Ausgabe 3 | 2015 Landinfo Serie zum Internationalen Jahr des Bodens Schwerpunktthema: Grünlandbewirtschaftung Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung Impressum Herausgeber Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume (LEL) Oberbettringer Str. 162 73525 Schwäbisch Gmünd Telefon: 07171/ 917-100 Telefax: 07171/ 917-101 Schriftleitung Susanne Mezger Telefon: 07171/ 917-114 E-Mail: [email protected] Redaktionsbeirat Werner Balbach, LRA Schwäbisch Hall Gottfried Bleyer, WBI Freiburg Martina Burkhardt, RP Stuttgart Jürgen Käßer, LEL Schwäbisch Gmünd Robert Koch, LVG Heidelberg Andreas Maier, RP Karlsruhe Walter Maier, LRA Schwarzwald-Baar-Kreis Uwe Michelfelder, LVWO Weinsberg Michael Asse, LSZ Boxberg Daniela Schweikhart, LRA Biberach Renate Lindner, LAZBW Baden-Württemberg Layout Ramona Maier E-Mail: [email protected] Hinweis Alle Artikel werden im Intranet der Landwirtschaftsverwaltung bei: online-Service/Publikationen/Landinfo eingestellt. Bereits erschienene Artikel können dort recherchiert werden, die Abbildungen erscheinen farbig. Ältere Jahrgänge der Landinfo sind allgemein zugänglich unter: www.landinfo.landwirtschaft-bw.de Die namentlich gekennzeichneten Beiträge geben die Auffassung der Autoren wieder. Für die fachliche Richtigkeit zeichnet die Redaktion nicht verantwortlich. Druck e. kurz + co. druck und medientechnik gmbh Kernerstr. 5, 70182 Stuttgart Erscheinungsdatum Juli 2015 ISSN 0947-9392 Titelbild S. Mezger, LEL Landinfo 3/2015 Editorial Näher am Himmel Es ist schon etwas Besonderes, wenn man wie ich neulich bei der Europäischen Grünlandtagung im holländischen Lelystad auf einem Polder steht und vor sich - so weit das Auge reicht - ausschließlich hochertragreiches Deutsches Weidelgras auf total ebenen und bestens befahrbaren Flächen sieht. Dazwischen weiden schwarzbunte Kühe und fressen bestes Gras, das genau im richtigen Wuchsstadium steht. Es ist aber auch was Besonderes, wenn man, wie neulich beim baden-württembergischen Grünlandtag, gut gepflegte Wiesenflächen zwischen Streuobstwiesen und auf Hanglagen sieht und erkennt, mit welchem unglaublichen Aufwand und großem Fleiß die heimischen Bauern ihre oftmals nicht arrondierten Flächen bewirtschaften. Hier wie dort ist Grünland landschaftsbildend und landschaftsprägend. In beiden Fällen dient es der Ernährung der Nutztiere und letztlich wird da wie dort Milch oder Fleisch produziert und Bauernfamilien leben davon. Aber es versteht sich von selbst, dass die Bewirtschaftungsrezepte in Baden-Württemberg anders sein werden und müssen als in den Niederlanden. Die beiden Regionen sind also nicht ohne weiteres vergleichbar. Trotzdem können wir von den Holländern auch etwas lernen: Effiziente Grünlandnutzung bedeutet Steigerung des Outputs bei gegebenem Faktoreinsatz. Also mehr Grundfutter je eingesetztem Kilo Stickstoff oder Phosphat oder mehr Milch und Fleisch je Flächeneinheit. Das gelingt bei staatlicherseits geforderter begrenzter Düngeintensität nur mit mehr Leguminosen im Futter und der Nutzung bester Grasarten und Sorten. Auf der anderen Seite können aber auch die Holländer was von uns lernen, nämlich dass Einsatz und Ideenreichtum schon immer eine süddeutsche Eigenschaft sind. Ich will hier an das am Grünlandtag gezeigte Spezialmähwerk zum Ausmähen der mehr als 1.000 Obstbäume auf dem Betrieb der Familie Ilg in Hattenhofen erinnern. Und bei uns strebt man nicht nur einen hohen Grasanteil im Futter an, sondern Kräuter können oder sollen mit etwa 20% Ertragsanteil im Futter enthalten sein. Das sehen die Holländer einerseits mit Skepsis, andererseits beneiden sie uns zum Teil darum. Denn wie anders wäre es zu erklären, wenn auf dem Polder jetzt Mischungen mit Spitzwegerich angesät und als besonders fortschrittlich weil natriumhaltig empfunden werden? Und falls Sie jetzt fragen, worin unser größeres Kräuterwachstum begründet ist, dann kommt man unweigerlich auf pflanzenbauliches Grundwissen und stellt als maßgeblichen Einflussfaktor die höhere Einstrahlungsintensität fest. Oder ganz einfach: Baden-Württemberg ist einfach näher am Himmel als Holland! Mal ehrlich, haben wir das nicht schon immer gewusst? Prof. Dr. Martin Elsäßer Prof. Dr. Martin Elsässer LAZBW Aulendorf Tel. 07525/ 942351 Martin.Elsaesser@ lazbw.bwl.de Landinfo 3 | 2015 Inhaltsverzeichnis Inhalt Editorial1 Aktuelles Kurz mitgeteilt Serie zum Internationalen Jahr des Bodens 3 Historischer Bergbau und Belastung von Böden und Pflanzen in den Schwarzwaldseitentälern Michels 5 Untersuchungen des PFC-Transfers vom Boden in Nutzpflanzen Trenkle 7 Schwerpunktthema Langzeitversuch Bewirtschaftung eines Halbtrockenrassens Seither 10 Beeinflussung der Funktionalität von Grünlandböden Elsässer 14 Grünland und Futterbau in Farmsystemen mit hohem Output Elsässer 23 Von der Streuobstwiese zum Geotop Greiner 26 Mitten im Leben Ernährungsinformation28 Rezensionen / Personal 30 Ländlicher Raum Wetterdaten und ihr Nutzen für Beratung und Praxis Hintemann 32 Bleyer 36 Pflanzen- und Tierproduktion Der neue Sachkundenachweis - eine Zwischenbilanz 350 Tage nach Einführung Löcher-Bolz des bundesweiten Online-Verfahrens 38 FERBA-Treffen der Zuchtvereinigungen für Bergrinderrassen im Wallis Maus 40 Schumann 42 Elias 44 Nickel 46 Anderlohr 50 Rösch, Reinke 52 Regenradar Neu - eine wertvolle Ergänzung in „VitiMeteo“ Haltungsanforderungen an eine tiergerechte Forellenzucht - was brauchen Fische zum Wohlfühlen? Hauswirtschaft und Ernährung Fünf Jahre Arbeit mit Kopf, Herz und Hand - in und außerhalb der Küche Situation der Weinerlebnisführer/innen Tag der Schulfruchttag Bildung und Beratung Positive Bilanz der Ausbildungskooperation „Landwirtschaft macht Schule“ Durchhalten wird belohnt - 5. Jahrgang „Systemischer Coach in der Landwirtschaft“ an der LEL hat abgeschlossen Enderle 59 Lackenbauer 61 Aus den Landesanstalten Listerienproblematik in Hofkäsereien Buck 63 Laborworkshop am LAZBW Wangen zur Erhöhung der Lebensmittelsicherheit Buck 64 Als Gastlehrer im thailändischen Bildungsministerium Letzte Seite Redaktionsschluss der Ausgabe 4/2015: 21.09.2015 2 Landinfo 3 | 2015 Aktuelles Aktuelles Jahrestagung der AG Grünland und Futterbau Ende August in Aulendorf Von 27. bis 29. August findet in Aulendorf die Jahrestagung der AG Grünland und Futterbau in der Gesellschaft der Pflanzenbauwissenschaften statt. Die Tagung findet jährlich statt und dient den deutschsprachigen Grünlandwissenschaftlern als Plattform für Wissensaustausch und die Präsentation von neuen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen. Das Tagungsprogramm ist im Prinzip dreigeteilt. Es gibt zum einen eine Vortragstagung, bei der die Aulendorfer Kollegen und geladene Redner sprechen werden. U.a. werden aber auch junge Wissenschaftler ihre Themen aus verschiedenen Dissertationen und Forschungsvorhaben vortragen. Im Programm sind auch Kollegen aus der Schweiz, aus Luxemburg und Südtirol sowie aus ganz Deutschland. Des weiteren werden 44 wissenschaftliche Poster gezeigt und die Thesen und Ergebnisse werden direkt in zwei Sektionen am Poster diskutiert. Im dritten Teil werden die aktuellen Aulendorfer Versuche zu u.a. der Eiweißstrategie und Ansaat von Leguminosen in Dauergrünland, ein Grünlandverbesserungsversuch unter Praxisbedingungen, Maisersatzpflanzen, langjähriger Vergleich von Grünlandansaatmischungen, Eignung von Rohrschwingel bei Beweidung und bei Möglichkeiten der Konservierung solcher Aufwüchse besichtigt. Eine Ganztagesexkursion am Samstag zu einer Käserei, einem Fohlenaufzuchtbetrieb und ins Wurzacher Ried mit Darstellung der Wasserkreuzkrautproblematik und Besichtigung eines Dairyman-Betriebes runden das Programm ab. Anmeldungen zur Tagung sind noch möglich, sollten aber möglichst bald erfolgen. Die Tagung kann als Fortbildung für Berater gelten. Unterlagen zur Anmeldung, den Kosten sowie das gesamte Tagungsprogramm finden sich auf der Homepage des LAZBW Aulendorf (www.lazbw.de/ Aktuelles). Die einzelnen Programmsegmente können separat gebucht werden. Landinfo 3 | 2015 Widerstand gegen Glyphosat wächst Verbote gefordert (aid) - Der Pflanzenschutzmittelwirkstoff Glyphosat gerät zunehmend in die Kritik. Jüngst wurde er von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Die Verbraucherzentrale Niedersachsen fordert daher ein sofortiges Verbot der Anwendung von Gyphosat in Privatgärten und auf öffentlichen Flächen und keine Verlängerung der Genehmigung als Pflanzenschutzmittel. Ein sofortiges Verbot der Abgabe von glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmitteln an Privatpersonen fordert auch Verbraucherminister Alexander Bonde, Baden-Württemberg, nachdem in Muttermilch-Proben Rückstände des Wirkstoffs festgestellt worden waren. Der Minister wies auch darauf hin, dass sich die Verbraucherschutzministerkonferenz von Bund und Ländern (VSMK) für ein vorläufiges Verbot der Glyphosat-Anwendung für Freiflächen, die nicht land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden, bis eine abschließende Neubewertung vorliege, ausgesprochen habe. „Die Gefahr einer unsachgemäßen Anwendung in Haus- und Kleingärten ist zu groß. Ohne die notwendige Sachkunde können sich Anwenderinnen und Anwender selbst Schaden zufügen. Besonders besorgniserregend ist, dass spielende Kinder oder Haustiere in Kontakt mit Glyphosat kommen können“, so Bonde in einer Pressemitteilung. Er betonte, dass ein Verbot der Abgabe an Privatpersonen zwingend notwendig sei. Die aktuellen MuttermilchProben würden dies nochmals unterstreichen. Glyphosat als Unkrautvernichtungsmittel ist nicht nur in landwirtschaftlichen Kulturen zugelassen, sondern auch für die Anwendung im Privatgarten in jedem Baumarkt erhältlich. Vor der Zulassung war der Wirkstoff auf Unbedenklichkeit getestet worden, inzwischen liegen jedoch auch Studien vor, die einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Glyphosat und der Veränderung des Erbguts nachgewiesen haben. Darauf stützt sich auch die IARC mit ihrer Einschätzung. http://mlr.baden-wuerttemberg.de/de/unserservice/presse-und-oeffentlichkeitsarbeit/pressemitteilung/pid/besorgniserregende-rueckstaende-des-unkrautvernichters-glyphosat-in-muttermilch-proben-gefunden/ aid-Newsletter Nr 27 3 Aktuelles LEL-MAPS Im Kartendienst der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume (LEL) wurde das Angebot an Karten im Bereich PFLANZLICHE ERZEUGUNG wesentlich erweitert. Seit Anfang März stehen für über 55 Kulturen der landwirtschaftlichen Erzeugung Karten bereit, die den Anbau der letzten zehn Jahre dokumentieren. Grundlage sind die Daten des Gemeinsamen Antragverfahrens auf Ebene der Gemeinden Baden-Württembergs. Die Karten zeigen die Gesamtanbaufläche der jeweiligen Kultur in ha je Gemeinde. Abbildung 1 Obst in den Gemeinden Baden-Württemberg. 4 Zur besseren Übersicht wurden die Kulturen analog der InVeKoS-Liste nach den Kulturgruppen Allgemein (Sonstige Flächen, Brachflächen), Getreide (einschließlich Mais), Hackfrüchte, Ölsaaten (einschließlich Sojabohnen), Eiweißpflanzen, Dauergrünland (einschließlich Ackerfutter) und Dauerkulturen (einschließlich Handelsgewächse und Obst) gruppiert. Die einzelnen Kulturen können aus eine Liste ausgewählt werden. Eine Übersicht zur Einteilung kann im Reiter INFO mit dem Link LISTE DER NUTZCODES aufgerufen werden. Die Maiskulturen Körnermais (NC 171), CCM (NC 172), Zuckermais (NC 174), Saatmais (NC 919) und Silomais (NC 411) sind zu Mais gesamt zusammengefasst. Eine Zusammenfassung der Einzelkulturen wird auch im Fall der Kartoffeln praktiziert. Die Karten werden künftig einmal jährlich aktualisiert. Den Kartendienst der LEL finden Sie in gewohnter Weise unter Infodienst Landwirtschaft – Ernährung – Ländlicher Raum Baden-Württemberg https://www.landwirtschaft-bw.info/pb/,Lde/ Startseite Dort weiter unter Ländlicher Raum > LEL MAPS > Pflanzliche Erzeugung. Richard Müller, LEL Landinfo 3 | 2015 Aktuelles Dr. Klaus Michels Historischer Bergbau und Belastung von Böden und Pflanzen in den Schwarzwaldseitentälern Mehr als 5000 Jahre lang blühte im Schwarzwald der Bergbau. Als langfristige Folge des Bergbaus sind die Böden in den Regionen entlang des Oberrheingrabens teilweise großflächig durch Schwermetalle belastet. In den Jahren 2010 bis 2014 wurden am landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg Böden sowie pflanzliche Produkte (Obst, Gemüse, Getreide und Grünaufwüchse) auf die Einhaltung gesetzlich vorgegebener Grenzwerte untersucht. Analytik Z ur Freisetzung der Schwermetalle wurden Böden mit Königswasser in der Siedehitze unter Rückfluss, zur Freisetzung der Analyte aus den Pflanzen mit Salpetersäure unter Mikrowellenheizung und Druck extrahiert. Zur analytischen Bestimmung der Schwermetalle Arsen, Blei, Cadmium, Kupfer, Zink, Chrom und Nickel wurde die Induktiv gekoppelte Plasmaemissionsspektrometrie mit Massendetektion und zur Messung von Quecksilber die Atomfluoreszenzspektrometrie eingesetzt. Landinfo 3 | 2015 Hohe Blei- und Cadmiumwerte Die Schwermetallgehalte der untersuchten Böden liegen zum Teil erheblich über den Vorsorgewerten für Blei und Cadmium, die Chrom-, Quecksilber- und Kupfergehalte sind eher unauffällig, Zinkgehalte liegen teilweise deutlich über dem Vorsorgewert. Bei etwa der Hälfte der untersuchten Böden sind bedenklich niedrige pH-Werte gemessen worden, somit steigt die Anzahl Böden mit möglicherweise problematischen Cadmiumgehalten. Probengehalte, die signifikant den Grenzwert überschreiten werden mit roter Farbe, Seit dem Mittelalter wird im Schwarzwald Bergbau systematisch betrieben. Seine Anfänge reichen jedoch schon in die Zeit vor der römischen Besiedlung zurück. Bild: K. Michels 5 Aktuelles Abbildung 1 Bleigehalte in pflanzlichen Lebensmitteln [mg/kg in der Frischmasse]. Abbildung 2 Cadmiumgehalte in pflanzlichen Lebensmitteln [mg/kg in der Frischmasse]. die signifikant unter dem Grenzwert liegen mit grüner und die verdächtig der Grenzwertverletzung sind mit oranger Farbe gekennzeichnet (Abb. 1 und 2). Dr. Klaus Michels LTZ Karlsruhe Tel. 0721/ 9468-142 Klaus.Michels@LTZ. BWL.DE 6 Die untersuchten Obstproben waren unbedenklich bezüglich ihres Blei- und Cadmiumgehaltes. Fast die Hälfte der untersuchten Getreideproben zeigt ein deutliches Cadmium-Problem, ein Drittel der Getreideproben sind bezüglich ihres Bleigehaltes zu beanstanden. Von den Gemüseproben war ein Drittel bezüglich des Bleigehalts nicht verkehrsfähig. Die zu beanstandenden Cadmiumgehalte liegen bei den gleichen Proben deutlich unterhalb von 20%. Kartoffeln, Spargel und Möhren werden normalerweise geschält verzehrt. Früh- kartoffeln werden oft ungeschält verwendet, Spargelschalen zur Bereitung von Suppen eingesetzt. Für einige Kartoffel- und Spargelproben wurden deshalb sowohl verzehrfähige Frucht als auch zugehörige Schalen auf Schwermetallgehalte untersucht. Geschälter Spargel und Kartoffeln auf mit Blei hochbelasteten Flächen ergaben unbedenkliche Blei- und Cadmiumgehalte während die zugehörigen Schalen zum Teil deutlich die Höchstmengen an Schwermetallen überschritten. Auf 57 untersuchten Flächen mit Grünland zur Futtererzeugung oder Beweidung konnte keine Quecksilberbelastung nachgewiesen werden, 20% der Proben zeigen Belastungen mit Arsen, Blei und Cadmium. Landinfo 3 | 2015 Schwerpunktthema Dr. Armin Trenkle Untersuchungen des PFC-Transfers vom Boden in Nutzpflanzen In den Jahren 2006 bis 2008 wurden im Bereich Mittelbadens Papierschlämme auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht. Erst 2013 wurde nach umfangreichen Untersuchungen von Trink- und Grundwasser festgestellt, dass die Papierschlämme perfluorierte Chemikalien (PFC) enthalten haben mussten. Denn im Einzugsgebiet der Grundwasserströme wurden mit PFC kontaminierte Agrarflächen ausgemacht. Daraufhin wurde das LTZ Augustenberg letztes Jahr beauftragt den möglichen Transfer der PFC vom Boden in Nutzpflanzen zu untersuchen. Diese Untersuchungen stellten das Labor der LTZ vor neue analytische Herausforderungen. P oly- und perfluorierte Chemikalien (PFC) wurden schon seit mehr als 60 Jahre industriell hergestellt. Wegen ihrer einzigartigen chemischen und physikalischen Eigenschaften wurden sie vielfach sowohl in industriellen Prozessen als auch in Produkten verwendet. PFC sind somit Industriechemikalien anthropogenen Ursprungs, verhalten sich wie Tenside und sind daher oberflächenaktiv. Durch ihre Carbon- oder Sulfonsäuregruppen sind PFC hydrophil und durch die Kohlenstofffluorkette auch lipophil. Die daraus resultierenden wasserabweisenden Eigenschaften sowie die feuerlöschende Wirkung führte zu vielen Verwendungen der PFC z.B. zum Imprägnieren von Textilien, Leder und Teppichen, beim Korrosionsschutz und Beschichtung von Metallen, in der Papierproduktion, als Bestandteil von Flammschutzmittel, z. B. in Feuerlöschschäumen u.a.Toxikologisch sind am besten die beiden Leitsubstanzen Perfluoroktansäure (PFOA) und Perfluorsulfonsäure (PFOS) untersucht (Efsa, 2008; Stahl, 2015; Wölfle, 2014). Für diese beiden PFC gibt es auch eine Risikobewertung. Die akute Toxizität der PFC wurde bislang als mäßig beurteilt. Die Substanzen reichern sich vor allem im Blut und in der Leber weniger im Fettgewebe an. Untersuchung des PFC Transfers Daraufhin wurde das LTZ Augustenberg letztes Jahr beauftragt den möglichen Transfer der PFC vom Boden in Nutzpflanzen zu untersuchen. Die Analysenverfahren waren bekannt. Das LTZ arbeitete in den entsprechenden Gremien des VDLUFA und des DIN an der Entwicklung der PFCMethoden aktiv mit. Trotzdem waren die PFCUntersuchungen eine besondere Herausforderung. Denn bislang bekam das LTZ nur vereinzelt Untersuchungsaufträge für PFC-Analysen. Zudem waren die amtlichen Methoden nur für Futtermittel, Klärschlamm, Kompost und Boden Extraktreinigung mit Anionenaustauscher. Bild: J. Jenrich Im Jahr 2013 wurde nach umfangreichen Untersuchungen von Trink- und Grundwasser festgestellt, dass Papierschlämme, die in früheren Jahren als Dünger auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht wurden, perfluorierte Chemikalien (PFC) enthalten haben mussten. Denn im Einzugsgebiet der Grundwasserströme wurden mit PFC kontaminierte Agrarflächen ausgemacht. Auf diesen wurden ausnahmslos Papierschlämme ausgebracht. Landinfo 3 | 2015 7 Aktuelles Bestimmungsmethoden LC-MS-MS-Messgerät zur Bestimmung von PFC. Bild: A. Trenkle Hohe Mobilität bei den kurzkettigen PFC führt zu Konzentration in den Nutzpflanzen und zu Auswaschung im Boden. 8 validiert d.h. getestet worden. Daher mussten zunächst in erheblichem Umfange Validierungsbzw. Verfizierungsanalysen insbesondere für wasserhaltige Erntegüter durchgeführt werden. Dabei wurden für die verschiedenen Probenarten die Wiederfindungen der PFC und die wichtigsten statistischen Kenndaten ermittelt. Zunächst wurden die Böden und die Ernteprodukte lediglich auf die Leitsubstanzen PFOA und PFOS geprüft, die für Lebens- und Futtermittelkontrolle von Bedeutung waren. Doch schon bald wurde vermutet, dass vor allem die kurzkettigen PFC wie Perfluorbutansäure (PFBA), Perfluorpentansäure (PFPeA) und Perfluorhexansäure (PFHxA) mit der Wasseraufnahme in die Nutzpflanzen übergehen. Deshalb wurde die Futtermittelmethode auf diese und 8 weitere PFC ausgeweitet, die im Raum Rastatt und Baden-Baden gefunden wurden: Perfluorbutansäure (PFBA), Perfluorpentansäure (PFPeA), Perfluorhexansäure (PFHxA), Perfluorheptanäure (PFHpA), Perfluoroctansäure (PFOA), Perfluornonansäure (PFNA), Perfluordecansäure (PFDA), Perfluorundecansäure (PFUnA), Perfluordodecansäure (PFDoA), Perfluorbutansulfonsäure (PFBS), Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS), Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), Perfluordecansulfonsäure (PFDS). Dazu waren wiederum eine große Zahl Analysen zur Bestätigung der Qualität und Leistungsfähigkeit des Analysenverfahrens notwendig. Innerhalb von zwei Monaten konnten diese Arbeiten abgeschlossen werden, obwohl kein zusätzliches Personal zur Verfügung stand und wichtige Kontrolluntersuchungen im Rahmen der amtliche Futtermittelkontrolle und der verschiedenen Fachrechtskontrollen im Pflanzenschutz anstanden. Die Bestimmungsmethoden von PFC im pflanzlichen Material (VDLUFA, 2011) und Boden (DIN, 2011) unterscheiden sich nur bei der Probenaufarbeitung. Pflanzenproben werden in Gegenwart von Trockeneis zu einem Pulver zerkleinert. Nach der Gefriertrocknung werden die Böden fein gemahlen. Die so vorbereiteten Proben werden dann mit Ultraschall und in Gegenwart des Lösemittels Acetonitril extrahiert. Die Rohextrakte werden mit Anionenaustauschersäulen gereinigt (Bild 1). Erst dann können die Extrakte mit einem LC-MS-MS-Gerät (vgl. Bild 2) auf die PFC untersucht werden. Eine solche Gerätekombination besteht aus einem Flüssigkeitschromatographen (LC) und einem Tandem-Massenspektrometer (MS-MS). Die LC-Einheit trennt die PFC voneinander. Das MS-MS-System identifiziert und quantifiziert die PFC über deren charakteristische Massenfragmente. Ergebnisse Seit Frühjahr 2014 bis jetzt wurden 246 Bodenproben und 242 Pflanzenproben untersucht. In 111 (45,1%) Böden wurden PFC bis zu einem Summenwerte von 467 µg/kg nachgewiesen. Wie angenommen wurden in 70 (28,9%) Nutzpflanzen vor allem die kurzkettigen Verbindungen in Konzentrationen über den Beurteilungswerten gefunden, obwohl diese in den entsprechenden Böden überhaupt nicht oder lediglich in geringen Mengen festgestellt wurden. Dagegen waren an diesen Standorten die langkettigen Komponenten gut nachweisbar. In zwei Gewächshäusern waren die Oberböden mit mehr kurzkettigen Komponenten kontaminiert als mit langkettigen. In der Schicht von 30 – 60 cm waren keine nachweisbaren Mengen an PFC vorhanden. Die dort angepflanzten Tomaten (vgl. Gehalte in Tab.) wurden mit PFC-haltigem Wasser beregnet und über den Pfad Boden Pflanze mit PFC kontaminiert. Dies waren jedoch zwei Sonderfälle. Nach den von uns durchgeführten Untersuchungen waren ab einem PFC-Summenwert von 70 µg/kg im Boden 2 – 4 µg/kg der kurzkettigen PFC im Spargel zu finden. Der Spargel von der mit 467 µg/kg PFC am höchsten belasteten Fläche war überraschend unbelastet. Hier waren die kurzkettigen PFC schon ausgewaschen. Bei den Erdbeerkulturen war die Aufnahme schon ab PFC-Bodenwerten von 12 µg/kg zu beobachten. Dort wurden 5 – 6 µg/kg kurzkettige PFC in den Erdbeeren gefunden. Landinfo 3 | 2015 Aktuelles PF Probe BA PeA HxA HpA OA NA DA UnA DoA BS HxS OS DS Weizenkorn 50 46 6 uB 2 uB uB uB uB uB uB uB uB Weizenkorn 52 43 11 uB 9 uB uB uB uB uB uB uB uB Weizenkorn 70 64 7 uB 2 uB uB uB uB uB uB uB uB Tomaten 2 13 6 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Tomaten 25 64 7 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Topinambur 30 9 uB uB uB uB uB uB uB uB uB 2 uB Spargel 3 10 4 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Spargel 5 12 6 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Spargel 3 10 4 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Spargel 6 12 6 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Spargel 8 21 9 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Spargel ungeschält 6 18 8 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Spargel geschält 5 12 6 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Spargel ungeschält 4 8 5 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Spargel geschält 3 7 3 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Grünspargel 9 9 4 uB uB uB uB uB uB uB uB 2 uB Erdbeeren 15 25 4 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Erdbeeren 16 25 3 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Erdbeeren 16 24 4 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Erdbeeren 9 15 2 uB uB uB uB uB uB uB uB 2 uB Erdbeeren 10 14 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB Erdbeeren 9 14 uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB uB = unterhalb der Bestimmungsgrenze, d.h. < 2 µg / kg Unsere Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die gut wasserlöslichen kurzkettige PFC in Spuren aus dem Boden in die Pflanzen transportiert werden und dort durch Verdunsten des Wassers angereichert werden können. Neuere Arbeiten bestätigen dies (Stahl, 2015). Sie zeigen, dass die kurzkettigen PFC in manchen Pflanzen mobil sind, die langkettigen wie PFOA, PFNA, PFDA, PFUnA, PFDoA und PFOS vorwiegend in den Wurzeln verbleiben. Momentan kann das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wegen der lückenhaften Datenlage für die in Baden-Württemberg festgestellten Gehalte von kurzkettigen PFC in Nutzpflanzen noch keine endgültige Bewertung des Risikos für den Verbraucher abgeben. Inzwischen hat das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz des Landes Baden-Württemberg (MLR) Beurteilungswerte für die kurzkettigen PFC für Landinfo 3 | 2015 2015 Beurteilungswerte festgelegt: PFBA 13,2 µg/kg; PFBS 5,7 µg/kg; PFPeA 5,7 µg/kg; PFHxA < 2µg/kg; PFHxS < 2 µg/kg; PFHpA < 2 µg/kg jeweils bezogen auf das Frischgewicht. Liegen die Befunde abzüglich der Messunsicherheit von 25% über diesen Werten, kommen von den entsprechenden Äckern die landwirtschaftlichen Produkte nicht in den Handel. Tabelle Auswahl positiver Befunde 2014 und 2015 von PFC in pflanzlichem Material in µg/kg bezogen auf das Frischgewicht. Zusätzlich zu dem schon ab Frühjahr 2015 laufenden Vorerntemonitoring hat das MLR das LTZ Augustenberg mit einem dreijährigen Forschungsprojektes beauftragt, das die Mobilität der PFC unter Freilandbedingungen und auch bei Beregnung mit PFC-haltigem Wasser erforschen soll. Hinweis Das Literaturverzeichnis erhältlich. ist beim Autor Dr. Armin Trenkle LTZ Augustenberg Tel. 0721/ 9468-141 [email protected] 9 Schwerpunktthema Melanie Seither Langzeitversuch Bewirtschaftung eines Halbtrockenrasens Effekte von 31 Jahren unterschiedlicher Bewirtschaftung Kalkmagerrasen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen in Europa; häufig weisen sie Vorkommen von seltenen und bedrohten Arten auf wie z. B. Orchideen. Daher stehen sie unter Naturschutz (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie 1992) und sind so zu bewirtschaften, dass die Pflanzenartenvielfalt erhalten bleibt. Aus landwirtschaftlicher Sicht sind Kalkmagerrasen aufgrund ihres geringen Ertragspotentials heutzutage von geringem Interesse. Schachbrettfalter auf einer Skabiosen-Flockenblume, einer Magerkeitanzeigenden typischen Art der Halbtrockenrasen. Bild: M. Seither 10 I hr Erhalt ist daher durch Bewirtschaftungsveränderungen und Nutzungsaufgabe bedroht und kann in der Regel nur noch über Landschaftspflegeverträge gesichert werden. Dies ist der Hintergrund der im Jahr 1983 von der damaligen Staatlichen Versuchsanstalt für Grünlandwirtschaft und Futterbau in Aulendorf in Zusammenarbeit mit der landwirtschaftlichen Bezirksverwaltung angelegten Beobachtungsflächen auf einem Kalkmagerrasen im Naturschutzgebiet Filsenberg in Mössingen (Schwäbische Alb, Baden-Württemberg). Folgende Fragen sollten beantwortet werden: 1.Ist Mulchen als arbeitsextensivere Alternative zu Mahd mit Heugewinnung zum Erhalt eines Halbtrockenrasens geeignet? 2.Welche Düngermengen verträgt ein Halbtrockenrasen ohne sich aus floristischer Sicht zu verändern? 3.Wie wirkt sich Düngung auf den Ertrag und die Futterqualität aus? Landinfo 3 | 2015 Schwerpunktthema Düngung (kg/ha/a) Nutzung Anlage 1. SUL keine (Sukzessionen) 2. MUL Mulchen - 1983 3.M Mahd 1983 - 1983 4. M+PK1 P/K: 10/16 1983 5. M+PK2 P7K 16/64 1991 6. M+NPK1 N7P/K 10/10/16 1983 7. M+NPK2 N/P/K 20/20/32 1983 8. M+NPK3 N/P/K 40/16/64 1991 Die untersuchten Varianten unterscheiden sich hinsichtlich der Nutzungsart und Düngung (Tab. 1). Die Varianten zwei bis acht werden einmal jährlich im Juli genutzt, die mineralische Düngung erfolgt jährlich im Frühjahr. Als Stickstoffdünger dient Kalkammonsalpeter, als Phosphordünger Novaphos und als Kaliumdünger Kornkali. Auf 25 m² der insgesamt je 126 m² großen Parzellen wurden Vegetationsaufnahmen mit Ertragsanteilschätzungen der Pflanzenarten durchgeführt. Für die im Folgenden betrachteten Parameter wurden aggregierte Mittelwerte aufeinanderfolgender Zeitspannen betrachtet, um Schwankungen in den Ertragsanteilen bzw. dem Vorkommen mancher Arten zwischen den Versuchsjahren zu relativieren. Im Laufe der Untersuchung kam es in allen Varianten zu einer Abnahme der Pflanzenartenzahl (Tab. 2) in Verbindung mit einer Zunahme des Gräseranteils, insbesondere bei Sukzession und höheren Düngergaben. Dies waren auch diejenigen Varianten, bei denen es zur deutlichsten Veränderung der Artenzusammensetzung im Bestand gekommen ist. Bei hoher Düngung (PK2, NPK2, NPK3) ging der Ertragsanteil der typischen Arten der Trocken- und Halbtrockenrasen zugunsten der Fettwiesenarten zurück (Tab. 2), d.h. also Arten mit höherem Nährstoffanspruch drängten Magerkeit-anzeigende zurück. Die gewichtete Nährstoffzahl („NZ“ nach Ellenberg: NZ=1 zeigt nährstoffärmste Standorte an, NZ=9 übermäßig nährstoffreiche Standorte) des Bestands nahm dementsprechend mit der Höhe der Düngung zu (2011-2013 lag sie bei NPK3 bei 4.1 und bei PK2 bei 5.1), bei der ungedüngten Variante blieb sie relativ stabil bei 3.0. Bei hoher Düngung entstehen dichte, hochwüchsige Bestände, wodurch konkurrenzschwache, an geringe Nährstoffverfügbarkeit angepasste Pflanzenarten auf Dauer verdrängt Landinfo 3 | 2015 werden. Nutzungsaufgabe förderte die schnittempfindliche Fiederzwenke (MahdverträglichkeitZahl 3) und die Aufrechte Trespe (Zunahme um 40% vom Untersuchungsbeginn bis zum Zeitraum 2011-2013), beides Arten der Trocken- und Halbtrockenrasen, wodurch deren Anteil insgesamt zunahm (Tab. 2). Die Nutzungsaufgabe führte zur Bildung einer dichten Streuauflage und dem Rückgang einer Vielzahl lichtliebender Leguminosen- und Kräuterarten, vor allem typischer Arten der Halbtrockenrasen. Die Sukzession schritt - vermutlich infolge des dichten Gräserbestands, der eine Keimung von Gehölzen weitgehend verhinderte, nur langsam voran. So lag der Gehölzanteil nach über 30 Jahren bei nur etwa 1%. Geringe PK- bzw. NPK-Düngung erhielt die Vielfalt an Pflanzenarten insgesamt und die Vielfalt an Trocken- und Halbtrockenrasenarten von allen Varianten am besten (Tab. 2). Dies ist in Übereinstimmung mit der Erkenntnis, dass Kräuter und Leguminosen, welche wesentlich zu der hohen Pflanzenartenvielfalt beitragen, einer ausreichenden Nährstoffversorgung mit Phosphor und Kalium bedürfen. PK1 führte im Vergleich zu Mahd ohne Düngung dementsprechend zu einem höheren Leguminosenanteil als die ungedüngte Variante. Bei höherer PK-Düngung zeigte sich dieser Effekt nicht; an diesem P-limitierten Standort förderte sie konkurrenzstärkere Pflanzenarten (sh. oben). Mahd ohne Düngung resultierte im Vergleich mit geringer Düngergabe (PK1 bzw. NPK1) in gut 30% höherem Ertragsanteil der Trocken- und Halbtrockenrasenarten zulasten der Fettwiesenarten. Dies lag im Wesentlichen an der höheren Zunahme der Aufrechten Trespe. Tabelle 1 Untersuchte Varianten (ohne Wiederholung); Varianten fünf und acht sind an den Entzugswerten 1-2-schüriger Magerwiesen orientiert und kamen erst 1991 hinzu. Im Laufe der Untersuchung kam es in allen Versuchsvarianten zu einer Abnahme der Artenzahl. Geringe PK bzw. NPKDüngung erhielt die Artenvielfalt am besten. Mulchen war Mahd ohne Düngung hinsichtlich der Bestandszusammensetzung am ähnlichsten und scheint daher in Übereinstimmung mit Er11 Schwerpunktthema kenntnissen anderer Autoren als alternative Nutzungsmethode zum Erhalt von Halbtrockenrasen geeignet zu sein. Die Gesamtartenzahl, ebenso wie die Anzahl an Arten der Trocken- und Halbtrockenrasen und der Fettwiesen ging jedoch bei beiden Varianten mit am deutlichsten zurück (siehe Tab. 2). Die zweiblättrige Waldhyazinthe ist eine seltene Art der Halbtrockenrasen und steht auf der Vorwarnliste. Sie wurde bis zuletzt in der Mulch-Variante gefunden. Bild: M. Seither Der Ertragsanteil von Trocken- und Halbtrockenrasenarten war von den bewirtschafteten Varianten bei beiden zuletzt am höchsten und insgesamt kaum verändert, da der Rückgang einiger Halbtrockenrasenarten durch die Zunahme der Aufrechten Trespe ausgeglichen wurde. Der Ertragsanteil einiger Leguminosenarten ging bei Mulchen leicht zurück, wodurch ihr Anteil 2011-2013 insgesamt niedriger war als bei Mahd ohne Düngung. Dies könnte einerseits durch die – zumindest zeitweise - schlechteren Licht- und Konkurrenzbedingungen für niedrigwüchsige Arten infolge des liegen bleibenden Mulchmaterials oder die damit verbundene höhere Bodenfeuchte und bessere Nährstoffversorgung begründet sein, wodurch konkurrenzkräftigere Pflanzenarten gefördert wurden. So kam es bei Mulchen im Vergleich zu Mahd ohne Düngung zu einer leichten Zunahme Nähr- SUK MUL 30 11 -19 28 16 -12 M PK1 PK2 NPK1 NPK2 NPK3 Anzahl Arten der Trocken- und Halbtrockenrasen Beginn 2010-2013 Veränderung 27 16 -10 29 21 -8 20 12 -8 27 20 -6 25 15 -12 20 12 -8 19 17 -2 13 19 6 60 28 -32 75 15 -60 21 47 26 18 63 45 9 82 73 65 56 -10 64 47 -17 50 42 -8 Anzahl Arten der Fettwiesen Beginn 2010-2013 Veränderung 15 7 -7 18 15 -2 15 10 -6 17 17 0 15 20 5 21 23 2 EA der Arten der Trocken- und Halbtrockenrasen Tabelle 2 Anzahl und Ertragsanteil (EA; %) der Arten der Trocken- und Halbtrockenrasen bzw. der Fettwiesen sowie Gesamtartenzahl zu Beginn (1983-1987 bzw. 1988-1992) und Ende des Versuchs (2011-2013; jeweils Mittelwerte über die angegebenen Zeitperioden) unter Angabe der relativen Veränderung innerhalb der Varianten. 12 Beginn 2010-2013 Veränderung 65 85 20 69 68 -1 71 79 8 Beginn 2010-2013 Veränderung 13 12 -1 14 24 10 13 9 -4 66 44 -21 79 21 -58 61 46 -15 EA der Arten der Fettwiesen 14 42 28 7 73 66 Gesamt-Artenzahl Beginn 2010-2013 Veränderung 64 27 -37 62 44 -18 61 43 -17 64 54 -10 50 40 -10 Landinfo 3 | 2015 Schwerpunktthema Bei Kalkmagerrasen handelt es sich um ertragsarme, aber sehr kräuter- und artenreiche Flächen (hier teils schon im verblühten Zustand). Gezeigt ist hier die Variante Mahd ohne Düngung, ins Auge fallen die lila blühende Orchidee ‚Kleines Knabenkraut‘ und die Fruchtstände des Klappertopfs. Bild: M. Seither stoff-anspruchsvollerer Gräser und in der Folge zu einer höheren Nährstoffzahl des Bestands 2011-2013 (3.7 vs. 3.0 zu Beginn der Untersuchung). Mahd ohne Düngung führte im Vergleich der Varianten zur Zunahme einiger lichtliebender Magerkeitszeiger, darunter z. B. die Fettwiesenart Rauhaariger Löwenzahn (Lichtzahl 8). Auf den Untersuchungsflächen kamen seltene Arten, darunter sechs Orchideenarten, ein Sommerwurzgewächs und zwei Enzianarten, vor. Ihr Vorkommen war teils von Beginn an auf wenige Varianten beschränkt, teilweise fehlten sie in manchen Jahren vollständig, wodurch die Interpretierbarkeit der Ergebnisse erschwert wurde. Das Vorkommen einiger Arten in 2011-2013 war auf Mahd ohne Düngung (Frühlings-Enzian, BienenRagwurz und Weiße Waldhyazinthe), Mulchen (Bienen-Ragwurz und Weiße Waldhyazinthe) bzw. diese beiden ungedüngten Varianten beschränkt (Mücken-Händelwurz und Großes Zweiblatt). Weitere Arten kamen sowohl auf den ungedüngten als auch den gering gedüngten (PK1, NPK1) Varianten vor (Deutscher Fransenenzian, Kleines Knabenkraut). Auf Parzellen mit hoher Düngung traten diese seltenen Arten entweder nie auf oder verschwanden im Laufe der Untersuchungszeit. Insgesamt war im Vergleich der Vegetationszusammensetzung der Varianten miteinander noch im dritten Untersuchungsjahrzehnt eine hohe Dynamik erkennbar. Auch andere Untersuchungen Landinfo 3 | 2015 belegen, dass Veränderungen in der Vegetationszusammensetzung noch nach sehr langer Versuchsdauer auftreten, was unter anderem durch sich ändernde Witterungsbedingungen bedingt sein kann. Die vorliegende Langzeituntersuchung zeigt, dass die optimale Bewirtschaftungsweise dieses Halbtrockenrasens stark vom jeweiligen Erhaltungsziel abhängig ist. So wurde die Vielfalt an Arten der Halbtrockenrasen und die Artenvielfalt insgesamt am besten durch geringe Düngung erhalten, während hinsichtlich des Erhalts seltener Arten wie Orchideen eine Nulldüngung anzustreben ist. Auch nach mehr als 30 Jahren ist noch eine hohe Dynamik bei der Vegetationszusammensetzung erkennbar. Der Futterertrag nahm mit zunehmender PKbzw. NPK-Düngung zu. Mahd ohne Düngung und geringe PK-Düngung führten zur höchsten Futterqualität 2011-2013 (8.4 bzw. 8.2 MJ ME/kg TM). Beide Varianten waren zuletzt am kräuterreichsten und damit nutzungselastischer als die Gräser- und somit Rohfaserreicheren Aufwüchse der anderen Varianten. Die Anlage und Betreuung dieses Versuchs erfolgte durch Herr Dr. Schiefer, die langjährige weitergehende Betreuung durch Herr Dr. Briemle und schließlich Frau Tonn. Ein herzliches Dankeschön an Herr Rempfer, den Bewirtschafter der Fläche, und an Herrn Haid und Herr Bahnmüller vom Landratsamt Tübingen für die vielen Jahre sehr guter Versuchsbetreuung. Melanie Seither LAZBW Aulendorf Tel. 07525/ 942359 Melanie.seither@lazbw. bwl.de 13 Schwerpunktthema Bild: M. Elsäßer Prof. Dr. Martin Elsäßer Beeinflussung der Funktionalität von Grünlandböden Unter der Funktionalität werden hier die Ökosystemleistungen der Grünlandböden, z. B. als Wuchsort für Grünlandbestände, als Ort der Kohlenstoffspeicherung, als Wasserspeicher und Nährstofftransformator und zum Erosionsschutz verstanden. Trotz ihrer enormen Bedeutung, sind Grünlandböden weltweit sehr stark gefährdet durch Bodenverschmutzung, Verlust organischer Substanz, Versteppung, Versalzung, Überschwemmung und Erosion (Bodenschutz-Richtlinie (2006); zusammengefasst bei Creamer et al. 2010). Jedicke (2014, S. 11) zitiert in diesem Zusammenhang De Groot et al. in Grunewald & Bastian, 2013: „Aufgrund des nur indirekten Nutzens der Regulationsleistungen von Grünlandböden werden diese oftmals nicht beachtet, bis sie Schaden nehmen oder verloren gehen, obwohl sie für die Existenz der Menschen auf der Erde die Grundlage bilden“. V Langfassung des Beitrags zum Landwirtschaftlichen Hochschultag 2015. 14 on den Gefährdungen für Grünlandböden in Deutschland ist ohne Frage der Flächenverbrauch durch Besiedlung und Bebauung die entscheidende Größe. In der Kritik steht dabei allerdings nicht nur der Flächenverlust durch Versiegelung, maßgeblich sind vor allem die Umwandlung von Grünland in Ackerland u.a. für den Anbau von Nachwachsenden Rohstoffen und darüber hinaus auch die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen durch naturschutzrechtlich bedingte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (Tietz et al., 2012). Der Verlust landwirtschaftlicher Flächen insgesamt trifft in besonderer Weise das Grünland. Tietz et al. (2012) haben die absoluten Flächenveränderungen in Deutschland zwischen 1996 und 2009 berechnet In diesem Zeitraum ging die Landwirtschaftsfläche um ca. 612.000 ha zurück, die landwirtschaftlich genutzte Fläche um ca. 446.000 ha. Die Ackerfläche nahm dabei allerdings um ca. 113.000 ha zu, die Grünlandfläche um 532.000 ha ab (Abb. 1 und 2). Im Durchschnitt nahm die Landwirtschaftsfläche nach Flächenerhebung zwischen 1996 und 2009 um 129 ha pro Tag ab, die LF nach Agrarstatistik um 94 ha pro Tag. Innerhalb der LF nahm das Grünland um 112 ha pro Tag ab und das Ackerland um ca. 24 ha zu (Tietz et al., 2012). Neben der Umwandlung in Ackerland spielt auch die Etablierung von Wald auf bisherigem Grünland eine wichtige Rolle. Hingegen spielt die Ausweitung von Siedlungsflächen letztlich nur eine untergeordnete Rolle. Auch wenn es ein erklärtes Ziel der Bundesregierung ist, diesen Flächenverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 35 ha je Tag zu begrenzen, scheint dieser Trend kaum umkehrbar oder gar zu stoppen. Der massive Ausbau des Anbaus nachwachsender Rohstoffe verlangt nach mehr Ackerland. Damit werden die unter Grünlandnutzung verbleibenden Böden entweder bedingt durch bereits vorhandene Einschränkungen der Nutzbarkeit oder NaturLandinfo 3 | 2015 Schwerpunktthema schutzauflagen (z.B. Natura 2000) nur noch extensiv weiter genutzt oder sie erfahren andererseits so weit als möglich eine Intensivierung der Nutzung mit der Maßgabe Höchsterträge und beste Futterqualität zu liefern. In der Folge ändert sich die Funktionalität der Grünlandböden. Funktionen von Grünlandböden Grünlandböden werden im Allgemeinen u.a. folgende Funktionen zugeschrieben. • Wuchsort von Grünlandpflanzen und maßgebliche Beteiligung an der Bevorratung und Bereitstellung von Nährstoffen für die Pflanzen (das betrifft die physikalischen, chemischen und mikrobiologischen Möglichkeiten (Wurzelraum, Durchlüftung etc.)) • Bioindikation (Grünlandböden ermöglichen standortangepassten Bewuchs, dessen Ausprägung Rückschluss auf Bodeneigenschaften ermöglicht (Zeigerpflanzen)) • Erosionsschutz • Filterfunktion und Verbesserung der Grundwasserqualität • Wasserspeicher und Ort der Grundwasserneubildung • Kohlenstofffixierung durch Humusaufbau Die Eignung eines Bodens als Wurzelraum hängt entscheidend von seiner Fähigkeit ab, auf kleinstem Raum gleichzeitig oder mit geringer zeitlicher Schwankung Nährelemente und Wasser zur Verfügung zu stellen und einen ungehinderten Gasaustausch zu gewährleisten. Das Porensystem der Böden bestimmt dabei die Transport- und Speicherkapazität für Luft und Wasser und hat damit einen wesentlichen Einfluss auf das Wurzelwachstum. Nur in strukturierten Böden, die sich durch ein kontinuierliches und biogen vernetztes Porensystem auszeichnen, haben Wurzeln die Möglichkeit Kontakt zu Wasser und Bodenluft zu finden sowie an Nährstoffvorräte zu gelangen. Strukturschädigungen an der Bodenoberfläche hingegen verstärken den natürlichen Schleuseneffekt der Böden für Transportvorgänge insbesondere für Gasaustauschprozesse und führen zu tiefreichenden Beeinträchtigungen der Bodenbelüftung und damit der Wurzelraumfunktion. Nur über die Bodenoberfläche kann Sauerstoff zum Ort des Verbrauches transportiert und respiratorisch gebildeLandinfo 3 | 2015 tes CO2 entsorgt werden. Der Gastransport erfolgt überwiegend auf dem Wege der Diffusion. Neben dem Porenvolumen ist damit für die Effektivität von Gasaustauschprozessen die Porenkontinuität von entscheidender Bedeutung. Ein reduzierter Gasaustausch als Folge einer Verdichtung hat damit unmittelbar Auswirkungen auf das Leben der Pflanze. Ein Sauerstoffgehalt von unter zehn Prozent im Boden (21% in der atmosphärischen Luft) bzw. ein Kohlendioxidgehalt von über 5 Prozent (0,03 Prozent in der Luft) beeinträchtigen bereits das Wachstum. Bei gravierendem Sauerstoffmangel stirbt das Bodenleben (NormaNNschmidt, 1995). Der Mangel an Sauerstoff und die Zunahme von Kohlendioxid und anderen für die Graswurzel teilweise toxischen Gasen bewirken einen Rückgang der Durchwurzelung mit in der Folge einer Verschlechterung der Grasnarbe. Abbildung 1 Absolute Veränderung der Landwirtschaftsfläche nach Agrarstatistik und nach Flächenerhebung in Deutschland (Basis 1996; tietZ et al., 2012). Abbildung 2 Absolute Veränderung der Landwirtschaftsfläche zwischen 1990 und 2010 nach Auswertung von digitalen Flächenkarten (tietZ et al., 2012). 15 Schwerpunktthema und das Bodengefüge aus. Indirekte Einflüsse zeigen sich vor allem in Hinblick auf die Veränderungen der Grünlandvegetation. Diese ist im Gegensatz zu dem Bewuchs auf Äckern dauerhaft und mechanische Maßnahmen zur Verbesserung von Grünlandböden würden unweigerlich auch die Grünlandvegetation beeinträchtigen. Umbruch mit nachfolgender Wiederanlage von Grünland setzt Nährstoffe durch Humusabbau frei und hat einen nachhaltigen Einfluss auf Kohlenstoffspeicherung und damit auch auf das Klima (vElliNGa et al., 2004). Grünlandböden sind überdies sensible Ökosysteme, deren Störungen wenn auch nicht immer dauerhaft, dafür aber sehr lang andauernd sein können. Es ist also zumindest angezeigt, die potentiellen Auswirkungen zu kennen und sie zu beachten, wenn sie schon nicht in jedem Fall vermeidbar sind. Gülleinjektion mit gleichzeitiger Nachsaat (hier kommt nur Dt. Weidelgras in Frage). Bild: M. Elsäßer Abbildung 3 Funktionelle Merkmale und Prozesse in Böden unter dem Einfluss von Nutzungshäufigkeit und Düngung (schellBerG und PÖtsch, 2014). Zwar sind Grünlandböden widerstandsfähiger und belastbarer als Ackerböden gegenüber physikalischen und biologischen Stressfaktoren (GrEGory et al., 2009), trotzdem verändert sich ihre Funktionalität entsprechend ihrer Genese und ihrem Standort gerade durch Intensivierung der Nutzung entsprechend stark. Verdichtungen, Überstauung mit Wasser, Trockenfallen oder Versalzung wirken sich direkt auf die Zusammensetzung des Edaphons, die Nährstoffnachlieferung Maßgeblichen Einfluss auf die Ausprägung der Funktionalität von Grünlandböden haben die Eigenschaften des Standortes und jeweils dort die Faktoren Düngung und Nutzung. Sie bestimmen sowohl die botanische Zusammensetzung der Grünlandvegetation als auch die funktionellen Merkmale der Grünlandböden. In der Abbildung von schEllBErG und Pötsch (2014) sind die Zusammenhänge dargestellt (Abb. 3). Im Einzelnen werden folgende Prozesse als sehr relevant betrachtet: (I) Freisetzung von Exudaten aus Wurzeln beeinflusst Boden-pH und die Verfügbarkeit von Bodennährstoffen (hauptsächlich bei Phosphat) sowie Strukturbildung im Boden durch Verkleben der Bodenteilchen, (II) das Durchdringen des Bodens durch Wurzeln verändert Porenvolumen, Makroporen und Lagerungsdichte ebenso wie Wasserinfiltration und Oberflächenabfluss, (III) die Zersetzung der organischen Masse im Boden beeinflusst das Bodenleben und den Nährstoffumsatz; (IV) symbiontische Fixierung von Luftstickstoff. Im Folgenden sollen an einigen wenigen Beispielen mögliche Beeinflussungen der Funktionalität von Böden aufgezeigt werden. Die nachfolgenden Beispiele haben nur einen exemplarischen Charakter, sie zeigen aber, dass Grünlandböden nicht nur im Internationalen Jahr des Bodens eine deutlich höhere Beachtung verdienen. Charakterisierung von Grünlandböden durch Bioindikation – Zeigerwerte von Grünlandpflanzen Grünlandbestände entwickeln sich typisch gemäß den Eigenschaften des Standorts und der Bewirtschaftung. Insofern kann die botanische Zusam- 16 Landinfo 3 | 2015 Schwerpunktthema mensetzung der Grünlandbestände zumindest im Bereich eher mäßiger Nährstoffversorgung Anzeichen hinsichtlich der ökologischen Eigenschaften des Standortes und der Nährstoffversorgung der Böden geben. Bioindikation meint hier einerseits das Vorhandensein von Zeigerpflanzen (das sind Pflanzen, die die ökologischen Eigenschaften des Wuchsstandortes indizieren) und die Gesamtheit des Pflanzenbestandes, die verknüpft mit den ökologischen Wertzahlen (EllENBErG, 1996) das Erkennen unterschiedlicher Stufen der Feuchte, der Nährstoffverfügbarkeit oder der Bodenreaktion ermöglichen. Durch intensive Grünlandbewirtschaftung (erhöhte Düngung, Kalkung, häufige Nutzung etc.) werden sowohl die natürlichen Standorteigenschaften egalisiert als auch die Bestandszusammensetzung verändert, wodurch die Bioindikation letztlich verhindert wird. Das ist insofern von Nachteil, als die chemischen Bodenuntersuchungen weder die exakte Düngebedürftigkeit der Böden anzeigen, als auch das Nährstoff-Nachlieferungsvermögen meist nicht erfasst wird. Die Bodenuntersuchungen liefern aber gute Ergebnisse um Entwicklungen des Nährstoffvorrates zwischen den Beprobungsterminen darzustellen. Zeigerpflanzen könnten hier zusätzliche Informationen liefern, ihre Präsenz ist allerdings meist auf niedrige Nährstoffniveaus beschränkt (BohNEr, 2010). In diesem Zusammenhang stellten aNGEriNGEr et al. (2014) fest, dass frühe und häufige Nutzung einen stärkeren Einfluss auf den Pflanzenbestand haben als die Art des Wirtschaftsdüngers. Zeigerpflanzen können aber chemische Bodenanalysen oder Messungen nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen. Zu den im Grünland häufig vorkommenden Pflanzen mit Bezug zum Boden gehören im Falle von Nährstoffzeigern z.B. der Stumpfblättrige Ampfer (Rumex obtusifolius), Wiesenkerbel (Anthriscus sylvestris) und der Wiesenbärenklau (Heracleum sphondyli- um). Magerkeitszeiger sind beispielsweise Rotschwingel (Festuca rubra), Wiesen-Hainsimse (Luzula campestris) und Margerite (Leucanthemum vulgare). Bodenverdichtungszeiger sind z.B. Kriechender Hahnenfuß (Ranunculus repens), Lägerrispengras (Poa supina), Jährige Rispe (Poa annua) und Kriechendes Straußgras (Agrostis stolonifera). Bodenbiologische Auswirkungen unterschiedlicher Düngung Für Abbau- und Syntheseleistungen im Boden sind im Wesentlichen Bakterien und Pilze verantwortlich, insofern ist die mikrobielle Biomasse im Boden ein wichtiger Parameter. In einem langjährigen Versuch des LAZBW Aulendorf (22 Jahre) auf einem nach Grundsätzen des biologischen Landbaus bewirtschaftetem Dauergrün-land unter Wiesen- und Mähweidenutzung wurden Auswirkungen unterschiedlicher Düngesysteme (V3: Stallmist/Jauche; V4: Stallmistkompost; V5: Wechseldüngung; V6: Gülle; V7: Gülle mit Gesteinsmehl; V8: Gülle mit Hüttenkalk; Vergleichsvarianten waren mineralische Düngung mit (V1) und ohne N (V2)) erfasst (ElsässEr et al., 2008). Die bodenbiologischen Auswirkungen wurden in einer Arbeit von flaiG und ElsässEr (2009) beschrieben. Die Menge an mikrobieller Biomasse wurde über die Methode der substratinduzierten Respiration (DIN 14240-1) und die Messung der CO2-Konzentration bestimmt (siehe hierzu flaiG und ElsässEr, 2009). Die Wirkung der Düngergaben auf die Entwicklung der mikrobiellen Biomasse zeigt Abb. 4. Zeigerpflanzen können Bodenanalysen nicht ersetzen, aber ergänzen. Düngung mit Gülle und Hüttenkalk liefert den höchsten Gehalt an mikrobieller Biomasse. Bei beiden Nutzungsarten entwickelten sich bei V8 (Gülle mit Hüttenkalk) der höchste Gehalt an mikrobieller Biomasse, gefolgt von Stallmistkompost (V4). In weiteren Untersuchungen zeigte Abbildung 4 Wirkung der Düngung auf die Entwicklung der mikrobiellen Biomasse in 0-10 cm Bodentiefe bei Schnitt- und Mähweidenutzung im 22-jährigen Wiesendüngungsversuch des LAZBW (elsÄsser et al., 2008) (Beprobungszeitpunkt April 2005) (FlaiG und elsÄsser, 2009). Landinfo 3 | 2015 17 Schwerpunktthema mögliche Gülleausbringtermine Sperrfrist Grünland * Grünland / Ackerfutter Jan. Sperrfrist Acker Feb. März April Mai * Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. ** Mais Mais mit Vorfrucht Winterweizen, danach Wintergerste Wintergetreide, danach Begrünung Wintergetreide, danach W-Raps GPS, danach Ackergras Erläuterung zu Sperrfrist Abbildung 5 Mögliche Gülleausbringtermine nach neuer DüV (Stand: Entwurf der DüV am 18.12.2014) (Darstellung nach Messner, LAZBW, mündliche Mitteilung). Das Befahren feuchter Böden mit schweren Geräten hat fatale Folgen für den Boden. * je nach Witterung (schneebedeckt, wassergesättigt, gefroren) sich, dass die Unterschiede zwischen Nutzungsund Düngevarianten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf unterschiedliche pH-Werte zurückzuführen sind. Die Gehalte an organischer Substanz hatten demnach nur einen nachrangigen Einfluss. Aber nicht nur nach Art und Höhe unterschiedliche Düngung hat einen Einfluss auf die mikrobielle Biomasse in Grünlandböden, auch die Nutzung bzw. der zumindest teilweise Verzicht auf Nutzung in einer Grünlandbrache verändern sie deutlich. In einer Untersuchung stellten Bohner et al. (2006) eine zweimal genutzte Mähwiese einer Grünlandbrache gegenüber und maßen die substratinduzierte Respiration in 0-10 cm Bodentiefe, als Maß für die mikrobielle Biomasse im Boden. Die zu allen Meßzeiten geringere Respiration bei der Grünlandbrache führen die Autoren u.a. auf die langsamere Erwärmung des Bodens unter Brache, die geringere Stickstoff- und Substratverfügbarkeit infolge des weiteren C:N-Verhältnisses und der deutlich geringeren Menge an potentiell mineralisierbarem Stickstoff unter Brache zurück. Bodenverdichtung und Einschränkung der Bodenfruchtbarkeit bzw. des Ertragsvermögens In der Landwirtschaft besteht der Zwang Milchkühe als Hauptverwerter von Grünlandaufwüchsen mit bestmöglichem Grundfutter zu versorgen und deswegen Grünlandaufwüchse möglichst früh zu ernten und zu konservieren. Damit verbunden kommt es zum ökonomisch durchaus nachvollziehbaren Trend zur Verwendung von Maschinen und Geräten mit möglichst hoher Schlagkraft und im Falle von Gülle zu verlustar- 18 ** ab Ernte der Hauptkultur mer Ausbringungstechnik. Dies bedingt den Einsatz von sehr großen und damit sehr schweren Maschinen im Grünland vor allem bei der Ausbringung von Gülle und der Beerntung von Grünlandflächen. Grünlandpflanzen werden durch Befahren geschädigt und infolge des Zwangs zu zeitgerechter Nutzung und Düngung erfolgt die Befahrung häufig auf feuchten Böden. Dies hat fatale Folgen für die Bodendurchlüftung, die Bodenmikroflora und die auf den Böden wachsende Vegetation. Übereinstimmung besteht in der Beurteilung der auftretenden Schäden. Neben der Beeinflussung der Biodiversität der Bodenmikroflora, rückt Bodenverdichtung auch verstärkt beim Management von Überflutungen und Wasserressourcen bzw. der Luft-, Wasser- und Bodenqualität ins Bewusstsein (Newell Price et al., 2011). Verdichtung reduziert das Porenvolumen in den Böden. Dadurch werden die Voraussetzungen für eine optimale Durchlüftung, die Durchwurzelung und einen funktionierenden Bodenwasserhaushalt beeinträchtigt. Zudem ist der Nährstofftransport in und vom Oberboden in den Unterboden nachhaltig verändert und verdichtete Böden neigen je nach Relief zu extremer Vernässung durch Wasserüberstauung oder andererseits einer Veränderung des kapillaren Wasseraufstiegs bei Trockenheit. Sowohl bei der Futterernte als auch bei Gülleausbringung wird auf die Empfindlichkeit der Böden oftmals wenig Rücksicht genommen. Insbesondere bei letztere wird sich bedingt durch die veränderten Vorgaben nach der geplanten Neugestaltung der Dünge-Verordnung auf nur noch geringe Zeiträume beschränken (Abb. 5). Es ist damit zu rechnen, dass künftig Gülle im Frühjahr verstärkt auf Äcker gefahren werden wird und im Herbst bedingt durch fehlende andeLandinfo 3 | 2015 Schwerpunktthema re Ausbringalternativen der Wunsch entstehen wird, Gülle stärker auf Grünland auszufahren. Zu Bodenschadverdichtungen (Würfel et al., 2002) kommt es aber nicht nur bei gewichtsmäßig hoher Belastung (Elsässer et al., 2002). Truekmann (2011) beschreibt, dass das Maß der Bodenverdichtung im Grünland abhängig ist von u.a. der Höhe und Intensität der Belastung, von Radlast, Reifeninnendruck, Kontaktflächen sowie der Art der Belastung, die entweder statisch oder dynamisch ist. Zudem nennt die Autorin Belastungsdauer, Fahrgeschwindigkeit und Befahrungshäufigkeit als weitere wichtige Einflussfaktoren. Gemäß Untersuchungen von Stahl et al. (2009), steigen die Druckbelastungen im Oberboden mit jeder weiteren Überfahrt an; es kommt also insgesamt auf die Überrollhäufigkeit an. Während einer Überrollung wird der Boden nur kurze Zeit mechanisch beansprucht. In dieser kurzen Zeit können das den Boden schützende Porenwasser und die Porenluft nicht aus dem Boden gedrückt werden. Böden können ihre Anfangseigenschaften und Funktionen wiederherstellen, wenn die Belastung verringert oder entfernt wird. Diese Fähigkeit des Bodens wird Resilienz genannt und wird von der organischen Substanz und der Aggregierung unterstützt (Gregory et al., 2007 zit. bei Truekmann, 2011). Das ändert sich aber bei längerer oder kurz nacheinander wiederkehrender Belastung (Brandhuber et al., 2008). Hinzu kommt, dass in der landwirtschaftlichen Praxis früher 1-Achs-Güllefässer üblich waren und heutzutage die Tandemachse Standard ist mit einem Achsgewicht von bis zu 11 t und bei noch großvolumigeren Fässern werden schon vermehrt Tridemachsen verwendet. Überrollte Flächen werden also mehrfach hintereinander befahren. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Beschränkung des Achsgewichtes bei Straßenfahrten auf 10 t bei einem zulässigen Gesamtgewicht des ganzen Zuges von 40 t. Diese Werte werden beim Befahren von Grünland teilweise weit überschritten und auch mögliche technische Verbesserungen wie die Verwendung breiter Reifen, Reifendruckregelanlagen oder Geräte die versetzte Spuren haben, lösen das Grundproblem des Zwangs zum Befahren von Flächen zu ungünstigen Zeitpunkten nicht. Veränderungen an der Grünlandvegetation insbesondere eine Zunahme von ertragsschwacher Gemeiner Rispe (Poa trivialis) (Elsässer und Grund, 2003; Neff, 2015) und ein allgemeiner Rückgang von Ertrag und Futterqualität können beobachtet werden (Diepolder et al., 2009). Ausbringung von Gülle zum falschen Zeitpunkt hat also fatale Folgen. Neben nachhaltigen Schäden an der Bodenstruktur ergeben sich auch Landinfo 3 | 2015 zudem pflanzenbaulich relevante Fragenstellungen. Werden Nährstoffe im Herbst im Grünland überhaupt gebraucht? Wohin werden sie bei Nichtverbrauch transportiert oder verlagert? Welche Pflanzenbestände sind überhaupt im Winter aufnahmebereit? Wiesenrispe geht z.B. in Winterruhe und eigentlich ist nur Deutsches Weidelgras in der Lage auch bei niedrigen Temperaturen noch Nährstoffe aufzunehmen. Es ist allerdings nicht für jeden Grünlandstandort geeignet, weil es stark von Auswinterung bedroht ist. Aber nicht allein dem Hauptmotto „Maximale Schlagkraft“ dienende Maschinen- und Gerätetechnik ist problematisch, auch Weidegang kann die Funktionalität von Grünlandböden massiv beeinträchtigen. Deeks et al. (2014) stellten fest, dass der Grad der Bodenverdichtung und der Oberflächenabfluss sowohl positiv mit der Intensität der Landnutzung als auch mit der Dauer intensiver Beweidung korreliert ist. Unflexible Beweidung, die auf den auch kurzfristigen Abtrieb der Tiere bei für die Beweidung ungeeigneter Bodenfeuchte verzichtet, zerstört die Bodenstruktur nachhaltig. Dabei kommt es auf das Kuhgewicht offensichtlich nicht in besonderem Maße an (Herbin et al., 2011). Entscheidend ist auch hier die Bewirtschaftung zum falschen Zeitpunkt. Die Schäden sind ähnlich denen bei falscher Düngeund Erntetechnik. Befahren bei nassen Böden führt zu überproportional hoher Verdichtung und in der Folge zu starkem Auftreten von Gemeiner Rispe. Bild: M. Elsäßer Auch intensive Beweidung kann die Bodenstruktur nachhaltig schädigen. Abhilfe für Unterbodenverdichtungen sind weniger im technischen Bereich zu suchen. Einerseits würden bei der Schadensregulierung unweigerlich auch die Grünlandbestände Schaden erleiden und andererseits haben mechanische Maßnahmen, wie z.B. Aerifizieren durch Spikes nur geringe Erfolge (Fortune et al., 1999). Zudem sind Unterbodenlockerungen im Grünland noch weitgehend unge19 Schwerpunktthema Bodenstabilisierung kann auch durch Vegetation erfolgen. Die Fähigkeit von Pflanzen verdichtete Bodenschichten zu durchdringen, ist auch abhängig von der Wurzeldichte. bräuchlich. Biologische Durchlüftungsverfahren wären zwar möglich, aber im Falle von Feld- und Wühlmäusen sind die Folgen durch eine erhöhte Gefahr der Futterverschmutzung zumindest vordergründig ebenfalls von geringem Interesse für den Landwirt. Bodenstabilisierung kann auch durch Vegetation erfolgen, denn Wurzeln können ähnlich wie Bewehrungsstahl in Beton wirken. Truekmann (2011, S.9) formuliert den Zusammenhang wie folgt: „In einem durchwurzelten Boden können die Komponenten der Festigkeitserhöhung, nämlich Zugfestigkeit und Kompressionsverhalten verbessert werden. Während Pflanzenwurzeln zwar zugfest sind, können sie der Kompression kaum standhalten. Anders verhält es sich beim Boden, der weniger stark auf Kompression reagiert, aber empfindlich gegenüber Zugspannungen ist. Eine Kombination in einer Wurzel-Boden-Matrix ist daher viel stabiler als es Einzelkomponenten sein können.“ Tiefwurzelnde Pflanzen haben für die Verbesserung der biologischen Durchlüftung eine Bedeutung. Nach Aussagen von Crush und Thom (2011) gibt es einen engen Zusammenhang zwischen größeren Wurzeldurchmessern und der Fähigkeit von bestimmten Pflanzenarten verdichtete Bodenschichten zu durchdringen (Materechera et al. 1992). Weidelgräser sind aufgrund ihres feinen Wurzelwerks dazu wenig geeignet. Wiesenschwingel ist bekannt für tiefes Wurzeln und entsprechende Sorten, die Bodenschichten durchdringen können, haben dickere Wurzeln als oberflächennah wurzelnde Typen (Torbert et al. 1990), was wiederum die Bedeutung des Wurzeldurchmessers für die Fähigkeit zur Durchdringung verdichteter Bodenschichten bestätigt. Der im Falle von angesäten Leguminosen gezielte (Breitsameter et al., 2014; Elsässer et al., 2014) im Falle von Stumpfblättrigem Ampfer (Rumex obtusifolius) jedoch eher ungewollte Anbau tief wurzelnder Pflanzen ist nicht einfach zu steuern. Im ersten Falle gedeihen Leguminosen auf Grünlandböden mit Verdichtungshorizonten nur mäßig, im zweiten Falle wäre den Landwirten die neue und veränderte Bedeutung des Ampfers als „Nutzpflanze zur Öffnung von Unterbodenverdichtungen“ nicht ohne weiteres verständlich. Systemtechnische Maßnahmen zur Reduzierung von Bodenverdichtung beruhen teilweise auf der Vermeidung von Spurschäden, als Schlagwort mag hier „Controlled traffic farming systems“ gelten, worunter Systeme verstanden werden, die eine Gesamtberollung der Flächen auf einzelne Spuren reduzieren und damit in der Lage sind flächenhafte Verdichtung zu vermindern. Die Verwendung veränderter Geräte mit entweder Trennung von Transportaggregat und Ausbringgeräten, Drei- oder Vierradachsen, die Verwendung von Reifendruckregelanlagen und Breitreifen mit variierbaren Reifendrucken sind weitere Beispiele aus dem technischen Bereich. Verdichtung hat zudem einen bislang noch nicht beschriebenen negativen Effekt, der vor allem in Verbindung mit der bei intensiver Grünlandbewirtschaftung üblichen hohen Stickstoffdüngung zutage tritt. Es kommt zu Auswirkungen der Bodenverdichtung auf Lachgasemissionen (Schmeer et al., 2009). Den Versuchen der Universität Kiel lagen Überlegungen zugrunde, wonach Bodenverdichtung in der Regel eine Reduzierung des Porensystems zur Folge hat und damit Denitrifikationsvorgänge begünstigt, die zu einem Anstieg der Emissionen von Lachgas führen können (Sitaula & Hansen, 2000 zit. b. Schmeer; Yamulki & Jarvis, 2002 zit. b. Schmeer). Ebenso führt eine hohe Abbildung 6 Kumulative Lachgasemissionen der 3 Versuchsjahre in kg N2O-N pro ha und Jahr in Abhängigkeit von Verdichtung und N-Düngung (Schmeer et al., 2009). 20 Landinfo 3 | 2015 Schwerpunktthema Stickstoffdüngung auf intensiv genutzten Grünlandstandorten zu einer gesteigerten N2O-Emission. In einer neueren Untersuchung von haNsEN (2009 zit. bei truEkmaNN, 2009) beläuft sich die Erhöhung der Lachgasemission pro kg Trockenmasse durch Bodenverdichtung auf das 2-3fache. Hohe Stickstoffdüngung kann die klimarelevanten Lachgasemissionen maßgeblich erhöhen, wobei die organischen Dünger infolge der leicht abbaubaren Kohlenstoffverbindungen offensichtlich problematischer sind als die mineralische N-Düngung. Die Kieler Untersuchungen sollten die Frage klären, welcher zusätzliche Effekt aus einer Kombination verdichteter und gleichzeitig stark mit Stickstoff (320 kg N/ha) gedüngter Böden hervorgeht. Ein Ergebnis wird in Abbildung 6 dargestellt. Es zeigte sich, dass wenn die Bodenverdichtung zu feuchten Bedingungen (2006 bzw. 2008) führte, dies im Falle der gedüngten Varianten zu signifikant höheren, kumulativen Lachgasemissionen führte. Wurde dagegen die Bodenverdichtung in einem trockenen Frühjahr durchgeführt (2007), blieb diese ohne Einfluss auf die Lachgasemissionen. Auf den leguminosenreichen ungedüngten Varianten war in allen Jahren kein Effekt durch die Bodenverdichtung zu verzeichnen. Somit sind im Hinblick auf die Lachgasemission besonders bei einem hohen Stickstoffeinsatz bei wassergesättigten Böden bodenverdichtende Bewirtschaftungsmaßnahmen zu vermeiden. Böden nach Starkregen oder bei Trockenheit Mit Wasser gefüllte Poren oder die Bodenfestsubstanz können nicht für die Bodenbelüftung die- nen. Luftgefüllte Poren dagegen sind vom Wassertransport ausgeschlossen. Dadurch, dass in Abhängigkeit von der Wassersättigung des Bodens unterschiedliche Porengrößenklassen am Wassertransport beteiligt sind und die Wasserleitfähigkeit mit der Abnahme des Porendurchmessers exponentiell abnimmt, werden in gut strukturierten Böden Wassersättigung und Belüftung nach Einflüssen wie z.B. Starkregen oder Trockenphasen schnell auf einen standorttypischen, für biologische Vorgänge zuträglichen Optimalbereich eingeregelt. Bei Wassersättigung sind auch die groben Poren mit Wasser gefüllt, die Wasserleitfähigkeit ist in diesem Zustand überproportional hoch, so dass in einem kontinuierlichen Porensystem überschüssige Wassermengen sehr schnell abgeführt werden. Ebenso wirkt sich die bei Austrocknung überproportional reduzierte Sickerrate in Richtung einer Optimierung des Wasser- und Stoffhaushaltes aus. Böden mit intakter Bodenstruktur sind damit als hochgradig zur Selbstregulation befähigte Systeme aufzufassen. Bodenverdichtungen können in feuchten Jahren zu höheren Lachgasemissionen nach Düngung führen. Insbesondere zeitweilige Trockenheit hat einen maßgeblichen Einfluss auf das Ökosystem Grünland. Grünlandbestände verbrauchen je Tag etwa 3 mm Wasser. Wenn an sich leistungsfähige Grünlandbestände aufgrund zeitweiliger Trockenheit ausfallen, dann wäre eventuell die Nachsaat tief wurzelnder Arten oder Arten mit artspezifisch geringerem Wasserverbrauch infolge einer dicken Cuticula (z.B. Knaulgras (Dactylis glomerata) oder Rohrschwingel (Festuca arundinacea) von größerer Bedeutung. Beide Arten werden jedoch aufgrund hoher Rohfasergehalte von Weidetieren nur sehr ungern aufgenommen (ElsässEr, 2014), das Problem fehlenden Wassers kann also, wie zu erwarten war, so nicht voll umfänglich gelöst werden (Abb. 7). Abbildung 7 Weidereste (Boniturnote von 1 = sehr tief abgefressen bis 10 = nur sehr wenig abgefressen und aktuell hoher Weiderest) und Bewuchshöhe in cm bei verschiedenen Ansaatmischungen (Nr. 15 und 16 = Mischungen mit Dactylis glomerata und Nr. 17 und 18 mit Festuca arundinacea (18 = sanftblättrig) im Versuchsjahr 2012 (elsÄsser, 2014). Landinfo 3 | 2015 21 Schwerpunktthema Abbildung 8 Aktuelle und potentielle Emissionen in CO2Äquivalenten (in 1000 kg ha-1) wenn 50 und 100 Jahre altes Dauergrünland auf Sand und Ton gepflügt und als Ackerland (arable), bzw. 3/3 Feldgras(ley)-AckerbauFruchtfolge oder 6/1 FeldgrasAcker-Rotationen oder Grünlanderneuerung genutzt wird (VellinGa, et al., 2004). Nährstofflieferung und Kohlenstoffspeicherung In Zeiten des mehr und mehr ins öffentliche Bewusstsein rückenden Klimawandels, haben Grünlandböden bei der Speicherung von Kohlenstoff durch Humusaufbau eine herausragende Rolle. Pötsch (2009) zitiert in diesem Zusammenhang soussaNa et al. (2007). Diese Funktion können Grünlandböden allerdings nur dann einnehmen, wenn sowohl Auf- als auch Einbau des Kohlenstoffs ungestört erfolgen können. Eine auch nur zeitweilige Umwandlung von Grünland in Ackerland oder auch Maßnahmen der Grünlandverbesserung mit mechanischer Bodenbearbeitung würde den Humusgehalt dauerhaft und nachhaltig verändern. Welche spezifische Bedeutung Grünlandböden in diesem Zusammenhang zukommt, zeigen vElliNGa et al. (2004) an einem Beispiel (Abb. 8). Die Umwandlung von über 50 resp. 100 Jahre als Dauergrünland genutzten Flächen auf Sand- und Tonböden in den Niederlanden in Ackerland bzw. Feldgraswirtschaft und Ackerland im Wechsel setzte ganz erhebliche Menge an Emissionen frei. Lediglich die Neuanlage des umgebrochenen Grünlandes in neues Dauergrünland war in der Lage diese Emissionen maßgeblich einzudämmen. Prof. Dr. Martin Elsässer LAZBW Aulendorf Tel. 07525/ 942-351 Martin.Elsaesser@ lazbw.bwl.de 22 Grünlandböden können nach Aussagen und Messungen von Wohlfarth et al. (2009) allerdings sowohl eine positive als auch eine negative Nettoökosystemkohlenstoffbilanz aufweisen (NEE). Die Autoren sehen dafür allerdings weniger die Bewirtschaftungsintensität verantwortlich, als vielmehr den Umstand, dass die Bewirtschaftung an das Potential des Grünlandes Kohlenstoff zu speichern angepasst wird. Letzteres wird durch lokale klimatische Gegebenheiten beeinflusst, Wohlfarth et al. nennen in diesem Zusammenhang insbesondere die Länge der Vegetationsperiode und die Düngung als maßgebliche Kriterien. Zusammenfassung und Fazit Eine an den Standort angepasste Grünlandbewirtschaftung, die wenn sie bodenschonend ausgeführt wird in der Folge tiefgreifende Verbesserungsmaßnahmen an Böden und der Dauervegetation „Grünland“ entbehrlich macht, ist die Grundlage für den Erhalt der Funktionalität von Grünlandböden. Obwohl der technische Fortschritt den Eindruck erweckt, die biologischen, chemischen und physikalischen Zusammenhänge bräuchten eigentlich keine weitergehende Beachtung mehr zu erfahren, ist gerade das Gegenteil der Fall. Mehr denn je gilt es darauf zu achten, die Bewirtschaftung an den Grünlandpflanzenbestand und die Gegebenheiten des Standorts anzupassen, wenn die Funktionalität, die Ökosystemdienstleistungen von Grünlandböden erhalten bleiben sollen. Die Grundregeln sind dabei die gleichen die schon viele Jahre Gültigkeit haben und die sicher bereits zu den Zeiten der Hohenheimer Ackerbauschule gelehrt wurden. Befahren oder beweiden Sie Ihre Böden nur dann, wenn die Böden ohne Folgeschäden befahrbar sind oder kurz formuliert: Was Du auch tust, bedenke die Folgen! Hinweis Das Literaturverzeichnis erhältlich. ist beim Autor Landinfo 3 | 2015 Schwerpunktthema Prof. Dr. Martin Elsäßer Grünland und Futterbau in Farmsystemen mit hohem Output Bericht von der European Grassland Conference in Wageningen, Juni 2015 Weide, Weide, Weide oder die Umwandlung von für die menschliche Ernährung nicht direkt nutzbaren Grases in Milch, also „die graslandbasierte Milchproduktion“ als Zielvorstellung, das ist ein zentrales Anliegen der niederländischen Milchwirtschaft. „Was wir machen, das machen wir mit der höchstmöglichen Effizienz!“ sagt mit Frans Aarts einer der namhaftesten Grünlandleute in den Niederlanden. A arts war der Projektleiter des Dairyman-Projektes, an dem das LAZBW Aulendorf ebenfalls teilgenommen hatte und dessen Ergebnisse zum Nachhaltigkeitsindex (DSI) ebenfalls auf der Tagung in Wageningen vorgestellt wurden. ANCA ist das neue Schlagwort in Holland mit dem vor allem einer der größten Milchverarbeiter der Welt, die Friesland Campina, ihre Bauern „auf Linie“ bringt. „ANCA“ das heißt Annual Nutrient Cycling Assessment, also die jährliche Kontrolle über den Nährstoffkreislauf im Betrieb. Anders als bei uns kommt diese Regulierung aber von der Molkereigenossenschaft und nicht vom Staat, sie wird also als Selbstverpflichtung der Milchlieferanten positiv wahrgenommen. Friesland Campina fährt ein sehr einfaches System: Machst Du kein ANCA, dann brauchst Du keine Milch mehr abzuliefern. Neu im System ist u.a. die Frage nach der Effizienz der Umwandlung von Nährstoffen im Futter in Milch. Das ist die zentrale Größe und nicht mehr allein die Milchleistung je Kuh. Viel Milch je Hektar ist weiterhin gefragt. Gewohnt selbstbewusst vertreten die Holländer ihre Einstellung und ihr Wissen. Der Transfer von Erkenntnissen aus der Wissenschaft in die Praxis, das ist eines ihrer Hauptziele. Erst kürzlich haben sie einen Lehrstuhl für Weidewirtschaft eingerichtet und ihn mit der sehr aktiven Wissenschaftlerin Dr. Agnes van der Pol-van Dasselaar besetzt. Sie trägt gewohnt engagiert eines der wichtigsten Ziele der holländischen Landwirtschaft vor: 20% mehr Milch in den nächsten Jahren als kollektives Ziel. Und das bei erträglichen Überschüssen an N und P. Aber was ist schon erträglich? Die Grenzwerte (=Benchmarks) bleiben weiter unklar und vielleicht sind sie auch gar nicht oder zumindest sind sie nicht leicht zu ermitteln. Landinfo 3 | 2015 Trend zu größerer Artenvielfalt Ein wenig Probleme kann man als deutscher Grünlandwissenschaftler aber schon bekommen, wenn die Holländer jetzt erklären wollen, wie man artenreiches Grünland richtig bewirtschaften soll. Hier verstehen die Spezialisten anderer Länder eindeutig mehr. So versteht man in den Niederlanden denn auch z.B. unter „multispecies grassland“ eine Mischung aus nur wenigen und sehr intensiv nutzbaren Arten und nicht wie bei uns eine Wiese mit vielen verschiedenen Arten. Es ist aber eine Trendwende erkennbar, denn nun werden die Vorteile der Leguminosen gezielt in Mischungen ausgenutzt. Deutsches Weidelgras ist nunmehr also auch in den Niederlanden nicht mehr der einzige Bestandsbildner. Hoher Viehbesatz und Düngerüberschuss Am ersten Nachmittag war der Vergleich der Milchproduktionssysteme in Europa das Thema. Besonders extrem ist Portugal. Hier kennzeichnen extreme Viehbesatzdichten (bis zu 7 GVE/ha) und ebenso überzogene N (bis zu 680 kgN/ha) oder P Bilanzsaldi (mehr als 150 kg P2O5/ha) die portugiesische Milchproduktion. Woher diese viel zu hohen Werte kommen, bleibt nicht lange unklar, denn bei einem Kraftfuttereinsatz von 350 – 450 g pro kg Milch und 50.000 l Milch pro Hektar wird das ganze Ausmaß einer falsch verstandenen Intensität deutlich. Weidende Kühe Bild: F. Maus 23 Schwerpunktthema Maximale Ausnutzung von Futterflächen Unserer Landwirtschaft weit ähnlicher sind dagegen die Systeme aus Frankreich. Hierüber berichtet Valerie Broccard aus der Bretagne, eine Spezialistin vom Forschungszentrum Trevarez. Die französische Milchproduktion umfasst insgesamt 23,29 Mio l Milch; davon werden etwa 30% in Bergregionen produziert. Die drei wesentlichen Milchregionen können im Wesentlichen wie folgt charakterisiert werden. In den Niederungslagen, wie z.B. der Bretagne, kommt es zu hohen N-Überschüssen. Zur Vermeidung von Nitrat im Wasser wird die Düngung stark reglementiert.In den Ackerbauregionen, zum Beispiel an der belgischen Grenze, wird Milch bei hohen individuellen Milchleistungen mit Maissilage erzeugt. In den Bergen, z.B. der Franche Comté, werden Käsespezialitäten produziert. Käse aus Slowenien. Bild: G. Enderle Hügelige Landschaft in Slowenien. Bild: G. Enderle Der französische Durchschnitt liegt bei 3.400 l Milch je ha LN bzw. 5.800 l/ha Futterfläche. Das ist nicht gerade viel, aber für die Franzosen ist nicht die maximale Milchmenge je Hektar das Hauptziel, weil Fläche im Prinzip weit weniger stark begrenzt ist als bei uns. Die maximale Ausnutzung der eigenen Futterflächen ist das eigentliche Ziel. Aber es geht auch noch um den Selbstversorgungsgrad an Eiweiß für die tierische Ernährung. Er liegt je nach Region zwischen 57% und 74%. Und die Antwort auf die Frage, welches System den geringsten Selbstversorgungsgrad ergibt, überrascht nicht wirklich. Es ist die Milcherzeugung mit hohen Anteilen von Silomais und der Verfütterung von Input-Soja. Insgesamt haben die Milchbauern in Frankreich eine sehr starke Stellung, denn sie bewirtschaften immerhin 20% der LN. Zudem unterliegen sie einer sehr stren- gen Gesetzgebung hinsichtlich der N-Problematik. Damit wirkt die Begrenzung der N-Zufuhr gleichzeitig auch auf die Milchproduktion je Hektar. Für Broccard ist das eine schleichende Unternutzung von Flächen, die theoretisch ein weit höheres Nutzungspotential hätten. Aber kann man das wirklich so sehen? Oder ist es nicht vielmehr eben die bei den ökologisch verträglichen Bedingungen maximal mögliche Produktionskapazität? Die Antwort bleibt offen. Ein anderer Schwachpunkt der französischen Milchproduktion ist das Fehlen geeigneten landwirtschaftlichen Nachwuchses. Eingeschränkte Bewirtschaftbarkeit Probleme mit ihrer Milchproduktion haben auch die Slowenen, denn ihre zwar wunderschöne, aber meist bergige Landschaft lässt eine intensive Produktion nur eingeschränkt zu. Aber was soll man mit Berggrünland anderes machen als Milch zu produzieren und diese Milch dann zu bestem Käse oder regionalen Fleischspezialitäten zu veredeln? Aufgrund der aktuell sinkenden Milchpreise liegen die Nerven der slowenischen Bauern verständlicherweise blank. Staatliche Beihilfen oder die Teilnahme an europäischen Forschungsprojekten werden die Wettbewerbsfähigkeit nicht nachhaltig steigern können. Hoher Kraftfuttereinsatz Von Slowenien aus geht es ins Nachbarland Italien. Paolo Mantovi vergleicht zwei intensive Käseproduktionssysteme: die von Grana Padano und die in der Parmiggiano-Reggiano Region, in der Umgebung von Mantua. In der letztgenannten ist Silagefütterung nicht gestattet. Luzerneheu und Gras bilden die Grundlage der einträglichen Milch- und Käseproduktion. Beim Grana Padano System wird zudem nach Mais noch Welsches Weidelgras angebaut. Die Fruchtbarkeit der Poebene ist ja sprichwörtlich. Alle Regionen in Europa haben aber offensichtlich die gleichen Probleme: Will man die höchstmögliche Produktion erreichen, dann geht das nur, wenn man die Umweltgrenzen nicht zu stark beachtet. Im Falle der beiden italienischen Milchproduktionssysteme heißt das bis zu 11 kg TM als Kraftfuttergaben je Tag und Kuh. Welch eine Perversion des Veredlungswunders der Wiederkäuer, die aus rohfaserreichem Gras Milch herstellen können! Und dann wird das Produkt noch als hochwertiger AOC-Käse verkauft. 24 Landinfo 3 | 2015 Schwerpunktthema Verpferdung in Belgien Interessante Ausführungen kommen von Prof. Reheul aus Belgien, der sich mit der Grünland und Futterproduktion bei begrenzter Faktorausstattung beschäftigt. Zunächst stellt der GL-Experte eine neue Entwicklung in Belgien fest. Hier spricht man von „Horsification“, von einer „Verpferdung der Landschaft“. Flandern hat z.B. 140.000 Pferde (Pferde zu Milchvieh: 1 zu 3,9). In Baden-Württemberg wären das immerhin schon etwa 1: 2,9. Und ein 0,5 Hektar wird je Pferd für die Ernährung gebraucht. Nicht neu ist seine Feststellung, dass sich die Eiweißproduktion von Grünland u.a. am Stickstoffverbrauch ausrichtet. Nach wie vor gilt: Je weniger Stickstoff verwendet wird, umso weniger Rohprotein wird geerntet. Inwieweit das durch die Verwendung und den spezifischen Anbau von Leguminosen geändert werden kann, wird ja derzeit u.a. auch vom LAZBW in Aulendorf untersucht. Das flämische Credo lautet: Angepasste Grünlandbewirtschaftung um Maßnahmen der Grünlanderneuerung möglichst zu vermeiden. Aber wenn es notwendig wird, dann wandeln die Flamen Grasland in Acker um und begründen das positiv, obwohl sie wissen dass Grünlandumbruch enorme Mengen an Stickstoff und Kohlenstoff freisetzt. Reheul sagt: Auf dem Acker ist eine bessere Anpassung an den Klimawandel bei periodisch auftretender Trockenheit möglich. Er hat durchaus Recht, wenn man das Futterloch im Sommer betrachtet, das sich mittels Luzerneanbau auf dem Acker prima schließen ließe. Interessant auch seine Aussagen zur Züchtung bei Deutschem Weidelgras. Der reine Zuchtfortschritt bei Lolium perenne und Lolium multiflorum betrug von 1963 – 2007 etwa 0,3% im TMErtrag je Jahr. Auch die Ausdauer wurde züchterisch verbessert. Trotzdem ist der agronomische Fortschritt insgesamt rückläufig, weil der mögliche Mehrertrag infolge reduzierter N- Düngung nicht abgerufen wird. Verschenken wir also Produktivität oder haben wir die Grenzen der Umweltverträglichkeit wirklich erreicht? Reheul bricht eine Lanze für eine Fruchtfolge in Mais-Ackerbausystemen. Fruchtfolgen garantieren Ertragsstabilität und sind eine Versicherung für Jahre mit begrenzter Produktivität. Er empfiehlt die Anwendung von Ley-Farming, also quasi den Rückgang zur Feldgraswirtschaft. Das reduziert vor allem den N-Aufwand, wenn man entsprechende Fruchtfolgen mit Leguminosen gestaltet. Auch der Zwischenfruchtanbau wird Landinfo 3 | 2015 positiv dargestellt. Die Optimierung der intensiven Systeme gelingt dann, wenn man sie kombiniert mit guter landwirtschaftlicher Praxis, guter Mechanisierung und Organisation und wenn man die Fortschritte der Pflanzenzüchtung ausnutzt. Optimierte Weideplanung Die Situation in Irland wird von Deirdre Hennessy beleuchtet. High output systems in Bezug zur Flächenausstattung und Stickstoffverbrauch. In gemäßigten Gebieten ist Weidegras das günstigste Futter für Milchkühe. Der Weidegrasverzehr wird durch das Pasture Base System aus Irland optimiert, einem wichtigen Planungsinstrument für die grünlandbasierte irische Milchwirtschaft. Weidemanagement erfordert regelmäßige Praxis und das Vertrauen in Messmethoden, die in Irland stets zur Verfügung stehen. Im Frühjahr kommt der „Spring rotation planner“ zum Einsatz, im Sommer wird das „Grass Wedge“ eine Art Höhenmesser verwendet und im Herbst die „60:40“ Regel. Das Ziel ist immer das Gleiche: Wie bekomme ich möglichst viel Gras in die Kuh?? Und das bedeutet auch, wie kann ich die Verwendung maximieren, wenn Gras verfügbar ist? Die Nutzung neuer Entwicklungenlungen wird empfohlen: Entscheidungstools für die Grünlandnutzung wie z.B. der Grashopper, Kuhbewegungssensoren und virtuelle Zäune. Beim Grashopper wird die gemessene Grashöhe an das System Pastureturebase übermittelt, mit dessen Hilfe der aktuelle Vorrat an Gras und die Verweildauer auf der Weideparzelle optimiert werden können. Benötigt werden dann robuste Kühe, die weidetauglich sind. Zwei Fütterungssysteme sind dann anwendbar: High input: Futter wird an die tierischen Erfordernisse angepasst oder Low input, hier passen sich die Tiere an das Futterangebot an. Wenn die Milchquote geht, dann wird die Verfügbarkeit von Land die neue „Quote“. Will man sich die Produktionssteigerung sichern, dann ist Land der begrenzende Faktor. Dabei reduziert die Maximierung des Verbrauchs von wirtschaftseigenem Futter die Notwendigkeit Futter zuzukaufen. Auch das ist eine Strategie, wenn man GVO-freie Milch-Produkte erzeugen will. Und: Wenn man Weidegras optimiert, dann ist das unbedingt ein Beitrag zur Steigerung der Nachhaltigkeit. Aber auch in Irland gilt: Gute Bauern machen mehr Milch aus dem vorhandenen Futter. Das führt letztlich zu der Frage, die ein Holländer am Schluss des Kongresses stellte: „Können wir uns Ineffizienz noch länger leisten?“. Eine heikle Frage, weil sie auch durchaus uns selbst betreffen könnte. Rotklee im Bestand - Eiweiß mit hoher Effizienz erzeugt. Bild: M. Elsäßer Prof. Dr. Martin Elsässer LAZBW Aulendorf Tel. 07525/ 942-351 Martin.Elsaesser@ lazbw.bwl.de 25 Schwerpunktthema René Greiner Von der Streuobstwiese zum Geotop - Grünlandpflege im Naturschutzgebiet Bergrutsch am Kirchsteig Es ist der 7. April 2001 gegen 19.30 Uhr, ein tiefes Grollen, zerbrechende Geschirr- und Wochenendhütten, umstürzende Obstbäume und Risse im Boden die immer größer werden. Dann geschieht es, rund drei Hektar Steilhang, 70.000 Kubikmeter setzen sich talabwärts in Bewegung und kommen nach ca. 200 Meter zum Stillstand. Es entsteht eine 240 Meter breite und bis zu 17 Meter hohe Felswand, das Gelände ist hügelig, Bäume und Hütten stehen schräg und es gibt zahlreiche Verwerfungen. Was klingt wie eine Szene aus einem apokalyptischen Hollywood-Streifen war im regnerischen Frühjahr 2001 auf der Gemarkung Urbach im Rems-Murr-Kreis Wirklichkeit. Glücklicherweise kam bei den Ereignissen niemand zu Schaden. D Blick von Süden auf die Abbruchkante. In der Streuobstwiese sind noch zahlreiche kleine Verwerfungen zu sehen. Bild: R. Greiner 26 as Gebiet des Erdrutsches wurde früher als Weinberg genutzt, zur Zeit der Rutschung und auch heute befinden sich Streuobstwiesen darauf. Geologisch bedingt durch die Mergel- und Sandsteinschichten an den Keupertalhängen kommt es in größeren Zeitabständen immer wieder zu Rutschungen. Das Frühjahr 2001 war sehr niederschlagsreich, was den Erdrutsch vermutlich ausgelöst hat. Aufgrund der kleinparzellierten Struktur waren etwa 100 Grundstücke direkt betroffen, zahlreiche andere indirekt, da deren Zufahrt abgeschnitten wurde. Eine Flurneuordnung war unvermeidlich. Für Geschädigte wurde eine Grundstücksbörse eingerichtet, die Zufahrten zu den abgeschnittenen Grundstücken wurden wiederhergestellt beziehungsweise neu angelegt und Landinfo 3 | 2015 Schwerpunktthema „Vierbeinige Landschaftspfleger“ bei der Mittagspause. Bild: R. Greiner die gesamte Erdrutschfläche wurde in öffentliches Eigentum überführt, sowie ein „Bergrutsch Rundweg“ mit Informationstafeln geschaffen. Am 7. Mai 2008 wurde das Erdrutschgebiet durch das Regierungspräsidium Stuttgart als Naturschutzgebiet und besonders schützenswertes Geotop ausgewiesen. Ein Betreten der Flächen war somit nur noch im Rahmen von Führungen möglich, auch aus Sicherheitsgründen. Die Streuobstwiesen im Erdrutschgebiet waren zum Teil noch vorhanden, es gab aber auch zahlreiche offene Bodenstellen. Die einsetzende Sukzession führte dazu, dass das gesamte Gebiet zu verbuschen drohte. Dies war nicht erwünscht, da hierbei zum Einen die Felswand nach geraumer Zeit nicht mehr sichtbar gewesen wäre und zum Anderen die noch vorhandenen Streuobstwiesen ihre Funktion als Lebensraum für zahlreiche seltene Vogelarten verloren hätten, das Naturschutzgebiet liegt nämlich in einem Vogelschutzgebiet. Grünlandpflege durch Beweidung Ein ortsansässiger Landwirt pflegt nun das Naturschutzgebiet mit seinen „vierbeinigen Landschaftspflegern“. Damit diese Pflege auch weiterhin bestehen bleibt und das Gebiet dieses einzigartigen geologischen Ereignisses so erhalten bleibt, hat der Landschaftserhaltungsverband (LEV) des Rems–Murr–Kreises die Koordination der Pflege in Zusammenarbeit mit dem Bewirtschafter übernommen. Der LEV hat mit dem Bewirtschafter einen Vertrag nach der Landschaftspflegerichtlinie des Landes Baden-Württemberg abgeschlossen, wonach der Bewirtschafter für seine Arbeit finanziell unterstützt wird (VertragsLandinfo 3 | 2015 naturschutz). Die Maßnahmen setzen sich aus ganzjähriger Beweidung mit Ziegen und je nach Vegetationszustand zusätzlich mit Schafen zusammen. Ab diesem Jahr sollen zudem noch ein paar Hochlandrinder zeitweise hinzukommen. Diese kombinierte Beweidung hat sich zur Offenhaltung dieses Gebiets bewährt. Die Ziegen wirken der aufkommenden Sukzession entgegen, die Schafe halten Grünlandaufwuchs niedrig. Was die Schafe stehen lassen, soll künftig noch von den Hochlandrindern voll abgegrast werden. Dass der LEV und der Bewirtschafter auf dem richtigen Weg sind, zeigen die Erfolge der Beweidung. Die aufkommende Sukzession konnte weitestgehend zurückgedrängt werden, der Charakter der Streuobstwiesen erhalten und die Offenhaltung der Felswand ebenfalls erreicht werden. Das Ganze führte dazu, dass das Naturschutzgebiet, welches bis Frühjahr 2015 noch als Abzugsfläche galt, nun wieder zum Großteil als landwirtschaftliche Bruttofläche ausgewiesen werden konnte. Wer sich einmal von der Arbeit des Landschaftserhaltungsverbandes und den „vierbeinigen Landschaftspflegern“ in diesem einzigartigen Gebiet überzeugen will und die Felswand mit ihrem geologischen Aufschluss näher betrachten möchte, der sollte sich den „Bergrutsch-Rundweg“ um das Naturschutzgebiet nicht entgehen lassen. Für Interessierte gibt es außerdem die Möglichkeit an geführten Wanderungen durch das Naturschutzgebiet teilzunehmen. Bei Interesse an einer Führung können Sie sich unter der Telefonnummer 07181 / 80 07 99 im Servicebüro des Rathauses der Gemeinde Urbach direkt anmelden. Weitere Informationen zum Landschaftserhaltungsverband des Rems-Murr-Kreises finden Sie im Internet unter www.rems-murr-kreis.de/LEV. René Greiner Landschaftserhaltungsverband Rems-MurrKreis e.V. Tel. 07191/ 895- 4092 [email protected] 27 Mitten im Leben Brötchen selber backen Lockere und knusprige Brötchen wie vom Bäcker aus der eigenen Küche sind etwas Besonderes. Werden sie frisch gebacken gegessen, ist die Herstellung einfach und wenig zeitaufwändig. Für Brötchen mit Übernachtgare ist der Aufwand größer, sie bestechen jedoch mit einem besonderen Aroma. Die Zutaten für Brötchen sind überschaubar: Neben Mehl, Wasser, Hefe und Salz für den Teig sind Sämereien oder Getreideflocken für die Optik und den Nährwert interessant. Wichtig sind die Ruhezeiten und die richtige Temperatur bei der Teigführung, denn sie haben großen Einfluss auf Aroma und Lockerheit des Teiges. Tipp Werden die Saaten und ein Teil des Vollkornmehls vor der Teigherstellung mit heißem Wasser überbrüht und können über 2-3 Stunden quellen, entziehen sie dem fertigen Teig keine Feuchtigkeit mehr. Die im Rezept angegebene Flüssigkeitsmenge muss dann bei der Teigherstellung etwas reduziert werden. Durch das Vorquellen bleibt das Gebäck länger frisch. Brötchen wie vom guten Bäcker Wer Brötchen backen möchte, die denen aus einer professionellen Backstube ähneln, muss etwas mehr Aufwand betreiben. Bei den „Rustikalen Weizenbrötchen“ wird mit einem Vorteig gearbeitet, der zur Aromabildung 20 Stunden ruht und für den späteren Brötchenteig eine elastische und dehnbare Grundlage ist. Bei der Teigherstellung sind die Flüssigkeitsangaben immer nur Richtwerte. Geben Sie die angegebene Flüssigkeit nicht komplett zu den trockenen Zutaten sondern beginnen Sie zunächst mit etwa 2/3 der angegebenen Menge. Nach und nach geben Sie dann weitere Flüssigkeit zu. Der Teig sollte nicht zu weich werden, denn er verliert an Elastizität wenn zum Schluss noch Mehl untergearbeitet werden muss. Bei den Weizenbrötchen werden die Teiglinge zur Stückgare in den Kühlschrank gestellt. Während der Stückgare werden die im Teig gebildeten Gase im Teig festgehalten. Das Kleingebäck wird locker und es bilden sich weitere Aromastoffe, die sich positiv auf den Geschmack auswirken. Damit die Teiglinge keine trockene Außenhaut bekommen, kann das Blech in eine große Tüte eingepackt werden. Während des Backprozesses wird in der ersten Phase (Ofentrieb) Feuchtigkeit benötigt. Die Brötchen sollen durch die hohe Backtemperatur eine stabile Kruste bekommen, um nicht in die Breite zu gehen aber mit Hilfe des Wasserdampfes so elastisch bleiben, um in die Höhe treiben zu können. Es gibt verschiedene Möglichkeiten um Wasserdampf in den Ofen zu bekommen . 1.Während der Aufheizphase eine Fettpfanne mit Wasser in den Ofen schieben. Dieses Blech muss nach ca. 5 Minuten Backzeit herausgenommen werden. 2. Mit Beginn des Backprozesses etwas Wasser auf den Boden des heißen Ofens gießen. 3. Mit einer Sprühpistole zu Beginn des Backprozesses Wasser in den Backofen sprühen. Um am Ende aber ein knuspriges Brötchen aus dem Ofen herausholen zu können, muss der Dampf zum Ende der Backzeit reduziert werden. Dafür nach ca. 10 Minuten Backzeit die Backofentür für kurze Zeit öffnen und den Dampf herauslassen. 28 Landinfo 3 | 2015 Mitten im Leben Rezeptidee: Rustikale Weizenbrötchen Zutaten Zubereitung Vorteig 200 g Weizenmehl Type 550 200 g Wasser 0,2 g Frischhefe Vorteigzutaten mit einem Löffel verrühren und ca. 20 Stunden bei 20-22 °C reifen lassen. (Der Teig hat mehr als das Doppelte an Volumen gewonnen und ist von Blasen durchzogen.) Hauptteig 250 g Weizenmehl Type 550 50 g Roggenmehl Type 1150 17 g Backmalz 100 g Wasser 4 g Frischhefe Für den Hauptteig den Vorteig mit Mehl, Backmalz, Wasser und Hefe 5 Minuten auf niedrigster Stufe in der Knetmaschine mischen. Dann weitere 5 Minuten auf der nächsten Stufe kneten. (Der Teig ist fest und löst sich vom Schüsselboden.) 20 g Milch Den Teig weitere 5 Minuten kneten. Währenddessen die Milch tropfenweise zum Teig geben. 6 g Öl Anschließend das Öl in den Teig über 2 Minuten bei gleichbleibender Knetgeschwindigkeit in gleicher Weise einarbeiten. 10 g Salz Salz zugeben und weitere 1-2 Minuten auf zweiter Stufe kneten. (Der Teig ist mittelfest, klebt leicht, löst sich aber vom Schüsselrand.) Den Teig 1 Stunde bei ca. 24 °C luftdicht abgedeckt in einer Schüssel gehen lassen. Anschließend den Teig kurz von Hand durchkneten und 8 Teiglinge abstechen. Die Teiglinge zu Brötchen formen und 3 Stunden bei ca. 10 °C abgedeckt gehen lassen. Backofen auf 230 °C vorheizen. Die Teiglinge 20 Minuten backen. Nach 10 Minuten Backzeit die Ofentür weit öffnen um die Schwaden abzulassen. Den Backofen auf 210 °C zurück schalten und die Brötchen weitere 10 Minuten backen. Rezeptidee: Sonntags-Brötchen Zutaten Zubereitung 1,5 kg Weizenmehl Type 1050 100 g Roggenvollkornmehl 100 g Weizenvollkornmehl 200 g Sesam 200 g Leinsamen 100 g Sonnenblumenkerne 1 Würfel Hefe 30 g Salz 200 ml Wasser Alle Zutaten in eine Schüssel geben. Mit der Hefe und warmen Wasser einen Vorteig herstellen und diesen 30 Minuten ruhen lassen. 1 l Wasser Danach mit dem restlichen Wasser alles zu einem geschmeidigen Teig kneten und zwei Stunden ruhen lassen. Backofen auf 230 °C Umluft vorheizen. Öl zum bestreichen Aus dem Teig Brötchen (ca. 60 g) formen, auf ein gefettetes Backblech setzen, noch mit Öl oder Dosenmilch bestreichen und 10-15 Minuten gehen lassen. Dann bei 200 °C ca. 20 Minuten backen. Tipp: Brötchen schnell ausformen. Ein Beitrag des Infodienst Ernährung / www.ernaehrung-bw.de Mehr finden Sie im monatlichen Newsletter. Landinfo 3 | 2015 Autorin: Gesa Czolbe Bilder: Gesa Czolbe, Martina Ehrentreich 29 Mitten im Leben Geschafft! Referendariat 2013 - 2015 Von links nach rechts: Heike Hespe (MLR), Silvia Tappe (MLR), Wolfgang Arnoldt (MLR), Samuel Gesell, Adrian Bürkle, Joschko Geiß, Rebecca Schiefer, Theresa Deubele, Dr. Thorsten Bornwaßer, Dr. Stefanie Henseler, Martin Heck, Heike Rominger, Charlotte Dreiseidler, Dorothee Lux, Sophie Rohmer, René Roux, Christina Sander. Ariane Kleiner, Hubert Sauber (RPS), Gisela Enderle (LEL) Personalnachrichten Neueinstellungen Dr. Stefanie Henseler Joschko Geiß Adrian Bürkle Sophie Rohmer Ariane Kleiner Martin Heck Heike Rominger René Roux Samuel Gesell LRA Biberach LRA Biberach LRA Emmendingen LRA Esslingen LRA Esslingen LRA Alb-Donau-Kreis LRA Sigmaringen LRA Karlsruhe LRA Rastatt Dorothee Lux Julia Locher Christina Sander Jan Rebehn Jana Traub Dr. Thorsten Bornwaßer Theresa Deubele Charlotte Dreiseidler LRA Schwäbisch Hall LRA Zollernalbkreis LRA Rottweil LRA Rottweil LRA Böblingen LRA Heidelberg RP Tübingen MLR LRA Neckar-Odenwald-Kreis LRA Breisgau-Hochschwarzwald LRA Hohenlohekreis LRA Sigmaringen LRA Ortenaukreis Arno Zürcher Patricia Seele Uta Maria Killgus Annette Jilg Sebastian Weisenburger LRA Karlsruhe LRA Biberach LRA Reutlingen LAZBW Aulendorf LTZ Versetzungen Dr. Burkhard Lennartz Anne Katrin Peters Karoline Baumann Christof Löffler Stefan Kury 30 Landinfo 3 | 2015 Mitten im Leben Rezensionen Neu: „Lernfeld Brotgetreide“ und „Ballaststoffreich genießen“ Unter dem Titel „Lernfeld Brotgetreide“ hat der Verband Deutscher Mühlen neues Material für die Sekundarstufe veröffentlicht. Es enthält vier Unterrichtsbausteine für die Klassen 5-10 mit Sachinformationen und Arbeitsblättern rund um das Thema Brotgetreide zu Ernährung, Kultur, Verarbeitung und Märkten: mit 13 Arbeitsblättern und zahlreichen Literatur- bzw. Linkstipps. Ergänzend gibt es Onlinematerial zum Download mit Anknüpfungspunkten in den Lehrplänen, weiteren Arbeitsblättern und Interviews zu acht Ausbildungsberufen entlang der Getreidekette. Speziell für hauswirtschaftliche Fächer, Schulprojekte oder zum Einsatz in der Erwachsenenbildung eignet sich die gleichzeitig erschienene Sonderpublikation „Ballaststoffreich genießen“ mit fachlichen Informationen rund um das Thema und beispielhaften Rezepten zur handlungsorientierten Ernährungsbildung – nicht nur für die Hauswirtschaftsküche. Beide Publikationen zum kostenlosen Download oder Bestellen unter http://www.muehlen.org/ presse-service/publikationen/ Vor allem im Hauptteil des Buches, das sich mit der eigentlichen Befragung der Öko-Erzeuger befasst, werden die Inhalte anhand zahlreicher Abbildungen in Form von Tabellen und Grafiken anschaulich präsentiert und im Textteil ausführlich beschrieben. Bei diesem wissenschaftlich strukturierten Eindruck ist es etwas verwunderlich, dass das aufgelistete Abkürzungsverzeichnis fehlt. Durch die aktuelle Situation in der Agrarförderung (Neue Förderperiode 2014-2020) und der Möglichkeit, im Rahmen von ELER Beratung durch die EU in Bundesländern mit zu finanzieren, werden in dem Buch aktuelle Fragestellungen erörtert, die sicherlich noch weiter verfolgt und in verschiedenen Bundesländern auf großes Interesse stoßen werden.Im Hinblick auf die Umstellung der Beratung für landwirtschaftliche Betriebe in Baden-Württemberg, können sowohl Beratungsorganisationen als auch Verantwortliche aus Politik und Wissenschaft sicherlich einige Anregungen mit in die Weiterentwicklung des Konzeptes nehmen. Wer sich ein Bild über die aktuelle Beratung speziell im ökologischen Landbau verschaffen möchte und an möglichen Qualitätsmerkmalen für Beratung interessiert ist, findet hierzu in diesem Buch einige hilfreiche Zusammenstellungen und Überlegungen. Frauen am Land – Potentiale und Perspektiven „Beratung ökologisch wirtschaftender Erzeuger in Deutschland“ Wie sieht die aktuelle Beratung im ökologischen Landbau aus? Wie stellt sich die Beratungssituation in Deutschland insgesamt dar? Gibt es sogar Qualitätsmerkmale für Beratung, an denen man gute Beratung erkennen kann? Auf all diese Fragen und viele weitere wollen die Autoren in Ihrem Werk „Beratung ökologisch wirtschaftender Erzeuger in Deutschland“, erschienen in der Reihe Kommunikation und Beratung Band 117, Antworten liefern. Dies geschah im Rahmen einer Studie, in der die Meinungen von rund 600 ÖkoErzeuger aus den dreizehn Flächenstaaten Deutschlands anhand eines Fragebogens erfasst wurden. Zu Beginn des Buches erhält der Leser sowohl eine Übersicht über aktuelle Entwicklungen und vergleichbare Studien zum Thema als auch Einblicke in wichtige Überlegungen zum methodischen Vorgehen. Landinfo 3 | 2015 Manuela Larcher/Theresia Oedl-Wieser/Mathilde Schmitt/Gertraud Seiser (Hrsg.); Frauen am Land – Potentiale und Perspektiven. 263 Seiten. Innsbruck – Wien – Bozen: StudienVerlag; ISBN 978-3-7065-5315-5. € 26,90. Im Tagungsband „Frauen am Land – Potentiale und Perspektiven“ werden Frauen_Leben am Land in ihrer interdisziplinären und thematischen Vielfalt vorgestellt und ihre Potentiale und Perspektiven ausgelotet. Ausgangspunkt für das Buch war die gleichnamige Tagung, die vom 7.2. bis 9.2.2013 an der Universität für Bodenkultur Wien stattfand. Ziel der Veröffentlichung ist es insbesondere, die Vielfalt der verschiedenen Lebensentwürfe, Perspektiven und Potenziale von Frauen auf dem Land zu zeigen und respektvoll nebeneinander stehen zu lassen. 31 Ländlicher Raum Dr. Therese Hintemann, Bernhard Bundschuh, Helge de Boer Wetterdaten und ihr Nutzen für Beratung und Praxis www.wetter-bw.de das Portal der Agrarmeteorologie Baden-Württemberg Wetterdaten sind für die Landwirtschaft in vielerlei Hinsicht wertvoll. Das aktuelle Wettergeschehen sowie die Wettervorhersagen bestimmen direkt Planung und Durchführung von Arbeitsgängen (Pflanzenbau- und Pflanzenschutz-Maßnahmen). Als Berechnungsgrundlage für Prognosemodelle und Entscheidungshilfen zum Auftreten von Schaderregern beeinflussen die Wetterdaten die Pflanzenschutzmaßnahmen zusätzlich indirekt. Diese Vorhersagemodelle zeigen an, ob eine Pflanzenschutzmaßnahme notwendig ist und wann der optimale Anwendungszeitpunkt ist. Rückblickend auf die vorangegangene Vegetationsperiode sind die Wetterdaten aus der Vergangenheit interessant, um mehrere Jahre miteinander zu vergleichen und Versuchsergebnisse zu interpretieren. A uch in anderen Bereichen bieten Wetterdaten als Berechnungsgrundlage für verschiedene Anwendungen Vorteile für weitere Nutzergruppen. Das Wetterdatenangebot dient ebenfalls Imkerinnen und Imkern bei der Bestimmung des optimalen Zeitpunktes der Varroabekämpfung und der Geflügelhaltung durch Warnung vor Hitzestress. Haus- und Kleingärtnerinnen und -gärtner können sich per SMS oder Email vor Frostnächten warnen lassen, die ihre Kübelpflanzen schädigen können. Das Angebot wird auch zukünftig um interessante Module erweitert. Wetterstationsnetz Baden-Württemberg Landesweit werden Wetterdaten von 115 Wetterstationen erfasst (Abb. 1). Dieses Wetterstationsnetz ist an die Erfordernisse aus der Landwirtschaft angepasst und wird vom LTZ Augustenberg betrieben. Die Finanzierung erfolgt durch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Die Wetterstationen erfassen die für die Landwirtschaft wichtigen Parameter an ausgewählten Standorten. Abbildung 1 Wetterstationsnetz der Landwirtschaft in Baden-Württemberg (Stand Juni 2015). Wetterstationen sind durch einen roten Punkt markiert. Quelle: Agrarmeteorologie Baden-Württemberg www.wetter-bw.de. 32 Von den 115 Wetterstationen gehören 93 Wetterstationen landeseigenen Institutionen, wie zum Beispiel LTZ Augustenberg, WBI Freiburg und Universität Hohenheim. Ergänzt werden sie durch weitere 22 sogenannte „externe Wetterstationen“ in den Kulturen Wein- und Obstbau, die von anderen Einrichtungen wie zum Beispiel Winzergenossenschaften oder Obstgroßmärkten angeLandinfo 3 | 2015 Ländlicher Raum Wetterstation im Weinbau. Wetterstation im Ackerbau. Bild: H. de Boer, LTZ Bild: H. de Boer, LTZ schafft wurden. Dabei wird bei der Beschaffung von Wetterstationen auf einen einheitlichen Stationstyp geachtet, damit Arbeitsaufwand und Fehleranfälligkeit möglichst gering bleiben. Der Datenabruf, die Datenbereitstellung und die Überwachung der Wetterstationen des Landesnetzes erfolgen durch das LTZ Augustenberg. Die Sensorausstattung und die Standortauswahl entsprechen den Anforderungen der verschiedenen landwirtschaftlichen Kulturen. Es gibt zwei Wetterstationstypen. Der Wetterstationstyp für den Obst-, Wein- und Hopfenanbau ist mit Sensoren für Lufttemperatur und Luftfeuchte in 2 m Höhe über dem Boden, die Globalstrahlung, die Blattnässe und den Niederschlag ausgestattet (siehe Bild 1). Der Stationstyp Ackerbau hat zusätzlich Sensoren für die Windgeschwindigkeit und Windrichtung, sowie die Lufttemperatur in 20 cm Höhe über dem Boden und die Bodentemperatur in 5 cm Bodentiefe. An einigen ausgewählten Ackerstandorten gibt es ergänzend Temperatur- und FeuchteSensoren in 20 cm Bodentiefe (siehe Bild 2). Diese Parameter sind bei der Entscheidung für eine Pflanzenschutzmittelanwendung wichtig. Beispielsweise darf zur Vermeidung von Abdrift bei zu hoher Windgeschwindigkeit mit Feldspritzen und Sprühgeräten keine Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln erfolgen. Landinfo 3 | 2015 Abruf, Kontrolle und Weiterleitung der Wetterdaten Der Datenabruf erfolgt zentral über Mobilfunk. Die Wetterstationen werden in der Hauptsaison von März bis September stündlich automatisiert abgerufen und die Daten fließen in eine gemeinsame Datenbank. Es erfolgt eine automatische Überprüfung der Daten auf Plausibilität, die einmal täglich am LTZ Augustenberg manuell überprüft wird. Von der Datenbank aus werden die Wetterdaten in die verschiedenen Prognosemodelle und Informationssysteme wie z. B. das Informationssystem Integrierte Pflanzenproduktion (ISIP), Vitimeteo, Rimpro etc. exportiert. Die Wetterdaten werden unter der Adresse: www.wetter-bw.de zur Verfügung gestellt. www.wetter-bw.de Dargestellt werden die Wetterdaten im Internet unter www.wetter-bw.de. Seit Juli 2014 stehen Wetterdaten und weitere Informationen zur Pflanzenproduktion allen Interessierten aus Land33 Ländlicher Raum wirtschaft, Garten-, Obst- und Weinbau sowie allen Bürgerinnen und Bürgern auf der neugestalteten Internetseite der Agrarmeteorologie BadenWürttemberg zur Verfügung. Bei der graphischen Darstellung sind die Wetterstation, der Zeitraum und die Sensoren frei wählbar. Es ist auch möglich Sensoren verschiedener Stationen vergleichend darzustellen. Das Informationsangebot gliedert sich in die Bereiche: Landesweit gibt es zusätzlich die Deutsche Wetterdienst-(DWD)-Vorhersage und die Unwetterwarnungen. Das aktuelle Niederschlagsradar in unterschiedlicher Auflösung (Europa- und Deutschlandweit) gibt Informationen über die räumliche Niederschlagsverteilung und -stärke. • aktuelle Wetterdaten, Wettervorhersagen und Wetterwarnungen, • Informationsportale, • kulturspezifische Prognosemodelle, • Messnetzinformationen, • Daten vom Deutschen Wetterdienst (DWD) und • Service. Ausbau und Verbesserung des Informationsangebots werden gemeinsam mit Bayern und RheinlandPfalz weiterentwickelt. Die Datenverarbeitung und -darstellung im Internet wird seit Juli 2014 vom Fachbereich Agrarmeteorologie des DLR Rheinland-Pfalz übernommen. Das LTZ Augustenberg ist für die Qualität und die Quantität der Wetterdaten aus BadenWürttemberg verantwortlich und bestimmt den Internetauftritt inhaltlich. Im Rahmen dieser länderübergreifenden Kooperation wurde das Informationsangebot erweitert. Zukünftig kann der Ausbau und die Verbesserung des Informationsangebotes mit den Bundesländern RheinlandPfalz und Bayern gemeinsam weiterentwickelt werden. Das aktuelle Wettergeschehen und Vorhersagen Aus dem Wetterportal lassen sich mit einem Mausklick wichtige Infoportale mit Prognosemodellen zum Pflanzenschutz und zur Varroabekämpfung erreichen. Alle Wetterdaten werden tabellarisch und mit ihrer räumlichen Verteilung in der Karte angezeigt und sind stündlich aktuell. Bei der tabellarischen Ansicht sind die Daten aller Wetterstationen alphabetisch sortiert dargestellt. Einen räumlichen Überblick über die Witterung im ganzen Land bekommt man mit Hilfe der Stationskarte. Dort können einzelne Sensoren ausgewählt werden, deren aktuelle Stundenmittelwerte angezeigt werden. Zu jeder einzelnen Wetterstation werden 7-Tage Vorhersage angezeigt. Ebenso werden rückblickend die Wetterdaten als Stunden-, Tages-, Monats- oder Jahresmittelwerte angezeigt. Im Download-Bereich können die Daten heruntergeladen oder graphisch dargestellt werden (siehe Abb. 4). 34 Prognosemodelle und Infoportale Neben den Witterungsdaten bündelt die Internetseite www.wetter-bw.de weitere wichtige Informationen für die Landwirtschaft. Die Baden-Württembergischen Portale „Infodienst“ und „Infoservice“ sowie die Baden-Württemberg-Seite von ISIP (www.isip.de) sind in der Auswahlleiste mit aufgeführt und sind so schnell zu finden. Für die einzelnen Kulturgruppen • Ackerbau, • Gemüsebau, • Hopfenanbau, • Obstbau und • Weinbau. gibt es jeweils eigene Bereiche, in denen die wichtigsten Prognosemodelle und Infoportale mit einem „Klick“ erreichbar sind. Mit Hilfe der Modelle werden Entwicklungszyklen von Schaderregern und phänologische Stadien von Kulturpflanzen wie beispielsweise Blüte simuliert. Daraus werden die Notwendigkeit für Pflanzenschutzmaßnahmen und die optimalen Behandlungszeitpunkte ermittelt. Damit sind die Wetterdaten ein wichtiger Baustein im integrierten Pflanzenschutz und für den sachgerechten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Ein Aspekt aus der Tierproduktion ist der Bereich Bienen. Imkerinnen und Imker erfahren hier, wann die Witterungsbedingungen für welche Art der Varroabekämpfung günstig sind. Ebenfalls im Angebot ist bundesweit das Blühphasenmonitoring, an dem sich jede und jeder beteiligen kann. Weitere für die Landwirtschaft interessante Informationen des DWD ergänzen das landesweite Landinfo 3 | 2015 Ländlicher Raum Abbildung 4 Graphische Darstellung der Wetterdaten der Station Augustenberg (Niederschlag: schwarze Balken, Temperatur in 2 m Höhe: blaue Linie, Luftfeuchtigkeit: grüne Linie) vom 01.01.2015 bis 08.06.2015. Quelle: Agrarmeteorologie Baden-Württemberg www.wetter-bw.de. Angebot. Zur Verfügung stehen das monatliche „Deutschlandwetter“ seit dem Jahr 2010, Wetterdaten von 50 DWD-Stationen (nicht-tagesaktuell) sowie langjährige Wetterdaten, die regional einen Blick auf die Klimaentwicklung der letzten Jahrzehnte ermöglichen. Ebenso sind Deutschlandkarten zu den Themen Frosteindringtiefe, Klimatische Wasserbilanz, Niederschlag und Verdunstung abrufbar. Im Serviceteil der Internetseite www.wetter-bw.de kann man eine Wettermail zu ausgewählten Wetterstationen abonnieren sowie in den Monaten Oktober bis November den „Kübelpflanzenalarm“, der Frostschäden an Kübelpflanzen verhindern soll. Künftig soll in der Hauptsaison neben einem umfassenden Modul für die Spargelanbauer auch ein „Bewässerungsservice“ für gemüsebauliche Leitkulturen auf den baden-württembergischen Warndienstseiten integriert werden. Zusätzlich soll ein Programm zur Bestimmung des optimalen Abnahmetermins von Folien im Gemüseanbau bereitgestellt werden. Landinfo 3 | 2015 Auch der häusliche Garten wird weiter in den Fokus der Entwickler rücken. So ist beispielweise eine rechnergestützte Entscheidungshilfe zur Festlegung des Bewässerungsbedarfs im Hausund Kleingarten geplant. Auf diesem Weg soll die gezielte Bewässerung von Kulturen gefördert und der Wasserverbrauch reduziert werden. Das ist eine Möglichkeit sich im kleinen Bereich an die Veränderungen durch den Klimawandel anzupassen. Die Internetseite www.wetter-bw.de bietet neben Wetterdaten wichtige Informationen für Beratung und Praxis in der Landwirtschaft, für die Imkerei und für alle Hobbygärtnerinnen und -gärtner mit Balkon und Garten. Das Ziel zukünftiger Entwicklungen ist, den Nutzen der landesweiten Wetterdaten für die Landwirtschaft und die gesamte interessierte Bevölkerung weiter auszubauen und zu optimieren. Dabei sind Kooperationen sowohl mit anderen Bundesländern als auch mit den externen Wetterstationsbesitzern zielführend. Dr. Therese Hintemann LTZ Augustenberg Tel. 0721/ 9468-433 therese.hintemann@ltz. bwl.de 35 Ländlicher Raum Gottfried Bleyer; Ronald Krause und Nour Sawas* “RegenradarNeu“ ein wertvolle Ergänzung in „VitiMeteo“ Der Pflanzenschutz ist das Schlüsselelement für eine sichere Produktion im Weinbau. Um gezielte Behandlungen durchzuführen bietet das Prognosesystem „VitiMeteo“ wertvolle Hilfestellungen. Seit Anfang Juni wurde das RegenradarNeu als Service miteingebunden, um den Betrieben die Planung von kurz– und mittelfristigen Arbeiten im Weinberg zu erleichtern. „VitiMeteo“ und Wetterdaten * Fa. Geosens, Schallstadt V itiMeteo“ ist inzwischen ein umfassendes Prognosesystem für den Weinbau geworden. „VitiMeteo“- Modelle gibt es für die wirtschaftlich bedeutendsten Krankheiten und Schädlinge im Weinbau. Die Abschätzungen des Risikos von Krankheiten und Schädlingen werden alltäglich und kostenlos auf www.vitimeteo.de für BadenWürttemberg im Internet veröffentlicht. Sie sind auch mobil über m.vitimeteo.de abrufbar. Ergänzend liefert das System Informationen zu gemessenen und prognostizierten Wetterdaten. Die LTZ Augustenberg stellt die gemessenen Wetterdaten für „VitiMeteo“ bereit. Das agrarmeteorologische Messnetz Baden-Württemberg wird von der LTZ Augustenberg betrieben und unterhalten. „VitiMeteo“ ist eine Beispiel erfolgreichen, langjährigen Kooperation zwischen der LTZ Augustenberg und dem WBI-Freiburg. Die bisherigen Erfahrungen bestätigen, dass Prognosemodelle wertvolle Unterstützung bieten, um einen gezielten und sicheren Pflanzenschutz durchzuführen. Für eine erfolgreiche, terminorientierte Behandlung sind entsprechende Witterungsbedingungen eine wichtige Voraussetzung. Nach guter fachlicher Praxis müssen die Rebbestände trocken sein, die Temperatur sollte 25°C nicht übersteigen und die relative Luftfeuchte nicht unter 60% sinken. Bei Windgeschwindigkeiten über 3 m/s sollte der Pflanzenschutz nach Möglichkeit entfallen, bei Windgeschwindigkeiten über 5 m/s ist eine Anwendung nicht mehr akzep- Abbildung 1 Meteogramm AGRO für Kürnbach: Entwicklung des Wetters mit Diagrammen zu Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit und -richtung am Boden, sowie Niederschlag, Wolken, Spritzfenster und Luftfeuchte“ für die nächsten 7 Tage. 36 Landinfo 3 | 2015 Ländlicher Raum tabel. Werden diese Voraussetzungen nicht eingehalten, kann es zu Minderwirkungen der eingesetzten Produkte kommen. Die Genauigkeit der Wetterprognose hat sich in den letzten Jahren vor allem für den kurzfristigen 3 Tagesbereich deutlich verbessert. Aber auch die Vorhersagetrends für die nächsten 7 bis 10 Tage sind verlässlicher geworden. Auf „VitiMeteo“ werden Ihnen die Meteogramme AGRO von der Firma „meteoblue“ aus Basel angeboten (Abb. 1). Die Meteogramme geben Auskunft über die Entwicklung des Wetters mit Grafiken zu Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit und -richtung am Boden, sowie Niederschlag, Wolken, Spritzfenster und Luftfeuchte für die nächsten 7 Tage. Das „Spritzfenster“ soll helfen den geeigneten Zeitraum für die Applikationen zu finden: Geeignet (grün), weniger geeignet (gelb) und ungeeignet (rot). Die Bedingungen sind natürlich abhängig von Wind, Niederschlag, Temperatur und Luftfeuchte. Die Empfehlungen sollten vor der Behandlung mit den aktuellen Wetterverhältnissen vor Ort abgeglichen werden, da diese (z.B. für Wind) lokal sehr stark abweichen können. Ausführlichere Informationen zu den Meteogrammen sind unter https:// content.meteoblue.com/de/hilfe/raeumliche-dimensionen/point-r/meteogramme/meteogramm-agro zu finden. RegenradarNeu eine Hilfe für die Planungen im Betrieb Eine weitere Ergänzung zum Thema Wetter ist seit Mitte Juni 2015 das Niederschlagsradar (auch Regenradar genannt) auf „VitiMeteo“. Ein Vorteil des Regenradars ist es, dass es die Entwicklung des Wetters aktueller zeigt als die obengenannten Meteogramme oder andere Wetterprognosen. Das Regenradar auf „VitiMeteo“-Plattform präsentiert hierbei das Niederschlagsradar vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Dadurch wird einerseits die Regenvorhersage für die nächsten 3 Stunden deutschlandweit (Abb. 2) dargestellt. Andererseits zeigt ein kleiner Film die Niederschläge der zurückliegenden Stunde in Baden-Württemberg. Diese Informationen können beispielsweise genutzt werden, um abzuschätzen, ob kurzfristige Maßnahmen wie Behandlungen oder andere Arbeiten im Weinberg noch möglich sind. Zusätzlich sind mittelfristige Vorhersagen für Regen unter „Niederschlagsradar Europa“ einsehbar. Diese Seite stellt der Anbieter Meteox.de zur Verfügung. Mit Hilfe dieser Seite kann die Wetterentwicklung der nächsten 3 Tage relativ genau beurteilt werden, z. B. von wo und wie sich Tiefausläufer bewegen, ob mit Dauerregen oder nur mit lokalen NieLandinfo 3 | 2015 derschlägen gerechnet werden muss. Gerade diese Seite kann helfen die Planungen im Betrieb innerhalb der nächsten Tage besser zu koordinieren. Zusammenfassung Abbildung 2 Regenvorhersage für die nächsten 3 Stunden deutschlandweit. Oben rechts: Link „Niederschlagsradar Europa“. Das Wetter bzw. die Wetterprognose bestimmt unter anderem die Terminierung von Pflanzenschutzmaßnahmen. Auch alle anderen Arbeiten im Weinberg sind maßgeblich vom Wetter abhängig. Die Schlagkraft der Betriebe hat sich in den letzten Jahren immer mehr gesteigert, so dass alle weinbaulichen Arbeiten rationeller als früher von statten gehen. Eine entscheidende Rolle für die Planung der anstehenden Arbeiten im modernen Weinbaubetrieb spielt die Wetterprognose. Trotz der sich häufenden „Wetterkapriolen“ sind die Prognosen sicherer geworden. „VitiMeteo“ hat bisher schon als Ergänzung zu anderen Prognoseanbietern ortsgenaue Vorhersagen bereitgestellt. Ein weiterer Service vom WBI-Freiburg für die Weinwirtschaft Baden-Württembergs ist ab sofort das RegenradarNeu. Somit können Winzer/Innen direkt und ohne umständliches Suchen bei „VitiMeteo“ auf nützliche Informationen zugreifen. Gottfried Bleyer WBI Freiburg Tel. 0761/ 40165-28 Gottfried.Bleyer@wbi. bwl.de 37 Pflanzen- und Tierproduktion Sabine Löcher-Bolz Der neue Sachkundenachweis – eine Zwischenbilanz 350 Tage nach Einführung des bundesweiten Online-Verfahrens Am 1. Juli 2014 startete das bundesweite Programm zur Antragstellung des neuen Sachkundenachweises im Scheckkartenformat. Nach 350 Tagen ist die Zwischenbilanz überwiegend positiv: 69.000 Personen von geschätzten 80.000 Sachkundigen haben in Baden-Württemberg den neuen Sachkundenachweis beantragt, 45.000 neue Sachkundenachweise wurden bereits versandt. Vorgeschichte A uf Grundlage der EU-Richtlinie 128/2009/ EG und dem neuen Pflanzenschutzgesetz vom 6. Februar 2012 wurde am 27. Juni 2013 die neue Pflanzenschutzsachkunde-Verordnung erlassen. Danach müssen die Bundesländer den Sachkundenachweis Pflanzenschutz in Form einer Chipkarte nach einem vorgegebenen Muster ausstellen. Ab dem 26. November 2015 sind diese Nachweise beim Einkauf von Pflanzenschutzmitteln für den Profi-Bereich beim Händler vorzulegen. In Baden-Württemberg sind für die Ausstellung der Sachkundenachweise die Landratsämter zuständig. Um die Erstellung und Ausgabe der Sachkundenachweise gemeinsam und damit ressourcensparend durchführen zu können, einigten sich die Bundesländer auf eine „Ländervereinbarung über die Einrichtung und den Betrieb von EDV-gestützten Komponenten zur Verwaltung von Sachkundenachweisen im Bereich Pflanzenschutz“. Inhalt dieser Vereinbarung: Die Erstellung eines Programms von Sachkundenachweisen sowie eine Datenbank zu ihrer Pflege. Die Länder finanzieren diese Aufgabe anteilig auf der Basis der Zahl ihrer landwirtschaftlichen Betriebe. Zur Erstellung der Konzeption, Vergabe an eine EDV-Firma und einen Druckdienstleister sowie die Pflege der Datenbank beauftragten die Länder die „Zentralstelle der Länder für EDVgestützte Entscheidungshilfen und Programme im Pflanzenschutz (ZEPP)“ in Bad Kreuznach, die auch an der Erstellung und dem Betrieb der Internetplattform ISIP (Informationssystem Integrierte Pflanzenproduktion) beteiligt ist. 38 Schnittstelle zu Haushaltsprogrammen In dem ZEPP-Programm ist eine Schnittstelle für Haushaltsprogramme der jeweiligen Dienststellen enthalten, die eine Anbindung an Programme zur haushaltstechnischen Abwicklung der Ausgabe der Sachkundenachweise ermöglicht. Während in den meisten Bundesländern die Anträge bei dem Pflanzenschutzdienst des Landes - in der Regel eine zentrale Behörde - gestellt werden, sind in Baden-Württemberg hierfür 35 Untere Landwirtschaftsbehörden zuständig. Das war eine gewaltige Herausforderung für die haushaltstechnische Abwicklung des Drucks und Abgabe der Sachkundenachweise. Wegen der verschiedenen Haushaltsprogramme bei den einzelnen Landratsämtern und ihrer Eigenständigkeit war eine zunächst gewünschte einheitliche Lösung nicht realisierbar. Zwischenzeitlich haben die Landratsämter automatisierte Lösungen für den zu Anfang sehr mühsamen und mit viel Handarbeit verbundenen Prozess gefunden. Start des Programms Nach einer Schulung der Sachbearbeiter aller 35 Landratsämter direkt durch die ZEPP kurz vor Programmstart und weitere intensive Betreuung durch das LTZ konnte die Online-Antragstellung am 1. Juli 2014 beginnen. In Baden-Württemberg bearbeiten die Unteren Landwirtschaftsbehörden die eingehenden Anträge. Über den Link www.pflanzenschutz-skn.de öffnet sich für den Antragsteller das bundesweite Eingangsportal zur Antragstellung. Er hat nun die Möglichkeit, den Antrag mit oder ohne Registrierung zu stellen. Mit Registrierung bedeutet: Nach Landinfo 3 | 2015 Pflanzen- und Tierproduktion Eingabe der E-Mail-Adresse wird dem Antragsteller innerhalb weniger Minuten ein Passwort zugesandt. Mit E-Mailadresse und Passwort, dem Benutzeraccount, meldet er sich an. Nach dem Ausfüllen aller Pflichtfelder, dem Hochladen der Nachweise, die die Sachkunde belegen, also Berufs- oder Hochschulabschlusszeugnis oder Sachkundezeugnis, und der Bestätigung der Antragstellung wird der Antrag auf elektronischem Weg direkt an die für den Antragsteller zuständige Dienststelle weitergeleitet. Der Vorteil: Mit seinem Benutzeraccount hat der Antragsteller die Möglichkeit, den Bearbeitungsstatus zu verfolgen. Diese Option entfällt bei der Antragstellung ohne Registrierung: Nach Eingabe und Bestätigung der erforderlichen Daten hat der Antragsteller keinen Zugriff mehr auf seinen Antrag. Wie bei jeder Neueinführung eines Programms zeigten sich auch bei dem Online-Verfahren in den ersten Wochen und Monaten kleinere Probleme, die mittlerweile korrigiert beziehungsweise verbessert wurden: Unvollständige Datensätze Wer seinen Antrag ohne Registrierung stellt, muss als Sicherheitsabfrage ein sogenanntes Captcha, eine Buchstaben- und Zahlenfolge ohne Leerzeichen, eingeben, die dem Programm eine Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine als Nutzer ermöglicht. Dieser Code stellt trotz nochmaliger Verbesserung der Lesbarkeit eine Hürde für einzelne Antragsteller dar. Die Antragstellung ohne Registrierung birgt die Gefahr, dass unvollständige Datensätze erzeugt werden: Der Antragsteller bricht den Vorgang der Antragstellung ab, weil die Eingabe des Captchas nicht funktioniert, die Unterlagen vorher nicht eingescannt wurden oder am Ende der Dateneingabe die Antragstellung nicht bestätigt wird. Das Captcha kann beliebig oft eingegeben werden, dennoch führt es bei einigen Antragstellern zum Abbruch der Antragstellung. Die bis zum Zeitpunkt des Abbruchs eingegebenen Daten werden als Datensatz gespeichert. Unter Umständen werden von einem Antragsteller mehrere Datensätze angelegt, ohne dass ein Antrag richtig gestellt wurde. Diese vermeintlich gestellten Anträge sind vom Programm standardmäßig ausgeblendet und der Sachbearbeiter sieht zunächst nur die Anträge, die in dem Bearbeitungsstatus „Antrag gestellt“ sind. Hat ein Antragsteller nach mehreren Fehlversuchen doch erfolgreich den Antrag gestellt, sind von ihm unvollständige Datensätze abgelegt, die unnötigen Speicherplatz belegen. Mittlerweile wurden bei Landinfo 3 | 2015 den meisten Landwirtschaftsbehörden die unvollständigen Datensätze mit großem Zeitaufwand überprüft und korrigiert. Seit Anfang April gibt es eine Programmverbesserung: Bei der Antragstellung ohne Registrierung werden unvollständige Datensätze innerhalb von 70 Minuten wieder gelöscht. Daher empfehlen die Behörden die Antragstellung mit Registrierung. Antragstellung nach Verstreichen der Frist Für Alt-Sachkundige, das heißt, für Personen, die ihre Sachkunde vor dem 14. Februar 2012 erworben haben, ist die Antragsfrist am 26. Mai 2015 abgelaufen. Alt-Sachkundige können aber weiterhin einen Sachkundenachweis beantragen, allerdings gilt für sie die neue Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung vom 6. Juli 2013. Damit verliert ein alt-sachkundiger Landwirt die Berechtigung zur Abgabe von Pflanzenschutzmitteln, die ihm nach altem Pflanzenschutzrecht zugestanden hätte. Schlimmer trifft es Hochschulabsolventen der Fachrichtungen Agrar-, Gartenbau- und Forstwissenschaften sowie des Weinbaus: Ihre Hochschulabschlüsse werden nach der neuen Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung nicht mehr pauschal für die Anwendung und Abgabe von Pflanzenschutzmitteln anerkannt. Für die Anerkennung zur Sachkunde muss eine zusätzliche Bescheinigung der Universität vorgelegt werden, dass die in der Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung geforderten fachlichen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten während des Studiums vermittelt und geprüft wurden. Für alle anderen sachkundigen Personen gibt es keine Antragsfrist. Für Personen, die sich am 14. Februar 2012 in einer Aus-, Fort- oder Weiterbildung zur Pflanzenschutz-Sachkunde befanden, ist nach § 74 des Pflanzenschutzgesetzes die zu diesem Zeitpunkt gültige Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung anzuwenden, das heißt, noch die alte Verordnung. Personen, die nach dem 14. Februar 2012 eine Aus-, Fort- oder Weiterbildung zur Pflanzenschutz-Sachkunde begonnen haben und nach dem 6. Juli 2013 beendet haben, erhalten ihren Pflanzenschutz-Sachkundenachweis nach den Bestimmungen der neuen Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung. Die Bearbeitung der gestellten Anträge bei den Landratsämtern sollte möglichst bis zum 26. November 2015 abgeschlossen sein, damit sachkundige Personen ihren Nachweis dem Händler beim Einkauf von Pflanzenschutzmitteln für den Profibereich vorlegen können. Sabine Löcher-Bolz LTZ Augustenberg Tel. 0721/ 9468-437 sabine.loecher-bolz@ltz. bwl.de 39 Pflanzen- und Tierproduktion Dr. Franz Maus FERBA-Treffen der Züchtervereinigungen für Bergrinderrassen im Wallis - Nationales Finale der Eringer Kampfkühe bildet den Rahmen für das diesjährliche Treffen Acht von elf Mitgliedern der FERBA, der Europäischen Föderation der Bergrinderrassen des alpinen Systems, trafen sich zur Vollversammlung in der Walliser Landwirtschaftsschule in Chateauneuf im Wallis. Präsident ist Giovanni Battista Polla, der Vorsitzende der Rendena Rasse und Geschäftsführer Dr. Italo Gilmozzi, der als Zuchtverantwortlicher ebenfalls für die Rendenarasse tätig ist. N eben den Regularien ging es um den Austausch der Situation in den einzelnen Rassen. Die Bestände und Leistungen der Rassen sowie die wichtigsten Ereignisse, Beschlüsse und Ziele wurden zusammengetragen und besprochen. Kampfszenen Kopf gegen Kopf. Alle Bilder: Dr. Maus Einen Schwerpunkt bildete das Vorstellen der Inhalte des EU- Programm „LiveAlp“ durch Professor Alessandro Bagnato aus Mailand. Ziel ist die Inwertsetzung der Bergrinderrassen und ihrer Produkte. Zum Treffen im Jahre 2016 luden die Vertreter der Tux-Zillertalerrasse nach Tirol in Österreich ein. Ein Abendessen mit wallisischem Spargel und Raclette Käse beschloss den Tag. Übrigens, das ursprüngliche Raclette-Essen stammt Gruppenbild (v. l.): Gilles Dupenloup Abondance, Alain Alter, Eringerrasse; Klaus Riesle und Dr. Franz Maus, Wäldervieh; Christian Moser, Tux- Zillertaler; Jérôme Carruzzo, Eringerrasse; Josef Franzelin, Südtiroler Grauvieh; Fellay Ellie, Eringerrasse; Alois Huber Tux, Zillertaler; Vizepräsident Edy Bianquin, Valdostanarasse; Direktor Dr. Italo Gilmozzi und Präsident Giovanni Battista Polla, Rendenarind; Mathias Kinberger, Pinzgauer; Dr. Mario Vevey, Valdostanarasse; Rafael Kuen und Vizepräsident Erich Scheiber, Tiroler Grauvieh; Christian Dullnigg, Pinzgauer. 40 Landinfo 3 | 2015 Pflanzen- und Tierproduktion Vorspiel mit Drohgebärden gesenkter Kopf zu gesenktem Kopf und seitlichem Nebeneinanderstehen mit Sandwerfen. Kampfszenen Kopf gegen Kopf. Stolz nimmt der Züchter der siegreichen Kuh Blickkontakt mit ihr auf. Schneebedeckte Berge oben und Weinanbau unten, das macht das Wallis aus. von Walliser Bergbauern, die ihren Bergkäse über dem offenen Holzkohlenfeuer im Kamin schmolzen. Walliser Weißwein schmeckte hervorragend dazu. Tags darauf stand die Besichtigung des Nationalen Finales der Eringer Kampfkühe am bekannten Standort Pra Bardy in Aproz auf dem Programm. Die Arena ist am Sonntag, dem Haupttag, mit 10.000 Zuschauern ausverkauft, am Samstag kommen etwa 6.000 Zuschauer. Wir besichtigten die Kategorien Kalbinnen und ein- und zweimal Abgekalbte. Bis zu acht Kühe waren gleichzeitig im Ring, wo sich vier Kämpfe Kuh gegen Kuh vollzogen. Fünf flinke junge Helfer sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Die Kämpfe und das unterschiedliche Verhalten der Kühe waren beeindruckend. Manche Kampfpaare mussten die Helfer zusammenführen, damit es überhaupt zum Landinfo 3 | 2015 Kampf kam. Mancher Kampf wurde kampflos entschieden, weil eine verschwand. Andere zeigten ein Imponiergehabe mit Sandwerfen, Kopfsenken und sich gegenüber Stehen. Dann ging es Kopf an Kopf mit dem Versuch, die Kontrahentin wegzuschieben, das teilweise schnell entschieden war, teilweise aber sehr lang dauerte, eine Partie war erst nach 20 Minuten zu Ende. Auffallend war die starke Bemuskelung der Kühe und dass die Größe nur etwas mehr war als bei den Hinterwäldern. Manche Siegerin verfolgte nach dem Kampf ihre Kontrahentin, dabei waren die Helfer gefordert. Einziges Haltemittel war das breite Lederband der Glocken, die beim Kampf umgeschnürt blieben. Manchmal verfingen sich die Hörner im Lederband, auch hier waren die Helfer gefragt. In den zwei Stunden der Besichtigung gab es keinerlei Verletzungen, eine erstaunliche und erfreuliche Tatsache bei den starken Hörnern. Dr. Franz Maus LRA SchwarzwaldBaar-Kreis Tel. 07721/ 913-5352 [email protected] 41 Pflanzen- und Tierproduktion Mark Schumann Haltungsanforderungen an eine tiergerechte Forellenzucht - was brauchen Fische zum Wohlfühlen? Die Bewertung des Tierwohls bei Fischen, deren natürlicher Lebensraum nicht unmittelbar einsehbar und deren Lebensweise vielen Menschen nicht vertraut ist, ist nicht einfach. Oft versucht man, Tierwohlindikatoren von Landnutztieren auf Fische zu übertragen – nicht immer zu deren Nutzen. Es gibt einige Mindestanforderungen, die als Orientierung für tiergerechte Fischhaltung dienen können. Wasserqualität und Haltungsbedingungen E Abbildung 1 ine Grundvoraussetzung für artgerechte Haltung ist es, eine Haltungsumgebung zu schaffen, die den optimalen Ansprüchen der jeweiligen Tierart möglichst nahekommt. Der limitierende Faktor eines Fischbestandes ist die Wassermenge, die der Fischzüchter in ausreichender Qualität zur Verfügung hat. Das Wasser entstammt entweder ganz einer natürlichen Quelle oder wird nach Durchlaufen der Fischzuchtanlage aufbereitet und wieder genutzt. Dabei spielt die ausreichende Sauerstoffversorgung eine entscheidende Rolle: reichen die natürlichen Kapazitäten des Gewässers nicht aus oder wird ein Teil des Wassers wiederverwendet, wird zusätzlich belüftet. Generell haben Forellen- eine Vorliebe für kältere Gewässer. Regenbogenforellen besitzen jedoch - gegenüber der heimischen Bachforelle - einen größeren To- leranzbereich und sind deshalb unempfindlicher gegenüber Temperaturschwankungen. In Anlagen, die Wasser teilweise oder vollständig wiederverwerten, können sich einige für Fische problematische Stoffe anreichern und so das Tierwohl beeinträchtigen. Für die meisten fischrelevanten Wasserparameter, wie Ammonium und Nitrit, pH-Wert und CO2, wurden bereits Toleranzbereiche mit Höchst- und Mindestwerten definiert, die in der Praxis als Orientierungshilfe dienen und dadurch helfen, stressverursachende Auswirkungen auf die Fische zu vermeiden bzw. zu verringern. Eine Ausnahme aufgrund der großen Komplexität des Themas ist die Belastung mit feinen Schwebstoffen, der beispielsweise negative Auswirkungen in Form von Schädigungen der Kiemen zugeschrieben werden. Hier läuft die Forschung auf Hochtouren (DBU Projekt AZ 30996). Futter Die Qualität des Futters ist – gerade bei räuberischen Fischen – ein wichtiger „Wohlfühlfaktor“. Heutige Futtermittel sind in ihrer Zusammensetzung viel diverser als jene vor 20 Jahren, da Fischmehl und -öl nach und nach als Hauptrohstofflieferanten durch verschiedene pflanzliche Komponenten ersetzt wurden. Da die natürliche Nahrung von Forellen aber nur minimale pflanzliche Bestandteile enthält, ist ihre Verdauung nicht an derartige Kost angepasst. Einige Komponenten wie Kohlenhydrate können sie nur schlecht verdauen, andere wie sekundäre Pflanzenstoffe führen zu weitreichenden gesundheitlichen Problemen, die von Entzündungen des Enddarms über die Hemmung von Verdauungsprozessen bis hin zu höherer Sterblichkeit reichen können. Daher kann die Futterqualität nur durch eine ausgewogene Kombination der verschiedenen pflanzlichen Einzelkomponenten gewähreistet werden. Nicht weniger komplex wie die Zusammenstellung der Ein- 42 Landinfo 3 | 2015 Pflanzen- und Tierproduktion zelkomponenten eines solchen Futters ist dessen Herstellungsprozess, der unter Hitze, Druck und Scherkrafteinwirkung in einem sogenannten Extruder stattfindet. Aus diesem Grund werden heute fast ausschließlich hochverdauliche Alleinfuttermittel in Form von extrudierten Pellets eingesetzt. Stress und Fischwohl Das Wohl von Tieren ist eng mit deren Gesundheitszustand verknüpft, wenn auch nicht damit gleichzusetzen. Gesunde Tiere sind zwar nicht automatisch ein Indiz für tiergerechte Haltung. Im Gegensatz dazu gilt aber, dass ein kranker Tierbestand kaum unserem Verständnis von tiergerechter Haltung entspricht. Daher sind die Bekämpfung und Vermeidung von Krankheiten von zentraler Bedeutung. Maßgeblich für das Auftreten von Fischkrankheiten in der Aquakultur sind stressauslösende Ereignisse. Diese können unterschiedlichste Ursachen haben. Abgesehen von der diskutierten unzureichenden Wasserqualität kommen hier auch externe Stressfaktoren in Frage, die oftmals nicht vollständig vermeidbar sind. In einer Fischzucht werden die Tiere in regelmäßigen Abständen durch Umsetzen, Größensortierung und Transport unvermeidbarem Stress ausgesetzt. Ziel hier muss es sein, die Dauer und Art der Stressbelastung so gering wie möglich zu halten und die Eingriffe etwa durch vorherige Ausnüchterung, geeignete Transportbehälter und der Aufrechterhaltung optimaler Wasserparameter möglichst schonend zu gestalten. Stress wird auch durch die Anwesenheit von Fressfeinden wie z.B. dem Graureiher verursacht. Hier können bauliche Maßnahmen wie Netz- und Seilkonstruktionen Abhilfe schaffen, um die meist aus der Luft agierenden Räuber fernzuhalten. Gleichzeitig sinkt dadurch auch die Gefahr der Einschleppung von Krankheiten aus benachbarten Gewässern durch Vögel. Weitere Ursachen von Stress können starke Sonneneinstrahlung, Lärm etc. sein – Faktoren, die möglichst minimiert oder vermieden werden sollen. Die Haltungsdichte – mehr ist hier oft weniger Forellen unterscheiden sich nicht nur in ihrer Lebensweise grundsätzlich von den uns geläufigen landlebenden Nutztierarten, sondern stellen auch durch ihre rein räuberische Ernährung eine Ausnahme dar. Die Tiere streben von Natur aus ein Territorium an, das sie verteidigen und zeigen ein Landinfo 3 | 2015 ausgeprägtes Dominanzverhalten. Beide Verhaltensweisen führen zu Aggressionen gegenüber Artgenossen, auch und gerade bei den Bedingungen in der Fischzucht, wo Ausweichmöglichkeiten fehlen. Dieses natürliche Verhalten kann umgangen werden, wenn zumindest eine Mindestbesatzdichte eingehalten wird. Die höhere Dichte führt die Fische in eine Schwarmsituation, in welcher sie sich geschützt fühlen und das Territorial -und Dominanzstreben der Tiere erlischt. Messbar ist dies beispielsweise mit molekularen Stressmarkern wie Cortisol. Diesen Sachverhalt den Verbrauchern zu vermitteln, ist relativ schwierig. Er geht intuitiv immer davon aus, dass viel Platz für das einzelne Tier gleichzusetzen ist mit guter Haltung. Diese Situation stellt sich bei Fischen ganz anders dar. Abbildung 2 Fazit Auch in der Aquakultur kommt dem Wohlbefinden der Tiere ein immer höherer Stellenwert zu. Gerade hier sind Fischgesundheit und Fischwohl eng mit dem wirtschaftlichen Erfolg verknüpft, so dass es schon im Eigeninteresse eines jeden Züchters liegt, möglichst optimale Haltungsbedingungen zu schaffen. Fischzüchter versuchen daher heute bereits mit großem technischem Aufwand artgerechte Bedingungen zu schaffen. Dieses Haltungsumfeld stellt sich vielfach als tiergerechter als das natürliche dar, da Stressfaktoren für die Tiere ausgeschaltet bzw. minimiert werden. Bei der Bewertung des Fischwohls gibt es aus fachlicher Sicht noch viele offene Fragen, an deren Beantwortung die Forschung momentan intensiv arbeitet. Ein erfahrener Fischzüchter erkennt in der Regel sofort, ob es seinen Tieren gut geht. Er weiß, dass die tägliche aufmerksame Beobachtung seines Tierbestandes noch immer die wirksamste Methode ist, um zu sicherzustellen, dass es seinen Fischen gut geht. Mark Schumann LAZBW Langenargen Tel. 07543/ 9308-312 mark.schumann@lazbw. bwl.de 43 Hauswirtschaft und Ernährung Verena Elias Fünf Jahre Arbeit mit Kopf, Herz und Hand – in und außerhalb der Küche Beim Tag der offenen Küche des „Forum ernähren, bewegen, bilden“ Breisgau-Hochschwarzwald wurde informiert, diskutiert und geschlemmt Am Samstag, den 18.04.2015 öffnete das Forum ernähren, bewegen, bilden (Forum ebb) des Landratsamtes Breisgau-Hochschwarzwald seine Tore und lud zahlreiche hochrangige Gäste sowie die Öffentlichkeit dazu ein, sich vor Ort ein Bild von fünf Jahren getaner Arbeit zu machen. Hoher Besuch in Breisach D Hier kann man etwas lernen: Wie wird eigentlich Dinkel geschrotet? Bild: H. Hörl ie Liste der interessierten Prominenz war lang und reichte unter anderem vom Bundestagsabgeordneten Matern von Marschall, dem Landtagsabgeordneten Christoph Bayer, über die ehemalige Ministerin für Ernährung und Ländlichen Raum Gerdi Staiblin und Schulamtsdirektorin Monika Blum-Thol bis zum Bürgermeisterstell- vertreter der Stadt Breisach Lothar Menges. Über „getane Arbeit“ konnte durchaus einiges berichtet werden: In ihren Begrüßungsreden lobten Landrätin Dorothea Störr-Ritter und der Leiter des Fachbereichs Landwirtschaft des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald August Daiber die erfolgreiche Aufbauarbeit, die das Forum ernähren, bewegen, bilden bisher geleistet hat. In den vergangenen fünf Jahren wurden über 600 Veranstaltungen ausgerichtet und damit knapp 17.500 Menschen erreicht. Richtig essen will gelernt sein Besonderes Augenmerkt legt das Forum ebb unter anderem auf die Frage: Wie kann das Thema Ernährung schon von klein auf so ins Leben integriert werden, dass eine ausgewogene Ernährung selbstverständlich wird? Zu dieser Thematik war die Ernährungswissenschaftlerin und Publizistin Dagmar von Cramm als Referentin eingeladen, die unter dem Motto „Richtig essen will gelernt sein“ einen Impulsvortrag hielt. Eine Kernbotschaft ihrer Präsentation war die Aussage: „Man mag was man isst!“ Die Gewohnheit spielt bei der Geschmacksbildung eine enorm große Rolle – werden einem Kind hauptsächlich Fast Food, Spaghetti und Schnitzel angeboten, so wird es nicht plötzlich von sich aus nach anderen Lebensmitteln verlangen. Den Eltern und auch den Betreuungseinrichtungen fällt somit die Aufgabe zu, Kinder ein möglichst breites Spektrum an Lebensmittel kennen lernen zu lassen und sie zu ermutigen, auch Neues auszuprobieren. Es zeigt sich jedoch, so von Cramm, dass deutsche Eltern beim Thema 44 Landinfo 3 | 2015 Hauswirtschaft und Ernährung Essen deutlich konfliktscheuer sind als andere europäische Eltern. Statt Grenzen zu setzen und feste Essenszeiten und Rituale zu pflegen, stellen zu viele Eltern ihre Kinder mit Medien beim Essen ruhig oder geben ihnen Geld für Snacks, um Diskussionen zu vermeiden. Dabei geben 94% der Kinder an, am liebsten mit der Familie zu essen – eigentlich ein schönes Zeichen, das nur genutzt werden müsste! Abwechslungsreiches und gemeinsames Kochen sollte also wieder interessanter werden. Die Lebensmittelindustrie sei hierbei laut von Cramm jedoch keine große Hilfe: Es werden hauptsächlich stark verarbeitete und süße Lebensmittel beworben. Bei Kindern entspricht eine Stunde Fernsehen einer Mehrzunahme an Süßigkeiten von 167 kcal! „Ich habe noch nie Werbung für Brokkoli oder Birnen gesehen…!“, bedauert Dagmar von Cramm. Diskussionsbedarf zum Thema Essen in Betreuungseinrichtungen / Schulen Es folgte eine interessante Podiumsdiskussion mit der Landrätin Störr-Ritter, Frau von Cramm sowie Sigrid Waibel vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR), Rosa Karcher, Präsidentin des Landfrauenverbandes Südbaden und Maike Kraft, Lehrerin an der Breisacher Julius-Leber-Schule. Frau Waibel vom MLR hob hier nochmals die gute Arbeit des Forums ebb hervor, in dem „mit Kopf, Herz und Hand gearbeitet und gelehrt wird“ und betonte vor allem das Alleinstellungsmerkmal – den Schwerpunkt Bewegung, der dieses Ernährungszentrum von den anderen Ernährungszentren in Baden-Württemberg unterscheidet. Gleichzeitig erwähnte sie die konstruktive Arbeit, die das MLR leistet, um das Thema Ernährung auch weiterhin im Lehrplan der Schulen zu verankern. Bildung alleine ist jedoch nicht genug, weiß Rosa Karcher: „Kinder wissen zwar ganz genau was gesund ist, aber sie essen es oftmals trotzdem nicht.“ Sie pochte darauf, dass Kinder optimalerweise bereits bei der Zubereitung oder gar dem Anbau der Nahrung involviert sein sollten. Kindergärten, die selbst Gemüse und Kräuter anbauen, haben großen Erfolg damit. Die Kinder bekommen so eine andere Beziehung zum „Grünzeug“ und plötzlich schmeckt das Radieschen, das sie zu Hause vielleicht gar nicht angerührt hätten. Gleichzeitig entsteht so der wichtige Bezug zur Regionalität, die zusammen mit der Nachhaltigkeit für die Landfrauen im Vordergrund steht. Auch Landinfo 3 | 2015 Frau von Cramm bestätigte die große Rolle, die Kindertagesstätten und Schulen zukommt, denn alleine durch Aufklärung und Bildung von Erwachsenen könne man leider diejenigen, die man dringend erreichen müsste, nicht erreichen. Als Stimme aus dem Bildungswesen konnte Lehrerin Maike Kraft aus der Praxis berichten. Mit ihren Schulklassen besucht sie oft und gerne die Schulungsküche des Forum ebb als wertvollen außerschulischen Lernort. Wenn Kinder danach in die Schule kommen und begeistert erzählen: „Ich habe gestern die Lauchcremesuppe mit meiner Oma zusammen nachgekocht!“, dann ist das für sie die größte Bestätigung für eine gelungene Vermittlung der Freude am Kochen. Viel Diskussionsbedarf gab es vor allem zum Thema Schulessen. Einig sind sich alle Podiumsgäste darin, dass die uneinheitliche Inanspruchnahme der Schulmensen ein großes Problem darstellt: „Dadurch, dass die Schülerinnen und Schüler an manchen Tagen in der Schulmensa Schlange stehen und an anderen Tagen lieber die leider üppig gedeihenden Imbissbuden rund um die Schulen nutzen, kann ein Pächter nicht verlässlich kalkulieren und wird immer Probleme haben, auf lange Sicht wirtschaftlich zu bestehen“, erläuterte Landrätin Störr-Ritter. Würden alle Eltern ihre Kinder zum Schulessen schicken oder gäbe es nur gebundene Ganztagsschulen, dann könnte das Schulessen ganz anders und gesünder gestaltet werden. Infobox Das Angebot des Forums ernähren, bewegen, bilden reicht von verschiedensten Workshops und Gruppenangeboten zu immer wieder neuen Themen wie „Badische Tapas“ oder Resteverwertung über Männerkochkurse bis hin zu Tipps rund um die schnelle Küche. Zudem werden regelmäßig Angebote für Schulklassen und Fortbildungen für Multiplikatoren aus Kitas, Kindergärten und Schulen durchgeführt. Mehr Informationen unter www.forum-ebb.de Die Schulungsküche in vollem Einsatz Diskutieren macht hungrig – gut, dass die Gäste nun nur eine Tür weiter in die erst vor wenigen Monaten eingeweihte neue Schulungsküche gebeten wurden. Hier hatten Forums-Mitarbeiterinnen, BeKi-Fachfrauen und Referentinnen verschiedene Köstlichkeiten wie frische Brötchen, Dinkelzöpfe, Karottenmuffins und Kressecreme zubereitet und diese sollten natürlich – sehr zur Freude der wissbegierigen und hungrigen Besucher – auch probiert werden. An zahlreichen Infoständen und bei Bewegungseinheiten konnten sich interessierte Gäste zudem ein Bild vom gesamten Spektrum der Forumsarbeit machen. Und für das leibliche Wohl war auch außerhalb der Schulungsküche bestens gesorgt: Die Landfrauen Oberbergen unterstützen den Tag mit einer Kartoffelsuppe sowie Kaffee und Kuchen. Verena Elias LRA BreisgauHochschwarzwald Tel. 0761/ 2187-5833 [email protected] 45 Hauswirtschaft und Ernährung Claudia Nickel, Renate Abele Situation der Weinerlebnisführer/innen Der Weinbau hat in Baden-Württemberg eine lange Tradition und ist über die Landesgrenzen hinaus von großer Bedeutung. Von den Steillagen an Tauber, Jagst, Kocher und Neckar mit ihren Seitentälern über die von der Sonne verwöhnten Hänge Badens bis zu den Weinbergen am Bodensee reifen Weine heran, die nicht nur bei Kennern sehr geschätzt sind. Auch wenn die bestockte Rebfläche nur knapp zwei Prozent der landwirtschaftlich genutzten Bodenfläche von Baden-Württemberg ausmacht, entspricht das über einem Viertel der gesamten für den Weinbau genutzten Fläche in der Bundesrepublik Deutschland. Damit kommt dieser Sonderkultur eine große nationale Bedeutung zu. Weinberge am Stromberg. Bild: C. Kästle Diversifizierung gewinnt in allen Bereichen der Landwirtschaft an Bedeutung. R und 8.300 Betriebe, von denen etwa 70 Prozent in Winzer- und Weingärtnergenossenschaften organisiert sind, engagieren sich im Anund Ausbau des Weines in Baden-Württemberg und tragen damit zum Erhalt eines köstlichen Genussmittels und einer einzigartigen Kulturlandschaft bei. Angesichts der Veränderungen im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld haben in den vergangenen Jahren viele landwirtschaftliche Betriebe in Baden-Württemberg ihre klassischen Produktionszweige um zusätzliche Zweige erweitert. Diese Diversifizierung gewinnt auch im Weinbau immer stärker an Bedeutung. In seinem Umfeld entstanden zahlreiche ergänzende Dienstleistungen, Kultur- und Tourismusangebote wieder oder neu. Einen wesentlichen Anteil haben hierbei die Weinerlebnisführungen, die sich aus der klassischen Verkostung im Rahmen des Weinverkaufs entwickelt haben. Um die ökonomischen Daten für diese alternativen Betriebszweige besser in den Blick zu bekommen, wurde im Sommer 2014 eine Befragung im Geschäftsfeld Weinerlebnisführungen durchgeführt. Diese geschah im Rahmen eines Beratungsprojektes zur Diversifizierung, das vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz angestoßen und von der Landesanstalt für Ent- 46 wicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume in Schwäbisch Gmünd umgesetzt wird. Über 300 Weinerlebnisführer aus den Weinbauregionen von Baden (Tauberfranken, Badische Bergstraße, Kraichgau, Ortenau, Breisgau, Kaiserstuhl, Tuniberg, Markgräflerland, Bodensee) und Württemberg (Kocher/Jagst/Tauber, Württembergisches Unterland, Remstal/Stuttgart, Oberer Neckar, Württembergischer Bodensee) erhielten einen detaillierten Fragebogen. Auch nahmen Weinerlebnisführer aus der angrenzenden Region Main-Franken an der Befragung teil. In allen diesen Regionen hat der Weinbau sowohl die Landschaft als auch die Lebensart geprägt. Gerade das macht sie sehr attraktiv für Gäste aus dem In- und Ausland. Um dieses Interesse zu fördern, wurde seit 2007 (Baden) beziehungsweise 2008 (Württemberg) damit begonnen, touristische Gästeführer speziell für die Themen und Erfordernisse der Weinregionen auszubilden. In den Badischen Weinbaugebieten übernahm dabei der Weinparadies Ortenau e.V. die Initiative und bildet in Kooperation mit der VHS Ortenau und der Kreisvolkshochschule Rastatt (teilweise) Weinerlebnisführer aus. Fast die Hälfte der hier ausgebildeten Wein-Guides nutzte danach auch die Gelegenheit, sich über eine Fortbildung beim Landinfo 3 | 2015 Hauswirtschaft und Ernährung Deutschen Weininstitut zum „Berater für Deutschen Wein“ zu qualifizieren. Andere haben sich zu zertifizierten Natur- und Landschaftsführern weitergebildet. Im Laufe der Jahre haben sich auch andere Initiativen und Vereine für die Schulung von Weinerlebnisführern engagiert wie etwa die Landesarbeitsgemeinschaft Urlaub auf dem Bauernhof in Baden Württemberg e.V.. Für 2015 wird vom Weinparadies Ortenau e.V. in Zusammenarbeit mit der VHS Markgräflerland in Müllheim ein zusätzlicher Weiterbildungslehrgang konzipiert. Er soll qualifizierte Gäste-, Stadt- und Landschaftsführer befähigen, als kompetente Weinerlebnisführer in Südbaden tätig zu werden. Das Anliegen aller dieser Ausbildungsgänge ist, engagierte Personen so zu qualifizieren, dass sie attraktive Programme und Führungen für Weintouristen entwickeln und durchführen können. Dabei ist das Angebot an Veranstaltungsformen sehr vielfältig: individuelle Ausflüge und Touren, weinbezogene Erlebnisprogramme, Weinverkostungen, geführte Weinberg- und Kellerführungen, Weinseminare, Veranstaltungen, Busbegleitungen oder auch mehrtägige Weinreisen. Die Befragung zeigte, dass aktuell vor allem Weinwanderungen und umfassende Weinproben nachgefragt werden, während Weinseminare eher seltener durchgeführt werden (siehe Abb. 1). In der Weinregion Württemberg wird seit 2008 in Zusammenarbeit mit dem Weininstitut Württemberg und der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg die „Ausbildung zum/zur Weinerlebnisführer/in Württemberg“ durchgeführt. Dort kann auch die umfangreiche Zusatzqualifikation zum Weindozenten erworben werden, bei der Teilnehmende lernen, wie sie in anspruchsvollen Seminaren allen Weininteressierten, aber auch der Gastronomie und dem Handel ein zeitgemäßes und umfassendes Weinwissen vermitteln können. Die Ausbildung zum Weinerlebnisführer ist mit einem gewissen zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden. Werden anschließend auch Weinproben und Weinerlebnisführungen durchgeführt, erhöht sich der Einsatz an Zeit und Geld. Deshalb stellt sich für aktive und für zukünftige Weinerlebnisführer die Frage, ob sich der Aufwand auch lohnt. Lässt sich mit diesem Betriebszweig ein Zusatzeinkommen erwirtschaften? Wie müssen die Rahmenbedingungen aussehen, damit das Geschäftsmodell Weinerlebnisführung zu ei- Abbildung 1 Nachfrageergebnis einer Angebotsbefragung (in %). Abbildung 2 Durchschnittskosten einer Weinprobe. Landinfo 3 | 2015 47 Hauswirtschaft und Ernährung Abbildung 3 Kennzahlen zu Teilnehmergebühren (EUR/TN). Bild: S. Haug nem finanziellen Erfolg wird? Diesen ökonomischen Fragen galt ein Schwerpunkt der durchgeführten Befragung. Neben den organisatorischen Aspekten wie Häufigkeit und Gruppengrößen sollten die Teilnehmer darüber Auskunft geben, welche veränderlichen Kosten für sie bei den unterschiedlichen Veranstaltungstypen anfallen. Hierzu gehören zum Beispiel die Aufwendungen für den verkosteten Wein, dazu gereichte Lebensmittel oder Hilfsmittel wie Geschirr, Servietten, Dekorationen. Aus der Befragung ergaben sich Durchschnittswerte für die einzelnen Kostenstellen, wobei natürlich nicht bei jeder einzelnen Veranstaltung auch alle Kostenstellen anfallen. (Zu den Durchschnittskosten einer Weinprobe siehe Abb. 2.) Hinzu kommen noch andere, feste Kosten, die mit der grundsätzlichen beruflichen Tätigkeit verbunden sind (Versicherungen, Mieten etc.), welche allerdings individuell sehr unterschiedlich berücksichtigt werden. Weinerlebnisführer mit eigenem Weingut müssen hier anderes kalkulieren als Selbständige, die als Dienstleister für andere Weingüter oder Tourismusbetriebe tätig sind. Außerdem wurden die Weinerlebnisführer nach den ertragsrelevanten Kennzahlen befragt. Dazu gehören zum Beispiel die Teilnehmergebühren (Abb. 3), die Häufigkeit der Veranstaltungen (Abb. 4) oder die Zahl der Teilnehmenden je Veranstaltung siehe Abb. 5). Aus der Gegenüberstellung von Ertrag und Aufwand lässt sich relativ leicht ablesen, ob das zusätzliche berufliche Standbein als Weinerlebnisführer auch „trägt“. Um den Weinerlebnisführern ein Instrument zur realistischen Kalkulation ihrer Veranstaltungen an die Hand zu geben, wurde von der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume und der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft ein Online-Tool entwickelt, das Verfahren für verschiedene Betriebszweige anbietet und Deckungsbeiträge kalkuliert. Mit Hilfe der Daten aus der aktuellen Befragung und zusätzlichen Marktrecherchen ist es nun mög- 48 Landinfo 3 | 2015 Hauswirtschaft und Ernährung Abbildung 5 Gruppengröße je Veranstaltung. Abbildung 4 Kennzahlen zu Angebote je Anbieter und Jahr (in %). lich, eigene Veranstaltungen anhand von vorgegebenen Standardwerten oder durch die Eingabe individueller Werte hinsichtlich des Ertrages zu berechnen. Dieses Instrument bietet auch die Möglichkeit, durch die Veränderung einzelner Parameter wie Teilnehmerbeitrag, Teilnehmerzahl oder Wareneinsatz eigene Veranstaltungen so zu konzipieren, dass sie einen bestimmten Ertrag abwerfen. Die Befragung liefert einen guten Einblick in die gegenwärtige Situation der Weinerlebnisführer in Baden-Württemberg. Sie unterstreicht die Bedeutung des Weinbaus für Land und Leute. Gerade die Weinerlebnisführer zeigen viel Engagement und Herz, sind sie doch oft schon seit Generationen mit dem Weinbau verbunden. Durch die Erhebung konkreter Kennzahlen wurden nun auch die ökonomischen Aspekte dieses Betriebszweiges transparent. Gleichzeitig lassen sich aus der Befragung auch Schlüsse ziehen hinsichtlich zukünftiger Maßnahmen und Aufgaben. Aus vielen Rückmeldungen wurde deutlich, dass Weinbau Landinfo 3 | 2015 und Weintourismus sehr wohl eine Zukunft haben. Diese wird allerdings im Bereich der Weinerlebnisführungen sehr stark davon abhängen, ob es den aktiven Weinerlebnisführern gelingt, ihre Angebote ständig zu modifizieren und auch neue Angebote zu initiieren. Es gilt, neue Zielgruppen zu erschließen, etwa junge Familien, Singles oder Touristengruppen. Das kann zum Beispiel durch eine attraktive internetbasierte Präsentation geschehen oder über die Präsenz bei Veranstaltungen und Messen – gerade auch über Baden-Württemberg hinaus. Ein weiterer wesentlicher Faktor für die Zukunftsfähigkeit wird auch die Vernetzung der Weinerlebnisführer sein: untereinander, mit anderen Anbietern im Tourismusbereich (z.B. Reiseveranstalter, Tourismusbüros etc.) und mit bestimmten Zielgruppen (z.B. Firmen). Wenn es gelingt, emotionale Wein-Erlebnisse zu gestalten, werden dauerhafte Beziehungen zwischen Gästen und einem Weingut oder einer Weinregion entstehen, die auf lange Sicht einen wirtschaftlichen Erfolg ermöglichen. Claudia Nickel NICKEL & PARTNER Altdorf Tel. 07031/ 7784-363 [email protected] Renate Abele LEL Schwäbisch Gmünd Tel. 07171/ 917-223 [email protected] 49 Hauswirtschaft und Ernährung Katrin Anderlohr Tag der Schulfrucht 2015 Der dritte landesweite Tag der Schulfrucht am 24. Juni 2015 war ein ereignisreicher und spannender Tag: Kinder teilnehmender Kitas und Schulen schnippelten, probierten und experimentierten, spielten und gestalteten – und das alles rund um das Thema Obst und Gemüse. Stellvertretend für alle teilnehmenden Einrichtungen im Land besuchte Minister Alexander Bonde die Clara-Grunwald-Schule in Freiburg. Vielfältige kreative Aktionen im ganzen Land D Mozzarella-Tomaten-Spieße – beliebt bei Kindern und Gästen. 50 er Tag der Schulfrucht ist ein landesweiter Aktionstag in Baden-Württemberg, der im Rahmen des EU-Schulobst- und -gemüseprogramms stattfindet. Zahlreiche Kindergärten, Kitas und Schulen waren der Einladung zum Mitmachen gefolgt und gestalteten vielfältige fruchtige Aktionen und Projekte, die ganz im Zeichen des praktischen Tuns, Erfahrens und Genießens standen. Mit gepackten Rucksäcken ging es zum Beispiel zum Schulfrucht-Lieferanten der Einrichtung, bei dem Kinder die Möglichkeit bekamen, frische sonnengereifte Beeren von den Sträuchern zu ernten und direkt vor Ort zu genießen. In den Kitas und Schulen bereiteten die Kinder gemeinsam mit ihren Erzieher/-innen oder Lehrer/-innen fruchtige Köstlichkeiten wie Gemüse-Ufos oder Tomaten-Fliegenpilze zu, schulten ihre Sinne durch Geruchs-, Geschmacks- oder Tastspiele oder sangen lustige Früchte-Lieder. Das Highlight aller Aktionen war der gemeinsame Genuss der leckeren Früchte und das Kennenlernen der tollen Frucht-Vielfalt. Ideen und Materialien für die Gestaltung des Tags der Schulfrucht erhielten die Einrichtungen vorab auf der Schulfrucht-Homepage des Landes (www. schulfrucht-bw.de). Die ersten 20 Anmeldungen wurden darüber hinaus mit der praktischen Unterstützung durch eine Fachfrau der Landesinitiative Bewusste Kinderernährung (BeKi) belohnt. Die kreativsten Ideen zur Umsetzung des Aktionstags werden im August in einem Wettbewerb prämiert. Zu gewinnen gibt es Preise passend zum EUSchulobst- und -gemüseprogramm. Initiator des Tags der Schulfrucht ist das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und die Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume. Landinfo 3 | 2015 Hauswirtschaft und Ernährung Bild 1 Bild 2 Bild 3 Bild 4 Frisches Gemüse zu verarbeiten macht sichtlich Spaß. Minister Bonde mit Schulfrucht-Sponsor und -Lieferanten Bernd Hörner bei der zentralen Veranstaltung zum Tag der Schulfrucht. Sonnengereifte Beeren im Waffelbecher - ein Genuss. Minister Bonde mit August Daiber, Leiter des Fachbereichs Landwirtschaft am Landratsamt Breisgau Hochschwarzwald, in der „Früchtewerkstatt“. Bilder: K. Anderlohr Zentrale Veranstaltung mit Minister Bonde Stellvertretend für alle am Aktionstag beteiligten Einrichtungen besuchte Verbraucherminister Alexander Bonde die Clara-Grunwald-Schule in Freiburg. „Um fit zu sein und den Kindergarten- und Schulalltag erfolgreich meistern zu können, ist eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse wichtig. Mit dem EU-Schulobst- und -gemüseprogramm ermöglichen wir Kindern in Baden-Württemberg regelmäßig eine zusätzliche Portion Obst und Gemüse, sagte Minister Bonde. Er wies darauf hin, dass das EU-Programm durch Bildungsaktivitäten, Fortbildungen und Lernmaterialien der Landesinitiative Bewusste Kinderernährung (BeKi) unterstützt werde. Gemeinsam mit anderen Gästen wie Hermann Maier, Leiter des Amts für Schule und Bildung der Stadt Freiburg, August Daiber, Leiter des Fachbereichs Landwirtschaft am Landratsamt Breisgau Hochschwarzwald, Schulfrucht-Sponsor und -Lieferant Bernd Hörner aus Schallstadt, Lehrkräften, Elternvertretern und Kindern genoss Minister Bonde die Köstlichkeiten des bunten Früchtebuffets. Dieses hatten Schülerinnen und Schüler Landinfo 3 | 2015 unter Anleitung von BeKi-Fachfrauen zubereitet. „Am besten hat mir die Zubereitung der ErdbeerSmoothies gefallen, da das ganz einfach ist, strahlte ein Junge. Als so genannter „Früchte-Experte“ informierte er wie alle anderen Kinder die Gäste über die Zubereitung und die Bestandteile der fruchtigen Leckereien. Weitere Informationen zum Programm unter www.schulfrucht-bw.de Hintergrund zum EU-Schulobst- und -gemüseprogramm Baden-Württemberg nimmt seit 2010 am Schulobst- und -gemüseprogramm der Europäischen Union teil. Im laufenden Schuljahr beteiligten sich etwa 2.800 baden-württembergische Kindergärten, Kindertagesstätten und Grundschulen am EU-Programm. Dadurch profitieren derzeit rund 280.000 Kinder von regelmäßigen Früchtelieferungen. Baden-Württemberg erhält im kommenden Schuljahr deutlich mehr EU-Fördermittel, so dass im Schuljahr 2015/2016 neben Kindertageseinrichtungen und Grundschulen auch Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 5 bis 8 teilnehmen können. Zudem hat das Land den Beihilfesatz auf 75 Prozent erhöht. Die Kofinanzierung durch Sponsoren reduziert sich dadurch auf 25 Prozent (plus Mehrwertsteuer). Katrin Anderlohr LEL Schwäbisch Gmünd Tel. 07171/ 917-234 katrin.anderlohr@lel. bwl.de 51 Beratung und Bildung Ramona Reinke, Frank Rösch Positive Bilanz der Ausbildungskooperation „Landwirtschaft macht Schule“ Bei dem bundesweit einzigartigen gemeinsamen Pilotprojekt der Akademie für Landbau und Hauswirtschaft Kupferzell (ALH) und der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg (PH) wurden in Zusammenarbeit mit dem Bauernverband Schwäbisch Hall – Hohenlohe – Rems e.V. wertvolle Erkenntnisse für weiterführende Ausbildungsangebote der beiden Lehrinstitutionen gewonnen. Grundgedanken des Kooperationsprojekts „Wo kommen unsere Lebensmittel her?“ – aufschlussreiche Lernstationen zu Getreide, Futter-Zusammensetzung und Milchprodukten. Bild: F. Rösch 52 W ie bereits in Landinfo 5|2014 und B&B Agrar 6/2014 berichtet, besteht Bedarf, sowohl (zukünftige) landwirtschaftliche Unternehmer als auch Lehrkräfte bei ihrer Aufgabe, Wissen über die Landwirtschaft angemessen und nachhaltig zu vermitteln, zu unterstützen und entsprechende Kompetenzen möglichst früh zu fördern. Das Projektleitungsteam aus Ramona Reinke (ALH), Frank Rösch (PH) und Andrea Bleher (Bauernverband) ist sich einig: Es gilt, die zwei Berufsgruppen so früh wie möglich zusammenzubringen, um Offenheit zu schaffen und Einblicke in das jeweilig andere Berufsfeld zu erhalten. Insofern macht es am meisten Sinn, bereits während der Ausbildung beider Zielgruppen ein gemeinsames Lehrangebot zu realisieren. Im Wintersemester 2014/15 sollten im Rahmen des Projekts „Außerschulische Lernorte kooperativ gestalten am Beispiel Bauernhof – Landwirtschaft macht Schule“ erstmalig Synergieeffekte von inhaltlichen Ausbildungs- und didaktisch-methodischen Studienschwerpunkten der ALH und der PH genutzt werden. Eine ideale Ergänzung im Team stellte dabei Andrea Bleher dar, die sich als Expertin des Bauernverbands Schwäbisch Hall – Hohenlohe – Rems e. V. für das „Klassenzimmer Bauernhof“ miteinbrachte. Landinfo 3 | 2015 Beratung und Bildung Neben der Bewusstseinsbildungsarbeit für die Notwendigkeit eines solchen Zusammenwirkens von Schulen und außerschulischen Berufsgruppen war ein „greifbares“ Hauptziel des Pilotprojekts, kompetenzorientierte Unterrichtseinheiten zu wichtigen Aspekten heutiger Landwirtschaft zu konzipieren. Dabei wurden zur Schaffung optimaler Ausbildungsbedingungen drei Gruppen zusammengeführt: zum einen die ALH-Fachschüler und Lehramtsstudierenden in den Fächern Biologie bzw. Geographie bei der Entwicklung von Unterricht, zum anderen bereits im Berufsleben stehende Lehrkräfte an Realschulen, die bereit waren, die Ideen in ihren Klassen umzusetzen und im Anschluss wertvolle Rückmeldung aus der Sicht erfahrener Pädagogik-Profis zu geben. Die während der Unterrichtseinheit vorgesehene Halbtagsexkursion an den außerschulischen Lernort Bauernhof war nicht als isolierter Lerngang gedacht: Vielmehr sollten die in Lernstationen berücksichtigten Inhalte intensiv vor- und nachbereitet und somit in einen kumulativen Lernprozess eingebettet werden, welcher eine optimale Wissensstrukturierung und bessere Behaltensleistung begünstigt. Bauernhof“ genutzt werden. Die feste Verankerung von Unterrichtseinheiten mit landwirtschaftlichen Lernkontexten in den Bildungsplänen des Kultusministeriums für die Primar- und Sekundarstufen ist hierbei langfristiges Ziel. Nur so können nachhaltig Weichen gestellt werden, Kinder und Jugendliche und somit künftige Verbraucher fachlich kompetent über die Hintergründe und Abläufe der primären Nahrungsmittelproduktion aufzuklären und die Schaffung von Transparenz in diesem Sektor zu unterstützen. Oft sind Unterrichtseinheiten an Schulen zu landwirtschaftlichen Inhalten nicht zufriedenstellend umgesetzt, da die Lehrkräfte nur bedingt über fundiertes landwirtschaftliches Fachwissen verfügen. Umgekehrt sind den Landwirten didaktisch-methodische Aspekte und wichtige Unterrichtsprinzipien fremd. Die Ausbildungskooperation kann zudem Impulse für Bildungspartnerschaften geben und dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler künftig eine angemessenere Vorstellung von landwirtschaftlichen Themen aufbauen können – eine bedeutsame Grundlage für Urteils- und Partizipationsfähigkeit im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. Angesichts der vielen Teilnehmenden wurden zwei gemischte Großgruppen aus ALH-Fachschülern und PH-Studierenden gebildet. Diese bereiteten je eine komplette mehrstündige Unterrichtseinheit für eine fünfte bzw. neunte Realschulklasse vor und berücksichtigten dabei die Leitgedanken und Standards des aktuellen, kompetenzorientierten Bildungsplans. Die Unterrichtsideen und -materialien können künftig sowohl von den bereits berufstätigen Lehrkräften als auch später von den Lehramtsstudierenden selbst verwendet und darüber hinaus als Umsetzungsbeispiel im Rahmen der Landesinitiative „Lernort Anfang Februar wurde das Projekt mit 24 ALHSchülern des Jahrgangs „2013-16“ und 12 PHStudierenden im Rahmen eines halbtägigen Hofbesuches je einer Schulklasse auf den Betrieben zweier Fachschüler aus dem Raum Schwäbisch Hall bzw. Künzelsau erfolgreich abgeschlossen. In den beteiligten Klassen erfolgte an den nächsten Schultagen noch eine Nachbereitung durch die jeweilige Lehrkraft im Fächerverbund „Naturwissenschaftliches Arbeiten“ bzw. „Erdkunde – Wirtschaft – Gemeinschaftskunde“, wobei die Projektteilnehmenden nicht mehr involviert waren. Hauptziel des Pilotprojektes war es, kompetenzorientierte Unterrichtseinheiten zu wichtigen Aspekten heutiger Landwirtschaft zu konzipieren. Fachschüler der Akademie für Hauswirtschaft und Landbau Kupferzell und Studenten der PH Ludwigsburg entwickelten mehrstündig Unterrichtseinheiten. Sie wurden durch eine Halbtagsexkusion ergänzt. Begeisterte Gesichter am außerschulischen Lernort Bauernhof – unvergessliche „Expedition“ auf den Milchviehbetrieb Müller. Bild: T. Zeller Landinfo 3 | 2015 53 Beratung und Bildung Rückblick auf die Projektvorbereitung ALH-Fachschüler und PH-Studierende planen mit viel Kreativität Lernangebote. Bilder: F. Rösch Die Suche nach interessierten Lehrkräften war nicht einfach. Anfragen an Lehrkräfte, die im Vorfeld bereits an Aktionen der Landwirtschaftsämter teilgenommen haben, sind eventuell erfolgreicher. 54 Bis zu diesem Abschluss bedurfte es einer sehr langen, disziplinierten und umfangreichen Vorbereitungsphase: zum einen die aufwändige Konzipierung, Vorbereitung und Organisation der Ausbildungskooperation selbst durch das Leitungsteam (vgl. Landinfo 5|2005), zum anderen die Unterrichtsplanung durch die Projektteilnehmenden. Während sonstige Lehrangebote der ALH und PH meist in wöchentlich stattfindende kürzere Lernmodule aufgeteilt sind, stellte sich bei der Gesamtplanung schnell heraus, dass es angesichts der Entfernung der Standorte von ALH und PH sinnvoller ist, das Projekt an vier Kompakttagen zu realisieren – auch, um eine intensivere Zusammenarbeit zu ermöglichen. Für diese offiziellen Termine (daneben gab es noch individuell zu vereinbarende in den Arbeitsgruppen; vgl. B&B Agrar 6/2014) wurden in zahlreichen Planungstreffen detaillierte Abläufe erdacht. Aus hochschuldidaktischer Perspektive sollten die Fachschüler und Studierenden so oft als möglich aktiv an den Seminarsitzungen beteiligt werden, auch, wenn theoretische Grundlagen erarbeitet wurden. Nicht nur sie, auch das Leitungsteam selbst übte sich in Projektarbeit: Jedes Treffen wurde protokolliert; es galt, Zeitpläne zu konstruieren und zahlreiche Aufgaben zu koordinieren. Die Notwendigkeit von Metainteraktion und Zwischengesprächen, wie sie die Projektmethode vorsieht, war für alle offenkundig. Dabei war es erforderlich, zahlreiche Organisationsstränge parallel zu berücksichtigen – nicht nur die Vorbereitung der Seminarsitzungen und die Kontaktaufnahme mit bundes- und landesweit erscheinenden Fachzeitschriften mit Blick auf eine breit aufgestellte Pressearbeit: U. a. mussten zu einem sehr frühen Zeitpunkt zwei geeignete Betriebe in der Fachschulklasse gefunden werden. Diese sollten nicht nur jeweils spezifische landwirtschaftliche Aspekte besonders gut veranschaulichen können. Auch die nötigen infrastrukturellen Rahmenbedingungen für die Betreuung einer Schulklasse mitten im Winter, die gute Erreichbarkeit für die Schulklassen und die Nähe zur Akademie Kupferzell spielten eine Rolle. Nachdem die Auswahl von Betrieben zweier Fachschüler getroffen war, galt es, diese im Vorfeld mit der jeweiligen Großgruppe zu besichtigen und erste Ideen für schülerorientierte und anschauliche sowie thematisch aufeinander abgestimmte Lernstationen zu sammeln. Darüber hinaus wurden mit den Betriebsleitern organisatorische und logistische Details abgesprochen. Vorausgegangen war an der PH die Erarbeitung bedeutsamer Prinzipien guten Unterrichts wie z. B. Schüler- und Handlungsorientierung, ganzheitliches Lernen mit allen Sinnen, Originalbegegnung und Primärerfahrung, Problemorientierung, Kontextbezug, kognitive Aktivierung, mehrperspektivisch-vernetzendes Denken in Zusammenhängen und hoher Anteil echter Lernzeit im Unterricht. Darüber hinaus standen wichtige Basiskonzepte in der Biologie im Fokus, die im Zusammenhang mit landwirtschaftlicher Tierhaltung thematisiert werden können, z. B. anatomische Struktur-Funktions-Zusammenhänge, Reproduktion, Angepasstheit sowie Steuerung/Regelung. Ein Aha-Erlebnis waren für Manche konkrete Beispiele, die zeigten, dass beim Lernen am außerschulischen Lernort Bauernhof nicht nur Fachwissen erworben werden kann, sondern auch die anderen Bildungsplan-Kompetenzbereiche „Erkenntnisgewinnung“, „Bewertung“ und „Kommunikation“ berücksichtigt werden können und sollten. Auf dieser Basis entwickelten die Teams kompetenzorientierte Lernstationen und flankierende Unterrichtsstunden. Die Suche nach interessierten Lehrkräften, die bereit waren, eine extern vorbereitete Unterrichtseinheit über mehrere Schulstunden gemäß einer viele Seiten umfassenden Handreichung durchzuführen, gestaltete sich nicht ganz einfach. Letztlich konnten aber drei engagierte Fachlehrkräfte gewonnen werden – zwei davon realisierten in ihrer 9. Klasse sogar fächerübergreifenden Unterricht in Biologie und Gemeinschaftskunde. In Zukunft könnten Anfragen erfolgsversprechender sein, die sich rechtzeitig an solche Lehrkräfte bzw. Schulleitungen richten, die im Vorfeld bereits für andere Aktionen der Landwirtschaftsämter wie etwa die „Gläserne Produktion“ begeistert werden konnten. Eindrücke der Umsetzungsphase Schwierig gestaltete sich der Sachverhalt, dass die Zahl der Studierenden bis kurz vor Beginn des Wintersemesters noch nicht feststand. So erfolgte die Aufteilung aller Projektteilnehmenden in die zwei Großgruppen und interne Arbeitsteams für die Lernstationen erst sehr spät. Die Einbettung der Projekttage in den normalen Ausbildungsbzw. Studienalltag mit zahlreichen Dozierenden an der ALH und PH war ebenso herausfordernd wie die fachlich ausgewogene Aufteilung der Fachschüler, die unterschiedliche produktionstechnische Schwerpunkte aufwiesen. Auch unter den PH-Studierenden gab es große Unterschiede hinsichtlich bisheriger unterrichtlicher Erfahrungen – die unteren Semester hatten noch kein intensiveres Schulpraktikum absolviert und sollten Landinfo 3 | 2015 Beratung und Bildung Außerschulisches Lernen motiviert – da herrschte große Einigkeit in der 9. Klasse. Bild: ALH nun Unterricht für eine fremde Klasse planen. Durch eine systematische Einteilung konnten ausgewogene Gruppen gebildet werden. Um den künftigen Lehrkräften fachliche Grundlagen in wichtigen landwirtschaftlichen Themen zu vermitteln (welche oft mit Vorurteilen behaftet sind), sollten ALH-Fachschüler – als Experten – Kurzpräsentationen erstellen. Für die intensive Betreuung dieser Vorarbeiten war das Engagement von Andrea Bleher und Ramona Reinke gefragt. Da die Vorträge bereits zu Beginn des Winterhalbjahres Anfang November fertig sein mussten, fiel die Erarbeitungsphase hierfür in den Sommer. Dies war suboptimal: Aufgrund der Arbeitsspitzen in der Außenwirtschaft während dieser Jahreszeit konnten oft nicht alle Fachschüler anwesend sein. Auch die allgemeine Vorstellung des Projektkonzepts und -ablaufs musste an der ALH bereits im Sommerhalbjahr geschehen, in dem die Fachschüler nur an ganz bestimmten Tagen an die Akademie kommen. Für den einen oder anderen Meisteranwärter war die Notwendigkeit eines Öffentlichkeitsprojekts zudem subjektiv (noch) nicht ganz nachvollziehbar. Nach dem offiziellen „Kick-off“ konnten die Planungen an den einzelnen Kompakttagen im Großen und Ganzen wie vorgesehen umgesetzt werden. Für die inhaltliche Vorbereitung dieser Einheiten wurden von Frank Rösch diverse Lernmedien, Arbeitsaufträge und Präsentationen vorbereitet sowie organisatorische Fragen geklärt. Hierzu gehörten auch methodische Überlegungen – etwa motivierende Möglichkeiten, einander kennenzulernen sowie auf kurzweilige Art gegenseiLandinfo 3 | 2015 tig die Ausbildungsinstitutionen und deren Arbeit vorzustellen. Organisiert werden mussten im Vorfeld Kontakte mit der Lokal- bzw. Regional-Tagespresse, PH-Busse, ein landwirtschaftlicher Betrieb in PH-Nähe für erste Einblicke in das Themenfeld sowie bereits vorhandene Unterrichtsmaterialien zu Agrarthemen von diversen einschlägigen Anbietern im Landwirtschafts- bzw. Pädagogik-Bereich. Eine äußerst umfangreiche Liste mit Literatur- und Internet-Tipps zur Didaktik und Methodik sowie zu empirischen Studien über Effekte außerschulischen Lernens, zu exemplarischen Umsetzungsbeispielen, zur Projektmethode sowie zu landwirtschaftlichen Themen wurde vorab aufwändig zusammengetragen und den Teams zur Verfügung gestellt. In manchen Erarbeitungsphasen zeigte sich, wie groß die Unterschiede im Vorwissen bzw. in bestimmten Kompetenzen der beiden Ausbildungsgruppen sind, wie wichtig die gegenseitige Unterstützung ist. Als komplexeste Herausforderung kristallisierte sich in der gesamten Zeit heraus, dass sich die Teams jeder Betriebsgroßgruppe immer wieder zusammensetzen mussten, um den Gesamtablauf des Hofbesuches zeitlich und fachlich abzugleichen und künftige Arbeitsschritte untereinander zu koordinieren. Dabei erfuhren alle, was es bedeutet, projektartig zu kooperieren. Eine Großgruppe traf sich aufgrund der Komplexität der Abstimmung sogar ein zweites Mal auf dem Betrieb. Eine besonders intensive Arbeitsphase fiel in die Vorweihnachtszeit 2014: Fachschüler und Studierende hatten ihre Aufgaben für die schriftliche Ausarbeitung der Unterrichtseinheit aufgeteilt Wo kommen unsere Lebensmittel her?“ – aufschlussreiche Lernstation Milchprodukte Bild: F. Rösch Bei der Terminplanung für die Vorbereitung der Landwirte sollten Arbeitsspitzen auf dem Hof zukünftig mehr Beachtung finden. 55 Beratung und Bildung Lernende erkunden, auf welche Weise das Tierwohl berücksichtigt wird Bild: R. Reinke Abbildung 1 Ergebnisse der Lehrevaluation (Mittelwerte von Referenzgruppe und teilnehmenden Ausbildungsgruppen). und tüftelten und feilten daran in Akkordarbeit. Die Ergebnisse hiervon können sich sehen lassen: Zwei Handreichungen mit je rund 130 Seiten, detaillierte Verlaufsplanungen der Einzelstunden inklusive Unterrichtsmaterial, organisatorische und rechtliche Hinweise für Lehrkräfte usw.. Hierbei konnten die Projektteilnehmenden zwar auf zahlreiche zur Verfügung gestellte Materialien als Anregung zurückgreifen – die adäquate, themenorientierte Zusammenstellung, Modifizierung und Ergänzung um betriebsbezogene Spezifika und individuelle Ideen erforderten jedoch Kreativität und eigenes didaktisch-methodisches sowie organisatorisches Geschick. Es folgte eine vergleichsweise ruhige Zeit, in der die zwei Realschulklassen durch deren jeweilige Lehrkräfte auf den Hoftag eingestimmt wurden: Die vorausgehenden Unterrichtsstunden waren optimal auf den Lerngang zugeschnitten und ermöglichten eine gezielte inhaltliche und methodische Vorbereitung. Nicht nur bei der vorausgehenden Unterrichtsplanung, auch in dieser Umsetzungsphase war es wichtig, Kontakt mit den Lehrkräften an den Schulen zu halten. Die halbtägige Exkursion der 5. und 9. Klassen aus dem Hohenlohe-Kreis bzw. Kreis Schwäbisch Hall auf „ihren“ landwirtschaftlichen Betrieb am 6. Februar wurde mit Spannung erwartet – und übertraf die Erwartungen vieler Lernender sicher um Längen. Der Bauernhof-Besuch stellte somit in zweierlei Hinsicht den Höhepunkt des Projekts dar: Für die Schulklassen, welche ihre erarbeiteten Kompetenzen anwenden, vertiefen und erweitern konnten, genauso wie für die Teilnehmenden der Ausbildungskooperation, weil diese nun ihre eigenen Ideen direkt in die Tat umsetzen konnten – und das mit einer anspruchsvollen Zielgruppe. Sowohl die Schülerinnen und Schüler der beiden Realschulklassen als auch die Lehrkräfte waren sichtlich begeistert von Kreativität und Engagement der Studierenden sowie vom Fachwissen der landwirtschaftlichen Fachschüler, die selbstverständlich in Arbeitsmontur erschienen waren. Der Besuch durch hochrangige Gäste aus der Landwirtschaftsverwaltung (Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz: Edelgard Fieß-Heizmann; Regierungspräsidium Stuttgart: Dr. Kurt Mezger; Landwirtschaftsämter der beiden Kreise: Gabriele Lutz, Helmut Hessenauer) signalisierte das rege Interesse an der Ausbildungskooperation. Gemeinsam mit einem Teil der Gäste, einer Realschullehrerin, Pressevertretern sowie vielen neuen Erfahrungen kehrten die Teams zum gemeinsamen Mittagessen und einer abschließenden Feedbackrunde an die Akademie nach Kupferzell zurück. Die Live-Sendung eines Radio-Berichts über das Projekt „Landwirtschaft macht Schule“ führte allen eindrucksvoll vor Augen, dass sich die Anfragen bei diversen Pressestellen gelohnt hatten und Öffentlichkeitsarbeit über unterschiedliche Medien mehr Menschen erreichen kann als ausschließlich die Angebote auf den landwirtschaftlichen Betrieben selbst. Hochachse: Stärke der Zustimmung. Ref.: durchschnittliche Referenzwerte (s. Text). I: Mittelwerte der ersten Datenerhebung. II: Mittelwerte der zweiten Datenerhebung. 56 Landinfo 3 | 2015 Beratung und Bildung Evaluation mit Blick auf Qualitätsentwicklung Bei dem Pilotprojekt handelt es sich zweifelsfrei um eine höchst sinnvolle Bereicherung – sowohl für die Ausbildung künftiger Meisteranwärter an der ALH, als auch für Lehramtsstudierende, ermöglichte die Konzeption doch nicht nur, die oft bemängelte Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis sowie den manchmal zu Recht beklagten fehlenden Anwendungsbezug im Studium zu überwinden: Die Zusammenführung von Fachleuten unterschiedlicher Berufsgruppen sowie der Austausch mit erfahrenen Berufspraktikern versprach einen Gewinn für alle Beteiligten. Gleichwohl war dem Projektleitungsteam bewusst, dass es mit Sicherheit Optimierungsbedarf geben würde. Auf unterschiedliche Weise sollte das Konzept und dessen Umsetzung hinsichtlich dessen Wirkung analysiert werden: Zu zwei Zeitpunkten wurde ein so genannter „Lehrevaluation“-Fragebogen der PH eingesetzt und getrennt nach Ausbildungsgruppen ausgewertet: Alle anderthalb Jahre werden in Ludwigsburg die Teilnehmenden sämtlicher Lehrangebote zu bestimmten Qualitätskriterien (s. u.) befragt. Auch im hier vorgestellten kooperativen Ausbildungsprojekt war diese Form der Befragung hinsichtlich verschiedener Fragen von Interesse: Würde das Angebot bei ALH-Fachschülern und PH-Lehramtsstudierenden in gleicher Weise „ankommen“? Es wurden im Vorfeld Unterschiede in der Wahrnehmung und Akzeptanz vermutet: Während die PH-Studierenden das Seminar aus persönlichem Interesse als Wahlpflichtangebot aussuchen konnten, hatten die Fachschüler keine Wahl. Zudem liegen unterschiedliche Gewohnheiten hinsichtlich Ausbildungsinhalten und -methoden sowie Erarbeitungsweisen vor. Für künftige Lehrkräfte sollte die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern ein grundsätzliches Anliegen sein, bei Landwirten hingegen ist diese Offenheit nicht notwendigerweise zu erwarten. Des Weiteren sollte geklärt werden, ob und wie sich die Einschätzung der Qualität des Projekts bei den beiden Gruppen im Verlauf verändern würde. Hierzu wurde als erster Zeitpunkt der dritte Kompakttag gewählt – bis dahin hatten die Teilnehmenden v. a. weitestgehend vom Leitungsteam vorbereitete Lernmodule erlebt. Die Befragten kreuzten auf dem Fragebogen an, wie stark sie verschiedenen Aussagen zu fünf Themenbereichen zustimmen (1 = keine Zustimmung, 5 = hohe Zustimmung), und notierten, welche Schulnote sie dem Projekt Landinfo 3 | 2015 insgesamt geben würden. An die erste Datenerhebung (in der Abbildung sind diese Werte mit „I“ gekennzeichnet) schloss sich die intensivste Phase der eigenständigen Arbeit in den Großgruppen und internen Teams an. Zum zweiten Mal („II“Werte in der Grafik) wurden identische Fragebögen nach Durchführung des Hofbesuchs der Schulklassen ausgefüllt. Die Grafik gibt die Gruppenmittelwerte getrennt nach PH-Studierenden und ALH-Fachschülern wieder. Neben diesen Werten sind zum Vergleich auch die durchschnittlichen Referenzwerte („Ref.“-Werte in der Grafik) aller in der Lehrevaluation im Sommersemester 2013 an der Fakultät II an der PH berücksichtigten Lehrveranstaltungen angegeben. Wie vermutet zeigten sich die Lehramtsstudierenden insgesamt zufriedener mit dem Angebot als die Fachschüler (vgl. Grafik). Die Entwicklung der Veranstaltungsnote lässt erkennen, dass die künftigen Landwirtschaftsmeister dem Projekt im weiteren Verlauf jedoch immer mehr abgewinnen konnten (s. u.). Die leichte Abnahme des ursprünglich recht hohen Werts der subjektiv wahrgenommenen Lehrqualität auf Seiten der Studierenden hängt damit zusammen, dass in den zugehörigen Items Strukturiertheit, Verständlichkeit und Vorbereitung der Veranstaltung durch die Dozierenden thematisiert wurden und zwischen Anspruchsvolle Erarbeitung in der 9. Klasse: Wie werden auf der „Hofwiesen-Milch“GbR (Familien Fischer und Frank) Technologie und Know-how für Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Tierwohl genutzt? Bild: R. Reinke Die Evaluierung ergab eine höhere Zufriedenheit mit dem Projekt bei den Studierenden gegenüber den Landwirtschaftsschülern. 57 Beratung und Bildung Das entstandene Netzwerk zwischen ALH Kupferzell und PH Ludwigsburg kann für künftige pädagogische Vorhaben hervorragend genutzt werden. Ramona Reinke ALH Kupferzell Tel. 07944/ 917-327 ramona.reinke@ akademie-kupferzell.de Frank Rösch PH Ludwigsburg Tel. 07141/ 140-333 roesch@ph-ludwigsburg. de 58 erster und zweiter Befragung ausschließlich die eigenständige Arbeit in den Teams und Großgruppen stattfand. Die emotionale Bewertung dieses Ausbildungsprojekts offenbart, dass sich die PH-Studierenden im Vergleich zu anderen Lehrveranstaltungen überdurchschnittlich wohl gefühlt haben – sie brachten auch oft ihre Freude zum Ausdruck, mit den jungen außerschulischen Fachleuten zusammenarbeiten zu können. Die geringeren Mittelwerte bei den Fachschülern verbesserten sich zwar, lagen aber wohl aufgrund fehlender Freiwilligkeit und heterogener Interessen etwas niedriger. Die künftigen Lehrkräfte schätzen den eigenen Lernfortschritt im Rahmen dieses Seminars als überdurchschnittlich hoch ein – dies betraf sicher nicht nur den Erwerb landwirtschaftlichen Grundwissens, sondern auch die neuen Erfahrungen bezüglich projektartigen Arbeitens, kooperativer Unterrichtsplanung und im Teamteaching. Die im Mittelfeld angesiedelten Durchschnittswerte der Landwirte überraschen, schließlich hatten auch diese die einmalige Gelegenheit, Unterrichtsmethoden kennenzulernen und Ideen nach eigenen Vorstellungen umzusetzen, Schulklassen zu begegnen und pädagogische Grundlagen zu erarbeiten. Ein Blick auf den Bereich „Anforderungsniveau“ offenbart eindeutig, dass die Aufgabenfülle sehr unterschiedlich verteilt war zwischen den beiden Ausbildungsgruppen und von den PH-Studierenden als zu hoch empfunden wurde. Diesbezüglich müssen in künftigen Durchgängen Aufträge in ihrem Umfang z. T. reduziert sowie v. a. gleichmäßiger verteilt und das Projekt mehr in den regulären Fachschulunterricht eingebunden werden – im Idealfall auch in Verbindung mit einem benoteten Leistungsnachweis. Im Vergleich zu manch anderen Lehrveranstaltungen der PH beurteilten die Studierenden die Mitwirkungsmöglichkeit als relativ hoch, was dafür spricht, dass das Projekt in hohem Maß adressatenorientiert gestaltet wurde. Dies spiegelt sich auch im Bereich „Emotionale Bewertung“ wieder. Die überdurchschnittlich gute Veranstaltungsnote (i. S. von Schulnoten; Referenzwert der Fakultät: 2,12) von Seiten der Studierenden zu Beginn (2,00) wurde durch deren relativ hohe Arbeitsbelastung nur geringfügig beeinträchtigt (am Ende: 2,17). Besonders erfreulich ist, dass die Akzeptanz des Projekts auf Seiten der Landwirte stark zugenommen hat: Zu Beginn erteilten sie dem Projekt nur die Schulnote 2,95, am Ende sogar die Note 2,25 – also eine deutlich bessere. Unterm Strich offenbaren die Umfrageergebnisse eine sehr gute Bilanz dieses Pilotdurchgangs von „Landwirtschaft macht Schule“. An den Seminartagen wurden Anregungen und Kritik stets direkt aufgegriffen und auf einer Metaebene besprochen. Das Projektleitungsteam setzte sich damit unverzüglich konstruktiv auseinander und reagierte flexibel, um angemessenen Wünschen nach Möglichkeit entgegenzukommen. Innovative Perspektiven für die Fachschulausbildung der ALH und das universitäre Lehrangebot In einem moderierten Gespräch am abschließenden Projekttag wurde die Ausbildungskooperation in ihrer Ganzheit im Detail analysiert und resümiert: Auch von Seiten der externen Gäste wurde nicht nur das breite Spektrum der beiden Betriebe begrüßt, sondern auch die engagierte und sich ergänzende Zusammenarbeit der Fachschüler und Lehramtsstudierenden sowie der Dozierenden untereinander. Das entstandene Netzwerk kann für künftige pädagogische Vorhaben weiterhin hervorragend genutzt werden. Optimierungsbedarf besteht u. a. hinsichtlich der Gestaltung der Einführungsphase, der Aufgabenverteilung, des Zeitpunkts und der Einbettung in den Unterricht an der ALH und an den Schulen. Weiterhin ist zu überlegen, in welchem Umfang Beratung und Unterstützung der Teilnehmenden sinnvoll und realisierbar sind, und ob man künftig auch Gymnasien und Grundschulen miteinbezieht. Noch offen ist auch die Frage, wie solch umfangreicheren Lernangebote realisiert werden können, wenn lediglich ein oder zwei Lehrkräfte und ein(e) Landwirt(in) eine ganze Schulklasse betreuen und nicht ein Großaufgebot von vielen Fachschülern und Studierenden bei der Gestaltung von aufwändigen Lernstationen zur Verfügung steht. Sicher ist, dass das Projekt für nachfolgende Jahrgänge der Akademie Kupferzell fester Bestandteil des Unterrichts und auch an der Pädagogischen Hochschule wieder angeboten werden wird. An der ALH berichtete die Oberklasse mittlerweile bereits zur Einstimmung des nächsten Durchgangs von ihren Erfahrungen aus dem Vorjahr“. Es ist geplant, die Ausarbeitungen der beiden Unterrichtseinheiten „Wo kommen unsere Lebensmittel her? – Unterrichtseinheit zu den Themen Getreide und Milchprodukte“ und „‘Vom Stall in den Kühlschrank?!‘ – Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft“ an das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz für das Landesprogramm „Lernort Bauernhof“ zur Nutzung für interessierte Lehrkräfte und Landwirte weiterzureichen. Herzlicher Dank gilt Dr. Stefan Fuß vom Evaluationsbüro der PH Ludwigsburg für die Bereitstellung der statistischen Umfragewerte! Landinfo 3 | 2015 Beratung und Bildung Gisela Enderle Durchhalten wird belohnt Der fünfte Jahrgang „Systemischer Coach für die Landwirtschaft“ an der LEL hat abgeschlossen „Nicht das Anfangen wird belohnt, sondern das Durchhalten.“ Diese alte Weisheit von Katharina von Siena haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des fünften Durchgangs der Coaching-Ausbildung seit 2005 beherzigt und nach knapp elf Monaten ihre Kompetenzen um das Repertoire eines Coaches erweitert. Rita Mager, beim Ministerium Ländlicher Raum und Verbraucherschutz zuständig für die landwirtschaftliche Beratung in Baden-Württemberg, und Ernst Berg, Direktor der LEL Schwäbisch Gmünd, konnten Ende Mai zwölf Zertifikate aushändigen. I n jedem Fall hat es die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Zeit, Geld, Unterstützung der Vorgesetzten, des Kollegiums und nicht zuletzt der Familie gekostet. Manchmal forderte es sicher aber auch Überwindung, um die intensive Ausbildung durchzuhalten. Sie besteht aus fünf Modulen zu je drei Tagen an der LEL Schwäbisch Gmünd, der Präsentation und Analyse eines individuellen praktischen Beratungsfalls, bei dem die Instrumente des Coaching eingesetzt werden, sowie mehreren Treffen in Kleingruppen zum kollegialen Gruppencoaching. Inhaltlich ging es für die Teilnehmenden oft darum, vorhandene Muster in der Beratung und Kommunikation zu erkennen und zu durchbrechen und sich über das Terrain des rein Fachlichen hinaus an das allzu Menschliche zu wagen. Den beratenen Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern gelingt es aber dadurch besser, ihre vorhandenen Ressourcen ein- und die Ideen und Beratungserkenntnisse zielgerichteter umzusetzen. Der Super-Coach braucht • große Füße, um in jeder Situation standhaft zu bleiben • auch bei schwierigen Kunden immer die Hosen an • ein großes Herz, das richtige Gefühl zur richtigen Zeit • einen großen Mund, um weiterführende Fragen zu stellen • gute Augen, um die wichtigen Dinge im Blick zu haben • große Ohren, um richtig gut zuhören zu können • bei Diskussionen immer den Hut auf • für jede Situation das richtige Drehbuch • Tools, um unangenehmes auch mal durch die Blume zu sagen • einen Rüssel um im Notfall auch mal einen Klienten am Kragen packen und richtig durchschütteln zu können Landinfo 3 | 2015 Strahlende Gesichter bei der Zertifikatsübergabe durch Rita Mager und Ernst Berg. Bild: B. Godel Text und Zeichnung Anja Kirchner und Ruth Dettweiler. 59 Beratung und Bildung Das hat die Ausbildung gebracht Martin Seng, Dipl.Agr.ing., Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, seit 13 Jahren in der Offizialberatung zuständig für Betriebswirtschaft und Investitionsförderung: Ursprünglich zu dritt in der Betriebswirtschaft beackere ich inzwischen das Feld weitgehend alleine. Als Einzelkämpfer hatte ich oft wenig Verständnis wenn meine „Angebote“ von den Landwirten nicht angenommen wurden, auch wenn sie sich so toll gerechnet haben. Mit der Coaching-Ausbildung konnte ich einen kritischen Blick in meinen „Werkzeugkoffer“ werfen, der nun mit vielen praktikablen und erfolgversprechenden Methoden aufgefüllt ist. Ruth Dettweiler, Gemüsebauberaterin Beratungsdienst ökologischer Landbau Ulm e. V.: Für mich war die Coaching-Ausbildung beruflich und persönlich eine große Bereicherung. Ich verwende das Gelernte sowohl in der Fachberatung als auch in Gruppenberatungen und in richtigen Coachingprozessen. Sehr bereichernd ist dabei die direkte Umsetzungsmöglichkeit in den Arbeitsalltag und die Begleitung der Betriebe über das Fachliche hinaus. Margit Hanselmann, selbständige Unternehmerin (Klickeasy EDV Schulung und Beratung, Schrozberg): Klickeasy bietet Weiterbildung rund um EDV und Betriebsführung für Menschen aus dem ländlichen Raum, schwerpunktmäßig für Frauen aus dem landwirtschaftlichen Umfeld an. Bisher konnte ich den Teilnehmerinnen während einer Qualifizierung das Wissen und Handwerkszeug für die Selbständigkeit in der ländlichen Dienstleistung, der Vermarktung oder im touristischen Bereich weitergeben. Nun möchte ich meine Kundinnen im Veränderungsprozess der Existenzgründung mit einem Gruppen-Coaching von der Gründungsidee bis zur erfolgreichen Umsetzung begleiten. Dafür fühle ich mich durch die hochwertige Coaching-Ausbildung motiviert und befähigt. Wie das im Einzelnen geht und welche Instrumente man dazu einsetzen kann, zeigen schon seit den ersten Coaching-Seminaren die drei erfahrenen Trainer Barbara Kathrein, Judith Landes und Thomas Fisel, von entra Unternehmensentwicklung. Auch von diesem Jahrgang haben sie beste Rückmeldungen bekommen und vielleicht waren die Teilnehmenden durch das Vorbild der drei zum Bild vom Super-Coach inspiriert, den Andreas Bezler, Beratungsdienst Ökologischer Obstbau Weinsberg humorvoll in der Abschlussrunde be- schrieb. Ergänzend fügte er hinzu: „Was wir dabei allerdings vergessen hatten, unseren Trainern aber sehr wichtig ist: Der Super-Coach hat auch eine gute Selbstfürsorge. Bei aller Empathie mit seinen Kunden kann er eine gute Leistung dauerhaft nur bringen, wenn er sich die Probleme anderer nicht zu eigen macht. Merke: Ein Super Coach kennt seine eigenen Grenzen und beachtet sie. Die Coaching-Ausbildung kann sicher dazu beitragen, die Berater auf diesem Weg zu unterstützen. Gisela Enderle LEL Schwäbisch Gmünd Tel. 07171/ 917-112 [email protected] 60 Landinfo 3 | 2015 Beratung und Bildung Willi Lackenbauer Als Gastlehrer im thailändischen Bildungsministerium Seit 2007 gibt es Kontakte zwischen der ALH Kupferzell und dem thailändischen „Office of the Vocational Education Commission“ (OVEC), einer Abteilung des Ministry of Education in Bangkok. Ziel der Einladung für den 6-wöchigen Aufenthalt war die Erteilung von Englisch-Unterricht für die Verwaltungskräfte und zwei stellvertretende Abteilungsleiter (Deputy secretary general) des OVEC und des Bureau of Personal Competency Development (BPCD), einer der LEL vergleichbaren Einrichtung für die Weiterbildung der Lehrkräfte der beruflichen Schulen. Bildungssystem T hailand ist außerordentlich daran interessiert, in der beruflichen Bildung das deutsche duale System zu übernehmen. Formal gibt es dieses bereits, jedoch bestehen erhebliche Probleme in der praktischen Umsetzung. Organisation Das nationale Ministry of Education (MOE) gliedert sich in fünf verschiedene Abteilungen. Beispielsweise für primary und secondary schools, berufliche Schulen und die Universitäten. Die offizielle Bezeichnung der Abteilungen lautet: • Office of • Office of • Office of on • Office of • Office of the Education Council the Basic Education Commission the Vocational Education Commissi- der Gruppe teilzunehmen und Grammatik-Aufgaben an der Tafel darzustellen. Auch zwei Exkursionen trugen zur Vertrauensbildung zum ausländischen Lehrer bei. Englisch-Unterricht für Verwaltungskräfte des BPCD Mein Eindruck war, dass nicht alle Teilnehmer dieser Gruppe über einen Bachelor- oder Masterdegree verfügten. Die Streuung der englischen Sprachkenntnisse war außerordentlich groß und deshalb war stets gegenseitige Hilfe erforderlich. Auch zahlreiche Rollenspiele waren zum Verständnis notwendig. Deshalb beschränkte sich der Unterricht im Wesentlichen auf die Vermittlung von Sätzen, um sie in bestimmten Situationen anzuwenden. Diese waren beispielsweise: Wie stelle ich mich vor? Wie nehme ich Telefongespräche an? Wie begrüße ich Lehrgangsgäste? Wie bitte ich Ziel des Englischunterrichts war es, vorhandene Sprachkenntnisse weiter zu entwickeln und das sprachliche Selbstvertrauen zu stärken. Abbildung Übersicht des Bildungssystems. the Higher Education Commission the Private Education Commission Aufgaben als Gastlehrer Englisch-Unterricht für Verwaltungskräfte des OVEC Die Verwaltungskräfte verfügen in der Regel über einen Bachelor- oder Masterdegree in educational administration. Die vorhandenen, relativ einheitlichen, Grundkenntnisse erleichterten den Unterricht. Ziel war es, die vorhandenen Sprachfähigkeiten weiterzuentwickeln und praktisch zu üben. Ziel war es aber auch, das sprachliche Selbstvertrauen zu stärken und sich vor der Gruppe in englischer Sprache zu präsentieren. Nach 5 Wochen Unterricht, täglich zwei bis 3 Zeitstunden, war es allen Teilnehmern möglich, an Rollenspielen vor Landinfo 3 | 2015 61 Beratung und Bildung Der Autor beim Unterricht und auf Exkursion mit Verwaltungskräften des Landes. Bilder: W. Lackenbauer um deutliche und langsame Sprache? Der Unterrichte erfolgte 5 Wochen mit insgesamt 30 Zeitstunden. Auch hier war jedoch nach etwa 2 Wochen das Selbstvertrauen so entwickelt, dass sich etwa zwei Drittel der Teilnehmer an der Tafel und vor der Gruppe in englischer Sprache präsentieren konnten. Unterricht und Gespräche OVEC und Siphaya- Technical Colleges Großes Interesse gilt dem dualen Bildungssystem in Deutschland. Willi Lackenbauer ALH Kupferzell Tel. 07944/ 9173-50 willi.lackenbauer@ akademie-kupferzell.de 62 Deputy secretary general Wanich ist verantwortlich für die beruflichen Colleges im akademischen Bereich. Er interessierte sich insbesondere für das duale Bildungssystem in Deutschland. Hier insbesondere über das System der Berufsakademien. Schwierig zu vermitteln war das föderale Bildungssystem. Thailand ist an einer Art Partnerschaft mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg interessiert. Deputy secretary general Dr. Chanvech wollte seine bereits guten EnglischKenntnisse verbessern. Es kam ihm dabei besonders auf die Aussprache an. Auch das Verstehen englischer Zeitungsartikel war ihm ein Anliegen. So standen immer wieder Artikel aus der englischsprachigen Bangkok Post auf dem Stundenplan. Allerdings war die zeitliche Verfügbarkeit beider Deputy secretary generals sehr eingeschränkt und daher entstanden eher informelle Gespräche als intensiver Unterricht. Bemerkungen zur politischen Lage in Thailand Selbstverständlich ist der Autor nicht in der Lage, die derzeitige Situation in Thailand zu bewerten. Insgesamt scheint es jedoch so zu sein, dass die Thais der Mittel- bis Oberschicht durchaus zufrieden mit der aktuellen Regierung sind. Auch bedeutet „law of war“ absolut nicht Krieg. Für Außenstehende ist von Kriegsrecht nichts zu spüren und Soldaten waren nur gelegentlich zu sehen. Allerdings sind die demokratischen Grundrechte eingeschränkt. Demonstrationen an zentralen Orten sind verboten und die Pressefreiheit scheint eingeschränkt. Die Regierungserklärungen des Regierungschefs im Fernsehen wirkten jedoch zumindest nicht abwegig. Allerdings mieden alle thailändischen Freunde Gespräche über die Politik. Nur der ständige Vertreter des Bildungsministers sagte: „don’t worry about our political crises. We work to find solutions very soon“. Eindrücke im Land des Lächelns Land des Lächelns ist wirklich ein treffender Begriff für die Menschen, die mir begegnet sind. Überall Höflichkeit, Bescheidenheit, Hilfsbereitschaft und stets gewährte Unterstützung. Eine nahezu extreme Ausländerfreundlichkeit. Viele wollten sich einfach nur mit dem „Farhang“ fotografieren lassen. Selbst Erwachsene fragen zu Beginn des Unterrichts „May I come in, sorry I’m late“. Selbstverständlich bedanken sich alle beim Lehrer: „Thank you for teaching“. Hervorzuheben ist der Wille der Bediensteten zum Weiterkommen. Allen ist bewusst, dass der in diesem Jahr bevorstehende Zusammenschluss ASEAN die Fähigkeit zur Kommunikation in englischer Sprache erforderlich macht. Landinfo 3 | 2015 Beratung und Bildung Dr. Jochen Buck Listerienproblematik in Hofkäsereien Bei Selbstvermarktern und Hofkäsereien werden vom LAZBW Wangen im Rahmen der Eigenkontrolle etwa 4-mal pro Jahr Proben abgerufen und gemäß der VO (EU) 2073/2005 untersucht. Rotgeschmierte Käse wie z.B. Romadur und Bergkäse werden auf pathogene Listeria monocytogenes untersucht, da bekannt ist, dass bei diesen Käsen im Vergleich zu nicht geschmierten Käsen, diese Spezies wesentlich häufiger auftreten. Listerien sind ubiquitär verbreitet, angereichert findet man sie in Silage. Dass sich Hofkäsereien in der Regel in unmittelbarer Nähe zum landwirtschaftlichen Betrieb befinden und Betreiber häufig auch im Hof mitarbeiten, erklärt die besondere Gefahr bei diesen kleineren Betrieben. Verbreitung und Symptome der Listeriose L isteriose ist eine Zoonose und kann vom Tier auf den Menschen und umgekehrt übertragen werden. In der Regel erfolgt die Übertragung über das Lebensmittel, wie z.B. über den Verzehr eines kontaminierten rotschmierten Käse. Listeria monocytogenes kann bei Schwangeren die sogenannte Schwangerschaftslisteriose verursachen. Bei der frühen Form infiziert sich der Fetus im letzten Drittel der Schwangerschaft, was zu einer tödlichen Sepsis und ggf. Abort führt. Bei der späten Form wird das Kind während oder nach der Geburt infiziert und entwickelt eine spätere Meningitis. Unspezifische Verlaufsformen sind Septikämie, und grippeähnliche Erkrankungen mit Schwellung der Lymphknoten im Nackenbereich (differentialdiagnostisch wichtig). Fallbeschreibung und Problemlösung In 2014 bekamen wir einen Bergkäse von einer Hofkäserei zur Untersuchung. Bei dem Käse war in 25 g Listeria monocytogenes nachweisbar. Eine quantitative Untersuchung ergab über 100 L. monocytogenes. Damit war der Käse nach Art. 14, Abs. 2a der VO 178/2002 ein „nicht sicheres Lebensmittel“. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass diese Charge bereits im Handel war. Nach Art. 14, Abs. 1 besteht ein Verkehrsverbot für nicht sichere Lebensmittel. Gemäß § 44, Abs.4a LFGB haben wir das zuständige Veterinäramt informiert, die daraufhin den Betrieb zur Feststellung der betroffenen Chargen und der Menge besucht haben. Die LAZBW Wangen hat im selben Betrieb Schmierwasserproben und weitere Käseproben zur Ursachenermittlung gezogen. Es stellte sich heraus, dass die Käse beider Reifungsräume (12 to) beLandinfo 3 | 2015 troffen waren, da sämtliche Käse mit einer Schmiermaschine, die kontaminiert war, geschmiert wurden. Die im Handel befindlichen Käse wurden vom Betrieb zurückgerufen und unschädlich beseitigt. Weiterhin wurde die Öffentlichkeit über die Presse und Internet gewarnt. Im Betrieb wurden sämtliche Käse vom Veterinäramt gesperrt und die oberste Landesbehörde unterrichtet. Die noch im Betrieb befindlichen Käse waren also risikobehaftet und konnten so nicht in Verkehr gebracht werden. Im Normalfall werden solche Käse unschädlich beseitigt. Da der Schaden für den Betreiber die Hunderttausend Euro überschritten und dies das wirtschaftliche Ende des Betriebs bedeutet hätte, wurde zusammen mit dem Betreiber ein Behandlungsverfahren entwickelt, um die Käse wieder „sicher“ zu bekommen. Bei sämtlichen Käsen wurde händisch unter hygienischen Bedingungen, die Rinde abgeschabt. Anschließend wurde die Oberfläche mit 70%-igem Ethanol behandelt. Die Laibe wurden in der Mitte aufgeschnitten und ein 300 g-Stück zur Untersuchung an die LAZBW Wangen vorbereitet. Die Käse wurden in einer Schrumpffolie vakuumiert und anschließend in einem Tauchbad bei 90°C für 30 Sekunden erhitzt. In Absprache mit den beteiligten Behörden wurde je Charge n=298 Probestücke auf Listeria monocytogenes untersucht. Mit dieser Stichprobenzahl findet man mit 95%-iger Wahrscheinlichkeit, einen Anteil von 1% positiven Proben. Im Vergleich dazu, wird im Normalfall gemäß der VO (EU) 2073/2005, eine Probenanzahl von n=5 verlangt. Sämtliche negativ getesteten Chargen konnten dann vom Betrieb als „sicheres Lebensmittel“ in den Verkauf gebracht werden. Damit hat die LAZBW Wangen dazu beigetragen, dass der Fortbestand des Betriebes gesichert war. Gleichzeitig wurde dem gesundheitlichen Verbraucherschutz, der an erster Stelle kommt, absolut Rechnung getragen. Reifungskeller Bergkäse. Bild: J. Buck Dr. Jochen Buck LAZBW Wangen Tel. 07522/ 9312-120 [email protected] 63 Verwaltung aktuell Dr. Jochen Buck Laborworkshop an der LAZBW Wangen zur Erhöhung der Lebensmittelsicherheit Beim Laborworkshop konnte Direktor Franz Schweizer rund 30 Teilnehmer aus Deutschland, aber auch Österreich und der Schweiz begrüßen. F rau Ulrike Weyrich, LAZBW, die auch durch das Tagesprogramm führte, startete mit einem Vortrag über die Probenvorbereitung im Labor. Vergleichend stellte sie die DIN EN ISO- Normen mit der VDLUFA-Methode dar. Über die Einflussfaktoren auf die Repräsentativität der Probe, leitete sie auf die verschiedenen Verdünnungsflüssigkeiten über. Bei der Herstellung der Erstverdünnung ist die Messungenauigkeit des Volumens ein entscheidender Faktor. Anschließend ging sie auf die spezielle Probenvorbereitung der unterschiedlichen Milchprodukte über. Die mikrobiologische Ausbilderin, Pia Weishaupt, LAZBW, führte parallel die unterschiedlichen Probenvorbereitungen sehr anschaulich in praxi vor. Auch erfahrene LaborantInnen konnten hier noch neue Anregungen nach Hause nehmen. Teilnehmer beim Ausprobieren im Labor mit Referentin Frau Weyrich, LAZBW. Bild: J. Buck Dr. Jochen Buck LAZBW Wangen Tel. 07522/ 9312-120 [email protected]. de 64 Herr Trost, Fa. SY-LAB, stellte den BacTrac 4300 vor. Das Gerät basiert auf Impedanzmessung. Die Vorteile sind die Automatisierung der kulturellen Verfahren, qualitative und quantitative, verkürzte Analysedauer, Einsparung bei Material und Arbeitsbelastung, erhöhter Probendurchsatz und eine detaillierte Dokumentation über PC. Die Teilnehmer konnten vorbereitete Proben im Labor der LAZBW in die Messzellen des BacTrac pipettieren. Nach Bebrütung wurden die Proben am Ende des Seminars gemessen und die Teilnehmer konnten ihre Ergebnisse bewerten. Frau Tzinoglou und Herr Vogelsang, Fa. Ika, stellten das Einweg-Dispergiersystem UTTD und die Batch-Mühle Tube Mill control mit Einweg-Mahlbechern vor. Die UTTD ist zum Dispergieren und Homogenisieren, als Kugelmühle zur Trockenund Naßzerkleinerung und zum Rühren der Trocken- oder Naßmischung geeignet. Sie erfüllt damit die Funktionen Mischer, Kugelmühle und Ultra Turrax in einem Gerät. Die Tube Mill control zerkleinert Proben bis 40 ml und erfüllt auch die Option der Probenkühlung über Trockeneis im Mahlbecher. Dadurch können auch feuchte und fettige Proben durch Versprödung verarbeitet werden. Becher bis 100 ml sind bereits in der Ent- wicklung. Durch die Einmalgefäße werden Kreuzkontaminationen verhindert und es fallen keine Reinigungskosten an. Für Labore, die sich an dem hohen Anteil an Abfall stören, werden MehrwegMahlbecher angeboten, die in der Spülmaschine gereinigt werden und anschließend sterilisiert werden können. Frau Kleinschmidt, Fa. Transia, stellte Produkte für die Lebensmittelanalytik vor. Für die Reinigungskontrolle empfiehlt sie den Easy Check bzw. den 3 M Clean Trace Protein, beides sind einfach zu handhabende Proteinschnelltests. Als Alternative stellte sie ein ATP Messgerät, sowie Abklatsch- und Eintauchpaddel mit jeweils 2 unterschiedlichen Nährböden je Paddel vor. Für Umfeldproben zeigte sie verschiedene Tupferverfahren und Schwämme und am Schluss führte sie die direkte Methode zur Produktkontrolle mit 3M Petrifilm vor. Petrifilm gibt es für die gängigen Untersuchungen. Anschließend konnten die Teilnehmer im Labor die unterschiedlichen Anwendungen in der Praxis ausführlich testen. Im Anschluss zeigte Herr Dr. Buck, LAZBW, verschiedene einfache Möglichkeiten zur Absicherung eigener Ergebnisse im nichtakkreditierten Labor. Neben Proficiency Tests, Teilnahme an Ringversuchen erklärte er die Möglichkeiten der Wiederholungsuntersuchungen und Vergleichsuntersuchungen mit Routineproben über Bestimmung von „r“ und „R“ nach der ISO 4833:2003 oder einfache Paralleluntersuchungen mit einem befreundeten Labor. Anspruchsvollere Möglichkeiten bei Mehrfachmessung einer Probe, wären die Bestimmung der relativen Standardabweichung, die zur erweiterten Messunsicherheit führt. Um die Vergleichbarkeit über mehrere Jahre Ringversuche zu erfassen, empfiehlt er die Berechnung der Wiederfindungsrate in Prozent. Zur erfolgreichen Teilnahme an einem Ringversuch reicht die Bestimmung des z-score aus, der ≤ 2 sein sollte. Durch diese Maßnahmen zur Eigenkontrolle im Labor trägt die LAZBW Wangen zum vorbeugenden Gesundheitsschutz bei. Landinfo 3 | 2015 Bild: M. Schabel Bemerke, wie die Tiere das Gras abrupfen! So groß ihre Mäuler auch sein mögen, OEAPQJ@AN-Ń=JVAOAH>OPJEAAPS=OVQHAE@AAJPSQNVAHJOEAJEAI=HO So handle auch der starke Mensch gegen alles, was Natur heißt, OAEJAECAJAO$AO?DHA?DPRKN=J Er verstehe die Kunst, vom Leben zu nehmen, ohne ihm zu scha@AJ Christian Morgenstern