12.4.2011 Predigt zu Kolosser 2,3 von Pfr. Dr. Thomas Olickal

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Predigt zu Kolosserbrief 2, 3
Pfarrer Dr. Thomas Olickal
Liebe Studentinnen und Studenten, lieber Reinhard,
Das neue Semester hat schon angefangen. Der Alltag beginnt wieder mit
dem Leben des Studiums.
Die Gedanken sind mächtig. Gedanken können uns zur Erkenntnis und
Weisheit führen. Gedanken können uns zur Nichtigkeit und Sinnlosigkeit
führen. Gedanken können uns erheben aber auch niederreißen. Man kann
göttlichen, kreativen, friedlichen, gewaltlosen Gedanken folgen. Man kann
auch atheistischen, destruktiven, friedlosen Gedanken folgen. Welche Art
des Denkens folge ich? Davon hängt die Qualität und Ausstrahlung unseres
Lebens ab. Wir sitzen hier in dieser Kapelle, um diese Gedanken nicht
einfach alleine mit uns zu führen, sondern wir wollen uns von Gott anregen
lassen, von ihm Weisheit und Erkenntnis empfangen.
Für diese Gedanken wird uns ein Wort aus dem Kolosserbrief mitgegeben,
das uns als neuer Semesterspruch begleiten soll: In Christus liegen
verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.
Sehr deutlich spricht hier der Apostel Paulus, dass wir in Christus alle
Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen finden können. Als
erstes werden wir natürlich kritisch. Wozu alle Wissenschaften, wozu
Diskussionen und Gespräche auf allen Ebenen, warum Theorien und
Gedankenspiele, wenn es scheinbar ausreicht auf Christus zu schauen?
Können wir unsere Wissenschaftler nach Hause schicken und werden
einfach alle zu Bibellesern?
Ersteres möchte ich verneinen, letzteres bejahen.
Natürlich können wir Wissenschaft nicht einfach beiseite schieben, das will
auch Paulus nicht. Wir brauchen die Wissenschaft, wir brauchen die
menschlichen Möglichkeiten, um die Dinge dieser Welt voranzubringen. Die
Welt ist auf Entwicklung angelegt und so gilt es diese Entwicklung auch zu
fördern mit unseren menschlichen Möglichkeiten, auf der Suche nach
neuen Entdeckungen und Erkenntnissen. Nur so lassen sich viele
Probleme der Welt lösen.
Nur gilt es gleichzeitig auch zu sehen, dass menschliche Weisheit und
Erkenntnis immer nur begrenzte Ausschnitte dieser Welt beschreiben
können. Das zeigt die Wissenschaft an sich jeden Tag neu. Immer wenn
neue Erkenntnisse geliefert werden, werden ältere Erkenntnisse als nicht
mehr gültig angesehen. Z.B. die Entdeckung des Atoms, für heutige Zeiten
etwas selbstverständliches, vor 150 Jahren noch unvorstellbar. Die
Wissenschaft meinte, das Atom ist das kleinste Teilchen dieser Erde,
musste jedoch entdecken, dass man auch dieses spalten kann und
dadurch die Atomenergie und die Atombombe herstellen kann. Wer weiß,
was uns auf diesem Gebiet noch alles überraschen wird.
Und so könnte man auf verschiedensten Gebieten der menschlichen
Forschung viele Beispiele anführen, um die Veränderung und Entwicklung
von menschlichen Gedanken zu zeigen, um deutlich zu machen, wo das
menschlich-wissenschaftliche Denken an seine Grenzen kommt und nie
endgültig angesehen werden kann. Das hat Konsequenzen für viele
Bereiche des Lebens: sei die Frage des Atomkraftwerks, der
Genforschung, der Klimaveränderung und vieler anderer Bereiche, die
immer wieder in die Diskussion geraten. Wir müssen uns sehr deutlich
machen: es gibt in all diesen Erkenntnisbereichen keine endgültigen
Antworten, keine letztgültigen Beweise, keine unüberholbaren
Erkenntnisse. Alles kann auch wieder in Frage gestellt werden und wird ja
auch in Frage gestellt.
Dies geschieht sehr oft auch von Menschen, die nach den ethischen
Grundlagen fragen, nach dem, was für den Umgang mit der Welt gut und
richtig ist. An diesem Punkt sehe ich die Worte des Apostels Paulus als
große Erleuchtung: In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit
und der Erkenntnis. Ich sehe in dem Schatz, von dem hier die Rede ist,
alles das, was für das menschliche Wohl, die Entfaltung des Abbildes
Gottes, das friedliche Zusammenleben, das Wohl der Seele und die ewige
Bestimmung der Menschen in und durch Christus. Darum habe ich vorhin
auch gesagt, dass ich es bejahe, dass wir alle zu Bibellesern werden. Denn
wenn dieser Schatz verborgen ist, dann müssen wir ihn suchen, dann
müssen wir uns auf den Weg machen, ihn immer wieder zu entdecken. Das
heißt für uns, dass wir Weisheiten und Erkenntnisse an dem zu messen
haben, was Christus in der Welt getan hat, was er in die Welt gebracht hat.
Vielleicht kann man das an einem aktuellen Beispiel deutlich machen. Vor
einigen Jahren z.B. hat das englische Parlament beschlossen, dass
menschliche Gene geklont werden dürfen, also künstlich vermehrt werden
dürfen, um daraus gewonnene sogenannte Stammzellen für medizinische
Zwecke zu gewinnen. Auf der einen Seite steht da der Wunsch, Menschen
von Krankheiten zu befreien. Auch von Jesus wird dies erzählt, auch er hat
Krankheiten geheilt. Das heißt ja dann auch, dass Krankenheilung im Sinne
Gottes ist, dass es ein wichtiger Dienst der Wissenschaft ist. Gleichzeitig
aber weist Jesus in seinem Tun darauf hin, dass jeder Mensch ein
bedeutsames und unverwechselbares Individuum ist. Das menschliche
Lebensrecht liegt nicht in der Hand der Menschen, sondern in der Hand
Gottes, denn von ihm geht die Macht des Lebens aus. Hat dann der
Mensch das Recht, Leben zu zeugen, um es für andere Sterben zu lassen?
Ist der Wunsch nach Gesundheit des einen eine Rechtfertigung für den Tod
eines anderen, auch wenn diese Wesen noch nichts Menschliches haben?
Die Weisheit, dass das Leben ein Geschenk Gottes ist und nicht in unserer
Verfügung steht, liegt in Christus verborgen und muss von ihm her in das
Tun der Menschen einbezogen werden. Und in diesem Leben Jesu, das ja
auch von Leid begleitet war, bis hin zum Tod am Kreuz, bringt auch die
Erkenntnis, dass es kein ewiges Leben in dieser Welt gibt. Leid, Krankheit,
Tod sind Bestandteile dieses Lebens. Der Mensch muss dies auch positiv
annehmen lernen und bewältigen. Nach Erkenntnissen zu suchen, wie Leid
und Krankheit gemildert werden können ist das eine. Mit welchen Methoden
ist das andere. Der Mensch muss inmitten aller menschlicher Möglichkeiten
immer wieder erkennen, dass sein Leben nicht in der menschlichen Macht
liegt, sondern in Gottes Macht. „In deine Hände befehle ich meinen Geist“,
sagt Jesus am Kreuz. Menschen sind nicht nur für dieses irdische Leben
bestimmt, sondern für das ewige Leben. Die Auferstehung Jesu und seine
Himmelfahrt sind die Garantie dafür.
Liebe Studentinnen und Studenten, als erstens, die Worte des Paulus
fordern uns auf, die verborgenen Schätze und Erkenntnisse immer wieder
neu zu suchen. Sie liegen nicht einfach offenbar da, sondern wir müssen
sie nachdenklich, sehnsüchtig und mit Mühe aufheben, indem wir unser
Leben mit der biblischen Botschaft in Beziehung setzen. Es gilt das Leben
Jesu, sein Reden, sein Handeln und sein Lebensziel immer wieder neu zu
bedenken und unser Tun im Alltag darauf zu beziehen.
Als zweitens, die Worte des Paulus fordern uns auf, dass wir kritischer mit
den Erkenntnissen und Weisheiten der Welt umgehen sollten. Wir mögen
nicht an den Hebeln der Macht sitzen, aber wir haben durch unser
Verhalten, durch Unterstützung oder Nicht-Unterstützung von
Verantwortungsträgern die Möglichkeit unsere Weisheit und Erkenntnis
weiterzutragen. Wir sollen prüfen, was Christus für uns Menschen will, das
würde an manchen Stellen schon vieles verändern.
In Christus liegen verborgen die Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.
Er ist die göttliche Weisheit in Person. Er ist unser Friede. Seine Botschaft
und seine geistliche Gegenwart bereichern das Wohl unseres Lebens. Er
ist der Bezugspunkt allen Denkens und Handelns. Ihm zu folgen in allem,
was wir tun, ist der Weg der Erleuchtung. Amen.
Pfr. Dr. Thomas Olickal
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