Erdgastransport von Russland nach Westeuropa – Analyse des Modells von Christian von Hirschhausen (The Energy Journal, Vol. 26, No. 2, April 2005) Igor Litvinov 1 Gliederung 1. Simulationsanalyse: Erdgastransport von Russland nach Westeuropa 1.1 Historische Entwicklung des Exports von russischem Gas nach Westeuropa 1.2 Modell eines „Export-Transit-Spiels 1.3 Daten und Ergebnisse 2. “Gazprom” - Daten und Fakten 3. Die Rolle der Politik bei der Gaspreisbildung 4. Fazit 2 1. Simulationsanalyse: Erdgastransport von Russland nach Westeuropa Artikel : Christian von Hirschhausen, Berit Meinhart und Ferdinand Pavel. Ergebnis einer langfristigen Studie bzw. eines Beratungsprogramms für die ukrainische Regierung sowie eines Forschungsprojekts, das vom DIW Berlin und von der TU Dresden durchgeführt wurde. 3 1.1 Historische Entwicklung des Exports von russischem Gas nach Westeuropa Zusammenbruch der Sowjetunion hat direkte Auswirkungen auf den Gastransport nach Westeuropa, z.B. durch die Ukraine Russlands Reaktion auf die ukrainische Politik: Bau einer Gas-Pipeline über Weißrussland Yamal-1 Pläne bezogen auf den Bau einer neuen Pipeline aus Weißrussland über Polen zur Ost-Slowakei Yamal-2 Idee einer direkten Gasleitung zwischen Russland und Deutschland über die Nordsee 4 5 1.1 Historische Entwicklung des Exports von russischem Gas nach Westeuropa Unabhängig von der Suche nach alternativen Pipelines unterschreibt Russland eine Erweiterung des Gastransports über die Ukraine im Jahre 2003. Der Gasexport steigt von 107 Mrd. m³ ( 1991) auf 132 Mrd. m³ (2003), obwohl auf dem postsowjetischen Territorium eine politische und wirtschaftliche Krise herrscht. 6 1.2 Modell eines “Export-Transit-Spiels” Nicht-Kooperative Strategie: Menge von Transitgas bzw. Gaspreis und Transitgebühr werden unabhängig voneinander festgelegt. R x= p−t−c R x Ukrainischer Profit: U t =t−cU x Exportgasmenge: x Transitgebühr: t Konstante Wartungskosten: c R , cU p Gaspreis bei Verkauf: Russischer Profit: 7 1.2 Modell eines “Export-Transit-Spiels” Optimierung des Profits für die Ukraine : d U dx = xt−c U ⋅ =0 dt dt Russland legt die Transitmenge von Gas in Abhängigkeit von der Höhe der Transitgebühr fest. Die geforderte Höhe der Transitgebühr wird an die folgende Bedingung gebunden: dx =0 dt , somit 1 t=c U −x⋅ (1) 8 1.2 Modell eines “Export-Transit-Spiels” Optimierung des Profits für Russland : d R d [ p x−c R −t x⋅x] = =0 dx dx nach dem Differenzieren bekommen wir : dp x dt x x⋅ − =t xc R − p x dx dx (2) 9 1.2 Modell eines “Export-Transit-Spiels” Die Preis-Funktion für westeuropäische Konsumenten: p=axb (3) 100 90 80 Preis [Euro/MWh] 70 60 50 40 30 20 10 0 50 60 70 80 90 100 b ist die höchstmögliche Preishöhe a Koeffizient der Preisregulierung a0 Menge [bcm] 10 1.2 Modell eines “Export-Transit-Spiels” Profit maximierende Transitmenge von Gas für Russland bei der nicht-kooperativen Strategie ((3) und (1) in (2) einsetzen): c R cU −b x= 1 2a Profit maximierende Höhe der Transitgebühr für die Ukraine bei der nicht-kooperativen c R c U −b Strategie : t=c U − 1 11 2⋅ a 1.2 Modell eines “Export-Transit-Spiels” Kooperative Strategie : Festgelegt wird nur die Profit maximierende Transitmenge von Gas. Der gesamte Profit wird danach zwischen Russland und der Ukraine geteilt : c x= p−c R −cU ⋅x Optimierung des kooperativen Profits : d c x d [axb−c R −cU ⋅x ] = =0 dx dx 12 1.2 Modell eines “Export-Transit-Spiels” Profit-maximierende Transitmenge von Gas bei der kooperativen Strategie : c R cU −b x= 2⋅a x ist abhängig nur von tatsächlichen Wartungskosten von Russland und Ukraine a und b sind Parameter, die die europäische Wirtschaft vorgibt 13 1.2.3 Nicht-kooperative Strategie mit drei Spieler Weißrussland ist kein selbständiger Spieler und akzeptiert jede Transitmengenhöhe. c R cU −b−2 a x W xU = 1 2a Die Situation bleibt ähnlich wie bei der nichtkooperativen Strategie mit zwei Spielern. Der Unterschied ist, dass die Ukraine insgesamt weniger Geld bekommt, weil weniger Gas durch die Ukraine transportiert wird. 14 1.2.4 Kooperative Strategie mit drei Spieler Profit-maximierende Transitmenge von Gas : c R cU −b−2 a x W xU = 2a Die Transitgasmenge über die Ukraine ist frei vom Einfluss der ukrainischen Transitgebühr und übersteigt somit die optimale Transitmenge bei der nicht-kooperativen Strategie. 15 1.3 Daten und Ergebnisse 16 2. Gazprom - Daten und Fakten Gazprom ist das weltweit größte Erdgasförderunternehmen und das größte Unternehmen Russlands. Der ehemalige Staatskonzern, der 1998 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, ist heute mit rund 330.000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber des Landes. 17 2. “Gazprom” - Daten und Fakten 155.000 Kilometer Pipelines und 268 Kompressorstationen. Gasförderung (2006): 550 Mrd. m³ Gastransport (2006): 700 Mrd. m³ (davon 150 Mrd. m³ gefördert in Mittelasien) 24 unterirdische Aufbewahrungsstationen in Russland (Anfang 2007 befinden sich dort 65.7 Mrd. m³ Erdgas) Auch im Ausland ( England, Deutschland, Ukraine, Lettland und Österreich) Erdgasreserven 18 3. Die Rolle der Politik bei der Gaspreisbildung Versuch der Preisangleichung von post-sowjetischem Niveau auf das Niveau der Preise Westeuropas Preispolitik als politisches Druckmittel gegenüber postsowjetischen Ländern 19 3. Die Rolle der Politik bei der Gaspreisbildung März 2005 ist von einer Preiserhöhung für Weißrussland die Rede. Am 4. April 2005 verspricht Vladimir Putin die Erdgaspreise auf dem alten Niveau zu halten. Bis Ende 2006 wird das gegebene Wort gehalten (46,68 $/ 1000 m³). 20 3. Die Rolle der Politik bei der Gaspreisbildung Seit Anfang 2007 muss Weißrussland 100 $ pro 1000 m³ zahlen. Dafür gehen 50% der Aktien des weißrussischen Gaskonzerns Beltransgas an Gazprom. Seit Juli 2005 wird von einer kontinuierlichen Gaspreiserhöhung für die baltischen Länder gesprochen. Seit September 2005 bekommt Georgien das Erdgas zum Preis von 110 $ pro 1000 m³ (heute 235$/1000m³). Seit Januar 2006 zahlt Moldawien einen Gaspreis von 110 $ pro 1000 m³ und 50 % des moldawischen Erdgastransitnetzes wechseln in den Besitz von Gazprom. (heute 170 $/1000m³) 21 3. Die Rolle der Politik bei der Gaspreisbildung Ende 2005 fordert Gazprom von der Ukraine einen Preis von 230 $ pro 1000 m³ Erdgas ab dem 1. Januar 2006. Alternativ bietet Gazprom aber den alten Preis (50 $/ 1000 m³) bis Ende 2006 zu halten, wenn die Ukraine einen Vertrag über den Verkauf ihres Gastransitnetzes unterschreibt. Erst am 3. Januar 2006 kommen die beiden Seiten zu einer Entscheidung: Das ukrainische Gasnetz bleibt im Besitz der Ukraine und der Gaspreis beträgt 95 $ pro 1000 m³. (Ab dem 1. Januar 2007 zahlt die Ukraine 135 $ pro 1000 m³.) 22 4. Fazit Kontrollaktienpaket von Gazprom gehört dem Staat (50.01%). Der Preis bildet sich politisch, nicht nur an Marktbedingungen. Gazprom ist ein Monopolist auf dem europäischen Gasmarkt – kein liberaler Marktpreis. Die im Artikel vorgeschlagene kooperative Vorgehensweise beim Gastransport ist unrealistisch. 23 Quelle: C. von Hirschhausen, B. Meinhart und F. Pavel, „Transporting Russian Gas to Western Europe – A Simulation Analysis“, The Energy Jornal 26 (2), 49-68 (2005) C. von Hirschhausen „Langfristige Erdgasversorgung Europas –LNG vs. russisches Pipelinegas?“ (Vortrag beim Berlin Lunchtime Meeting) „Steigende Energiepreise – Neue Herausforderungen für die Energie- und Umweltpolitik.“ Münster, den 13. September2006 (Wirtschaftswissenschaftliches Seminar 2006 für die Berater des Handwerks http://www.gazprom.ru/ 24