22 a SGB V Besondere zahnärztliche Versorgung von Pflegebedü

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Anlage zum Schreiben des Aktionsbündnisses „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ vom 12.09.2011
§ 22 a SGB V
Nach § 22 wird folgender § 22 a eingefügt:
㤠22 a SGB V
Besondere zahnärztliche Versorgung von Pflegebedürftigen und
Menschen mit Behinderungen
1) Versicherte, die aufgrund einer dauerhaften Behinderung nicht die motorischen oder kognitiven Fähigkeiten besitzen, Instruktionen zur Mundhygiene
zu verstehen oder umzusetzen (Einschränkungen der Fähigkeit zur Mundhygiene) oder gem. § 14 SGB XI als pflegebedürftig anerkannt und einer Pflegestufe gem. § 15 SGB XI zugeordnet sind, haben unabhängig von ihrem Alter Anspruch auf bedarfsadäquate Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen. Diese umfassen insbesondere die Erhebung eines Mundhygienestatus, regelmäßige Maßnahmen zur Instruktion und Motivation bzw.
Remotivation zur Mund- bzw. Prothesenhygiene, regelmäßige Maßnahmen
zur speziellen Zahn- bzw. Prothesenreinigung sowie der bedarfsgerechten lokalen, bzw. systemischen Fluoridierung der Zähne und zur Versiegelung von
Fissuren und Grübchen. Pflegepersonen des Versicherten sollen in die Motivation und Einweisung bei der Mund- und /oder Prothesenhygiene einbezogen werden.
2) Bei Versicherten, die wegen dauerhaften Behinderungen oder Pflegebedürftigkeit eine zahnärztliche Behandlung nur unter Anwendung bedarfsadäquater
Maßnahmen (z. B. spezielle Maßnahmen zur Lagerung, Anästhesie, überdurchschnittlicher Zeitaufwand für die Erbringung der zahnärztlichen Leistungen, usw.) in Anspruch nehmen können, sind die hierdurch entstehenden
Mehraufwendungen durch Zuschläge zur Vergütung der zahnärztlichen Behandlungsmaßnahmen auszugleichen. Ergänzende Zuschläge sind vorzusehen, wenn die Behandlung im Rahmen der aufsuchenden Versorgung erfolgt.
3) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt das Nähere in Richtlinien nach
§ 92 SGB V.“
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Begründung:
Im Bereich der zahnärztlichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen und
von Menschen mit Pflegebedarf besteht eine Versorgungslücke, die dazu führt, dass
die Zahngesundheit dieser Versicherten gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen
deutlich schlechter ist. Bei diesen kann eine Einschränkung der Mundhygienefähigkeit vorliegen, die die Mundgesundheit gefährdet und gerade bei alten Menschen
dazu führt, dass die erreichten Erfolge in der zahnmedizinischen Prävention und
Zahnerhaltung rasch verloren gehen. In der Folge entstehen ggfs. Schmerzen, die
Kaufunktion und die damit einhergehende Lebensqualität gehen unwiederbringlich
verloren. Behinderte und pflegebedürftige Menschen gehören zu den Hochrisikogruppen für Karies- und Parodontalerkrankungen. Diesen Risiken kann mit dem derzeitigen Leistungsangebot der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht wirksam begegnet werden. Beide Versichertengruppen zeichnen sich dadurch aus, dass u. U.
Einschränkungen in der Mundhygienefähigkeit bestehen. Es fehlt dann an den motorischen und/oder kognitiven Fähigkeiten, Instruktionen zur Mundhygiene zu verstehen bzw. umzusetzen. In der Therapie stellen sich Behandlungsabläufe gegenüber
anderen Bevölkerungsgruppen als wesentlich aufwendiger dar. Es besteht ein erheblicher personeller, instrumenteller und zeitlicher Mehraufwand. Dies gilt typischerweise bei pflegebedürftigen Versicherten und insbesondere dann, wenn die Behandlung
im Rahmen der aufsuchenden Versorgung in Alten- und Pflegeheimen erfolgen
muss.
Durch die versicherungstechnischen Grenzen, insbesondere bei der Individualprophylaxe und deren Orientierung an den besonderen Bedürfnissen von Kinder- und
Jugendlichen, besteht in der gesetzlichen Krankenversicherung z. Zt. kein ausreichendes Präventionsangebot für diese Versicherten. Diese Situation erfordert ein
eigenständiges Versorgungskonzept. Dies ist ohne Ergänzungen der geltenden Vorschriften im SGB V nicht möglich.
Anspruchsberechtigt sind alle Versicherten, die aufgrund einer Behinderung nicht
über die motorischen oder kognitiven Fähigkeiten verfügen, auch behinderungsadäquate Instruktionen zur Mundhygiene zu verstehen oder auf dieser Grundlage eine
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adäquate Mundhygiene zu betreiben. Der Anspruch besteht in solchen Fallgestaltungen unabhängig davon, ob die Behinderungen krankheitsbedingt oder auf altersbedingte Abbauprozesse zurückzuführen sind. Voraussetzung ist allerdings das Vorliegen einer dauerhaften Behinderung, so dass ein Leistungsanspruch bei lediglich vorübergehenden, z. B. unfallbedingten Einschränkungen der Fähigkeit zur Mundhygiene nicht besteht. Ferner besteht ein Anspruch bei Behinderungen nur dann, wenn
diesen auch zahnmedizinische Relevanz hinsichtlich der Durchführung der Mundhygiene zukommt. Hierzu ist das Nähere durch den Gemeinsamen Bundesausschuss
zu regeln. Hierzu können typisierende Fallgruppen gebildet oder die Partner der Verträge, gem. § 83 verpflichtet werden, zur Überprüfung der Anspruchsberechtigung im
Einzelfall diesbezügliche Gutachtervereinbarungen zu schließen. Eine Anspruchsberechtigung besteht demgegenüber unabhängig von Art und Ausmaß der individuellen
Behinderungen bei solchen Versicherten, die gem. § 14 SGB XI als pflegebedürftig
anerkannt und daher einer Pflegestufe gem. § 15 SGB XI zugeordnet sind. Bei diesen Versicherten ist typisierend davon auszugehen, dass bei diesen erhebliche Einschränkungen bei der eigenverantwortlichen Durchführung einer adäquaten Mundhygiene bestehen, so dass insofern spezielle, unterstützende Maßnahmen gem. §
22a erforderlich sind. Hinsichtlich dieser Versichertengruppe ist daher eine einzelfallbezogene Überprüfung der Anspruchsberechtigung nicht erforderlich.
Die Leistungsansprüche orientieren sich im Wesentlichen an denjenigen hinsichtlich
individualprophylaktischer Leistungen in § 22, werden jedoch entsprechend den speziellen Bedürfnissen der anspruchsberechtigten Versichertengruppen modifiziert und
ausgeweitet. Ebenso wie im Bereich der Individualprophylaxe wird auch insofern
grundsätzlich ein kontinuierliches Programm der begleitenden und ggfs. auch aufsuchenden prophylaktischen Maßnahmen zur Vermeidung von Erkrankungen vorgeschrieben. Dieses Programm umfasst zunächst die Erhebung eines Mundhygienestatus, der sich sowohl auf eine Beurteilung der Mund- und Prothesenhygiene als auch
auf die Feststellung der aktuellen Mundgesundheit bezieht. Daran schließen sich
Aufklärungsmaßnahmen über die Grundlagen und Zusammenhänge der Mundgesundheit an, die sich auch auf Ernährungshinweise sowie praktische Unterweisungen
zu Techniken der Zahn- und Mundhygiene erstrecken sollen. Soweit erforderlich und
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möglich, sollen in diese Maßnahmen auch Pflegepersonen (z. B. Betreuer bzw. Angehörige) einbezogen werden.
In Abhängigkeit vom Grad der Einschränkung der Fähigkeit zur Mundhygiene muss
allerdings davon ausgegangen werden, dass nicht in jedem Fall durch derartige Aufklärungs- und Motivationsmaßnahmen eine adäquate, eigenverantwortliche Mundhygiene durch den Versicherten, bzw. dessen Pflegepersonen sichergestellt werden
kann. Ergänzend sind daher risikospezifische Reinigung- und Fluoridierungsmaßnahmen durch die Vertragszahnärzte vorgesehen. Diese umfassen zunächst die risikospezifische Reinigung aller Zähne sowie eine Reinigung von eventuell vorhandenen Prothesen von weichen Belägen. Hinzu treten Maßnahmen der lokalen
Fluoridierung sämtlicher Zähne, wobei diese bei einer fehlenden Mundhygienefähigkeit der Versicherten durch die Verordnung geeigneter Fluordierungsmittel und
Bakteriostatika zur häuslichen Anwendung ergänzt werden können. Hinzu treten
Maßnahmen zur Versiegelung von Fissuren aller Zähne.
Die Behandlung der, nach Absatz 1 anspruchsberechtigten Versichertengruppen in
der vertragszahnärztlichen Praxis geht regelmäßig mit deutlich erhöhten Aufwendungen für den Vertragszahnarzt einher. So muss bereits der Zugang des Versicherten
zum und seine Lagerung am Behandlungsplatz behindertengerecht ausgestaltet
werden. Bereits hiermit ist regelmäßig ein deutlich erhöhter zeitlicher und personeller
Aufwand verbunden. Zudem ist bei der Durchführung der Behandlung auf die, bei
den anspruchsberechtigen Versichertengruppen zum Teil deutlich geringere Belastungsfähigkeit z.B. durch eine adäquate, medikamentöse Vorbehandlung oder die
Durchführung der zahnärztlichen Behandlung in Allgemeinanästhesie und Sedation
Rücksicht zu nehmen. Diese Mehraufwendungen entstehen für den Leistungserbringer unabhängig von den, in Abs. 1 vorgesehenen präventiven Leistungen in Abhängigkeit von den jeweils vorliegenden Behinderungen grundsätzlich bei allen Behandlungen von Anspruchsberechtigten nach Abs. 1. Derartige Behandlungen erlangen
aber angesichts der demographischen Entwicklung und der Zunahme der Zahl als
schwerbehindert anerkannten Versicherten eine zunehmende Bedeutung und konnten daher jedenfalls in diesem Umfang bisher in den Vergütungen für vertragszahn-
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ärztliche Leistungen nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt werden. Dies steht
einer angemessenen Behandlung gerade dieser besonders hilfebedürftigen Versichertengruppen entgegen. Daher ist in Abs. 2 vorgesehen, dass die Vergütungen für
alle vertragszahnärztlichen Leistungen dann, wenn eine Behandlung wegen dauerhaften körperlichen Behinderungen oder bestehender Pflegebedürftigkeit des Versicherten nur unter Anwendung besonderer, ausgleichender Maßnahmen möglich ist,
der damit verbundene Mehraufwand durch Zuschläge zur Vergütung auszugleichen
ist. Das Nähere zu den Voraussetzungen sowie zum Verfahren deren Feststellung
regelt der Gemeinsame Bundesausschuss gem. Abs. 3. Auch insofern können wiederum typisierende Fallgruppen vorgesehen werden.
Zusätzliche Vergütungszuschläge sind für diejenigen Fallgestaltungen vorzusehen, in
denen die Versicherten in Folge einer dauerhaften Behinderung oder wegen Pflegebedürftigkeit nicht in der Lage sind, eine vertragszahnärztliche Praxis aufzusuchen,
sondern die Behandlung durch den Vertragszahnarzt am Wohn- bzw. Aufenthaltsort
des Versicherten erfolgen muss. Durch diese weiteren Zuschläge sind die zusätzlichen Aufwendungen auszugleichen, die dem Vertragszahnarzt durch die Behandlung außerhalb seiner Praxis z. B. dadurch entstehen, dass er besondere Behandlungseinrichtungen oder –mittel mitführen, bzw. am Behandlungsort vorhandenen
Einrichtungen bzw. Mittel nutzen, bzw. bei der Behandlung nicht von seinem Praxispersonal unterstützt werden kann. Auch hierzu ist das Nähere durch den Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien zu regeln.
Bei den Leistungen gem. § 22a handelte es sich um gesetzlich vorgeschriebene Vorsorgemaßnahmen im Sinne von § 71 Satz 2, so dass durch diese ggfs. ausgelöste
Ausgabensteigerungen nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität verletzen.
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