KZ‐Häftlingen und zahlreichen weiteren Regime‐Gegnern erinnert. Aus vier Künstler‐Entwürfen wurde 1997 das Skulpturen‐Ensemble des Keramikers Klaus Schultze ausgewählt und umgesetzt. Als Mahnung an die nachkommenden Generationen ist auf einer Bodenplatte eine Inschrift aufgebracht: Den Opfern des Nationalsozialismus ‐ Einheimischen und Fremden aus vielen Ländern Europas ‐ Ihr Leid verpflichtet uns zu Wachsamkeit für Menschenrechte und Menschenwürde. In Friedrichshafen gab es zwei Arten des politisch organisierten Widerstands: Der kommunistische Widerstand um Liselotte „Lilo“ Herrmann (1909‐1938), welcher die Dornier‐Arbeiter Artur Göritz (1907‐1938), Stefan Lovász (1901‐1938) und der aus dem Ortsteil St. Georgen gebürtige Josef Steidle (1908‐ 1938) angehörten. Alle vier wurden am 20. Juni 1938 im berüchtigten Zuchthaus Berlin‐Plötzensee hingerichtet. Eine weitere Widerstandsgruppe bildeten die gewerkschaftlich orientierten Eisenbahner um Fridolin Endraß (1893‐1940), Vorarbeiter im Friedrichshafener Eisenbahn‐ Ausbesserungswerk, der seinen Widerstand ebenfalls in Berlin‐ Plötzensee mit dem Leben bezahlte. An den Standort seines Wohnhauses in der Ernst‐Lehmann‐Straße 4 wurde 1998 folgende Gedenktafel angebracht: -4Hier wohnte der Widerstandskämpfer Fridolin Endraß , geboren am 5.3.1893 in Mariabrunn. Er arbeitete und wirkte in Friedrichshafen als Eisenbahner und Gewerkschafter. Fridolin Endraß baute ab 1937 unter süddeutschen Eisenbahnern eine Widerstandsgruppe gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime auf. Er wurde 1938 von den Nazis verhaftet, 1939 zum Tode verurteilt und am 23. Februar 1940 in Berlin‐ Plötzensee hingerichtet. Seit 1995 erinnern der „Fridolin‐Endraß‐Weg“ in Eriskirch‐Lehen und der „Fridolin‐Endraß‐Platz“ in Friedrichshafen (Kreuzung Ernst‐Lehmann‐ und Hofener Straße) an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus.