Seite 1 von 5 I n f o r m a t i o n s m a t e r i a l v o m 2 1 . 0 5 . 2 0 1 5 Knie kaputt – Was tun? Um das größte Gelenk im Körper gesund zu erhalten, muss es bewegt werden. Das verbessert die Versorgung der Knorpelschicht. Einseitige Bewegungen, Stöße, Verletzungen oder starke Belastung, zum Beispiel durch Übergewicht, schädigen den Knorpel. Eine Überbeanspruchung oder Verletzungen können zu Schäden am Meniskus oder den Kreuzbändern führen. Unbehandelt begünstigt das wiederum eine Arthrose. Die Kreuzbänder und die Menisken gehören neben dem Innen- und Außenband zu den wichtigsten Elementen, die das Kniegelenk stabilisieren und ohne die es nicht reibungslos funktionieren kann. Es handelt sich dabei um circa zwei Zentimeter lange und etwa kleinfingerdicke Faserbündel. Besonders das vordere Kreuzband sorgt für Standfestigkeit. Leider betreffen 90 Prozent der Kreuzbandverletzungen dieses vordere Band. Die Betroffenen haben das Gefühl, dass das Knie irgendwie wegrutscht beim normalen Gehen. Dieses Gleiten und Reiben im Gelenk kann auf Dauer fatale Folgeschäden haben. Zuerst leiden die Menisken. Wenn sie daraufhin nicht mehr als Stoßdämpfer des Knies wirken, reibt der Gelenkknorpel ab und Arthrose entsteht. Wie es um die Kreuzbänder steht, zeigt neben der Untersuchung durch den Arzt vor allem eine Kernspintomographie. Nach gesicherter Diagnose gilt es genau abzuwägen, ob ein Kreuzbandersatz im Rahmen einer Knie-OP wirklich sinnvoll ist. Kleine Bewegung – schmerzhafter Riss Bei abrupten Drehungen, beim Ausrutschen oder sogenannten „Stop and Go“- Sportarten wie Handball, Badminton oder Abfahrtslauf passiert es immer wieder: Das Kreuzband wird zu stark belastet und reißt. Für viele Sportler das Karriere-Ende. So wie für die Handballerin Constanze B. Im Mai 2015 passiert es allerdings bei einer ganz banalen Alltagsbewegung: „Ich hab meinen Sohn gedrückt. Dabei bin ich umgeknickt und habe den stechenden Schmerz verspürt, woraufhin ich auch nicht mehr laufen konnte.“ Die Untersuchung zeigt: „Das Knie ist eindeutig instabil. Ich kann den Schienbeinkopf nach vorn schieben. Das ist ein sicheres Indiz dafür, dass das vordere Kreuzband nicht mehr funktioniert“, stellt Orthopäde Dr. Gotthard Knoll vom Elisabeth Krankenhaus Leipzig fest. Eine Untersuchung im MRT bestätigt die Diagnose. Weil nicht nur das Kreuzband, sondern auch der Meniskus gerissen und zudem schmerzhaft eingeklemmt ist, fällt die Entscheidung für eine OP. Kreuzband-OP Im ersten Schritt wird der gerissene Meniskus genäht. Danach wird das Kreuzband ersetzt. Als Transplantat wird eine Sehne aus dem Bein verwendet, die normalerweise 1 Seite 2 von 5 den Unterschenkel mit dem Oberschenkel verbindet. Es sind dort mehrere Sehnen mit derselben oder ähnlichen Funktion vorhanden, so dass die Entnahme für den Patienten keine merklichen Defizite hinterlässt. Diese entnommene Sehne wird mehrfach zusammengefaltet, damit sie die Stärke eines normalen Kreuzbandes bekommt. 8,5 Millimeter ist sie letzten Endes dick. Das Transplantat muss dann auf den Millimeter genau an den Stellen fixiert werden, an de- nen normalerweise das Kreuzband sitzt. Dafür werden Schrauben verwendet, die sich von allein auflösen, wenn das neue Kreuzband angewachsen ist. Die Operation dauert etwa eine Stunde. Ganz so wie vorher wird es jedoch nie, weiß der Operateur Dr. Koll. Aber er geht von einer sehr guten Wiederherstellung und Funktion des Gelenkes aus, so dass die Patientin, wenn alles gut funktioniert, später wieder Sport treiben kann. Typische Symptome für einen Kreuzbandriss • Zerreißungsgefühl • Geräusch, dass etwas reißt • Verschiebegefühl Oberschenkel gegen Unterschenkel • Gangunsicherheit • Gelenkerguss (sofort oder verzögert) • Schmerz in der Kniekehle • Streck- und Beugehemmung Wann wird operiert? Klare Antwort: nicht bei jedem Patienten! Doch worauf kommt es an? Handelt es sich um einen sehr aktiven Patienten, der viel Sport treibt und sich wünscht, sich weiter mit hoher Intensität zu bewegen, spricht das eher für einen Eingriff. Auch wer beruflich viel Laufen muss, dem rät man zu einem neuen Kreuzband. Die Operationsnotwendigkeit richtet sich auch danach, ob noch ein stabiler Gang vorhanden ist und danach, ob Begleitverletzungen zum Beispiel an den Menisken, vorliegen. Ein weiterer Aspekt ist das Lebensalter, in dem die Verletzung auftritt. Kinder und Jugendliche profitieren gut von einem Kreuzbandersatz. Wer jedoch kaum ein instabiles Gefühl im Knie hat, beruflich und privat wenig auf den Beinen ist und zudem schon starke Verschleißerscheinungen im Knie hat, kann sich die Prozedur ersparen und mit konservativen Methoden behandelt werden. Hierzu zählen vor allem Krankengymnastik, Physiotherapie, Orthesen und Schmerzmittel. Wunderwerk Knie Damit das Kniegelenk Spiel hat und trotzdem nichts wackelt, braucht es wichtige „Bauteile“. Das vordere und hintere Kreuzband sowie den Innen- und Außenmeniskus. Sie dienen als Stoßdämpfer. Die Kniescheibe schützt das Gelenk von vorne und lenkt die Kräfte vom Oberschenkel auf den Unterschenkel um. Dazu kommen das Außenband und das Innenband. Das Ganze ist in eine Gelenkkapsel eingepackt. 2 Seite 3 von 5 Volksleiden Kniearthrose – Konservativ gegen den Schmerz Typisch für Arthrose im frühen Stadium ist der Anlaufschmerz. Es tut also weh, etwas zu beginnen, während mit der Bewegung dann der Schmerz wieder nachlässt. Später allerdings treten Beschwerden auch im Ruhezustand auf. Eine Röntgenuntersuchung schafft beim Verdacht auf Arthrose Klarheit. Der erste Schritt der Behandlung ist die Entlastung des betroffenen Gelenks. Das kann durch die Behandlung von Fehlstellungen geschehen, durch Gewichtsreduktion, aber auch durch den Gebrauch eines Gehstocks. Wärme, Kälte oder Massagen können die Beschwerden lindern. Medikamente können Arthrose nicht heilen, sie können aber die Beschwerden mildern. Bevor man sich als letztes Mittel der Wahl einer Operation unterzieht, sollte man das ganze Spektrum der nichtinvasiven Methoden ausnutzen. Denn gerade Eingriffe am Knie bergen ein hohes Risiko für mögliche Infektionen mit fatalen Folgen. Physikalische Behandlungen: Reizstrom, Ultraschall und gezielte Heilgymnastik können die Muskelanspannung um das Knie herum senken und so zu einer Schmerzlinderung beitragen. Kälteanwendungen tun bei akuten Knieschmerzen mit Entzündung gut. Warme Auflagen und Bäder helfen im chronischen Stadium einer Arthrose. Orthopädische Hilfsmittel: Bandagen und Orthesen stützen zum einen das Gelenk. Zum anderen stimulieren sie die Knie stabilisierende Muskulatur. Oft fühlen die Patienten durch die Orthesen eine erhöhte Sicherheit im Knie. Zudem können Pufferabsätze und Fersenkissen für die Schuhe Stöße reduzieren. Medikamente: Gängige Präparate sind Schmerzmittel wie Paracetamol. Die sogenannten NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) wie Ibuprofen oder Diclofenac lindern nicht nur Schmerzen, sondern wirken auch entzündungshemmend. Kortisonspritzen: Sie werden direkt ins Gelenk gespritzt und helfen vorübergehend gegen Schmerzen. Die Anwendung sollte auf wenige Spritzen im Jahr beschränkt bleiben, denn es besteht immer ein Risiko für Infektionen. Hyaluronsäure: Die Wirksamkeit von Injektionen mit Hyaluronsäure ist nach wie vor in der wissenschaftlichen Diskussion. Bei beginnender Arthrose kann die Therapie unter Umständen einige Monate helfen. Langfristige Auswirkungen auf die Knorpelmasse konnten bislang jedoch nicht nachgewiesen werden. Akupunktur Als alternative Heilmethoden kommen die Akupunktur und die Blutegeltherapie in Betracht. Laut einer britischen Studie profitierten Patienten, deren letzte Möglichkeit ein künstliches Kniegelenk gewesen wäre, von der Akupunktur. Durch regelmäßige Sitzungen hatten die über 70-Jährigen weniger Schmerzen sowie ein beweglicheres und besser funktionierendes Kniegelenk. Die gesetzlichen Kassen erstatten in der Regel die Kosten. Blutegel Begleitentzündungen und Schwellungen bei Arthrose können durch eine Blutegeltherapie gelindert oder beseitigt werden. Die Behandlung mit den Tieren ist ein ausleitendes Therapieverfahren, wobei lokale Schwellungen beseitigt werden. Weitere Naturheilmittel sind Teufelskralle, Brennnessel und Weidenrinde. Als bewährtes Hausmittel gilt auch ein Quarkwickel. Ernährung gegen Entzündungen Die Probleme bei Arthrose entstehen nicht direkt aus der Abnutzung der Gelenke. Die Abnutzung zieht Entzündungen nach sich, und erst diese sind die eigentliche Quelle der Beschwerden. Deshalb zieht die Dämpfung der Entzündungen einen Gewinn an Lebensqualität nach sich. Eine mögliche Strategie liegt in einer bewussten Ernährung. Es gibt Bestandteile in Lebensmitteln, 3 Seite 4 von 5 die Entzündungen förmlich anfachen und andere, die eine hemmende Wirkung haben. Meiden sollte man vor allem Arachidonsäure. Dieser Stoff steckt in tierischen Fetten, vor allem in Schweinefleischprodukten, aber auch Eigelb sollte darum seltener auf den Tisch. Hilfreich sind hingegen Antioxdydanzien, die vor allem in Obst und Gemüse enthalten sind, aber auch Omega-3-Fettsäuren, für die Fisch eine gute Quelle ist. Es gibt Patienten, die von einer massiven Besserung ihrer Beschwerden durch einen Umstieg auf weitgehend vegetarische Ernährungsweise berichten. Wem das zu radikal ist, der ist gut beraten, öfter Fisch statt Fleischgerichte zu genießen. Risiko Arthroskopie – Mehr Schaden als Nutzen? Die Kniespiegelung, von Medizinern „Arthroskopie“ genannt, gehört zu den häufigsten Eingriffen in Deutschland. Doch schon lange gibt es Zweifel daran. Denn, so zeigen Studien, Patienten mit einer Arthrose im Knie haben oft nichts von einer Gelenkspiegelung. Sie kann die Beschwerden sogar verschlimmern. Bei einer Arthroskopie können sich die Ärzte das Knie von innen anschauen, einen möglichen kaputten Knorpel glatt schleifen. Doch der Nutzen, sagen Kritiker, ist in vielen Fällen gleich Null. Prof. Dr. Karl-Heinz Frosch, Orthopäde und Unfallchirurg von der Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg meint: „Die Kniespiegelung, also die Arthroskopie des Kniegelenkes bei einer fortgeschrittenen Arthrose, wird sehr häufig gemacht, bringt aber in der Regel wenig oder gar nichts. Wenn sie durch eine Arthroskopie da noch Knorpel weiter abschleifen, dann kann es passieren, dass der Patient noch mehr Beschwerden bekommt, als er vorher schon hatte“, erläutert Frosch die Hintergründe. Hinzu kommen weitere Gefahren. Die OP gilt zwar als minimalinvasiv. Dennoch kann es, wenn auch selten, zu Infektionen, Thrombosen, Embolien kommen. 2013 fasst das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Medizinwesen den Kenntnisstand zur Arthroskopie zusammen. Fazit: Kaum Vorteile! Dr. Stefan Sauerland vom IQWiG, Köln macht deutlich: „Das heißt, aus unserer Sicht erschiene es sinnvoll, wenn diese Intervention in Zukunft nicht mehr durchgeführt würde.“ Klar ist: Zwischen Nutzen und möglichen Folgeschäden muss bei jeder OP sorgfältig abgewogen werden. Knietraining aus dem Weltraum Das Anti-Schwerkraft-Laufband, das für die Raumfahrt entwickelt wurde, macht Patienten scheinbar schwerelos. In der Maschine wird der Körper an den Hüften durch Luftpolster gehalten. Dadurch lastet nicht mehr das gesamte Körpergewicht auf den Knien. So kann sich zwischen den abgenutzten Knorpelscheiben wieder schützende Gelenkflüssigkeit bilden. Das kommt Patienten mit Arthrose zugute. Das Training stärkt auch die stützende Muskulatur in den Knien. Das Laufband ist bisher nur in wenigen deutschen Städten verfügbar. Ein Training im Wasser wie zum Beispiel Aquajogging oder Wasseraerobic haben aber einen ganz ähnlich entlastenden Effekt. Buchtipps Wertvolle Tipps, wie Sie dank einfacher Hausmittel Ihre Selbstheilungskräfte aktivieren und Ihren Körper wieder ins Gleichgewicht bringen können, finden Sie auch im Hauptsache Gesund-Buch „Meine besten Hausmittel“. ISBN: 978-3-89883-272-4; 19,95 Euro Erhältlich im Buchhandel und im MDR-Shop. Gast im Studio Dr. med. Gotthard Knoll, Mannschaftsarzt des HC Leipzig und Icefighters Leipzig, Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Spezielle Unfallchirurgie, Sportmedizin, Manuelle Medizin, Notfallmedizin, D-Arzt, Chefarzt St. Elisabeth-Krankenhaus, Leipzig Constanze Blechschmidt, Patientin 4 Seite 5 von 5 Anschrift/ Thema der nächsten Sendung MDR FERNSEHEN, Redaktion Wirtschaft und Ratgeber „Hauptsache Gesund“ Internet: www.mdr.de/hauptsache-gesund; E-Mail: [email protected] Sendung vom 28.05.2015: “Schlaf gut – aber wie?“ 5