Marketingstrategie Marketing für ökologisches Bauen und Wohnen Wohngebäude privater Haushalte haben hinsichtlich des Ausstoßes von CO2 einen beträchtlichen Anteil. Niedrigenergiehäuser können zur Einsparung von Energie und Minderung des CO2 Ausstoßes erhebliche Beiträge leisten. Wer ist aber für diese Art des ökologischen Bauens ansprechbar und welche Aspekte sind für das Marketing bzw. die Kommunikation für ökologisches Bauen wichtig? • • • • • • • • Vor dem Hintergrund sinkender Energiepreise spielt die Einsparung von Energie keine zentrale Rolle für die Konsumenten. Produktangebote müssen zielgruppen- oder lebensstilgerecht "verpackt" werden. Ökologische Motive sind mit anderen Motiven zu Motivallianzen zusammenzufassen, um mehrere Lebensstile zu erreichen. Marketing von Niedrigenergiehäusern Ökomarketing Zielgruppenmarketing Kaufmotive Kommunikation Stefanie Winkler Stefanie Winkler ist Mitarbeiterin bei PreussenElektra im Bereich Marketing und betreut das Projekt SynergieHaus. Ulrike Niedergesäß Ulrike Niedergesäß ist Beraterin der imug Beratungsgesellschaft für sozial-ökologische Innovationen mbH, Hannover. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Research und Marketing und Kommunikation in der Energiebranche. Das Markenkonzept hat in den letzten Jahren für den deutschen Handel erheblich an Bedeutung gewonnen (vgl. Jary/Schneider/Wileman, 1999, S. 1ff.). Angesichts der großen ökonomischen Erfolge jener Händler, denen es gelungen ist, sich als Marke in den Köpfen der Kunden zu etablieren, überarbeiten derzeit zahlreiche Unternehmen ihre Betriebstypenmarken-Konzepte. Marketing für ökologisches Bauen und Wohnen Private Haushalte verbrauchen die meiste Energie in der Bundesrepublik - mehr als Industrie oder Verkehr. Dies mag im ersten Augenblick überraschen, vermutet man doch nicht, dass ein Drittel des Endenergieverbrauchs auf Heizung und Warmwasserbereitung entfällt. Somit hat der Gebäudebereich einen zentralen Stellenwert für Energieeinsparung und CO2 Reduktion, ist er doch mit etwa 30 Prozent an den CO2-Emissionen in der Bundesrepublik Deutschland beteiligt. Vor diesem Hintergrund wundert es kaum, dass der Bereich des ökologischen Bauens und Wohnens in Deutschland zur Zeit zunehmend diskutiert wird. Im Baubereich sind hierbei Begriffe wie z.B. Niedrigenergiehaus, ÖkoHaus, Ultra-Haus, SynergieHaus aktuell. Ökologisches Bauen und Wohnen - Was ist darunter zu verstehen? Ökologisches Bauen und Wohnen umfasst den Neubau von Niedrigenergiehäusern, aber auch die energetisch sinnvolle Modernisierung von Gebäuden. Von einem Niedrigenergiehaus ist dann die Rede, wenn die Verbrauchswerte für Heizwärme die Wärmeschutzverordnung von 1995 (WSVO) deutlich unterschreiten (20 - 30%) und die weiterführende, für 2000 geplante Energieeinsparverordnung (EnEV) damit bereits erfüllen. Niedrigenergiehäuser beinhalten mehrheitlich neue Systeme der Haustechnik. Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung, Wärmepumpen, Solar-Anlagen und dezentrale Warmwasserversorgung sind die wichtigsten Produkte dieser Haustechnik. Neben Vorteilen hinsichtlich ökologischer Aspekte ermöglichen Niedrigenergiehäuser einen hohen Wohnkomfort und ein angenehmes Raumklima. Die Baukosten von Niedrigenergiehäusern sind meist höher als die "konventioneller" Häuser. Diese höheren Baukosten machen sich aber nach einigen Jahren durch die geringen Heizkosten bezahlt. Zielgruppen für ökologisches Bauen und Wohnen Für das Marketing von Niedrigenergiehäusern stellt sich die grundlegende Frage, welche Zielgruppen mit dem Thema ökologisches Bauen und Wohnen angesprochen werden können. Deutlich wurde in der Studie "SynergieHaus", dass es sich bei den Käufern von Niedrigenergiehäusern zunächst einmal um ein "typisches" Segment von Hauskäufern handelt, nämlich jüngere Familien mit mittleren und oberen Einkommen (Personen der Altersgruppe zwischen 30 --50 Jahren, überwiegend verheiratet, großer Teil mit Kindern). Deutlich wird zudem, dass das Bildungsniveau des Käufersegments von Niedrigenergiehäusern hoch ist (akademische Mittelschicht). Über die Betrachtung der Soziodemografika hinaus, können auf der Grundlage der Ergebnisse der SynergieHaus-Studie verschiedene "Untersegmente" oder "Lebensstilgruppen" der Käufer von Niedrigenergiehäusern differenziert werden. Sie unterscheiden sich hinsichtlich bestimmter Wertüberzeugungen, Vorlieben, Abneigungen oder typischer Aktivitäten. Nämlich: Die moralisch Umweltorientierten: Für dieses Segment spielen neben ökologischen Werten soziale Werte eine wichtige Rolle. Allerdings werden die deutlich ausgeprägten Wertauffassungen nicht allzu konsequent in eigenes Handeln überführt. Zu beobachten ist eine gewisse Distanz zur Welt der Technik und zu technischen Lösungen. Umweltschutz und sozialpolitische Anliegen werden eher emotional und moralisch als strategisch-praktisch gesehen und angegangen. Die technisch-praktisch Umweltorientierten: Umweltschutz und Energiesparen werden von dieser Gruppe als wichtige gesellschaftspolitische Ziele betrachtet. Es werden zahlreiche Möglichkeiten gesehen, durch eigenes Handeln Beiträge zum Umweltschutz zu leisten. Technik und technische Lösungen üben auf diese Personengruppe ein starke Anziehungskraft aus, darüber hinaus ist die Aufgeschlossenheit für technische und praktische Innovationen hoch. Insgesamt ist dieses Segment sehr praktisch veranlagt. Die wirtschaftlich Erfolgsorientierten: Umweltschutz und Energiesparen haben in diesem Segment einen relativ geringen Stellenwert. Familie sowie beruflicher Erfolg sind dagegen die dominanten Lebenswerte. Produkt- und Dienstleistungsangebote werden vorrangig hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Machbarkeit und der daraus entstehenden finanziellen Belastung beurteilt. Deutlich wird bei Betrachtung der Lebensstile, dass für eine große Mehrheit von Käufern von Niedrigenergiehäusern Umweltbewusstsein und Energiesparen eine wichtige Rolle spielen - wenn auch nicht als beherrschende Motive. Der Umweltaspekt ist nicht das zentrale Motiv Dass ökologische Motive nicht für sich genommen zur Tat gedrängt und somit zum Kauf eines Niedrigenergiehauses geführt haben, wurde in der SynergieHaus-Studie auch an den von den Käufern beschriebenen Kaufmotiven deutlich. Auf die Frage nach dem wichtigsten Motiv für den Kauf eines Niedrigenergiehauses in der Vorkaufphase bezeichnete der Großteil der Käufer den geringen Energieverbrauch des Hauses und damit die geringen Energiekosten. Weiterhin wurden in der Vorkaufphase hinsichtlich des Niedrigenergiehauses Gesundheitsaspekte und die moderne Technik als Kaufmotive genannt. Darüber hinaus können als Kaufmotive die Aspekte angenommen werden, die allgemein für den Kauf eines Hauses von Bedeutung sind wie der Wunsch, sich ein eigenes Heim zu schaffen, Kindern zuträglichere Möglichkeiten des Aufwachsens zu bieten und/oder ein höherer Wohnkomfort. Der in verschiedenen Zusammenhängen diskutierte Befund, dass ökologisch relevantes Handeln von einem ganzen Set situativer und motivationaler Bedingungen abhängt, wobei das Umweltbewusstsein, etwa im Sinne ökologisch-moralischer Überzeugungen, für sich genommen eine nur schwache Triebkraft des Handelns ist und i.d.R. an andere Motive gekoppelt sein muss, um handlungsrelevant zu werden, wird somit für den Bereich ökologischen Bauens noch einmal bestätigt. Würde man in der Kommunikation zu ökologischem Bauen und Wohnen ökologische Motive in den Vordergrund rücken oder sogar am Umweltbewusstsein appellieren, so würde dieses zu kurz greifen. Sinnvoller ist es daher, sogenannte Motivallianzen anzusprechen. Kommunikation rund um ökologisches Bauen und Wohnen - was zählt? Motive, die für die Kommunikation von Niedrigenergiehäusern bzw. für die Kommunikation rund um ökologisches Bauen und Wohnen von Bedeutung sind, kristallisieren sich aus der Beurteilung der Niedrigenergiehäuser durch ihre Bewohner heraus. Nach einer längeren Wohndauer in Niedrigenergiehäusern wird deutlich, dass spezifische Eigenschaften des Niedrigenergiehauses als besonders positiv bzw. als besonders erwähnenswert beurteilt werden. Eigenschaften, die zusätzlich zu den in der Vorkaufphase als zentral beschriebenen Kaufmotiven an Bedeutung gewinnen und teilweise nach längerer Wohndauer im Haus höher bzw. wichtiger bewertet werden. Zu beobachten ist hinsichtlich dieser verschiedenen - als positiv betonten - Aspekte eine gewisse Ambivalenz: auf der einen Seite spielen (kognitive) Vernunftaspekte eine große Rolle, auf der anderen Seite sind aber auch emotional geprägte Aspekte von Bedeutung. Argumente, die auf der Grundlage der Ergebnisse der SynergieHaus-Studie für die Kommunikation rund um ökologisches Bauen und Wohnen einen zentralen Stellenwert einnehmen, sind: Finanzielles Sparinteresse Der geringe Energieverbrauch eines Niedrigenergiehauses und die damit verbundenen Energiekosten spielen für die Kommunikation rund um ökologisches Bauen und Wohnen eine zentrale Rolle. Obwohl der Umweltaspekt von vielen Bewohnern von Niedrigenergiehäusern betont wurde, so ist doch das ökonomische Argument hinsichtlich des Energieverbrauchs stärker, wobei zu beachten ist, dass sich diese beiden Aspekte nicht entgegenstehen. Annehmlichkeit des Wohnens Ein wichtiger Aspekt der Kommunikation rund um das ökologisches Bauen und Wohnen ist die Annehmlichkeit des Wohnens in einem Haus, das mit moderner Haustechnik ausgestattet ist. So macht z.B. eine kontrollierte Lüftungsanlage das manuelle Lüften durch Öffnen der Fenster weitestgehend überflüssig. Ein Aspekt, der von den Bewohnern der SynergieHäuser deutlich als sehr positive Eigenschaft ihres Hauses hervorgehoben wird. Obwohl mit der modernen Haustechnik auch ein gewisser Aufwand verbunden ist (Wartung, Pflege), wiegt es in den Augen der SynergieHaus-Bewohner stärker, dass man sich im Alltag nicht um Lüften, Heizung, Temperatureinstellung u.ä. kümmern muss. Behaglichkeit des Wohnens Ein für die Kommunikation rund um ökologisches Bauen und Wohnen überaus bedeutsamer Aspekt ist die Behaglichkeit des Wohnens. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang das angenehme Raumklima und damit das hohe Wohlbehagen im Niedrigenergiehaus - besonders dann, wenn eine kontrollierte Belüftungsanlage vorhanden ist. Dieses ist ein Aspekt, der in der SynergieHaus-Studie für die Bewohner der SynergieHäuser erst nach längerer Wohndauer im SynergieHaus stärker an Bedeutung gewonnen, dann aber für viele Bewohner alle anderen Aspekte dominiert hat. (Auf die Frage, welches Tier die SynergieHaus-Bewohner mit ihrem Haus assoziieren würden, wurden mehrheitlich "Bär" und "Katze" genannt. Begründet wurde dieses vor allem mit "der Wärme im Inneren des Hauses", "Wohlgefühl", "Behaglichkeit", "Gemütlichkeit", "Kuscheligkeit" und "Wärme" im SynergieHaus.) Gesundheit Gesundheitliches Wohlbefinden bzw. eine Verbesserung des gesundheitlichen Wohlbefindens ist ein weiterer Aspekt, der in der Kommunikation für Niedrigenergiehäuser von zentraler Bedeutung ist. In der SynergieHaus-Studie wurde deutlich, dass sich bei einem erstaunlich hohen Anteil (mehr als die Hälfte) derer, die in ein SynergieHaus gezogen sind, das gesundheitlich Wohlbefinden verbessert, z.T. sogar deutlich verbessert hat. Gesundheitliche Verbesserungen wurde vor allem in Bezug auf Erkältungskrankheiten und in Bezug auf Allergieerkrankungen (Allergien allgemein, Heuschnupfen, Stauballergien, Neurodermitis) wahrgenommen. Besonderheit des Wohnens Ein Aspekt, der in der Kommunikation zum Niedrigenergiehaus aufgeführt werden kann, ist die Besonderheit des Wohnens in einem solchen Objekt. Die Ausstattung des Hauses mit moderner Haustechnik macht das Niedrigenergiehaus in den Augen seiner Bewohner häufig zu etwas Besonderem, einem Haus, das doch ein bisschen anders ist als die Norm. So wird das SynergieHaus von seinen Bewohnern als qualitativ hochwertig, als modern, und als etwas Besonderes wahrgenommen. Z.T. wird das SynergieHaus sogar als eine Art Statussymbol betrachtet. Schutz der Umwelt Last but not least ist der Beitrag, den ein Niedrigenergiehaus zum Umweltschutz bzw. zur CO2 Einsparung leistet ein Aspekt für die Kommunikation rund um ökologisches Bauen und Wohnen. Wenn auch von den SynergieHaus-Bewohnern in der SynergieHaus-Studie der Umweltschutz nicht das zentrale, handlungsleitende Motiv für den Kauf des SynergieHauses war, so wird dieser Aspekt doch als besondere Eigenschaft des SynergieHauses gesehen und positiv gewertet. Ein Aspekt, auf den viele der SynergieHaus-Bewohner Wert legen. Dieses sind Aspekte, die für die Kommunikation rund um ökologisches Bauen und Wohnen von Bedeutung sind. Sie treffen die einzelnen Untersegmente/Lebensstile jedoch in unterschiedlich starkem Maße. Alleiniges Betonen einzelner Aspekte kann dazu führen, dass eine Gruppe sich nicht ausreichend angesprochen fühlt. Von daher sollten in der Kommunikation zu ökologischem Bauen und Wohnen mehrere Aspekte herausgestellt werden, um der Vielfältigkeit der potentiellen Zielgruppe zu entsprechen. Zu beachten ist auch, dass einzelne Kommunikationsaspekte, die in einzelnen Segmenten auf Zustimmung stoßen, von anderen deutlich abgelehnt werden. Z. B. ist der Technikaspekt ausgesprochen wichtig für die technisch-praktisch Umweltorientierten, dagegen weniger bedeutend - ja u.U. sogar abschreckend - für die moralisch Umweltorientierten. Auf die Besonderheit und Ausgewähltheit - u.U. im Sinne eines Statussymbols - eines Niedrigenergiehauses zu verweisen spricht die wirtschaftlich Erfolgsorientierten an, trifft aber bei den moralisch Umweltorientierten auf deutliche Ablehnung. Erkenntnisse für das Marketing im Bereich ökologisches Bauen und Wohnen { Energieanwendung und Energiesparen sind für die meisten Menschen keine zentralen Lebensthemen. Gerade vor dem Hintergrund der momentanen Situation - Liberalisierung des Strommarktes, sinkende Strompreise - spielt die Einsparung von Energie eine nur geringe Rolle. Auch bei Angeboten von Produkten oder Dienstleistungen, bei denen man vom ökologischen Standpunkt her "auf der richtigen Seite" ist, muss das Angebot zielgruppengerecht oder lebensstilgerecht "verpackt" werden, um Individuen oder Haushalte dafür anzusprechen. Selbst bei Projekten oder Angeboten, die in einem eindeutig ökologischen Kontext positioniert sind, ist das ökologische Motiv für die Nutzer in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht das handlungstreibende Motiv. Ökologische Motive sind vor diesem Hintergrund mit anderen Motiven wie z.B. finanziellen Sparmotiven, Technik- und Innovationsinteresse, Komfortstreben, Geltungsbedürfnis u.a. zu verknüpfen. Es sind Motivallianzen anzusprechen, um mehrere Lebensstile zu erreichen. Die Studie: 24 regionale und kommunale EVU und die PreussenElektra AG haben 1996 ein spezifisches Förderprogramm - das SynergieHaus-Projekt - initiiert. Im Rahmen dieses Projekts wurden in den Versorgungsgebieten der beteiligten EVU rund 500 Wohneinheiten mit bis zu 12.000 DM gefördert, die die folgenden Fördervoraussetzungen erfüllten: • • • Unterschreitung des Jahres-Heizwärmebedarfs gemäß der Wärmeschutzverordnung von 1995 um mindestens 30%. Einsatz einer mechanischen Lüftungsanlage zur Minimierung der Lüftungsverluste. Mindestanforderungen an die Gebäudedichtigkeit (Blower-Door-Test). Neben der finanziellen Förderung der Bauherren bildete die umfassende Beratung und Unterstützung derselben durch die EVU einen wesentlichen Bestandteil des Projekts. Für das SynergieHaus-Projekts wurde eine Begleitforschung durchgeführt. Diese umfasste zum einen die Erhebung von technischen Messdaten an den SynergieHäusern. Zum anderen wurden im Zeitraum von 1996 - 1999 regelmäßige Befragungen der in den SynergieHäusern lebenden Haushalte durchgeführt. Ziel der Befragungen war es, die Erwartungen vor allem aber die subjektiven Bewertungen und Erfahrungen der Personen und Haushalte zu ermitteln, die sich in dieser Pilotphase für ein SynergieHaus entschieden haben und Alltagserfahrungen in diesen Häusern sammeln. Die hier vorgestellten Zusammenhänge sind zentrale Ergebnisse dieser Studie.