Ausgabe 3 | 2015 Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung

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Ausgabe 3 | 2015
Landinfo
Serie zum Internationalen Jahr des Bodens
Schwerpunktthema: Grünlandbewirtschaftung
Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Impressum
Herausgeber
Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und
der ländlichen Räume (LEL)
Oberbettringer Str. 162
73525 Schwäbisch Gmünd
Telefon: 07171/ 917-100
Telefax: 07171/ 917-101
Schriftleitung
Susanne Mezger
Telefon: 07171/ 917-114
E-Mail: [email protected]
Redaktionsbeirat
Werner Balbach, LRA Schwäbisch Hall
Gottfried Bleyer, WBI Freiburg
Martina Burkhardt, RP Stuttgart
Jürgen Käßer, LEL Schwäbisch Gmünd
Robert Koch, LVG Heidelberg
Andreas Maier, RP Karlsruhe
Walter Maier, LRA Schwarzwald-Baar-Kreis
Uwe Michelfelder, LVWO Weinsberg
Michael Asse, LSZ Boxberg
Daniela Schweikhart, LRA Biberach
Renate Lindner, LAZBW Baden-Württemberg
Layout
Ramona Maier
E-Mail: [email protected]
Hinweis
Alle Artikel werden im Intranet der Landwirtschaftsverwaltung bei:
online-Service/Publikationen/Landinfo eingestellt. Bereits erschienene
Artikel können dort recherchiert werden, die Abbildungen erscheinen farbig.
Ältere Jahrgänge der Landinfo sind allgemein zugänglich unter:
www.landinfo.landwirtschaft-bw.de
Die namentlich gekennzeichneten Beiträge geben die Auffassung der Autoren wieder.
Für die fachliche Richtigkeit zeichnet die Redaktion nicht verantwortlich.
Druck
e. kurz + co. druck und medientechnik gmbh
Kernerstr. 5, 70182 Stuttgart
Erscheinungsdatum
Juli 2015
ISSN 0947-9392
Titelbild
S. Mezger, LEL
Landinfo 3/2015
Editorial
Näher am Himmel
Es ist schon etwas Besonderes, wenn man wie ich neulich bei der Europäischen Grünlandtagung im
holländischen Lelystad auf einem Polder steht und vor sich - so weit das Auge reicht - ausschließlich
hochertragreiches Deutsches Weidelgras auf total ebenen und bestens befahrbaren Flächen sieht. Dazwischen weiden schwarzbunte Kühe und fressen bestes Gras, das genau im richtigen Wuchsstadium
steht.
Es ist aber auch was Besonderes, wenn man, wie neulich beim baden-württembergischen Grünlandtag,
gut gepflegte Wiesenflächen zwischen Streuobstwiesen und auf Hanglagen sieht und erkennt, mit welchem unglaublichen Aufwand und großem Fleiß die heimischen Bauern ihre oftmals nicht arrondierten
Flächen bewirtschaften. Hier wie dort ist Grünland landschaftsbildend und landschaftsprägend. In
beiden Fällen dient es der Ernährung der Nutztiere und letztlich wird da wie dort Milch oder Fleisch
produziert und Bauernfamilien leben davon. Aber es versteht sich von selbst, dass die Bewirtschaftungsrezepte in Baden-Württemberg anders sein werden und müssen als in den Niederlanden. Die beiden
Regionen sind also nicht ohne weiteres vergleichbar. Trotzdem können wir von den Holländern auch
etwas lernen: Effiziente Grünlandnutzung bedeutet Steigerung des Outputs bei gegebenem Faktoreinsatz. Also mehr Grundfutter je eingesetztem Kilo Stickstoff oder Phosphat oder mehr Milch und Fleisch
je Flächeneinheit. Das gelingt bei staatlicherseits geforderter begrenzter Düngeintensität nur mit mehr
Leguminosen im Futter und der Nutzung bester Grasarten und Sorten.
Auf der anderen Seite können aber auch die Holländer was von uns lernen, nämlich dass Einsatz und
Ideenreichtum schon immer eine süddeutsche Eigenschaft sind. Ich will hier an das am Grünlandtag
gezeigte Spezialmähwerk zum Ausmähen der mehr als 1.000 Obstbäume auf dem Betrieb der Familie
Ilg in Hattenhofen erinnern. Und bei uns strebt man nicht nur einen hohen Grasanteil im Futter an,
sondern Kräuter können oder sollen mit etwa 20% Ertragsanteil im Futter enthalten sein. Das sehen die
Holländer einerseits mit Skepsis, andererseits beneiden sie uns zum Teil darum. Denn wie anders wäre
es zu erklären, wenn auf dem Polder jetzt Mischungen mit Spitzwegerich angesät und als besonders
fortschrittlich weil natriumhaltig empfunden werden? Und falls Sie jetzt fragen, worin unser größeres
Kräuterwachstum begründet ist, dann kommt man unweigerlich auf pflanzenbauliches Grundwissen
und stellt als maßgeblichen Einflussfaktor die höhere Einstrahlungsintensität fest. Oder ganz einfach:
Baden-Württemberg ist einfach näher am Himmel als Holland! Mal ehrlich, haben wir das nicht schon
immer gewusst? 
Prof. Dr. Martin Elsäßer
Prof. Dr.
Martin Elsässer
LAZBW Aulendorf
Tel. 07525/ 942351
Martin.Elsaesser@
lazbw.bwl.de
Landinfo 3 | 2015
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Editorial1
Aktuelles
Kurz mitgeteilt
Serie zum Internationalen Jahr des Bodens
3
Historischer Bergbau und Belastung von Böden und Pflanzen in den Schwarzwaldseitentälern
Michels
5
Untersuchungen des PFC-Transfers vom Boden in Nutzpflanzen
Trenkle
7
Schwerpunktthema
Langzeitversuch Bewirtschaftung eines Halbtrockenrassens
Seither
10
Beeinflussung der Funktionalität von Grünlandböden
Elsässer
14
Grünland und Futterbau in Farmsystemen mit hohem Output
Elsässer
23
Von der Streuobstwiese zum Geotop
Greiner
26
Mitten im Leben
Ernährungsinformation28
Rezensionen / Personal
30
Ländlicher Raum
Wetterdaten und ihr Nutzen für Beratung und Praxis
Hintemann
32
Bleyer
36
Pflanzen- und Tierproduktion
Der neue Sachkundenachweis - eine Zwischenbilanz 350 Tage nach Einführung Löcher-Bolz
des bundesweiten Online-Verfahrens
38
FERBA-Treffen der Zuchtvereinigungen für Bergrinderrassen im Wallis
Maus
40
Schumann
42
Elias
44
Nickel
46
Anderlohr
50
Rösch, Reinke
52
Regenradar
Neu
- eine wertvolle Ergänzung in „VitiMeteo“
Haltungsanforderungen an eine tiergerechte Forellenzucht - was brauchen Fische zum Wohlfühlen?
Hauswirtschaft und Ernährung
Fünf Jahre Arbeit mit Kopf, Herz und Hand - in und außerhalb der Küche
Situation der Weinerlebnisführer/innen
Tag der Schulfruchttag
Bildung und Beratung
Positive Bilanz der Ausbildungskooperation „Landwirtschaft macht Schule“
Durchhalten wird belohnt - 5. Jahrgang „Systemischer Coach in der Landwirtschaft“ an der LEL hat abgeschlossen
Enderle
59
Lackenbauer
61
Aus den Landesanstalten
Listerienproblematik in Hofkäsereien
Buck
63
Laborworkshop am LAZBW Wangen zur Erhöhung der Lebensmittelsicherheit
Buck
64
Als Gastlehrer im thailändischen Bildungsministerium
Letzte Seite
Redaktionsschluss der Ausgabe 4/2015: 21.09.2015
2
Landinfo 3 | 2015
Aktuelles
Aktuelles
Jahrestagung der AG Grünland und
Futterbau Ende August in Aulendorf
Von 27. bis 29. August findet in Aulendorf die
Jahrestagung der AG Grünland und Futterbau in
der Gesellschaft der Pflanzenbauwissenschaften
statt. Die Tagung findet jährlich statt und dient
den deutschsprachigen Grünlandwissenschaftlern
als Plattform für Wissensaustausch und die Präsentation von neuen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen.
Das Tagungsprogramm ist im Prinzip dreigeteilt.
Es gibt zum einen eine Vortragstagung, bei der die
Aulendorfer Kollegen und geladene Redner sprechen werden. U.a. werden aber auch junge Wissenschaftler ihre Themen aus verschiedenen Dissertationen und Forschungsvorhaben vortragen. Im
Programm sind auch Kollegen aus der Schweiz,
aus Luxemburg und Südtirol sowie aus ganz
Deutschland.
Des weiteren werden 44 wissenschaftliche Poster
gezeigt und die Thesen und Ergebnisse werden
direkt in zwei Sektionen am Poster diskutiert. Im
dritten Teil werden die aktuellen Aulendorfer Versuche zu u.a. der Eiweißstrategie und Ansaat von
Leguminosen in Dauergrünland, ein Grünlandverbesserungsversuch unter Praxisbedingungen,
Maisersatzpflanzen, langjähriger Vergleich von
Grünlandansaatmischungen, Eignung von Rohrschwingel bei Beweidung und bei Möglichkeiten
der Konservierung solcher Aufwüchse besichtigt.
Eine Ganztagesexkursion am Samstag zu einer
Käserei, einem Fohlenaufzuchtbetrieb und ins
Wurzacher Ried mit Darstellung der Wasserkreuzkrautproblematik und Besichtigung eines Dairyman-Betriebes runden das Programm ab.
Anmeldungen zur Tagung sind noch möglich,
sollten aber möglichst bald erfolgen. Die Tagung
kann als Fortbildung für Berater gelten. Unterlagen zur Anmeldung, den Kosten sowie das gesamte Tagungsprogramm finden sich auf der Homepage des LAZBW Aulendorf (www.lazbw.de/
Aktuelles). Die einzelnen Programmsegmente
können separat gebucht werden. 
Landinfo 3 | 2015
Widerstand gegen Glyphosat wächst
Verbote gefordert
(aid) - Der Pflanzenschutzmittelwirkstoff Glyphosat gerät zunehmend in die Kritik. Jüngst wurde er von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Die Verbraucherzentrale Niedersachsen fordert daher ein sofortiges Verbot der
Anwendung von Gyphosat in Privatgärten und
auf öffentlichen Flächen und keine Verlängerung
der Genehmigung als Pflanzenschutzmittel.
Ein sofortiges Verbot der Abgabe von glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmitteln an Privatpersonen fordert auch Verbraucherminister Alexander Bonde, Baden-Württemberg, nachdem in
Muttermilch-Proben Rückstände des Wirkstoffs
festgestellt worden waren.
Der Minister wies auch darauf hin, dass sich die
Verbraucherschutzministerkonferenz von Bund
und Ländern (VSMK) für ein vorläufiges Verbot
der Glyphosat-Anwendung für Freiflächen, die
nicht land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden, bis eine abschließende Neubewertung vorliege, ausgesprochen habe. „Die Gefahr einer unsachgemäßen Anwendung in Haus- und Kleingärten ist zu groß. Ohne die notwendige Sachkunde
können sich Anwenderinnen und Anwender
selbst Schaden zufügen. Besonders besorgniserregend ist, dass spielende Kinder oder Haustiere in
Kontakt mit Glyphosat kommen können“, so
Bonde in einer Pressemitteilung. Er betonte, dass
ein Verbot der Abgabe an Privatpersonen zwingend notwendig sei. Die aktuellen MuttermilchProben würden dies nochmals unterstreichen.
Glyphosat als Unkrautvernichtungsmittel ist nicht
nur in landwirtschaftlichen Kulturen zugelassen,
sondern auch für die Anwendung im Privatgarten
in jedem Baumarkt erhältlich. Vor der Zulassung
war der Wirkstoff auf Unbedenklichkeit getestet
worden, inzwischen liegen jedoch auch Studien
vor, die einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Glyphosat und der Veränderung des
Erbguts nachgewiesen haben. Darauf stützt sich
auch die IARC mit ihrer Einschätzung.
http://mlr.baden-wuerttemberg.de/de/unserservice/presse-und-oeffentlichkeitsarbeit/pressemitteilung/pid/besorgniserregende-rueckstaende-des-unkrautvernichters-glyphosat-in-muttermilch-proben-gefunden/
aid-Newsletter Nr 27 
3
Aktuelles
LEL-MAPS
Im Kartendienst der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume (LEL) wurde das Angebot an Karten im Bereich PFLANZLICHE ERZEUGUNG wesentlich erweitert. Seit Anfang März stehen für über 55
Kulturen der landwirtschaftlichen Erzeugung
Karten bereit, die den Anbau der letzten zehn
Jahre dokumentieren. Grundlage sind die Daten
des Gemeinsamen Antragverfahrens auf Ebene
der Gemeinden Baden-Württembergs. Die Karten zeigen die Gesamtanbaufläche der jeweiligen
Kultur in ha je Gemeinde.
Abbildung 1
Obst in den Gemeinden
Baden-Württemberg.
4
Zur besseren Übersicht wurden die Kulturen analog der InVeKoS-Liste nach den Kulturgruppen
Allgemein (Sonstige Flächen, Brachflächen), Getreide (einschließlich Mais), Hackfrüchte, Ölsaaten (einschließlich Sojabohnen), Eiweißpflanzen,
Dauergrünland (einschließlich Ackerfutter) und
Dauerkulturen (einschließlich Handelsgewächse
und Obst) gruppiert.
Die einzelnen Kulturen können aus eine Liste ausgewählt werden. Eine Übersicht zur Einteilung
kann im Reiter INFO mit dem Link LISTE DER
NUTZCODES aufgerufen werden.
Die Maiskulturen Körnermais (NC 171), CCM
(NC 172), Zuckermais (NC 174), Saatmais (NC
919) und Silomais (NC 411) sind zu Mais gesamt
zusammengefasst. Eine Zusammenfassung der
Einzelkulturen wird auch im Fall der Kartoffeln
praktiziert. Die Karten werden künftig einmal
jährlich aktualisiert.
Den Kartendienst der LEL finden Sie in gewohnter Weise unter Infodienst Landwirtschaft – Ernährung – Ländlicher Raum Baden-Württemberg
https://www.landwirtschaft-bw.info/pb/,Lde/
Startseite
Dort weiter unter Ländlicher Raum > LEL MAPS
> Pflanzliche Erzeugung.
Richard Müller, LEL 
Landinfo 3 | 2015
Aktuelles
Dr. Klaus Michels
Historischer Bergbau und Belastung von Böden und
Pflanzen in den Schwarzwaldseitentälern
Mehr als 5000 Jahre lang blühte im Schwarzwald der Bergbau. Als langfristige Folge des Bergbaus
sind die Böden in den Regionen entlang des Oberrheingrabens teilweise großflächig
durch Schwermetalle belastet. In den Jahren 2010 bis 2014 wurden am landwirtschaftlichen
Technologiezentrum Augustenberg Böden sowie pflanzliche Produkte (Obst, Gemüse, Getreide und
Grünaufwüchse) auf die Einhaltung gesetzlich vorgegebener Grenzwerte untersucht.
Analytik
Z
ur Freisetzung der Schwermetalle wurden Böden mit Königswasser in der Siedehitze unter
Rückfluss, zur Freisetzung der Analyte aus den
Pflanzen mit Salpetersäure unter Mikrowellenheizung und Druck extrahiert. Zur analytischen Bestimmung der Schwermetalle Arsen, Blei, Cadmium, Kupfer, Zink, Chrom und Nickel wurde die
Induktiv gekoppelte Plasmaemissionsspektrometrie mit Massendetektion und zur Messung von
Quecksilber die Atomfluoreszenzspektrometrie
eingesetzt.
Landinfo 3 | 2015
Hohe Blei- und Cadmiumwerte
Die Schwermetallgehalte der untersuchten Böden
liegen zum Teil erheblich über den Vorsorgewerten für Blei und Cadmium, die Chrom-, Quecksilber- und Kupfergehalte sind eher unauffällig,
Zinkgehalte liegen teilweise deutlich über dem
Vorsorgewert. Bei etwa der Hälfte der untersuchten Böden sind bedenklich niedrige pH-Werte
gemessen worden, somit steigt die Anzahl Böden
mit möglicherweise problematischen Cadmiumgehalten. Probengehalte, die signifikant den
Grenzwert überschreiten werden mit roter Farbe,
Seit dem Mittelalter wird im
Schwarzwald Bergbau
systematisch betrieben. Seine
Anfänge reichen jedoch schon
in die Zeit vor der römischen
Besiedlung zurück.
Bild: K. Michels
5
Aktuelles
Abbildung 1
Bleigehalte in pflanzlichen
Lebensmitteln [mg/kg in der
Frischmasse].
Abbildung 2
Cadmiumgehalte in
pflanzlichen Lebensmitteln
[mg/kg in der Frischmasse].
die signifikant unter dem Grenzwert liegen mit
grüner und die verdächtig der Grenzwertverletzung sind mit oranger Farbe gekennzeichnet
(Abb. 1 und 2).
Dr. Klaus Michels
LTZ Karlsruhe
Tel. 0721/ 9468-142
Klaus.Michels@LTZ.
BWL.DE
6
Die untersuchten Obstproben waren unbedenklich bezüglich ihres Blei- und Cadmiumgehaltes.
Fast die Hälfte der untersuchten Getreideproben
zeigt ein deutliches Cadmium-Problem, ein Drittel
der Getreideproben sind bezüglich ihres Bleigehaltes zu beanstanden. Von den Gemüseproben
war ein Drittel bezüglich des Bleigehalts nicht verkehrsfähig. Die zu beanstandenden Cadmiumgehalte liegen bei den gleichen Proben deutlich unterhalb von 20%. Kartoffeln, Spargel und Möhren
werden normalerweise geschält verzehrt. Früh-
kartoffeln werden oft ungeschält verwendet, Spargelschalen zur Bereitung von Suppen eingesetzt.
Für einige Kartoffel- und Spargelproben wurden
deshalb sowohl verzehrfähige Frucht als auch zugehörige Schalen auf Schwermetallgehalte untersucht. Geschälter Spargel und Kartoffeln auf mit
Blei hochbelasteten Flächen ergaben unbedenkliche Blei- und Cadmiumgehalte während die zugehörigen Schalen zum Teil deutlich die Höchstmengen an Schwermetallen überschritten.
Auf 57 untersuchten Flächen mit Grünland zur
Futtererzeugung oder Beweidung konnte keine
Quecksilberbelastung nachgewiesen werden,
20% der Proben zeigen Belastungen mit Arsen,
Blei und Cadmium. 
Landinfo 3 | 2015
Schwerpunktthema
Dr. Armin Trenkle
Untersuchungen des PFC-Transfers vom Boden in
Nutzpflanzen
In den Jahren 2006 bis 2008 wurden im Bereich Mittelbadens Papierschlämme auf landwirtschaftliche
Flächen ausgebracht. Erst 2013 wurde nach umfangreichen Untersuchungen von Trink- und
Grundwasser festgestellt, dass die Papierschlämme perfluorierte Chemikalien (PFC) enthalten haben
mussten. Denn im Einzugsgebiet der Grundwasserströme wurden mit PFC kontaminierte Agrarflächen ausgemacht. Daraufhin wurde das LTZ Augustenberg letztes Jahr beauftragt den möglichen
Transfer der PFC vom Boden in Nutzpflanzen zu untersuchen. Diese Untersuchungen stellten das
Labor der LTZ vor neue analytische Herausforderungen.
P
oly- und perfluorierte Chemikalien (PFC)
wurden schon seit mehr als 60 Jahre industriell
hergestellt. Wegen ihrer einzigartigen chemischen
und physikalischen Eigenschaften wurden sie vielfach sowohl in industriellen Prozessen als auch in
Produkten verwendet. PFC sind somit Industriechemikalien anthropogenen Ursprungs, verhalten
sich wie Tenside und sind daher oberflächenaktiv.
Durch ihre Carbon- oder Sulfonsäuregruppen
sind PFC hydrophil und durch die Kohlenstofffluorkette auch lipophil. Die daraus resultierenden
wasserabweisenden Eigenschaften sowie die feuerlöschende Wirkung führte zu vielen Verwendungen der PFC z.B. zum Imprägnieren von
Textilien, Leder und Teppichen, beim Korrosionsschutz und Beschichtung von Metallen, in der
Papierproduktion, als Bestandteil von Flammschutzmittel, z. B. in Feuerlöschschäumen
u.a.Toxikologisch sind am besten die beiden Leitsubstanzen Perfluoroktansäure (PFOA) und Perfluorsulfonsäure (PFOS) untersucht (Efsa, 2008;
Stahl, 2015; Wölfle, 2014). Für diese beiden
PFC gibt es auch eine Risikobewertung. Die akute
Toxizität der PFC wurde bislang als mäßig beurteilt. Die Substanzen reichern sich vor allem im
Blut und in der Leber weniger im Fettgewebe an.
Untersuchung des PFC Transfers
Daraufhin wurde das LTZ Augustenberg letztes
Jahr beauftragt den möglichen Transfer der PFC
vom Boden in Nutzpflanzen zu untersuchen. Die
Analysenverfahren waren bekannt. Das LTZ arbeitete in den entsprechenden Gremien des VDLUFA und des DIN an der Entwicklung der PFCMethoden aktiv mit. Trotzdem waren die PFCUntersuchungen eine besondere Herausforderung. Denn bislang bekam das LTZ nur vereinzelt
Untersuchungsaufträge für PFC-Analysen. Zudem waren die amtlichen Methoden nur für Futtermittel, Klärschlamm, Kompost und Boden
Extraktreinigung mit
Anionenaustauscher.
Bild: J. Jenrich
Im Jahr 2013 wurde nach umfangreichen Untersuchungen von Trink- und Grundwasser festgestellt, dass Papierschlämme, die in früheren Jahren
als Dünger auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht wurden, perfluorierte Chemikalien (PFC)
enthalten haben mussten. Denn im Einzugsgebiet
der Grundwasserströme wurden mit PFC kontaminierte Agrarflächen ausgemacht. Auf diesen
wurden ausnahmslos Papierschlämme ausgebracht.
Landinfo 3 | 2015
7
Aktuelles
Bestimmungsmethoden
LC-MS-MS-Messgerät zur
Bestimmung von PFC.
Bild: A. Trenkle
Hohe Mobilität bei den
kurzkettigen PFC führt zu
Konzentration in den
Nutzpflanzen und zu
Auswaschung im Boden.
8
validiert d.h. getestet worden. Daher mussten zunächst in erheblichem Umfange Validierungsbzw. Verfizierungsanalysen insbesondere für wasserhaltige Erntegüter durchgeführt werden. Dabei
wurden für die verschiedenen Probenarten die
Wiederfindungen der PFC und die wichtigsten
statistischen Kenndaten ermittelt.
Zunächst wurden die Böden und die Ernteprodukte lediglich auf die Leitsubstanzen PFOA und
PFOS geprüft, die für Lebens- und Futtermittelkontrolle von Bedeutung waren. Doch schon bald
wurde vermutet, dass vor allem die kurzkettigen
PFC wie Perfluorbutansäure (PFBA), Perfluorpentansäure (PFPeA) und Perfluorhexansäure
(PFHxA) mit der Wasseraufnahme in die Nutzpflanzen übergehen. Deshalb wurde die Futtermittelmethode auf diese und 8 weitere PFC ausgeweitet, die im Raum Rastatt und Baden-Baden
gefunden wurden: Perfluorbutansäure (PFBA),
Perfluorpentansäure (PFPeA), Perfluorhexansäure (PFHxA), Perfluorheptanäure (PFHpA), Perfluoroctansäure (PFOA), Perfluornonansäure
(PFNA), Perfluordecansäure (PFDA), Perfluorundecansäure (PFUnA), Perfluordodecansäure
(PFDoA), Perfluorbutansulfonsäure (PFBS), Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS), Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), Perfluordecansulfonsäure
(PFDS). Dazu waren wiederum eine große Zahl
Analysen zur Bestätigung der Qualität und Leistungsfähigkeit des Analysenverfahrens notwendig. Innerhalb von zwei Monaten konnten diese
Arbeiten abgeschlossen werden, obwohl kein zusätzliches Personal zur Verfügung stand und wichtige Kontrolluntersuchungen im Rahmen der amtliche Futtermittelkontrolle und der verschiedenen
Fachrechtskontrollen im Pflanzenschutz anstanden.
Die Bestimmungsmethoden von PFC im pflanzlichen Material (VDLUFA, 2011) und Boden (DIN,
2011) unterscheiden sich nur bei der Probenaufarbeitung. Pflanzenproben werden in Gegenwart
von Trockeneis zu einem Pulver zerkleinert. Nach
der Gefriertrocknung werden die Böden fein gemahlen. Die so vorbereiteten Proben werden
dann mit Ultraschall und in Gegenwart des Lösemittels Acetonitril extrahiert. Die Rohextrakte
werden mit Anionenaustauschersäulen gereinigt
(Bild 1). Erst dann können die Extrakte mit einem
LC-MS-MS-Gerät (vgl. Bild 2) auf die PFC untersucht werden. Eine solche Gerätekombination
besteht aus einem Flüssigkeitschromatographen
(LC) und einem Tandem-Massenspektrometer
(MS-MS). Die LC-Einheit trennt die PFC voneinander. Das MS-MS-System identifiziert und quantifiziert die PFC über deren charakteristische Massenfragmente.
Ergebnisse
Seit Frühjahr 2014 bis jetzt wurden 246 Bodenproben und 242 Pflanzenproben untersucht. In
111 (45,1%) Böden wurden PFC bis zu einem
Summenwerte von 467 µg/kg nachgewiesen. Wie
angenommen wurden in 70 (28,9%) Nutzpflanzen vor allem die kurzkettigen Verbindungen in
Konzentrationen über den Beurteilungswerten
gefunden, obwohl diese in den entsprechenden
Böden überhaupt nicht oder lediglich in geringen
Mengen festgestellt wurden. Dagegen waren an
diesen Standorten die langkettigen Komponenten
gut nachweisbar. In zwei Gewächshäusern waren
die Oberböden mit mehr kurzkettigen Komponenten kontaminiert als mit langkettigen. In der
Schicht von 30 – 60 cm waren keine nachweisbaren Mengen an PFC vorhanden. Die dort angepflanzten Tomaten (vgl. Gehalte in Tab.) wurden
mit PFC-haltigem Wasser beregnet und über den
Pfad Boden Pflanze mit PFC kontaminiert. Dies
waren jedoch zwei Sonderfälle.
Nach den von uns durchgeführten Untersuchungen waren ab einem PFC-Summenwert von
70 µg/kg im Boden 2 – 4 µg/kg der kurzkettigen
PFC im Spargel zu finden. Der Spargel von der
mit 467 µg/kg PFC am höchsten belasteten Fläche war überraschend unbelastet. Hier waren die
kurzkettigen PFC schon ausgewaschen. Bei den
Erdbeerkulturen war die Aufnahme schon ab
PFC-Bodenwerten von 12 µg/kg zu beobachten.
Dort wurden 5 – 6 µg/kg kurzkettige PFC in den
Erdbeeren gefunden.
Landinfo 3 | 2015
Aktuelles
PF
Probe
BA
PeA
HxA
HpA
OA
NA
DA
UnA
DoA
BS
HxS
OS
DS
Weizenkorn
50
46
6
uB
2
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Weizenkorn
52
43
11
uB
9
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Weizenkorn
70
64
7
uB
2
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Tomaten
2
13
6
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Tomaten
25
64
7
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Topinambur
30
9
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
2
uB
Spargel
3
10
4
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Spargel
5
12
6
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Spargel
3
10
4
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Spargel
6
12
6
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Spargel
8
21
9
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Spargel
ungeschält
6
18
8
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Spargel
geschält
5
12
6
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Spargel
ungeschält
4
8
5
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Spargel
geschält
3
7
3
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Grünspargel
9
9
4
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
2
uB
Erdbeeren
15
25
4
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Erdbeeren
16
25
3
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Erdbeeren
16
24
4
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Erdbeeren
9
15
2
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
2
uB
Erdbeeren
10
14
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
Erdbeeren
9
14
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB
uB = unterhalb der Bestimmungsgrenze, d.h. < 2 µg / kg
Unsere Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die
gut wasserlöslichen kurzkettige PFC in Spuren aus
dem Boden in die Pflanzen transportiert werden
und dort durch Verdunsten des Wassers angereichert werden können. Neuere Arbeiten bestätigen
dies (Stahl, 2015). Sie zeigen, dass die kurzkettigen PFC in manchen Pflanzen mobil sind, die
langkettigen wie PFOA, PFNA, PFDA, PFUnA,
PFDoA und PFOS vorwiegend in den Wurzeln
verbleiben.
Momentan kann das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wegen der lückenhaften Datenlage
für die in Baden-Württemberg festgestellten Gehalte von kurzkettigen PFC in Nutzpflanzen noch
keine endgültige Bewertung des Risikos für den
Verbraucher abgeben. Inzwischen hat das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz des Landes Baden-Württemberg (MLR)
Beurteilungswerte für die kurzkettigen PFC für
Landinfo 3 | 2015
2015 Beurteilungswerte festgelegt: PFBA
13,2 µg/kg; PFBS 5,7 µg/kg; PFPeA 5,7 µg/kg;
PFHxA < 2µg/kg; PFHxS < 2 µg/kg; PFHpA
< 2 µg/kg jeweils bezogen auf das Frischgewicht.
Liegen die Befunde abzüglich der Messunsicherheit von 25% über diesen Werten, kommen von
den entsprechenden Äckern die landwirtschaftlichen Produkte nicht in den Handel.
Tabelle
Auswahl positiver Befunde
2014 und 2015 von PFC in
pflanzlichem Material in
µg/kg bezogen auf das
Frischgewicht.
Zusätzlich zu dem schon ab Frühjahr 2015 laufenden Vorerntemonitoring hat das MLR das LTZ
Augustenberg mit einem dreijährigen Forschungsprojektes beauftragt, das die Mobilität der PFC
unter Freilandbedingungen und auch bei Beregnung mit PFC-haltigem Wasser erforschen soll.
Hinweis
Das Literaturverzeichnis
erhältlich. 
ist beim
Autor
Dr. Armin Trenkle
LTZ Augustenberg
Tel. 0721/ 9468-141
[email protected]
9
Schwerpunktthema
Melanie Seither
Langzeitversuch Bewirtschaftung eines
Halbtrockenrasens
Effekte von 31 Jahren unterschiedlicher Bewirtschaftung
Kalkmagerrasen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen in Europa; häufig weisen sie
Vorkommen von seltenen und bedrohten Arten auf wie z. B. Orchideen. Daher stehen sie unter
Naturschutz (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie 1992) und sind so zu bewirtschaften, dass die
Pflanzenartenvielfalt erhalten bleibt. Aus landwirtschaftlicher Sicht sind Kalkmagerrasen aufgrund
ihres geringen Ertragspotentials heutzutage von geringem Interesse.
Schachbrettfalter auf einer
Skabiosen-Flockenblume,
einer Magerkeitanzeigenden typischen Art
der Halbtrockenrasen.
Bild: M. Seither
10
I
hr Erhalt ist daher durch Bewirtschaftungsveränderungen und Nutzungsaufgabe bedroht und
kann in der Regel nur noch über Landschaftspflegeverträge gesichert werden. Dies ist der Hintergrund der im Jahr 1983 von der damaligen Staatlichen Versuchsanstalt für Grünlandwirtschaft und
Futterbau in Aulendorf in Zusammenarbeit mit
der landwirtschaftlichen Bezirksverwaltung angelegten Beobachtungsflächen auf einem Kalkmagerrasen im Naturschutzgebiet Filsenberg in Mössingen (Schwäbische Alb, Baden-Württemberg).
Folgende Fragen sollten beantwortet
werden:
1.Ist Mulchen als arbeitsextensivere Alternative
zu Mahd mit Heugewinnung zum Erhalt eines
Halbtrockenrasens geeignet?
2.Welche Düngermengen verträgt ein Halbtrockenrasen ohne sich aus floristischer Sicht zu
verändern?
3.Wie wirkt sich Düngung auf den Ertrag und die
Futterqualität aus?
Landinfo 3 | 2015
Schwerpunktthema
Düngung
(kg/ha/a)
Nutzung
Anlage
1. SUL
keine (Sukzessionen)
2. MUL
Mulchen
-
1983
3.M
Mahd
1983
-
1983
4. M+PK1
P/K: 10/16
1983
5. M+PK2
P7K 16/64
1991
6. M+NPK1
N7P/K 10/10/16
1983
7. M+NPK2
N/P/K 20/20/32
1983
8. M+NPK3
N/P/K 40/16/64
1991
Die untersuchten Varianten unterscheiden sich
hinsichtlich der Nutzungsart und Düngung
(Tab. 1). Die Varianten zwei bis acht werden einmal jährlich im Juli genutzt, die mineralische Düngung erfolgt jährlich im Frühjahr. Als Stickstoffdünger dient Kalkammonsalpeter, als Phosphordünger Novaphos und als Kaliumdünger Kornkali. Auf 25 m² der insgesamt je 126 m² großen
Parzellen wurden Vegetationsaufnahmen mit Ertragsanteilschätzungen der Pflanzenarten durchgeführt. Für die im Folgenden betrachteten Parameter wurden aggregierte Mittelwerte aufeinanderfolgender Zeitspannen betrachtet, um Schwankungen in den Ertragsanteilen bzw. dem
Vorkommen mancher Arten zwischen den Versuchsjahren zu relativieren.
Im Laufe der Untersuchung kam es in allen Varianten zu einer Abnahme der Pflanzenartenzahl
(Tab. 2) in Verbindung mit einer Zunahme des
Gräseranteils, insbesondere bei Sukzession und
höheren Düngergaben. Dies waren auch diejenigen Varianten, bei denen es zur deutlichsten Veränderung der Artenzusammensetzung im Bestand
gekommen ist. Bei hoher Düngung (PK2, NPK2,
NPK3) ging der Ertragsanteil der typischen Arten
der Trocken- und Halbtrockenrasen zugunsten
der Fettwiesenarten zurück (Tab. 2), d.h. also Arten mit höherem Nährstoffanspruch drängten
Magerkeit-anzeigende zurück. Die gewichtete
Nährstoffzahl („NZ“ nach Ellenberg: NZ=1 zeigt
nährstoffärmste Standorte an, NZ=9 übermäßig
nährstoffreiche Standorte) des Bestands nahm
dementsprechend mit der Höhe der Düngung zu
(2011-2013 lag sie bei NPK3 bei 4.1 und bei PK2
bei 5.1), bei der ungedüngten Variante blieb sie
relativ stabil bei 3.0. Bei hoher Düngung entstehen
dichte, hochwüchsige Bestände, wodurch konkurrenzschwache, an geringe Nährstoffverfügbarkeit
angepasste Pflanzenarten auf Dauer verdrängt
Landinfo 3 | 2015
werden. Nutzungsaufgabe förderte die schnittempfindliche Fiederzwenke (MahdverträglichkeitZahl 3) und die Aufrechte Trespe (Zunahme um
40% vom Untersuchungsbeginn bis zum Zeitraum 2011-2013), beides Arten der Trocken- und
Halbtrockenrasen, wodurch deren Anteil insgesamt zunahm (Tab. 2). Die Nutzungsaufgabe
führte zur Bildung einer dichten Streuauflage und
dem Rückgang einer Vielzahl lichtliebender Leguminosen- und Kräuterarten, vor allem typischer
Arten der Halbtrockenrasen. Die Sukzession
schritt - vermutlich infolge des dichten Gräserbestands, der eine Keimung von Gehölzen weitgehend verhinderte, nur langsam voran. So lag der
Gehölzanteil nach über 30 Jahren bei nur etwa 1%.
Geringe PK- bzw. NPK-Düngung erhielt die Vielfalt an Pflanzenarten insgesamt und die Vielfalt an
Trocken- und Halbtrockenrasenarten von allen
Varianten am besten (Tab. 2). Dies ist in Übereinstimmung mit der Erkenntnis, dass Kräuter und
Leguminosen, welche wesentlich zu der hohen
Pflanzenartenvielfalt beitragen, einer ausreichenden Nährstoffversorgung mit Phosphor und Kalium bedürfen. PK1 führte im Vergleich zu Mahd
ohne Düngung dementsprechend zu einem höheren Leguminosenanteil als die ungedüngte Variante. Bei höherer PK-Düngung zeigte sich dieser
Effekt nicht; an diesem P-limitierten Standort
förderte sie konkurrenzstärkere Pflanzenarten
(sh. oben). Mahd ohne Düngung resultierte im
Vergleich mit geringer Düngergabe (PK1 bzw.
NPK1) in gut 30% höherem Ertragsanteil der
Trocken- und Halbtrockenrasenarten zulasten der
Fettwiesenarten. Dies lag im Wesentlichen an der
höheren Zunahme der Aufrechten Trespe.
Tabelle 1
Untersuchte Varianten (ohne
Wiederholung); Varianten fünf
und acht sind an den
Entzugswerten 1-2-schüriger
Magerwiesen orientiert und
kamen erst 1991 hinzu.
Im Laufe der
Untersuchung kam es in
allen Versuchsvarianten
zu einer Abnahme der
Artenzahl.
Geringe PK bzw. NPKDüngung erhielt die
Artenvielfalt am besten.
Mulchen war Mahd ohne Düngung hinsichtlich
der Bestandszusammensetzung am ähnlichsten
und scheint daher in Übereinstimmung mit Er11
Schwerpunktthema
kenntnissen anderer Autoren als alternative Nutzungsmethode zum Erhalt von Halbtrockenrasen
geeignet zu sein. Die Gesamtartenzahl, ebenso
wie die Anzahl an Arten der Trocken- und Halbtrockenrasen und der Fettwiesen ging jedoch bei
beiden Varianten mit am deutlichsten zurück (siehe Tab. 2).
Die zweiblättrige
Waldhyazinthe ist eine
seltene Art der
Halbtrockenrasen und steht
auf der Vorwarnliste. Sie
wurde bis zuletzt in der
Mulch-Variante gefunden.
Bild: M. Seither
Der Ertragsanteil von Trocken- und Halbtrockenrasenarten war von den bewirtschafteten Varianten bei beiden zuletzt am höchsten und insgesamt
kaum verändert, da der Rückgang einiger Halbtrockenrasenarten durch die Zunahme der Aufrechten Trespe ausgeglichen wurde. Der Ertragsanteil
einiger Leguminosenarten ging bei Mulchen leicht
zurück, wodurch ihr Anteil 2011-2013 insgesamt
niedriger war als bei Mahd ohne Düngung. Dies
könnte einerseits durch die – zumindest zeitweise
- schlechteren Licht- und Konkurrenzbedingungen für niedrigwüchsige Arten infolge des liegen
bleibenden Mulchmaterials oder die damit verbundene höhere Bodenfeuchte und bessere Nährstoffversorgung begründet sein, wodurch konkurrenzkräftigere Pflanzenarten gefördert wurden.
So kam es bei Mulchen im Vergleich zu Mahd
ohne Düngung zu einer leichten Zunahme Nähr-
SUK
MUL
30
11
-19
28
16
-12
M
PK1
PK2
NPK1
NPK2
NPK3
Anzahl Arten der Trocken- und Halbtrockenrasen
Beginn
2010-2013
Veränderung
27
16
-10
29
21
-8
20
12
-8
27
20
-6
25
15
-12
20
12
-8
19
17
-2
13
19
6
60
28
-32
75
15
-60
21
47
26
18
63
45
9
82
73
65
56
-10
64
47
-17
50
42
-8
Anzahl Arten der Fettwiesen
Beginn
2010-2013
Veränderung
15
7
-7
18
15
-2
15
10
-6
17
17
0
15
20
5
21
23
2
EA der Arten der Trocken- und Halbtrockenrasen
Tabelle 2
Anzahl und Ertragsanteil
(EA; %) der Arten der
Trocken- und
Halbtrockenrasen bzw. der
Fettwiesen sowie
Gesamtartenzahl zu Beginn
(1983-1987 bzw. 1988-1992)
und Ende des Versuchs
(2011-2013; jeweils
Mittelwerte über die
angegebenen Zeitperioden)
unter Angabe der relativen
Veränderung innerhalb der
Varianten.
12
Beginn
2010-2013
Veränderung
65
85
20
69
68
-1
71
79
8
Beginn
2010-2013
Veränderung
13
12
-1
14
24
10
13
9
-4
66
44
-21
79
21
-58
61
46
-15
EA der Arten der Fettwiesen
14
42
28
7
73
66
Gesamt-Artenzahl
Beginn
2010-2013
Veränderung
64
27
-37
62
44
-18
61
43
-17
64
54
-10
50
40
-10
Landinfo 3 | 2015
Schwerpunktthema
Bei Kalkmagerrasen handelt
es sich um ertragsarme, aber
sehr kräuter- und artenreiche
Flächen (hier teils schon im
verblühten Zustand). Gezeigt
ist hier die Variante Mahd
ohne Düngung, ins Auge
fallen die lila blühende
Orchidee ‚Kleines Knabenkraut‘ und die Fruchtstände
des Klappertopfs.
Bild: M. Seither
stoff-anspruchsvollerer Gräser und in der Folge
zu einer höheren Nährstoffzahl des Bestands
2011-2013 (3.7 vs. 3.0 zu Beginn der Untersuchung). Mahd ohne Düngung führte im Vergleich
der Varianten zur Zunahme einiger lichtliebender
Magerkeitszeiger, darunter z. B. die Fettwiesenart
Rauhaariger Löwenzahn (Lichtzahl 8).
Auf den Untersuchungsflächen kamen seltene
Arten, darunter sechs Orchideenarten, ein Sommerwurzgewächs und zwei Enzianarten, vor. Ihr
Vorkommen war teils von Beginn an auf wenige
Varianten beschränkt, teilweise fehlten sie in manchen Jahren vollständig, wodurch die Interpretierbarkeit der Ergebnisse erschwert wurde. Das Vorkommen einiger Arten in 2011-2013 war auf
Mahd ohne Düngung (Frühlings-Enzian, BienenRagwurz und Weiße Waldhyazinthe), Mulchen
(Bienen-Ragwurz und Weiße Waldhyazinthe) bzw.
diese beiden ungedüngten Varianten beschränkt
(Mücken-Händelwurz und Großes Zweiblatt).
Weitere Arten kamen sowohl auf den ungedüngten als auch den gering gedüngten (PK1, NPK1)
Varianten vor (Deutscher Fransenenzian, Kleines
Knabenkraut). Auf Parzellen mit hoher Düngung
traten diese seltenen Arten entweder nie auf oder
verschwanden im Laufe der Untersuchungszeit.
Insgesamt war im Vergleich der Vegetationszusammensetzung der Varianten miteinander noch
im dritten Untersuchungsjahrzehnt eine hohe Dynamik erkennbar. Auch andere Untersuchungen
Landinfo 3 | 2015
belegen, dass Veränderungen in der Vegetationszusammensetzung noch nach sehr langer Versuchsdauer auftreten, was unter anderem durch
sich ändernde Witterungsbedingungen bedingt
sein kann. Die vorliegende Langzeituntersuchung
zeigt, dass die optimale Bewirtschaftungsweise
dieses Halbtrockenrasens stark vom jeweiligen Erhaltungsziel abhängig ist. So wurde die Vielfalt an
Arten der Halbtrockenrasen und die Artenvielfalt
insgesamt am besten durch geringe Düngung erhalten, während hinsichtlich des Erhalts seltener
Arten wie Orchideen eine Nulldüngung anzustreben ist.
Auch nach mehr als
30 Jahren ist noch eine
hohe Dynamik bei der
Vegetationszusammensetzung
erkennbar.
Der Futterertrag nahm mit zunehmender PKbzw. NPK-Düngung zu. Mahd ohne Düngung
und geringe PK-Düngung führten zur höchsten
Futterqualität 2011-2013 (8.4 bzw. 8.2 MJ ME/kg
TM). Beide Varianten waren zuletzt am kräuterreichsten und damit nutzungselastischer als die
Gräser- und somit Rohfaserreicheren Aufwüchse
der anderen Varianten.
Die Anlage und Betreuung dieses Versuchs erfolgte durch Herr Dr. Schiefer, die langjährige weitergehende Betreuung durch Herr Dr. Briemle und
schließlich Frau Tonn.
Ein herzliches Dankeschön an Herr Rempfer, den
Bewirtschafter der Fläche, und an Herrn Haid und
Herr Bahnmüller vom Landratsamt Tübingen für
die vielen Jahre sehr guter Versuchsbetreuung. 
Melanie Seither
LAZBW Aulendorf
Tel. 07525/ 942359
Melanie.seither@lazbw.
bwl.de
13
Schwerpunktthema
Bild: M. Elsäßer
Prof. Dr. Martin Elsäßer
Beeinflussung der Funktionalität von Grünlandböden
Unter der Funktionalität werden hier die Ökosystemleistungen der Grünlandböden, z. B. als Wuchsort für Grünlandbestände, als Ort der Kohlenstoffspeicherung, als Wasserspeicher und
Nährstofftransformator und zum Erosionsschutz verstanden. Trotz ihrer enormen Bedeutung, sind
Grünlandböden weltweit sehr stark gefährdet durch Bodenverschmutzung, Verlust organischer
Substanz, Versteppung, Versalzung, Überschwemmung und Erosion (Bodenschutz-Richtlinie (2006);
zusammengefasst bei Creamer et al. 2010). Jedicke (2014, S. 11) zitiert in diesem Zusammenhang De
Groot et al. in Grunewald & Bastian, 2013: „Aufgrund des nur indirekten Nutzens der Regulationsleistungen von Grünlandböden werden diese oftmals nicht beachtet, bis sie Schaden nehmen oder
verloren gehen, obwohl sie für die Existenz der Menschen auf der Erde die Grundlage bilden“.
V
Langfassung des Beitrags
zum Landwirtschaftlichen
Hochschultag 2015.
14
on den Gefährdungen für Grünlandböden in
Deutschland ist ohne Frage der Flächenverbrauch durch Besiedlung und Bebauung die entscheidende Größe. In der Kritik steht dabei allerdings nicht nur der Flächenverlust durch Versiegelung, maßgeblich sind vor allem die Umwandlung
von Grünland in Ackerland u.a. für den Anbau
von Nachwachsenden Rohstoffen und darüber
hinaus auch die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen durch naturschutzrechtlich bedingte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (Tietz et
al., 2012). Der Verlust landwirtschaftlicher Flächen insgesamt trifft in besonderer Weise das
Grünland. Tietz et al. (2012) haben die absoluten
Flächenveränderungen in Deutschland zwischen
1996 und 2009 berechnet In diesem Zeitraum
ging die Landwirtschaftsfläche um ca. 612.000 ha
zurück, die landwirtschaftlich genutzte Fläche um
ca. 446.000 ha. Die Ackerfläche nahm dabei allerdings um ca. 113.000 ha zu, die Grünlandfläche
um 532.000 ha ab (Abb. 1 und 2).
Im Durchschnitt nahm die Landwirtschaftsfläche
nach Flächenerhebung zwischen 1996 und 2009
um 129 ha pro Tag ab, die LF nach Agrarstatistik
um 94 ha pro Tag. Innerhalb der LF nahm das
Grünland um 112 ha pro Tag ab und das Ackerland um ca. 24 ha zu (Tietz et al., 2012). Neben
der Umwandlung in Ackerland spielt auch die Etablierung von Wald auf bisherigem Grünland eine
wichtige Rolle. Hingegen spielt die Ausweitung
von Siedlungsflächen letztlich nur eine untergeordnete Rolle.
Auch wenn es ein erklärtes Ziel der Bundesregierung ist, diesen Flächenverbrauch bis zum Jahr
2020 auf 35 ha je Tag zu begrenzen, scheint dieser
Trend kaum umkehrbar oder gar zu stoppen. Der
massive Ausbau des Anbaus nachwachsender
Rohstoffe verlangt nach mehr Ackerland. Damit
werden die unter Grünlandnutzung verbleibenden
Böden entweder bedingt durch bereits vorhandene Einschränkungen der Nutzbarkeit oder NaturLandinfo 3 | 2015
Schwerpunktthema
schutzauflagen (z.B. Natura 2000) nur noch extensiv weiter genutzt oder sie erfahren andererseits so
weit als möglich eine Intensivierung der Nutzung
mit der Maßgabe Höchsterträge und beste Futterqualität zu liefern. In der Folge ändert sich die
Funktionalität der Grünlandböden.
Funktionen von Grünlandböden
Grünlandböden werden im Allgemeinen u.a. folgende Funktionen zugeschrieben.
• Wuchsort von Grünlandpflanzen und maßgebliche Beteiligung an der Bevorratung und Bereitstellung von Nährstoffen für die Pflanzen
(das betrifft die physikalischen, chemischen und
mikrobiologischen Möglichkeiten (Wurzelraum,
Durchlüftung etc.))
• Bioindikation (Grünlandböden ermöglichen
standortangepassten Bewuchs, dessen Ausprägung Rückschluss auf Bodeneigenschaften ermöglicht (Zeigerpflanzen))
• Erosionsschutz
• Filterfunktion und Verbesserung der Grundwasserqualität
• Wasserspeicher und Ort der Grundwasserneubildung
• Kohlenstofffixierung durch Humusaufbau
Die Eignung eines Bodens als Wurzelraum hängt
entscheidend von seiner Fähigkeit ab, auf kleinstem Raum gleichzeitig oder mit geringer zeitlicher
Schwankung Nährelemente und Wasser zur Verfügung zu stellen und einen ungehinderten Gasaustausch zu gewährleisten. Das Porensystem der
Böden bestimmt dabei die Transport- und Speicherkapazität für Luft und Wasser und hat damit
einen wesentlichen Einfluss auf das Wurzelwachstum. Nur in strukturierten Böden, die sich durch
ein kontinuierliches und biogen vernetztes Porensystem auszeichnen, haben Wurzeln die Möglichkeit Kontakt zu Wasser und Bodenluft zu finden
sowie an Nährstoffvorräte zu gelangen. Strukturschädigungen an der Bodenoberfläche hingegen
verstärken den natürlichen Schleuseneffekt der
Böden für Transportvorgänge insbesondere für
Gasaustauschprozesse und führen zu tiefreichenden Beeinträchtigungen der Bodenbelüftung und
damit der Wurzelraumfunktion. Nur über die Bodenoberfläche kann Sauerstoff zum Ort des Verbrauches transportiert und respiratorisch gebildeLandinfo 3 | 2015
tes CO2 entsorgt werden. Der Gastransport erfolgt überwiegend auf dem Wege der Diffusion.
Neben dem Porenvolumen ist damit für die Effektivität von Gasaustauschprozessen die Porenkontinuität von entscheidender Bedeutung. Ein reduzierter Gasaustausch als Folge einer Verdichtung
hat damit unmittelbar Auswirkungen auf das Leben der Pflanze. Ein Sauerstoffgehalt von unter
zehn Prozent im Boden (21% in der atmosphärischen Luft) bzw. ein Kohlendioxidgehalt von über
5 Prozent (0,03 Prozent in der Luft) beeinträchtigen bereits das Wachstum. Bei gravierendem Sauerstoffmangel stirbt das Bodenleben (NormaNNschmidt, 1995). Der Mangel an Sauerstoff und die
Zunahme von Kohlendioxid und anderen für die
Graswurzel teilweise toxischen Gasen bewirken
einen Rückgang der Durchwurzelung mit in der
Folge einer Verschlechterung der Grasnarbe.
Abbildung 1
Absolute Veränderung der
Landwirtschaftsfläche nach
Agrarstatistik und nach
Flächenerhebung in
Deutschland (Basis 1996; tietZ
et al., 2012).
Abbildung 2
Absolute Veränderung der
Landwirtschaftsfläche
zwischen 1990 und 2010 nach
Auswertung von digitalen
Flächenkarten (tietZ et al.,
2012).
15
Schwerpunktthema
und das Bodengefüge aus. Indirekte Einflüsse
zeigen sich vor allem in Hinblick auf die Veränderungen der Grünlandvegetation. Diese ist im Gegensatz zu dem Bewuchs auf Äckern dauerhaft
und mechanische Maßnahmen zur Verbesserung
von Grünlandböden würden unweigerlich auch
die Grünlandvegetation beeinträchtigen. Umbruch mit nachfolgender Wiederanlage von Grünland setzt Nährstoffe durch Humusabbau frei und
hat einen nachhaltigen Einfluss auf Kohlenstoffspeicherung und damit auch auf das Klima (vElliNGa et al., 2004). Grünlandböden sind überdies
sensible Ökosysteme, deren Störungen wenn auch
nicht immer dauerhaft, dafür aber sehr lang andauernd sein können. Es ist also zumindest angezeigt, die potentiellen Auswirkungen zu kennen
und sie zu beachten, wenn sie schon nicht in jedem
Fall vermeidbar sind.
Gülleinjektion mit
gleichzeitiger Nachsaat (hier
kommt nur Dt. Weidelgras in
Frage).
Bild: M. Elsäßer
Abbildung 3
Funktionelle Merkmale und
Prozesse in Böden unter dem
Einfluss von Nutzungshäufigkeit und Düngung
(schellBerG und PÖtsch, 2014).
Zwar sind Grünlandböden widerstandsfähiger
und belastbarer als Ackerböden gegenüber physikalischen und biologischen Stressfaktoren (GrEGory et al., 2009), trotzdem verändert sich ihre
Funktionalität entsprechend ihrer Genese und
ihrem Standort gerade durch Intensivierung der
Nutzung entsprechend stark. Verdichtungen,
Überstauung mit Wasser, Trockenfallen oder Versalzung wirken sich direkt auf die Zusammensetzung des Edaphons, die Nährstoffnachlieferung
Maßgeblichen Einfluss auf die Ausprägung der
Funktionalität von Grünlandböden haben die Eigenschaften des Standortes und jeweils dort die
Faktoren Düngung und Nutzung. Sie bestimmen
sowohl die botanische Zusammensetzung der
Grünlandvegetation als auch die funktionellen
Merkmale der Grünlandböden. In der Abbildung
von schEllBErG und Pötsch (2014) sind die Zusammenhänge dargestellt (Abb. 3). Im Einzelnen
werden folgende Prozesse als sehr relevant betrachtet: (I) Freisetzung von Exudaten aus Wurzeln beeinflusst Boden-pH und die Verfügbarkeit
von Bodennährstoffen (hauptsächlich bei Phosphat) sowie Strukturbildung im Boden durch Verkleben der Bodenteilchen, (II) das Durchdringen
des Bodens durch Wurzeln verändert Porenvolumen, Makroporen und Lagerungsdichte ebenso
wie Wasserinfiltration und Oberflächenabfluss,
(III) die Zersetzung der organischen Masse im
Boden beeinflusst das Bodenleben und den Nährstoffumsatz; (IV) symbiontische Fixierung von
Luftstickstoff. Im Folgenden sollen an einigen
wenigen Beispielen mögliche Beeinflussungen der
Funktionalität von Böden aufgezeigt werden. Die
nachfolgenden Beispiele haben nur einen exemplarischen Charakter, sie zeigen aber, dass Grünlandböden nicht nur im Internationalen Jahr des
Bodens eine deutlich höhere Beachtung verdienen.
Charakterisierung von
Grünlandböden durch Bioindikation
– Zeigerwerte von Grünlandpflanzen
Grünlandbestände entwickeln sich typisch gemäß
den Eigenschaften des Standorts und der Bewirtschaftung. Insofern kann die botanische Zusam-
16
Landinfo 3 | 2015
Schwerpunktthema
mensetzung der Grünlandbestände zumindest im
Bereich eher mäßiger Nährstoffversorgung Anzeichen hinsichtlich der ökologischen Eigenschaften des Standortes und der Nährstoffversorgung
der Böden geben. Bioindikation meint hier einerseits das Vorhandensein von Zeigerpflanzen (das
sind Pflanzen, die die ökologischen Eigenschaften
des Wuchsstandortes indizieren) und die Gesamtheit des Pflanzenbestandes, die verknüpft mit den
ökologischen Wertzahlen (EllENBErG, 1996) das
Erkennen unterschiedlicher Stufen der Feuchte,
der Nährstoffverfügbarkeit oder der Bodenreaktion ermöglichen. Durch intensive Grünlandbewirtschaftung (erhöhte Düngung, Kalkung, häufige Nutzung etc.) werden sowohl die natürlichen
Standorteigenschaften egalisiert als auch die Bestandszusammensetzung verändert, wodurch die
Bioindikation letztlich verhindert wird. Das ist
insofern von Nachteil, als die chemischen Bodenuntersuchungen weder die exakte Düngebedürftigkeit der Böden anzeigen, als auch das Nährstoff-Nachlieferungsvermögen meist nicht erfasst
wird. Die Bodenuntersuchungen liefern aber gute
Ergebnisse um Entwicklungen des Nährstoffvorrates zwischen den Beprobungsterminen darzustellen. Zeigerpflanzen könnten hier zusätzliche
Informationen liefern, ihre Präsenz ist allerdings
meist auf niedrige Nährstoffniveaus beschränkt
(BohNEr, 2010). In diesem Zusammenhang stellten aNGEriNGEr et al. (2014) fest, dass frühe und
häufige Nutzung einen stärkeren Einfluss auf den
Pflanzenbestand haben als die Art des Wirtschaftsdüngers. Zeigerpflanzen können aber chemische Bodenanalysen oder Messungen nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen. Zu den im
Grünland häufig vorkommenden Pflanzen mit
Bezug zum Boden gehören im Falle von Nährstoffzeigern z.B. der Stumpfblättrige Ampfer
(Rumex obtusifolius), Wiesenkerbel (Anthriscus sylvestris) und der Wiesenbärenklau (Heracleum sphondyli-
um). Magerkeitszeiger sind beispielsweise Rotschwingel (Festuca rubra), Wiesen-Hainsimse (Luzula campestris) und Margerite (Leucanthemum vulgare). Bodenverdichtungszeiger sind z.B. Kriechender
Hahnenfuß (Ranunculus repens), Lägerrispengras
(Poa supina), Jährige Rispe (Poa annua) und Kriechendes Straußgras (Agrostis stolonifera).
Bodenbiologische Auswirkungen
unterschiedlicher Düngung
Für Abbau- und Syntheseleistungen im Boden
sind im Wesentlichen Bakterien und Pilze verantwortlich, insofern ist die mikrobielle Biomasse im
Boden ein wichtiger Parameter. In einem langjährigen Versuch des LAZBW Aulendorf (22 Jahre)
auf einem nach Grundsätzen des biologischen
Landbaus bewirtschaftetem Dauergrün-land unter Wiesen- und Mähweidenutzung wurden Auswirkungen unterschiedlicher Düngesysteme (V3:
Stallmist/Jauche; V4: Stallmistkompost; V5:
Wechseldüngung; V6: Gülle; V7: Gülle mit Gesteinsmehl; V8: Gülle mit Hüttenkalk; Vergleichsvarianten waren mineralische Düngung mit (V1)
und ohne N (V2)) erfasst (ElsässEr et al., 2008).
Die bodenbiologischen Auswirkungen wurden in
einer Arbeit von flaiG und ElsässEr (2009) beschrieben. Die Menge an mikrobieller Biomasse
wurde über die Methode der substratinduzierten
Respiration (DIN 14240-1) und die Messung der
CO2-Konzentration bestimmt (siehe hierzu flaiG
und ElsässEr, 2009). Die Wirkung der Düngergaben auf die Entwicklung der mikrobiellen Biomasse zeigt Abb. 4.
Zeigerpflanzen können
Bodenanalysen nicht
ersetzen, aber ergänzen.
Düngung mit Gülle und
Hüttenkalk liefert den
höchsten Gehalt an
mikrobieller Biomasse.
Bei beiden Nutzungsarten entwickelten sich bei
V8 (Gülle mit Hüttenkalk) der höchste Gehalt an
mikrobieller Biomasse, gefolgt von Stallmistkompost (V4). In weiteren Untersuchungen zeigte
Abbildung 4
Wirkung der Düngung auf die
Entwicklung der mikrobiellen
Biomasse in 0-10 cm
Bodentiefe bei Schnitt- und
Mähweidenutzung im
22-jährigen Wiesendüngungsversuch des
LAZBW (elsÄsser et al., 2008)
(Beprobungszeitpunkt April
2005) (FlaiG und elsÄsser,
2009).
Landinfo 3 | 2015
17
Schwerpunktthema
mögliche Gülleausbringtermine
Sperrfrist Grünland
*
Grünland / Ackerfutter
Jan.
Sperrfrist Acker
Feb.
März
April
Mai
*
Juni
Juli
Aug.
Sept.
Okt.
Nov.
Dez.
**
Mais
Mais mit Vorfrucht
Winterweizen, danach Wintergerste
Wintergetreide, danach Begrünung
Wintergetreide, danach W-Raps
GPS, danach Ackergras
Erläuterung zu Sperrfrist
Abbildung 5
Mögliche
Gülleausbringtermine nach
neuer DüV (Stand: Entwurf
der DüV am 18.12.2014)
(Darstellung nach Messner,
LAZBW, mündliche
Mitteilung).
Das Befahren feuchter
Böden mit schweren
Geräten hat fatale Folgen
für den Boden.
* je nach Witterung (schneebedeckt, wassergesättigt, gefroren)
sich, dass die Unterschiede zwischen Nutzungsund Düngevarianten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf unterschiedliche pH-Werte zurückzuführen sind. Die Gehalte an organischer Substanz
hatten demnach nur einen nachrangigen Einfluss.
Aber nicht nur nach Art und Höhe unterschiedliche Düngung hat einen Einfluss auf die mikrobielle Biomasse in Grünlandböden, auch die Nutzung bzw. der zumindest teilweise Verzicht auf
Nutzung in einer Grünlandbrache verändern sie
deutlich. In einer Untersuchung stellten Bohner
et al. (2006) eine zweimal genutzte Mähwiese einer
Grünlandbrache gegenüber und maßen die substratinduzierte Respiration in 0-10 cm Bodentiefe,
als Maß für die mikrobielle Biomasse im Boden.
Die zu allen Meßzeiten geringere Respiration bei
der Grünlandbrache führen die Autoren u.a. auf
die langsamere Erwärmung des Bodens unter Brache, die geringere Stickstoff- und Substratverfügbarkeit infolge des weiteren C:N-Verhältnisses
und der deutlich geringeren Menge an potentiell
mineralisierbarem Stickstoff unter Brache zurück.
Bodenverdichtung und
Einschränkung der
Bodenfruchtbarkeit bzw. des
Ertragsvermögens
In der Landwirtschaft besteht der Zwang Milchkühe als Hauptverwerter von Grünlandaufwüchsen mit bestmöglichem Grundfutter zu versorgen
und deswegen Grünlandaufwüchse möglichst
früh zu ernten und zu konservieren. Damit verbunden kommt es zum ökonomisch durchaus
nachvollziehbaren Trend zur Verwendung von
Maschinen und Geräten mit möglichst hoher
Schlagkraft und im Falle von Gülle zu verlustar-
18
**
ab Ernte der Hauptkultur
mer Ausbringungstechnik. Dies bedingt den Einsatz von sehr großen und damit sehr schweren
Maschinen im Grünland vor allem bei der Ausbringung von Gülle und der Beerntung von Grünlandflächen. Grünlandpflanzen werden durch
Befahren geschädigt und infolge des Zwangs zu
zeitgerechter Nutzung und Düngung erfolgt die
Befahrung häufig auf feuchten Böden. Dies hat
fatale Folgen für die Bodendurchlüftung, die Bodenmikroflora und die auf den Böden wachsende
Vegetation. Übereinstimmung besteht in der Beurteilung der auftretenden Schäden. Neben der
Beeinflussung der Biodiversität der Bodenmikroflora, rückt Bodenverdichtung auch verstärkt
beim Management von Überflutungen und Wasserressourcen bzw. der Luft-, Wasser- und Bodenqualität ins Bewusstsein (Newell Price et al.,
2011). Verdichtung reduziert das Porenvolumen
in den Böden. Dadurch werden die Voraussetzungen für eine optimale Durchlüftung, die Durchwurzelung und einen funktionierenden Bodenwasserhaushalt beeinträchtigt. Zudem ist der
Nährstofftransport in und vom Oberboden in den
Unterboden nachhaltig verändert und verdichtete
Böden neigen je nach Relief zu extremer Vernässung durch Wasserüberstauung oder andererseits
einer Veränderung des kapillaren Wasseraufstiegs
bei Trockenheit. Sowohl bei der Futterernte als
auch bei Gülleausbringung wird auf die Empfindlichkeit der Böden oftmals wenig Rücksicht genommen. Insbesondere bei letztere wird sich bedingt durch die veränderten Vorgaben nach der
geplanten Neugestaltung der Dünge-Verordnung
auf nur noch geringe Zeiträume beschränken
(Abb. 5).
Es ist damit zu rechnen, dass künftig Gülle im
Frühjahr verstärkt auf Äcker gefahren werden
wird und im Herbst bedingt durch fehlende andeLandinfo 3 | 2015
Schwerpunktthema
re Ausbringalternativen der Wunsch entstehen
wird, Gülle stärker auf Grünland auszufahren.
Zu Bodenschadverdichtungen (Würfel et al.,
2002) kommt es aber nicht nur bei gewichtsmäßig
hoher Belastung (Elsässer et al., 2002). Truekmann (2011) beschreibt, dass das Maß der Bodenverdichtung im Grünland abhängig ist von u.a. der
Höhe und Intensität der Belastung, von Radlast,
Reifeninnendruck, Kontaktflächen sowie der Art
der Belastung, die entweder statisch oder dynamisch ist. Zudem nennt die Autorin Belastungsdauer, Fahrgeschwindigkeit und Befahrungshäufigkeit als weitere wichtige Einflussfaktoren. Gemäß Untersuchungen von Stahl et al. (2009),
steigen die Druckbelastungen im Oberboden mit
jeder weiteren Überfahrt an; es kommt also insgesamt auf die Überrollhäufigkeit an. Während
einer Überrollung wird der Boden nur kurze Zeit
mechanisch beansprucht. In dieser kurzen Zeit
können das den Boden schützende Porenwasser
und die Porenluft nicht aus dem Boden gedrückt
werden. Böden können ihre Anfangseigenschaften und Funktionen wiederherstellen, wenn die
Belastung verringert oder entfernt wird. Diese
Fähigkeit des Bodens wird Resilienz genannt und
wird von der organischen Substanz und der Aggregierung unterstützt (Gregory et al., 2007 zit.
bei Truekmann, 2011). Das ändert sich aber bei
längerer oder kurz nacheinander wiederkehrender
Belastung (Brandhuber et al., 2008). Hinzu
kommt, dass in der landwirtschaftlichen Praxis
früher 1-Achs-Güllefässer üblich waren und heutzutage die Tandemachse Standard ist mit einem
Achsgewicht von bis zu 11 t und bei noch großvolumigeren Fässern werden schon vermehrt Tridemachsen verwendet. Überrollte Flächen werden
also mehrfach hintereinander befahren. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Beschränkung des Achsgewichtes bei Straßenfahrten auf
10 t bei einem zulässigen Gesamtgewicht des ganzen Zuges von 40 t. Diese Werte werden beim
Befahren von Grünland teilweise weit überschritten und auch mögliche technische Verbesserungen wie die Verwendung breiter Reifen, Reifendruckregelanlagen oder Geräte die versetzte Spuren haben, lösen das Grundproblem des Zwangs
zum Befahren von Flächen zu ungünstigen Zeitpunkten nicht. Veränderungen an der Grünlandvegetation insbesondere eine Zunahme von ertragsschwacher Gemeiner Rispe (Poa trivialis)
(Elsässer und Grund, 2003; Neff, 2015) und ein
allgemeiner Rückgang von Ertrag und Futterqualität können beobachtet werden (Diepolder et al.,
2009). Ausbringung von Gülle zum falschen Zeitpunkt hat also fatale Folgen. Neben nachhaltigen
Schäden an der Bodenstruktur ergeben sich auch
Landinfo 3 | 2015
zudem pflanzenbaulich relevante Fragenstellungen. Werden Nährstoffe im Herbst im Grünland
überhaupt gebraucht? Wohin werden sie bei
Nichtverbrauch transportiert oder verlagert? Welche Pflanzenbestände sind überhaupt im Winter
aufnahmebereit? Wiesenrispe geht z.B. in Winterruhe und eigentlich ist nur Deutsches Weidelgras
in der Lage auch bei niedrigen Temperaturen noch
Nährstoffe aufzunehmen. Es ist allerdings nicht
für jeden Grünlandstandort geeignet, weil es stark
von Auswinterung bedroht ist.
Aber nicht allein dem Hauptmotto „Maximale
Schlagkraft“ dienende Maschinen- und Gerätetechnik ist problematisch, auch Weidegang kann
die Funktionalität von Grünlandböden massiv
beeinträchtigen. Deeks et al. (2014) stellten fest,
dass der Grad der Bodenverdichtung und der
Oberflächenabfluss sowohl positiv mit der Intensität der Landnutzung als auch mit der Dauer intensiver Beweidung korreliert ist. Unflexible Beweidung, die auf den auch kurzfristigen Abtrieb
der Tiere bei für die Beweidung ungeeigneter Bodenfeuchte verzichtet, zerstört die Bodenstruktur
nachhaltig. Dabei kommt es auf das Kuhgewicht
offensichtlich nicht in besonderem Maße an
(Herbin et al., 2011). Entscheidend ist auch hier
die Bewirtschaftung zum falschen Zeitpunkt. Die
Schäden sind ähnlich denen bei falscher Düngeund Erntetechnik.
Befahren bei nassen Böden
führt zu überproportional
hoher Verdichtung und in der
Folge zu starkem Auftreten
von Gemeiner Rispe.
Bild: M. Elsäßer
Auch intensive
Beweidung kann die
Bodenstruktur nachhaltig
schädigen.
Abhilfe für Unterbodenverdichtungen sind weniger im technischen Bereich zu suchen. Einerseits
würden bei der Schadensregulierung unweigerlich
auch die Grünlandbestände Schaden erleiden und
andererseits haben mechanische Maßnahmen, wie
z.B. Aerifizieren durch Spikes nur geringe Erfolge
(Fortune et al., 1999). Zudem sind Unterbodenlockerungen im Grünland noch weitgehend unge19
Schwerpunktthema
Bodenstabilisierung kann
auch durch Vegetation
erfolgen.
Die Fähigkeit von Pflanzen
verdichtete
Bodenschichten zu
durchdringen, ist auch
abhängig von der
Wurzeldichte.
bräuchlich. Biologische Durchlüftungsverfahren
wären zwar möglich, aber im Falle von Feld- und
Wühlmäusen sind die Folgen durch eine erhöhte
Gefahr der Futterverschmutzung zumindest vordergründig ebenfalls von geringem Interesse für
den Landwirt. Bodenstabilisierung kann auch
durch Vegetation erfolgen, denn Wurzeln können
ähnlich wie Bewehrungsstahl in Beton wirken.
Truekmann (2011, S.9) formuliert den Zusammenhang wie folgt: „In einem durchwurzelten
Boden können die Komponenten der Festigkeitserhöhung, nämlich Zugfestigkeit und Kompressionsverhalten verbessert werden. Während Pflanzenwurzeln zwar zugfest sind, können sie der
Kompression kaum standhalten. Anders verhält
es sich beim Boden, der weniger stark auf Kompression reagiert, aber empfindlich gegenüber
Zugspannungen ist. Eine Kombination in einer
Wurzel-Boden-Matrix ist daher viel stabiler als es
Einzelkomponenten sein können.“
Tiefwurzelnde Pflanzen haben für die Verbesserung der biologischen Durchlüftung eine Bedeutung. Nach Aussagen von Crush und Thom (2011)
gibt es einen engen Zusammenhang zwischen
größeren Wurzeldurchmessern und der Fähigkeit
von bestimmten Pflanzenarten verdichtete Bodenschichten zu durchdringen (Materechera et
al. 1992). Weidelgräser sind aufgrund ihres feinen
Wurzelwerks dazu wenig geeignet. Wiesenschwingel ist bekannt für tiefes Wurzeln und entsprechende Sorten, die Bodenschichten durchdringen
können, haben dickere Wurzeln als oberflächennah wurzelnde Typen (Torbert et al. 1990), was
wiederum die Bedeutung des Wurzeldurchmessers für die Fähigkeit zur Durchdringung verdichteter Bodenschichten bestätigt. Der im Falle von
angesäten Leguminosen gezielte (Breitsameter et
al., 2014; Elsässer et al., 2014) im Falle von
Stumpfblättrigem Ampfer (Rumex obtusifolius) jedoch eher ungewollte Anbau tief wurzelnder
Pflanzen ist nicht einfach zu steuern. Im ersten
Falle gedeihen Leguminosen auf Grünlandböden
mit Verdichtungshorizonten nur mäßig, im zweiten Falle wäre den Landwirten die neue und veränderte Bedeutung des Ampfers als „Nutzpflanze
zur Öffnung von Unterbodenverdichtungen“
nicht ohne weiteres verständlich.
Systemtechnische Maßnahmen zur Reduzierung
von Bodenverdichtung beruhen teilweise auf der
Vermeidung von Spurschäden, als Schlagwort
mag hier „Controlled traffic farming systems“ gelten, worunter Systeme verstanden werden, die eine Gesamtberollung der Flächen auf einzelne
Spuren reduzieren und damit in der Lage sind flächenhafte Verdichtung zu vermindern. Die Verwendung veränderter Geräte mit entweder Trennung von Transportaggregat und Ausbringgeräten, Drei- oder Vierradachsen, die Verwendung
von Reifendruckregelanlagen und Breitreifen mit
variierbaren Reifendrucken sind weitere Beispiele
aus dem technischen Bereich.
Verdichtung hat zudem einen bislang noch nicht
beschriebenen negativen Effekt, der vor allem in
Verbindung mit der bei intensiver Grünlandbewirtschaftung üblichen hohen Stickstoffdüngung
zutage tritt. Es kommt zu Auswirkungen der Bodenverdichtung auf Lachgasemissionen (Schmeer
et al., 2009). Den Versuchen der Universität Kiel
lagen Überlegungen zugrunde, wonach Bodenverdichtung in der Regel eine Reduzierung des Porensystems zur Folge hat und damit Denitrifikationsvorgänge begünstigt, die zu einem Anstieg der
Emissionen von Lachgas führen können (Sitaula
& Hansen, 2000 zit. b. Schmeer; Yamulki & Jarvis, 2002 zit. b. Schmeer). Ebenso führt eine hohe
Abbildung 6
Kumulative
Lachgasemissionen der 3
Versuchsjahre in kg N2O-N
pro ha und Jahr in
Abhängigkeit von Verdichtung
und N-Düngung (Schmeer et
al., 2009).
20
Landinfo 3 | 2015
Schwerpunktthema
Stickstoffdüngung auf intensiv genutzten Grünlandstandorten zu einer gesteigerten N2O-Emission. In einer neueren Untersuchung von haNsEN
(2009 zit. bei truEkmaNN, 2009) beläuft sich die
Erhöhung der Lachgasemission pro kg Trockenmasse durch Bodenverdichtung auf das 2-3fache.
Hohe Stickstoffdüngung kann die klimarelevanten
Lachgasemissionen maßgeblich erhöhen, wobei
die organischen Dünger infolge der leicht abbaubaren Kohlenstoffverbindungen offensichtlich
problematischer sind als die mineralische N-Düngung. Die Kieler Untersuchungen sollten die Frage klären, welcher zusätzliche Effekt aus einer
Kombination verdichteter und gleichzeitig stark
mit Stickstoff (320 kg N/ha) gedüngter Böden
hervorgeht. Ein Ergebnis wird in Abbildung 6
dargestellt.
Es zeigte sich, dass wenn die Bodenverdichtung
zu feuchten Bedingungen (2006 bzw. 2008) führte,
dies im Falle der gedüngten Varianten zu signifikant höheren, kumulativen Lachgasemissionen
führte. Wurde dagegen die Bodenverdichtung in
einem trockenen Frühjahr durchgeführt (2007),
blieb diese ohne Einfluss auf die Lachgasemissionen. Auf den leguminosenreichen ungedüngten
Varianten war in allen Jahren kein Effekt durch die
Bodenverdichtung zu verzeichnen. Somit sind im
Hinblick auf die Lachgasemission besonders bei
einem hohen Stickstoffeinsatz bei wassergesättigten Böden bodenverdichtende Bewirtschaftungsmaßnahmen zu vermeiden.
Böden nach Starkregen oder bei
Trockenheit
Mit Wasser gefüllte Poren oder die Bodenfestsubstanz können nicht für die Bodenbelüftung die-
nen. Luftgefüllte Poren dagegen sind vom Wassertransport ausgeschlossen. Dadurch, dass in Abhängigkeit von der Wassersättigung des Bodens
unterschiedliche Porengrößenklassen am Wassertransport beteiligt sind und die Wasserleitfähigkeit
mit der Abnahme des Porendurchmessers exponentiell abnimmt, werden in gut strukturierten
Böden Wassersättigung und Belüftung nach Einflüssen wie z.B. Starkregen oder Trockenphasen
schnell auf einen standorttypischen, für biologische Vorgänge zuträglichen Optimalbereich eingeregelt. Bei Wassersättigung sind auch die groben
Poren mit Wasser gefüllt, die Wasserleitfähigkeit
ist in diesem Zustand überproportional hoch, so
dass in einem kontinuierlichen Porensystem überschüssige Wassermengen sehr schnell abgeführt
werden. Ebenso wirkt sich die bei Austrocknung
überproportional reduzierte Sickerrate in Richtung einer Optimierung des Wasser- und Stoffhaushaltes aus. Böden mit intakter Bodenstruktur
sind damit als hochgradig zur Selbstregulation
befähigte Systeme aufzufassen.
Bodenverdichtungen
können in feuchten
Jahren zu höheren
Lachgasemissionen nach
Düngung führen.
Insbesondere zeitweilige Trockenheit hat einen
maßgeblichen Einfluss auf das Ökosystem Grünland. Grünlandbestände verbrauchen je Tag etwa
3 mm Wasser. Wenn an sich leistungsfähige Grünlandbestände aufgrund zeitweiliger Trockenheit
ausfallen, dann wäre eventuell die Nachsaat tief
wurzelnder Arten oder Arten mit artspezifisch geringerem Wasserverbrauch infolge einer dicken
Cuticula (z.B. Knaulgras (Dactylis glomerata) oder
Rohrschwingel (Festuca arundinacea) von größerer
Bedeutung. Beide Arten werden jedoch aufgrund
hoher Rohfasergehalte von Weidetieren nur sehr
ungern aufgenommen (ElsässEr, 2014), das Problem fehlenden Wassers kann also, wie zu erwarten war, so nicht voll umfänglich gelöst werden
(Abb. 7).
Abbildung 7
Weidereste (Boniturnote von
1 = sehr tief abgefressen bis
10 = nur sehr wenig
abgefressen und aktuell
hoher Weiderest) und
Bewuchshöhe in cm bei
verschiedenen
Ansaatmischungen (Nr. 15
und 16 = Mischungen mit
Dactylis glomerata und Nr. 17
und 18 mit Festuca
arundinacea (18 =
sanftblättrig) im Versuchsjahr
2012 (elsÄsser, 2014).
Landinfo 3 | 2015
21
Schwerpunktthema
Abbildung 8
Aktuelle und potentielle
Emissionen in CO2Äquivalenten (in 1000 kg
ha-1) wenn 50 und 100 Jahre
altes Dauergrünland auf Sand
und Ton gepflügt und als
Ackerland (arable), bzw. 3/3
Feldgras(ley)-AckerbauFruchtfolge oder 6/1 FeldgrasAcker-Rotationen oder
Grünlanderneuerung genutzt
wird (VellinGa, et al., 2004).
Nährstofflieferung und
Kohlenstoffspeicherung
In Zeiten des mehr und mehr ins öffentliche Bewusstsein rückenden Klimawandels, haben Grünlandböden bei der Speicherung von Kohlenstoff
durch Humusaufbau eine herausragende Rolle.
Pötsch (2009) zitiert in diesem Zusammenhang
soussaNa et al. (2007). Diese Funktion können
Grünlandböden allerdings nur dann einnehmen,
wenn sowohl Auf- als auch Einbau des Kohlenstoffs ungestört erfolgen können. Eine auch nur
zeitweilige Umwandlung von Grünland in Ackerland oder auch Maßnahmen der Grünlandverbesserung mit mechanischer Bodenbearbeitung würde den Humusgehalt dauerhaft und nachhaltig
verändern. Welche spezifische Bedeutung Grünlandböden in diesem Zusammenhang zukommt,
zeigen vElliNGa et al. (2004) an einem Beispiel
(Abb. 8). Die Umwandlung von über 50 resp. 100
Jahre als Dauergrünland genutzten Flächen auf
Sand- und Tonböden in den Niederlanden in
Ackerland bzw. Feldgraswirtschaft und Ackerland
im Wechsel setzte ganz erhebliche Menge an
Emissionen frei. Lediglich die Neuanlage des umgebrochenen Grünlandes in neues Dauergrünland
war in der Lage diese Emissionen maßgeblich einzudämmen.
Prof. Dr.
Martin Elsässer
LAZBW Aulendorf
Tel. 07525/ 942-351
Martin.Elsaesser@
lazbw.bwl.de
22
Grünlandböden können nach Aussagen und Messungen von Wohlfarth et al. (2009) allerdings
sowohl eine positive als auch eine negative Nettoökosystemkohlenstoffbilanz aufweisen (NEE).
Die Autoren sehen dafür allerdings weniger die
Bewirtschaftungsintensität verantwortlich, als
vielmehr den Umstand, dass die Bewirtschaftung
an das Potential des Grünlandes Kohlenstoff zu
speichern angepasst wird. Letzteres wird durch
lokale klimatische Gegebenheiten beeinflusst,
Wohlfarth et al. nennen in diesem Zusammenhang insbesondere die Länge der Vegetationsperiode und die Düngung als maßgebliche Kriterien.
Zusammenfassung und Fazit
Eine an den Standort angepasste Grünlandbewirtschaftung, die wenn sie bodenschonend ausgeführt wird in der Folge tiefgreifende Verbesserungsmaßnahmen an Böden und der Dauervegetation „Grünland“ entbehrlich macht, ist die
Grundlage für den Erhalt der Funktionalität von
Grünlandböden. Obwohl der technische Fortschritt den Eindruck erweckt, die biologischen,
chemischen und physikalischen Zusammenhänge
bräuchten eigentlich keine weitergehende Beachtung mehr zu erfahren, ist gerade das Gegenteil
der Fall. Mehr denn je gilt es darauf zu achten, die
Bewirtschaftung an den Grünlandpflanzenbestand und die Gegebenheiten des Standorts anzupassen, wenn die Funktionalität, die Ökosystemdienstleistungen von Grünlandböden erhalten
bleiben sollen. Die Grundregeln sind dabei die
gleichen die schon viele Jahre Gültigkeit haben
und die sicher bereits zu den Zeiten der Hohenheimer Ackerbauschule gelehrt wurden.
Befahren oder beweiden Sie Ihre Böden nur dann,
wenn die Böden ohne Folgeschäden befahrbar
sind oder kurz formuliert: Was Du auch tust, bedenke die Folgen!
Hinweis
Das Literaturverzeichnis
erhältlich. 
ist beim Autor
Landinfo 3 | 2015
Schwerpunktthema
Prof. Dr. Martin Elsäßer
Grünland und Futterbau in Farmsystemen mit
hohem Output
Bericht von der European Grassland Conference in Wageningen, Juni 2015
Weide, Weide, Weide oder die Umwandlung von für die menschliche Ernährung nicht direkt nutzbaren Grases in Milch, also „die graslandbasierte Milchproduktion“ als Zielvorstellung, das ist ein
zentrales Anliegen der niederländischen Milchwirtschaft. „Was wir machen, das machen wir mit der
höchstmöglichen Effizienz!“ sagt mit Frans Aarts einer der namhaftesten Grünlandleute in den
Niederlanden.
A
arts war der Projektleiter des Dairyman-Projektes, an dem das LAZBW Aulendorf ebenfalls teilgenommen hatte und dessen Ergebnisse
zum Nachhaltigkeitsindex (DSI) ebenfalls auf der
Tagung in Wageningen vorgestellt wurden. ANCA ist das neue Schlagwort in Holland mit dem
vor allem einer der größten Milchverarbeiter der
Welt, die Friesland Campina, ihre Bauern „auf
Linie“ bringt. „ANCA“ das heißt Annual Nutrient
Cycling Assessment, also die jährliche Kontrolle
über den Nährstoffkreislauf im Betrieb. Anders
als bei uns kommt diese Regulierung aber von der
Molkereigenossenschaft und nicht vom Staat, sie
wird also als Selbstverpflichtung der Milchlieferanten positiv wahrgenommen. Friesland Campina fährt ein sehr einfaches System: Machst Du
kein ANCA, dann brauchst Du keine Milch mehr
abzuliefern. Neu im System ist u.a. die Frage nach
der Effizienz der Umwandlung von Nährstoffen
im Futter in Milch. Das ist die zentrale Größe und
nicht mehr allein die Milchleistung je Kuh. Viel
Milch je Hektar ist weiterhin gefragt.
Gewohnt selbstbewusst vertreten die Holländer
ihre Einstellung und ihr Wissen. Der Transfer von
Erkenntnissen aus der Wissenschaft in die Praxis,
das ist eines ihrer Hauptziele. Erst kürzlich haben
sie einen Lehrstuhl für Weidewirtschaft eingerichtet und ihn mit der sehr aktiven Wissenschaftlerin
Dr. Agnes van der Pol-van Dasselaar besetzt. Sie
trägt gewohnt engagiert eines der wichtigsten Ziele der holländischen Landwirtschaft vor: 20%
mehr Milch in den nächsten Jahren als kollektives
Ziel. Und das bei erträglichen Überschüssen an N
und P. Aber was ist schon erträglich? Die Grenzwerte (=Benchmarks) bleiben weiter unklar und
vielleicht sind sie auch gar nicht oder zumindest
sind sie nicht leicht zu ermitteln.
Landinfo 3 | 2015
Trend zu größerer Artenvielfalt
Ein wenig Probleme kann man als deutscher
Grünlandwissenschaftler aber schon bekommen,
wenn die Holländer jetzt erklären wollen, wie man
artenreiches Grünland richtig bewirtschaften soll.
Hier verstehen die Spezialisten anderer Länder
eindeutig mehr. So versteht man in den Niederlanden denn auch z.B. unter „multispecies grassland“
eine Mischung aus nur wenigen und sehr intensiv
nutzbaren Arten und nicht wie bei uns eine Wiese
mit vielen verschiedenen Arten. Es ist aber eine
Trendwende erkennbar, denn nun werden die
Vorteile der Leguminosen gezielt in Mischungen
ausgenutzt. Deutsches Weidelgras ist nunmehr also auch in den Niederlanden nicht mehr der einzige Bestandsbildner.
Hoher Viehbesatz und
Düngerüberschuss
Am ersten Nachmittag war der Vergleich der
Milchproduktionssysteme in Europa das Thema.
Besonders extrem ist Portugal. Hier kennzeichnen
extreme Viehbesatzdichten (bis zu 7 GVE/ha)
und ebenso überzogene N (bis zu 680 kgN/ha)
oder P Bilanzsaldi (mehr als 150 kg P2O5/ha) die
portugiesische Milchproduktion.
Woher diese viel zu hohen Werte kommen, bleibt
nicht lange unklar, denn bei einem Kraftfuttereinsatz von 350 – 450 g pro kg Milch und 50.000 l
Milch pro Hektar wird das ganze Ausmaß einer
falsch verstandenen Intensität deutlich.
Weidende Kühe
Bild: F. Maus
23
Schwerpunktthema
Maximale Ausnutzung von
Futterflächen
Unserer Landwirtschaft weit ähnlicher sind dagegen die Systeme aus Frankreich. Hierüber berichtet Valerie Broccard aus der Bretagne, eine Spezialistin vom Forschungszentrum Trevarez. Die
französische Milchproduktion umfasst insgesamt
23,29 Mio l Milch; davon werden etwa 30% in
Bergregionen produziert. Die drei wesentlichen
Milchregionen können im Wesentlichen wie folgt
charakterisiert werden. In den Niederungslagen,
wie z.B. der Bretagne, kommt es zu hohen
N-Überschüssen. Zur Vermeidung von Nitrat im
Wasser wird die Düngung stark reglementiert.In
den Ackerbauregionen, zum Beispiel an der belgischen Grenze, wird Milch bei hohen individuellen
Milchleistungen mit Maissilage erzeugt. In den
Bergen, z.B. der Franche Comté, werden Käsespezialitäten produziert.
Käse aus Slowenien.
Bild: G. Enderle
Hügelige Landschaft in
Slowenien.
Bild: G. Enderle
Der französische Durchschnitt liegt bei 3.400 l
Milch je ha LN bzw. 5.800 l/ha Futterfläche. Das
ist nicht gerade viel, aber für die Franzosen ist
nicht die maximale Milchmenge je Hektar das
Hauptziel, weil Fläche im Prinzip weit weniger
stark begrenzt ist als bei uns. Die maximale Ausnutzung der eigenen Futterflächen ist das eigentliche Ziel. Aber es geht auch noch um den Selbstversorgungsgrad an Eiweiß für die tierische Ernährung. Er liegt je nach Region zwischen 57%
und 74%. Und die Antwort auf die Frage, welches
System den geringsten Selbstversorgungsgrad ergibt, überrascht nicht wirklich. Es ist die Milcherzeugung mit hohen Anteilen von Silomais und der
Verfütterung von Input-Soja. Insgesamt haben
die Milchbauern in Frankreich eine sehr starke
Stellung, denn sie bewirtschaften immerhin 20%
der LN. Zudem unterliegen sie einer sehr stren-
gen Gesetzgebung hinsichtlich der N-Problematik. Damit wirkt die Begrenzung der N-Zufuhr
gleichzeitig auch auf die Milchproduktion je Hektar. Für Broccard ist das eine schleichende Unternutzung von Flächen, die theoretisch ein weit höheres Nutzungspotential hätten. Aber kann man
das wirklich so sehen? Oder ist es nicht vielmehr
eben die bei den ökologisch verträglichen Bedingungen maximal mögliche Produktionskapazität?
Die Antwort bleibt offen. Ein anderer Schwachpunkt der französischen Milchproduktion ist das
Fehlen geeigneten landwirtschaftlichen Nachwuchses.
Eingeschränkte Bewirtschaftbarkeit
Probleme mit ihrer Milchproduktion haben auch
die Slowenen, denn ihre zwar wunderschöne, aber
meist bergige Landschaft lässt eine intensive Produktion nur eingeschränkt zu. Aber was soll man
mit Berggrünland anderes machen als Milch zu
produzieren und diese Milch dann zu bestem Käse oder regionalen Fleischspezialitäten zu veredeln? Aufgrund der aktuell sinkenden Milchpreise liegen die Nerven der slowenischen Bauern
verständlicherweise blank. Staatliche Beihilfen
oder die Teilnahme an europäischen Forschungsprojekten werden die Wettbewerbsfähigkeit nicht
nachhaltig steigern können.
Hoher Kraftfuttereinsatz
Von Slowenien aus geht es ins Nachbarland Italien. Paolo Mantovi vergleicht zwei intensive Käseproduktionssysteme: die von Grana Padano und
die in der Parmiggiano-Reggiano Region, in der
Umgebung von Mantua. In der letztgenannten ist
Silagefütterung nicht gestattet. Luzerneheu und
Gras bilden die Grundlage der einträglichen
Milch- und Käseproduktion. Beim Grana Padano
System wird zudem nach Mais noch Welsches
Weidelgras angebaut.
Die Fruchtbarkeit der Poebene ist ja sprichwörtlich. Alle Regionen in Europa haben aber offensichtlich die gleichen Probleme: Will man die
höchstmögliche Produktion erreichen, dann geht
das nur, wenn man die Umweltgrenzen nicht zu
stark beachtet. Im Falle der beiden italienischen
Milchproduktionssysteme heißt das bis zu 11 kg
TM als Kraftfuttergaben je Tag und Kuh. Welch
eine Perversion des Veredlungswunders der Wiederkäuer, die aus rohfaserreichem Gras Milch herstellen können! Und dann wird das Produkt noch
als hochwertiger AOC-Käse verkauft.
24
Landinfo 3 | 2015
Schwerpunktthema
Verpferdung in Belgien
Interessante Ausführungen kommen von Prof.
Reheul aus Belgien, der sich mit der Grünland und
Futterproduktion bei begrenzter Faktorausstattung beschäftigt. Zunächst stellt der GL-Experte
eine neue Entwicklung in Belgien fest. Hier spricht
man von „Horsification“, von einer „Verpferdung
der Landschaft“. Flandern hat z.B. 140.000 Pferde
(Pferde zu Milchvieh: 1 zu 3,9). In Baden-Württemberg wären das immerhin schon etwa 1: 2,9.
Und ein 0,5 Hektar wird je Pferd für die Ernährung gebraucht. Nicht neu ist seine Feststellung,
dass sich die Eiweißproduktion von Grünland u.a.
am Stickstoffverbrauch ausrichtet. Nach wie vor
gilt: Je weniger Stickstoff verwendet wird, umso
weniger Rohprotein wird geerntet. Inwieweit das
durch die Verwendung und den spezifischen Anbau von Leguminosen geändert werden kann,
wird ja derzeit u.a. auch vom LAZBW in Aulendorf untersucht. Das flämische Credo lautet: Angepasste Grünlandbewirtschaftung um Maßnahmen der Grünlanderneuerung möglichst zu vermeiden. Aber wenn es notwendig wird, dann
wandeln die Flamen Grasland in Acker um und
begründen das positiv, obwohl sie wissen dass
Grünlandumbruch enorme Mengen an Stickstoff
und Kohlenstoff freisetzt. Reheul sagt: Auf dem
Acker ist eine bessere Anpassung an den Klimawandel bei periodisch auftretender Trockenheit
möglich. Er hat durchaus Recht, wenn man das
Futterloch im Sommer betrachtet, das sich mittels
Luzerneanbau auf dem Acker prima schließen ließe.
Interessant auch seine Aussagen zur Züchtung bei
Deutschem Weidelgras. Der reine Zuchtfortschritt bei Lolium perenne und Lolium multiflorum betrug von 1963 – 2007 etwa 0,3% im TMErtrag je Jahr. Auch die Ausdauer wurde züchterisch verbessert. Trotzdem ist der agronomische
Fortschritt insgesamt rückläufig, weil der mögliche Mehrertrag infolge reduzierter N- Düngung
nicht abgerufen wird. Verschenken wir also Produktivität oder haben wir die Grenzen der Umweltverträglichkeit wirklich erreicht?
Reheul bricht eine Lanze für eine Fruchtfolge in
Mais-Ackerbausystemen. Fruchtfolgen garantieren Ertragsstabilität und sind eine Versicherung
für Jahre mit begrenzter Produktivität. Er empfiehlt die Anwendung von Ley-Farming, also quasi den Rückgang zur Feldgraswirtschaft. Das reduziert vor allem den N-Aufwand, wenn man entsprechende Fruchtfolgen mit Leguminosen gestaltet. Auch der Zwischenfruchtanbau wird
Landinfo 3 | 2015
positiv dargestellt. Die Optimierung der intensiven Systeme gelingt dann, wenn man sie kombiniert mit guter landwirtschaftlicher Praxis, guter
Mechanisierung und Organisation und wenn man
die Fortschritte der Pflanzenzüchtung ausnutzt.
Optimierte Weideplanung
Die Situation in Irland wird von Deirdre Hennessy beleuchtet. High output systems in Bezug zur
Flächenausstattung und Stickstoffverbrauch. In
gemäßigten Gebieten ist Weidegras das günstigste
Futter für Milchkühe. Der Weidegrasverzehr wird
durch das Pasture Base System aus Irland optimiert, einem wichtigen Planungsinstrument für
die grünlandbasierte irische Milchwirtschaft. Weidemanagement erfordert regelmäßige Praxis und
das Vertrauen in Messmethoden, die in Irland
stets zur Verfügung stehen. Im Frühjahr kommt
der „Spring rotation planner“ zum Einsatz, im
Sommer wird das „Grass Wedge“ eine Art Höhenmesser verwendet und im Herbst die „60:40“
Regel. Das Ziel ist immer das Gleiche: Wie bekomme ich möglichst viel Gras in die Kuh?? Und
das bedeutet auch, wie kann ich die Verwendung
maximieren, wenn Gras verfügbar ist? Die Nutzung neuer Entwicklungenlungen wird empfohlen: Entscheidungstools für die Grünlandnutzung
wie z.B. der Grashopper, Kuhbewegungssensoren
und virtuelle Zäune. Beim Grashopper wird die
gemessene Grashöhe an das System Pastureturebase übermittelt, mit dessen Hilfe der aktuelle
Vorrat an Gras und die Verweildauer auf der Weideparzelle optimiert werden können. Benötigt
werden dann robuste Kühe, die weidetauglich
sind. Zwei Fütterungssysteme sind dann anwendbar: High input: Futter wird an die tierischen Erfordernisse angepasst oder Low input, hier passen
sich die Tiere an das Futterangebot an.
Wenn die Milchquote geht, dann wird die Verfügbarkeit von Land die neue „Quote“. Will man sich
die Produktionssteigerung sichern, dann ist Land
der begrenzende Faktor. Dabei reduziert die Maximierung des Verbrauchs von wirtschaftseigenem Futter die Notwendigkeit Futter zuzukaufen.
Auch das ist eine Strategie, wenn man GVO-freie
Milch-Produkte erzeugen will. Und: Wenn man
Weidegras optimiert, dann ist das unbedingt ein
Beitrag zur Steigerung der Nachhaltigkeit. Aber
auch in Irland gilt: Gute Bauern machen mehr
Milch aus dem vorhandenen Futter. Das führt
letztlich zu der Frage, die ein Holländer am Schluss
des Kongresses stellte: „Können wir uns Ineffizienz noch länger leisten?“. Eine heikle Frage, weil
sie auch durchaus uns selbst betreffen könnte. 
Rotklee im Bestand - Eiweiß
mit hoher Effizienz erzeugt.
Bild: M. Elsäßer
Prof. Dr.
Martin Elsässer
LAZBW Aulendorf
Tel. 07525/ 942-351
Martin.Elsaesser@
lazbw.bwl.de
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Schwerpunktthema
René Greiner
Von der Streuobstwiese zum Geotop
- Grünlandpflege im Naturschutzgebiet Bergrutsch am Kirchsteig
Es ist der 7. April 2001 gegen 19.30 Uhr, ein tiefes Grollen, zerbrechende Geschirr- und Wochenendhütten, umstürzende Obstbäume und Risse im Boden die immer größer werden. Dann geschieht es,
rund drei Hektar Steilhang, 70.000 Kubikmeter setzen sich talabwärts in Bewegung und kommen nach
ca. 200 Meter zum Stillstand. Es entsteht eine 240 Meter breite und bis zu 17 Meter hohe Felswand,
das Gelände ist hügelig, Bäume und Hütten stehen schräg und es gibt zahlreiche Verwerfungen. Was
klingt wie eine Szene aus einem apokalyptischen Hollywood-Streifen war im regnerischen Frühjahr
2001 auf der Gemarkung Urbach im Rems-Murr-Kreis Wirklichkeit. Glücklicherweise kam bei den
Ereignissen niemand zu Schaden.
D
Blick von Süden auf die
Abbruchkante. In der
Streuobstwiese sind noch
zahlreiche kleine
Verwerfungen zu sehen.
Bild: R. Greiner
26
as Gebiet des Erdrutsches wurde früher als
Weinberg genutzt, zur Zeit der Rutschung
und auch heute befinden sich Streuobstwiesen darauf. Geologisch bedingt durch die Mergel- und
Sandsteinschichten an den Keupertalhängen
kommt es in größeren Zeitabständen immer wieder zu Rutschungen. Das Frühjahr 2001 war sehr
niederschlagsreich, was den Erdrutsch vermutlich
ausgelöst hat. Aufgrund der kleinparzellierten
Struktur waren etwa 100 Grundstücke direkt betroffen, zahlreiche andere indirekt, da deren Zufahrt abgeschnitten wurde. Eine Flurneuordnung
war unvermeidlich. Für Geschädigte wurde eine
Grundstücksbörse eingerichtet, die Zufahrten zu
den abgeschnittenen Grundstücken wurden wiederhergestellt beziehungsweise neu angelegt und
Landinfo 3 | 2015
Schwerpunktthema
„Vierbeinige
Landschaftspfleger“ bei der
Mittagspause.
Bild: R. Greiner
die gesamte Erdrutschfläche wurde in öffentliches
Eigentum überführt, sowie ein „Bergrutsch Rundweg“ mit Informationstafeln geschaffen.
Am 7. Mai 2008 wurde das Erdrutschgebiet durch
das Regierungspräsidium Stuttgart als Naturschutzgebiet und besonders schützenswertes
Geotop ausgewiesen. Ein Betreten der Flächen
war somit nur noch im Rahmen von Führungen
möglich, auch aus Sicherheitsgründen. Die Streuobstwiesen im Erdrutschgebiet waren zum Teil
noch vorhanden, es gab aber auch zahlreiche offene Bodenstellen. Die einsetzende Sukzession
führte dazu, dass das gesamte Gebiet zu verbuschen drohte. Dies war nicht erwünscht, da hierbei
zum Einen die Felswand nach geraumer Zeit nicht
mehr sichtbar gewesen wäre und zum Anderen die
noch vorhandenen Streuobstwiesen ihre Funktion
als Lebensraum für zahlreiche seltene Vogelarten
verloren hätten, das Naturschutzgebiet liegt nämlich in einem Vogelschutzgebiet.
Grünlandpflege durch Beweidung
Ein ortsansässiger Landwirt pflegt nun das Naturschutzgebiet mit seinen „vierbeinigen Landschaftspflegern“. Damit diese Pflege auch weiterhin bestehen bleibt und das Gebiet dieses einzigartigen geologischen Ereignisses so erhalten
bleibt, hat der Landschaftserhaltungsverband
(LEV) des Rems–Murr–Kreises die Koordination
der Pflege in Zusammenarbeit mit dem Bewirtschafter übernommen. Der LEV hat mit dem Bewirtschafter einen Vertrag nach der Landschaftspflegerichtlinie des Landes Baden-Württemberg
abgeschlossen, wonach der Bewirtschafter für
seine Arbeit finanziell unterstützt wird (VertragsLandinfo 3 | 2015
naturschutz). Die Maßnahmen setzen sich aus
ganzjähriger Beweidung mit Ziegen und je nach
Vegetationszustand zusätzlich mit Schafen zusammen. Ab diesem Jahr sollen zudem noch ein paar
Hochlandrinder zeitweise hinzukommen. Diese
kombinierte Beweidung hat sich zur Offenhaltung
dieses Gebiets bewährt. Die Ziegen wirken der
aufkommenden Sukzession entgegen, die Schafe
halten Grünlandaufwuchs niedrig. Was die Schafe
stehen lassen, soll künftig noch von den Hochlandrindern voll abgegrast werden. Dass der LEV
und der Bewirtschafter auf dem richtigen Weg
sind, zeigen die Erfolge der Beweidung. Die aufkommende Sukzession konnte weitestgehend zurückgedrängt werden, der Charakter der Streuobstwiesen erhalten und die Offenhaltung der
Felswand ebenfalls erreicht werden. Das Ganze
führte dazu, dass das Naturschutzgebiet, welches
bis Frühjahr 2015 noch als Abzugsfläche galt, nun
wieder zum Großteil als landwirtschaftliche Bruttofläche ausgewiesen werden konnte.
Wer sich einmal von der Arbeit des Landschaftserhaltungsverbandes und den „vierbeinigen Landschaftspflegern“ in diesem einzigartigen Gebiet
überzeugen will und die Felswand mit ihrem geologischen Aufschluss näher betrachten möchte,
der sollte sich den „Bergrutsch-Rundweg“ um das
Naturschutzgebiet nicht entgehen lassen. Für Interessierte gibt es außerdem die Möglichkeit an
geführten Wanderungen durch das Naturschutzgebiet teilzunehmen. Bei Interesse an einer Führung können Sie sich unter der Telefonnummer
07181 / 80 07 99 im Servicebüro des Rathauses
der Gemeinde Urbach direkt anmelden. Weitere
Informationen zum Landschaftserhaltungsverband des Rems-Murr-Kreises finden Sie im Internet unter www.rems-murr-kreis.de/LEV. 
René Greiner
Landschaftserhaltungsverband Rems-MurrKreis e.V.
Tel. 07191/ 895- 4092
[email protected]
27
Mitten im Leben
Brötchen selber backen
Lockere und knusprige Brötchen wie vom Bäcker aus der eigenen Küche sind etwas Besonderes.
Werden sie frisch gebacken gegessen, ist die Herstellung einfach und wenig zeitaufwändig. Für
Brötchen mit Übernachtgare ist der Aufwand größer, sie bestechen jedoch mit einem besonderen
Aroma. Die Zutaten für Brötchen sind überschaubar: Neben Mehl, Wasser, Hefe und Salz für den Teig
sind Sämereien oder Getreideflocken für die Optik und den Nährwert interessant. Wichtig sind die
Ruhezeiten und die richtige Temperatur bei der Teigführung, denn sie haben großen Einfluss auf
Aroma und Lockerheit des Teiges.
Tipp
Werden die Saaten und ein Teil des Vollkornmehls
vor der Teigherstellung mit heißem Wasser überbrüht und können über 2-3 Stunden quellen, entziehen sie dem fertigen Teig keine Feuchtigkeit
mehr. Die im Rezept angegebene Flüssigkeitsmenge muss dann bei der Teigherstellung etwas
reduziert werden. Durch das Vorquellen bleibt das
Gebäck länger frisch.
Brötchen wie vom guten Bäcker
Wer Brötchen backen möchte, die denen aus einer
professionellen Backstube ähneln, muss etwas
mehr Aufwand betreiben. Bei den „Rustikalen
Weizenbrötchen“ wird mit einem Vorteig gearbeitet, der zur Aromabildung 20 Stunden ruht und
für den späteren Brötchenteig eine elastische und
dehnbare Grundlage ist.
Bei der Teigherstellung sind die Flüssigkeitsangaben immer nur Richtwerte. Geben Sie die angegebene
Flüssigkeit nicht komplett zu den trockenen Zutaten sondern beginnen Sie zunächst mit etwa 2/3 der
angegebenen Menge. Nach und nach geben Sie dann weitere Flüssigkeit zu. Der Teig sollte nicht zu
weich werden, denn er verliert an Elastizität wenn zum Schluss noch Mehl untergearbeitet werden muss.
Bei den Weizenbrötchen werden die Teiglinge zur Stückgare in den Kühlschrank gestellt. Während der
Stückgare werden die im Teig gebildeten Gase im Teig festgehalten. Das Kleingebäck wird locker und
es bilden sich weitere Aromastoffe, die sich positiv auf den Geschmack auswirken. Damit die Teiglinge
keine trockene Außenhaut bekommen, kann das Blech in eine große Tüte eingepackt werden.
Während des Backprozesses wird in der ersten Phase (Ofentrieb) Feuchtigkeit benötigt. Die Brötchen
sollen durch die hohe Backtemperatur eine stabile Kruste bekommen, um nicht in die Breite zu gehen
aber mit Hilfe des Wasserdampfes so elastisch bleiben, um in die Höhe treiben zu können.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten um Wasserdampf in den Ofen zu bekommen .
1.Während der Aufheizphase eine Fettpfanne mit Wasser in den Ofen schieben. Dieses Blech
muss nach ca. 5 Minuten Backzeit herausgenommen werden.
2. Mit Beginn des Backprozesses etwas Wasser auf den Boden des heißen Ofens gießen.
3. Mit einer Sprühpistole zu Beginn des Backprozesses Wasser in den Backofen sprühen.
Um am Ende aber ein knuspriges Brötchen aus dem Ofen herausholen zu können, muss der Dampf
zum Ende der Backzeit reduziert werden. Dafür nach ca. 10 Minuten Backzeit die Backofentür für
kurze Zeit öffnen und den Dampf herauslassen. 
28
Landinfo 3 | 2015
Mitten im Leben
Rezeptidee: Rustikale Weizenbrötchen
Zutaten
Zubereitung
Vorteig
200 g Weizenmehl Type 550
200 g Wasser
0,2 g Frischhefe
Vorteigzutaten mit einem Löffel verrühren und
ca. 20 Stunden bei 20-22 °C reifen lassen.
(Der Teig hat mehr als das Doppelte an Volumen
gewonnen und ist von Blasen durchzogen.)
Hauptteig
250 g Weizenmehl Type 550
50 g Roggenmehl Type 1150
17 g Backmalz
100 g Wasser
4 g Frischhefe
Für den Hauptteig den Vorteig mit Mehl, Backmalz, Wasser und Hefe 5 Minuten auf niedrigster
Stufe in der Knetmaschine mischen.
Dann weitere 5 Minuten auf der nächsten Stufe
kneten. (Der Teig ist fest und löst sich vom
Schüsselboden.)
20 g Milch
Den Teig weitere 5 Minuten kneten. Währenddessen die Milch tropfenweise zum Teig geben.
6 g Öl
Anschließend das Öl in den Teig über 2 Minuten bei gleichbleibender Knetgeschwindigkeit in
gleicher Weise einarbeiten.
10 g Salz
Salz zugeben und weitere 1-2 Minuten auf zweiter Stufe kneten. (Der Teig ist mittelfest, klebt
leicht, löst sich aber vom Schüsselrand.) Den Teig 1 Stunde bei ca. 24 °C luftdicht abgedeckt in
einer Schüssel gehen lassen.
Anschließend den Teig kurz von Hand durchkneten und 8 Teiglinge abstechen. Die Teiglinge zu
Brötchen formen und 3 Stunden bei ca. 10 °C abgedeckt gehen lassen.
Backofen auf 230 °C vorheizen.
Die Teiglinge 20 Minuten backen. Nach 10 Minuten Backzeit die Ofentür weit öffnen um die
Schwaden abzulassen.
Den Backofen auf 210 °C zurück schalten und die Brötchen weitere 10 Minuten backen.
Rezeptidee: Sonntags-Brötchen
Zutaten
Zubereitung
1,5 kg Weizenmehl Type 1050
100 g Roggenvollkornmehl
100 g Weizenvollkornmehl
200 g Sesam
200 g Leinsamen
100 g Sonnenblumenkerne
1 Würfel Hefe
30 g Salz
200 ml Wasser
Alle Zutaten in eine Schüssel geben. Mit der Hefe und warmen Wasser einen Vorteig herstellen
und diesen 30 Minuten ruhen lassen.
1 l Wasser
Danach mit dem restlichen Wasser alles zu einem geschmeidigen Teig kneten und zwei Stunden
ruhen lassen. Backofen auf 230 °C Umluft vorheizen.
Öl zum bestreichen
Aus dem Teig Brötchen (ca. 60 g) formen, auf ein gefettetes Backblech setzen, noch mit Öl oder
Dosenmilch bestreichen und 10-15 Minuten gehen lassen.
Dann bei 200 °C ca. 20 Minuten backen.
Tipp: Brötchen schnell ausformen.
Ein Beitrag des Infodienst Ernährung / www.ernaehrung-bw.de
Mehr finden Sie im monatlichen Newsletter.
Landinfo 3 | 2015
Autorin: Gesa Czolbe
Bilder: Gesa Czolbe, Martina Ehrentreich
29
Mitten im Leben
Geschafft! Referendariat 2013 - 2015
Von links nach rechts: Heike Hespe (MLR), Silvia Tappe (MLR), Wolfgang Arnoldt (MLR), Samuel
Gesell, Adrian Bürkle, Joschko Geiß, Rebecca Schiefer, Theresa Deubele, Dr. Thorsten Bornwaßer, Dr.
Stefanie Henseler, Martin Heck, Heike Rominger, Charlotte Dreiseidler, Dorothee Lux, Sophie Rohmer,
René Roux, Christina Sander. Ariane Kleiner, Hubert Sauber (RPS), Gisela Enderle (LEL) 
Personalnachrichten
Neueinstellungen
Dr. Stefanie Henseler
Joschko Geiß
Adrian Bürkle
Sophie Rohmer
Ariane Kleiner
Martin Heck
Heike Rominger
René Roux
Samuel Gesell
LRA Biberach
LRA Biberach
LRA Emmendingen
LRA Esslingen
LRA Esslingen
LRA Alb-Donau-Kreis
LRA Sigmaringen
LRA Karlsruhe
LRA Rastatt
Dorothee Lux
Julia Locher
Christina Sander
Jan Rebehn
Jana Traub
Dr. Thorsten Bornwaßer
Theresa Deubele
Charlotte Dreiseidler
LRA Schwäbisch Hall
LRA Zollernalbkreis
LRA Rottweil
LRA Rottweil
LRA Böblingen
LRA Heidelberg
RP Tübingen
MLR
LRA Neckar-Odenwald-Kreis
LRA Breisgau-Hochschwarzwald
LRA Hohenlohekreis
LRA Sigmaringen
LRA Ortenaukreis
Arno Zürcher
Patricia Seele
Uta Maria Killgus
Annette Jilg
Sebastian Weisenburger
LRA Karlsruhe
LRA Biberach
LRA Reutlingen
LAZBW Aulendorf
LTZ
Versetzungen
Dr. Burkhard Lennartz
Anne Katrin Peters
Karoline Baumann
Christof Löffler
Stefan Kury
30
Landinfo 3 | 2015
Mitten im Leben
Rezensionen
Neu: „Lernfeld Brotgetreide“ und
„Ballaststoffreich genießen“
Unter dem Titel „Lernfeld Brotgetreide“ hat der
Verband Deutscher Mühlen neues Material für die
Sekundarstufe veröffentlicht. Es enthält vier Unterrichtsbausteine für die Klassen 5-10 mit Sachinformationen und Arbeitsblättern rund um das
Thema Brotgetreide zu Ernährung, Kultur, Verarbeitung und Märkten: mit 13 Arbeitsblättern und
zahlreichen Literatur- bzw. Linkstipps. Ergänzend
gibt es Onlinematerial zum Download mit Anknüpfungspunkten in den Lehrplänen, weiteren
Arbeitsblättern und Interviews zu acht Ausbildungsberufen entlang der Getreidekette.
Speziell für hauswirtschaftliche Fächer, Schulprojekte oder zum Einsatz in der Erwachsenenbildung eignet sich die gleichzeitig erschienene Sonderpublikation „Ballaststoffreich genießen“ mit
fachlichen Informationen rund um das Thema
und beispielhaften Rezepten zur handlungsorientierten Ernährungsbildung – nicht nur für die
Hauswirtschaftsküche.
Beide Publikationen zum kostenlosen Download
oder Bestellen unter http://www.muehlen.org/
presse-service/publikationen/ 
Vor allem im Hauptteil des Buches, das sich mit
der eigentlichen Befragung der Öko-Erzeuger befasst, werden die Inhalte anhand zahlreicher Abbildungen in Form von Tabellen und Grafiken
anschaulich präsentiert und im Textteil ausführlich beschrieben. Bei diesem wissenschaftlich
strukturierten Eindruck ist es etwas verwunderlich, dass das aufgelistete Abkürzungsverzeichnis
fehlt.
Durch die aktuelle Situation in der Agrarförderung (Neue Förderperiode 2014-2020) und der
Möglichkeit, im Rahmen von ELER Beratung
durch die EU in Bundesländern mit zu finanzieren, werden in dem Buch aktuelle Fragestellungen
erörtert, die sicherlich noch weiter verfolgt und in
verschiedenen Bundesländern auf großes Interesse stoßen werden.Im Hinblick auf die Umstellung
der Beratung für landwirtschaftliche Betriebe in
Baden-Württemberg, können sowohl Beratungsorganisationen als auch Verantwortliche aus Politik und Wissenschaft sicherlich einige Anregungen
mit in die Weiterentwicklung des Konzeptes nehmen. Wer sich ein Bild über die aktuelle Beratung
speziell im ökologischen Landbau verschaffen
möchte und an möglichen Qualitätsmerkmalen
für Beratung interessiert ist, findet hierzu in diesem Buch einige hilfreiche Zusammenstellungen
und Überlegungen. 
Frauen am Land – Potentiale und
Perspektiven
„Beratung ökologisch wirtschaftender
Erzeuger in Deutschland“
Wie sieht die aktuelle Beratung im ökologischen
Landbau aus? Wie stellt sich die Beratungssituation in Deutschland insgesamt dar? Gibt es sogar
Qualitätsmerkmale für Beratung, an denen man
gute Beratung erkennen kann? Auf all diese Fragen und viele weitere wollen die Autoren in Ihrem
Werk „Beratung ökologisch wirtschaftender Erzeuger in Deutschland“, erschienen in der Reihe
Kommunikation und Beratung Band 117, Antworten liefern. Dies geschah im Rahmen einer
Studie, in der die Meinungen von rund 600 ÖkoErzeuger aus den dreizehn Flächenstaaten
Deutschlands anhand eines Fragebogens erfasst
wurden. Zu Beginn des Buches erhält der Leser sowohl
eine Übersicht über aktuelle Entwicklungen und
vergleichbare Studien zum Thema als auch Einblicke in wichtige Überlegungen zum methodischen
Vorgehen.
Landinfo 3 | 2015
Manuela Larcher/Theresia Oedl-Wieser/Mathilde Schmitt/Gertraud Seiser (Hrsg.); Frauen am
Land – Potentiale und Perspektiven. 263 Seiten.
Innsbruck – Wien – Bozen: StudienVerlag; ISBN
978-3-7065-5315-5. € 26,90.
Im Tagungsband „Frauen am Land – Potentiale
und Perspektiven“ werden Frauen_Leben am
Land in ihrer interdisziplinären und thematischen
Vielfalt vorgestellt und ihre Potentiale und Perspektiven ausgelotet. Ausgangspunkt für das Buch
war die gleichnamige Tagung, die vom 7.2. bis
9.2.2013 an der Universität für Bodenkultur Wien
stattfand.
Ziel der Veröffentlichung ist es insbesondere, die
Vielfalt der verschiedenen Lebensentwürfe, Perspektiven und Potenziale von Frauen auf dem
Land zu zeigen und respektvoll nebeneinander
stehen zu lassen. 
31
Ländlicher Raum
Dr. Therese Hintemann, Bernhard Bundschuh, Helge de Boer
Wetterdaten und ihr Nutzen für Beratung und Praxis
www.wetter-bw.de das Portal der Agrarmeteorologie Baden-Württemberg
Wetterdaten sind für die Landwirtschaft in vielerlei Hinsicht wertvoll. Das aktuelle Wettergeschehen
sowie die Wettervorhersagen bestimmen direkt Planung und Durchführung von Arbeitsgängen
(Pflanzenbau- und Pflanzenschutz-Maßnahmen). Als Berechnungsgrundlage für Prognosemodelle
und Entscheidungshilfen zum Auftreten von Schaderregern beeinflussen die Wetterdaten die
Pflanzenschutzmaßnahmen zusätzlich indirekt. Diese Vorhersagemodelle zeigen an, ob eine
Pflanzenschutzmaßnahme notwendig ist und wann der optimale Anwendungszeitpunkt ist.
Rückblickend auf die vorangegangene Vegetationsperiode sind die Wetterdaten aus der Vergangenheit
interessant, um mehrere Jahre miteinander zu vergleichen und Versuchsergebnisse zu interpretieren.
A
uch in anderen Bereichen bieten Wetterdaten
als Berechnungsgrundlage für verschiedene
Anwendungen Vorteile für weitere Nutzergruppen. Das Wetterdatenangebot dient ebenfalls Imkerinnen und Imkern bei der Bestimmung des
optimalen Zeitpunktes der Varroabekämpfung
und der Geflügelhaltung durch Warnung vor Hitzestress. Haus- und Kleingärtnerinnen und -gärtner können sich per SMS oder Email vor Frostnächten warnen lassen, die ihre Kübelpflanzen
schädigen können. Das Angebot wird auch zukünftig um interessante Module erweitert.
Wetterstationsnetz
Baden-Württemberg
Landesweit werden Wetterdaten von 115 Wetterstationen erfasst (Abb. 1). Dieses Wetterstationsnetz ist an die Erfordernisse aus der Landwirtschaft angepasst und wird vom LTZ Augustenberg betrieben. Die Finanzierung erfolgt durch
das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Die Wetterstationen erfassen die
für die Landwirtschaft wichtigen Parameter an
ausgewählten Standorten.
Abbildung 1
Wetterstationsnetz der Landwirtschaft in Baden-Württemberg (Stand Juni 2015).
Wetterstationen sind durch einen roten Punkt markiert.
Quelle: Agrarmeteorologie Baden-Württemberg www.wetter-bw.de.
32
Von den 115 Wetterstationen gehören 93 Wetterstationen landeseigenen Institutionen, wie zum
Beispiel LTZ Augustenberg, WBI Freiburg und
Universität Hohenheim. Ergänzt werden sie durch
weitere 22 sogenannte „externe Wetterstationen“
in den Kulturen Wein- und Obstbau, die von anderen Einrichtungen wie zum Beispiel Winzergenossenschaften oder Obstgroßmärkten angeLandinfo 3 | 2015
Ländlicher Raum
Wetterstation im Weinbau.
Wetterstation im Ackerbau.
Bild: H. de Boer, LTZ
Bild: H. de Boer, LTZ
schafft wurden. Dabei wird bei der Beschaffung
von Wetterstationen auf einen einheitlichen Stationstyp geachtet, damit Arbeitsaufwand und Fehleranfälligkeit möglichst gering bleiben. Der Datenabruf, die Datenbereitstellung und die Überwachung der Wetterstationen des Landesnetzes erfolgen durch das LTZ Augustenberg.
Die Sensorausstattung und die Standortauswahl
entsprechen den Anforderungen der verschiedenen landwirtschaftlichen Kulturen. Es gibt zwei
Wetterstationstypen. Der Wetterstationstyp für
den Obst-, Wein- und Hopfenanbau ist mit Sensoren für Lufttemperatur und Luftfeuchte in 2 m
Höhe über dem Boden, die Globalstrahlung, die
Blattnässe und den Niederschlag ausgestattet (siehe Bild 1).
Der Stationstyp Ackerbau hat zusätzlich Sensoren
für die Windgeschwindigkeit und Windrichtung,
sowie die Lufttemperatur in 20 cm Höhe über
dem Boden und die Bodentemperatur in 5 cm
Bodentiefe. An einigen ausgewählten Ackerstandorten gibt es ergänzend Temperatur- und FeuchteSensoren in 20 cm Bodentiefe (siehe Bild 2).
Diese Parameter sind bei der Entscheidung für
eine Pflanzenschutzmittelanwendung wichtig.
Beispielsweise darf zur Vermeidung von Abdrift
bei zu hoher Windgeschwindigkeit mit Feldspritzen und Sprühgeräten keine Ausbringung von
Pflanzenschutzmitteln erfolgen.
Landinfo 3 | 2015
Abruf, Kontrolle und Weiterleitung
der Wetterdaten
Der Datenabruf erfolgt zentral über Mobilfunk.
Die Wetterstationen werden in der Hauptsaison
von März bis September stündlich automatisiert
abgerufen und die Daten fließen in eine gemeinsame Datenbank. Es erfolgt eine automatische
Überprüfung der Daten auf Plausibilität, die einmal täglich am LTZ Augustenberg manuell überprüft wird.
Von der Datenbank aus werden die Wetterdaten
in die verschiedenen Prognosemodelle und Informationssysteme wie z. B. das Informationssystem
Integrierte Pflanzenproduktion (ISIP), Vitimeteo,
Rimpro etc. exportiert.
Die Wetterdaten werden
unter der Adresse:
www.wetter-bw.de
zur Verfügung gestellt.
www.wetter-bw.de
Dargestellt werden die Wetterdaten im Internet
unter www.wetter-bw.de. Seit Juli 2014 stehen
Wetterdaten und weitere Informationen zur
Pflanzenproduktion allen Interessierten aus Land33
Ländlicher Raum
wirtschaft, Garten-, Obst- und Weinbau sowie
allen Bürgerinnen und Bürgern auf der neugestalteten Internetseite der Agrarmeteorologie BadenWürttemberg zur Verfügung.
Bei der graphischen Darstellung sind die Wetterstation, der Zeitraum und die Sensoren frei wählbar. Es ist auch möglich Sensoren verschiedener
Stationen vergleichend darzustellen.
Das Informationsangebot gliedert sich in die Bereiche:
Landesweit gibt es zusätzlich die Deutsche Wetterdienst-(DWD)-Vorhersage und die Unwetterwarnungen. Das aktuelle Niederschlagsradar in
unterschiedlicher Auflösung (Europa- und
Deutschlandweit) gibt Informationen über die
räumliche Niederschlagsverteilung und -stärke.
• aktuelle Wetterdaten, Wettervorhersagen und
Wetterwarnungen,
• Informationsportale,
• kulturspezifische Prognosemodelle,
• Messnetzinformationen,
• Daten vom Deutschen Wetterdienst (DWD)
und
• Service.
Ausbau und Verbesserung
des Informationsangebots
werden gemeinsam mit
Bayern und RheinlandPfalz weiterentwickelt.
Die Datenverarbeitung und -darstellung im Internet wird seit Juli 2014 vom Fachbereich Agrarmeteorologie des DLR Rheinland-Pfalz übernommen. Das LTZ Augustenberg ist für die Qualität
und die Quantität der Wetterdaten aus BadenWürttemberg verantwortlich und bestimmt den
Internetauftritt inhaltlich. Im Rahmen dieser länderübergreifenden Kooperation wurde das Informationsangebot erweitert. Zukünftig kann der
Ausbau und die Verbesserung des Informationsangebotes mit den Bundesländern RheinlandPfalz und Bayern gemeinsam weiterentwickelt
werden.
Das aktuelle Wettergeschehen und
Vorhersagen
Aus dem Wetterportal
lassen sich mit einem
Mausklick wichtige
Infoportale mit
Prognosemodellen zum
Pflanzenschutz und zur
Varroabekämpfung
erreichen.
Alle Wetterdaten werden tabellarisch und mit ihrer
räumlichen Verteilung in der Karte angezeigt und
sind stündlich aktuell. Bei der tabellarischen Ansicht sind die Daten aller Wetterstationen alphabetisch sortiert dargestellt. Einen räumlichen Überblick über die Witterung im ganzen Land bekommt man mit Hilfe der Stationskarte. Dort
können einzelne Sensoren ausgewählt werden,
deren aktuelle Stundenmittelwerte angezeigt werden.
Zu jeder einzelnen Wetterstation werden 7-Tage
Vorhersage angezeigt. Ebenso werden rückblickend die Wetterdaten als Stunden-, Tages-, Monats- oder Jahresmittelwerte angezeigt. Im Download-Bereich können die Daten heruntergeladen
oder graphisch dargestellt werden (siehe Abb. 4).
34
Prognosemodelle und Infoportale
Neben den Witterungsdaten bündelt die Internetseite www.wetter-bw.de weitere wichtige Informationen für die Landwirtschaft. Die Baden-Württembergischen Portale „Infodienst“ und „Infoservice“ sowie die Baden-Württemberg-Seite von
ISIP (www.isip.de) sind in der Auswahlleiste mit
aufgeführt und sind so schnell zu finden.
Für die einzelnen Kulturgruppen
• Ackerbau,
• Gemüsebau,
• Hopfenanbau,
• Obstbau und
• Weinbau.
gibt es jeweils eigene Bereiche, in denen die wichtigsten Prognosemodelle und Infoportale mit einem „Klick“ erreichbar sind. Mit Hilfe der Modelle werden Entwicklungszyklen von Schaderregern
und phänologische Stadien von Kulturpflanzen
wie beispielsweise Blüte simuliert. Daraus werden
die Notwendigkeit für Pflanzenschutzmaßnahmen und die optimalen Behandlungszeitpunkte
ermittelt. Damit sind die Wetterdaten ein wichtiger Baustein im integrierten Pflanzenschutz und
für den sachgerechten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Ein Aspekt aus der Tierproduktion ist der Bereich
Bienen. Imkerinnen und Imker erfahren hier,
wann die Witterungsbedingungen für welche Art
der Varroabekämpfung günstig sind. Ebenfalls im
Angebot ist bundesweit das Blühphasenmonitoring, an dem sich jede und jeder beteiligen kann.
Weitere für die Landwirtschaft interessante Informationen des DWD ergänzen das landesweite
Landinfo 3 | 2015
Ländlicher Raum
Abbildung 4
Graphische Darstellung der Wetterdaten der Station Augustenberg (Niederschlag: schwarze Balken,
Temperatur in 2 m Höhe: blaue Linie, Luftfeuchtigkeit: grüne Linie) vom 01.01.2015 bis 08.06.2015.
Quelle: Agrarmeteorologie Baden-Württemberg www.wetter-bw.de.
Angebot. Zur Verfügung stehen das monatliche
„Deutschlandwetter“ seit dem Jahr 2010, Wetterdaten von 50 DWD-Stationen (nicht-tagesaktuell)
sowie langjährige Wetterdaten, die regional einen
Blick auf die Klimaentwicklung der letzten Jahrzehnte ermöglichen. Ebenso sind Deutschlandkarten zu den Themen Frosteindringtiefe, Klimatische Wasserbilanz, Niederschlag und Verdunstung abrufbar. Im Serviceteil der Internetseite
www.wetter-bw.de kann man eine Wettermail zu
ausgewählten Wetterstationen abonnieren sowie
in den Monaten Oktober bis November den „Kübelpflanzenalarm“, der Frostschäden an Kübelpflanzen verhindern soll.
Künftig soll in der Hauptsaison neben einem umfassenden Modul für die Spargelanbauer auch ein
„Bewässerungsservice“ für gemüsebauliche Leitkulturen auf den baden-württembergischen
Warndienstseiten integriert werden. Zusätzlich
soll ein Programm zur Bestimmung des optimalen
Abnahmetermins von Folien im Gemüseanbau
bereitgestellt werden.
Landinfo 3 | 2015
Auch der häusliche Garten wird weiter in den Fokus der Entwickler rücken. So ist beispielweise
eine rechnergestützte Entscheidungshilfe zur
Festlegung des Bewässerungsbedarfs im Hausund Kleingarten geplant. Auf diesem Weg soll die
gezielte Bewässerung von Kulturen gefördert und
der Wasserverbrauch reduziert werden. Das ist
eine Möglichkeit sich im kleinen Bereich an die
Veränderungen durch den Klimawandel anzupassen.
Die Internetseite www.wetter-bw.de bietet neben
Wetterdaten wichtige Informationen für Beratung
und Praxis in der Landwirtschaft, für die Imkerei
und für alle Hobbygärtnerinnen und -gärtner mit
Balkon und Garten. Das Ziel zukünftiger Entwicklungen ist, den Nutzen der landesweiten Wetterdaten für die Landwirtschaft und die gesamte
interessierte Bevölkerung weiter auszubauen und
zu optimieren. Dabei sind Kooperationen sowohl
mit anderen Bundesländern als auch mit den externen Wetterstationsbesitzern zielführend. 
Dr. Therese Hintemann
LTZ Augustenberg
Tel. 0721/ 9468-433
therese.hintemann@ltz.
bwl.de
35
Ländlicher Raum
Gottfried Bleyer; Ronald Krause und Nour Sawas*
“RegenradarNeu“ ein wertvolle Ergänzung in „VitiMeteo“
Der Pflanzenschutz ist das Schlüsselelement für eine sichere Produktion im Weinbau. Um gezielte
Behandlungen durchzuführen bietet das Prognosesystem „VitiMeteo“ wertvolle Hilfestellungen. Seit
Anfang Juni wurde das RegenradarNeu als Service miteingebunden, um den Betrieben die Planung
von kurz– und mittelfristigen Arbeiten im Weinberg zu erleichtern.
„VitiMeteo“ und Wetterdaten
* Fa. Geosens, Schallstadt
V
itiMeteo“ ist inzwischen ein umfassendes
Prognosesystem für den Weinbau geworden.
„VitiMeteo“- Modelle gibt es für die wirtschaftlich
bedeutendsten Krankheiten und Schädlinge im
Weinbau. Die Abschätzungen des Risikos von
Krankheiten und Schädlingen werden alltäglich
und kostenlos auf www.vitimeteo.de für BadenWürttemberg im Internet veröffentlicht. Sie sind
auch mobil über m.vitimeteo.de abrufbar. Ergänzend liefert das System Informationen zu gemessenen und prognostizierten Wetterdaten. Die
LTZ Augustenberg stellt die gemessenen Wetterdaten für „VitiMeteo“ bereit. Das agrarmeteorologische Messnetz Baden-Württemberg wird von
der LTZ Augustenberg betrieben und unterhalten.
„VitiMeteo“ ist eine Beispiel erfolgreichen, langjährigen Kooperation zwischen der LTZ Augustenberg und dem WBI-Freiburg.
Die bisherigen Erfahrungen bestätigen, dass Prognosemodelle wertvolle Unterstützung bieten, um
einen gezielten und sicheren Pflanzenschutz
durchzuführen. Für eine erfolgreiche, terminorientierte Behandlung sind entsprechende Witterungsbedingungen eine wichtige Voraussetzung.
Nach guter fachlicher Praxis müssen die Rebbestände trocken sein, die Temperatur sollte 25°C
nicht übersteigen und die relative Luftfeuchte
nicht unter 60% sinken. Bei Windgeschwindigkeiten über 3 m/s sollte der Pflanzenschutz nach
Möglichkeit entfallen, bei Windgeschwindigkeiten
über 5 m/s ist eine Anwendung nicht mehr akzep-
Abbildung 1
Meteogramm AGRO für
Kürnbach: Entwicklung des
Wetters mit Diagrammen zu
Lufttemperatur,
Windgeschwindigkeit und
-richtung am Boden, sowie
Niederschlag, Wolken,
Spritzfenster und Luftfeuchte“
für die nächsten 7 Tage.
36
Landinfo 3 | 2015
Ländlicher Raum
tabel. Werden diese Voraussetzungen nicht eingehalten, kann es zu Minderwirkungen der eingesetzten Produkte kommen. Die Genauigkeit der
Wetterprognose hat sich in den letzten Jahren vor
allem für den kurzfristigen 3 Tagesbereich deutlich verbessert. Aber auch die Vorhersagetrends
für die nächsten 7 bis 10 Tage sind verlässlicher
geworden. Auf „VitiMeteo“ werden Ihnen die
Meteogramme AGRO von der Firma „meteoblue“ aus Basel angeboten (Abb. 1). Die Meteogramme geben Auskunft über die Entwicklung
des Wetters mit Grafiken zu Lufttemperatur,
Windgeschwindigkeit und -richtung am Boden,
sowie Niederschlag, Wolken, Spritzfenster und
Luftfeuchte für die nächsten 7 Tage. Das „Spritzfenster“ soll helfen den geeigneten Zeitraum für
die Applikationen zu finden: Geeignet (grün), weniger geeignet (gelb) und ungeeignet (rot). Die
Bedingungen sind natürlich abhängig von Wind,
Niederschlag, Temperatur und Luftfeuchte. Die
Empfehlungen sollten vor der Behandlung mit
den aktuellen Wetterverhältnissen vor Ort abgeglichen werden, da diese (z.B. für Wind) lokal sehr
stark abweichen können. Ausführlichere Informationen zu den Meteogrammen sind unter https://
content.meteoblue.com/de/hilfe/raeumliche-dimensionen/point-r/meteogramme/meteogramm-agro zu finden.
RegenradarNeu eine Hilfe für die
Planungen im Betrieb
Eine weitere Ergänzung zum Thema Wetter ist
seit Mitte Juni 2015 das Niederschlagsradar (auch
Regenradar genannt) auf „VitiMeteo“. Ein Vorteil
des Regenradars ist es, dass es die Entwicklung des
Wetters aktueller zeigt als die obengenannten Meteogramme oder andere Wetterprognosen. Das
Regenradar auf „VitiMeteo“-Plattform präsentiert hierbei das Niederschlagsradar vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Dadurch wird einerseits die Regenvorhersage für die nächsten 3 Stunden deutschlandweit (Abb. 2) dargestellt. Andererseits zeigt ein kleiner Film die Niederschläge der
zurückliegenden Stunde in Baden-Württemberg.
Diese Informationen können beispielsweise genutzt werden, um abzuschätzen, ob kurzfristige
Maßnahmen wie Behandlungen oder andere Arbeiten im Weinberg noch möglich sind. Zusätzlich
sind mittelfristige Vorhersagen für Regen unter
„Niederschlagsradar Europa“ einsehbar. Diese
Seite stellt der Anbieter Meteox.de zur Verfügung.
Mit Hilfe dieser Seite kann die Wetterentwicklung
der nächsten 3 Tage relativ genau beurteilt werden, z. B. von wo und wie sich Tiefausläufer bewegen, ob mit Dauerregen oder nur mit lokalen NieLandinfo 3 | 2015
derschlägen gerechnet werden muss. Gerade diese
Seite kann helfen die Planungen im Betrieb innerhalb der nächsten Tage besser zu koordinieren.
Zusammenfassung
Abbildung 2
Regenvorhersage für die
nächsten 3 Stunden
deutschlandweit. Oben
rechts: Link
„Niederschlagsradar Europa“.
Das Wetter bzw. die Wetterprognose bestimmt
unter anderem die Terminierung von Pflanzenschutzmaßnahmen. Auch alle anderen Arbeiten
im Weinberg sind maßgeblich vom Wetter abhängig. Die Schlagkraft der Betriebe hat sich in den
letzten Jahren immer mehr gesteigert, so dass alle
weinbaulichen Arbeiten rationeller als früher von
statten gehen. Eine entscheidende Rolle für die
Planung der anstehenden Arbeiten im modernen
Weinbaubetrieb spielt die Wetterprognose. Trotz
der sich häufenden „Wetterkapriolen“ sind die
Prognosen sicherer geworden. „VitiMeteo“ hat
bisher schon als Ergänzung zu anderen Prognoseanbietern ortsgenaue Vorhersagen bereitgestellt.
Ein weiterer Service vom WBI-Freiburg für die
Weinwirtschaft Baden-Württembergs ist ab sofort
das RegenradarNeu. Somit können Winzer/Innen
direkt und ohne umständliches Suchen bei „VitiMeteo“ auf nützliche Informationen zugreifen. 
Gottfried Bleyer
WBI Freiburg
Tel. 0761/ 40165-28
Gottfried.Bleyer@wbi.
bwl.de
37
Pflanzen- und Tierproduktion
Sabine Löcher-Bolz
Der neue Sachkundenachweis
– eine Zwischenbilanz 350 Tage nach Einführung des bundesweiten Online-Verfahrens
Am 1. Juli 2014 startete das bundesweite Programm zur Antragstellung des neuen Sachkundenachweises im Scheckkartenformat. Nach 350 Tagen ist die Zwischenbilanz überwiegend positiv:
69.000 Personen von geschätzten 80.000 Sachkundigen haben in Baden-Württemberg den neuen
Sachkundenachweis beantragt, 45.000 neue Sachkundenachweise wurden bereits versandt.
Vorgeschichte
A
uf Grundlage der EU-Richtlinie 128/2009/
EG und dem neuen Pflanzenschutzgesetz
vom 6. Februar 2012 wurde am 27. Juni 2013 die
neue Pflanzenschutzsachkunde-Verordnung erlassen. Danach müssen die Bundesländer den
Sachkundenachweis Pflanzenschutz in Form einer
Chipkarte nach einem vorgegebenen Muster ausstellen.
Ab dem 26. November 2015 sind diese Nachweise
beim Einkauf von Pflanzenschutzmitteln für den
Profi-Bereich beim Händler vorzulegen. In Baden-Württemberg sind für die Ausstellung der
Sachkundenachweise die Landratsämter zuständig. Um die Erstellung und Ausgabe der Sachkundenachweise gemeinsam und damit ressourcensparend durchführen zu können, einigten sich die
Bundesländer auf eine „Ländervereinbarung über
die Einrichtung und den Betrieb von EDV-gestützten Komponenten zur Verwaltung von Sachkundenachweisen im Bereich Pflanzenschutz“.
Inhalt dieser Vereinbarung: Die Erstellung eines
Programms von Sachkundenachweisen sowie eine
Datenbank zu ihrer Pflege.
Die Länder finanzieren diese Aufgabe anteilig auf
der Basis der Zahl ihrer landwirtschaftlichen Betriebe. Zur Erstellung der Konzeption, Vergabe an
eine EDV-Firma und einen Druckdienstleister
sowie die Pflege der Datenbank beauftragten die
Länder die „Zentralstelle der Länder für EDVgestützte Entscheidungshilfen und Programme
im Pflanzenschutz (ZEPP)“ in Bad Kreuznach,
die auch an der Erstellung und dem Betrieb der
Internetplattform ISIP (Informationssystem Integrierte Pflanzenproduktion) beteiligt ist.
38
Schnittstelle zu
Haushaltsprogrammen
In dem ZEPP-Programm ist eine Schnittstelle für
Haushaltsprogramme der jeweiligen Dienststellen
enthalten, die eine Anbindung an Programme zur
haushaltstechnischen Abwicklung der Ausgabe
der Sachkundenachweise ermöglicht. Während in
den meisten Bundesländern die Anträge bei dem
Pflanzenschutzdienst des Landes - in der Regel
eine zentrale Behörde - gestellt werden, sind in
Baden-Württemberg hierfür 35 Untere Landwirtschaftsbehörden zuständig. Das war eine gewaltige Herausforderung für die haushaltstechnische
Abwicklung des Drucks und Abgabe der Sachkundenachweise. Wegen der verschiedenen Haushaltsprogramme bei den einzelnen Landratsämtern und ihrer Eigenständigkeit war eine zunächst
gewünschte einheitliche Lösung nicht realisierbar.
Zwischenzeitlich haben die Landratsämter automatisierte Lösungen für den zu Anfang sehr mühsamen und mit viel Handarbeit verbundenen Prozess gefunden.
Start des Programms
Nach einer Schulung der Sachbearbeiter aller 35
Landratsämter direkt durch die ZEPP kurz vor
Programmstart und weitere intensive Betreuung
durch das LTZ konnte die Online-Antragstellung
am 1. Juli 2014 beginnen.
In Baden-Württemberg bearbeiten die Unteren
Landwirtschaftsbehörden die eingehenden Anträge. Über den Link www.pflanzenschutz-skn.de
öffnet sich für den Antragsteller das bundesweite
Eingangsportal zur Antragstellung. Er hat nun die
Möglichkeit, den Antrag mit oder ohne Registrierung zu stellen. Mit Registrierung bedeutet: Nach
Landinfo 3 | 2015
Pflanzen- und Tierproduktion
Eingabe der E-Mail-Adresse wird dem Antragsteller innerhalb weniger Minuten ein Passwort zugesandt. Mit E-Mailadresse und Passwort, dem Benutzeraccount, meldet er sich an. Nach dem Ausfüllen aller Pflichtfelder, dem Hochladen der
Nachweise, die die Sachkunde belegen, also Berufs- oder Hochschulabschlusszeugnis oder Sachkundezeugnis, und der Bestätigung der Antragstellung wird der Antrag auf elektronischem Weg
direkt an die für den Antragsteller zuständige
Dienststelle weitergeleitet. Der Vorteil: Mit seinem Benutzeraccount hat der Antragsteller die
Möglichkeit, den Bearbeitungsstatus zu verfolgen.
Diese Option entfällt bei der Antragstellung ohne
Registrierung: Nach Eingabe und Bestätigung der
erforderlichen Daten hat der Antragsteller keinen
Zugriff mehr auf seinen Antrag.
Wie bei jeder Neueinführung eines Programms
zeigten sich auch bei dem Online-Verfahren in
den ersten Wochen und Monaten kleinere Probleme, die mittlerweile korrigiert beziehungsweise
verbessert wurden:
Unvollständige Datensätze
Wer seinen Antrag ohne Registrierung stellt, muss
als Sicherheitsabfrage ein sogenanntes Captcha,
eine Buchstaben- und Zahlenfolge ohne Leerzeichen, eingeben, die dem Programm eine Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine als
Nutzer ermöglicht. Dieser Code stellt trotz nochmaliger Verbesserung der Lesbarkeit eine Hürde
für einzelne Antragsteller dar. Die Antragstellung
ohne Registrierung birgt die Gefahr, dass unvollständige Datensätze erzeugt werden: Der Antragsteller bricht den Vorgang der Antragstellung ab,
weil die Eingabe des Captchas nicht funktioniert,
die Unterlagen vorher nicht eingescannt wurden
oder am Ende der Dateneingabe die Antragstellung nicht bestätigt wird. Das Captcha kann beliebig oft eingegeben werden, dennoch führt es bei
einigen Antragstellern zum Abbruch der Antragstellung. Die bis zum Zeitpunkt des Abbruchs
eingegebenen Daten werden als Datensatz gespeichert. Unter Umständen werden von einem Antragsteller mehrere Datensätze angelegt, ohne
dass ein Antrag richtig gestellt wurde. Diese vermeintlich gestellten Anträge sind vom Programm
standardmäßig ausgeblendet und der Sachbearbeiter sieht zunächst nur die Anträge, die in dem
Bearbeitungsstatus „Antrag gestellt“ sind. Hat ein
Antragsteller nach mehreren Fehlversuchen doch
erfolgreich den Antrag gestellt, sind von ihm unvollständige Datensätze abgelegt, die unnötigen
Speicherplatz belegen. Mittlerweile wurden bei
Landinfo 3 | 2015
den meisten Landwirtschaftsbehörden die unvollständigen Datensätze mit großem Zeitaufwand
überprüft und korrigiert. Seit Anfang April gibt es
eine Programmverbesserung: Bei der Antragstellung ohne Registrierung werden unvollständige
Datensätze innerhalb von 70 Minuten wieder gelöscht. Daher empfehlen die Behörden die Antragstellung mit Registrierung.
Antragstellung nach Verstreichen
der Frist
Für Alt-Sachkundige, das heißt, für Personen, die
ihre Sachkunde vor dem 14. Februar 2012 erworben haben, ist die Antragsfrist am 26. Mai 2015
abgelaufen. Alt-Sachkundige können aber weiterhin einen Sachkundenachweis beantragen, allerdings gilt für sie die neue Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung vom 6. Juli 2013. Damit verliert
ein alt-sachkundiger Landwirt die Berechtigung
zur Abgabe von Pflanzenschutzmitteln, die ihm
nach altem Pflanzenschutzrecht zugestanden hätte. Schlimmer trifft es Hochschulabsolventen der
Fachrichtungen Agrar-, Gartenbau- und Forstwissenschaften sowie des Weinbaus: Ihre Hochschulabschlüsse werden nach der neuen Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung nicht mehr pauschal für die Anwendung und Abgabe von Pflanzenschutzmitteln anerkannt. Für die Anerkennung
zur Sachkunde muss eine zusätzliche Bescheinigung der Universität vorgelegt werden, dass die in
der Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung geforderten fachlichen Kenntnisse und praktischen
Fertigkeiten während des Studiums vermittelt und
geprüft wurden.
Für alle anderen sachkundigen Personen gibt es
keine Antragsfrist. Für Personen, die sich am
14. Februar 2012 in einer Aus-, Fort- oder Weiterbildung zur Pflanzenschutz-Sachkunde befanden,
ist nach § 74 des Pflanzenschutzgesetzes die zu
diesem Zeitpunkt gültige Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung anzuwenden, das heißt, noch
die alte Verordnung. Personen, die nach dem
14. Februar 2012 eine Aus-, Fort- oder Weiterbildung zur Pflanzenschutz-Sachkunde begonnen
haben und nach dem 6. Juli 2013 beendet haben,
erhalten ihren Pflanzenschutz-Sachkundenachweis nach den Bestimmungen der neuen Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung. Die Bearbeitung der gestellten Anträge bei den Landratsämtern sollte möglichst bis zum 26. November 2015
abgeschlossen sein, damit sachkundige Personen
ihren Nachweis dem Händler beim Einkauf von
Pflanzenschutzmitteln für den Profibereich vorlegen können. 
Sabine Löcher-Bolz
LTZ Augustenberg
Tel. 0721/ 9468-437
sabine.loecher-bolz@ltz.
bwl.de
39
Pflanzen- und Tierproduktion
Dr. Franz Maus
FERBA-Treffen der Züchtervereinigungen für
Bergrinderrassen im Wallis
- Nationales Finale der Eringer Kampfkühe bildet den Rahmen für das diesjährliche Treffen
Acht von elf Mitgliedern der FERBA, der Europäischen Föderation der Bergrinderrassen des alpinen
Systems, trafen sich zur Vollversammlung in der Walliser Landwirtschaftsschule in Chateauneuf im
Wallis. Präsident ist Giovanni Battista Polla, der Vorsitzende der Rendena Rasse und Geschäftsführer
Dr. Italo Gilmozzi, der als Zuchtverantwortlicher ebenfalls für die Rendenarasse tätig ist.
N
eben den Regularien ging es um den Austausch der Situation in den einzelnen Rassen.
Die Bestände und Leistungen der Rassen sowie
die wichtigsten Ereignisse, Beschlüsse und Ziele
wurden zusammengetragen und besprochen.
Kampfszenen Kopf gegen Kopf.
Alle Bilder: Dr. Maus
Einen Schwerpunkt bildete das Vorstellen der Inhalte des EU- Programm „LiveAlp“ durch Professor Alessandro Bagnato aus Mailand. Ziel ist die
Inwertsetzung der Bergrinderrassen und ihrer
Produkte. Zum Treffen im Jahre 2016 luden die
Vertreter der Tux-Zillertalerrasse nach Tirol in
Österreich ein. Ein Abendessen mit wallisischem
Spargel und Raclette Käse beschloss den Tag. Übrigens, das ursprüngliche Raclette-Essen stammt
Gruppenbild (v. l.):
Gilles Dupenloup Abondance, Alain Alter, Eringerrasse; Klaus Riesle und Dr. Franz Maus, Wäldervieh; Christian Moser, Tux- Zillertaler;
Jérôme Carruzzo, Eringerrasse; Josef Franzelin, Südtiroler Grauvieh; Fellay Ellie, Eringerrasse; Alois Huber Tux, Zillertaler; Vizepräsident
Edy Bianquin, Valdostanarasse; Direktor Dr. Italo Gilmozzi und Präsident Giovanni Battista Polla, Rendenarind; Mathias Kinberger,
Pinzgauer; Dr. Mario Vevey, Valdostanarasse; Rafael Kuen und Vizepräsident Erich Scheiber, Tiroler Grauvieh; Christian Dullnigg, Pinzgauer.
40
Landinfo 3 | 2015
Pflanzen- und Tierproduktion
Vorspiel mit Drohgebärden gesenkter Kopf zu gesenktem Kopf
und seitlichem Nebeneinanderstehen mit Sandwerfen.
Kampfszenen Kopf gegen Kopf.
Stolz nimmt der Züchter der siegreichen Kuh Blickkontakt
mit ihr auf.
Schneebedeckte Berge oben und Weinanbau unten, das
macht das Wallis aus.
von Walliser Bergbauern, die ihren Bergkäse über
dem offenen Holzkohlenfeuer im Kamin schmolzen. Walliser Weißwein schmeckte hervorragend
dazu.
Tags darauf stand die Besichtigung des Nationalen Finales der Eringer Kampfkühe am bekannten
Standort Pra Bardy in Aproz auf dem Programm.
Die Arena ist am Sonntag, dem Haupttag, mit
10.000 Zuschauern ausverkauft, am Samstag kommen etwa 6.000 Zuschauer. Wir besichtigten die
Kategorien Kalbinnen und ein- und zweimal Abgekalbte. Bis zu acht Kühe waren gleichzeitig im
Ring, wo sich vier Kämpfe Kuh gegen Kuh vollzogen.
Fünf flinke junge Helfer sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Die Kämpfe und das unterschiedliche Verhalten der Kühe waren beeindruckend. Manche Kampfpaare mussten die Helfer
zusammenführen, damit es überhaupt zum
Landinfo 3 | 2015
Kampf kam. Mancher Kampf wurde kampflos
entschieden, weil eine verschwand. Andere zeigten ein Imponiergehabe mit Sandwerfen, Kopfsenken und sich gegenüber Stehen. Dann ging es
Kopf an Kopf mit dem Versuch, die Kontrahentin wegzuschieben, das teilweise schnell entschieden war, teilweise aber sehr lang dauerte, eine Partie war erst nach 20 Minuten zu Ende. Auffallend
war die starke Bemuskelung der Kühe und dass die
Größe nur etwas mehr war als bei den Hinterwäldern.
Manche Siegerin verfolgte nach dem Kampf ihre
Kontrahentin, dabei waren die Helfer gefordert.
Einziges Haltemittel war das breite Lederband der
Glocken, die beim Kampf umgeschnürt blieben.
Manchmal verfingen sich die Hörner im Lederband, auch hier waren die Helfer gefragt. In den
zwei Stunden der Besichtigung gab es keinerlei
Verletzungen, eine erstaunliche und erfreuliche
Tatsache bei den starken Hörnern. 
Dr. Franz Maus
LRA SchwarzwaldBaar-Kreis
Tel. 07721/ 913-5352
[email protected]
41
Pflanzen- und Tierproduktion
Mark Schumann
Haltungsanforderungen an eine tiergerechte
Forellenzucht - was brauchen Fische zum Wohlfühlen?
Die Bewertung des Tierwohls bei Fischen, deren natürlicher Lebensraum nicht unmittelbar einsehbar
und deren Lebensweise vielen Menschen nicht vertraut ist, ist nicht einfach. Oft versucht man,
Tierwohlindikatoren von Landnutztieren auf Fische zu übertragen – nicht immer zu deren Nutzen. Es
gibt einige Mindestanforderungen, die als Orientierung für tiergerechte Fischhaltung dienen können.
Wasserqualität und
Haltungsbedingungen
E
Abbildung 1
ine Grundvoraussetzung für artgerechte Haltung ist es, eine Haltungsumgebung zu schaffen, die den optimalen Ansprüchen der jeweiligen
Tierart möglichst nahekommt. Der limitierende
Faktor eines Fischbestandes ist die Wassermenge,
die der Fischzüchter in ausreichender Qualität zur
Verfügung hat. Das Wasser entstammt entweder
ganz einer natürlichen Quelle oder wird nach
Durchlaufen der Fischzuchtanlage aufbereitet und
wieder genutzt. Dabei spielt die ausreichende Sauerstoffversorgung eine entscheidende Rolle: reichen die natürlichen Kapazitäten des Gewässers
nicht aus oder wird ein Teil des Wassers wiederverwendet, wird zusätzlich belüftet. Generell haben Forellen- eine Vorliebe für kältere Gewässer.
Regenbogenforellen besitzen jedoch - gegenüber
der heimischen Bachforelle - einen größeren To-
leranzbereich und sind deshalb unempfindlicher
gegenüber Temperaturschwankungen. In Anlagen, die Wasser teilweise oder vollständig wiederverwerten, können sich einige für Fische problematische Stoffe anreichern und so das Tierwohl
beeinträchtigen. Für die meisten fischrelevanten
Wasserparameter, wie Ammonium und Nitrit,
pH-Wert und CO2, wurden bereits Toleranzbereiche mit Höchst- und Mindestwerten definiert, die
in der Praxis als Orientierungshilfe dienen und
dadurch helfen, stressverursachende Auswirkungen auf die Fische zu vermeiden bzw. zu verringern. Eine Ausnahme aufgrund der großen Komplexität des Themas ist die Belastung mit feinen
Schwebstoffen, der beispielsweise negative Auswirkungen in Form von Schädigungen der Kiemen zugeschrieben werden. Hier läuft die Forschung auf Hochtouren (DBU Projekt AZ 30996).
Futter
Die Qualität des Futters ist – gerade bei räuberischen Fischen – ein wichtiger „Wohlfühlfaktor“.
Heutige Futtermittel sind in ihrer Zusammensetzung viel diverser als jene vor 20 Jahren, da Fischmehl und -öl nach und nach als Hauptrohstofflieferanten durch verschiedene pflanzliche Komponenten ersetzt wurden. Da die natürliche Nahrung
von Forellen aber nur minimale pflanzliche Bestandteile enthält, ist ihre Verdauung nicht an derartige Kost angepasst. Einige Komponenten wie
Kohlenhydrate können sie nur schlecht verdauen,
andere wie sekundäre Pflanzenstoffe führen zu
weitreichenden gesundheitlichen Problemen, die
von Entzündungen des Enddarms über die Hemmung von Verdauungsprozessen bis hin zu höherer Sterblichkeit reichen können. Daher kann die
Futterqualität nur durch eine ausgewogene Kombination der verschiedenen pflanzlichen Einzelkomponenten gewähreistet werden. Nicht weniger komplex wie die Zusammenstellung der Ein-
42
Landinfo 3 | 2015
Pflanzen- und Tierproduktion
zelkomponenten eines solchen Futters ist dessen
Herstellungsprozess, der unter Hitze, Druck und
Scherkrafteinwirkung in einem sogenannten Extruder stattfindet. Aus diesem Grund werden heute fast ausschließlich hochverdauliche Alleinfuttermittel in Form von extrudierten Pellets eingesetzt.
Stress und Fischwohl
Das Wohl von Tieren ist eng mit deren Gesundheitszustand verknüpft, wenn auch nicht damit
gleichzusetzen. Gesunde Tiere sind zwar nicht
automatisch ein Indiz für tiergerechte Haltung. Im
Gegensatz dazu gilt aber, dass ein kranker Tierbestand kaum unserem Verständnis von tiergerechter Haltung entspricht. Daher sind die Bekämpfung und Vermeidung von Krankheiten von zentraler Bedeutung. Maßgeblich für das Auftreten
von Fischkrankheiten in der Aquakultur sind
stressauslösende Ereignisse. Diese können unterschiedlichste Ursachen haben. Abgesehen von der
diskutierten unzureichenden Wasserqualität kommen hier auch externe Stressfaktoren in Frage, die
oftmals nicht vollständig vermeidbar sind. In einer
Fischzucht werden die Tiere in regelmäßigen Abständen durch Umsetzen, Größensortierung und
Transport unvermeidbarem Stress ausgesetzt. Ziel
hier muss es sein, die Dauer und Art der Stressbelastung so gering wie möglich zu halten und die
Eingriffe etwa durch vorherige Ausnüchterung,
geeignete Transportbehälter und der Aufrechterhaltung optimaler Wasserparameter möglichst
schonend zu gestalten. Stress wird auch durch die
Anwesenheit von Fressfeinden wie z.B. dem
Graureiher verursacht. Hier können bauliche
Maßnahmen wie Netz- und Seilkonstruktionen
Abhilfe schaffen, um die meist aus der Luft agierenden Räuber fernzuhalten. Gleichzeitig sinkt
dadurch auch die Gefahr der Einschleppung von
Krankheiten aus benachbarten Gewässern durch
Vögel. Weitere Ursachen von Stress können starke
Sonneneinstrahlung, Lärm etc. sein – Faktoren,
die möglichst minimiert oder vermieden werden
sollen.
Die Haltungsdichte – mehr ist hier oft
weniger
Forellen unterscheiden sich nicht nur in ihrer Lebensweise grundsätzlich von den uns geläufigen
landlebenden Nutztierarten, sondern stellen auch
durch ihre rein räuberische Ernährung eine Ausnahme dar. Die Tiere streben von Natur aus ein
Territorium an, das sie verteidigen und zeigen ein
Landinfo 3 | 2015
ausgeprägtes Dominanzverhalten. Beide Verhaltensweisen führen zu Aggressionen gegenüber
Artgenossen, auch und gerade bei den Bedingungen in der Fischzucht, wo Ausweichmöglichkeiten
fehlen. Dieses natürliche Verhalten kann umgangen werden, wenn zumindest eine Mindestbesatzdichte eingehalten wird. Die höhere Dichte führt
die Fische in eine Schwarmsituation, in welcher sie
sich geschützt fühlen und das Territorial -und Dominanzstreben der Tiere erlischt. Messbar ist dies
beispielsweise mit molekularen Stressmarkern wie
Cortisol. Diesen Sachverhalt den Verbrauchern zu
vermitteln, ist relativ schwierig. Er geht intuitiv
immer davon aus, dass viel Platz für das einzelne
Tier gleichzusetzen ist mit guter Haltung. Diese
Situation stellt sich bei Fischen ganz anders dar.
Abbildung 2
Fazit
Auch in der Aquakultur kommt dem Wohlbefinden der Tiere ein immer höherer Stellenwert zu.
Gerade hier sind Fischgesundheit und Fischwohl
eng mit dem wirtschaftlichen Erfolg verknüpft, so
dass es schon im Eigeninteresse eines jeden Züchters liegt, möglichst optimale Haltungsbedingungen zu schaffen. Fischzüchter versuchen daher
heute bereits mit großem technischem Aufwand
artgerechte Bedingungen zu schaffen. Dieses Haltungsumfeld stellt sich vielfach als tiergerechter als
das natürliche dar, da Stressfaktoren für die Tiere
ausgeschaltet bzw. minimiert werden. Bei der Bewertung des Fischwohls gibt es aus fachlicher
Sicht noch viele offene Fragen, an deren Beantwortung die Forschung momentan intensiv arbeitet. Ein erfahrener Fischzüchter erkennt in der
Regel sofort, ob es seinen Tieren gut geht. Er
weiß, dass die tägliche aufmerksame Beobachtung
seines Tierbestandes noch immer die wirksamste
Methode ist, um zu sicherzustellen, dass es seinen
Fischen gut geht. 
Mark Schumann
LAZBW Langenargen
Tel. 07543/ 9308-312
mark.schumann@lazbw.
bwl.de
43
Hauswirtschaft und Ernährung
Verena Elias
Fünf Jahre Arbeit mit Kopf, Herz und Hand
– in und außerhalb der Küche
Beim Tag der offenen Küche des „Forum ernähren, bewegen, bilden“ Breisgau-Hochschwarzwald wurde
informiert, diskutiert und geschlemmt
Am Samstag, den 18.04.2015 öffnete das Forum ernähren, bewegen, bilden (Forum ebb) des
Landratsamtes Breisgau-Hochschwarzwald seine Tore und lud zahlreiche hochrangige Gäste sowie
die Öffentlichkeit dazu ein, sich vor Ort ein Bild von fünf Jahren getaner Arbeit zu machen.
Hoher Besuch in Breisach
D
Hier kann man etwas lernen:
Wie wird eigentlich Dinkel
geschrotet?
Bild: H. Hörl
ie Liste der interessierten Prominenz war lang
und reichte unter anderem vom Bundestagsabgeordneten Matern von Marschall, dem Landtagsabgeordneten Christoph Bayer, über die ehemalige Ministerin für Ernährung und Ländlichen
Raum Gerdi Staiblin und Schulamtsdirektorin
Monika Blum-Thol bis zum Bürgermeisterstell-
vertreter der Stadt Breisach Lothar Menges. Über
„getane Arbeit“ konnte durchaus einiges berichtet
werden: In ihren Begrüßungsreden lobten Landrätin Dorothea Störr-Ritter und der Leiter des
Fachbereichs Landwirtschaft des Landratsamts
Breisgau-Hochschwarzwald August Daiber die
erfolgreiche Aufbauarbeit, die das Forum ernähren, bewegen, bilden bisher geleistet hat. In den
vergangenen fünf Jahren wurden über 600 Veranstaltungen ausgerichtet und damit knapp 17.500
Menschen erreicht.
Richtig essen will gelernt sein
Besonderes Augenmerkt legt das Forum ebb unter anderem auf die Frage: Wie kann das Thema
Ernährung schon von klein auf so ins Leben integriert werden, dass eine ausgewogene Ernährung
selbstverständlich wird? Zu dieser Thematik war
die Ernährungswissenschaftlerin und Publizistin
Dagmar von Cramm als Referentin eingeladen, die
unter dem Motto „Richtig essen will gelernt sein“
einen Impulsvortrag hielt. Eine Kernbotschaft ihrer Präsentation war die Aussage: „Man mag was
man isst!“
Die Gewohnheit spielt bei der Geschmacksbildung eine enorm große Rolle – werden einem
Kind hauptsächlich Fast Food, Spaghetti und
Schnitzel angeboten, so wird es nicht plötzlich
von sich aus nach anderen Lebensmitteln verlangen. Den Eltern und auch den Betreuungseinrichtungen fällt somit die Aufgabe zu, Kinder ein
möglichst breites Spektrum an Lebensmittel kennen lernen zu lassen und sie zu ermutigen, auch
Neues auszuprobieren. Es zeigt sich jedoch, so
von Cramm, dass deutsche Eltern beim Thema
44
Landinfo 3 | 2015
Hauswirtschaft und Ernährung
Essen deutlich konfliktscheuer sind als andere europäische Eltern. Statt Grenzen zu setzen und
feste Essenszeiten und Rituale zu pflegen, stellen
zu viele Eltern ihre Kinder mit Medien beim Essen ruhig oder geben ihnen Geld für Snacks, um
Diskussionen zu vermeiden. Dabei geben 94%
der Kinder an, am liebsten mit der Familie zu essen – eigentlich ein schönes Zeichen, das nur genutzt werden müsste! Abwechslungsreiches und
gemeinsames Kochen sollte also wieder interessanter werden. Die Lebensmittelindustrie sei hierbei laut von Cramm jedoch keine große Hilfe: Es
werden hauptsächlich stark verarbeitete und süße
Lebensmittel beworben. Bei Kindern entspricht
eine Stunde Fernsehen einer Mehrzunahme an
Süßigkeiten von 167 kcal! „Ich habe noch nie Werbung für Brokkoli oder Birnen gesehen…!“, bedauert Dagmar von Cramm.
Diskussionsbedarf zum Thema Essen
in Betreuungseinrichtungen / Schulen
Es folgte eine interessante Podiumsdiskussion mit
der Landrätin Störr-Ritter, Frau von Cramm sowie
Sigrid Waibel vom Ministerium für Ländlichen
Raum und Verbraucherschutz (MLR), Rosa Karcher, Präsidentin des Landfrauenverbandes Südbaden und Maike Kraft, Lehrerin an der Breisacher Julius-Leber-Schule.
Frau Waibel vom MLR hob hier nochmals die
gute Arbeit des Forums ebb hervor, in dem „mit
Kopf, Herz und Hand gearbeitet und gelehrt
wird“ und betonte vor allem das Alleinstellungsmerkmal – den Schwerpunkt Bewegung, der dieses Ernährungszentrum von den anderen Ernährungszentren in Baden-Württemberg unterscheidet. Gleichzeitig erwähnte sie die konstruktive
Arbeit, die das MLR leistet, um das Thema Ernährung auch weiterhin im Lehrplan der Schulen zu
verankern.
Bildung alleine ist jedoch nicht genug, weiß Rosa
Karcher: „Kinder wissen zwar ganz genau was
gesund ist, aber sie essen es oftmals trotzdem
nicht.“ Sie pochte darauf, dass Kinder optimalerweise bereits bei der Zubereitung oder gar dem
Anbau der Nahrung involviert sein sollten. Kindergärten, die selbst Gemüse und Kräuter anbauen, haben großen Erfolg damit. Die Kinder bekommen so eine andere Beziehung zum „Grünzeug“ und plötzlich schmeckt das Radieschen, das
sie zu Hause vielleicht gar nicht angerührt hätten.
Gleichzeitig entsteht so der wichtige Bezug zur
Regionalität, die zusammen mit der Nachhaltigkeit
für die Landfrauen im Vordergrund steht. Auch
Landinfo 3 | 2015
Frau von Cramm bestätigte die große Rolle, die
Kindertagesstätten und Schulen zukommt, denn
alleine durch Aufklärung und Bildung von Erwachsenen könne man leider diejenigen, die man
dringend erreichen müsste, nicht erreichen.
Als Stimme aus dem Bildungswesen konnte Lehrerin Maike Kraft aus der Praxis berichten. Mit
ihren Schulklassen besucht sie oft und gerne die
Schulungsküche des Forum ebb als wertvollen außerschulischen Lernort. Wenn Kinder danach in
die Schule kommen und begeistert erzählen: „Ich
habe gestern die Lauchcremesuppe mit meiner
Oma zusammen nachgekocht!“, dann ist das für
sie die größte Bestätigung für eine gelungene Vermittlung der Freude am Kochen.
Viel Diskussionsbedarf gab es vor allem zum
Thema Schulessen. Einig sind sich alle Podiumsgäste darin, dass die uneinheitliche Inanspruchnahme der Schulmensen ein großes Problem darstellt: „Dadurch, dass die Schülerinnen und Schüler an manchen Tagen in der Schulmensa Schlange
stehen und an anderen Tagen lieber die leider
üppig gedeihenden Imbissbuden rund um die
Schulen nutzen, kann ein Pächter nicht verlässlich
kalkulieren und wird immer Probleme haben, auf
lange Sicht wirtschaftlich zu bestehen“, erläuterte
Landrätin Störr-Ritter. Würden alle Eltern ihre
Kinder zum Schulessen schicken oder gäbe es nur
gebundene Ganztagsschulen, dann könnte das
Schulessen ganz anders und gesünder gestaltet
werden.
Infobox
Das Angebot des Forums
ernähren, bewegen, bilden reicht von verschiedensten Workshops und
Gruppenangeboten zu
immer wieder neuen Themen wie „Badische Tapas“ oder Resteverwertung über Männerkochkurse bis hin zu Tipps
rund um die schnelle Küche. Zudem werden regelmäßig Angebote für
Schulklassen und Fortbildungen für Multiplikatoren aus Kitas, Kindergärten und Schulen durchgeführt.
Mehr Informationen unter www.forum-ebb.de
Die Schulungsküche in vollem Einsatz
Diskutieren macht hungrig – gut, dass die Gäste
nun nur eine Tür weiter in die erst vor wenigen
Monaten eingeweihte neue Schulungsküche gebeten wurden. Hier hatten Forums-Mitarbeiterinnen, BeKi-Fachfrauen und Referentinnen verschiedene Köstlichkeiten wie frische Brötchen,
Dinkelzöpfe, Karottenmuffins und Kressecreme
zubereitet und diese sollten natürlich – sehr zur
Freude der wissbegierigen und hungrigen Besucher – auch probiert werden.
An zahlreichen Infoständen und bei Bewegungseinheiten konnten sich interessierte Gäste zudem
ein Bild vom gesamten Spektrum der Forumsarbeit machen. Und für das leibliche Wohl war auch
außerhalb der Schulungsküche bestens gesorgt:
Die Landfrauen Oberbergen unterstützen den
Tag mit einer Kartoffelsuppe sowie Kaffee und
Kuchen. 
Verena Elias
LRA BreisgauHochschwarzwald
Tel. 0761/ 2187-5833
[email protected]
45
Hauswirtschaft und Ernährung
Claudia Nickel, Renate Abele
Situation der Weinerlebnisführer/innen
Der Weinbau hat in Baden-Württemberg eine lange Tradition und ist über die Landesgrenzen hinaus
von großer Bedeutung. Von den Steillagen an Tauber, Jagst, Kocher und Neckar mit ihren Seitentälern
über die von der Sonne verwöhnten Hänge Badens bis zu den Weinbergen am Bodensee reifen Weine
heran, die nicht nur bei Kennern sehr geschätzt sind. Auch wenn die bestockte Rebfläche nur knapp
zwei Prozent der landwirtschaftlich genutzten Bodenfläche von Baden-Württemberg ausmacht,
entspricht das über einem Viertel der gesamten für den Weinbau genutzten Fläche in der Bundesrepublik
Deutschland. Damit kommt dieser Sonderkultur eine große nationale Bedeutung zu.
Weinberge am Stromberg.
Bild: C. Kästle
Diversifizierung
gewinnt in allen
Bereichen der
Landwirtschaft an
Bedeutung.
R
und 8.300 Betriebe, von denen etwa 70 Prozent in Winzer- und Weingärtnergenossenschaften organisiert sind, engagieren sich im Anund Ausbau des Weines in Baden-Württemberg
und tragen damit zum Erhalt eines köstlichen
Genussmittels und einer einzigartigen Kulturlandschaft bei.
Angesichts der Veränderungen im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld haben in den
vergangenen Jahren viele landwirtschaftliche Betriebe in Baden-Württemberg ihre klassischen
Produktionszweige um zusätzliche Zweige erweitert. Diese Diversifizierung gewinnt auch im
Weinbau immer stärker an Bedeutung. In seinem
Umfeld entstanden zahlreiche ergänzende Dienstleistungen, Kultur- und Tourismusangebote wieder oder neu. Einen wesentlichen Anteil haben
hierbei die Weinerlebnisführungen, die sich aus
der klassischen Verkostung im Rahmen des Weinverkaufs entwickelt haben.
Um die ökonomischen Daten für diese alternativen Betriebszweige besser in den Blick zu bekommen, wurde im Sommer 2014 eine Befragung im
Geschäftsfeld Weinerlebnisführungen durchgeführt. Diese geschah im Rahmen eines Beratungsprojektes zur Diversifizierung, das vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz
angestoßen und von der Landesanstalt für Ent-
46
wicklung der Landwirtschaft und der ländlichen
Räume in Schwäbisch Gmünd umgesetzt wird.
Über 300 Weinerlebnisführer aus den Weinbauregionen von Baden (Tauberfranken, Badische
Bergstraße, Kraichgau, Ortenau, Breisgau, Kaiserstuhl, Tuniberg, Markgräflerland, Bodensee) und
Württemberg (Kocher/Jagst/Tauber, Württembergisches Unterland, Remstal/Stuttgart, Oberer
Neckar, Württembergischer Bodensee) erhielten
einen detaillierten Fragebogen. Auch nahmen
Weinerlebnisführer aus der angrenzenden Region
Main-Franken an der Befragung teil.
In allen diesen Regionen hat der Weinbau sowohl
die Landschaft als auch die Lebensart geprägt. Gerade das macht sie sehr attraktiv für Gäste aus dem
In- und Ausland. Um dieses Interesse zu fördern,
wurde seit 2007 (Baden) beziehungsweise 2008
(Württemberg) damit begonnen, touristische Gästeführer speziell für die Themen und Erfordernisse der Weinregionen auszubilden.
In den Badischen Weinbaugebieten übernahm dabei der Weinparadies Ortenau e.V. die Initiative
und bildet in Kooperation mit der VHS Ortenau
und der Kreisvolkshochschule Rastatt (teilweise)
Weinerlebnisführer aus. Fast die Hälfte der hier
ausgebildeten Wein-Guides nutzte danach auch
die Gelegenheit, sich über eine Fortbildung beim
Landinfo 3 | 2015
Hauswirtschaft und Ernährung
Deutschen Weininstitut zum „Berater für Deutschen Wein“ zu qualifizieren. Andere haben sich
zu zertifizierten Natur- und Landschaftsführern
weitergebildet. Im Laufe der Jahre haben sich auch
andere Initiativen und Vereine für die Schulung
von Weinerlebnisführern engagiert wie etwa die
Landesarbeitsgemeinschaft Urlaub auf dem Bauernhof in Baden Württemberg e.V.. Für 2015 wird
vom Weinparadies Ortenau e.V. in Zusammenarbeit mit der VHS Markgräflerland in Müllheim ein
zusätzlicher Weiterbildungslehrgang konzipiert.
Er soll qualifizierte Gäste-, Stadt- und Landschaftsführer befähigen, als kompetente Weinerlebnisführer in Südbaden tätig zu werden.
Das Anliegen aller dieser Ausbildungsgänge ist,
engagierte Personen so zu qualifizieren, dass sie
attraktive Programme und Führungen für Weintouristen entwickeln und durchführen können.
Dabei ist das Angebot an Veranstaltungsformen
sehr vielfältig: individuelle Ausflüge und Touren,
weinbezogene Erlebnisprogramme, Weinverkostungen, geführte Weinberg- und Kellerführungen,
Weinseminare, Veranstaltungen, Busbegleitungen
oder auch mehrtägige Weinreisen. Die Befragung
zeigte, dass aktuell vor allem Weinwanderungen
und umfassende Weinproben nachgefragt werden,
während Weinseminare eher seltener durchgeführt werden (siehe Abb. 1).
In der Weinregion Württemberg wird seit 2008 in
Zusammenarbeit mit dem Weininstitut Württemberg und der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg die „Ausbildung zum/zur Weinerlebnisführer/in Württemberg“ durchgeführt. Dort kann auch die umfangreiche Zusatzqualifikation zum Weindozenten
erworben werden, bei der Teilnehmende lernen,
wie sie in anspruchsvollen Seminaren allen Weininteressierten, aber auch der Gastronomie und
dem Handel ein zeitgemäßes und umfassendes
Weinwissen vermitteln können.
Die Ausbildung zum Weinerlebnisführer ist mit
einem gewissen zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden. Werden anschließend auch
Weinproben und Weinerlebnisführungen durchgeführt, erhöht sich der Einsatz an Zeit und Geld.
Deshalb stellt sich für aktive und für zukünftige
Weinerlebnisführer die Frage, ob sich der Aufwand auch lohnt. Lässt sich mit diesem Betriebszweig ein Zusatzeinkommen erwirtschaften? Wie
müssen die Rahmenbedingungen aussehen, damit
das Geschäftsmodell Weinerlebnisführung zu ei-
Abbildung 1
Nachfrageergebnis einer
Angebotsbefragung (in %).
Abbildung 2
Durchschnittskosten einer
Weinprobe.
Landinfo 3 | 2015
47
Hauswirtschaft und Ernährung
Abbildung 3
Kennzahlen zu
Teilnehmergebühren
(EUR/TN).
Bild: S. Haug
nem finanziellen Erfolg wird? Diesen ökonomischen Fragen galt ein Schwerpunkt der durchgeführten Befragung.
Neben den organisatorischen Aspekten wie Häufigkeit und Gruppengrößen sollten die Teilnehmer darüber Auskunft geben, welche veränderlichen Kosten für sie bei den unterschiedlichen
Veranstaltungstypen anfallen. Hierzu gehören
zum Beispiel die Aufwendungen für den verkosteten Wein, dazu gereichte Lebensmittel oder Hilfsmittel wie Geschirr, Servietten, Dekorationen.
Aus der Befragung ergaben sich Durchschnittswerte für die einzelnen Kostenstellen, wobei natürlich nicht bei jeder einzelnen Veranstaltung
auch alle Kostenstellen anfallen. (Zu den Durchschnittskosten einer Weinprobe siehe Abb. 2.)
Hinzu kommen noch andere, feste Kosten, die mit
der grundsätzlichen beruflichen Tätigkeit verbunden sind (Versicherungen, Mieten etc.), welche
allerdings individuell sehr unterschiedlich berücksichtigt werden. Weinerlebnisführer mit eigenem
Weingut müssen hier anderes kalkulieren als Selbständige, die als Dienstleister für andere Weingüter oder Tourismusbetriebe tätig sind.
Außerdem wurden die Weinerlebnisführer nach
den ertragsrelevanten Kennzahlen befragt. Dazu
gehören zum Beispiel die Teilnehmergebühren
(Abb. 3), die Häufigkeit der Veranstaltungen (Abb.
4) oder die Zahl der Teilnehmenden je Veranstaltung siehe Abb. 5).
Aus der Gegenüberstellung von Ertrag und Aufwand lässt sich relativ leicht ablesen, ob das zusätzliche berufliche Standbein als Weinerlebnisführer auch „trägt“. Um den Weinerlebnisführern
ein Instrument zur realistischen Kalkulation ihrer
Veranstaltungen an die Hand zu geben, wurde von
der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume und der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft ein Online-Tool entwickelt, das Verfahren für verschiedene Betriebszweige anbietet und Deckungsbeiträge kalkuliert.
Mit Hilfe der Daten aus der aktuellen Befragung
und zusätzlichen Marktrecherchen ist es nun mög-
48
Landinfo 3 | 2015
Hauswirtschaft und Ernährung
Abbildung 5
Gruppengröße je
Veranstaltung.
Abbildung 4
Kennzahlen zu Angebote je
Anbieter und Jahr (in %).
lich, eigene Veranstaltungen anhand von vorgegebenen Standardwerten oder durch die Eingabe
individueller Werte hinsichtlich des Ertrages zu
berechnen. Dieses Instrument bietet auch die
Möglichkeit, durch die Veränderung einzelner Parameter wie Teilnehmerbeitrag, Teilnehmerzahl
oder Wareneinsatz eigene Veranstaltungen so zu
konzipieren, dass sie einen bestimmten Ertrag abwerfen.
Die Befragung liefert einen guten Einblick in die
gegenwärtige Situation der Weinerlebnisführer in
Baden-Württemberg. Sie unterstreicht die Bedeutung des Weinbaus für Land und Leute. Gerade
die Weinerlebnisführer zeigen viel Engagement
und Herz, sind sie doch oft schon seit Generationen mit dem Weinbau verbunden. Durch die Erhebung konkreter Kennzahlen wurden nun auch
die ökonomischen Aspekte dieses Betriebszweiges transparent. Gleichzeitig lassen sich aus der
Befragung auch Schlüsse ziehen hinsichtlich zukünftiger Maßnahmen und Aufgaben. Aus vielen
Rückmeldungen wurde deutlich, dass Weinbau
Landinfo 3 | 2015
und Weintourismus sehr wohl eine Zukunft haben. Diese wird allerdings im Bereich der Weinerlebnisführungen sehr stark davon abhängen, ob es
den aktiven Weinerlebnisführern gelingt, ihre Angebote ständig zu modifizieren und auch neue
Angebote zu initiieren. Es gilt, neue Zielgruppen
zu erschließen, etwa junge Familien, Singles oder
Touristengruppen. Das kann zum Beispiel durch
eine attraktive internetbasierte Präsentation geschehen oder über die Präsenz bei Veranstaltungen und Messen – gerade auch über Baden-Württemberg hinaus. Ein weiterer wesentlicher Faktor für die Zukunftsfähigkeit wird auch die Vernetzung der Weinerlebnisführer sein: untereinander, mit anderen Anbietern im Tourismusbereich (z.B. Reiseveranstalter,
Tourismusbüros etc.) und mit bestimmten Zielgruppen (z.B. Firmen). Wenn es gelingt, emotionale Wein-Erlebnisse zu gestalten, werden dauerhafte Beziehungen zwischen Gästen und einem
Weingut oder einer Weinregion entstehen, die auf
lange Sicht einen wirtschaftlichen Erfolg
ermöglichen. 
Claudia Nickel
NICKEL & PARTNER
Altdorf
Tel. 07031/ 7784-363
[email protected]
Renate Abele
LEL Schwäbisch Gmünd
Tel. 07171/ 917-223
[email protected]
49
Hauswirtschaft und Ernährung
Katrin Anderlohr
Tag der Schulfrucht 2015
Der dritte landesweite Tag der Schulfrucht am 24. Juni 2015 war ein ereignisreicher und spannender
Tag: Kinder teilnehmender Kitas und Schulen schnippelten, probierten und experimentierten, spielten
und gestalteten – und das alles rund um das Thema Obst und Gemüse. Stellvertretend für alle
teilnehmenden Einrichtungen im Land besuchte Minister Alexander Bonde die Clara-Grunwald-Schule
in Freiburg.
Vielfältige kreative Aktionen im
ganzen Land
D
Mozzarella-Tomaten-Spieße
– beliebt bei Kindern und
Gästen.
50
er Tag der Schulfrucht ist ein landesweiter
Aktionstag in Baden-Württemberg, der im
Rahmen des EU-Schulobst- und -gemüseprogramms stattfindet. Zahlreiche Kindergärten, Kitas und Schulen waren der Einladung zum Mitmachen gefolgt und gestalteten vielfältige fruchtige
Aktionen und Projekte, die ganz im Zeichen des
praktischen Tuns, Erfahrens und Genießens standen. Mit gepackten Rucksäcken ging es zum Beispiel zum Schulfrucht-Lieferanten der Einrichtung, bei dem Kinder die Möglichkeit bekamen,
frische sonnengereifte Beeren von den Sträuchern
zu ernten und direkt vor Ort zu genießen. In den
Kitas und Schulen bereiteten die Kinder gemeinsam mit ihren Erzieher/-innen oder Lehrer/-innen fruchtige Köstlichkeiten wie Gemüse-Ufos
oder Tomaten-Fliegenpilze zu, schulten ihre Sinne
durch Geruchs-, Geschmacks- oder Tastspiele
oder sangen lustige Früchte-Lieder. Das Highlight
aller Aktionen war der gemeinsame Genuss der
leckeren Früchte und das Kennenlernen der tollen
Frucht-Vielfalt.
Ideen und Materialien für die Gestaltung des Tags
der Schulfrucht erhielten die Einrichtungen vorab
auf der Schulfrucht-Homepage des Landes (www.
schulfrucht-bw.de). Die ersten 20 Anmeldungen
wurden darüber hinaus mit der praktischen Unterstützung durch eine Fachfrau der Landesinitiative
Bewusste Kinderernährung (BeKi) belohnt. Die
kreativsten Ideen zur Umsetzung des Aktionstags
werden im August in einem Wettbewerb prämiert.
Zu gewinnen gibt es Preise passend zum EUSchulobst- und -gemüseprogramm. Initiator des
Tags der Schulfrucht ist das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und die Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft
und der ländlichen Räume.
Landinfo 3 | 2015
Hauswirtschaft und Ernährung
Bild 1
Bild 2
Bild 3
Bild 4
Frisches Gemüse zu verarbeiten macht sichtlich Spaß.
Minister Bonde mit Schulfrucht-Sponsor und -Lieferanten Bernd Hörner bei der zentralen Veranstaltung zum Tag der Schulfrucht.
Sonnengereifte Beeren im Waffelbecher - ein Genuss.
Minister Bonde mit August Daiber, Leiter des Fachbereichs Landwirtschaft am Landratsamt Breisgau Hochschwarzwald,
in der „Früchtewerkstatt“.
Bilder: K. Anderlohr
Zentrale Veranstaltung mit Minister
Bonde
Stellvertretend für alle am Aktionstag beteiligten
Einrichtungen besuchte Verbraucherminister Alexander Bonde die Clara-Grunwald-Schule in Freiburg. „Um fit zu sein und den Kindergarten- und
Schulalltag erfolgreich meistern zu können, ist eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und
Gemüse wichtig. Mit dem EU-Schulobst- und -gemüseprogramm ermöglichen wir Kindern in Baden-Württemberg regelmäßig eine zusätzliche
Portion Obst und Gemüse, sagte Minister Bonde.
Er wies darauf hin, dass das EU-Programm durch
Bildungsaktivitäten, Fortbildungen und Lernmaterialien der Landesinitiative Bewusste Kinderernährung (BeKi) unterstützt werde.
Gemeinsam mit anderen Gästen wie Hermann
Maier, Leiter des Amts für Schule und Bildung der
Stadt Freiburg, August Daiber, Leiter des Fachbereichs Landwirtschaft am Landratsamt Breisgau
Hochschwarzwald, Schulfrucht-Sponsor und
-Lieferant Bernd Hörner aus Schallstadt, Lehrkräften, Elternvertretern und Kindern genoss Minister Bonde die Köstlichkeiten des bunten Früchtebuffets. Dieses hatten Schülerinnen und Schüler
Landinfo 3 | 2015
unter Anleitung von BeKi-Fachfrauen zubereitet.
„Am besten hat mir die Zubereitung der ErdbeerSmoothies gefallen, da das ganz einfach ist, strahlte ein Junge. Als so genannter „Früchte-Experte“
informierte er wie alle anderen Kinder die Gäste
über die Zubereitung und die Bestandteile der
fruchtigen Leckereien.
Weitere Informationen
zum Programm unter
www.schulfrucht-bw.de
Hintergrund zum EU-Schulobst- und
-gemüseprogramm
Baden-Württemberg nimmt seit 2010 am
Schulobst- und -gemüseprogramm der Europäischen Union teil. Im laufenden Schuljahr beteiligten sich etwa 2.800 baden-württembergische Kindergärten, Kindertagesstätten und Grundschulen
am EU-Programm. Dadurch profitieren derzeit
rund 280.000 Kinder von regelmäßigen Früchtelieferungen. Baden-Württemberg erhält im kommenden Schuljahr deutlich mehr EU-Fördermittel, so dass im Schuljahr 2015/2016 neben Kindertageseinrichtungen und Grundschulen auch
Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 5 bis
8 teilnehmen können. Zudem hat das Land den
Beihilfesatz auf 75 Prozent erhöht. Die Kofinanzierung durch Sponsoren reduziert sich dadurch
auf 25 Prozent (plus Mehrwertsteuer). 
Katrin Anderlohr
LEL Schwäbisch Gmünd
Tel. 07171/ 917-234
katrin.anderlohr@lel.
bwl.de
51
Beratung und Bildung
Ramona Reinke, Frank Rösch
Positive Bilanz der Ausbildungskooperation
„Landwirtschaft macht Schule“
Bei dem bundesweit einzigartigen gemeinsamen Pilotprojekt der Akademie für Landbau und
Hauswirtschaft Kupferzell (ALH) und der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg (PH) wurden in
Zusammenarbeit mit dem Bauernverband Schwäbisch Hall – Hohenlohe – Rems e.V. wertvolle
Erkenntnisse für weiterführende Ausbildungsangebote der beiden Lehrinstitutionen gewonnen.
Grundgedanken des
Kooperationsprojekts
„Wo kommen unsere
Lebensmittel her?“ –
aufschlussreiche
Lernstationen zu Getreide,
Futter-Zusammensetzung und
Milchprodukten.
Bild: F. Rösch
52
W
ie bereits in Landinfo 5|2014 und B&B
Agrar 6/2014 berichtet, besteht Bedarf, sowohl (zukünftige) landwirtschaftliche Unternehmer als auch Lehrkräfte bei ihrer Aufgabe, Wissen
über die Landwirtschaft angemessen und nachhaltig zu vermitteln, zu unterstützen und entsprechende Kompetenzen möglichst früh zu fördern.
Das Projektleitungsteam aus Ramona Reinke
(ALH), Frank Rösch (PH) und Andrea Bleher
(Bauernverband) ist sich einig: Es gilt, die zwei
Berufsgruppen so früh wie möglich zusammenzubringen, um Offenheit zu schaffen und Einblicke
in das jeweilig andere Berufsfeld zu erhalten. Insofern macht es am meisten Sinn, bereits während
der Ausbildung beider Zielgruppen ein gemeinsames Lehrangebot zu realisieren. Im Wintersemester 2014/15 sollten im Rahmen des Projekts „Außerschulische Lernorte kooperativ gestalten am
Beispiel Bauernhof – Landwirtschaft macht Schule“ erstmalig Synergieeffekte von inhaltlichen
Ausbildungs- und didaktisch-methodischen Studienschwerpunkten der ALH und der PH genutzt
werden. Eine ideale Ergänzung im Team stellte
dabei Andrea Bleher dar, die sich als Expertin des
Bauernverbands Schwäbisch Hall – Hohenlohe –
Rems e. V. für das „Klassenzimmer Bauernhof“
miteinbrachte.
Landinfo 3 | 2015
Beratung und Bildung
Neben der Bewusstseinsbildungsarbeit für die
Notwendigkeit eines solchen Zusammenwirkens
von Schulen und außerschulischen Berufsgruppen war ein „greifbares“ Hauptziel des Pilotprojekts, kompetenzorientierte Unterrichtseinheiten
zu wichtigen Aspekten heutiger Landwirtschaft zu
konzipieren. Dabei wurden zur Schaffung optimaler Ausbildungsbedingungen drei Gruppen zusammengeführt: zum einen die ALH-Fachschüler
und Lehramtsstudierenden in den Fächern Biologie bzw. Geographie bei der Entwicklung von Unterricht, zum anderen bereits im Berufsleben stehende Lehrkräfte an Realschulen, die bereit waren,
die Ideen in ihren Klassen umzusetzen und im
Anschluss wertvolle Rückmeldung aus der Sicht
erfahrener Pädagogik-Profis zu geben. Die während der Unterrichtseinheit vorgesehene Halbtagsexkursion an den außerschulischen Lernort
Bauernhof war nicht als isolierter Lerngang gedacht: Vielmehr sollten die in Lernstationen berücksichtigten Inhalte intensiv vor- und nachbereitet und somit in einen kumulativen Lernprozess
eingebettet werden, welcher eine optimale Wissensstrukturierung und bessere Behaltensleistung
begünstigt.
Bauernhof“ genutzt werden. Die feste Verankerung von Unterrichtseinheiten mit landwirtschaftlichen Lernkontexten in den Bildungsplänen des
Kultusministeriums für die Primar- und Sekundarstufen ist hierbei langfristiges Ziel. Nur so können
nachhaltig Weichen gestellt werden, Kinder und
Jugendliche und somit künftige Verbraucher fachlich kompetent über die Hintergründe und Abläufe der primären Nahrungsmittelproduktion aufzuklären und die Schaffung von Transparenz in diesem Sektor zu unterstützen. Oft sind Unterrichtseinheiten an Schulen zu landwirtschaftlichen
Inhalten nicht zufriedenstellend umgesetzt, da die
Lehrkräfte nur bedingt über fundiertes landwirtschaftliches Fachwissen verfügen. Umgekehrt
sind den Landwirten didaktisch-methodische Aspekte und wichtige Unterrichtsprinzipien fremd.
Die Ausbildungskooperation kann zudem Impulse für Bildungspartnerschaften geben und dazu
beitragen, dass Schülerinnen und Schüler künftig
eine angemessenere Vorstellung von landwirtschaftlichen Themen aufbauen können – eine bedeutsame Grundlage für Urteils- und Partizipationsfähigkeit im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Angesichts der vielen Teilnehmenden wurden
zwei gemischte Großgruppen aus ALH-Fachschülern und PH-Studierenden gebildet. Diese
bereiteten je eine komplette mehrstündige Unterrichtseinheit für eine fünfte bzw. neunte Realschulklasse vor und berücksichtigten dabei die
Leitgedanken und Standards des aktuellen, kompetenzorientierten Bildungsplans. Die Unterrichtsideen und -materialien können künftig sowohl von den bereits berufstätigen Lehrkräften als
auch später von den Lehramtsstudierenden selbst
verwendet und darüber hinaus als Umsetzungsbeispiel im Rahmen der Landesinitiative „Lernort
Anfang Februar wurde das Projekt mit 24 ALHSchülern des Jahrgangs „2013-16“ und 12 PHStudierenden im Rahmen eines halbtägigen Hofbesuches je einer Schulklasse auf den Betrieben
zweier Fachschüler aus dem Raum Schwäbisch
Hall bzw. Künzelsau erfolgreich abgeschlossen. In
den beteiligten Klassen erfolgte an den nächsten
Schultagen noch eine Nachbereitung durch die
jeweilige Lehrkraft im Fächerverbund „Naturwissenschaftliches Arbeiten“ bzw. „Erdkunde – Wirtschaft – Gemeinschaftskunde“, wobei die Projektteilnehmenden nicht mehr involviert waren.
Hauptziel des
Pilotprojektes war es,
kompetenzorientierte
Unterrichtseinheiten zu
wichtigen Aspekten
heutiger Landwirtschaft
zu konzipieren.
Fachschüler der Akademie
für Hauswirtschaft und
Landbau Kupferzell und
Studenten der PH
Ludwigsburg
entwickelten mehrstündig
Unterrichtseinheiten. Sie
wurden durch eine
Halbtagsexkusion
ergänzt.
Begeisterte Gesichter am
außerschulischen Lernort
Bauernhof – unvergessliche
„Expedition“ auf den
Milchviehbetrieb Müller.
Bild: T. Zeller
Landinfo 3 | 2015
53
Beratung und Bildung
Rückblick auf die Projektvorbereitung
ALH-Fachschüler und
PH-Studierende planen mit
viel Kreativität Lernangebote.
Bilder: F. Rösch
Die Suche nach
interessierten Lehrkräften
war nicht einfach.
Anfragen an Lehrkräfte,
die im Vorfeld bereits
an Aktionen der
Landwirtschaftsämter
teilgenommen haben,
sind eventuell
erfolgreicher.
54
Bis zu diesem Abschluss bedurfte es einer sehr
langen, disziplinierten und umfangreichen Vorbereitungsphase: zum einen die aufwändige Konzipierung, Vorbereitung und Organisation der Ausbildungskooperation selbst durch das Leitungsteam (vgl. Landinfo 5|2005), zum anderen
die Unterrichtsplanung durch die Projektteilnehmenden. Während sonstige Lehrangebote der
ALH und PH meist in wöchentlich stattfindende
kürzere Lernmodule aufgeteilt sind, stellte sich bei
der Gesamtplanung schnell heraus, dass es angesichts der Entfernung der Standorte von ALH
und PH sinnvoller ist, das Projekt an vier Kompakttagen zu realisieren – auch, um eine intensivere Zusammenarbeit zu ermöglichen. Für diese
offiziellen Termine (daneben gab es noch individuell zu vereinbarende in den Arbeitsgruppen;
vgl. B&B Agrar 6/2014) wurden in zahlreichen
Planungstreffen detaillierte Abläufe erdacht. Aus
hochschuldidaktischer Perspektive sollten die
Fachschüler und Studierenden so oft als möglich
aktiv an den Seminarsitzungen beteiligt werden,
auch, wenn theoretische Grundlagen erarbeitet
wurden. Nicht nur sie, auch das Leitungsteam
selbst übte sich in Projektarbeit: Jedes Treffen
wurde protokolliert; es galt, Zeitpläne zu konstruieren und zahlreiche Aufgaben zu koordinieren.
Die Notwendigkeit von Metainteraktion und Zwischengesprächen, wie sie die Projektmethode vorsieht, war für alle offenkundig. Dabei war es erforderlich, zahlreiche Organisationsstränge parallel
zu berücksichtigen – nicht nur die Vorbereitung
der Seminarsitzungen und die Kontaktaufnahme
mit bundes- und landesweit erscheinenden Fachzeitschriften mit Blick auf eine breit aufgestellte
Pressearbeit: U. a. mussten zu einem sehr frühen
Zeitpunkt zwei geeignete Betriebe in der Fachschulklasse gefunden werden. Diese sollten nicht
nur jeweils spezifische landwirtschaftliche Aspekte besonders gut veranschaulichen können. Auch
die nötigen infrastrukturellen Rahmenbedingungen für die Betreuung einer Schulklasse mitten im
Winter, die gute Erreichbarkeit für die Schulklassen und die Nähe zur Akademie Kupferzell spielten eine Rolle. Nachdem die Auswahl von Betrieben zweier Fachschüler getroffen war, galt es,
diese im Vorfeld mit der jeweiligen Großgruppe
zu besichtigen und erste Ideen für schülerorientierte und anschauliche sowie thematisch aufeinander abgestimmte Lernstationen zu sammeln.
Darüber hinaus wurden mit den Betriebsleitern
organisatorische und logistische Details abgesprochen. Vorausgegangen war an der PH die Erarbeitung bedeutsamer Prinzipien guten Unterrichts
wie z. B. Schüler- und Handlungsorientierung,
ganzheitliches Lernen mit allen Sinnen, Originalbegegnung und Primärerfahrung, Problemorientierung, Kontextbezug, kognitive Aktivierung,
mehrperspektivisch-vernetzendes Denken in Zusammenhängen und hoher Anteil echter Lernzeit
im Unterricht. Darüber hinaus standen wichtige
Basiskonzepte in der Biologie im Fokus, die im
Zusammenhang mit landwirtschaftlicher Tierhaltung thematisiert werden können, z. B. anatomische Struktur-Funktions-Zusammenhänge, Reproduktion, Angepasstheit sowie Steuerung/Regelung. Ein Aha-Erlebnis waren für Manche konkrete Beispiele, die zeigten, dass beim Lernen am
außerschulischen Lernort Bauernhof nicht nur
Fachwissen erworben werden kann, sondern auch
die anderen Bildungsplan-Kompetenzbereiche
„Erkenntnisgewinnung“, „Bewertung“ und
„Kommunikation“ berücksichtigt werden können
und sollten. Auf dieser Basis entwickelten die
Teams kompetenzorientierte Lernstationen und
flankierende Unterrichtsstunden.
Die Suche nach interessierten Lehrkräften, die bereit waren, eine extern vorbereitete Unterrichtseinheit über mehrere Schulstunden gemäß einer
viele Seiten umfassenden Handreichung durchzuführen, gestaltete sich nicht ganz einfach. Letztlich
konnten aber drei engagierte Fachlehrkräfte gewonnen werden – zwei davon realisierten in ihrer
9. Klasse sogar fächerübergreifenden Unterricht
in Biologie und Gemeinschaftskunde. In Zukunft
könnten Anfragen erfolgsversprechender sein, die
sich rechtzeitig an solche Lehrkräfte bzw. Schulleitungen richten, die im Vorfeld bereits für andere
Aktionen der Landwirtschaftsämter wie etwa die
„Gläserne Produktion“ begeistert werden konnten.
Eindrücke der Umsetzungsphase
Schwierig gestaltete sich der Sachverhalt, dass die
Zahl der Studierenden bis kurz vor Beginn des
Wintersemesters noch nicht feststand. So erfolgte
die Aufteilung aller Projektteilnehmenden in die
zwei Großgruppen und interne Arbeitsteams für
die Lernstationen erst sehr spät. Die Einbettung
der Projekttage in den normalen Ausbildungsbzw. Studienalltag mit zahlreichen Dozierenden
an der ALH und PH war ebenso herausfordernd
wie die fachlich ausgewogene Aufteilung der
Fachschüler, die unterschiedliche produktionstechnische Schwerpunkte aufwiesen. Auch unter
den PH-Studierenden gab es große Unterschiede
hinsichtlich bisheriger unterrichtlicher Erfahrungen – die unteren Semester hatten noch kein intensiveres Schulpraktikum absolviert und sollten
Landinfo 3 | 2015
Beratung und Bildung
Außerschulisches Lernen
motiviert – da herrschte
große Einigkeit in der 9.
Klasse.
Bild: ALH
nun Unterricht für eine fremde Klasse planen.
Durch eine systematische Einteilung konnten ausgewogene Gruppen gebildet werden. Um den
künftigen Lehrkräften fachliche Grundlagen in
wichtigen landwirtschaftlichen Themen zu vermitteln (welche oft mit Vorurteilen behaftet sind),
sollten ALH-Fachschüler – als Experten – Kurzpräsentationen erstellen. Für die intensive Betreuung dieser Vorarbeiten war das Engagement von
Andrea Bleher und Ramona Reinke gefragt. Da
die Vorträge bereits zu Beginn des Winterhalbjahres Anfang November fertig sein mussten, fiel die
Erarbeitungsphase hierfür in den Sommer. Dies
war suboptimal: Aufgrund der Arbeitsspitzen in
der Außenwirtschaft während dieser Jahreszeit
konnten oft nicht alle Fachschüler anwesend sein.
Auch die allgemeine Vorstellung des Projektkonzepts und -ablaufs musste an der ALH bereits im
Sommerhalbjahr geschehen, in dem die Fachschüler nur an ganz bestimmten Tagen an die Akademie kommen. Für den einen oder anderen Meisteranwärter war die Notwendigkeit eines Öffentlichkeitsprojekts zudem subjektiv (noch) nicht
ganz nachvollziehbar.
Nach dem offiziellen „Kick-off“ konnten die Planungen an den einzelnen Kompakttagen im Großen und Ganzen wie vorgesehen umgesetzt werden. Für die inhaltliche Vorbereitung dieser Einheiten wurden von Frank Rösch diverse Lernmedien, Arbeitsaufträge und Präsentationen
vorbereitet sowie organisatorische Fragen geklärt.
Hierzu gehörten auch methodische Überlegungen
– etwa motivierende Möglichkeiten, einander kennenzulernen sowie auf kurzweilige Art gegenseiLandinfo 3 | 2015
tig die Ausbildungsinstitutionen und deren Arbeit
vorzustellen. Organisiert werden mussten im Vorfeld Kontakte mit der Lokal- bzw. Regional-Tagespresse, PH-Busse, ein landwirtschaftlicher Betrieb
in PH-Nähe für erste Einblicke in das Themenfeld
sowie bereits vorhandene Unterrichtsmaterialien
zu Agrarthemen von diversen einschlägigen Anbietern im Landwirtschafts- bzw. Pädagogik-Bereich. Eine äußerst umfangreiche Liste mit Literatur- und Internet-Tipps zur Didaktik und Methodik sowie zu empirischen Studien über Effekte
außerschulischen Lernens, zu exemplarischen
Umsetzungsbeispielen, zur Projektmethode sowie
zu landwirtschaftlichen Themen wurde vorab aufwändig zusammengetragen und den Teams zur
Verfügung gestellt. In manchen Erarbeitungsphasen zeigte sich, wie groß die Unterschiede im Vorwissen bzw. in bestimmten Kompetenzen der beiden Ausbildungsgruppen sind, wie wichtig die
gegenseitige Unterstützung ist. Als komplexeste
Herausforderung kristallisierte sich in der gesamten Zeit heraus, dass sich die Teams jeder Betriebsgroßgruppe immer wieder zusammensetzen
mussten, um den Gesamtablauf des Hofbesuches
zeitlich und fachlich abzugleichen und künftige
Arbeitsschritte untereinander zu koordinieren.
Dabei erfuhren alle, was es bedeutet, projektartig
zu kooperieren. Eine Großgruppe traf sich aufgrund der Komplexität der Abstimmung sogar ein
zweites Mal auf dem Betrieb.
Eine besonders intensive Arbeitsphase fiel in die
Vorweihnachtszeit 2014: Fachschüler und Studierende hatten ihre Aufgaben für die schriftliche
Ausarbeitung der Unterrichtseinheit aufgeteilt
Wo kommen unsere
Lebensmittel her?“ –
aufschlussreiche Lernstation
Milchprodukte
Bild: F. Rösch
Bei der Terminplanung für
die Vorbereitung der
Landwirte sollten
Arbeitsspitzen auf dem
Hof zukünftig mehr
Beachtung finden.
55
Beratung und Bildung
Lernende erkunden, auf
welche Weise das
Tierwohl berücksichtigt
wird
Bild: R. Reinke
Abbildung 1
Ergebnisse der
Lehrevaluation (Mittelwerte
von Referenzgruppe und
teilnehmenden
Ausbildungsgruppen).
und tüftelten und feilten daran in Akkordarbeit.
Die Ergebnisse hiervon können sich sehen lassen:
Zwei Handreichungen mit je rund 130 Seiten, detaillierte Verlaufsplanungen der Einzelstunden
inklusive Unterrichtsmaterial, organisatorische
und rechtliche Hinweise für Lehrkräfte usw.. Hierbei konnten die Projektteilnehmenden zwar auf
zahlreiche zur Verfügung gestellte Materialien als
Anregung zurückgreifen – die adäquate, themenorientierte Zusammenstellung, Modifizierung
und Ergänzung um betriebsbezogene Spezifika
und individuelle Ideen erforderten jedoch Kreativität und eigenes didaktisch-methodisches sowie
organisatorisches Geschick. Es folgte eine vergleichsweise ruhige Zeit, in der die zwei Realschulklassen durch deren jeweilige Lehrkräfte auf den
Hoftag eingestimmt wurden: Die vorausgehenden
Unterrichtsstunden waren optimal auf den Lerngang zugeschnitten und ermöglichten eine gezielte inhaltliche und methodische Vorbereitung.
Nicht nur bei der vorausgehenden Unterrichtsplanung, auch in dieser Umsetzungsphase war es
wichtig, Kontakt mit den Lehrkräften an den
Schulen zu halten.
Die halbtägige Exkursion der 5. und 9. Klassen
aus dem Hohenlohe-Kreis bzw. Kreis Schwäbisch
Hall auf „ihren“ landwirtschaftlichen Betrieb am
6. Februar wurde mit Spannung erwartet – und
übertraf die Erwartungen vieler Lernender sicher
um Längen. Der Bauernhof-Besuch stellte somit
in zweierlei Hinsicht den Höhepunkt des Projekts
dar: Für die Schulklassen, welche ihre erarbeiteten
Kompetenzen anwenden, vertiefen und erweitern
konnten, genauso wie für die Teilnehmenden der
Ausbildungskooperation, weil diese nun ihre eigenen Ideen direkt in die Tat umsetzen konnten –
und das mit einer anspruchsvollen Zielgruppe.
Sowohl die Schülerinnen und Schüler der beiden
Realschulklassen als auch die Lehrkräfte waren
sichtlich begeistert von Kreativität und Engagement der Studierenden sowie vom Fachwissen der
landwirtschaftlichen Fachschüler, die selbstverständlich in Arbeitsmontur erschienen waren.
Der Besuch durch hochrangige Gäste aus der
Landwirtschaftsverwaltung (Ministerium für
Ländlichen Raum und Verbraucherschutz: Edelgard Fieß-Heizmann; Regierungspräsidium Stuttgart: Dr. Kurt Mezger; Landwirtschaftsämter der
beiden Kreise: Gabriele Lutz, Helmut Hessenauer) signalisierte das rege Interesse an der Ausbildungskooperation. Gemeinsam mit einem Teil der
Gäste, einer Realschullehrerin, Pressevertretern
sowie vielen neuen Erfahrungen kehrten die
Teams zum gemeinsamen Mittagessen und einer
abschließenden Feedbackrunde an die Akademie
nach Kupferzell zurück. Die Live-Sendung eines
Radio-Berichts über das Projekt „Landwirtschaft
macht Schule“ führte allen eindrucksvoll vor Augen, dass sich die Anfragen bei diversen Pressestellen gelohnt hatten und Öffentlichkeitsarbeit
über unterschiedliche Medien mehr Menschen
erreichen kann als ausschließlich die Angebote
auf den landwirtschaftlichen Betrieben selbst.
Hochachse: Stärke der Zustimmung. Ref.: durchschnittliche Referenzwerte (s. Text). I: Mittelwerte der ersten
Datenerhebung. II: Mittelwerte der zweiten Datenerhebung.
56
Landinfo 3 | 2015
Beratung und Bildung
Evaluation mit Blick auf
Qualitätsentwicklung
Bei dem Pilotprojekt handelt es sich zweifelsfrei
um eine höchst sinnvolle Bereicherung – sowohl
für die Ausbildung künftiger Meisteranwärter an
der ALH, als auch für Lehramtsstudierende, ermöglichte die Konzeption doch nicht nur, die oft
bemängelte Diskrepanz zwischen Theorie und
Praxis sowie den manchmal zu Recht beklagten
fehlenden Anwendungsbezug im Studium zu
überwinden: Die Zusammenführung von Fachleuten unterschiedlicher Berufsgruppen sowie der
Austausch mit erfahrenen Berufspraktikern versprach einen Gewinn für alle Beteiligten. Gleichwohl war dem Projektleitungsteam bewusst, dass
es mit Sicherheit Optimierungsbedarf geben würde. Auf unterschiedliche Weise sollte das Konzept
und dessen Umsetzung hinsichtlich dessen Wirkung analysiert werden:
Zu zwei Zeitpunkten wurde ein so genannter
„Lehrevaluation“-Fragebogen der PH eingesetzt
und getrennt nach Ausbildungsgruppen ausgewertet: Alle anderthalb Jahre werden in Ludwigsburg die Teilnehmenden sämtlicher Lehrangebote
zu bestimmten Qualitätskriterien (s. u.) befragt.
Auch im hier vorgestellten kooperativen Ausbildungsprojekt war diese Form der Befragung hinsichtlich verschiedener Fragen von Interesse:
Würde das Angebot bei ALH-Fachschülern und
PH-Lehramtsstudierenden in gleicher Weise „ankommen“? Es wurden im Vorfeld Unterschiede in
der Wahrnehmung und Akzeptanz vermutet:
Während die PH-Studierenden das Seminar aus
persönlichem Interesse als Wahlpflichtangebot
aussuchen konnten, hatten die Fachschüler keine
Wahl. Zudem liegen unterschiedliche Gewohnheiten hinsichtlich Ausbildungsinhalten und -methoden sowie Erarbeitungsweisen vor. Für künftige
Lehrkräfte sollte die Arbeit mit Schülerinnen und
Schülern ein grundsätzliches Anliegen sein, bei
Landwirten hingegen ist diese Offenheit nicht
notwendigerweise zu erwarten. Des Weiteren sollte geklärt werden, ob und wie sich die Einschätzung der Qualität des Projekts bei den beiden
Gruppen im Verlauf verändern würde. Hierzu
wurde als erster Zeitpunkt der dritte Kompakttag
gewählt – bis dahin hatten die Teilnehmenden v. a.
weitestgehend vom Leitungsteam vorbereitete
Lernmodule erlebt. Die Befragten kreuzten auf
dem Fragebogen an, wie stark sie verschiedenen
Aussagen zu fünf Themenbereichen zustimmen
(1 = keine Zustimmung, 5 = hohe Zustimmung),
und notierten, welche Schulnote sie dem Projekt
Landinfo 3 | 2015
insgesamt geben würden. An die erste Datenerhebung (in der Abbildung sind diese Werte mit „I“
gekennzeichnet) schloss sich die intensivste Phase
der eigenständigen Arbeit in den Großgruppen
und internen Teams an. Zum zweiten Mal („II“Werte in der Grafik) wurden identische Fragebögen nach Durchführung des Hofbesuchs der
Schulklassen ausgefüllt. Die Grafik gibt die Gruppenmittelwerte getrennt nach PH-Studierenden
und ALH-Fachschülern wieder. Neben diesen
Werten sind zum Vergleich auch die durchschnittlichen Referenzwerte („Ref.“-Werte in der Grafik)
aller in der Lehrevaluation im Sommersemester
2013 an der Fakultät II an der PH berücksichtigten Lehrveranstaltungen angegeben.
Wie vermutet zeigten sich die Lehramtsstudierenden insgesamt zufriedener mit dem Angebot als
die Fachschüler (vgl. Grafik). Die Entwicklung der
Veranstaltungsnote lässt erkennen, dass die künftigen Landwirtschaftsmeister dem Projekt im weiteren Verlauf jedoch immer mehr abgewinnen
konnten (s. u.). Die leichte Abnahme des ursprünglich recht hohen Werts der subjektiv wahrgenommenen Lehrqualität auf Seiten der Studierenden hängt damit zusammen, dass in den zugehörigen Items Strukturiertheit, Verständlichkeit
und Vorbereitung der Veranstaltung durch die
Dozierenden thematisiert wurden und zwischen
Anspruchsvolle Erarbeitung
in der 9. Klasse: Wie werden
auf der „Hofwiesen-Milch“GbR (Familien Fischer und
Frank) Technologie und
Know-how für Nachhaltigkeit,
Wirtschaftlichkeit und
Tierwohl genutzt?
Bild: R. Reinke
Die Evaluierung ergab
eine höhere Zufriedenheit
mit dem Projekt bei den
Studierenden gegenüber
den Landwirtschaftsschülern.
57
Beratung und Bildung
Das entstandene
Netzwerk zwischen ALH
Kupferzell und PH
Ludwigsburg kann für
künftige pädagogische
Vorhaben hervorragend
genutzt werden.
Ramona Reinke
ALH Kupferzell
Tel. 07944/ 917-327
ramona.reinke@
akademie-kupferzell.de
Frank Rösch
PH Ludwigsburg
Tel. 07141/ 140-333
roesch@ph-ludwigsburg.
de
58
erster und zweiter Befragung ausschließlich die
eigenständige Arbeit in den Teams und Großgruppen stattfand. Die emotionale Bewertung
dieses Ausbildungsprojekts offenbart, dass sich
die PH-Studierenden im Vergleich zu anderen
Lehrveranstaltungen überdurchschnittlich wohl
gefühlt haben – sie brachten auch oft ihre Freude
zum Ausdruck, mit den jungen außerschulischen
Fachleuten zusammenarbeiten zu können. Die geringeren Mittelwerte bei den Fachschülern verbesserten sich zwar, lagen aber wohl aufgrund fehlender Freiwilligkeit und heterogener Interessen etwas niedriger. Die künftigen Lehrkräfte schätzen
den eigenen Lernfortschritt im Rahmen dieses
Seminars als überdurchschnittlich hoch ein – dies
betraf sicher nicht nur den Erwerb landwirtschaftlichen Grundwissens, sondern auch die neuen Erfahrungen bezüglich projektartigen Arbeitens, kooperativer Unterrichtsplanung und im
Teamteaching. Die im Mittelfeld angesiedelten
Durchschnittswerte der Landwirte überraschen,
schließlich hatten auch diese die einmalige Gelegenheit, Unterrichtsmethoden kennenzulernen
und Ideen nach eigenen Vorstellungen umzusetzen, Schulklassen zu begegnen und pädagogische
Grundlagen zu erarbeiten. Ein Blick auf den Bereich „Anforderungsniveau“ offenbart eindeutig,
dass die Aufgabenfülle sehr unterschiedlich verteilt war zwischen den beiden Ausbildungsgruppen und von den PH-Studierenden als zu hoch
empfunden wurde. Diesbezüglich müssen in
künftigen Durchgängen Aufträge in ihrem Umfang z. T. reduziert sowie v. a. gleichmäßiger verteilt und das Projekt mehr in den regulären Fachschulunterricht eingebunden werden – im Idealfall
auch in Verbindung mit einem benoteten Leistungsnachweis.
Im Vergleich zu manch anderen Lehrveranstaltungen der PH beurteilten die Studierenden die Mitwirkungsmöglichkeit als relativ hoch, was dafür
spricht, dass das Projekt in hohem Maß adressatenorientiert gestaltet wurde. Dies spiegelt sich
auch im Bereich „Emotionale Bewertung“ wieder.
Die überdurchschnittlich gute Veranstaltungsnote
(i. S. von Schulnoten; Referenzwert der Fakultät:
2,12) von Seiten der Studierenden zu Beginn
(2,00) wurde durch deren relativ hohe Arbeitsbelastung nur geringfügig beeinträchtigt (am Ende:
2,17). Besonders erfreulich ist, dass die Akzeptanz
des Projekts auf Seiten der Landwirte stark zugenommen hat: Zu Beginn erteilten sie dem Projekt
nur die Schulnote 2,95, am Ende sogar die Note
2,25 – also eine deutlich bessere. Unterm Strich
offenbaren die Umfrageergebnisse eine sehr gute
Bilanz dieses Pilotdurchgangs von „Landwirtschaft macht Schule“.
An den Seminartagen wurden Anregungen und
Kritik stets direkt aufgegriffen und auf einer Metaebene besprochen. Das Projektleitungsteam
setzte sich damit unverzüglich konstruktiv auseinander und reagierte flexibel, um angemessenen
Wünschen nach Möglichkeit entgegenzukommen.
Innovative Perspektiven für die
Fachschulausbildung der ALH und
das universitäre Lehrangebot
In einem moderierten Gespräch am abschließenden Projekttag wurde die Ausbildungskooperation in ihrer Ganzheit im Detail analysiert und resümiert: Auch von Seiten der externen Gäste wurde nicht nur das breite Spektrum der beiden Betriebe begrüßt, sondern auch die engagierte und
sich ergänzende Zusammenarbeit der Fachschüler
und Lehramtsstudierenden sowie der Dozierenden untereinander. Das entstandene Netzwerk
kann für künftige pädagogische Vorhaben weiterhin hervorragend genutzt werden. Optimierungsbedarf besteht u. a. hinsichtlich der Gestaltung
der Einführungsphase, der Aufgabenverteilung,
des Zeitpunkts und der Einbettung in den Unterricht an der ALH und an den Schulen. Weiterhin
ist zu überlegen, in welchem Umfang Beratung
und Unterstützung der Teilnehmenden sinnvoll
und realisierbar sind, und ob man künftig auch
Gymnasien und Grundschulen miteinbezieht.
Noch offen ist auch die Frage, wie solch umfangreicheren Lernangebote realisiert werden können,
wenn lediglich ein oder zwei Lehrkräfte und ein(e)
Landwirt(in) eine ganze Schulklasse betreuen und
nicht ein Großaufgebot von vielen Fachschülern
und Studierenden bei der Gestaltung von aufwändigen Lernstationen zur Verfügung steht. Sicher
ist, dass das Projekt für nachfolgende Jahrgänge
der Akademie Kupferzell fester Bestandteil des
Unterrichts und auch an der Pädagogischen
Hochschule wieder angeboten werden wird. An
der ALH berichtete die Oberklasse mittlerweile
bereits zur Einstimmung des nächsten Durchgangs von ihren Erfahrungen aus dem Vorjahr“.
Es ist geplant, die Ausarbeitungen der beiden Unterrichtseinheiten „Wo kommen unsere Lebensmittel her? – Unterrichtseinheit zu den Themen
Getreide und Milchprodukte“ und „‘Vom Stall in
den Kühlschrank?!‘ – Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft“ an das Ministerium für Ländlichen
Raum und Verbraucherschutz für das Landesprogramm „Lernort Bauernhof“ zur Nutzung für
interessierte Lehrkräfte und Landwirte weiterzureichen. Herzlicher Dank gilt Dr. Stefan Fuß vom
Evaluationsbüro der PH Ludwigsburg für die Bereitstellung der statistischen Umfragewerte! 
Landinfo 3 | 2015
Beratung und Bildung
Gisela Enderle
Durchhalten wird belohnt
Der fünfte Jahrgang „Systemischer Coach für die Landwirtschaft“ an der LEL hat abgeschlossen
„Nicht das Anfangen wird belohnt, sondern das Durchhalten.“ Diese alte Weisheit von Katharina von
Siena haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des fünften Durchgangs der Coaching-Ausbildung
seit 2005 beherzigt und nach knapp elf Monaten ihre Kompetenzen um das Repertoire eines Coaches
erweitert. Rita Mager, beim Ministerium Ländlicher Raum und Verbraucherschutz zuständig für die
landwirtschaftliche Beratung in Baden-Württemberg, und Ernst Berg, Direktor der LEL Schwäbisch
Gmünd, konnten Ende Mai zwölf Zertifikate aushändigen.
I
n jedem Fall hat es die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer Zeit, Geld, Unterstützung der Vorgesetzten, des Kollegiums und nicht zuletzt der
Familie gekostet. Manchmal forderte es sicher
aber auch Überwindung, um die intensive Ausbildung durchzuhalten. Sie besteht aus fünf Modulen zu je drei Tagen an der LEL Schwäbisch
Gmünd, der Präsentation und Analyse eines individuellen praktischen Beratungsfalls, bei dem die
Instrumente des Coaching eingesetzt werden, sowie mehreren Treffen in Kleingruppen zum kollegialen Gruppencoaching.
Inhaltlich ging es für die Teilnehmenden oft darum, vorhandene Muster in der Beratung und
Kommunikation zu erkennen und zu durchbrechen und sich über das Terrain des rein Fachlichen
hinaus an das allzu Menschliche zu wagen. Den
beratenen Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern
gelingt es aber dadurch besser, ihre vorhandenen
Ressourcen ein- und die Ideen und Beratungserkenntnisse zielgerichteter umzusetzen.
Der Super-Coach braucht
• große Füße, um in jeder Situation standhaft zu bleiben
• auch bei schwierigen Kunden immer die Hosen an
• ein großes Herz, das richtige Gefühl zur richtigen Zeit
• einen großen Mund, um weiterführende Fragen zu stellen
• gute Augen, um die wichtigen Dinge im Blick zu haben
• große Ohren, um richtig gut zuhören zu können
• bei Diskussionen immer den Hut auf
• für jede Situation das richtige Drehbuch
• Tools, um unangenehmes auch mal durch die Blume zu sagen
• einen Rüssel um im Notfall auch mal einen Klienten am
Kragen packen und richtig durchschütteln zu können
Landinfo 3 | 2015
Strahlende Gesichter bei der
Zertifikatsübergabe durch
Rita Mager und Ernst Berg.
Bild: B. Godel
Text und Zeichnung
Anja Kirchner und Ruth
Dettweiler.
59
Beratung und Bildung
Das hat die Ausbildung gebracht
Martin Seng, Dipl.Agr.ing., Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, seit 13 Jahren in der Offizialberatung zuständig für
Betriebswirtschaft und Investitionsförderung:
Ursprünglich zu dritt in der Betriebswirtschaft beackere ich inzwischen das Feld weitgehend alleine. Als Einzelkämpfer hatte ich oft wenig Verständnis
wenn meine „Angebote“ von den Landwirten nicht angenommen wurden, auch wenn sie sich so toll gerechnet haben. Mit der Coaching-Ausbildung konnte ich einen kritischen Blick in meinen „Werkzeugkoffer“ werfen, der nun mit vielen praktikablen und erfolgversprechenden Methoden aufgefüllt ist.
Ruth Dettweiler, Gemüsebauberaterin Beratungsdienst ökologischer Landbau Ulm e. V.:
Für mich war die Coaching-Ausbildung beruflich und persönlich eine große Bereicherung. Ich verwende das Gelernte sowohl in der Fachberatung als auch
in Gruppenberatungen und in richtigen Coachingprozessen. Sehr bereichernd ist dabei die direkte Umsetzungsmöglichkeit in den Arbeitsalltag und die
Begleitung der Betriebe über das Fachliche hinaus.
Margit Hanselmann, selbständige Unternehmerin (Klickeasy EDV Schulung und Beratung, Schrozberg):
Klickeasy bietet Weiterbildung rund um EDV und Betriebsführung für Menschen aus dem ländlichen Raum, schwerpunktmäßig für Frauen aus dem
landwirtschaftlichen Umfeld an. Bisher konnte ich den Teilnehmerinnen während einer Qualifizierung das Wissen und Handwerkszeug für die Selbständigkeit in der ländlichen Dienstleistung, der Vermarktung oder im touristischen Bereich weitergeben. Nun möchte ich meine Kundinnen im Veränderungsprozess der Existenzgründung mit einem Gruppen-Coaching von der Gründungsidee bis zur erfolgreichen Umsetzung begleiten. Dafür fühle ich
mich durch die hochwertige Coaching-Ausbildung motiviert und befähigt.
Wie das im Einzelnen geht und welche Instrumente man dazu einsetzen kann, zeigen schon seit
den ersten Coaching-Seminaren die drei erfahrenen Trainer Barbara Kathrein, Judith Landes und
Thomas Fisel, von entra Unternehmensentwicklung. Auch von diesem Jahrgang haben sie beste
Rückmeldungen bekommen und vielleicht waren
die Teilnehmenden durch das Vorbild der drei
zum Bild vom Super-Coach inspiriert, den Andreas Bezler, Beratungsdienst Ökologischer Obstbau
Weinsberg humorvoll in der Abschlussrunde be-
schrieb. Ergänzend fügte er hinzu: „Was wir dabei
allerdings vergessen hatten, unseren Trainern aber
sehr wichtig ist: Der Super-Coach hat auch eine
gute Selbstfürsorge. Bei aller Empathie mit seinen
Kunden kann er eine gute Leistung dauerhaft nur
bringen, wenn er sich die Probleme anderer nicht
zu eigen macht.
Merke: Ein Super Coach kennt seine eigenen
Grenzen und beachtet sie. Die Coaching-Ausbildung kann sicher dazu beitragen, die Berater auf
diesem Weg zu unterstützen. 
Gisela Enderle
LEL Schwäbisch Gmünd
Tel. 07171/ 917-112
[email protected]
60
Landinfo 3 | 2015
Beratung und Bildung
Willi Lackenbauer
Als Gastlehrer im thailändischen Bildungsministerium
Seit 2007 gibt es Kontakte zwischen der ALH Kupferzell und dem thailändischen „Office of the Vocational
Education Commission“ (OVEC), einer Abteilung des Ministry of Education in Bangkok. Ziel der
Einladung für den 6-wöchigen Aufenthalt war die Erteilung von Englisch-Unterricht für die
Verwaltungskräfte und zwei stellvertretende Abteilungsleiter (Deputy secretary general) des OVEC
und des Bureau of Personal Competency Development (BPCD), einer der LEL vergleichbaren
Einrichtung für die Weiterbildung der Lehrkräfte der beruflichen Schulen.
Bildungssystem
T
hailand ist außerordentlich daran interessiert,
in der beruflichen Bildung das deutsche duale
System zu übernehmen. Formal gibt es dieses bereits, jedoch bestehen erhebliche Probleme in der
praktischen Umsetzung.
Organisation
Das nationale Ministry of Education (MOE) gliedert sich in fünf verschiedene Abteilungen. Beispielsweise für primary und secondary schools,
berufliche Schulen und die Universitäten. Die offizielle Bezeichnung der Abteilungen lautet:
• Office of
• Office of
• Office of
on
• Office of
• Office of
the Education Council
the Basic Education Commission
the Vocational Education Commissi-
der Gruppe teilzunehmen und Grammatik-Aufgaben an der Tafel darzustellen. Auch zwei Exkursionen trugen zur Vertrauensbildung zum ausländischen Lehrer bei.
Englisch-Unterricht für Verwaltungskräfte
des BPCD
Mein Eindruck war, dass nicht alle Teilnehmer
dieser Gruppe über einen Bachelor- oder Masterdegree verfügten. Die Streuung der englischen
Sprachkenntnisse war außerordentlich groß und
deshalb war stets gegenseitige Hilfe erforderlich.
Auch zahlreiche Rollenspiele waren zum Verständnis notwendig. Deshalb beschränkte sich der
Unterricht im Wesentlichen auf die Vermittlung
von Sätzen, um sie in bestimmten Situationen anzuwenden. Diese waren beispielsweise: Wie stelle
ich mich vor? Wie nehme ich Telefongespräche
an? Wie begrüße ich Lehrgangsgäste? Wie bitte ich
Ziel des Englischunterrichts war es,
vorhandene
Sprachkenntnisse weiter
zu entwickeln und das
sprachliche Selbstvertrauen zu stärken.
Abbildung
Übersicht des
Bildungssystems.
the Higher Education Commission
the Private Education Commission
Aufgaben als Gastlehrer
Englisch-Unterricht für Verwaltungskräfte
des OVEC
Die Verwaltungskräfte verfügen in der Regel über
einen Bachelor- oder Masterdegree in educational
administration. Die vorhandenen, relativ einheitlichen, Grundkenntnisse erleichterten den Unterricht. Ziel war es, die vorhandenen Sprachfähigkeiten weiterzuentwickeln und praktisch zu üben.
Ziel war es aber auch, das sprachliche Selbstvertrauen zu stärken und sich vor der Gruppe in englischer Sprache zu präsentieren. Nach 5 Wochen
Unterricht, täglich zwei bis 3 Zeitstunden, war es
allen Teilnehmern möglich, an Rollenspielen vor
Landinfo 3 | 2015
61
Beratung und Bildung
Der Autor beim Unterricht
und auf Exkursion mit
Verwaltungskräften des
Landes.
Bilder: W. Lackenbauer
um deutliche und langsame Sprache? Der Unterrichte erfolgte 5 Wochen mit insgesamt 30 Zeitstunden. Auch hier war jedoch nach etwa 2 Wochen das Selbstvertrauen so entwickelt, dass sich
etwa zwei Drittel der Teilnehmer an der Tafel und
vor der Gruppe in englischer Sprache präsentieren
konnten.
Unterricht und Gespräche OVEC und
Siphaya- Technical Colleges
Großes Interesse gilt
dem dualen
Bildungssystem in
Deutschland.
Willi Lackenbauer
ALH Kupferzell
Tel. 07944/ 9173-50
willi.lackenbauer@
akademie-kupferzell.de
62
Deputy secretary general Wanich ist verantwortlich für die beruflichen Colleges im akademischen
Bereich. Er interessierte sich insbesondere für das
duale Bildungssystem in Deutschland. Hier insbesondere über das System der Berufsakademien.
Schwierig zu vermitteln war das föderale Bildungssystem. Thailand ist an einer Art Partnerschaft mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg interessiert. Deputy secretary general Dr.
Chanvech wollte seine bereits guten EnglischKenntnisse verbessern. Es kam ihm dabei besonders auf die Aussprache an. Auch das Verstehen
englischer Zeitungsartikel war ihm ein Anliegen.
So standen immer wieder Artikel aus der englischsprachigen Bangkok Post auf dem Stundenplan.
Allerdings war die zeitliche Verfügbarkeit beider
Deputy secretary generals sehr eingeschränkt und
daher entstanden eher informelle Gespräche als
intensiver Unterricht.
Bemerkungen zur politischen Lage in
Thailand
Selbstverständlich ist der Autor nicht in der Lage,
die derzeitige Situation in Thailand zu bewerten.
Insgesamt scheint es jedoch so zu sein, dass die
Thais der Mittel- bis Oberschicht durchaus zufrieden mit der aktuellen Regierung sind. Auch bedeutet „law of war“ absolut nicht Krieg.
Für Außenstehende ist von Kriegsrecht nichts zu
spüren und Soldaten waren nur gelegentlich zu
sehen. Allerdings sind die demokratischen Grundrechte eingeschränkt. Demonstrationen an zentralen Orten sind verboten und die Pressefreiheit
scheint eingeschränkt. Die Regierungserklärungen des Regierungschefs im Fernsehen wirkten
jedoch zumindest nicht abwegig. Allerdings mieden alle thailändischen Freunde Gespräche über
die Politik. Nur der ständige Vertreter des Bildungsministers sagte: „don’t worry about our political crises. We work to find solutions very soon“.
Eindrücke im Land des Lächelns
Land des Lächelns ist wirklich ein treffender Begriff für die Menschen, die mir begegnet sind.
Überall Höflichkeit, Bescheidenheit, Hilfsbereitschaft und stets gewährte Unterstützung. Eine
nahezu extreme Ausländerfreundlichkeit. Viele
wollten sich einfach nur mit dem „Farhang“ fotografieren lassen.
Selbst Erwachsene fragen zu Beginn des Unterrichts „May I come in, sorry I’m late“. Selbstverständlich bedanken sich alle beim Lehrer: „Thank
you for teaching“. Hervorzuheben ist der Wille
der Bediensteten zum Weiterkommen. Allen ist
bewusst, dass der in diesem Jahr bevorstehende
Zusammenschluss ASEAN die Fähigkeit zur
Kommunikation in englischer Sprache erforderlich macht. 
Landinfo 3 | 2015
Beratung und Bildung
Dr. Jochen Buck
Listerienproblematik in Hofkäsereien
Bei Selbstvermarktern und Hofkäsereien werden vom LAZBW Wangen im Rahmen der Eigenkontrolle
etwa 4-mal pro Jahr Proben abgerufen und gemäß der VO (EU) 2073/2005 untersucht. Rotgeschmierte
Käse wie z.B. Romadur und Bergkäse werden auf pathogene Listeria monocytogenes untersucht, da
bekannt ist, dass bei diesen Käsen im Vergleich zu nicht geschmierten Käsen, diese Spezies wesentlich
häufiger auftreten. Listerien sind ubiquitär verbreitet, angereichert findet man sie in Silage. Dass sich
Hofkäsereien in der Regel in unmittelbarer Nähe zum landwirtschaftlichen Betrieb befinden und
Betreiber häufig auch im Hof mitarbeiten, erklärt die besondere Gefahr bei diesen kleineren Betrieben.
Verbreitung und Symptome der
Listeriose
L
isteriose ist eine Zoonose und kann vom Tier
auf den Menschen und umgekehrt übertragen
werden. In der Regel erfolgt die Übertragung über
das Lebensmittel, wie z.B. über den Verzehr eines
kontaminierten rotschmierten Käse. Listeria monocytogenes kann bei Schwangeren die sogenannte
Schwangerschaftslisteriose verursachen. Bei der
frühen Form infiziert sich der Fetus im letzten
Drittel der Schwangerschaft, was zu einer tödlichen Sepsis und ggf. Abort führt. Bei der späten
Form wird das Kind während oder nach der Geburt infiziert und entwickelt eine spätere Meningitis. Unspezifische Verlaufsformen sind Septikämie, und grippeähnliche Erkrankungen mit
Schwellung der Lymphknoten im Nackenbereich
(differentialdiagnostisch wichtig).
Fallbeschreibung und Problemlösung
In 2014 bekamen wir einen Bergkäse von einer
Hofkäserei zur Untersuchung. Bei dem Käse war
in 25 g Listeria monocytogenes nachweisbar. Eine
quantitative Untersuchung ergab über 100 L. monocytogenes. Damit war der Käse nach Art. 14, Abs.
2a der VO 178/2002 ein „nicht sicheres Lebensmittel“. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass
diese Charge bereits im Handel war. Nach Art. 14,
Abs. 1 besteht ein Verkehrsverbot für nicht sichere Lebensmittel. Gemäß § 44, Abs.4a LFGB haben
wir das zuständige Veterinäramt informiert, die
daraufhin den Betrieb zur Feststellung der betroffenen Chargen und der Menge besucht haben. Die
LAZBW Wangen hat im selben Betrieb Schmierwasserproben und weitere Käseproben zur Ursachenermittlung gezogen. Es stellte sich heraus,
dass die Käse beider Reifungsräume (12 to) beLandinfo 3 | 2015
troffen waren, da sämtliche Käse mit einer
Schmiermaschine, die kontaminiert war, geschmiert wurden. Die im Handel befindlichen
Käse wurden vom Betrieb zurückgerufen und unschädlich beseitigt. Weiterhin wurde die Öffentlichkeit über die Presse und Internet gewarnt. Im
Betrieb wurden sämtliche Käse vom Veterinäramt
gesperrt und die oberste Landesbehörde unterrichtet. Die noch im Betrieb befindlichen Käse
waren also risikobehaftet und konnten so nicht in
Verkehr gebracht werden. Im Normalfall werden
solche Käse unschädlich beseitigt. Da der Schaden
für den Betreiber die Hunderttausend Euro überschritten und dies das wirtschaftliche Ende des
Betriebs bedeutet hätte, wurde zusammen mit
dem Betreiber ein Behandlungsverfahren entwickelt, um die Käse wieder „sicher“ zu bekommen.
Bei sämtlichen Käsen wurde händisch unter hygienischen Bedingungen, die Rinde abgeschabt. Anschließend wurde die Oberfläche mit 70%-igem
Ethanol behandelt. Die Laibe wurden in der Mitte
aufgeschnitten und ein 300 g-Stück zur Untersuchung an die LAZBW Wangen vorbereitet. Die
Käse wurden in einer Schrumpffolie vakuumiert
und anschließend in einem Tauchbad bei 90°C für
30 Sekunden erhitzt. In Absprache mit den beteiligten Behörden wurde je Charge n=298 Probestücke auf Listeria monocytogenes untersucht. Mit
dieser Stichprobenzahl findet man mit
95%-iger Wahrscheinlichkeit, einen Anteil von 1%
positiven Proben. Im Vergleich dazu, wird im
Normalfall gemäß der VO (EU) 2073/2005, eine
Probenanzahl von n=5 verlangt. Sämtliche negativ getesteten Chargen konnten dann vom Betrieb
als „sicheres Lebensmittel“ in den Verkauf gebracht werden. Damit hat die LAZBW Wangen
dazu beigetragen, dass der Fortbestand des Betriebes gesichert war. Gleichzeitig wurde dem gesundheitlichen Verbraucherschutz, der an erster
Stelle kommt, absolut Rechnung getragen. 
Reifungskeller Bergkäse.
Bild: J. Buck
Dr. Jochen Buck
LAZBW Wangen
Tel. 07522/ 9312-120
[email protected]
63
Verwaltung aktuell
Dr. Jochen Buck
Laborworkshop an der LAZBW Wangen zur Erhöhung
der Lebensmittelsicherheit
Beim Laborworkshop konnte Direktor Franz Schweizer rund 30 Teilnehmer aus Deutschland, aber auch
Österreich und der Schweiz begrüßen.
F
rau Ulrike Weyrich, LAZBW, die auch durch
das Tagesprogramm führte, startete mit einem
Vortrag über die Probenvorbereitung im Labor.
Vergleichend stellte sie die DIN EN ISO- Normen mit der VDLUFA-Methode dar. Über die
Einflussfaktoren auf die Repräsentativität der
Probe, leitete sie auf die verschiedenen Verdünnungsflüssigkeiten über. Bei der Herstellung der
Erstverdünnung ist die Messungenauigkeit des
Volumens ein entscheidender Faktor. Anschließend ging sie auf die spezielle Probenvorbereitung der unterschiedlichen Milchprodukte über.
Die mikrobiologische Ausbilderin, Pia Weishaupt,
LAZBW, führte parallel die unterschiedlichen
Probenvorbereitungen sehr anschaulich in praxi
vor. Auch erfahrene LaborantInnen konnten hier
noch neue Anregungen nach Hause nehmen.
Teilnehmer beim
Ausprobieren im Labor mit
Referentin Frau Weyrich,
LAZBW.
Bild: J. Buck
Dr. Jochen Buck
LAZBW Wangen
Tel. 07522/ 9312-120
[email protected].
de
64
Herr Trost, Fa. SY-LAB, stellte den BacTrac 4300
vor. Das Gerät basiert auf Impedanzmessung. Die
Vorteile sind die Automatisierung der kulturellen
Verfahren, qualitative und quantitative, verkürzte
Analysedauer, Einsparung bei Material und Arbeitsbelastung, erhöhter Probendurchsatz und
eine detaillierte Dokumentation über PC. Die
Teilnehmer konnten vorbereitete Proben im Labor der LAZBW in die Messzellen des BacTrac
pipettieren. Nach Bebrütung wurden die Proben
am Ende des Seminars gemessen und die Teilnehmer konnten ihre Ergebnisse bewerten.
Frau Tzinoglou und Herr Vogelsang, Fa. Ika, stellten das Einweg-Dispergiersystem UTTD und die
Batch-Mühle Tube Mill control mit Einweg-Mahlbechern vor. Die UTTD ist zum Dispergieren und
Homogenisieren, als Kugelmühle zur Trockenund Naßzerkleinerung und zum Rühren der Trocken- oder Naßmischung geeignet. Sie erfüllt damit die Funktionen Mischer, Kugelmühle und
Ultra Turrax in einem Gerät. Die Tube Mill control zerkleinert Proben bis 40 ml und erfüllt auch
die Option der Probenkühlung über Trockeneis
im Mahlbecher. Dadurch können auch feuchte
und fettige Proben durch Versprödung verarbeitet
werden. Becher bis 100 ml sind bereits in der Ent-
wicklung. Durch die Einmalgefäße werden Kreuzkontaminationen verhindert und es fallen keine
Reinigungskosten an. Für Labore, die sich an dem
hohen Anteil an Abfall stören, werden MehrwegMahlbecher angeboten, die in der Spülmaschine
gereinigt werden und anschließend sterilisiert werden können.
Frau Kleinschmidt, Fa. Transia, stellte Produkte
für die Lebensmittelanalytik vor. Für die Reinigungskontrolle empfiehlt sie den Easy Check bzw.
den 3 M Clean Trace Protein, beides sind einfach
zu handhabende Proteinschnelltests. Als Alternative stellte sie ein ATP Messgerät, sowie Abklatsch- und Eintauchpaddel mit jeweils 2 unterschiedlichen Nährböden je Paddel vor. Für Umfeldproben zeigte sie verschiedene Tupferverfahren und Schwämme und am Schluss führte sie die
direkte Methode zur Produktkontrolle mit 3M
Petrifilm vor. Petrifilm gibt es für die gängigen
Untersuchungen. Anschließend konnten die Teilnehmer im Labor die unterschiedlichen Anwendungen in der Praxis ausführlich testen.
Im Anschluss zeigte Herr Dr. Buck, LAZBW, verschiedene einfache Möglichkeiten zur Absicherung eigener Ergebnisse im nichtakkreditierten
Labor. Neben Proficiency Tests, Teilnahme an
Ringversuchen erklärte er die Möglichkeiten der
Wiederholungsuntersuchungen und Vergleichsuntersuchungen mit Routineproben über Bestimmung von „r“ und „R“ nach der ISO 4833:2003
oder einfache Paralleluntersuchungen mit einem
befreundeten Labor. Anspruchsvollere Möglichkeiten bei Mehrfachmessung einer Probe, wären
die Bestimmung der relativen Standardabweichung, die zur erweiterten Messunsicherheit führt.
Um die Vergleichbarkeit über mehrere Jahre Ringversuche zu erfassen, empfiehlt er die Berechnung
der Wiederfindungsrate in Prozent. Zur erfolgreichen Teilnahme an einem Ringversuch reicht die
Bestimmung des z-score aus, der ≤ 2 sein sollte.
Durch diese Maßnahmen zur Eigenkontrolle im
Labor trägt die LAZBW Wangen zum vorbeugenden Gesundheitsschutz bei. 
Landinfo 3 | 2015
Bild: M. Schabel
Bemerke, wie die Tiere das Gras abrupfen!
So groß ihre Mäuler auch sein mögen,
OEAPQJ@AN-Ń=JVAOAH>OPJEAAPS=OVQHAE@AAJPSQNVAHJOEAJEAI=HO
So handle auch der starke Mensch gegen alles, was Natur heißt,
OAEJAECAJAO$AO?DHA?DPRKN=J
Er verstehe die Kunst, vom Leben zu nehmen, ohne ihm zu scha@AJ
Christian Morgenstern
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