Die größten Unmenschlichkeiten hat man im Namen eines schönen Heilskonzeptes begangen Universale Erlösungsvorstellungen und ihr Hang zum Totalitären Seminararbeit zum Proseminar: „Genderspezifische Aspekte in philosophischtheologischen Fächern“ LVA-Nr.: 222035 Semester: WS 2012/2013 Leiter/Innen: Mag. Dr. Ladner Gertraud, Ass.-Prof. Dr. Regensburger Dietmar Seminarteilnehmerinnen: Name Matrikelnummer: Studienkennzahl: Silvia Vitroler 1015874 033 193 Name Matrikelnummer: Studienkennzahl: Daniela Steger 1015800 033 193 Inhalt 1. Einleitung ................................................................................................................................................... 3 2. Silvia Strahm Bernet – Kurzbiographie ...................................................................................................... 4 3. FAMA ......................................................................................................................................................... 5 3.1. Inspirationen...................................................................................................................................... 6 „Ein Privileg, immer wieder ein Privileg habe ich gewollt“ ........................................................................... 6 4. Werk: ......................................................................................................................................................... 6 4.1. 5. Jesa Christa ........................................................................................................................................ 6 Christologie und Erlösung .......................................................................................................................... 8 5.1. Feministische Christologie aus der Sicht von Doris Strahm .............................................................. 8 Verlangen nach Heilwerden- Frauen aus unterschiedlichen Kulturen sehen Jesus neu........................... 8 6. „Die größten Unmenschlichkeiten hat man im Namen eines schönen Heilskonzeptes begangen“ ....... 10 6.1. Bezüge zu Strobel ............................................................................................................................ 17 7. Diskussionsfragen .................................................................................................................................... 18 8. Unsere Meinung: ..................................................................................................................................... 22 9. Quellenverzeichnis .................................................................................................................................. 22 1. Einleitung Im Seminar „Genderspezifische Aspekte in philosophisch-theologischen Fächern“ beschäftigten wir uns mit dem Artikel „Die größten Unmenschlichkeiten hat man im Namen eines schönen Heilkonzeptes begangen- Universale Erlösungsvorstellungen und ihr Hang zum Totalitären“ von Silvia Strahm Bernet. Wir fanden den Artikel sehr spannend, allerdings war es nicht immer sehr einfach ein Referat über das Thema zu halten, denn über die Biografie der Autorin findet man eigentlich sehr wenig bis gar nichts. Prof. Regensburger gelang es die E-Mail Adresse der Verfasserin des Textes herauszufinden und teilte sie uns mit. Somit hatten wir die Möglichkeit mit ihr persönlich in Kontakt zu treten. In unserer Seminararbeit werden wir über ihre Biographie schreiben, die Zeitschrift „Fama“ vorstellen, bei der sie Mitbegründerin war und auf einen ihrer dortigen Artikel genauer eingehen. Wir werden auch versuchen auf weitere Texte von ihr einzugehen. Außerdem werden wir auch die Themen Christologie und Erlösung behandeln und mit Hilfe von Doris Strahm die feministische Christologie erläutern. In unserer Seminararbeit haben wir uns aber besonders mit ihrem Werk „Die größten Unmenschlichkeiten hat man im Namen eines schönen Heilkonzeptes begangen - Universale Erlösungsvorstellungen und ihr Hang zum Totalitären“ beschäftigt. Deshalb wird dies einen großen Teil der Arbeit einnehmen. Außerdem werden wir auf Regula Strobel eingehen und einen Bezug zu unserem Primärwerk herzustellen. In unserer Arbeit haben wir die Teile, die von Silvia Vitroler geschrieben wurden, kursiv markiert und die Teile, die Daniela Steger schrieb, werden normal abgebildet. Die von uns gemeinsam verfassten Teile erhalten zur Verdeutlichung, eine andere Schriftart. 2. Silvia Strahm Bernet – Kurzbiographie Silvia Strahm Bernet ist am 6.11.1955 in Zürich geboren. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Nach dem Gymnasium studierte sie katholische Theologie in Luzern. 1981 schließt sie mit einer Lizenziats Arbeit (Doktorat) zum Thema „Feministische Theologie – ein Überblick“ ab. Anschließend führt sie Tätigkeit in folgenden Bereichen aus: Sie hatte eine freiberufliche Arbeit im Bereich Erwachsenenbildung. Dazu gehören Kurse, Studienwochen und Vorträge zum Thema Feministische Theologie. Sie war in der Publizistik tätig: 5 Jahre veröffentlichte sie monatliche Kolumnen bei einer Luzerner Tageszeitung (Neue Luzerner Zeitung). Außerdem schrieb sie Kolumnen und Artikel in diversen theologischen und nichttheologischen Zeitschriften. Sie war eine der Gründerinnen und Mitherausgeberinnen der FAMA (feministischtheologische Zeitschrift) und während der ersten 20 Jahre Mitredaktorin derselben. Sie schrieb das Buch „Kopfüber in den Tag. Ein kleines ABC für Alltagsdenkerinnen“, das 1992 im Exodusverlag, Luzern erschienen ist. Dieses Buch befasst sich mit der Frage: „Was ist eine Alltagsdenkerin? Das ist zum Beispiel eine, die sich mit Denken im Alltag über Wasser hält, eine, die trotz täglicher Sysiphosarbeit mit Kindern und Küche das Alltägliche durchaus nicht bloß alltäglich findet, eine, die beim Abwaschen auch einmal über das Verschwinden von Utopien nachdenkt. Sie ist eine «oiko»nomisch geschulte Expertin des Vorläufigen, die Absolutheitsansprüchen mit der ihnen gebührenden Respektlosigkeit begegnet, kurz gesagt eine, die systematische Entwürfe weltklärender Theorien aufgibt zugunsten des Versuches, sich aus Bruchstücken alltäglicher Erfahrung etwas mehr Klarheit über das zu verschaffen, was sich sehr vereinfachend «Leben» nennt.“1 Silvia Strahm Bernet verfasste auch Radio- und Fernsehbeiträge und war Mitglied des „Trio Literal“ – einer Radiosendung des Schweizer Radios im Bereich Belletristik. 5 Jahre lang war sie Mitleiterin der Frauenkirchenstelle Zentralschweiz. Seit 2000 ist sie in der Benutzungsabteilung der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern tätig und seit Herbst 2011 Standortverantwortliche für den Bibliotheksstandort Sempacherstraße. 1 http://www.rexbuch.ch/index.php?action=product_show&var=201&PHPSESSID=a9c2a4cb7a00e80bf8104dda687cac0c (Stand: Dezember 2012) 3. FAMA Die feministisch-theologische Zeitschrift der Schweiz Autonom seit 1985 Die ersten Schritte Drei katholische feministische Theologinnen, Carmen Jud, Silvia Strahm Bernet und Doris Strahm, gründeten eine Organisation von feministischen Theologinnen in der Schweiz. Sie wollten ihre Interessen und Forderungen gegenüber einer patriarchalen Institution wie der Kirche vertreten. 1983-1985 erschien ein Bulletin mit Informationen, feministischtheologischen Gedanken- und Erfahrungsaustausch viermal im Jahr. 1985 wurde es dann eine richtige Zeitschrift. Die FAMA ist die erste und bis heute einzige autonome feministisch-theologische Zeitschrift der Schweiz. Der Name kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Gerücht, öffentliche Meinung, Rede, guter oder schlechter Ruf. So wollten sich die Herausgeberinnen auch einmischen in die öffentliche Diskussion und Themen behandeln, die in der Männerpresse keinen Platz hatten. Mit der Zeit wechselte das Redaktionsteam und es kamen jüngere Frauen dazu. Gleichzeitig strebte man das Gleichgewicht zwischen katholischen und reformierten Theologen an. Mittlerweile gibt es die FAMA schon mehr als 25 Jahre und das kann als wirkliches Erfolgsprojekt gedeutet werden. Diese Zeitschrift wird ausschließlich aus Abos und Spenden finanziert. Die Redakteurinnen arbeiten weiterhin mit viel Lust und Engagement aus feministischer Sicht an gesellschaftspolitischen und theologischen Themen.2 2 Vgl. http://www.fama.ch/ (Stand: Dezember 2012) 3.1. Inspirationen „Ein Privileg, immer wieder ein Privileg habe ich gewollt“ Silvia Strahm schreibt von unserer heutigen Kultur und dass wir gelernt haben, dass wir erwarten können glücklich zu sein. Wir sprechen nicht von Gnade, setzen sie aber voraus. Der große Schmerz, wie Hunger, Krieg, Folter usw. ist immer Angelegenheit der andern. Tschernobyl hat uns vielleicht etwas aufgerüttelt, dass es auch uns treffen kann. Doch wir wollen nicht nur davonkommen, wir wollen glücklich sein und dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen. Wir glauben in unserer Kultur ist alles machbar. z.B. schimpfen wir über Mediziner und sagen die wissen doch nichts, doch wenn es darum geht den Krebs im Körper des Menschen zu entfernen, denken wir, dass die Mediziner doch etwas machen könnten. Also glauben wir doch an die Heilung der Medizin. Wir wollen das Privileg des Gelingens. Wir sind unfähig das zu akzeptieren, was wir denkend entwerfen und hätten also die unangenehme und schwere Lektion zu lernen, dass „der Mensch erst anfängt, wo sein eigener Vorteil aufhört.“3 4. Werk: Ihr Werk besteht vor allem publizistische Arbeiten zu diversen theologischen und nichttheologischen Fragestellungen. Ich möchte nun kurz auf ihr Werk „Jesa Christa“ eingehen, das sich im Buch „Vom Verlangen nach Heilwerden“ befindet. 4.1. Jesa Christa Pfarrer X beantwortet folgende Frage die gestellt wurde: „Ich habe letzthin in einer Zeitung gelesen, daß man in einer Kirche in den USA ein Kreuz installiert hat, an dem ein weiblicher Christus hing. Darf man so etwas? Ist das nicht Häresie?“4 Pfarrer X betont, dass Jesus zwar rein theoretisch auch eine Frau hätte sein können. Doch in einer patriarchalen Welt konnte der Erlöser keine Frau sein, denn Jesus ist 3 Fama Nr. 4 Dezember 1986 Strahm Bernet, Silvia, Jesa Christa, in: Strahm, Doris / Strobel, Regula (Hg.), Vom Verlangen nach Heilwerden. Christologie in feministsch-theologischer Sicht. Fribourg/Luzern 1991,S.172. 4 herumgereist, war mit anderen Männern zusammen, hat in fremden Häusern geschlafen… Wäre er eine Frau gewesen, hätte man sie „für verrückt gehalten oder […]für eine Prostituierte.“5 Außerdem wird durch die Menschwerdung Gottes alles umgedreht. „Jesus der Mann, kehrt das Unterste zuerst. Jesa, die Frau, wäre immer schon unten“6 gewesen und hätte sich nicht freiwillig nach unten begeben können. Jesus aber ist freiwillig aus dem Boot von Macht und Privilegien ausgestiegen. Auf die Ausführung des Pfarrers schreibt Frau T. einen Leserbrief. Sie betont, dass man genügend Zeit brauche um in den Irritationen (Jesa Christa) den positiven Inhalt zu erkennen. Sie schriebt, dass das Bild der Jesa Christa „als Sichtbarmachung und als Richtigstellung, als Verdeutlichung“7 gedacht ist, „daß im Mann, nicht bruchlos der Mensch, also auch die Frau zu sehen ist, [und] dass das Leben und die Opferung von Frauen, aber auch ihre Erlösungserfahrungen, wenn sie nicht eigens benannt werden und keine eigene Form der Vergegenwärtigung finden, Gefahr laufen, nicht wirklich wahrgenommen zu werden.“8 „Nur wo Bild und Wort sich zum Symbol verdichten, bleiben Realitäten auf die Dauer präsent.“9 Frauen sind jahrhundertelang damit zurechtgekommen, da sie das Abstraktionsvermögen besitzen „im Besonderen das Allgemeine zu sehen.“10 Nun möchten aber auch Frauen ein eigenes Gesicht für „ihr Selbst, ihre Geschichte, ihre Opferung und […]Auferstehung.“11 „Die Gestalt der Jesa Christa ist ein Versuch in diese Richtung.“12 Sie betont, dass wir mit Gott gemeinsam „auf [die] Erlösung hin kooperieren [sollen].“13 Dafür brauchen wir Symbole, die „für Neuanfänge und die Erneuerung unserer immermüden Hoffnung stehen könnten“14 und die Kraft dem Zerstörenden etwas entgegenzusetzen, „das unseren Wiederstand am Leben erhält. Wir brauchen natürlich mehr als das Symbol einer Jesa Christa, um emotional und religiös zu überleben“15, aber es ist gut, wenn es dabei hilfreich ist. 5 Ebd., S. 173. Ebd., S. 174. 7 Ebd., S. 179. 8 Ebd. 9 Ebd. 10 Ebd., S. 180. 11 Ebd. 12 Ebd. 13 Ebd. 14 Ebd. 15 Ebd. 6 5. Christologie und Erlösung Christologie: Christologie entfaltet die universale Heilsbedeutung Jesu Christi. Sie geht dabei von der Erfahrung der heilenden und verwandelnden Macht und Nähe Gottes aus, die Menschen in der Begegnung mit ihm, gemacht haben und machen. Im Frühchristentum war die Palette der Christologien groß und reichte von der Bestimmung Jesu als eines herausragenden menschlichen Lehrers und Heilers bis zum präexistenten Sohn Gottes. Eine ähnlich bedeutsame Epoche stellt die heutige Zeit dar, in der es darum geht, die Heilsbedeutung des Christusereignisses für ganz unterschiedliche Kultur und Lebenswelten auszulegen. Eine Herausforderung ergibt sich durch die Behauptung einer „absoluten“ Heilsbedeutung Jesu Christi gegenüber konkurrierender Heilsansprüche anderer Religionen. Erlösung: Erlösung als Befreiung von körperlicher oder seelischer Qualen ist zentraler Begriff der Religionsgeschichte und der christlichen Glaubenslehre. Im Christentum findet Erlösung durch Überwindung eines von Schuld, Leid und Tod geprägten Lebens statt und führt zur Vollendung und Erfüllung in einem Leben mit und in Gott. Allerdings kann der Mensch im letzten diese Erlösung nicht selbst herstellen oder leisten weil seine Freiheit endlich ist und noch einmal von der Unendlichkeit der Liebe Gottes umfangen wird. Wenn der Mensch die Vergebung Gottes annimmt und seine Erlösungsbedürftigkeit als Chance ergreift, kann er auch erlöst werden durch die bedingungslose Liebe Gottes.16 5.1. Feministische Christologie aus der Sicht von Doris Strahm Verlangen nach Heilwerden- Frauen aus unterschiedlichen Kulturen sehen Jesus neu Die Christologie aus der Sicht von Frauen setzt „ "unten" [an], beim irdischen bzw. biblischen Jesus, seiner Botschaft und Praxis, wie sie die Evangelien schildern. Diese bieten jedoch keine einzig gültige, einheitliche Deutung der Person Jesu an. Die biblischen Schriften enthalten vielmehr eine Vielfalt unterschiedlicher Bilder und Symbole, mit denen 16 Vgl. Biser, Eugen; Jörns, Klaus-Peter; Hahn, Ferdinand (2003): Lexikon des christlichen Glaubens. München: Pattloch-Verl. die biblischen Autoren die Bedeutung Jesu und seiner Botschaft zu interpretieren versuchten.“17 „Diese biblischen Quellen werden aus der Sicht von Frauen heute mit neuen Augen gelesen und mit den eigenen Erfahrungen, dem eigenen Lebenszusammenhang in Beziehung gebracht.“ 18 „Viele westliche Theologinnen sehen den biblischen Jesus als Befreier der Frauen. Seine patriarchatskritische Praxis habe den diskriminierten Frauen neue Lebensmöglichkeiten eröffnet und in seinen Freundschaften mit Frauen habe er neue, nicht-hierarchische Beziehungen von Austausch und Gegenseitigkeit gelebt.“ 19 Feministische Christologien sind „Ausdruck der Suche von Frauen in verschiedenen kulturellen Kontexten nach einem befreienden Glauben […], in der keiner und keine mehr unterdrückt wird aufgrund der Hautfarbe oder des Geschlechts, in der Leben in Fülle sein wird für alle.“20 Doris Strahm schreibt, dass die christliche Theologie „auf den Exklusivitäts- und Absolutheitsanspruch verzichten [müsste], im Sinne von: außerhalb von Christus gibt es kein Heil. Die Inkarnation Gottes sollte nicht exklusiv [(ausschließlich)] verstanden werden – allein in Jesus Christus ist Gott ein für allemal Mensch geworden, sondern inklusiv, als incarnatio continua: Die Inkarnation Gottes setzt sich fort in all jenen Menschen, Frauen und Männern, die am Reich Gottes mitarbeiten und Gott in die Welt hineintragen.“21 „In der Praxis von Gerechtigkeit und Solidarität wird Gott erfahrbar.“22 Christliche Identität wäre dann etwas, „das immer wieder neu in den verschiedenen Kämpfen für die Vision vom Reich Gottes artikuliert, geformt und geschaffen wird“.23 Doris Strahm glaubt nicht, dass dadurch das christliche Glaubensbekenntnis zu Jesus als dem Christus dann bedeutungslos wird. „Seine Bedeutung verschiebt sich lediglich, da der Glaube von Jesus an Wichtigkeit gewinnt, wie [ihre] Kollegin Manuela Kalsky schreibt: Es geht um die Einladung, nicht an Jesus, sondern mit ihm zu glauben.“24 17 http://www.doris-strahm.ch/Strahm_2_01.pdf Ebd. 19 Ebd. 20 Ebd. 21 Ebd. 22 Ebd. 23 Ebd. 24 Ebd. 18 Doris Strahm betont, dass die „Christopraxie […]Vorrang vor der Christologie“ hat. „Die Christologie muss [also] im Dienste einer befreienden Praxis stehen.“25 „Erlösung ist als ein geschichtlicher Prozess der Befreiung zu verstehen, der sich in der Welt vollzieht“26 „und an dem die Menschen gemeinsam mit Gott […] mitwirken.“27 Diese Sicht von Erlösung „verweist uns auf unsere konkrete Wirklichkeit, auf das Hier und Jetzt als dem Ort, wo wir Befreiung und Heilwerden, "Leben in Fülle" erfahren“. 28 „Diese Erfahrungen verbleiben in der Spannung des "schon" und "noch nicht". Die Verwirklichung des Reiches Gottes steht noch immer aus. Aber sie kann auch nicht einfach passiv erwartet werden: Das Reich Gottes wird heute unter uns geboren, aus unserem Verlangen nach Gerechtigkeit und unserem Einsatz für das Wohlergehen, das Schalom, aller Menschen – Frauen, Männer und Kinder.“29 6. „Die größten Unmenschlichkeiten hat man im Namen eines schönen Heilskonzeptes begangen“ Universale Erlösungsvorstellungen und ihr Hang zum Totalitären Bei diesem Text handelt es sich um einen Briefwechsel zwischen den fiktiven Personen T. und M. M. muss ein Referat zum Thema „Universale Erlösungsvorstellungen und ihr Hang zum Totalitären“ halten und schildert T. ihre Gedanken. Sie erwartet sich durch den Briefwechsel eine Hilfe für ihr Referat. Auf die Frage hin, ob sie das Referat als einen Indizienprozess strukturieren soll, antwortet T., dass sie raten würde die Stichworte so nüchtern wie möglich zu ordnen und zu systematisieren. Doch M. findet Nüchternheit und Objektivität bei ihrem Thema nicht passend, denn in ihrem Thema ist die Rede „von unstillbarer Sehnsucht nach Gerettetsein und Heilung“, „von Lebensangst und Heimatlosigkeit von Schulderlösung und Erlösungswahn, aber auch vom Preis, den sie kostet, diese Erlösung und vom Terror, der 25 Ebd. Ebd. 27 Ebd. 28 Ebd. 29 Ebd. 26 sie begleitet“30 und von Emotionen. Rational sind dabei höchstens die Techniken, mit denen man mit diesen Dingen fertig wird. Auch glaubt M., dass hinter den Glaubensvorstellungen und Traktaten sich letztlich der Satz „Ich fürchte mich. Hilf mir!“ 31 und damit das „Eingeständnis der Unfähigkeit, mit sich und den anderen in dieser Welt und angesichts des Todes auf menschlich befriedigende Weise zurechtzukommen“32 versteckt ist. M. sieht den Erlösungswahn als eine „Tarnung für den allgemeinen Mangel an elementarer Lebensbegabung. Sie bemerkt, dass jene, die von Erlösung sprechen, meist „allzubald die Gegenwart aus dem Blick“33 verlieren. Sie verschreiben sich vorbehaltslos dem Glauben und nur das Paradies erfüllt sie mit Erfüllung, sodass es für sie leicht ist sich und andere zu opfern und es spielt keine Rolle mehr, ob das Heil von dieser Welt ist oder nicht. Politische und religiöse Heilslehren sind sich einig, dass der Mensch manchmal zum Glück gezwungen werden muss. Außerdem glauben diese, dass man, um den alleinerlösenden Glauben, zu retten, manchmal zu harten Mitteln greifen muss. M. stellt sich in diesem Hinblick die Frage, warum sich Erlösungsvorstellungen in so starre Systeme verwandeln und ihre Wahrheiten oft als untastbarer gilt, als das Leben der Menschen für deren Glück sie sorgen sollten. T. gibt in ihrem Antwortbrief M. in dem vorher genannten Punkt Recht. Sie betont, dass Menschen zwar gut sein möchten, es ihnen aber nicht gelingen will. Sie bemerkt aber auch, dass die Hoffnung auf Erlösung für die Mehrzahl der Menschen „eine Frage des Überlebens ist.“34 Auch erinnert sie M. daran, dass es in ihrem Thema um den Zusammenhang von universalen Erlösungsvorstellungen und Totalitarismus geht und nicht um Sinn und Nutzen von Erlösungsvorstellungen. Sie betont dass, „Erlösung […] ja nicht nur eine Antwort auf die Erfahrung des Mangels und der Not [ist], sondern ebenso die Erfahrung von Heilwerden, von Kraft, die einem zuwächst und es möglich macht, angesichts der Gebrochenheit von allem, an die Möglichkeit des Gelingens einer Menschenfreundlichen Welt („Reich Gottes“!) letztlich nicht zu zweifeln. Erlösung ist nicht einfach eine Theorie, sondern auch eine Erfahrung von Gnade.“35 30 Strahm Bernet, Silvia, Die größten Unmenschlichkeiten hat man im Namen eines schönen Heilskonzeptes begangen (Inge Merkel) – Universale Erlösungsvorstellungen und ihr Hang zum Totalitären in: Strahm, Doris / Strobel, Regula (Hg.), Vom Verlangen nach Heilwerden. Christologie in feministsch-theologischer Sicht. Fribourg/Luzern 1991, S. 82. 31 Ebd. 32 Ebd. 33 Ebd., S. 83. 34 Ebd., S. 84. 35 Ebd. M. gesteht zwar, in ihrem letzten Brief, zu emotional reagiert zu haben, betont aber, dass es ihr in erster Linie nicht um die positiven Inhalte der Erlösungsvorstellungen geht, sondern um ihre Unheilsgeschichte und darum, „ob nicht Erlösungsvorstellungen, die ihren Geltungsanspruch universalisieren, Gefahr laufen, totalitär zu werden.“36M. geht es um die Theorie und das System und denen die dieses entwickeln. So geht es in ihrem Thema schlussendlich auch um Macht. M. betont, dass es für T. sehr hart sein wird, wenn sie den Begriff totalitär zum Begriff Erlösungsvorstellungen zuordnet, denn es ist schwierig das Christentum bzw. die Kirche den Begriffen Faschismus, Nationalsozialismus oder Stalinismus zuzuordnen. Doch die Kirche hat durch ihre universalen Erlösungsvorstellungen in ihrer Praxis Mittel bedient, die mit denen von totalitären Staaten vergleichbar sind. M. betont, dass es nicht nur „eine Frage der Macht oder des Versuchs einer Großinstitution [sei], sich ihrer Identität zu sichern.“37 Es gibt nicht nur auf der praktischen Verwirklichung eine Veränderung, die in einem schlimmen Zustand gerät, sondern auch die Vorstellungen, wie „z.B. universale Geltungsansprüche, Exklusivität und Einmaligkeit der Erlösung durch Jesus Christus“38, ermöglichen dies. Nur so lässt sich erklären, warum etwas, das „einmal als erlösend und befreiend gedacht wurde, so oft mit Unterdrückung und Tod“39 endet. Entgeht den Menschen dabei das Wichtigste, nämlich die Frage nach dem Preis? M. ärgert es, wenn jemand eine Trennung zwischen erlösender Idee und möglicherweise veränderter Praxis macht und behauptet die veränderte Praxis habe etwas mit dem Verlangen des Menschen nach Macht zu tun, denn damit wird gesagt, dass die Idee nichts, oder nur wenig mit der Praxis zu tun habe. Sartre sagt, dass nur die Taten über das entscheiden, was man gewollt hat, doch es ist schwierig das Wollen am Können zu messen. M. möchte mit all dem nicht sagen, dass die Ideen oder Vorstellungen von Erlösung aufgrund ihrer Praxis wertlos sind, doch findet sie, wird viel zu schnell vom semper peccator gesprochen, sodass man glaubt, die Welt sei grundsätzlich erlöst, praktisch jedoch unverbesserlich. Sie findet, dass dies „nur“ die christliche Variante ist, den Widerspruch zwischen den erlösenden Handel „Gottes in der Welt und der […] Tatsache, daß man es dieser Welt einfach nicht ansieht.“40 Auch stellt sie sich die Frage, „ob totalitäre Mittel nicht im Grunde der letzte Versuch sind, eine Idee, eine Weltdeutung oder eine Erlösungsvorstellung zu verwirklichen[…], die nicht vielversprechend genug scheint, als dass sie auch ohne Zwang durchzusetzen vermöchte. 36 Ebd., S. 85. Ebd., S. 86. 38 Ebd. 39 Ebd. 40 Ebd., S. 87. 37 Totalitarismus wäre also nichts anderes als die Kompensation eines Mangels an Erfolg?“41 M. ist der Meinung, dass die Alternative zu Erfolglosigkeit nicht unbedingt Zwang sein muss, sondern eine Alternative könnte auch sein, „die erlösende Idee anhand der Komplexität praktischer Verwirklichbarkeit zu verändern. Das aber braucht Mut.“42 Und zwar den Mut die Widersprüchlichkeiten zwischen Sein und Sollen auszuhalten, „ohne sie zugunsten des einen oder anderen aufzulösen: Im Feld des Möglichen das Menschenfreundlichste tun.“43 Zum Abschluss dieses Briefes stellt M. noch die Frage, ob sie sich nicht in etwas verrenne. T. antwortet, dass sie das Geschriebene spannend finde, aber nicht ganz verstehe, worum es M. eigentlich gehe und ob ihre These „nicht von Grund auf falsch [sei], weil sie zu abstrakt und zu allgemein frag[e].“44 Dabei betont T., dass Erlösung „keine Theorie, sondern ein Geschehen von Gott her“45 ist. Außerdem macht sie M. darauf aufmerksam, dass sie am Anfang ihres Briefes den Grund für das Totalitäre der Erlösungsvorstellungen in ihrem universalen Geltungsanspruch sah, zum Schluss aber eher in der Erfolglosigkeit erlösender Ideen in der Praxis und fordert sie auf herauszufinden auf was sie bei all dem hinaus möchte. M. geht es bei den universalen Erlösungsvorstellungen nicht um inhaltliche, sondern um strukturelle Ähnlichkeiten. M. hat mit den Formulierungen wie „Heilslehre, Erlösungsvorstellung oder […] Heilsökonomie“ ein Problem, denn das spiegelt für sie eine Idee wider, nicht ein befreiendes Geschehen von Gott her, wie T. behauptet. M. redet von Ideen weil das Christentum keine befreiende Frohbotschaft ist, sondern „für viele vor allem eine Lehre, ein zu glaubender Glaube, ein System weltdeutender Sätze, in denen die Erfahrung […] oft nicht mehr erkennbar und vielleicht unerwünscht ist.“46 M gibt eine Beschreibung was Erlösung christlich bedeutet unter dem Stichwort „Elemente einer systematischen Soteriologie“: „der christl. Glaube begreift Erlösung weder bloß geschichtlich als rückwärtsgewandtes In-Ordnung-Bringen bzw. zukunftsgerichtete ReEvolution der bestehenden Welt…noch als Ausstieg aus der Geschichte in eine weltlose Transzendenz…Das christliche Erlösungsverständnis ist ganzheitlich und dialogisch: 41 Ebd., S. 87. Ebd. 43 Ebd., S. 88. 44 Ebd. 45 Ebd. 46 Ebd., S. 89. 42 Erlösung des ganzen Menschen (mit seiner Welt) durch Gottes Liebe (in Jesu Christi solidarischer Stellvertretung) aus Liebesunfähigkeit und Todverfallenheit zum Verhältnis der freien, aktiven Liebe zu Gott und den Mitgeschöpfen, das in der vollen Gemeinschaft ewigen Lebens mit Christus in Gott seine Vollendung finden wird.“47 Sie findet „das System gepaart mit Exklusivitätsansprüchen und Universalisierungstendenz“ gefährlich. Wenn es der christlichen Verkündigung um „Erschließung und Symbolisierung von Erlösungserfahrung“ ginge, hätte sie eine“ am Menschen orientierte therapeutische Funktion“, dann gäbe es keine Gefahr totalitärer Mentalität. „Universalisiert sie aber eine Erlösungsvorstellung, eine göttliche Heilsökonomie, die sich als Theorie am Menschen […] verifizieren muss, dann wird es […] problematisch.“48 Die beiden Autorinnen sind sich bei der Begrifflichkeit nicht immer einig. T. spricht eher von der therapeutischen Funktion von Erlösungsvorstellungen, M. hingegen von der politischen. M. sucht nach Ansätzen totalitärer Elemente in den Vorstellungen von Erlösung um den Gebrauch totalitärer Mittel in der Praxis zu verstehen. T. hingegen ist „der Meinung, dass der Gebrauch solcher Mittel auch ohne Rechtfertigung durch eine Idee des großen Guten auskommt“, vielleicht genügt nur der „Wille zur Macht“.49 Was für T problematisch erscheint, „ist der kirchlich sehr selbstbewusst vorgetragene exklusive Wahrheitsanspruch, seine unerbittliche Einforderung und die damit verbundene Identifizierung von Glauben und Gehorsam.“ Als Bsp. nennt sie den Herrenmenschen Dyba, der nicht als Hirte, sonder Schäferhund die Herde ab und zu mit Bissen beieinander halten muss. Die Kirche hat sich in der Vergangenheit in annähernd totalitärer Weise etabliert, „auch wenn ihr einige der Mittel totalitärer Staaten damals fehlten“ wie z.B. Massenmedien, Geheimdienst. T. schreibt auch, dass sich die Kirchen den faschistischen Staaten gegenüber „anfänglich wohlwollend“ verhielten und „sich die katholische Amtskirche heute […] wieder absolutistisch präsentiert.“50. Doch glaubt T. nicht, dass die größte Gefahr universaler Erlösungsvorstellungen der Totalitarismus ist, sondern sie sieht 47 Ebd., S. 90. Ebd., S. 91. 49 Ebd., S. 92. 50 Ebd., S. 93. 48 die „Gefahr in einer fundamentalistischen Verengung religiöser Erlösungsbotschaften, […] die totalitäre Züge annehmen […] können“51 M. hat sich mittlerweile ein paar Gedanken gemacht und schreibt ein paar Stichworte und Bemerkungen in den Brief, die ihr wesentlich scheinen. „Fundamentalismus und religiöse Universalitätsansprüche: Religiöse Universalitätsansprüche implizieren ein verbindliches Wissen um die Letztbestimmung des Menschen, um optimale Heilsangebote und eine optimal zwischenmenschliche Praxis.“52 „Alle Religionen sind fundamentalistisch, weil sie erkenntnistheoretisch immer auf Optionen, Traditionen und auf einer Wahl basieren, ihre Wahrheit also nie beweisen können.“53 „Religiöser Fundamentalismus rechnet mit Erkenntnisprivilegien und Wahrheitsmonopol, d.h. er ist gekennzeichnet durch die Vorgabe absoluten Wissens, durch Immunisierung gegen Zweifel und andere Weltdeutungen und durch institutionelle Erzwingung des privilegierten Wahrheitsanspruches.“54 „Christliche Wahrheit wird zu etwas, das durch die Predigt Jesu und der Apostel ‚unmissverständlich und umfassend gegeben war. Es ist nicht mehr zu tun, als diese Wahrheit treu zu wahren, nichts wegzunehmen und nichts hinzuzufügen‘“55. „Religiöser Fundamentalismus ist in diesem Sinne nicht dialogfähig“, „weil er sich a priori immer schon entschieden hat und anstelle des Dialogs Strategien setzt.“56 M. schreibt auch, dass „Fundamentalismus gewiss eine Gegenbewegung zur Aufklärung“ ist. Er ist für jene Menschen, die die „Zumutung der Moderne“, „die Last der Freiheit“ nicht tragen möchten und können und auch für alle, die kein „Interesse daran haben, dass die Frucht der Aufklärung Mündigkeit heißen“57 mag. 51 Ebd. Ebd. 53 Ebd., S. 94. 54 Ebd. 55 Ebd. 56 Ebd. 57 Ebd. 52 Nun kommt M. wieder auf die universalen Erlösungsvorstellungen zurück und fragt sich, ob das Problematische nicht die Voraussetzung ist, dass „die Wahrheit die einzige sein muss, damit sie Wahrheit ist“? Besonders in Verbindung mit einer kirchlichen Praxis, die Wahrheit „als ein für immer und ewig abgeschlossenes Glaubensgut einfach verordnet“. „Die eine Wahrheit ist ein dienliches Werkzeug […] für die Expansion und den Erhalt einer Institution, als auch für die Sicherung der privilegierten Situation ihrer Hüter und Künder.“58 „Totalitarismusgefährdet sind universale Erlösungsvorstellungen vor allem dann, wenn sie einer fundamentalistischen Engführung unterliegen, d.h. nur eine einzige Wahrheit kennen, Erkenntnisprivilegien voraussetzen, Wahrheit dadurch dem Diskurs wie auch der Rechtmäßigkeit des Zweifels entziehen, und allem ein Menschenbild zugrundelegen, das den Menschen Selberdenken und Eigenverantwortung aufgrund mangelnder Wahrheitsfähigkeit nicht zutraut.“59 Außerdem können sie „das Gelingen ihrer Heilsversprechen nicht wirklich garantieren“, „ihre Wahrheit dem Glauben und nicht dem Wissen überantworten müssen und deshalb“60 besonders den Zweifel fürchten. Dadurch dass die Wahrheit an eine einzige historische Person gebunden ist, macht sie sich der Modifizierung unzugänglich. „Wer den Zweifel kennt und ihn zulässt, teilt Macht; wer aber den Zweifel kennt und nicht erträgt, braucht Macht.“61 So glaubt M., „die universalen Erlösungsvorstellungen für Totalitäres anfällig zu machen, die Immunisierung gegenüber dem Zweifel“62. Über Jahrhunderte wurde der Zweifel dämonisiert, „doch ist es immer der Glaube gewesen, der loszog, um zu töten“63. M. fragt sich ob nicht letztendlich die Zweifelnden die Glaubenden sind, denn „sie wissen, dass die Wahrheit unverfügbar“64 und auch ganz anders sein könnte. Als Schlusssatz schlägt T. für M. einen Gedanken von Cioran vor, wobei sie den Begriff Denken durch Glauben ersetzt hat. Es geht darum, „dass man nur glauben soll, was man wirklich glauben kann und nicht, was man sich entschlossen hat zu glauben. Der Glaube 58 Ebd., S. 95. Ebd. 60 Ebd. 61 Ebd. 62 Ebd., S. 96. 63 Ebd., S. 97. 64 Ebd. 59 wird nur Bedeutung und Bestand haben, wenn man dem, was man glauben sollte, überhaupt nicht Rechnung trägt.“65 6.1. Bezüge zu Strobel Feministische Kritik an traditionellen Kreuzestheologien Sünden- und Erlösungsverständnis In den biblischen Texten wird die Sünde oft umschrieben mit „Sein wollen wie Gott“66. Doch Jesus zeigte uns das Gegenteil, er „war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“67. „Was […] als Ursünde der Menschen verstanden wird, trifft aber oft die Lebensrealität“ (S.55) von Frauen nicht, denn ihre Situation ist „eher durch Ohnmacht, Unterwerfung und Ausbeutung charakterisiert“68. Männer laufen Gefahr dem Machtmissbrauch zu verfallen, „weil wir in einer patriarchalen Gesellschaft leben, die solchen Missbrauch billigt und in der vorwiegend Männer die Machtpostionen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft innehaben.“(S.55) Frauen hingegen „opfern“ sich für die Familie, „entsprechen dem, was […] Männer als ihre Rolle und Aufgabe definieren“69. „In der traditionellen Kreuzestheologie werden Männersünden dargestellt und die Erlösung von diesen thematisiert.“70 Frauen werden weiterhin gebunden und durch Selbstverleugnung, Fremdbestimmung, Opferbringen wird ihnen das Ideal, als erlösend vor Augen gestellt und somit verfestigt die Kreuzestheologe die gegenwärtige patriarchale Gesellschaftssituation und deren Rollenteilung. Unheilvolle Vorstellung von Erlösung Dürfen Menschen „zur Erlösung, zum Heil, zum Wohl von anderen geopfert werden?“71 „Opfer werden in einem Hierarchieverhältnis vollzogen.“72Regula Strobel glaubt, der Begriff Opfer darf nicht mehr mit Erlösung in Zusammenhang gebracht werden, „weil 65 Ebd. Strobel, Regula, Feministische Kritik an traditionellen Kreuzestheologien in: Strahm, Doris / Strobel, Regula (Hg.), Vom Verlangen nach Heilwerden. Christologie in feministsch-theologischer Sicht. Fribourg/Luzern 1991, S. 55. 67 Ebd. 68 Ebd. 69 Ebd., S. 56. 70 Ebd. 71 Ebd. 66 schon viele geopfert wurden […] ohne uns die erhoffte Erlösung zu bringen.“73 Außerdem darf das sog. Heilshandeln Gottes nicht immer weitere Gewalttaten legitimieren. „Gehorsam, Unterwerfung, Selbstverleugnung sind für feministische Theologinnen keine Begriffe, mit denen sie Erlösung umschreiben können“74, denn sie wurden zur Stabilisierung der eigenen Unterdrückung, der Unterdrückung Andersfarbiger- und Gläubiger und der Armen verwendet. Bis jetzt führte Erlösung immer nur zu Unheil, Terror und Unterdrückung. Es wird versucht, das Kreuz als freie Entscheidung Jesu darzustellen, doch es wird auch immer betont, „dass Jesus nicht seinen, sondern den Weg Gottes gegangen ist. Damit bleibt das hierarchische Verhältnis und die Fremdbestimmung zwischen […] dem Vater und […].dem Sohn […] bestehen.“75 Joanne Brown und Rebecca Parker weißen darauf hin, dass wir, wenn wir Leiden als positiv und erlösend darstellen und es einfach akzeptieren und ertragen, dabei vergessen, „dass die Gewalttäter immer die Möglichkeit haben, anders zu handeln.“76 7. Diskussionsfragen Silvia Strahm Bernet stellt in ihrem Text die Frage: „Wieso endet etwas, das ursprünglich einmal als erlösend und befreiend gedacht wurde, so oft in Unterdrückung und Tod?“ Wie würden Sie diese Frage beantworten? In der Kleingruppe wurde betont, dass bei diesem Thema immer die Politik mitschwingt. Außerdem geht es darum, dass die Unterdrückten versuchen sich zu befreien und durch ihre eigene Befreiung wieder andere unterdrücken. Es wurde bemerkt, dass es Regeln gab, die von Jesus gebrochen wurden um zu mehr Freiheit zu kommen. Die Menschen arbeiteten an diesen Regeln und es gab ein neues Regelkonzept, das aber auch wieder zu Verengungen führte. Auch das Ausschlussverfahren der Kirche führte zu einem verengenden Konzept. Ein Seminarteilnehmer bemerkte, dass es in allen Religionen Verengungen und Krieg gibt. Auch der noch so friedlich scheinende Buddhismus beinhaltet Krieg. 72 Ebd. Ebd., S. 57. 74 Ebd. 75 Ebd. 76 Ebd., S. 58. 73 Es wurde auch bemerkt, dass es zu Unterdrückungen und Tod auf Grund von Angst kommt. Die Menschen haben Angst vor falschen Religionen, vor falschen Gedanken usw. und versuchen deshalb diese zu bekämpfen. Am Ende läuft es auf die Frage hinaus: Wer hat die Macht? Universalitätsansprüche von kleinen Gruppen können nichts bewirken. Die katholische Kirche hatte lange Zeit diese Macht. Dabei stellt sich nun die Frage, ob die Personen mit ihren eigenen Rechten anerkannt werden oder ob alles auf einen Anspruch verengt wird. Nun geht es darum, dass man es andere anders machen lassen soll. Es stellte sich heraus, dass die Situation komplex ist und dass es nicht eine Lösung für alles gibt. Vorstellungen, die für uns befreiend sind, können für andere unterdrückend sein. So stellt Jesus Christus für viele Menschen eine Befreiung dar, für manche, vor allem Frauen, jedoch nicht. Die Frage, die sich dabei ergibt ist die Frage: Wie kann man damit umgehen? Es geht nun darum das interne totalitäre System in der Kirche anzuschauen und daran zu arbeiten. Außerdem geht es darum die Macht der einzelnen zu reduzieren und zu lernen mit anderen Religionen leben zu können und einen Weg der Akzeptanz und Toleranz zu finden. Dies ist oft schwierig, da die Theorie und die Praxis oft nicht übereinstimmen. Es sollte versucht werden, die Theorie auszuprobieren und wenn sie nicht funktioniert, sie zu verändern, solange bis es funktioniert. Auch die Kirche hat einen Fortschritt gemacht und aus ihren Fehlern gelernt. Jedes System hat Fehler. Kein System das stehen bleibt, kann gut sein. Oft geht es auch darum, dass wir andere Ideen zu schnell verurteilen. Wir müssen lernen uns in andere hinein zu fühlen. Die Mission galt ursprünglich als erlösend und befreiend. Jedoch war der Hintergedanke ein anderer. Vieles wurde im Namen der Erlösung und Befreiung getan, hatte aber Macht und den Eroberungsgedanken im Hintergrund. „Sind nicht vielleicht die Zweifelnden die Glaubenden, weil sie wissen, dass die Wahrheit unverfügbar und alles auch ganz anders sein kann?“ Am Anfang versuchte sich die Gruppe mit der Begrifflichkeit auseinanderzusetzen. Es gibt verschiedene Arten vom Zweifel und verschiedene Zugänge, man kann über verschiedenes zweifeln, auch Franz von Assisi und andere große Theologen haben gezweifelt. Ähnlich bei dem Begriff der Glaubenden, wer sind die Glaubenden? Nur diejenigen, die zweifeln oder alle die sich selbst als gläubig bezeichnen. Und wenn man die Frage anders stellt, sind jene, die nicht zweifeln deshalb nicht gläubig? Die Zweifelnden sind Jesus sehr nahe, denn auch Jesus hat in seiner Todesstunde gezweifelt („mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“). Der Zweifel muss nicht unbedingt ein Zeichen von Schwäche sein, denn wenn man selbst schon zweifelt und es kommt auch noch der Druck von außen, ist das ein starkes Ringen mit sich selbst und dem Glauben. Doch es kann auch den Glauben festigen, in kritischen Diskussionen wird oft der eigene Standpunkt erst richtig bewusst und man bekommt immer und immer wieder die Wahrheit geschenkt und das wiederum ist ein Zeichen von Gnade. Für intellektuelle Menschen, die sich auch wissenschaftlich mit der Theologie auseinandersetzen gehört zweifeln ganz klar dazu, man lernt die Dinge kritisch zu hinterfragen. Doch es gibt bestimmt auch sehr einfache Menschen, die einen sehr gefestigten Glauben haben und auch gar nie auf die Idee kommen würden etwas anzuzweifeln. Das kann also nicht heißen, dass diese Menschen nicht die wahren Glaubenden sind. Allerdings ist zweifeln zutiefst menschlich und die Gruppe konnte sich nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die gar nichts anzweifeln, denn wenn man sich intensiv mit der Religion auseinandersetzt kommen Zweifel auf, aber vielleicht gibt es Menschen, die diese Zweifel gleich wieder unterdrücken und beiseite schieben. Wenn Religion sich gegen Totalitäres versichern will, muss sie offen und kritikfähig sein. Leider ist das häufig nicht der Fall, denn die Kirche versucht oft Skandale einfach auszuwischen, anstatt sich der öffentlichen Diskussion zu stellen und somit mit der Wahrheit zu konfrontieren. Professoren und Priester müssen sehr aufmerksam sein, welche Konsequenzen ihr kritisches Hinterfragen mit sich bringt, denn wird zu viel kritisch hinterfragt dauert es nicht lange und es wird die Lehrbefähigung entzogen oder ein Priester seines Amtes enthoben. Hr. Professor Regensburger brachte noch ein kleines Beispiel, was es in der Politik bedeutet zu zweifeln. Ein ehemaliger Bundeskanzler, Fred Sinowatz, sagte was die Herausforderung der nächsten Jahre betreffen würde „Ich weiß, das klingt alles sehr kompliziert“ und machte dabei einen höchst verzweifelten Eindruck. Der Bundeskanzler geriet unter zunehmenden Druck und wurde seines Amtes enthoben. „Am Anfang Deines Briefes siehst Du den Grund für das Totalitäre der Erlösungsvorstellungen in ihrem universalen Geltungsanspruch, gegen den Schluss aber eher in einer Art Erfolglosigkeit erlösender Ideen in der Praxis. Handelt es sich da um einen Widerspruch, oder gehört das irgendwie zusammen?“ Die Gruppe versuchte zuerst mal die Begriffe Erfolglosigkeit und Geltungsanspruch zu klären. Erfolglosigkeit könnte man vielleicht mit Mangel an Erfolg kompensieren. Geltungsanspruch hat vielleicht mit Macht etwas zu tun. Bei der Frage der Mittel, liegt die Gefahr darin, dass man auf Mittel zurückgreift die nicht adäquat sind. Wenn der Geltungsanspruch nicht als Macht gesehen wird, wenn Erfolglosigkeit eintritt, kann die Gefahr bestehen dass man nach solchen Mitteln greift. Wenn man den Blick auf Christus richtet, ist die Erfolglosigkeit anders, Jesus fährt nicht mit dem Schwert drein, wenn jemand nicht glaubt. Es darf nichts mit Gewalt geschehen, das würde seine Botschaft zerstören und verfälschen. Ein Beispiel wäre die Zwangstaufe, wo Untertanen einfach getauft wurden ohne dass sie es wollten. Doch mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil änderte sich das. Es ist auch immer eine Spannung bei der Reich-Gottes-Botschaft vorhanden, das Reich Gottes ist zwar angebrochen, aber noch nicht erfüllt. Vgl. Bergpredigt; es gibt schon einiges das bereits geschehen ist. Man muss den Blick auf Jesus richten um zu sehen wie er damit umgegangen ist. Man muss sich vielleicht der Erfolglosigkeit aussetzen oder den Begriff neu definieren. Auch den Opferbegriff. Man kann sich einer Sache ganz verschreiben und im Zweifelsfall das eigene Leben als Opfer hingeben, aber man muss sicher wegkommen von dem Opferverständnis, wo andere Menschen geopfert werden. 8. Unsere Meinung: Nicht Heilsversprechen an sich sind das Problem, sondern der Glaube des Menschen sich selbst durch eigene Werke erlösen zu können, statt darauf zu vertrauen, dass Christus der Erlöser ist. Der Mensch soll sich keine innerweltlichen Heilsversprechen machen, sondern besser auf Gott vertrauen. Also; innerweltliche Heilsversprechen sind gefährlich. Religiöse Heilsversprechen, in denen der Mensch sich durch eigene Werke retten soll, sind gefährlich. Das Vertrauen auf Jesus Christus hingegen nicht. 9. Quellenverzeichnis Biser, Eugen; Jörns, Klaus-Peter; Hahn, Ferdinand (2003): Lexikon des christlichen Glaubens. München: Pattloch-Verl. Fama Nr. 4 Dezember 1986 Strahm Bernet, Silvia, Jesa Christa, in: Strahm, Doris / Strobel, Regula (Hg.), Vom Verlangen nach Heilwerden. Christologie in feministsch-theologischer Sicht. Fribourg/Luzern 1991. Strobel, Regula, Feministische Kritik an traditionellen Kreuzestheologien in: Strahm, Doris / Strobel, Regula (Hg.), Vom Verlangen nach Heilwerden. Christologie in feministsch-theologischer Sicht. Fribourg/Luzern 1991. Quellen aus dem Internet: http://www.doris-strahm.ch/Strahm_2_01.pdf http://www.fama.ch/ (Stand: Dezember 2012) http://www.rexbuch.ch/index.php?action=product_show&var=201&PHPSESSID=a9c2a4cb7a00e80bf8104dda687 cac0c (Stand: Dezember 2012)