Predigt zu Kolosserbrief 2, 3 Pfarrer Dr. Thomas Olickal Liebe Studentinnen und Studenten, lieber Reinhard, Das neue Semester hat schon angefangen. Der Alltag beginnt wieder mit dem Leben des Studiums. Die Gedanken sind mächtig. Gedanken können uns zur Erkenntnis und Weisheit führen. Gedanken können uns zur Nichtigkeit und Sinnlosigkeit führen. Gedanken können uns erheben aber auch niederreißen. Man kann göttlichen, kreativen, friedlichen, gewaltlosen Gedanken folgen. Man kann auch atheistischen, destruktiven, friedlosen Gedanken folgen. Welche Art des Denkens folge ich? Davon hängt die Qualität und Ausstrahlung unseres Lebens ab. Wir sitzen hier in dieser Kapelle, um diese Gedanken nicht einfach alleine mit uns zu führen, sondern wir wollen uns von Gott anregen lassen, von ihm Weisheit und Erkenntnis empfangen. Für diese Gedanken wird uns ein Wort aus dem Kolosserbrief mitgegeben, das uns als neuer Semesterspruch begleiten soll: In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. Sehr deutlich spricht hier der Apostel Paulus, dass wir in Christus alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen finden können. Als erstes werden wir natürlich kritisch. Wozu alle Wissenschaften, wozu Diskussionen und Gespräche auf allen Ebenen, warum Theorien und Gedankenspiele, wenn es scheinbar ausreicht auf Christus zu schauen? Können wir unsere Wissenschaftler nach Hause schicken und werden einfach alle zu Bibellesern? Ersteres möchte ich verneinen, letzteres bejahen. Natürlich können wir Wissenschaft nicht einfach beiseite schieben, das will auch Paulus nicht. Wir brauchen die Wissenschaft, wir brauchen die menschlichen Möglichkeiten, um die Dinge dieser Welt voranzubringen. Die Welt ist auf Entwicklung angelegt und so gilt es diese Entwicklung auch zu fördern mit unseren menschlichen Möglichkeiten, auf der Suche nach neuen Entdeckungen und Erkenntnissen. Nur so lassen sich viele Probleme der Welt lösen. Nur gilt es gleichzeitig auch zu sehen, dass menschliche Weisheit und Erkenntnis immer nur begrenzte Ausschnitte dieser Welt beschreiben können. Das zeigt die Wissenschaft an sich jeden Tag neu. Immer wenn neue Erkenntnisse geliefert werden, werden ältere Erkenntnisse als nicht mehr gültig angesehen. Z.B. die Entdeckung des Atoms, für heutige Zeiten etwas selbstverständliches, vor 150 Jahren noch unvorstellbar. Die Wissenschaft meinte, das Atom ist das kleinste Teilchen dieser Erde, musste jedoch entdecken, dass man auch dieses spalten kann und dadurch die Atomenergie und die Atombombe herstellen kann. Wer weiß, was uns auf diesem Gebiet noch alles überraschen wird. Und so könnte man auf verschiedensten Gebieten der menschlichen Forschung viele Beispiele anführen, um die Veränderung und Entwicklung von menschlichen Gedanken zu zeigen, um deutlich zu machen, wo das menschlich-wissenschaftliche Denken an seine Grenzen kommt und nie endgültig angesehen werden kann. Das hat Konsequenzen für viele Bereiche des Lebens: sei die Frage des Atomkraftwerks, der Genforschung, der Klimaveränderung und vieler anderer Bereiche, die immer wieder in die Diskussion geraten. Wir müssen uns sehr deutlich machen: es gibt in all diesen Erkenntnisbereichen keine endgültigen Antworten, keine letztgültigen Beweise, keine unüberholbaren Erkenntnisse. Alles kann auch wieder in Frage gestellt werden und wird ja auch in Frage gestellt. Dies geschieht sehr oft auch von Menschen, die nach den ethischen Grundlagen fragen, nach dem, was für den Umgang mit der Welt gut und richtig ist. An diesem Punkt sehe ich die Worte des Apostels Paulus als große Erleuchtung: In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. Ich sehe in dem Schatz, von dem hier die Rede ist, alles das, was für das menschliche Wohl, die Entfaltung des Abbildes Gottes, das friedliche Zusammenleben, das Wohl der Seele und die ewige Bestimmung der Menschen in und durch Christus. Darum habe ich vorhin auch gesagt, dass ich es bejahe, dass wir alle zu Bibellesern werden. Denn wenn dieser Schatz verborgen ist, dann müssen wir ihn suchen, dann müssen wir uns auf den Weg machen, ihn immer wieder zu entdecken. Das heißt für uns, dass wir Weisheiten und Erkenntnisse an dem zu messen haben, was Christus in der Welt getan hat, was er in die Welt gebracht hat. Vielleicht kann man das an einem aktuellen Beispiel deutlich machen. Vor einigen Jahren z.B. hat das englische Parlament beschlossen, dass menschliche Gene geklont werden dürfen, also künstlich vermehrt werden dürfen, um daraus gewonnene sogenannte Stammzellen für medizinische Zwecke zu gewinnen. Auf der einen Seite steht da der Wunsch, Menschen von Krankheiten zu befreien. Auch von Jesus wird dies erzählt, auch er hat Krankheiten geheilt. Das heißt ja dann auch, dass Krankenheilung im Sinne Gottes ist, dass es ein wichtiger Dienst der Wissenschaft ist. Gleichzeitig aber weist Jesus in seinem Tun darauf hin, dass jeder Mensch ein bedeutsames und unverwechselbares Individuum ist. Das menschliche Lebensrecht liegt nicht in der Hand der Menschen, sondern in der Hand Gottes, denn von ihm geht die Macht des Lebens aus. Hat dann der Mensch das Recht, Leben zu zeugen, um es für andere Sterben zu lassen? Ist der Wunsch nach Gesundheit des einen eine Rechtfertigung für den Tod eines anderen, auch wenn diese Wesen noch nichts Menschliches haben? Die Weisheit, dass das Leben ein Geschenk Gottes ist und nicht in unserer Verfügung steht, liegt in Christus verborgen und muss von ihm her in das Tun der Menschen einbezogen werden. Und in diesem Leben Jesu, das ja auch von Leid begleitet war, bis hin zum Tod am Kreuz, bringt auch die Erkenntnis, dass es kein ewiges Leben in dieser Welt gibt. Leid, Krankheit, Tod sind Bestandteile dieses Lebens. Der Mensch muss dies auch positiv annehmen lernen und bewältigen. Nach Erkenntnissen zu suchen, wie Leid und Krankheit gemildert werden können ist das eine. Mit welchen Methoden ist das andere. Der Mensch muss inmitten aller menschlicher Möglichkeiten immer wieder erkennen, dass sein Leben nicht in der menschlichen Macht liegt, sondern in Gottes Macht. „In deine Hände befehle ich meinen Geist“, sagt Jesus am Kreuz. Menschen sind nicht nur für dieses irdische Leben bestimmt, sondern für das ewige Leben. Die Auferstehung Jesu und seine Himmelfahrt sind die Garantie dafür. Liebe Studentinnen und Studenten, als erstens, die Worte des Paulus fordern uns auf, die verborgenen Schätze und Erkenntnisse immer wieder neu zu suchen. Sie liegen nicht einfach offenbar da, sondern wir müssen sie nachdenklich, sehnsüchtig und mit Mühe aufheben, indem wir unser Leben mit der biblischen Botschaft in Beziehung setzen. Es gilt das Leben Jesu, sein Reden, sein Handeln und sein Lebensziel immer wieder neu zu bedenken und unser Tun im Alltag darauf zu beziehen. Als zweitens, die Worte des Paulus fordern uns auf, dass wir kritischer mit den Erkenntnissen und Weisheiten der Welt umgehen sollten. Wir mögen nicht an den Hebeln der Macht sitzen, aber wir haben durch unser Verhalten, durch Unterstützung oder Nicht-Unterstützung von Verantwortungsträgern die Möglichkeit unsere Weisheit und Erkenntnis weiterzutragen. Wir sollen prüfen, was Christus für uns Menschen will, das würde an manchen Stellen schon vieles verändern. In Christus liegen verborgen die Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. Er ist die göttliche Weisheit in Person. Er ist unser Friede. Seine Botschaft und seine geistliche Gegenwart bereichern das Wohl unseres Lebens. Er ist der Bezugspunkt allen Denkens und Handelns. Ihm zu folgen in allem, was wir tun, ist der Weg der Erleuchtung. Amen. Pfr. Dr. Thomas Olickal