WHO-Standards zur Sexualaufklärung in Europa (2011) Diese wurden 2011 von der Weltgesundheitsorganisation der UNO (WHO) in Zusammenarbeit mit der deutschen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) herausgegeben,1 sind aber für Österreich in keiner Weise bindend. Als die zwei wichtigsten Zielsetzungen schulischer Sexualerziehung formulieren diese Standards: „1. Sie [Die schulische Sexualerziehung] trägt zu einem sozialen Klima bei, das sich durch Toleranz, Offenheit und Respekt gegenüber Sexualität, verschiedenen Lebensstilen, Haltungen und Werten auszeichnet. 2. Sie fördert die Achtung vor der Vielfalt [?] und Verschiedenheit der Geschlechter sowie das Bewusstsein für sexuelle Identität und Geschlechterrollen.“ Die Standards basieren auf der pädagogischen These, dass Kinder selbst ihre eigenen Werte entwickeln sollen, ohne ihnen eine differenzierte Auseinandersetzung mit verschiedenen Wertvorstellungen zu ermöglichen, wie es aber der rechtliche Rahmen in Österreich vorsieht (vgl. Art. 14 Abs. 5a BundesVerfassungsgesetz, § 2 Schulorganisationsgesetz). Stattdessen wird Sexualität auf wenige Aspekte reduziert, wie Selbstbestimmung und Lustgewinn. In den Standards ist keine Zielführung der Sexualerziehung im Hinblick auf Ehe bzw. dauerhafte Partnerschaft und Familie auszumachen. Sexualität wird so zur Ware, zu einem Konsumgut, das nach Belieben bedient werden kann und deren mögliche „Folgen“ man durch ausreichendes Wissen „verhüten“ können soll. Wie bereits die beiden ersten angeführten Zielsetzungen andeuten, sind die WHO-Standards von der umstrittenen Gender-Ideologie (s. sogleich) beeinflusst. „Gendertheorie“ (Gender-Ideologie, Genderismus, Gender Mainstreaming) Mit diesen Begriffen wird die aus marxistischen und feministischen Denkansätzen in den 1990er Jahren entstandene Ideologie bezeichnet, die seit der UNO-Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking als politische Strategie die Gleichstellung der Geschlechter top down weltweit durchsetzen will. Dabei geht es im Kern nicht mehr um das allgemein akzeptierte Anliegen der Gleichberechtigung von Mann und Frau, sondern um die Auflösung der geschlechtlichen Bipolarität von Mann und Frau. Geschlecht wird nicht mehr biologisch (sex), sondern soziologisch (gender von lat. genus, ursprünglich für die grammatikalische Unterscheidung verwendet) definiert und erscheint damit für jedes Individuum frei wählbar. Alles, was sich dieser „Befreiung“ aus dem gesellschaftlich aufgezwungenen Geschlecht entgegenstellt, wird als „Diskriminierung“ angeprangert. Dieses Konzept hat schwerwiegende Konsequenzen für die Gestaltung der Gesellschaft (z.B. Relativierung der natürlichen Familie aus Mutter, Vater, Kind/ern; Ausweitung der künstlichen Fortpflanzung; Überbetonung und Trennung der Sexualität von der Weitergabe des Lebens; behauptetes Recht auf Abtreibung unter dem Deckmantel „Recht auf Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheitsversorgung“; schließlich die Einführung einer Sexualerziehung, die Kinder möglichst früh auf ihre „sexuellen Bedürfnisse“ hinführt). Die Gender-Ideologie ist wissenschaftlich höchst umstritten.2 Gute Sexualpädagogik statt „Sexualpädagogik der Vielfalt“ Unter dem Stichwort „Sexualpädagogik der Vielfalt“ sollen die Ansätze der Gender-Ideologie in den schulischen Sexualkundeunterricht gebracht werden. Sexualität wird aus dem Lebenszusammenhang herausgelöst, unter dem Stichwort Toleranz jede Art sexueller Orientierung und familiärer Konstellation als 1 WHO-Regionalbüro und BZgA: Standards für Sexualaufklärung in Europa. Rahmenkonzept für politische Entscheidungsträger, Bildungseinrichtungen, Gesundheitsbehörden, Expertinnen und Experten, Köln 2011. 2 Vgl. für eine erste Einführung z.B. Arbeitsgruppe Jugend und Familie (Hg.): Die Gender-Ideologie: Pseudowissenschaft mit verhängnisvollen Folgen für die Gesellschaft! Zürich 2014 (mit weiteren Nachweisen). 1 gleich gut präsentiert und Kinder und Jugendliche in der sensiblen Phase der Pubertät in ihrer natürlichen Geschlechtsidentität als Bub/Bursch oder Mädchen verunsichert. Gute Sexualpädagogik hingegen hilft jungen Menschen, ihr persönliches Mann- oder Frausein in seiner ganzen Würde zu erkennen, eine positive Einstellung zum anderen Geschlecht zu finden, und dessen ergänzende Aspekte kennen und schätzen zu lernen. Der junge Mensch kann so lernen, zu verantworteten Entscheidungen im sexuellen Bereich zu kommen, und seinen heute immer häufiger geäußerten Wunsch nach Unbedingtheit der Liebe, nach treuer und dauerhafter Beziehung als Schutzraum für gegenseitige Hingabe sowie den Wunsch nach Kindern zu verwirklichen. Vgl. dazu www.prinzipien-sexualpaedagogik.org. Entwurf für den neuen Grundsatzerlass zur schulischen Sexualerziehung (März 2015) Der Entwurf für den neuen Grundsatzerlass zur schulischen Sexualerziehung, der den geltenden Erlass aus dem Jahr 1990 bzw. 1994 ablösen soll, wurde Ende März 2015 von BM Heinisch-Hosek zur Stellungnahme an einige Adressaten versendet (Ende der Frist: 10. April 2015), aber viele wichtige Diskussionspartner, wie z.B. Eltern- und Lehrervertreter, wurden nicht informiert. Dieses Defizit an öffentlicher Diskussion soll nun offenbar durch die laufende Online-Erhebung kompensiert werden. Unklar bleibt, wieweit die Ergebnisse dieser Online-Umfrage tatsächlich noch in den neuen Grundsatzerlass einfließen werden. Der Entwurf für den neuen Grundsatzerlass bezieht sich ebenso wie die Online-Umfrage explizit auf die WHO-Standards für Sexualaufklärung in Europa. Der Erlass bezeichnet Sexualerziehung als Unterrichtsprinzip, das eine fächerübergreifende Koordination erfordert. Entsprechend der kompetenzorientierten Ausrichtung der Lehrpläne sollen die Schülerinnen und Schüler „sexuelle Basiskompetenzen“ auf „kognitiver, emotionaler, sensorischer [?] und körperlicher [?] Ebene“ entwickeln. Entgegen dem dadurch erweckten Anschein einer umfassenden Sexualpädagogik klammert der Erlassentwurf jedoch wesentliche Aspekte eines ganzheitlichen Sexualkundeunterrichts aus und überträgt zugleich das ganze angesprochene Spektrum an Kompetenzentwicklung aus dem Verantwortungsbereich der Eltern in den der Schule. So lassen sich als wesentliche Kritikpunkte formulieren: 1. Das Recht der Eltern, ihre Kinder im hochsensiblen Bereich der Sexualaufklärung entsprechend ihren eigenen Überzeugungen zu erziehen, wird beschränkt (vgl. aber das in Art. 2 1. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte sog. Elternrecht). 2. Der notwendigen Wertorientierung und der Bedeutung sittlicher Normen wird nicht ausreichend Rechnung getragen (Begriffe wie „Liebe“ und „Familie“ kommen etwa gar nicht vor). 3. Der Aspekt der Gefahrenabwehr (etwa durch Pornographie oder Missbrauch) wird nicht ausreichend thematisiert. 4. Die im Entwurf geforderte Orientierung der Sexualerziehung u.a. an der „Vielfalt der Lebensformen (z.B. sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität)“ erweckt den Eindruck einer ideologischen Prägung des ganzen Projekts. Ohne dies explizit offenzulegen, werden auf diese Weise Vorstellungen der umstrittenen, aber schwer fassbaren Gender-Ideologie in die Schulen transportiert. Für eine nähere Analyse des Erlassentwurfes und eine ausführlichere Darstellung der Kritikpunkte vgl. www.sexualerziehung.at. Schlussfolgerung für das Ausfüllen der Online-Erhebung: Kritisches Hinterfragen ist geboten! “Die Fragebögen lehnen sich von ihrem Ansatz her bis in die einzelnen Fragen hinein ganz an die WHO-Standards an und sind so gesehen voll durchmanipuliert. Außerdem wird nicht unterschieden zwischen dem, was man als generell wichtig für die Jugendlichen in diesem Alter ansieht und dem, was man für den Sexualkundeunterricht in den Schulen als wichtig ansieht.“ Dr. med. Christian Spaemann 2