14. Ladung und elektrisches Feld In der Natur gibt es vier fundamentale Wechselwirkungen. Eine davon haben wir bereits kennen gelernt, die Gravitation. Damit bezeichnen wir das Phänomen, dass Massen gegenseitige Anziehungskräfte auf einander ausüben. Daneben gibt es die schwache und die starke Wechselwirkung, so genannt nach der relativen Stärke ihrer Austauschkräfte. Beide spielen in der subatomaren Welt der Elementarteilchen eine wichtige Rolle, sind in unserer Alltagswelt aber kaum wahrnehmbar. Schließlich gibt es noch die elektromagnetische Wechselwirkung, mit der wir uns im folgenden beschäftigen werden. Sie spielt die überragende Rolle für den Aufbau der Atome und Moleküle und bestimmt alle chemischen Eigenschaften der Materie. Auch die äußere Erscheinung der Materie wie Form und Farbe ist bestimmt durch die elektromagnetische Wechselwirkung. Außerdem sind deren technische Anwendungen aus dem Alltag praktisch nicht mehr wegzudenken. 14.1 Ladung Elektrische Ladung Q ist – ähnlich wie die Masse – eine fundamentale Eigenschaft der Materie. Fundamental bedeutet in diesem Sinne, dass diese Eigenschaft nicht aus anderen ableitbar oder erklärbar ist. Elektrische Ladungen üben Anziehungs- und Abstoßungskräfte auf einander aus. Bereits in der Antike war bekannt, dass etwa ein geriebener Bernstein leichte Gegenstände anziehen kann. • Es gibt zwei Arten von Ladung, die man als positiv und negativ bezeichnet und durch ein Vorzeichen unterscheidet. • Ladungen treten stets in Vielfachen einer Elementarladung auf, Ladungen sind also gequantelt. Der Wert der Elementarladung ist e = 1,602 10-19 C (1 C = 1 Coulomb). • Ladung ist in der Natur erhalten, die Summe aller Ladungen in einem System ist konstant. • Ladungen gleichen Vorzeichens stoßen sich ab, solche entgegen gesetzten Vorzeichens ziehen sich an. Welches sind die Objekte, die elektrische Ladung tragen? Materie ist aus Atomen aufgebaut. Atome wiederum besitzen einen Atomkern, der aus elektrisch ungeladenen Neutronen und positiv geladenen Protonen besteht. Die Ladung eines Protons entspricht gerade einer Elementarladung +e. Der Atomkern hat also eine positive Nettoladung. Die Ladung eines Atomkerns ist gegeben durch Ze, wobei Z die Anzahl der Protonen im Kern ist. Man bezeichnet Z auch als die Ordnungszahl. Der Kern ist umgeben von einer Hülle von Elektronen, die jeweils eine negative Elementarladung –e tragen. Im Grundzustand eines Atoms ist die Zahl der Hüllenelektronen gleich der Zahl Z der Protonen im Kern. Damit ist die Summe aller positiven und negativen Ladungen im Atom gleich null, das Atom ist nach außen elektrisch neutral. In Isolatoren (Holz, Glas) sind die Elektronen fest an die Atome gebunden, können sich also nicht innerhalb des Stoffes bewegen. In so genannten elektrischen Leitern hingegen wird die Wechselwirkung der Elektronen mit dem Kern durch die Anwesenheit benachbarter Atome gestört, so dass sich ein Teil der Elektronen frei innerhalb des Stoffes bewegen kann. Influenz Bringt man einen positiv geladenen Körper in die Nähe eines neutralen Leiters, so bewegen sich aufgrund der elektrostatischen Kräfte die Elektronen im Leiter in Richtung des geladenen Körpers. Diesen Vorgang nennt man Influenz. Dieses Phänomen kann man mit Hilfe eines Elektroskopes nachweisen. Influenz kann auch zur Aufladung von Leitern genutzt werden. Bringt man zwei miteinander verbundene Leiter in die Nähe eines geladenen Körpers und trennt diese anschließend, so ist aufgrund der Influenz der eine Körper negativ, der andere positiv geladen. 14.2 Das Coulombsche Gesetz Zwei elektrische Punktladungen q1 und q2, die sich in einem Abstand r voneinander befinden, üben eine elektrostatische Kraft aufeinander aus. Die Kraft wird beschrieben durch das Coulombsche Gesetz: F12 (r ) = 1 q1q2 4πε 0 r 2 mit der Dielektrizitätskonstanten ε0 = 8,85 10-12 C2 N-1 m-2. Die Kraft wirkt in Richtung der Verbindungslinie zwischen q1 und q2. Je nach Vorzeichen von q1 und q2 kann die Kraft anziehend oder abstoßend sein. Beachten Sie die Ähnlichkeit zum Newtonschen Gravitationsgesetz, allerdings ist Gravitation stets anziehend, da es nur Massen eines Vorzeichens gibt. q1 q2 q1 q2 + + + - Beispiel: Vergleichen Sie die Coulombkraft mit der Gravitationskraft, die zwei Protonen aufeinander ausüben. 14.3 Das elektrische Feld Die Fernwirkung einer Kraft führt zu dem konzeptionellen Problem, wie die Kraft zwischen zwei Körpern eigentlich vermittelt wird, ohne dass diese sich berühren. Dies führt zur Einführung des Begriffes des elektrischen Feldes. Man stellt sich vor, dass eine elektrische Ladung Q den sie umgebenden Raum mit einem elektrischen Feld E erfüllt. Dieses Feld bewirkt die elektromagnetische Kraft, die auf eine zweite Ladung ausgeübt wird. Denken wir uns eine zweite Ladung q, die klein sein soll gegen Q, so dass sie das elektrische Feld von Q nicht beeinflusst. Man spricht dann von einer Probeladung. Diese Probeladung erlaubt es uns, das elektrische Feld E an jedem Ort r zu bestimmen, indem das Feld als der Quotient der Kraft F auf die Probeladung am Ort r geteilt durch q definiert wird: F (r ) E (r ) = q Das elektrische Feld E ist wie die Kraft F ein Vektor. Elektrische Feldlinien Der Verlauf des elektrischen Feldes kann durch Feldlinien veranschaulicht werden. Dafür gibt es folgende Regeln: • Die Feldlinien zeigen in Richtung der Kraft, die auf eine positive Probeladung wirkt. Sie sind also stets von einer positiven zu einer negativen Ladung gerichtet. Beim Feldlinienbild einer einzelnen Punktladung nimmt man an, die Feldlinien enden auf Ladungen, die im Unendlichen liegen. • Die Anzahl der Feldlinien, die auf einer Ladung beginnen oder enden, ist proportional zur Größe der felderzeugenden Ladung. • Die Dichte der Feldlinien ist proportional zur Feldstärke an diesem Ort. • Feldlinien können sich niemals schneiden. Q Beispiel für das Feldlinienbild zweier Ladungen 14.4 Potential und Spannung Bewegt man eine Probeladung im elektrischen Feld entgegen der auf sie wirkenden Coulombkraft vom Ort 1 zum Ort 2, so muss Arbeit verrichtet werden. Dadurch gewinnt die Ladung die potentielle Energie W 2 2 1 1 W = − ∫ Fdr = −q ∫ Edr = q(φ (1) − φ (2 )) Die Größe φ(r) nennt man das elektrische Potential. Wie im Fall der potentiellen Energie im Schwerfeld der Erde sind nur Differenzen von Potentialen physikalisch relevant. Die elektrische Potentialdifferenz zwischen 1 und 2 nennt man auch die elektrische Spannung U: U =| φ (1) − φ (2 ) | Die Spannung hat die Einheit 1 Volt (V) = 1 J/C. Für den Unterschied der potentiellen Energie einer Ladung q zwischen zwei Orten 1 und 2, zwischen denen die Spannung U herrscht, gilt demnach W = qU Leiter im elektrischen Feld Bringt man einen leitenden Gegenstand in ein statisches äußeres elektrisches Feld, so werden sich die frei beweglichen Ladungen innerhalb des Leiters bewegen. Dieses Phänomen kennen wir bereits als Influenz, mit Hilfe des Feldbegriffs können wir aber einige weitere Konsequenzen diskutieren. Die Bewegung der Ladungsträger wird so lange erfolgen, bis im Inneren des Leiters keine elektrische Feldlinien mehr vorhanden sind. Die Feldlinien des äußeren Feldes enden damit auf Ladungen, die auf der Oberfläche des Leiters sitzen. Diesen Zustand nennt man elektrostatisches Gleichgewicht. Die Feldlinien stehen auf der Leiteroberfläche senkrecht, besitzen also keine Tangentialkomponente entlang der Oberfläche. Wäre dies nicht so, würden sich die Ladungen weiter entlang der Oberfläche verschieben, bis alle Tangentialkomponenten verschwunden sind. Die Tatsache, dass keine Feldlinien im Inneren des Leiters verlaufen, bedeutet außerdem, dass sich die gesamte Oberfläche des Leiters auf demselben elektrischen Potential befindet. Die Oberfläche eines Leiters im elektrostatischen Gleichgewicht bildet also eine Äquipotentialfläche. Wir fassen dies zusammen: • Das Innere von Leitern ist im elektrostatischen Gleichgewicht feldlinienfrei. Dies gilt auch für einen vom Leiter umschlossenen Hohlraum Æ Faraday-Käfig • Die Feldlinien eines äußeren Feldes stehen senkrecht auf der Leiteroberfläche. • Im elektrostatischen Gleichgewicht bildet die Oberfläche eines Leiters eine Äquipotentialfläche. Beispiel: Van-de-Graaff Generator