EE-810 - Single-Ended-Endstufe mit der legendären Röhre 300B Die Röhre 300B wurde in der Anfangszeit der Röhrentechnik in den 30er-Jahren von Western Electric entwickelt und in Audioverstärkern eingesetzt. Mit einer Röhre wurden im Single-Ended-Betrieb eine Leistung von 6...8 W erzielt. In der damaligen Zeit war dies eine beachtliche Leistung, ausreichend für die Beschallung von Kinosälen. Über die Jahrzehnte hinweg wurde diese Röhre bis heute von HiFiLiebhabern eingesetzt, da sie besonders wegen ihrer Linearität geschätzt wird. Bei der 300B handelt es sich um eine direkt geheizte Triode, die mittlerweile wieder von vielen Herstellern neu produziert wird und aus dem High-End-Bereich nicht mehr wegzudenken ist. Die Leistung von 6...8 W ist nach heutigen Gesichtspunkten eher als gering einzustufen. Um eine höhere Leistung zu erzielen, können zwei Röhren in Gegentakt-AB-Schaltung eingesetzt werden. Bei der Gegentaktschaltung kommt es jedoch zur Unterdrückung der geradezahligen Harmonischen k2, k4, k6 usw. Um den typischen Röhrenklang zu erreichen, müssten diese auf künstlichem Weg erzeugt werden. Dies ist jedoch nicht der Weg, der hier verfolgt werden soll. Eine andere Möglichkeit ist, zwei Röhren in Single-Ended-Schaltung parallel zu betreiben. Dies wird hier genutzt, um einerseits die hohe Qualität und den klanglichen Charakter einer Single-Ended-Endstufe zu erreichen und andererseits eine höhere Ausgangsleistung zu erzielen. Damit steht genügend Leistung zur Verfügung, um mit wirkungsgradstarken Lautsprechern auch grössere Hörräume ausreichend zu beschallen. Die idealen Spielpartner für diese Endstufe sind Breitbandlautsprecher und Hornsysteme, die eine möglichst minimalistische Frequenzweiche haben. Besonders mit Breitbandlautsprechern ohne Frequenzweiche ist hier eine sehr plastische Wiedergabe zu erreichen. Schaltungsbeschreibung Der Verstärker ist komplett in Triodenschaltung aufgebaut. In der Eingangsstufe wird die Röhre ECC81 eingesetzt. Prinzipiell wird in der ersten Stufe nur eine Triode benötigt. Derartige Röhrentypen werden heute leider nicht mehr hergestellt. Die EC92 wäre hier gut geeignet, die ein System der ECC81 darstellt, aber nicht mehr produziert wird. Deswegen wird hier die ECC81 eingesetzt, bei der beide Triodensysteme parallelgeschaltet werden, was auch vorteilhafte niederohmige Beschaltung ermöglicht. Der Kondensator C13 wird nur bei Schwingneigung der Schaltung eingesetzt, dies ist vom Aufbau und der Verdrahtung abhängig. Die Treiberstufe ist mit der Röhre EL84 ebenfalls in Triodenschaltung mit geringem Innenwiderstand aufgebaut (hier kann sowohl die EL84T mit Gitter 3 an Anode als auch die EL84 mit Gitter 3 an Kathode eingesetzt werden). Beide Stufen sind durch ihre nicht überbrückten Kathodenwiderstände sowie durch R10, R17 und R18 moderat gegengekoppelt, damit werden die Röhren auch bei Toleranzen und Alterung in ihren Arbeitspunkten gehalten. Bei der Auswahl der Röhren wurde darauf geachtet, dass die Verstärkung in einem sinnvollen Bereich und nicht zu hoch liegt, damit eine moderate Gegenkopplung genügt. Dies wirkt sich positiv auf den klanglichen Charakter des Verstärkers aus. In der Endstufe werden zwei Röhren vom Typ 300B eingesetzt. Jede Endröhre hat ihre eigene Ruhestromeinstellung sowie getrennte Kathodenwiderstände zur Entkopplung der Systeme und eine getrennte Heizspannung. Zur exakten Einstellung der Verstärkung ist in der Vorstufe das Trimmpotentiometer P1 vorgesehen, um beide Kanäle aufeinander auf Kanalgleicheit abzugleichen. Der Abgleich kann mit einem Zweikanaloszilloskop erfolgen. Die Verstärkereingänge werden parallel geschaltet und mit einem Sinussignal gespeist. Die Ausgänge werden mit dem Trimmpoti jeweils auf gleiche Pegel gebracht. Die Treiberstufe muss an ihrem Ausgang das Signal zur Ansteuerung der Endröhren niederohmig mit einer hohen Amplitude zur Verfügung stellen, da die 300B nur eine geringe Verstärkung aufweist. Bei einer negativen Gittervorspannung von etwa -70 V wird für Vollaussteuerung ein Signal mit ungefähr 140 Vss Spannungshub benötigt. Zudem sollte die Treiberstufe hinreichend linear arbeiten, damit sie nicht klangbestimmend wirkt. Dies wird durch eine relativ hohe Betriebsspannung für Vor- und Treiberstufe erreicht. Die beiden Endröhren werden bei einem moderaten Arbeitspunkt mit 65 mA (entspricht 3,06 V am Messpunkt M1 und M2) Ruhestrom pro Röhre betrieben. Bei diesem Konzept steht nicht die Leistungsausbeute im Vordergrund, sondern ein möglichst lineares Verhalten der Endstufe. Der Arbeitspunkt wurde so gewählt, das im Hinblick auf Symmetrie und Klirrverteilung das bestmögliche klangliche Ergebnis erzielt wird und die Endröhren nicht zu sehr an der Leistungsgrenze betrieben werden, was deren Lebensdauer zugute kommt. Zur Vermeidung von Brummeinstreuungen müssen Vor- und Endröhren mit Gleichstrom geheizt werden. Da die 300B eine direkt geheizte Kathode hat, ist für jede Röhre eine galvanisch getrennte Heizung, also ein eigenes Netzteil nötig. Die Vor- und Treiberröhre werden von einem weiteren Netzteil versorgt. Für die Endröhren und die Vor- und Treiberstufe wird eine Gleichstromheizung mit Softstart verwendet. Auch die Hochspannung der Verstärkerstufen ist für größtmögliche Brummfreiheit elektronisch geregelt. Am Eingang des Verstärkers ist ein Muting-Relais zur Stummschaltung vorgesehen. Im gesamten Vestärkerzug werden moderate, lokale Gegenkopplungen eingesetzt. Somit hat man die Toleranzen der Bauteile sicher im Griff. Der Verstärker behält seine klanglichen Vorzüge und der Einsatz selektierter Röhren ist nicht notwendig. Lediglich der Ruhestrom der Endröhren muss auf den vorgegebenen Wert eingestellt werden. Durch die schwache Gegenkopplung ist der Betrieb an komplexen Lasten problematisch. Mehrwege-Lautsprecher mit komplexen Frequenzweichen zeigen sich hier als kritische Spielpartner. Die besten Ergebnisse erzielt man mit Breitbandlautsprechern, Hornsystemen oder Zweiwege-Lautsprechern. Kommt eine Frequenzweiche zum Einsatz, sollten einfache Filter bevorzugt werden. Die Endstufe zeigt dann ein ausgewogenes, lebendiges Klangbild. Als Ausgangsübertrager wird ein hochwertiger Schnittbandkerntyp verwendet, der auf diese Schaltung hin optimiert wurde und den Anschluss von Lautsprechern mit 4, 6 oder 8 Ohm erlaubt. Technische Daten Betriebsspannung: Anodenstrom pro Endröhre: Ra: Eingangsspannung für Vollaussteuerung: Ausgangsleistung vor Clippinggrenze: 380 V 65 mA 1,5 KOhm 0,7 V RMS 11 W Frequenzgang bei maximaler Leistung: 20 Hz (-1,2 dB) ... 20 KHz (-0,3 dB) 50 Hz (-0,2 dB) ... 20 KHz (-0,3 dB) 20 Hz (-1,2 dB) ... 40 KHz (-0,8 dB)