Predigt – gehalten am 1. Advent 2013 in der Hamdorfer Kirche. Pastorin Susanne Jensen In jedem Gottesdienst vollführen wir eine Zeitreise. Durch die Begegnung mit Bibeltexten, die ja unsere „Gesprächspartner“ sind, werden wir mit der Denkund Glaubenswelt von vor über 2000 Jahren konfrontiert. Im 1. Jahrhundert vor Christus herrschte ein komplett anderes Gottes-, Menschen- und Weltbild als jetzt im 21. Jahrhundert vor. Doch die Erfahrungen aus der Vergangenheit beinhalten etwas Überzeitliches. Gefühle, Ängste ... Nöte, Hoffnungen ... Sehnsucht, und dazu noch existentielle Fragen. Gott möge doch kommen und helfen, das wünschen Menschen zu allen Zeiten. So warten wir auf Gottes Kommen und Eingreifen. Das Warten gehört zum Advent. Könnten wir doch in die Zukunft schauen! Im Film „Die Zeitmaschine“ von 1960, geht es um eine Reise in die Zukunft. Der Zeitreisende kennt die Vergangenheit, die interessiert ihn nicht. Allein die Frage: Wird die Welt irgendwann einmal friedlicher sein, bewegt ihn, dieses riskante Experiment zu wagen. Römer 13, 8-14 Seid niemandem etwas schuldig, außer, dass ihr euch untereinander liebt; denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt. Denn was da gesagt ist (2. Mose 20,13-17): »Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren«, und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst (3. Mose 19,18): »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.« 10 Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung. Und das tut, weil ihr die Zeit erkennt, nämlich daß die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, [a] der Tag aber nahe herbeigekommen. So laßt uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts. Laßt uns ehrbar leben wie am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Hader und Eifersucht; sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und sorgt für den Leib nicht so, daß ihr den Begierden verfallt. Matthäus 21, 1-9 Jesu Einzug in Jerusalem Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9): »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.« Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf. Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: [a] Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe Liebe Gemeinde, vor einiger Zeit habe ich mit Freunden zusammen einen alten Film gesehen. Die Zeitmaschine – (englisch: The Time Machine) – nach dem Science-Fiktion-Roman von H.G. Wells. Der Science-Fiction-Roman ist 1895 erschienen – ein echter Klassiker. Der Film ist mit Rod Taylor in der Hauptrolle 1960 in die Kinos gekommen. In jeder Beziehung ein außergewöhnlicher Film. Er schaut in die Zukunft – ist ja Science-Fiction – und zeigt mit welchen Zukunftsängsten und Zukunftsvisionen die Menschen 1960 gelebt haben. Die Ängste und Visionen der Menschen sind sehr stark durch die vergangenen Jahrzehnte ... durch 2 Weltkriege beeinflusst. H.G. Wells wusste 1895 noch nichts von 2 Weltkriegen, er schrieb seinen Roman im ausgehenden viktorianischen England. Doch schon in seiner Zeit gab es rasante Veränderungen ... gesellschaftliche Verwerfungen ... soziale Not ... extreme Klassenunterschiede .... und die Frage, wie wohl die Zukunft aussehen würde. Klar, dass der Filmemacher, George Pal, geschichtliche Ereignisse der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts mit in den Film eingebaut hat, die so in dem Roman so nicht enthalten sind. Vergangenheit – Gegenwart und Zukunft in einem 53 Jahre alten Kinofilm verwoben. Kurzbeschreibung des Inhalts: Am Silvesterabend 1899 präsentiert der Erfinder George seinen Freunden seine neuste Entwicklung. Eine Maschine, die Reisen in die Zukunft ermöglicht. Begeisterung hat er erwartet, doch er erntete Ablehnung und Unverständnis. Verspottet und alleingelassen setzt sich George in die Zeitmaschine und befördert sich langsam in die Zukunft. Stunden ... Tage ... Wochen ... Monate ... Jahre fliegen quasi an ihm vorbei ... während er den Zeitregler bedient ... und Zwischenstopp im Jahr 1917 einlegt. Die Menschen, auf die er trifft, befinden sich im Kriegszustand. Das erschreckt George, so dass er weiter in die Zukunft reist, doch was er beim nächsten Zwischenstopp erlebt, fühlt sich an, wie das Ende der Welt. Die Erde wird von einem Atom-Satelliten weitgehend zerstört. (dies im Jahre 1960!) Gibt es überhaupt eine Zukunft für die Menschheit? Gibt es irgendwann eine friedliche Zeit? Diese Frage treibt ihn um ... er muss / er will es wissen. Und er landet im Jahr 802701 Achthundert und zweitausend und siebenhundert eins. In dieser Zeit leben nur noch zwei Menschengruppen. Wobei die eine Menschengruppe die andere wie Tiere hält und auffrisst. Keine schönen Aussichten. Der Held, Erfinder George, schlägt sich wacker ... kämpft ... verliebt sich ... kann den wie Tiere gehaltenen Menschen wichtiges sagen ... und besteigt wieder seine Zeitmaschine. Happy Ende? In die Zukunft schauen wollen ...eine Versuchung? Sich zum Beispiel ein Horoskop machen lassen? ****** Der Roman / der Film – beides sind Kinder ihrer Zeit. Entstanden in ihren jeweiligen Denkhorizonten. ****** Bibeltexte wiederum sind AUCH Kinder ihrer Zeit. Wenn wir diese Texte lesen, wissen wir, dass Menschheitserfahrungen hineingeflossen sind. Insbesondere Glaubenserfahrungen, denn es handelt sich um religiöse Texte, die im Storm des kollektive Menschheitsgedächtnisses entstanden sind. Diese Glaubenserfahrungen aus der jüdisch-christlichen Tradition können Kraft geben, können helfen Gott zu denken, an Gott zu Glauben. ***** Nehmen wir uns den Römer-Text und den Matthäustext vor, stecken in beiden Texten Zukunftshoffnung. Paulus und der Autor des Matthäusevangeliums hoffen noch, erwarten Heil, Vollständigkeit ... Frieden ... Schalom. Sie werfen ihre Hoffnung auf eine Person, der für sie Heiland und Erlöser ist, Jesus Christus. Dies tun sie, obwohl ihre Zeit heillos ist, obwohl die Römer ihr Land besetzt haben, Menschen willkürlich töten und unendlich viel Armut vorherrscht. **** Auf das Heil – den Heiland Hoffen, passt in die Adventszeit. Beziehungsweise, die Adventszeit ist geprägt von Erwartungen ... Hoffnungen ... vom Glauben an das Licht in der Finsternis. Obwohl jede Zeit ihre eigenen Nöte, Ängste, hat, ist das, was der Einzelne von den Gefühlswerten vergleichbar. Es sind elementare ... existenzielle Ängste. Wie sieht meine Zukunft aus? Werde ich wieder gesund? Behalte ich meine Arbeit? Werde ich ein besseres Jahr erleben? Werde ich wieder gedemütigt? Werden andere mich verachten, kränken? Bekomme ich Hilfe? Wird für mich auch wieder die Sonne scheinen? Lässt mich Gott im Stich? Ist er mir nahe, wenn ich ganz alleine bin und am verzweifeln? ***** „Die Nacht ist vorgerückt“ .... Die Nacht kann verdammt lange dauern. Das habe ich selbst erlebt. Lange anhaltende Nacht. In dieser Nacht wechseln die Gefühle von Gottverlassenheit bis hin zum sehnlichsten Wunsch nach Gottes Nähe. In tiefster Finsternis Gott denken und fühlen können, dass zu erleben, das ist irre. Mitten im Drecksmodderloch Gott bei sich wissen ... unbeschreiblich. Nacht erleben so viele Menschen auf diesem verrückten Planeten, Erde, mit über 7 Milliarden Menschen. Die Nacht – das Leid – spricht gegen Gott. Gott und Leid – das zusammen denken ... Wie geht das? Im Matthäusevangelium heißt es am heutigen Adventssonntag: „Siehe, dein König kommt zu Dir!“ .... „sanftmütig und reitet auf einem Esel ....“ ***** Die Menschen vor 2000 Jahren und auch den Jahrhunderten davor haben sehnlichst auf Gottes Kommen gewartet ... auf Heil und Frieden ... Gott und Leid? Gott und Strafe? Gott und Zorn? Gott und das Böse in der Welt? Wie lässt sich das denken? **** Was ich nicht denken kann, ist: Ein Gott, der kommt und geht, ein Gott, der auswählt, selektiert, ein Gott, der sich zurückzieht und wartend, thronend zuschaut, wenn Menschen leiden ... Was ich nicht denken kann, ist Gottferne / Gottesfinsternis ... In meinem Seelenhaus habe ich einen Raum für den nahen Gott, den mitleidenden Gott, der Licht in totale Finsternis bringen kann. So reicht mir ein Licht / eine Kerze als Symbol für Gottes Nähe – Gottes Gegenwart Eine Kerze steht für den ersten Advent. Eine Kerze steht für Weihnachten und Karfreitag und Ostern zugleich. Im Matthäusevangelium heißt es am heutigen Adventssonntag: „Siehe, dein König kommt zu Dir!“ .... Evangelium ist für mich, wenn es heißt: „Siehe, dein Gott ist schon bei Dir ... geht mit Dir ... freut sich mit Dir ... weint mit Dir ...“ Gott will Licht sein in Deiner Nacht! Amen