Kapitel 4 – Numerische Integration Einführung und Motivation Newton-Cotes-Formeln Zusammengesetzte Integrationsformeln Adaptive Verfahren Romberg Verfahren Fazit Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 1 Problemstellung: In der Analysis lernt man Integrale über eine Stammfunktion zu berechnen. Es gibt jedoch Funktionen deren Stammfunktion nicht elementar ist. Beispiele sind: sin 𝑥 𝑥 𝑑𝑥 , exp 𝑥 𝑥 𝑑𝑥 , exp(−𝑥 2 ) 𝑑𝑥 In anderen Fällen kennt man die Stammfunktion aber sie ist zu kompliziert auszuwerten. Oftmals ist auch die Funktion selbst nicht bekannt, sondern nur deren Werte an bestimmten Stellen die z.B. aus Messungen stammen oder aber das Ergebnis eines numerischen Verfahrens darstellen. 𝑏 Def. 4.1 Zur numerischen Berechnung des Integrals 𝐼 𝑓 ≔ 𝑎 𝑓 𝑥 𝑑𝑥 verwenden wir die Quadraturformel 𝐽 𝑓 ≔ 𝑛𝑖=0 𝜔𝑖 𝑓(𝑥𝑖 ). Die nun folgende Aufgabe besteht darin geeignete Gewichte 𝜔𝑖 und Stützstellen 𝑥0 , … , 𝑥𝑛 ∈ 𝑎, 𝑏 zu finden. Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 2 Beispiel 4.1 Mittelpunktsregel (Rechtecksregel) Statt 𝑓 wird das konstante Polynom 𝑝 ≡ 𝑓 𝑎+𝑏 2 integriert welches f in der Intervallmitte interpoliert. Man erhält die Formel 𝑎+𝑏 𝑎+𝑏 𝐽 𝑓 = 𝑏 − 𝑎 𝑓( ), also 𝑛 = 0, 𝜔0 = 𝑏 − 𝑎 , 𝑥0 = . 2 Es gilt die Fehlerdarstellung: I 𝑓 − 𝐽 𝑓 = Beweis: siehe Übung Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 𝑏−𝑎 3 𝑓2 24 2 𝜉 3 Def. 4.2 Newton-Cotes-Formeln 𝑏−𝑎 Wähle 𝑛 + 1 äquidistante Knoten 𝑥𝑗 = 𝑎 + 𝑗ℎ 𝑗 = 0, … , 𝑛 , mit ℎ = . 𝑛 Bestimme das zugehörige Interpolationspolynom 𝑝 ∈ ℙ𝑛 für 𝑓, gemäß 𝑝 𝑥 = 𝑛𝑖=0 𝑓 𝑥𝑖 𝐿𝑖 𝑥 , mit den Lagrange-Polynomen 𝐿𝑖 𝑥 . Betrachte 𝑏 das Integral von 𝑝 als Näherung für 𝐼 𝑓 ≔ 𝑎 𝑓 𝑥 𝑑𝑥 : 𝑛 𝑏 𝑝 𝑥 𝑑𝑥 = 𝑎 𝑓 𝑥𝑖 𝑖=0 𝑛 𝑏 𝑎 𝐿𝑖 (𝑥)𝑑𝑥 =: 𝑓 𝑥𝑖 𝜔𝑖 𝑖=0 Mit der Substitution 𝑥 = 𝑎 + ℎ𝑡, 𝑡 ∈ [0, 𝑛] erhält man Gewichte die unabhängig von den Integrationsgrenzen sind: 𝑛 𝑛 𝑏 𝑛 𝑥 − 𝑥𝑖 𝑡−𝑖 𝜔𝑗 = 𝑑𝑥 = ℎ 𝑑𝑡 =: ℎ𝛾𝑗 𝑥𝑗 − 𝑥𝑖 𝑗−𝑖 𝑎 0 𝑖=0,𝑖≠j 𝑖=0,𝑖≠j Die n.-te Newton-Cotes Formel lautet dann: 𝑛 𝑏−𝑎 𝐼(𝑓) ≈ 𝐽(𝑓) = 𝛾𝑖 𝑓 𝑥𝑖 𝑛 𝑖=0 Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 4 Satz 4.1 Fehler der Newton-Cotes-Formeln Für 𝑓 ∈ 𝐶 𝑛+1 𝑎, 𝑏 gilt die Fehlerabschätzung: D𝑛+1 𝑓 𝜉 𝑏 𝐼 𝑓 −𝐽 𝑓 = 𝑥 − 𝑥0 … 𝑥 − 𝑥𝑛 𝑑𝑥 (𝑛 + 1)! 𝑎 Insbesondere werden Polynome vom Grad 𝑛 exakt durch die n.-te NC Formel integriert. Es gilt darüber hinaus die folgende Verschärfung der obigen Aussage: Für gerade Zahlen 𝑛 ist die n.-te NC Formel auch korrekt für Polynome vom Grad 𝑛 + 1. Beweis: Die Fehlerabschätzung folgt direkt aus Satz 1.7 Kapitel 1. Für Polynome vom Grad 𝑛 verschwindet die 𝑛+1 Ableitung. Damit folgt der zweite Teil der Aussage. Sei nun 𝑛 gerade. Dann ist die Funktion 𝜔 𝑥 = 𝑥 − 𝑥0 … 𝑥 − 𝑥𝑛 punktsymmetrisch zu 𝑥𝑚 ≔ 𝑎+𝑏 2 𝑏 daher . Also gilt 𝜔 𝑥𝑚 + 𝑥 = −𝜔 𝑥𝑚 − 𝑥 und 𝜔(𝑥) 𝑑𝑥 = 𝑎 Numerische Mathematik II 𝑥𝑚 𝑎 𝑏 𝜔 𝑥 𝑑𝑥 + 𝜔 𝑥 𝑑𝑥 = 0. 𝑥𝑚 Herbsttrimester 2012 5 Corollar 4.2 Für die Koeffizienten der n.-ten NC Formel gilt: 𝛾0 + ⋯ + 𝛾𝑛 = 𝑛, bzw. 𝜔0 + ⋯ + 𝜔𝑛 = 1 Beachte die Symmetrie der Gewichte: 𝛾𝑗 = 𝛾𝑛−𝑗 Die gebräuchlichsten Formeln sind mit ℎ = (𝑏 − 𝑎)/𝑛 n Name 1 TrapezRegel 2 SimpsonRegel 3 3/8Regel 4 Milne Regel Gewichte 𝜸𝒊 1 1 2 2 4 1 3 3 3 9 8 8 14 64 45 45 Fehler 𝑰 𝒇 − 𝑱(𝒇) 1 3 9 8 24 45 3 8 64 45 14 45 ℎ3 2 − 𝑓 (𝜉) 12 ℎ5 4 − 𝑓 (𝜉) 90 3 ℎ5 4 − 𝑓 (𝜉) 80 8 ℎ7 6 − 𝑓 (𝜉) 945 Beweis: Für den ersten Teil der Behauptung integriere man die Konstante Funktion 𝑝 ≡ 1. Für die Darstellung des Fehlers und der Koeffizienten vgl. man Bsp. 4.2 & 4.3. Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 6 Beispiel 4.2 Trapezregel Statt 𝑓 wird das lineare Polynom 𝑝 ≡ 𝑓 𝑎 + 𝑥−𝑎 𝑏−𝑎 (𝑓 𝑏 − 𝑓(𝑎)) integriert welches f in den Stützstellen 𝑎, 𝑏 interpoliert. Man erhält 𝐽 𝑓 = 𝑏−𝑎 2 𝑏−𝑎 𝑓 𝑏 2 𝑏−𝑎 𝜔1 = , 2 𝑓 𝑎 + also 𝑛 = 1, 𝜔0 = , 𝑥0 = 𝑎, 𝑥1 = 𝑏. Das gleiche Ergebnis erhält man unter Benutzung der NC Formeln für 1 𝑡−1 1 𝑡−0 1 1 𝑛 = 1: 𝛾0 = 0 𝑑𝑡 = , 𝛾1 = 0 𝑑𝑡 = 0−1 2 1−0 2 Für den Fehler gilt: 𝑓′′ 𝜉 2! 𝑓′′ 𝜉 2! 𝑏 𝑎 𝑥 − 𝑎 𝑥 − 𝑏 𝑑𝑥 = 𝑏−𝑎 𝑥 0 Numerische Mathematik II 𝑥 − (𝑏 − 𝑎 )𝑑𝑥 𝑓′′ 𝜉 𝑎+(𝑏−𝑎) 𝑥 − 𝑎 𝑥 − 𝑎 − (𝑏 − 𝑎) 𝑑𝑥 𝑎 2! b−a 𝑓′′ 𝜉 x3 x2 b−a 𝑏−𝑎 3 ′′ = − =-𝑓 𝜉 2! 3 2 12 0 Herbsttrimester 2012 7 Beispiel 4.3 Simpson-Regel oder Keppler‘sche Fassregel 2 (𝑡−1)(𝑡−2) 1 𝑑𝑡 = ,𝛾 0 (0−1)(0−2) 3 1 𝑏−𝑎 𝑎+𝑏 (𝑓 𝑎 + 4 𝑓 +𝑓 6 2 𝑛 = 2: 𝛾0 = = 𝐽 𝑓 = 𝑏 ) 2 (𝑡−0)(𝑡−2) 𝑑𝑡 0 (1−0)(1−2) 4 3 = , 𝛾3 = 1 3 Wir berechnen das Integral: 3 1 𝑑𝑥 = ln 3 − ln 1 = 1.0986122 … 𝑥 1 2 1 1 1 10 𝐽𝑆 𝑓 = 1+4⋅ + = ⋅ = 1. 1 6 2 3 3 3 Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 8 Bemerkungen: Die Newton-Cotes Formeln resultieren für größere Werte von 𝑛 in negativen Koeffizienten was numerische Schwierigkeiten nach sich zieht (Auslöschung). Um die Genauigkeit der numerischen Integration zu erhöhen benutzt man daher zusammengesetzte Integrationsformeln. Am Beispiel der Mittelpunktsregel haben wir bereits gesehen, dass die Stützstellen nicht die Intervallgrenzen beinhalten müssen. 𝑗+1 Wählt man in Def. 4.2 𝑥𝑗 = 𝑎 + 𝑏 − 𝑎 , 𝑗 = 0, … , 𝑛, spricht man 𝑛+2 von offenen, im Gegensatz zu den bereits besprochenen geschlossenen, NC-Formeln. Die offenen NC-Formeln haben allerdings schon ab 𝑛 = 2 negative Gewichte. Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 9 Bemerkungen: Bei der sogenannten Gauß Quadratur gibt man die Knoten nicht äquidistant vor, sondern bestimmt diese so, dass ein möglichst hoher Exaktheitsgrad erreicht wird. Für 𝑛 = 0 erhält man z.B. die Mittelpunktsregel. Für 𝑛 = 1 gilt z.B. 𝜔0 = 𝜔1 = 𝑏−𝑎 2 , 𝑥0 = 𝑎+𝑏 2 − 1 𝑏−𝑎 , 𝑥1 3 2 = 𝑎+𝑏 2 + 1 𝑏−𝑎 . 3 2 Allgemein kann man für jedes n eine Gauß-Quadraturformel angeben, die exakt ist für alle 𝑝 ∈ ℙ2𝑛−1 . Man kann ebenfalls zeigen, dass die Gewichte der Gauß Formel alle positiv sind. Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 10 Wir unterteilen das Intervall 𝑎, 𝑏 in mehrere Teilintervalle auf denen wir dann die Newton-Cotes-Formel anwenden. Es gilt: Satz 4.3 Das Integrationsintervall sei unterteilt in 𝑛 Intervalle der Länge ℎ = (𝑏 − 𝑎)/𝑛. Wir definieren die 𝑛 + 1 Stützstellen 𝑥𝑗 = 𝑎 + 𝑗ℎ. Die zusammengesetzte Trapezregel hat die Darstellung 𝑓0 𝑓𝑛 𝐽 𝑓 =ℎ + 𝑓1 + ⋯ + 𝑓𝑛−1 + 2 2 mit dem Fehler 𝐼 𝑓 −𝐽 𝑓 = 𝑓′′ 𝜉 − 12 𝑏 − 𝑎 ℎ2 Für die zusammengesetzte Simpson Regel wenden wir die Quadratur auf je zwei benachbarte Intervalle an. Es ergibt sich (𝑛 gerade): ℎ 𝐽 𝑓 = 𝑓0 + 4 𝑓1 + 2 𝑓2 + 4 𝑓3 + ⋯ + 2 𝑓𝑛−2 + 4 𝑓𝑛−1 + 𝑓𝑛 3 𝐼 𝑓 −𝐽 𝑓 = 𝑓4 𝜉 − 180 𝑏−𝑎 ℎ4 = 𝑓4 𝜉 − 180 𝑏−𝑎 5 𝑛4 Die Standard Simpson Regel entspricht 𝑛 = 2. Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 11 Beweis: Es gilt für die zusammengesetzte Trapezregel: 𝐽 𝑓 = ℎ 2 f0 + f1 + ℎ 2 f1 + f2 + ℎ 2 f2 + f3 + ⋯ + ℎ 2 fn−1 + f𝑛 Der Fehler setzt sich zusammen aus den Fehlern der individuellen Teilintervalle: 𝐼 𝑓 −𝐽 𝑓 = −ℎ3 ′′ 𝑛−1 𝑓 𝜉𝑖 𝑖=0 12 Laut Zwischenwertsatz gilt: 𝑓 𝑎, 𝑏 → ℝ, stetig dann nimmt 𝑓 jeden Wert zwischen 𝑓 𝑎 und 𝑓 𝑏 an also auch den Mittelwert über mehrere Funktionswerte: 𝑓 𝜉 = 𝑖 𝑓(𝑥𝑖 )/𝑛. Man erhält daher die Existenz eines 𝜉 ∈ [𝑎, 𝑏] mit ′′ 𝑓 ′′ 𝜉 𝑓 𝜉𝑖 3 𝐼 𝑓 −𝐽 𝑓 =− 𝑛ℎ =− (𝑏 − 𝑎) ℎ2 12 12 Für die Simpson Regel erhält man: 𝐽 𝑓 = ℎ 3 f0 + 4f1 + 𝑓2 + ℎ 3 f2 + 4f3 + 𝑓4 + ℎ 3 f4 + 4f5 + 𝑓6 + ⋯ Der Rest des Beweises erfolgt analog zur Trapezregel. Man beachte dabei, dass Länge des Integrationsintervalls jetzt 2ℎ entspricht. Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 12 Beispiel 4.4 10 𝑥 Betrachten wir folgendes Beispiel: 1.1 2 𝑑𝑥 𝑥 −1 Der Fehler bei der Simpson-Regel wird von der vierten Ableitung kontrolliert. Diese schwankt für die obige Funktion in den gegebenen Integrationsgrenzen zwischen 1.2 ⋅ 106 und 2.7 ⋅ 10−4 . Man erwartet daher am rechten Rand mit wesentlich weniger Stützstellen auszukommen als am linken Rand. Die Abb. rechts zeigt die Stützstellen bei numerischer Integration mit adaptiver Schrittweite. Es wurden 29 Stützstellen verwendet. Wir erhalten als Ergebnis 3.0779… Der Fehler entspricht ≈ 4.6 ⋅ 10−5 . Um die gleiche Genauigkeit mit konstanter Schrittweite zu erlangen würde man mit der Simpson-Regel 190 Stützstellen benötigen. Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 13 Adaptive Simpsonregel: Wir wollen im Folgenden ein auf der Simpson-Regel basierendes Verfahren besprechen bei dem der Fehler kleiner einer vorgegebenen Toleranz ist: 𝐼 𝑓 − 𝐽(𝑓) ≤ ε Wir wollen die Schrittweite adaptiv anpassen und den globalen Fehler gleichmäßig auf alle Teilintervalle [𝛼, 𝛽] verteilen: 𝛽 − 𝛼 ℎ4 4 𝛽−𝛼 𝛽−𝛼 𝐼 𝑓 − 𝐽𝑠 𝑓, 𝛼, 𝛽 ≔ − 𝑓 𝜉 <𝜀 mit ℎ = 180 𝑏−𝑎 2 Da 𝑓 4 𝜉 nicht bekannt ist, beschaffen wir uns einen Fehlerschätzer indem wir das Integrationsintervall halbieren. Der Fehler der zusammengesetzten Simpson-Regel mit halber Schrittweite ist nach Satz 4.3 𝐼 𝑓 − 1/2 𝐽𝑠 𝑓, 𝛼, 𝛽 = Wir nehmen an 𝑓 Δ𝐼 ≔ 1/2 𝐽𝑠 Δ𝐼 = −𝑓 Numerische Mathematik II 4 4 𝑓4 𝜂 − 16⋅180 4 𝜂 ≈𝑓 𝛽 − 𝛼 ℎ4 . 𝜉 und definieren 𝑓, 𝛼, 𝛽 - 𝐽𝑠 𝑓, 𝛼, 𝛽 ≈ −𝑓 𝜂 𝛽−𝛼 ℎ4 16∗180 4 𝜂 ⋅ 15 Es folgt: 𝐼 𝑓 Herbsttrimester 2012 𝛽−𝛼 ℎ4 1 − 180 16 1/2 − 𝐽𝑠 𝑓, 𝛼, 𝛽 +1 ⇨ ≈ 1 Δ𝐼 15 14 Adaptive Simpsonregel: Der Intergrationsschritt mit halbierter Intervalllänge und zusammengesetzter Simpson Regel wird also nur akzeptiert falls 𝛽 1 𝛽−𝛼 𝛽−𝛼 1/2 𝑓 𝑥 𝑑𝑥 − 𝐽 𝑓, 𝛼, 𝛽 ≈ Δ𝐼 < 𝜀 oder Δ𝐼 < 15 ⋅ 𝜀 𝑠 𝛼 15 𝑏−𝑎 𝑏−𝑎 Wir skizzieren im Folgenden noch einen Algorithmus, der die Integrationsschrittweite adaptiv bestimmt unter Verwendung des obigen Fehlerschätzers. Im ersten Schritt betrachten wir das Intervall 𝑎, 𝑏 und setzen 𝑏−𝑎 ℎ= , 𝐻 = 2ℎ. Falls der Fehler kleiner als die gewünschte 2 Toleranz ist wird die adaptive Prozedur angehalten. Anderenfalls wird die Integrationsschrittweite so lange halbiert bis das 𝑎+𝐻 Integral 𝑎 𝑓 𝑥 𝑑𝑥 die gewünschte Genauigkeit hat. Dann wird das Intervall 𝑎 + 𝐻, 𝑏 betrachtet und die Prozedur wiederholt. Die Länge des Intervalls im diesem Schritt ist dabei: b − 𝑎 + 𝐻 . Für weitere Details vergleiche man Referenz [6]. Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 15 Bemerkungen: Wir haben zur Fehlerabschätzung für die adaptive Simpson Regel eine Näherung auf zwei unterschiedlichen Gittern benutzt. Alternativ hätte man auch zwei Verfahren unterschiedlicher Ordnung auf dem gleichen Gitter betrachten können. Bevor wir uns mit einer weiteren Integrationsmethode befassen machen wir einen kleinen Exkurs über Extrapolationsverfahren. Hat man bei der numerischen Lösung eines Problems eine Lösung für zwei unterschiedliche Diskretisierungsweiten, so kann man unter bestimmten Voraussetzungen eine verbesserte Lösung daraus berechnen. Man spricht oft auch von Richardson Extrapolation. Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 16 Satz 4.4 Extrapolationsverfahren (i) Sei 𝐷 ℎ eine Formel zur Näherung von 𝐷 mit der Fehlerentwicklung 𝐷 ℎ − 𝐷 = 𝑐1 ℎ + 𝑐2 ℎ2 + ⋯ dann hat die extrapolierte Formel ℎ 𝑐 𝐷 ∗ ℎ ≔ 2𝐷 − 𝐷 ℎ die Fehlerentwicklung 𝐷 ∗ ℎ − 𝐷 = − 2 ℎ2 + ⋯ 2 2 (ii) Sei 𝐷 ℎ eine Formel zur Näherung von 𝐷 mit der Fehlerentwicklung 𝐷 ℎ − 𝐷 = 𝑐1 ℎ2 + 𝑐2 ℎ4 + ⋯ dann hat die extrapolierte Formel 4 ℎ 1 𝑐 𝐷∗ ℎ ≔ 𝐷 − 𝐷 ℎ die Entwicklung 𝐷 ∗ ℎ − 𝐷 = − 2 ℎ4 + 3 2 3 4 Beweis: Durch einsetzen und nachrechnen. Bemerkungen: Das Verfahren ist nicht notwendigerweise auf einmalige Anwendung beschränkt und auch nicht auf eine Halbierung der Schrittweite. Die Extrapolation entspricht offensichtlich auch einer Fehlerschätzung: 𝐷 ℎ − 𝐷 ≈ 𝐷 ℎ − 𝐷 ∗ (ℎ) Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 17 Oftmals ist die Konvergenzordnung des Verfahrens nicht präzise bekannt. In diesem Fall kann man die Verfahrensordnung und den Fehler, bzw. eine verbesserte Schätzung durch eine Lösung auf drei unterschiedlichen Gittern erhalten: Satz 4.5 Richardson Extrapolation Sei 𝐷 ℎ eine Formel zur Näherung von 𝐷 mit der Fehlerentwicklung 𝐷 ℎ − 𝐷 = 𝑐ℎ𝑝 + ⋯ . Seien ℎ1 , ℎ2 , ℎ3 3 Gitterebenen mit ℎ𝑖 = ℎ ⋅ 𝑞(𝑖−1) mit einer reellen Zahl 0 < 𝑞 < 1. Bezeichne 𝐷𝑖 die Näherung 𝐷 ℎ𝑖 . 𝐷 −𝐷 Dann gelten die Formeln: 𝑝 ≈ log 𝐷2−𝐷3 1 2 log(𝑞) und 𝐷 ≈ 𝐷1 − Ebenso kann man z.B. 𝐷 abschätzen durch𝐷 ≈ 𝐷1 −𝐷2 1−𝑞 𝑝 𝑞 𝑝 (𝐷2 −𝐷3 ) 𝐷3 − . 1−𝑞 𝑝 𝑝 2𝑝 Beweis: 𝐷1 = 𝐷 + 𝑐ℎ𝑝 , 𝐷2 = 𝐷 + 𝑐ℎ𝑝 𝑞𝑝 , 𝐷3 = 𝐷 + 𝑐ℎ 𝑞 (*) Es folgt: 𝐷1 − 𝐷2 = 𝑐ℎ𝑝 1 − 𝑞𝑝 , 𝐷2 − 𝐷3 = 𝑐ℎ𝑝 𝑞𝑝 1 − 𝑞𝑝 (**) 𝐷 −𝐷 ⇒ 2 3 = 𝑞𝑝 . Dies liefert die Abschätzung für 𝑝. Mit 𝑝 und 𝑞 kann man 𝐷1 −𝐷2 nun die Terme 𝑐ℎ𝑝 𝑞𝑖−1 schätzen mittels (**) und damit 𝐷 mittels (*). Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 18 Bemerkung: Extrapolationsverfahren werden sehr häufig eingesetzt, zur Fehlerschätzung, zur Bestimmung der Konvergenzordnung oder natürlich zur Extrapolation. Nun zurück zur numerischen Integration. Der folgende Satz motiviert das Romberg Verfahren welches wir im Anschluss besprechen wollen: Satz 4.6 (Folgerung der sog. Euler-Maclaurinschen Summenformel) 𝑏−𝑎 Für 𝑓 ∈ 𝐶 2𝑚+2 𝑎, 𝑏 und ℎ = besitzt die in Satz 4.3 definierte Trapezsumme 𝑇 ℎ = ℎ 𝑓0 2 𝑛 + 𝑓1 + ⋯ + 𝑓𝑛−1 + 𝑓𝑛 2 die sogenannte asymptotische Entwicklung 𝑏 𝑇 ℎ = 𝑎 𝑓 𝑥 𝑑𝑥 + 𝜏1 ℎ2 + ⋯ 𝜏𝑚 ℎ2𝑚 + 𝜏𝑚+1 ℎ2(𝑚+2) Dabei sind die 𝜏1 , … , 𝜏𝑚 unabhängig von ℎ und für 𝜏𝑚+1 gilt 𝑏 |𝜏𝑚+1 ℎ | ≤ 𝐶 ⋅ 𝑓 (2𝑚+2) 𝑥 𝑑𝑥 𝑎 Ohne Beweis. Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 19 Satz 4.6 zeigt, dass die Trapezsumme eine ℎ2 -Entwicklung besitzt. Satz 4.4 motiviert daher das Vorgehen durch Kombination der Trapezsummen zu verschiedenen Diskretisierungsweiten eine bessere Approximation zu erhalten. Satz 4.7 Romberg Verfahren Es sei 𝑓 ∈ 𝐶 2𝑚+2 𝑎, 𝑏 und 𝑛 = 𝑛0 ∈ ℕ . Zu einer Reihe von streng monoton fallenden Schrittweiten ℎ𝑖 und einer Folge von aufsteigenden 𝑏−𝑎 ℎ ℎ ℎ natürlichen Zahlen 𝑛𝑖 mit ℎ0 = , ℎ1 = 0 , ℎ2 = 0 , … , ℎ𝑚 = 0 𝑛 𝑛1 𝑛2 𝑛𝑚 definiere man die Trapezsummen 𝑇𝑖𝑖 ≔ 𝑇(ℎ𝑖 ) welche das Integral von 𝑓 mit der Schrittweite ℎ𝑖 annähern. Des Weiteren definiere man durch Interpolation das Polynom vom Grad 𝑚 in ℎ2 𝑇0𝑚 ℎ = 𝑎0 + 𝑎1 ℎ2 + ⋯ + 𝑎𝑚 ℎ2𝑚 für das gilt 𝑇0𝑚 ℎ𝑖 = 𝑇 ℎ𝑖 , 𝑖 = 0, … , 𝑚. Man verwende den Wert 𝑇0𝑚 0 (Extrapolation an der Stelle 0) als neue Näherung für das gesuchte Integral. Dann gilt: 𝑏 𝑎 Numerische Mathematik II 𝑓 𝑥 𝑑𝑥 − 𝑇0𝑚 0 Herbsttrimester 2012 = 𝑂 ℎ02𝑚+2 20 Beweis: Das Interpolationspolynom besitzt nach Satz 1.1 die Darstellung 𝑚 𝑚 2 − ℎ2 ℎ 𝑘 𝑝 ℎ2 = 𝑇 ℎ𝑖 𝐿𝑖 (ℎ2 ) , 𝐿𝑖 ℎ 2 = (∗) 2 2 ℎ𝑖 − ℎ 𝑘 𝑖=0 𝑘=1,𝑘≠𝑖 2𝑘 2 außerdem ist ℎ2𝑘 = 𝑚 𝑖=0 ℎ𝑖 𝐿𝑖 (ℎ ) (∗∗) für 𝑘 = 0, … , 𝑚 (das Polynom interpoliert sich selbst). Einsetzen der asymptotischen Entwicklung aus Satz 4.6 in ∗ ergibt zusammen mit der Identität (∗∗): 𝑚 𝑝 ℎ2 = 𝑚 𝑚 𝜏𝑘 ℎ𝑖2𝑘 + 𝜏𝑚+1 ℎ𝑖2𝑚+2 𝐿𝑖 ℎ2 = 𝑇 ℎ𝑖 𝐿𝑖 (ℎ2 ) = 𝑖=0 𝑚 = 𝑚 ℎ𝑖2𝑘 𝐿𝑖 ℎ2 𝜏𝑘 𝑘=0 𝑖=0 𝑘=0 𝑚 𝜏𝑚+1 ℎ𝑖2𝑚+2 𝐿𝑖 ℎ2 + 𝑖=0 𝑖=0 ℎ2𝑘 2𝑚+2 Insbesondere gilt 𝑝 0 − 𝜏0 = 𝑚 𝜏 ℎ 𝐿𝑖 0 und wegen 𝑖=0 𝑚+1 𝑖 2𝑚+2 Satz 4.6 𝜏𝑚+1 ≤ M ⇒ 𝑝 0 − 𝜏0 ≤ 𝑀 𝑚 . 𝑖=0 𝐿𝑖 0 ℎ0 Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 21 Bemerkungen: Man kann mit etwas mehr Aufwand präziser zeigen, 2 . 𝐼 𝑓 − 𝑇0𝑚 0 = 𝑂 ℎ02 ⋅ ℎ12 ⋅ … ⋅ ℎ𝑚 Bezüglich der Wahl der Parameter 𝑛𝑖 wird üblicherweise die Romberg Folge verwendet 𝑛𝑖 = 1,2,4,8,16, … oder die sogenannte Bulirsch Folge mit 𝑛𝑖 = 1,2,3,4,6, … Erstere bietet den Vorteil dass man bei Verfeinerung auf bereits vorhandene Funktionsauswertungen zurückgreifen kann. Die zweite Folge wächst dafür nicht so schnell an. Bei der praktischen Durchführung ist 𝑚 im Voraus nicht bekannt. Man kann das Verfahren z.B. abbrechen sobald für einen Zwischenschritt gilt: 𝑇0,𝑚 − 𝑇0,𝑚−1 ≤ 𝜀𝑇0,𝑚−1 Zur Durchführung des Romberg-Verfahrens benutzt man das Schema von Neville-Aitken. Es gilt dann mit 𝑥𝑘 ≔ ℎ𝑘2 und 𝑥 = 0 die Rekursion: 𝑇𝑖,𝑘 = T𝑖+1,𝑘 − Numerische Mathematik II 2 ℎ𝑘 2 −ℎ 2 ℎ𝑘 𝑖 T𝑖+1,𝑘 − T𝑖,𝑘−1 Herbsttrimester 2012 22 Beispiel 4.5 Sei ℎ0 = 𝑏 − 𝑎 und ℎ1 = Trapezsummen 𝑇0,0 = 𝑏 − 𝑎 𝑇1,1 = 𝑏−𝑎 2 𝑇0,1 = T1,1 − = 4 3 1 3 1 𝑓 2 𝑎 +𝑓 ℎ12 ℎ12 −ℎ02 𝑎+𝑏 2 1 𝑓 2 𝑏−𝑎 2 . Dann erhält man die 1 2 𝑎 + 𝑓 𝑏 sowie 1 2 + 𝑓 𝑏 . Aus der Rekursionsformel folgt: 𝑇1,1 − T0,0 = T1,1 − ℎ02 /4 ℎ02 /4−ℎ02 𝑇1,1 − T0,0 = T1,1 − T0,0 (man vergleiche dieses Ergebnis mit Satz 3.4) Einsetzen liefert 𝑇0,1 = = 𝑏−𝑎 2 𝑏−𝑎 2 1 𝑓 3 2 𝑓 3 4 3 𝑎 + 𝑓 4 3 𝑎 + 𝑓 𝑎+𝑏 2 𝑎+𝑏 2 2 3 + 𝑓 𝑏 − 𝑏−𝑎 2 1 𝑓 3 1 3 𝑎 + 𝑓 𝑏 = 1 3 + 𝑓 𝑏 Wir erhalten also die Simpson-Regel. Wie wir wissen haben die Trapezsummen ein Restglied von 𝑂(ℎ2 ) und die Simpson-Regel ein Restglied von 𝑂(ℎ4 ). Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 23 Fazit Die Newton-Cotes Formeln sind das einfachste und üblichste Verfahren zur numerischen Integration. Allerdings neigen die NC-Formeln für größere Stützstellenzahl zu numerischer Instabilität und man verwendet daher die zusammengesetzten NC-Formeln. Die Genauigkeit und die Effizienz des Verfahrens kann durch adaptive Stützstellenwahl weiter gesteigert werden. Extrapolationsmethoden können verwendet werden um die Ordnung eines Verfahrens zu bestimmen, den Fehler oder aber eine verbesserte Lösung. Als Beispiel für ein Extrapolationsverfahren haben wir das Romberg Verfahren besprochen. Numerische Mathematik II Herbsttrimester 2012 24