Begrüßung An der Gefängnisschranke 10.5. 14h a. Alfons Zimmer, Pastoralreferent b. Herr Wolfgang Dominik von der Vereinigung der Verfolgten des Nazigerimes (VVNBdA Bochum) AZ: Mit diesen 33 Namen und Portraits in Schwarz-Weiß kehren Personen zurück zum ersten Mal öffentlich -an einen Schicksalsort ihres Lebens, die heutige Justizvollzugsanstalt Bochum, das damalige Strafgefängnis. Sie waren inhaftiert nicht wegen krimineller Vergehen, sondern aus politischen Gründen. Die 33 hier stehen für viel mehr hier Inhaftierte und oft in anschließender KZ-Haft Ermordete, für unzählige unbekannte, namenlose, vergessene Gefangene während des Hitlerregimes. 11 von ihnen starben hier im Strafgefängnis (darunter 2, die bei Deportationen umkamen), 11 von ihnen starben in anschließender KZ-Haft, und 11 haben überlebt, mansche nur kurz. Ich werde gleich nach der gemeinsamen Begrüßung zu einigen die Gründe ihrer Haft und Einzelheiten zu ihrem Schicksal benennen. Es ergibt sich unter dem Strich, dass der reguläre Strafvollzug damals sehr verwickelt war in das Unrechtssystem – und zwar zwangsläufig. Die vielen Urteile der Sondergerichte und anderer Gerichte mussten ja irgendwo vollstreckt und vollzogen werden. Polizeigefängnisse, GestapoGefängnisse, Zuchthäuser und KZs reichten nicht aus, um die vielen politischen Gefangenen aufzunehmen, die deutschen und die aus den besetzten Gebieten. Erst wenn man am Ort steht und Zugang gewinnt zu Personen und Schicksalen hier am Ort, wird die nötige Nachdenklichkeit erzeugt. Es gibt hierzu kein Buch, keinen Artikel, der sich für die Bochumer Anstalt näher mit den dunklen Jahren des Nationalsozialismus befasst. Die Sache ist mir durch Besuch von Gräbern von damaligen Opfern zugewachsen, vor allem durch Auffindens zweier Tagebücher, das eines Kommunisten und das eines katholischen Priesters. Wir durch ein Fenster bin ich in diese Zeit eingestiegen, habe andere Personen getroffen und will weiter sagen, was ich gesehen habe. Einige Einzelschicksale gleich! 33 Kurzbiographien von politischen Gefangenen, die im Dritten Reich im Strafgefängnis Bochum inhaftiert waren 1. Pfr. Josef Reuland (Impuls am 19.2.2015 vor der Liebfrauenkirche Altenbochum) Am Donnerstag, dem 29.3.1945, – also vor fast genau 70 Jahren – zog etwa um 20.30 Uhr hier an der Rückseite der Liebfrauenkirche von der Buselohstraße her über die Liebfrauenstraße ein fast geisterhaft erscheinender Menschenzug vorbei. Es war eine Kolonne von 520 Gefangenen aus dem Gefängnis Bochum. Dieses musste nach schweren Bombenangriffen und vor allem wegen herannahender Front evakuiert werden. Zu Fuß sollte es gehen – ohne ausreichende Bekleidung, Schuhwerk, Essen – begleitet durch wenige überforderte Bedienstete nach Celle. Erste Gefangene waren schon am Blumenfriedhof an der Krümmede geflüchtet. In Celle sollte kein einziger Gefangener ankommen. Als letzter seiner Kolonne lief der Trierer Pfarrer Josef Reuland. Er war seit 1942 in Haft und krank. Schwerste Bombenangriffe in den Zuchthäusern Münster und Essen hatte er überlebt. Verurteilt war er zu 7 Jahren Haft durch den Volksgerichtshof von Dr. Freisler persönlich. Urteilsbegründung. Unwahre ketzerische Behauptungen über die Religionsfeindschaft der Nationalsozialisten. Wehrzersetzung. Begünstigung des Feindes. Pfarrer Josef Reuland konnte dem Zug trotz Schlägen und Misshandlungen nicht mehr folgen. Die Brille hatte man ihm schon heruntergerissen und in den Straßengraben geworfen. Er brauche sie nicht mehr. Von einem Wachtmeister wurde er dann in eine kleine Seitenstraße gezogen, ziemlich sicher „Auf dem Krahenfuß“, von dort 15 Meter auf freies Feld. Dann stieß man ihn in einen Bombentrichter. Dort erhielt er einen aufgesetzten Genickschuss. Die Kugel trat am vorderen Hals aus. Die Meldung lautete: Auf der Flucht erschossen. Pfarrer Josef Reuland war nicht tot, nur bewusstlos. Unter schwersten Schmerzen wachte er auf, schleppte sich über die Wittenerstraße zur Liebfrauenkirche. Wieder lag er fast verblutend am Straßenrand. Panzer, LKWs, Motorräder überfuhren ihn beinahe. Hilfe kam durch ein Kind. Ein Altenbochumer Junge – heute könnte der 80-85 Jahre sein – half ihm bis zum damaligen St. Annastift, Wittenerstr. 231, heute Pfarrbüro. Die dortigen Vinzenzschwestern riefen den Pfarrer. Der erteilte ihm die Sterbesakramente. Er rief die Polizei und bat, Reuland möge ins Josefshospital gebracht werden. Doch als Reuland aufwachte, befand er sich wieder im Gefängnis. Mitgefangene, ein holländischer und ein belgischer Arzt, halfen ihm. Nach Einmarsch der Amerikaner im Mai kam er schließlich ins Josefshospital. Dort holten ihn Vertreter seiner Pfarrgemeinde ab. Noch 13 Jahre konnte er als Pfarrer wirken – leidend unter Panikattacken und körperlichen Folgen des Mordversuches – bis zu seinem Tod 1958. (Vorwort Sozial-politisches Nachtgebet am19.2.15) Aus den Kirchen heraus kam zu wenig Widerstand im Dritten Reich. Es gab zu viel Anpassung und zu viel aktive Beteiligung. Mit Schmerz und Scham wurden Schuldbekenntnisse durch die Kirchen abgelegt. Die Kirchen erhoben gar nicht, sie erhoben zu spät, sie erhoben durch zu wenige ihrer Mitglieder und Organe ihre Stimme. Sie waren nicht genügend wachsam. Es gab aber auch immer Menschen, die die Gefahren früh gesehen haben. Die sich nicht der nationalsozialistischen Weltanschauung anpassen wollten. Auch Josef Reuland war so jemand. Er steht für eine Gruppe von Personen, die sich aus christlicher Überzeugung, aber auch aus humanistischen Beweggründen ganz bewusst der Menschenverachtung des neuen Regimes entgegenstellten. Darunter waren Kommunisten, Sozialisten, Sozialdemokraten, Liberale, Katholiken, Protestanten, Zeugen Jehovas, Juden und Pazifisten, Gewerkschaftler, Journalisten, auch Widerständler aus den von Hitler angegriffenen Staaten, Intellektuelle und einfache Leute. Manchmal gerieten sie in einmaliger, vielleicht sogar zufälliger Situation in Gegensatz zum Unrechtsstaat. Sie wehrten den Anfängen und waren an ihrer Stelle wachsam. Sie erlitten dadurch große Nachteile, gerieten in Haft, wurden vielfach auch getötet. Von den meisten im Konflikt mit dem NS-Regime Inhaftierten ist nicht einmal mehr der Name bekannt. Wir wollen sie aus der Vergessenheit hervorheben. Alle mahnen uns: Wehret den Anfängen! Seid wachsam! 2. Pater Dr. Albert Maring Geboren ist er 1883 in Koblenz. 1901 tritt er in den Jesuitenorden ein. Er erwirbt an der Universität Bonn den Doktortitel in Physik. Kurz nach Hitlers Machtergreifung gibt er zwei Broschüren gegen den Nationalsozialismus heraus. Bei religiösen Vorträgen vor Schülern spricht er kritisch über die neue Weltanschauung. Die Jugend würde durch den Geist eines Neuheidentums gefährdet. Ein Spitzel zeigt ihn an. 1941 wird er festgenommen. Man wirft ihm staatsfeindliche und landesverräterische Betätigung vor. Zuerst kommt er ins Zuchthaus Münster, dann ins Strafgefängnis Bochum Von Bochum gerät er ins KZ Dachau. Dort stirbt er am 8. April 1943. 3. Vikar Wilhelm Oberhaus Er war Priester des Erzbistums Paderborn. Als Vikar wirkte er in Dortmund-Hombruch. Die Eltern seiner Pfarrjugendlichen ermahnte er zur Wachsamkeit vor schädlichen Einflüssen der Hitlerjugend. 1936 kam er deswegen für 3 Monate ins Gefängnis Bochum. 1941 wurde er erneut verurteilt. Er hatte einer Schülerin eine Ohrfeige gegeben, weil diese ihm nach Besuch der BDM-Runde statt des Religionsunterrichtes eine patzige Antwort gab. Seine Entschuldigung wurde nicht akzeptiert. Im Urteil heißt es: „Der Hetzpriester Oberhaus hat nationalsozialistische Embleme geschändet und Führer und Partei beleidigt.“ Er wurde inhaftiert und 1942 im Alter von 40 Jahren in Dachau ermordet. 4. Pater Kilian Kirchhoff …war Franziskaner aus Rönkhausen im Sauerland. Er versuchte, mit Hilfe von Briefen zwischen 1938 -1943 einer jüdischen Familie zur Ausreise zu verhelfen. Die Korrespondenz wurde überwacht. 1943 wurde er verhaftet und ins Gefängnis Bochum verbracht. Wegen Wehrkraftzersetzung und Beleidigung des Staatsoberhauptes wurde er von Freisler persönlich zum Tode verurteilt. Am 24. April 1944 wurde er in Brandenburg-Görden enthauptet. 5. Pater Augustin Benninghaus Pater Augustin Benninghaus ist geboren 1880 in Druchhorn bei Ankum im Osnabrücker Land. Als Jesuit äußerte er sich oft kritisch und abfällig über den nationalsozialistischen Staat, bei religiösen Tagen für Männer, auch bei Exerzitien für Wehrpflichtige. Wegen staatsfeindlicher Äußerungen wurde er 1941 in Schutzhaft genommen. Zunächst wurde er ins Zuchthaus Münster eingeliefert, dann ins Gefängnis Bochum. Von dort kam er ins Polizeigefängnis Herne, schließlich in die Konzentrationslager Sachsenhausen und Dachau. Dort starb er am 20. Juli 1942. Auf seinem Grab in Ankum, Bistum Osnabrück steht die Inschrift. „Märtyrertod Dachau“. 6. Vikar Otto Günnewich …war Priester des Erzbistums Paderborn. Grund seiner Inhaftierung 1941 war ein Konflikt mit den NS-Behörden um den Weg der Fronleichnamsprozession. Diese hätte in Salwey nur das Kirchgebäude umschreiten dürfen, zog jedoch verbotenerweise 150 Meter durch die Dorfstraße. Dies war ausreichender Anlass, ihn ins Gestapo-Gefängnis Dortmund einzuliefern. Von dort kam er ins Gefängnis Bochum, schließlich in den Priesterblock des KZ Dachau. Von dort wurde er in das Vernichtungslager Schloss Hartheim in Österreich verlegt. Im Alter von 40 Jahren wurde er durch Vergasung ermordet. 7. Pastor Anton Spieker 1880 geboren in Lüttmarsen wurde er Vikar in Hövel bei Sundern, schließlich in Espeln. Er sprach von der Kanzel gegen nationalsozialistisches Gedankengut und riss NS-Plakate ab. 1940 wurde er von der Gestapo festgenommen und ins Gefängnis Bochum verbracht. Grund: Er hatte das vom Führer angeordnete Siegesläuten nicht durchgeführt. Zudem habe er sich hetzerisch geäußert gegenüber NS-Persönlichkeiten. Am 9. März 1941 stirbt er unter ungeklärten Umständen im Zuchthaus Bochum. Gemeindemitglieder holten seinen Leichnam, bekleidet mit einem Messgewand, im Gefängnis Bochum ab. Verwandte bestätigten, dass sein Körper mit blauen Flecken übersät gewesen sei. Trotz Verbotes durch die NS-Behörde läuteten Messdiener bei seiner Beerdigung die Totenglocken. 8. + 9. Werner Eggerath und Wilhelm Fromm Werner Eggerath geb. 1900 in Elberfeld war KPD-Funktionär. Er steht hier für die vielen Kommunisten, Gewerkschaftler und SPD-Leute, die Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten und aus politischen Gründen verfolgt, inhaftiert und auch getötet wurden. Werner Eggerath überlebte. 1936 wurde er vom Volksgerichtshof wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 15 Jahren Haft verurteilt Fast 10 Jahre hat er davon abgesessen. 1944 und 1945 war er zusammen mit Pfr. Josef Reuland im Gefängnis Bochum. Manchmal entstanden Freundschaften zwischen den Widerständlern aus völlig verschiednen „Lagern“. Werner Eggerath wurde u.a. auch eingesetzt bei der Entschärfung von Blindgängern etwa im Bahnhofsgelände Langendreer. Nach der Befreiung durch die Amerikaner wurde er Landtagsabgeordneter, schließlich Regierungspräsident in Thüringen. Auch war er Abgeordneter der Volkskammer und Staatssekretär in der DDR. Schlechter ging es dem KPD-ler Wilhelm Fromm aus Kassel. Er wirkte mit beim Wiederaufbau der illegalen KPD und wurde wegen Hochverrates verurteilt zu 7 ½ Jahren Zuchthaus. Im Alter von 37 Jahren starb er im Gefängnis Bochum. 10. + 11. Friedrich Poburski und Karl Schurstein Friedrich Poburski steht für die vielen verfolgten Zeugen Jehovas, der sog. Ernsten Bibelforscher Vereinigung. Ihre Wehrdienstverweigerung wurde als Wehrkraftzersetzung ausgelegt. Hitlergruß und Wahlteilnahme lehnten sie ab. Der Eid auf Jehova schloss den Eid auf den Führer aus. Tausende wurden in KZs ermordet. 1887 in Westpreußen geboren ließ sich Friedrich Poburski 1935 in Gelsenkirchen als Zeuge Jehovas taufen. Dreimal war er inhaftiert. 1938 wurde er wegen „verbotener Bibelforschertätigkeit“ zu einem Jahr und 4 Monaten Haft verurteilt und ins Strafgefängnis Bochum überstellt. Er schwor seinem Glauben nicht ab und wurde 1939 ins KZ Sachsenhausen eingeliefert. Er starb im KZ Bergen-Belsen am 16.4.1945 – einen Tag nach Befreiung des Lagers durch die Briten – an Hungertyphus im Alter von 48 Jahren. Karl Schurstein, Bochumer „Bibelforscher, kam 1940 in das KZ Dachau, von dort in die euthanasieanstalt der Nazis auf Schloss Hartheim in Österreich. Dort wurde er am 26.2.1942 ermordet. 12. Wilhelm Engel Wilhelm Engel steht für die vielen katholischen Laien und Laienchristen insgesamt, die sich dem totalitären Regime nicht beugten. Viele Verfolgte und Ermordete aus diesem Kreis sind in Vergessenheit geraten. Wilhelm Engel war Maschinenschlosser und Gewerkschaftssekretär des Christlichen Metallarbeiterverbandes. Nach dem ersten Weltkrieg war er Geschäftsführer der Bochumer Zentrumspartei und wirkte in den Unruhen der Weimarer Republik und im politischen Chaos1932/33 mäßigend. Er war Mitglied der Vinzenzkonferenz der Franziskanerpfarrei Christkönig. Als ein GestapoSpitzel NSDAP-kritische Gespräche der Vinzenzbrüder verriet, wurde er im Juli 1944 mit zwei Patres und acht weiteren Vinzenzbrüdern verhaftet. / davon wurden schließlich dem Haftrichter überstellt und ins Untersuchungsgefängnis des LG Bochum verbracht. Bei schwerstem Bombenangriff am 4.11.44 verstarben dort Pater Gandulf Korte und ein Vinzenzbruder. Engel, verschüttet, aber kaum verletzt, erhielt wenige Tage Freigang und stellte sich dann im Zentralgefängnis Krümmede. Am Volksgerichtshof Berlin wurde er als Wehrkraftzersetzer und als Staatsfeind angeklagt. Während die verbliebenen Vinzenzbrüder von der einrückenden Roten Armee befreit wurden, starb Wilhelm Engel in Berlin-Moabit wohl am 16.4. 1945. Ob an unmittelbarer Gewalteinwirkung oder an den Folgen der Haft, das ist nicht mehr zu klären. Sein Sohn hat die sterblichen Überreste seines Vaters1949 von WestBerlin nach Bochum geholt. Sein Grab befindet sich auf dem Freigrafendamm. 13. Adolf Schopper Am 11. März 1943 wurden viele Sinti und Roma aus der Umgebung Bochums am Nordbahnhof in einen Zug mit Viehwaggons verfrachtet und nach Auschwitz geschickt. Über Jahre hinweg wurden vorher alle erkennungsdienstlich behandelt. Systematische Deportation und Vernichtung wurden seit 1938 vorbereitet. Für die Gruppe der Roma und Sinti steht Adolf Schopper. Mitglieder der Großfamilie Schopper lebten in Gelsenkirchen sowohl auf Zwangslagerplätzen als auch in städtischen Wohnungen. 1941 wurde der Prozess gegen ihn propagandamäßig ausgeschlachtet und das Verhalten der „Zigeuner“ insgesamt angeprangert. Adolf Schopper kam ins Gefängnis nach Essen, dann 1942 ins Strafgefängnis Bochum. Nach eigenen Angaben war er zu der Zeit 79 Jahre alt. Er verstarb in der Krümmede Bochum. Die Umstände seines Todes sind unbekannt. Im KZ Auschwitz verstarben seine Ehefrau und 5 seiner 7 Kinder, des Weiteren viele Enkel und weitere Familienmitglieder. 14. Pfr. Dr. Dr. Robert Quiskamp Pfr. Dr. Dr. Robert Quiskamp war in den 20-er Jahren Pfarrer in Herne-Wanne-Eickel. Die Pfarrei bot in ihrer ethnischen Zusammensetzung aus Deutschen und Polen ein für Ruhrgebietsstädte jener zeit typisches Bild. Gottesdienste wurden in deutscher und polnischer Sprache abgehalten. Die Polenseelsorge bildete einen wichtigen Teil der Gemeindearbeit. 1940 beerdigte er als Pfarrer von Benninghausen einen polnischen Zivilarbeiter. Christliches Begräbnis stehe den Polen genauso zu wie den Deutschen. Vor Gott gebe es keinen Unterschied der Nation und des Volkstums. Damit verstieß er gegen Rechtsvorschriften. Er erhielt 1 ½ Jahr Haftstrafe, die er von 1940 bis 1942 im Strafgefängnis Bochum verbüßte. Am 29.7.1943 verstarb er nach einer Beinamputation an einem Leiden, das während der Haft nicht angemessen behandelt wurde. 15. Hendricus Johannes Gerardus Lamers Er wird als 17-Jähriger Büroangestellter aus Gennep, Niederlande, am 9. Juli 1942 festgenommen. Das Bild zeigt sein fast noch kindliches Alter. Verurteilt wird er vom Deutschen Obergericht in den besetzten niederländischen Gebieten in Den Haag. Die Anklage wirft ihm vor, er habe entwertete Buttermarken gekauft und weiterverkauft. Damit verstieß er gegen die sog. Kriegswirtschaftsverordnung. Er habe lebenswichtigen Bedarf der Bevölkerung gefährdet. Das Urteil: 9 Monate Haft. Diese verbüßte er größtenteils in der „Krümmede“. Entlassen wurde er mit 34,02 DM am 8. April 1943. Hendricus Lamers steht für die vielen Inhaftierten aus den besetzten Ländern, die wegen kleinerer Verstöße Haftstrafen verbüßten oder wegen Widerstandes zum Tode verurteilt wurden. Im Strafgefängnis Bochum saßen laut Tagebuch von Pfr. Reuland viele Holländer, Belgier, Elsässer, Tschechen, Polen und weitere ausländische Gefangene. Tochter und Familie des Hendricus Lamers versuchte in diesem Jahr vergeblich, weitere Hinweise zu seiner Haft zu finden. Laut Landesarchiv Münster sind jedoch nur noch 15 Gefangenenakten aus den Jahren 1933-45 vorhanden. 16. + 17. . Heinrich Heibrock und Hugo Niedmann (kein Bild) Beide stehen für die politisch Verfolgten aus den Reihen der ehemaligen SPD-Mitglieder. Heinrich Heibrock, von Beruf Dreher, wurde 1941 wegen Abhören von Feindsendern wegen sog. Rundfunkkriminalität vom Sondergericht Bielefeld verurteilt zu 2 ½ Jahren Haft. Heibrock starb ein knappes Jahr später am 17.8.1942 im Gefängnis Bochum im Alter von 59 Jahren . Seine Frau stellte nach dem Krieg Antrag auf Wiedergutmachung. Diesem wurde stattgegeben, obwohl dies in der Regel erst nach drei Jahren Haft möglich war. Grund: Der Tod sei Folge der strengen damaligen Haftbedingungen gewesen, insbesondere der schlechten Ernährung. 1949 erhielt sie eine erste Abschlagszahlung von 1384 DM. SPD-Mitglied und Betriebsratsvorsitzender Hugo Niedmann aus Niedersprockhövel saß seit 1933 viermal im Gefängnis Bochum wegen „staatsfeindlicher Gesinnung“, u.a. auch wegen verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen. Nach Kriegsende wurde er von der amerikanischen Militärverwaltung als erster Gemeindebürgermeister von Niedersprockhövel eingesetzt. 18, 19.+ 20. Wim Habets und Freunde Das Portrait des Niederländers Wim Habet wurde im Gefängnis angefertigt. Laut Vermerk auf der Zeichnung von seinem Mithäftling Jan Beefting am 18.4.1944 in – siehe große Buchstaben! – Bochum. Wim Habets erinnert sich an einen der letzten Räumungstransporte am 22.3.1945 vom Gefängnis Bochum ins völlig überfüllte Zuchthaus Hameln: Ungefähr 200 Franzosen, Belgier, Niederländer, Deutsche sind dabei. Ein Albtraum aus Hunger und Durst. Gedanken ans Sterben. Durch Luftangriffe der Alliierten sterben u.a. seine Freunde Frans van Migro aus Holland und der Franzose Edouard Lamothe. Wim Habets schreibt: Ich schäme mich, dass ich keine Trauer empfinde. Mein Hass gegen die Deutschen steigt. 21. Gustave Vandepitte Der 20-jährige Belgier Gustave ist seit Dezember 1943 im Strafgefängnis Bochum, ab 1944 im Außenlager Hattingen. Sein Urteil lautete auf „Besitz deutschfeindlicher Hetzschriften“. In der Henrichshütte hilft er bei Aufräumarbeiten nach Luftangriffen. Er spricht von schwerstem Hunger und kommt wegen Krätze wieder ins Gefängnislazarett der Krümmede. Wegen Nähe der Front wird er am 16.3. 1945 ins Zuchthaus Hameln verlegt. Von dort gibt es weitere Verlegungen in so genannten Todesmärschen, wobei etwa jeder vierte stirbt. Gustave überlebt und wird am 3.5. 1945 von russischen Truppen aus dem mit 4000 Häftlingen überfüllten Zuchthaus Dreibergen befreit. 22. Kaplan Hubertus Mol Kaplan Hubertus Antonius Maria Mol wurde 1942 vom Deutschen Landgericht Den Haag verurteilt und verbüßte die Strafe in der „Krümmede“ Urteilsbegründung: Leitung einer verbotenen Jugendorganisation, Abhören feindlicher Sender und Unterstützung untergetauchter Personen. Im April 1943 wurde er zur Zwangsarbeit ins Außenkommando Hattingen verlegt. An der „kriegswichtigen“ Henrichshütte war eines der vier Außenlager der Krümmede. Eine Woche später wurde er dort im Alter von 29 Jahren per Genickschuss ermordet. Seine Eltern erhielten die Habseligkeiten des verstorbenen Sohnes erst nach Überweisung von 120 Reichsmark für die Beerdigungskosten. Sein „Stolperstein“ liegt an der Welperstraße 49, Hattingen. 23. Pfr. Franz Lammerding Er war ab 1936 als Kaplan in Harsewinkel tätig, Hauptschwerpunkt Jugendseelsorge. Es gab erste Konflikte mit der örtlichen NSDAP. 1939 äußerte er die Vermutung, dass nicht Polen den Krieg angefangen habe, sondern Deutschland und Russland Polen überfallen hätten. Man solle der Goebbels-Propaganda nicht glauben. Er wurde denunziert und verurteilt vom Sondergericht Dortmund. Er habe in „hetzerischer Weise“ über den Kriegsausbruch gesprochen. 1940 war er 8 Monate im Bochumer Gefängnis. Sein Arbeitseinsatz war das Kleben von Briefumschlägen. Er sei an sich korrekt behandelt worden, sagt er später. Ein „Aufseher“ sei ihm wegen seines gütigen Wesens noch in besonders guter Erinnerung. Pfr. Lammerding starb 1987 im Alter von 88 Jahren. 24. + 25. Ludwig Steil und Jan Der evangelische Pfarrer Ludwig Steil war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Bekennenden Kirche. Er wirkte in Herne-Holsterhausen, aber auch auf westfälischer Kirchenebene. Im September 1944 wurde er von der Gestapo verhaftet. Über die Steinwache Dortmund und das Gefängnis Herne kam er als „Durchgang“ nach Bochum. Er war vom 5. auf den 6. Dezember in Bochum, mit größter Wahrscheinlichkeit in der Krümmede. Er schreibt von dort einen tröstenden Brief an seine Frau, in dem er berichtet, dass er endlich eine Einzelzelle habe nach den Dreiergemeinschaften in Dortmund und den Sechsergemeinschaften in Herne. Wohl mit weiteren Inhaftierten wird er auf Transport geschickt nach Dachau. Im dortigen KZ starb Ludwig Steil am 17.1. 1945 völlig geschwächt an einer Lungenentzündung. Die evangelische Kirche von Westfalen bezeichnet ihn auf der Homepage als den einzigen Märtyrer der eigenen Landeskirche zur Zeit des Nationalsozialismus. Mit Steil kam von Herne her ein 21-jähriger Niederländer mit dem Vornamen „Jan“. Zeitweise war Steil auf dem 18-tägigen Transport über Bochum, Bielefeld, Hannover, Leipzig nach Dachau zusammen mit einem Hamburger Inhaftierten und mit „Jan“ zu dritt gefesselt. Steil habe dem jungen Holländer, der große Angst vor Dachau hatte, immer Mut zugesprochen. 26. Taisija Kuzmenkowa Die Ukrainerin Frau Kuzmenkowa war 2006 als ehemalige Zwangsarbeiterin bei einem Besuch in Bochum. Sie wurde als Zeitzeugin befragt. Als junges Mädchen (15 J.?) war sie während des Zweiten Weltkrieges bei einem Bauern in Linden eingesetzt. Zusammen mit einer Freundin flieht sie, wird aber bald in einem Weizenfeld wohl vom Sohn eines Polizisten gesehen und zum Essen eingeladen. Der Vater bringt die beiden ins Gefängnis Krümmede. Wann genau sie dort ist (1943?) und wie lange sie dort verbleibt, ergibt sich nicht aus den kurzen Befragungssequenzen. Jedenfalls wird sie noch vor Kriegsende wieder als Zwangsarbeiterin eingesetzt, diesmal als Arbeiterin in einer Wittener Maschinenfabrik. (Quelle ist eine DVD des Stadtarchives Bochum, deren Einzelheiten hier nur ungefähr erinnert sind.) 27. Pfarrer Ludwig Litzinger Der in Bochum geborene Litzinger war Pfarrer in Heilig-Kreuz, Dortmund. Nach verschiedenen Konflikten mit der Gestapo in Hörde wurde er schließlich inhaftiert. Er hatte die Weisung missachtet, alle Bücher nicht religiösen Inhaltes aus der Pfarrbücherei abzugeben. Mit Hilfe von Gemeindemitgliedern versteckte er diese. Er wurde angezeigt, 1942 verhaftet und kam über die Steinwache und den Lübecker Hof auch ins Strafgefängnis Bochum. Nach 6 Monaten Haftwurde er als „gebrochener Mann“ entlassen. Trotz Krankenhaus-und Kuraufenthalten erholte er sich nicht mehr und starb 1946 im Alter von 66 Jahren. 28. Johann Wasielewski (kein Foto) ..aus Essen, verhaftet und verurteilt nach dem Heimtückegesetz. Auf seinem Stolpersteinin Essen steht: „Ermordet am 13.4. 1943 im Gefängnis Bochum“. Da hier keine Mordanklage aus der Nachkriegszeit bekannt ist – anders als im Fall des Mordversuches an Josef Reuland – heißt es wohl besser: Verstorben an den Haftfolgen im Strafgefängnis Bochum. Laut Geschichtsverein Essen war er wegen Heimtücke zu drei Jahren Haft verurteilt, da er „Lette und Deutschenhasser“ sei. Der Antrag seiner Angehörigen auf Wiedergutmachung wurde abgelehnt. 29. Joseph Marx (kein Foto) Joseph Marx, geb. 1875 als Sohn von Salomon Marx in Herdecke. Er ist Kaufmann und gründet ein eigenes Bankgeschäft. Die Gründe für seine Inhaftierung sind ungeklärt, ebenso die Umstände seines Todes im Strafgefängnis Bochum am 6.3.1943 im Alter von 67 Jahren. Stolperstein in Herdecke. 30. Friedrich Wilhelm Espenhahn (kein Foto) Friedrich Wilhelm Espenhahn, Jahrgang 1888, Küster und Organist in St. Joseph, Witten, wurde wegen regimekritischer Aussagen inhaftiert und zu zwei Jahren Haft verurteilt. Suizid im Gefängnis Bochum am 4.3.1942 durch Erhänge. Stolperstein in Witten 31. Heinrich Drescher (kein Foto) Heinrich Drescher aus Schwerte wird 1937 als KPD-Mitglied wegen Hochverrates zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Er starb am 18.9.1943 im Strafgefängnis Bochum im siebten Jahr seiner Haft. Stolperstein in Schwerte 32. Oskar Nagengast Der Castroper war NSDAP-Mitglied und SA-Mitglied. Wegen homosexueller Kontakte wurde er zu anderthalb Jahren Haft verurteilt. Nach Verbüßung der Strafe am 15.9.1942 wurde er nicht in die Freiheit entlassen, sondern unmittelbar in „Schutzhaft“ genommen und von der Bochumer Polizei ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Dort ist er registriert als „§175“. Am 10.Jan. 1944 stirbt er angeblich an Kreislaufschwäche im Außenkommando Dora im Alter von 33 Jahren. Sein Stolperstein befindet an seinem letzten Wohnort Hattingen. Informationen zu seinem Schicksal und dem anderer Homosexueller im “Dritten Reich“ finden sich auf der Homepage der „Rosa Strippe“ Bochum. Bei den anderen dort vorgestellten Bochumer Verurteilten ist die Krümmede als Ort der Inhaftierung wahrscheinlich, aber nicht gesichert. Opfer und Täter zugleich war Hans H., ebenso inhaftiert im Strafgefängnis Bochum wegen „widernatürlicher Unzucht“. Als SS-Mann – aus dieser wurde er ausgeschlossen – beging er 1934 Beihilfe zum Mord an vier Hirschberger Juden. Dafür wurde er 1954 zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Sein Fall ist wegen schwerster Täterschaft nicht bei „Rosa Strippe“ dokumentiert. 33. Alphonse Voordeckers …ist belgischer Pfarrer aus Le Mons. Er wird als Widerstandskämpfer am 30.1.1942 „bei Nacht und Nebel“ in seiner Kirche in Gondregnies verhaftet. Gefängnis Brüssel-St.-Gilles, ab August Gefängnis Bochum. 1943 vom Volksgerichtshof wegen „Feindbegünstigung“ zu hoher Freiheitsstrafe verurteilt. Über das Zuchthaus Hameln wird er verlegt in das Zuchthaus Sonnenburg in Ostbrandenburg. Er stirbt im Alter von 49 Jahren wahrscheinlich im Oktober 1943. Seine Gedenktafel befindet sich in der Kirche in Gondregnies. (Anmerkung: Bei den vielen NN-Gefangenen in der Hamelner Dokumentation, welche über Bochum gekommen sind, steht stereotyp „Untersuchungsgefängnis Bochum“. Es ist eher unwahrscheinlich, dass diese große Zahl der Inhaftierten aus den Beneluxstaaten, die oft in Schüben von 100 bis 250 Personen nach Bochum kamen, im kleinen Gerichtsgefängnis untergebracht waren. Es ist anzunehmen, dass die Mehrzahl über das Strafgefängnis Bochum und seine vier Außenkommandos gelaufen sind. Zudem war das Gerichtsgefängnis seit November 1944 durch Bomben zerstört. Es gab jedoch auch gerade danach noch bis März 1945 große Verschubungen ins Zuchthaus Hameln. Diese NN-Gefangenen großer Zahl sind in der Hamelner Dokumentation mit Namen, Beruf, Herkunftsort, zum Teil Todesdatum benannt. Für sie alle war auch Bochum ein Schicksalsort Ihres Lebens.)