Die größten Unmenschlichkeiten hat man im Namen

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Die größten Unmenschlichkeiten hat man im
Namen eines schönen Heilskonzeptes begangen
Universale Erlösungsvorstellungen und ihr Hang zum
Totalitären
Seminararbeit zum Proseminar: „Genderspezifische Aspekte in philosophischtheologischen Fächern“
LVA-Nr.:
222035
Semester:
WS 2012/2013
Leiter/Innen:
Mag. Dr. Ladner Gertraud,
Ass.-Prof. Dr. Regensburger Dietmar
Seminarteilnehmerinnen:
Name
Matrikelnummer:
Studienkennzahl:
Silvia Vitroler
1015874
033 193
Name
Matrikelnummer:
Studienkennzahl:
Daniela Steger
1015800
033 193
Inhalt
1.
Einleitung ................................................................................................................................................... 3
2.
Silvia Strahm Bernet – Kurzbiographie ...................................................................................................... 4
3.
FAMA ......................................................................................................................................................... 5
3.1.
Inspirationen...................................................................................................................................... 6
„Ein Privileg, immer wieder ein Privileg habe ich gewollt“ ........................................................................... 6
4.
Werk: ......................................................................................................................................................... 6
4.1.
5.
Jesa Christa ........................................................................................................................................ 6
Christologie und Erlösung .......................................................................................................................... 8
5.1.
Feministische Christologie aus der Sicht von Doris Strahm .............................................................. 8
Verlangen nach Heilwerden- Frauen aus unterschiedlichen Kulturen sehen Jesus neu........................... 8
6.
„Die größten Unmenschlichkeiten hat man im Namen eines schönen Heilskonzeptes begangen“ ....... 10
6.1.
Bezüge zu Strobel ............................................................................................................................ 17
7.
Diskussionsfragen .................................................................................................................................... 18
8.
Unsere Meinung: ..................................................................................................................................... 22
9.
Quellenverzeichnis .................................................................................................................................. 22
1. Einleitung
Im Seminar „Genderspezifische Aspekte in philosophisch-theologischen Fächern“ beschäftigten
wir uns mit dem Artikel „Die größten Unmenschlichkeiten hat man im Namen eines schönen
Heilkonzeptes begangen- Universale Erlösungsvorstellungen und ihr Hang zum Totalitären“ von
Silvia Strahm Bernet. Wir fanden den Artikel sehr spannend, allerdings war es nicht immer sehr
einfach ein Referat über das Thema zu halten, denn über die Biografie der Autorin findet man
eigentlich sehr wenig bis gar nichts. Prof. Regensburger gelang es die E-Mail Adresse der
Verfasserin des Textes herauszufinden und teilte sie uns mit. Somit hatten wir die Möglichkeit mit
ihr persönlich in Kontakt zu treten.
In unserer Seminararbeit werden wir über ihre Biographie schreiben, die Zeitschrift „Fama“
vorstellen, bei der sie Mitbegründerin war und auf einen ihrer dortigen Artikel genauer eingehen.
Wir werden auch versuchen auf weitere Texte von ihr einzugehen. Außerdem werden wir auch die
Themen Christologie und Erlösung behandeln und mit Hilfe von Doris Strahm die feministische
Christologie erläutern.
In unserer Seminararbeit haben wir uns aber besonders mit ihrem Werk „Die größten
Unmenschlichkeiten hat man im Namen eines schönen Heilkonzeptes begangen - Universale
Erlösungsvorstellungen und ihr Hang zum Totalitären“ beschäftigt. Deshalb wird dies einen großen
Teil der Arbeit einnehmen. Außerdem werden wir auf Regula Strobel eingehen und einen Bezug zu
unserem Primärwerk herzustellen.
In unserer Arbeit haben wir die Teile, die von Silvia Vitroler geschrieben wurden, kursiv markiert
und die Teile, die Daniela Steger schrieb, werden normal abgebildet. Die von uns gemeinsam
verfassten Teile erhalten zur Verdeutlichung, eine andere Schriftart.
2. Silvia Strahm Bernet – Kurzbiographie
Silvia Strahm Bernet ist am 6.11.1955 in Zürich geboren. Sie ist verheiratet und hat zwei
erwachsene Kinder.
Nach dem Gymnasium studierte sie katholische Theologie in Luzern. 1981 schließt sie mit
einer Lizenziats Arbeit (Doktorat) zum Thema „Feministische Theologie – ein Überblick“
ab.
Anschließend führt sie Tätigkeit in folgenden Bereichen aus:

Sie hatte eine freiberufliche Arbeit im Bereich Erwachsenenbildung. Dazu gehören
Kurse, Studienwochen und Vorträge zum Thema Feministische Theologie.

Sie war in der Publizistik tätig: 5 Jahre veröffentlichte sie monatliche Kolumnen bei
einer Luzerner Tageszeitung (Neue Luzerner Zeitung). Außerdem schrieb sie
Kolumnen und Artikel in diversen theologischen und nichttheologischen Zeitschriften.

Sie war eine der Gründerinnen und Mitherausgeberinnen der FAMA (feministischtheologische Zeitschrift) und während der ersten 20 Jahre Mitredaktorin derselben.

Sie schrieb das Buch „Kopfüber in den Tag. Ein kleines ABC für Alltagsdenkerinnen“,
das 1992 im Exodusverlag, Luzern erschienen ist.
Dieses Buch befasst sich mit der Frage: „Was ist eine Alltagsdenkerin? Das ist zum
Beispiel eine, die sich mit Denken im Alltag über Wasser hält, eine, die trotz täglicher
Sysiphosarbeit mit Kindern und Küche das Alltägliche durchaus nicht bloß alltäglich
findet, eine, die beim Abwaschen auch einmal über das Verschwinden von Utopien
nachdenkt. Sie ist eine «oiko»nomisch geschulte Expertin des Vorläufigen, die
Absolutheitsansprüchen mit der ihnen gebührenden Respektlosigkeit begegnet, kurz
gesagt eine, die systematische Entwürfe weltklärender Theorien aufgibt zugunsten des
Versuches, sich aus Bruchstücken alltäglicher Erfahrung etwas mehr Klarheit über das
zu verschaffen, was sich sehr vereinfachend «Leben» nennt.“1

Silvia Strahm Bernet verfasste auch Radio- und Fernsehbeiträge und war Mitglied des
„Trio Literal“ – einer Radiosendung des Schweizer Radios im Bereich Belletristik.

5 Jahre lang war sie Mitleiterin der Frauenkirchenstelle Zentralschweiz.

Seit 2000 ist sie in der Benutzungsabteilung der Zentral- und Hochschulbibliothek
Luzern tätig und seit Herbst 2011 Standortverantwortliche für den Bibliotheksstandort
Sempacherstraße.
1
http://www.rexbuch.ch/index.php?action=product_show&var=201&PHPSESSID=a9c2a4cb7a00e80bf8104dda687cac0c (Stand:
Dezember 2012)
3. FAMA
Die feministisch-theologische Zeitschrift der Schweiz
Autonom seit 1985
Die ersten Schritte
Drei katholische feministische Theologinnen, Carmen Jud, Silvia Strahm Bernet und Doris
Strahm, gründeten eine Organisation von feministischen Theologinnen in der Schweiz. Sie
wollten ihre Interessen und Forderungen gegenüber einer patriarchalen Institution wie der
Kirche vertreten. 1983-1985 erschien ein Bulletin mit Informationen, feministischtheologischen Gedanken- und Erfahrungsaustausch viermal im Jahr.
1985 wurde es dann eine richtige Zeitschrift. Die FAMA ist die erste und bis heute einzige
autonome feministisch-theologische Zeitschrift der Schweiz.
Der Name kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Gerücht, öffentliche Meinung,
Rede, guter oder schlechter Ruf. So wollten sich die Herausgeberinnen auch einmischen
in die öffentliche Diskussion und Themen behandeln, die in der Männerpresse keinen
Platz hatten.
Mit der Zeit wechselte das Redaktionsteam und es kamen jüngere Frauen dazu.
Gleichzeitig strebte man das Gleichgewicht zwischen katholischen und reformierten
Theologen an.
Mittlerweile gibt es die FAMA schon mehr als 25 Jahre und das kann als wirkliches
Erfolgsprojekt gedeutet werden. Diese Zeitschrift wird ausschließlich aus Abos und
Spenden finanziert.
Die Redakteurinnen arbeiten weiterhin mit viel Lust und Engagement aus feministischer
Sicht an gesellschaftspolitischen und theologischen Themen.2
2
Vgl. http://www.fama.ch/ (Stand: Dezember 2012)
3.1.
Inspirationen
„Ein Privileg, immer wieder ein Privileg habe ich gewollt“
Silvia Strahm schreibt von unserer heutigen Kultur und dass wir gelernt haben, dass wir
erwarten können glücklich zu sein. Wir sprechen nicht von Gnade, setzen sie aber voraus.
Der große Schmerz, wie Hunger, Krieg, Folter usw. ist immer Angelegenheit der andern.
Tschernobyl hat uns vielleicht etwas aufgerüttelt, dass es auch uns treffen kann. Doch wir
wollen nicht nur davonkommen, wir wollen glücklich sein und dass unsere Wünsche in
Erfüllung gehen. Wir glauben in unserer Kultur ist alles machbar.
z.B. schimpfen wir über Mediziner und sagen die wissen doch nichts, doch wenn es darum
geht den Krebs im Körper des Menschen zu entfernen, denken wir, dass die Mediziner
doch etwas machen könnten. Also glauben wir doch an die Heilung der Medizin.
Wir wollen das Privileg des Gelingens. Wir sind unfähig das zu akzeptieren, was wir
denkend entwerfen und hätten also die unangenehme und schwere Lektion zu lernen,
dass „der Mensch erst anfängt, wo sein eigener Vorteil aufhört.“3
4. Werk:
Ihr Werk besteht vor allem publizistische Arbeiten zu diversen theologischen und
nichttheologischen Fragestellungen.
Ich möchte nun kurz auf ihr Werk „Jesa Christa“ eingehen, das sich im Buch „Vom
Verlangen nach Heilwerden“ befindet.
4.1.
Jesa Christa
Pfarrer X beantwortet folgende Frage die gestellt wurde:
„Ich habe letzthin in einer Zeitung gelesen, daß man in einer Kirche in den USA ein Kreuz
installiert hat, an dem ein weiblicher Christus hing. Darf man so etwas? Ist das nicht
Häresie?“4
Pfarrer X betont, dass Jesus zwar rein theoretisch auch eine Frau hätte sein können. Doch
in einer patriarchalen Welt konnte der Erlöser keine Frau sein, denn Jesus ist
3
Fama Nr. 4 Dezember 1986
Strahm Bernet, Silvia, Jesa Christa, in: Strahm, Doris / Strobel, Regula (Hg.), Vom Verlangen nach Heilwerden.
Christologie in feministsch-theologischer Sicht. Fribourg/Luzern 1991,S.172.
4
herumgereist, war mit anderen Männern zusammen, hat in fremden Häusern geschlafen…
Wäre er eine Frau gewesen, hätte man sie „für verrückt gehalten oder […]für eine
Prostituierte.“5 Außerdem wird durch die Menschwerdung Gottes alles umgedreht. „Jesus
der Mann, kehrt das Unterste zuerst. Jesa, die Frau, wäre immer schon unten“6 gewesen
und hätte sich nicht freiwillig nach unten begeben können. Jesus aber ist freiwillig aus dem
Boot von Macht und Privilegien ausgestiegen.
Auf die Ausführung des Pfarrers schreibt Frau T. einen Leserbrief. Sie betont, dass man
genügend Zeit brauche um in den Irritationen (Jesa Christa) den positiven Inhalt zu
erkennen.
Sie schriebt, dass das Bild der Jesa Christa „als Sichtbarmachung und als Richtigstellung,
als Verdeutlichung“7 gedacht ist, „daß im Mann, nicht bruchlos der Mensch, also auch die
Frau zu sehen ist, [und] dass das Leben und die Opferung von Frauen, aber auch ihre
Erlösungserfahrungen, wenn sie nicht eigens benannt werden und keine eigene Form der
Vergegenwärtigung finden, Gefahr laufen, nicht wirklich wahrgenommen zu werden.“8 „Nur
wo Bild und Wort sich zum Symbol verdichten, bleiben Realitäten auf die Dauer präsent.“9
Frauen sind jahrhundertelang damit zurechtgekommen, da sie das Abstraktionsvermögen
besitzen „im Besonderen das Allgemeine zu sehen.“10 Nun möchten aber auch Frauen ein
eigenes Gesicht für „ihr Selbst, ihre Geschichte, ihre Opferung und […]Auferstehung.“11
„Die Gestalt der Jesa Christa ist ein Versuch in diese Richtung.“12
Sie betont, dass wir mit Gott gemeinsam „auf [die] Erlösung hin kooperieren [sollen].“13
Dafür brauchen wir Symbole, die „für Neuanfänge und die Erneuerung unserer
immermüden Hoffnung stehen könnten“14 und die Kraft dem Zerstörenden etwas
entgegenzusetzen, „das unseren Wiederstand am Leben erhält. Wir brauchen natürlich
mehr als das Symbol einer Jesa Christa, um emotional und religiös zu überleben“15, aber
es ist gut, wenn es dabei hilfreich ist.
5
Ebd., S. 173.
Ebd., S. 174.
7
Ebd., S. 179.
8
Ebd.
9
Ebd.
10
Ebd., S. 180.
11
Ebd.
12
Ebd.
13
Ebd.
14
Ebd.
15
Ebd.
6
5. Christologie und Erlösung
Christologie:
Christologie entfaltet die universale Heilsbedeutung Jesu Christi. Sie geht dabei von der
Erfahrung der heilenden und verwandelnden Macht und Nähe Gottes aus, die Menschen
in der Begegnung mit ihm, gemacht haben und machen.
Im Frühchristentum war die Palette der Christologien groß und reichte von der
Bestimmung Jesu als eines herausragenden menschlichen Lehrers und Heilers bis zum
präexistenten Sohn Gottes.
Eine ähnlich bedeutsame Epoche stellt die heutige Zeit dar, in der es darum geht, die
Heilsbedeutung des Christusereignisses für ganz unterschiedliche Kultur und
Lebenswelten auszulegen. Eine Herausforderung ergibt sich durch die Behauptung einer
„absoluten“ Heilsbedeutung Jesu Christi gegenüber konkurrierender Heilsansprüche
anderer Religionen.
Erlösung:
Erlösung als Befreiung von körperlicher oder seelischer Qualen ist zentraler Begriff der
Religionsgeschichte und der christlichen Glaubenslehre. Im Christentum findet Erlösung
durch Überwindung eines von Schuld, Leid und Tod geprägten Lebens statt und führt zur
Vollendung und Erfüllung in einem Leben mit und in Gott. Allerdings kann der Mensch im
letzten diese Erlösung nicht selbst herstellen oder leisten weil seine Freiheit endlich ist und
noch einmal von der Unendlichkeit der Liebe Gottes umfangen wird.
Wenn der Mensch die Vergebung Gottes annimmt und seine Erlösungsbedürftigkeit als
Chance ergreift, kann er auch erlöst werden durch die bedingungslose Liebe Gottes.16
5.1.
Feministische Christologie aus der Sicht von Doris Strahm
Verlangen nach Heilwerden- Frauen aus unterschiedlichen Kulturen sehen Jesus neu
Die Christologie aus der Sicht von Frauen setzt „ "unten" [an], beim irdischen bzw.
biblischen Jesus, seiner Botschaft und Praxis, wie sie die Evangelien schildern. Diese
bieten jedoch keine einzig gültige, einheitliche Deutung der Person Jesu an. Die biblischen
Schriften enthalten vielmehr eine Vielfalt unterschiedlicher Bilder und Symbole, mit denen
16
Vgl. Biser, Eugen; Jörns, Klaus-Peter; Hahn, Ferdinand (2003): Lexikon des christlichen Glaubens. München:
Pattloch-Verl.
die biblischen Autoren die Bedeutung Jesu und seiner Botschaft zu interpretieren
versuchten.“17 „Diese biblischen Quellen werden aus der Sicht von Frauen heute mit
neuen Augen gelesen und mit den eigenen Erfahrungen, dem eigenen
Lebenszusammenhang in Beziehung gebracht.“ 18
„Viele westliche Theologinnen sehen den biblischen Jesus als Befreier der Frauen. Seine
patriarchatskritische Praxis habe den diskriminierten Frauen neue Lebensmöglichkeiten
eröffnet und in seinen Freundschaften mit Frauen habe er neue, nicht-hierarchische
Beziehungen von Austausch und Gegenseitigkeit gelebt.“ 19
Feministische Christologien sind „Ausdruck der Suche von Frauen in verschiedenen
kulturellen Kontexten nach einem befreienden Glauben […], in der keiner und keine mehr
unterdrückt wird aufgrund der Hautfarbe oder des Geschlechts, in der Leben in Fülle sein
wird für alle.“20
Doris Strahm schreibt, dass die christliche Theologie „auf den Exklusivitäts- und
Absolutheitsanspruch verzichten [müsste], im Sinne von: außerhalb von Christus gibt es
kein Heil. Die Inkarnation Gottes sollte nicht exklusiv [(ausschließlich)] verstanden werden
– allein in Jesus Christus ist Gott ein für allemal Mensch geworden, sondern inklusiv, als
incarnatio continua: Die Inkarnation Gottes setzt sich fort in all jenen Menschen, Frauen
und Männern, die am Reich Gottes mitarbeiten und Gott in die Welt hineintragen.“21 „In der
Praxis von Gerechtigkeit und Solidarität wird Gott erfahrbar.“22
Christliche Identität wäre dann etwas, „das immer wieder neu in den verschiedenen
Kämpfen für die Vision vom Reich Gottes artikuliert, geformt und geschaffen wird“.23 Doris
Strahm glaubt nicht, dass dadurch das christliche Glaubensbekenntnis zu Jesus als dem
Christus dann bedeutungslos wird. „Seine Bedeutung verschiebt sich lediglich, da der
Glaube von Jesus an Wichtigkeit gewinnt, wie [ihre] Kollegin Manuela Kalsky schreibt: Es
geht um die Einladung, nicht an Jesus, sondern mit ihm zu glauben.“24
17
http://www.doris-strahm.ch/Strahm_2_01.pdf
Ebd.
19
Ebd.
20
Ebd.
21
Ebd.
22
Ebd.
23
Ebd.
24
Ebd.
18
Doris Strahm betont, dass die „Christopraxie […]Vorrang vor der Christologie“ hat. „Die
Christologie muss [also] im Dienste einer befreienden Praxis stehen.“25
„Erlösung ist als ein geschichtlicher Prozess der Befreiung zu verstehen, der sich in der
Welt vollzieht“26 „und an dem die Menschen gemeinsam mit Gott […] mitwirken.“27 Diese
Sicht von Erlösung „verweist uns auf unsere konkrete Wirklichkeit, auf das Hier und Jetzt
als dem Ort, wo wir Befreiung und Heilwerden, "Leben in Fülle" erfahren“. 28
„Diese Erfahrungen verbleiben in der Spannung des "schon" und "noch nicht". Die
Verwirklichung des Reiches Gottes steht noch immer aus. Aber sie kann auch nicht
einfach passiv erwartet werden: Das Reich Gottes wird heute unter uns geboren, aus
unserem Verlangen nach Gerechtigkeit und unserem Einsatz für das Wohlergehen, das
Schalom, aller Menschen – Frauen, Männer und Kinder.“29
6. „Die größten Unmenschlichkeiten hat man im Namen eines schönen
Heilskonzeptes begangen“
Universale Erlösungsvorstellungen und ihr Hang zum Totalitären
Bei diesem Text handelt es sich um einen Briefwechsel zwischen den fiktiven Personen T.
und M.
M. muss ein Referat zum Thema „Universale Erlösungsvorstellungen und ihr Hang zum
Totalitären“ halten und schildert T. ihre Gedanken. Sie erwartet sich durch den
Briefwechsel eine Hilfe für ihr Referat.
Auf die Frage hin, ob sie das Referat als einen Indizienprozess strukturieren soll, antwortet
T., dass sie raten würde die Stichworte so nüchtern wie möglich zu ordnen und zu
systematisieren. Doch M. findet Nüchternheit und Objektivität bei ihrem Thema nicht
passend, denn in ihrem Thema ist die Rede „von unstillbarer Sehnsucht nach Gerettetsein
und Heilung“, „von Lebensangst und Heimatlosigkeit von Schulderlösung und
Erlösungswahn, aber auch vom Preis, den sie kostet, diese Erlösung und vom Terror, der
25
Ebd.
Ebd.
27
Ebd.
28
Ebd.
29
Ebd.
26
sie begleitet“30 und von Emotionen. Rational sind dabei höchstens die Techniken, mit
denen man mit diesen Dingen fertig wird. Auch glaubt M., dass hinter den
Glaubensvorstellungen und Traktaten sich letztlich der Satz „Ich fürchte mich. Hilf mir!“ 31
und damit das „Eingeständnis der Unfähigkeit, mit sich und den anderen in dieser Welt
und angesichts des Todes auf menschlich befriedigende Weise zurechtzukommen“32
versteckt ist. M. sieht den Erlösungswahn als eine „Tarnung für den allgemeinen Mangel
an elementarer Lebensbegabung. Sie bemerkt, dass jene, die von Erlösung sprechen,
meist „allzubald die Gegenwart aus dem Blick“33 verlieren. Sie verschreiben sich
vorbehaltslos dem Glauben und nur das Paradies erfüllt sie mit Erfüllung, sodass es für sie
leicht ist sich und andere zu opfern und es spielt keine Rolle mehr, ob das Heil von dieser
Welt ist oder nicht. Politische und religiöse Heilslehren sind sich einig, dass der Mensch
manchmal zum Glück gezwungen werden muss. Außerdem glauben diese, dass man, um
den alleinerlösenden Glauben, zu retten, manchmal zu harten Mitteln greifen muss. M.
stellt sich in diesem Hinblick die Frage, warum sich Erlösungsvorstellungen in so starre
Systeme verwandeln und ihre Wahrheiten oft als untastbarer gilt, als das Leben der
Menschen für deren Glück sie sorgen sollten.
T. gibt in ihrem Antwortbrief M. in dem vorher genannten Punkt Recht. Sie betont, dass
Menschen zwar gut sein möchten, es ihnen aber nicht gelingen will. Sie bemerkt aber
auch, dass die Hoffnung auf Erlösung für die Mehrzahl der Menschen „eine Frage des
Überlebens ist.“34 Auch erinnert sie M. daran, dass es in ihrem Thema um den
Zusammenhang von universalen Erlösungsvorstellungen und Totalitarismus geht und
nicht um Sinn und Nutzen von Erlösungsvorstellungen. Sie betont dass, „Erlösung […] ja
nicht nur eine Antwort auf die Erfahrung des Mangels und der Not [ist], sondern ebenso
die Erfahrung von Heilwerden, von Kraft, die einem zuwächst und es möglich macht,
angesichts der Gebrochenheit von allem, an die Möglichkeit des Gelingens einer
Menschenfreundlichen Welt („Reich Gottes“!) letztlich nicht zu zweifeln. Erlösung ist nicht
einfach eine Theorie, sondern auch eine Erfahrung von Gnade.“35
30
Strahm Bernet, Silvia, Die größten Unmenschlichkeiten hat man im Namen eines schönen Heilskonzeptes begangen
(Inge Merkel) – Universale Erlösungsvorstellungen und ihr Hang zum Totalitären in: Strahm, Doris / Strobel, Regula
(Hg.), Vom Verlangen nach Heilwerden. Christologie in feministsch-theologischer Sicht. Fribourg/Luzern 1991, S. 82.
31
Ebd.
32
Ebd.
33
Ebd., S. 83.
34
Ebd., S. 84.
35
Ebd.
M. gesteht zwar, in ihrem letzten Brief, zu emotional reagiert zu haben, betont aber, dass
es ihr in erster Linie nicht um die positiven Inhalte der Erlösungsvorstellungen geht,
sondern um ihre Unheilsgeschichte und darum, „ob nicht Erlösungsvorstellungen, die ihren
Geltungsanspruch universalisieren, Gefahr laufen, totalitär zu werden.“36M. geht es um die
Theorie und das System und denen die dieses entwickeln. So geht es in ihrem Thema
schlussendlich auch um Macht. M. betont, dass es für T. sehr hart sein wird, wenn sie den
Begriff totalitär zum Begriff Erlösungsvorstellungen zuordnet, denn es ist schwierig das
Christentum bzw. die Kirche den Begriffen Faschismus, Nationalsozialismus oder
Stalinismus zuzuordnen. Doch die Kirche hat durch ihre universalen
Erlösungsvorstellungen in ihrer Praxis Mittel bedient, die mit denen von totalitären Staaten
vergleichbar sind. M. betont, dass es nicht nur „eine Frage der Macht oder des Versuchs
einer Großinstitution [sei], sich ihrer Identität zu sichern.“37 Es gibt nicht nur auf der
praktischen Verwirklichung eine Veränderung, die in einem schlimmen Zustand gerät,
sondern auch die Vorstellungen, wie „z.B. universale Geltungsansprüche, Exklusivität und
Einmaligkeit der Erlösung durch Jesus Christus“38, ermöglichen dies. Nur so lässt sich
erklären, warum etwas, das „einmal als erlösend und befreiend gedacht wurde, so oft mit
Unterdrückung und Tod“39 endet. Entgeht den Menschen dabei das Wichtigste, nämlich
die Frage nach dem Preis? M. ärgert es, wenn jemand eine Trennung zwischen
erlösender Idee und möglicherweise veränderter Praxis macht und behauptet die
veränderte Praxis habe etwas mit dem Verlangen des Menschen nach Macht zu tun, denn
damit wird gesagt, dass die Idee nichts, oder nur wenig mit der Praxis zu tun habe. Sartre
sagt, dass nur die Taten über das entscheiden, was man gewollt hat, doch es ist schwierig
das Wollen am Können zu messen. M. möchte mit all dem nicht sagen, dass die Ideen
oder Vorstellungen von Erlösung aufgrund ihrer Praxis wertlos sind, doch findet sie, wird
viel zu schnell vom semper peccator gesprochen, sodass man glaubt, die Welt sei
grundsätzlich erlöst, praktisch jedoch unverbesserlich. Sie findet, dass dies „nur“ die
christliche Variante ist, den Widerspruch zwischen den erlösenden Handel „Gottes in der
Welt und der […] Tatsache, daß man es dieser Welt einfach nicht ansieht.“40 Auch stellt
sie sich die Frage, „ob totalitäre Mittel nicht im Grunde der letzte Versuch sind, eine Idee,
eine Weltdeutung oder eine Erlösungsvorstellung zu verwirklichen[…], die nicht
vielversprechend genug scheint, als dass sie auch ohne Zwang durchzusetzen vermöchte.
36
Ebd., S. 85.
Ebd., S. 86.
38
Ebd.
39
Ebd.
40
Ebd., S. 87.
37
Totalitarismus wäre also nichts anderes als die Kompensation eines Mangels an Erfolg?“41
M. ist der Meinung, dass die Alternative zu Erfolglosigkeit nicht unbedingt Zwang sein
muss, sondern eine Alternative könnte auch sein, „die erlösende Idee anhand der
Komplexität praktischer Verwirklichbarkeit zu verändern. Das aber braucht Mut.“42 Und
zwar den Mut die Widersprüchlichkeiten zwischen Sein und Sollen auszuhalten, „ohne sie
zugunsten des einen oder anderen aufzulösen: Im Feld des Möglichen das
Menschenfreundlichste tun.“43 Zum Abschluss dieses Briefes stellt M. noch die Frage, ob
sie sich nicht in etwas verrenne.
T. antwortet, dass sie das Geschriebene spannend finde, aber nicht ganz verstehe, worum
es M. eigentlich gehe und ob ihre These „nicht von Grund auf falsch [sei], weil sie zu
abstrakt und zu allgemein frag[e].“44 Dabei betont T., dass Erlösung „keine Theorie,
sondern ein Geschehen von Gott her“45 ist. Außerdem macht sie M. darauf aufmerksam,
dass sie am Anfang ihres Briefes den Grund für das Totalitäre der Erlösungsvorstellungen
in ihrem universalen Geltungsanspruch sah, zum Schluss aber eher in der Erfolglosigkeit
erlösender Ideen in der Praxis und fordert sie auf herauszufinden auf was sie bei all dem
hinaus möchte.
M. geht es bei den universalen Erlösungsvorstellungen nicht um inhaltliche, sondern um
strukturelle Ähnlichkeiten. M. hat mit den Formulierungen wie „Heilslehre,
Erlösungsvorstellung oder […] Heilsökonomie“ ein Problem, denn das spiegelt für sie eine
Idee wider, nicht ein befreiendes Geschehen von Gott her, wie T. behauptet. M. redet von
Ideen weil das Christentum keine befreiende Frohbotschaft ist, sondern „für viele vor allem
eine Lehre, ein zu glaubender Glaube, ein System weltdeutender Sätze, in denen die
Erfahrung […] oft nicht mehr erkennbar und vielleicht unerwünscht ist.“46
M gibt eine Beschreibung was Erlösung christlich bedeutet unter dem Stichwort „Elemente
einer systematischen Soteriologie“: „der christl. Glaube begreift Erlösung weder bloß
geschichtlich als rückwärtsgewandtes In-Ordnung-Bringen bzw. zukunftsgerichtete ReEvolution der bestehenden Welt…noch als Ausstieg aus der Geschichte in eine weltlose
Transzendenz…Das christliche Erlösungsverständnis ist ganzheitlich und dialogisch:
41
Ebd., S. 87.
Ebd.
43
Ebd., S. 88.
44
Ebd.
45
Ebd.
46
Ebd., S. 89.
42
Erlösung des ganzen Menschen (mit seiner Welt) durch Gottes Liebe (in Jesu Christi
solidarischer Stellvertretung) aus Liebesunfähigkeit und Todverfallenheit zum Verhältnis
der freien, aktiven Liebe zu Gott und den Mitgeschöpfen, das in der vollen Gemeinschaft
ewigen Lebens mit Christus in Gott seine Vollendung finden wird.“47
Sie findet „das System gepaart mit Exklusivitätsansprüchen und
Universalisierungstendenz“ gefährlich. Wenn es der christlichen Verkündigung um
„Erschließung und Symbolisierung von Erlösungserfahrung“ ginge, hätte sie eine“ am
Menschen orientierte therapeutische Funktion“, dann gäbe es keine Gefahr totalitärer
Mentalität. „Universalisiert sie aber eine Erlösungsvorstellung, eine göttliche
Heilsökonomie, die sich als Theorie am Menschen […] verifizieren muss, dann wird es […]
problematisch.“48
Die beiden Autorinnen sind sich bei der Begrifflichkeit nicht immer einig. T. spricht eher
von der therapeutischen Funktion von Erlösungsvorstellungen, M. hingegen von der
politischen.
M. sucht nach Ansätzen totalitärer Elemente in den Vorstellungen von Erlösung um den
Gebrauch totalitärer Mittel in der Praxis zu verstehen. T. hingegen ist „der Meinung, dass
der Gebrauch solcher Mittel auch ohne Rechtfertigung durch eine Idee des großen Guten
auskommt“, vielleicht genügt nur der „Wille zur Macht“.49
Was für T problematisch erscheint, „ist der kirchlich sehr selbstbewusst vorgetragene
exklusive Wahrheitsanspruch, seine unerbittliche Einforderung und die damit verbundene
Identifizierung von Glauben und Gehorsam.“ Als Bsp. nennt sie den Herrenmenschen
Dyba, der nicht als Hirte, sonder Schäferhund die Herde ab und zu mit Bissen beieinander
halten muss. Die Kirche hat sich in der Vergangenheit in annähernd totalitärer Weise
etabliert, „auch wenn ihr einige der Mittel totalitärer Staaten damals fehlten“ wie z.B.
Massenmedien, Geheimdienst. T. schreibt auch, dass sich die Kirchen den faschistischen
Staaten gegenüber „anfänglich wohlwollend“ verhielten und „sich die katholische
Amtskirche heute […] wieder absolutistisch präsentiert.“50. Doch glaubt T. nicht, dass die
größte Gefahr universaler Erlösungsvorstellungen der Totalitarismus ist, sondern sie sieht
47
Ebd., S. 90.
Ebd., S. 91.
49
Ebd., S. 92.
50
Ebd., S. 93.
48
die „Gefahr in einer fundamentalistischen Verengung religiöser Erlösungsbotschaften, […]
die totalitäre Züge annehmen […] können“51
M. hat sich mittlerweile ein paar Gedanken gemacht und schreibt ein paar Stichworte und
Bemerkungen in den Brief, die ihr wesentlich scheinen.

„Fundamentalismus und religiöse Universalitätsansprüche: Religiöse
Universalitätsansprüche implizieren ein verbindliches Wissen um die Letztbestimmung
des Menschen, um optimale Heilsangebote und eine optimal zwischenmenschliche
Praxis.“52

„Alle Religionen sind fundamentalistisch, weil sie erkenntnistheoretisch immer auf
Optionen, Traditionen und auf einer Wahl basieren, ihre Wahrheit also nie beweisen
können.“53

„Religiöser Fundamentalismus rechnet mit Erkenntnisprivilegien und
Wahrheitsmonopol, d.h. er ist gekennzeichnet durch die Vorgabe absoluten Wissens,
durch Immunisierung gegen Zweifel und andere Weltdeutungen und durch
institutionelle Erzwingung des privilegierten Wahrheitsanspruches.“54
„Christliche Wahrheit wird zu etwas, das durch die Predigt Jesu und der Apostel
‚unmissverständlich und umfassend gegeben war. Es ist nicht mehr zu tun, als diese
Wahrheit treu zu wahren, nichts wegzunehmen und nichts hinzuzufügen‘“55.

„Religiöser Fundamentalismus ist in diesem Sinne nicht dialogfähig“, „weil er sich a
priori immer schon entschieden hat und anstelle des Dialogs Strategien setzt.“56
M. schreibt auch, dass „Fundamentalismus gewiss eine Gegenbewegung zur Aufklärung“
ist. Er ist für jene Menschen, die die „Zumutung der Moderne“, „die Last der Freiheit“ nicht
tragen möchten und können und auch für alle, die kein „Interesse daran haben, dass die
Frucht der Aufklärung Mündigkeit heißen“57 mag.
51
Ebd.
Ebd.
53
Ebd., S. 94.
54
Ebd.
55
Ebd.
56
Ebd.
57
Ebd.
52
Nun kommt M. wieder auf die universalen Erlösungsvorstellungen zurück und fragt sich,
ob das Problematische nicht die Voraussetzung ist, dass „die Wahrheit die einzige sein
muss, damit sie Wahrheit ist“? Besonders in Verbindung mit einer kirchlichen Praxis, die
Wahrheit „als ein für immer und ewig abgeschlossenes Glaubensgut einfach verordnet“.
„Die eine Wahrheit ist ein dienliches Werkzeug […] für die Expansion und den Erhalt einer
Institution, als auch für die Sicherung der privilegierten Situation ihrer Hüter und Künder.“58
„Totalitarismusgefährdet sind universale Erlösungsvorstellungen vor allem dann, wenn sie
einer fundamentalistischen Engführung unterliegen, d.h. nur eine einzige Wahrheit
kennen, Erkenntnisprivilegien voraussetzen, Wahrheit dadurch dem Diskurs wie auch der
Rechtmäßigkeit des Zweifels entziehen, und allem ein Menschenbild zugrundelegen, das
den Menschen Selberdenken und Eigenverantwortung aufgrund mangelnder
Wahrheitsfähigkeit nicht zutraut.“59 Außerdem können sie „das Gelingen ihrer
Heilsversprechen nicht wirklich garantieren“, „ihre Wahrheit dem Glauben und nicht dem
Wissen überantworten müssen und deshalb“60 besonders den Zweifel fürchten. Dadurch
dass die Wahrheit an eine einzige historische Person gebunden ist, macht sie sich der
Modifizierung unzugänglich.
„Wer den Zweifel kennt und ihn zulässt, teilt Macht; wer aber den Zweifel kennt und nicht
erträgt, braucht Macht.“61 So glaubt M., „die universalen Erlösungsvorstellungen für
Totalitäres anfällig zu machen, die Immunisierung gegenüber dem Zweifel“62. Über
Jahrhunderte wurde der Zweifel dämonisiert, „doch ist es immer der Glaube gewesen, der
loszog, um zu töten“63.
M. fragt sich ob nicht letztendlich die Zweifelnden die Glaubenden sind, denn „sie wissen,
dass die Wahrheit unverfügbar“64 und auch ganz anders sein könnte.
Als Schlusssatz schlägt T. für M. einen Gedanken von Cioran vor, wobei sie den Begriff
Denken durch Glauben ersetzt hat. Es geht darum, „dass man nur glauben soll, was man
wirklich glauben kann und nicht, was man sich entschlossen hat zu glauben. Der Glaube
58
Ebd., S. 95.
Ebd.
60
Ebd.
61
Ebd.
62
Ebd., S. 96.
63
Ebd., S. 97.
64
Ebd.
59
wird nur Bedeutung und Bestand haben, wenn man dem, was man glauben sollte,
überhaupt nicht Rechnung trägt.“65
6.1.
Bezüge zu Strobel
Feministische Kritik an traditionellen Kreuzestheologien
Sünden- und Erlösungsverständnis
In den biblischen Texten wird die Sünde oft umschrieben mit „Sein wollen wie Gott“66.
Doch Jesus zeigte uns das Gegenteil, er „war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am
Kreuz“67.
„Was […] als Ursünde der Menschen verstanden wird, trifft aber oft die Lebensrealität“
(S.55) von Frauen nicht, denn ihre Situation ist „eher durch Ohnmacht, Unterwerfung und
Ausbeutung charakterisiert“68.
Männer laufen Gefahr dem Machtmissbrauch zu verfallen, „weil wir in einer patriarchalen
Gesellschaft leben, die solchen Missbrauch billigt und in der vorwiegend Männer die
Machtpostionen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft innehaben.“(S.55) Frauen
hingegen „opfern“ sich für die Familie, „entsprechen dem, was […] Männer als ihre Rolle
und Aufgabe definieren“69.
„In der traditionellen Kreuzestheologie werden Männersünden dargestellt und die Erlösung
von diesen thematisiert.“70 Frauen werden weiterhin gebunden und durch
Selbstverleugnung, Fremdbestimmung, Opferbringen wird ihnen das Ideal, als erlösend
vor Augen gestellt und somit verfestigt die Kreuzestheologe die gegenwärtige patriarchale
Gesellschaftssituation und deren Rollenteilung.
Unheilvolle Vorstellung von Erlösung
Dürfen Menschen „zur Erlösung, zum Heil, zum Wohl von anderen geopfert werden?“71
„Opfer werden in einem Hierarchieverhältnis vollzogen.“72Regula Strobel glaubt, der
Begriff Opfer darf nicht mehr mit Erlösung in Zusammenhang gebracht werden, „weil
65
Ebd.
Strobel, Regula, Feministische Kritik an traditionellen Kreuzestheologien in: Strahm, Doris / Strobel, Regula (Hg.),
Vom Verlangen nach Heilwerden. Christologie in feministsch-theologischer Sicht. Fribourg/Luzern 1991, S. 55.
67
Ebd.
68
Ebd.
69
Ebd., S. 56.
70
Ebd.
71
Ebd.
66
schon viele geopfert wurden […] ohne uns die erhoffte Erlösung zu bringen.“73 Außerdem
darf das sog. Heilshandeln Gottes nicht immer weitere Gewalttaten legitimieren.
„Gehorsam, Unterwerfung, Selbstverleugnung sind für feministische Theologinnen keine
Begriffe, mit denen sie Erlösung umschreiben können“74, denn sie wurden zur
Stabilisierung der eigenen Unterdrückung, der Unterdrückung Andersfarbiger- und
Gläubiger und der Armen verwendet. Bis jetzt führte Erlösung immer nur zu Unheil, Terror
und Unterdrückung.
Es wird versucht, das Kreuz als freie Entscheidung Jesu darzustellen, doch es wird auch
immer betont, „dass Jesus nicht seinen, sondern den Weg Gottes gegangen ist. Damit
bleibt das hierarchische Verhältnis und die Fremdbestimmung zwischen […] dem Vater
und […].dem Sohn […] bestehen.“75
Joanne Brown und Rebecca Parker weißen darauf hin, dass wir, wenn wir Leiden als
positiv und erlösend darstellen und es einfach akzeptieren und ertragen, dabei vergessen,
„dass die Gewalttäter immer die Möglichkeit haben, anders zu handeln.“76
7. Diskussionsfragen
Silvia Strahm Bernet stellt in ihrem Text die Frage: „Wieso endet etwas, das
ursprünglich einmal als erlösend und befreiend gedacht wurde, so oft in
Unterdrückung und Tod?“ Wie würden Sie diese Frage beantworten?
In der Kleingruppe wurde betont, dass bei diesem Thema immer die Politik mitschwingt.
Außerdem geht es darum, dass die Unterdrückten versuchen sich zu befreien und durch
ihre eigene Befreiung wieder andere unterdrücken.
Es wurde bemerkt, dass es Regeln gab, die von Jesus gebrochen wurden um zu mehr
Freiheit zu kommen. Die Menschen arbeiteten an diesen Regeln und es gab ein neues
Regelkonzept, das aber auch wieder zu Verengungen führte. Auch das
Ausschlussverfahren der Kirche führte zu einem verengenden Konzept.
Ein Seminarteilnehmer bemerkte, dass es in allen Religionen Verengungen und Krieg gibt.
Auch der noch so friedlich scheinende Buddhismus beinhaltet Krieg.
72
Ebd.
Ebd., S. 57.
74
Ebd.
75
Ebd.
76
Ebd., S. 58.
73
Es wurde auch bemerkt, dass es zu Unterdrückungen und Tod auf Grund von Angst
kommt. Die Menschen haben Angst vor falschen Religionen, vor falschen Gedanken usw.
und versuchen deshalb diese zu bekämpfen.
Am Ende läuft es auf die Frage hinaus: Wer hat die Macht? Universalitätsansprüche von
kleinen Gruppen können nichts bewirken. Die katholische Kirche hatte lange Zeit diese
Macht. Dabei stellt sich nun die Frage, ob die Personen mit ihren eigenen Rechten
anerkannt werden oder ob alles auf einen Anspruch verengt wird. Nun geht es darum,
dass man es andere anders machen lassen soll.
Es stellte sich heraus, dass die Situation komplex ist und dass es nicht eine Lösung für
alles gibt. Vorstellungen, die für uns befreiend sind, können für andere unterdrückend sein.
So stellt Jesus Christus für viele Menschen eine Befreiung dar, für manche, vor allem
Frauen, jedoch nicht.
Die Frage, die sich dabei ergibt ist die Frage: Wie kann man damit umgehen?
Es geht nun darum das interne totalitäre System in der Kirche anzuschauen und daran zu
arbeiten.
Außerdem geht es darum die Macht der einzelnen zu reduzieren und zu lernen mit
anderen Religionen leben zu können und einen Weg der Akzeptanz und Toleranz zu
finden. Dies ist oft schwierig, da die Theorie und die Praxis oft nicht übereinstimmen. Es
sollte versucht werden, die Theorie auszuprobieren und wenn sie nicht funktioniert, sie zu
verändern, solange bis es funktioniert.
Auch die Kirche hat einen Fortschritt gemacht und aus ihren Fehlern gelernt. Jedes
System hat Fehler. Kein System das stehen bleibt, kann gut sein.
Oft geht es auch darum, dass wir andere Ideen zu schnell verurteilen. Wir müssen lernen
uns in andere hinein zu fühlen.
Die Mission galt ursprünglich als erlösend und befreiend. Jedoch war der Hintergedanke
ein anderer. Vieles wurde im Namen der Erlösung und Befreiung getan, hatte aber Macht
und den Eroberungsgedanken im Hintergrund.
„Sind nicht vielleicht die Zweifelnden die Glaubenden, weil sie wissen, dass die
Wahrheit unverfügbar und alles auch ganz anders sein kann?“
Am Anfang versuchte sich die Gruppe mit der Begrifflichkeit auseinanderzusetzen. Es gibt
verschiedene Arten vom Zweifel und verschiedene Zugänge, man kann über
verschiedenes zweifeln, auch Franz von Assisi und andere große Theologen haben
gezweifelt.
Ähnlich bei dem Begriff der Glaubenden, wer sind die Glaubenden? Nur diejenigen, die
zweifeln oder alle die sich selbst als gläubig bezeichnen. Und wenn man die Frage anders
stellt, sind jene, die nicht zweifeln deshalb nicht gläubig?
Die Zweifelnden sind Jesus sehr nahe, denn auch Jesus hat in seiner Todesstunde
gezweifelt („mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“).
Der Zweifel muss nicht unbedingt ein Zeichen von Schwäche sein, denn wenn man selbst
schon zweifelt und es kommt auch noch der Druck von außen, ist das ein starkes Ringen
mit sich selbst und dem Glauben. Doch es kann auch den Glauben festigen, in kritischen
Diskussionen wird oft der eigene Standpunkt erst richtig bewusst und man bekommt
immer und immer wieder die Wahrheit geschenkt und das wiederum ist ein Zeichen von
Gnade.
Für intellektuelle Menschen, die sich auch wissenschaftlich mit der Theologie
auseinandersetzen gehört zweifeln ganz klar dazu, man lernt die Dinge kritisch zu
hinterfragen. Doch es gibt bestimmt auch sehr einfache Menschen, die einen sehr
gefestigten Glauben haben und auch gar nie auf die Idee kommen würden etwas
anzuzweifeln. Das kann also nicht heißen, dass diese Menschen nicht die wahren
Glaubenden sind.
Allerdings ist zweifeln zutiefst menschlich und die Gruppe konnte sich nicht vorstellen,
dass es Menschen gibt, die gar nichts anzweifeln, denn wenn man sich intensiv mit der
Religion auseinandersetzt kommen Zweifel auf, aber vielleicht gibt es Menschen, die diese
Zweifel gleich wieder unterdrücken und beiseite schieben.
Wenn Religion sich gegen Totalitäres versichern will, muss sie offen und kritikfähig sein.
Leider ist das häufig nicht der Fall, denn die Kirche versucht oft Skandale einfach
auszuwischen, anstatt sich der öffentlichen Diskussion zu stellen und somit mit der
Wahrheit zu konfrontieren. Professoren und Priester müssen sehr aufmerksam sein,
welche Konsequenzen ihr kritisches Hinterfragen mit sich bringt, denn wird zu viel kritisch
hinterfragt dauert es nicht lange und es wird die Lehrbefähigung entzogen oder ein
Priester seines Amtes enthoben.
Hr. Professor Regensburger brachte noch ein kleines Beispiel, was es in der Politik
bedeutet zu zweifeln. Ein ehemaliger Bundeskanzler, Fred Sinowatz, sagte was die
Herausforderung der nächsten Jahre betreffen würde „Ich weiß, das klingt alles sehr
kompliziert“ und machte dabei einen höchst verzweifelten Eindruck. Der Bundeskanzler
geriet unter zunehmenden Druck und wurde seines Amtes enthoben.
„Am Anfang Deines Briefes siehst Du den Grund für das Totalitäre der
Erlösungsvorstellungen in ihrem universalen Geltungsanspruch, gegen den
Schluss aber eher in einer Art Erfolglosigkeit erlösender Ideen in der Praxis.
Handelt es sich da um einen Widerspruch, oder gehört das irgendwie zusammen?“
Die Gruppe versuchte zuerst mal die Begriffe Erfolglosigkeit und Geltungsanspruch zu
klären.
Erfolglosigkeit könnte man vielleicht mit Mangel an Erfolg kompensieren.
Geltungsanspruch hat vielleicht mit Macht etwas zu tun.
Bei der Frage der Mittel, liegt die Gefahr darin, dass man auf Mittel zurückgreift die nicht
adäquat sind. Wenn der Geltungsanspruch nicht als Macht gesehen wird, wenn
Erfolglosigkeit eintritt, kann die Gefahr bestehen dass man nach solchen Mitteln greift.
Wenn man den Blick auf Christus richtet, ist die Erfolglosigkeit anders, Jesus fährt nicht
mit dem Schwert drein, wenn jemand nicht glaubt. Es darf nichts mit Gewalt geschehen,
das würde seine Botschaft zerstören und verfälschen.
Ein Beispiel wäre die Zwangstaufe, wo Untertanen einfach getauft wurden ohne dass sie
es wollten. Doch mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil änderte sich das.
Es ist auch immer eine Spannung bei der Reich-Gottes-Botschaft vorhanden, das Reich
Gottes ist zwar angebrochen, aber noch nicht erfüllt.
Vgl. Bergpredigt; es gibt schon einiges das bereits geschehen ist. Man muss den Blick auf
Jesus richten um zu sehen wie er damit umgegangen ist. Man muss sich vielleicht der
Erfolglosigkeit aussetzen oder den Begriff neu definieren. Auch den Opferbegriff. Man
kann sich einer Sache ganz verschreiben und im Zweifelsfall das eigene Leben als Opfer
hingeben, aber man muss sicher wegkommen von dem Opferverständnis, wo andere
Menschen geopfert werden.
8. Unsere Meinung:
Nicht Heilsversprechen an sich sind das Problem, sondern der Glaube des Menschen sich selbst
durch eigene Werke erlösen zu können, statt darauf zu vertrauen, dass Christus der Erlöser ist. Der
Mensch soll sich keine innerweltlichen Heilsversprechen machen, sondern besser auf Gott
vertrauen.
Also; innerweltliche Heilsversprechen sind gefährlich. Religiöse Heilsversprechen, in denen der
Mensch sich durch eigene Werke retten soll, sind gefährlich. Das Vertrauen auf Jesus Christus
hingegen nicht.
9. Quellenverzeichnis
Biser, Eugen; Jörns, Klaus-Peter; Hahn, Ferdinand (2003): Lexikon des christlichen Glaubens.
München: Pattloch-Verl.
Fama Nr. 4 Dezember 1986
Strahm Bernet, Silvia, Jesa Christa, in: Strahm, Doris / Strobel, Regula (Hg.), Vom Verlangen nach
Heilwerden. Christologie in feministsch-theologischer Sicht. Fribourg/Luzern 1991.
Strobel, Regula, Feministische Kritik an traditionellen Kreuzestheologien in: Strahm, Doris /
Strobel, Regula (Hg.), Vom Verlangen nach Heilwerden. Christologie in feministsch-theologischer
Sicht. Fribourg/Luzern 1991.
Quellen aus dem Internet:
http://www.doris-strahm.ch/Strahm_2_01.pdf
http://www.fama.ch/ (Stand: Dezember 2012)
http://www.rexbuch.ch/index.php?action=product_show&var=201&PHPSESSID=a9c2a4cb7a00e80bf8104dda687
cac0c (Stand: Dezember 2012)
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