373 Evensong 30.Januar 2015 Ratinger Kammerchor / Dominikus Burghardt Sermonette Uwe Vetter Text Lukas 12 : 15-22 / Apg 20 : 32-35 Hin-Gabe Warum sollte geben glücklicher machen als nehmen ? LukasEvg 12. Jesus, der Christus, sprach: (15) > … Nicht kommt – wenn einer Überfluss besitzt – sein Leben aus den Dingen, die ihm gehören (niemand lebt davon, dass er viele Güter hat).<1 (16) Und er erklärte es ihnen in einem Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte guten Ertrag gebracht. (17) Und er überlegte und sagte zu sich: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wo ich meine Früchte speichere. (18) Und dann kam ihm eine Idee, und er sprach : Das will ich tun: Ich werde meine alten Scheunen abreißen und größere bauen und darin aufhäufen all mein Korn und meine Güter stapeln (19) und dann werde ich zu meiner Seele sagen : Liebe Seele, du hast viele Güter auf Lager, auf viele Jahre; hab nun Ruhe, iss, trink, und sei froh. – (20) Doch Gott sprach zu ihm : >Du Narr! In der kommenden Nacht wird deine Seele von dir gefordert; wem wird dann gehören, was du bereit gehalten hast?< euch in allem gezeigt, dass man so arbeiten muss : sich der Schwachen annehmen, in Erinnerung der Worte des Herrn Jesus, dass er selbst gesagt hat: >Glücklicher ist es zu geben als zu nehmen.<2 1.Den Spruch kennen wir: Geben ist seliger als nehmen. Wer heute so etwas laut sagt, muss sich auf allergische Reaktionen gefasst machen. °Geben ist seliger als nehmen… Komm, das ist doch ein abgedroschener Spendensammlerspruch; will mir jemand das Geld aus der Tasche ziehen? - °Geben ist seliger … „seliger“! Ziehen hier Ablassprediger durch und singen wenn-dasGeld-im-Kasten-klingt-die-Seele-aus-dem-Fegefeuer-springt? - °Geben ist seliger als nehmen… für wen denn? Ich ziehe doch keine Schmarotzer heran! - °Geben ist seliger als nehmen… das sag mal den „reichen Kornbauern“, die es im Überfluss haben und Scheunen in Steueroasen. - Geben ist seliger als nehmen, wo das heute gepredigt wird, dort hockt die Gemeinde als Menschentraube hinter den Säulen und sucht Deckung wie bei einer Bombendrohung. Aber vielleicht war das zu biblischen Zeiten schon so, und der Herr Jesus hat deshalb vom reichen Kornbauern erzählt. Damit alle sagen konnten: das sind wir ja nicht, und entspannter zuhören konnten. Man sollte den Christus schon kennen und als Ebenbild Gottes sehen, damit der Spruch sein bauern-fängerisches Geschmäckle verlöre. Dann wüsste man, dass Jesus, der Christus, (anders als Johannes der Täufer) kein versteckt drohender Verzichtsprediger ist. Und dass sein Evangelium von der Gnade Gottes erzählt. Gnade, dieses seltsam klingende Lutherwort, ist in der Sprache Jesu zuweilen ein ausgesprochen kalorienreiches, von Lebensfreude sprudelndes, farbenfrohes Wort. Das zu Grunde liegende hebräische Wort „Chesed“ könnte könnte übersetzen mit das „übervolle Maß“; gedacht ist an ein Getreidemessbecher mit Häubchen, über dessen Rand es rieselt, während einem zugeschaufelt wird. Überfluss ist im Kornbauergleichnis keineswegs etwas Negatives, es ist Segen, guter Ertrag, ehrlich erworben, also etwas, das der Mensch dankbar genießen darf. Würde man den Christus kennen, wäre man neugierig auf die Art, in der er sich ausgedrückt hat. Wo Luther übersetzte: Geben ist seliger als nehmen… stand im Evangelium das Wort Magnificat Apg 20. Abschiedspredigt des Paulus vor der Christengemeinde in Milet. (32) Und nun empfehle ich euch Gott und dem Wort Seiner Gnade, der da mächtig ist euch zu bauen, und zu verteilen das Erbe unter allen, die geheiligt sind. (33) Ich habe von niemandem unter euch Silber oder Gold oder Kleidung begehrt. (34) Ihr wisst selbst, dass mir diese (meine) Hände zum Unterhalt gedient haben – für mich und die, die mit mir gewesen sind. (35) Ich habe 1 Wörtlich: Nicht ist – wenn einem Überfluss vorhanden ist – sein Leben aus den Dingen, die ihm gehören. 2 >Makáriòn estin mállon didónai è lambánein< / >Glücklich-ist (es) mehr-zu geben.als-zu nehmen<. 1 >makarios<3, das Signalwort am Anfang der Seligpreisungen. Makarios bedeutet selig, glücklich. Und mit dem Begriff glücklich bekommen Menschen von heute große Ohren. Macht hier irgendetwas glücklich ? Und der Christus sagt: glücklicher ist es zu geben als zu nehmen. >Glücklicher ist es zu geben als zu nehmen.< Stimmt das ? Was ist dran an dieser prophetischen Nachricht? Warum sollte geben glücklicher machen als nehmen ? 2. Kennen Sie sich aus in der Welt der reichen Kornbauern? Die meisten „Superreichen“ leben in London. 370.000 Millionäre; die weltweit meisten Milliardäre haben in London ihren Wohnsitz. Besser gesagt, sie haben dort Immobilien gekauft um ihr Geld anzulegen, in Appartements mit PKW-Lift, dass man sein Auto mit aufs Zimmer nehmen kann. Und damit es wenigstens so aussieht als wohnte da jemand, deponieren sie dort ihre PenthousePets, persönliche Wohnassistentinnen. Einige von den Superreichen sind selber echte Touristenattraktionen. Und mancher Städtereisender denkt beim Anblick dieser protzigen Herrn in Begleitung ihrer extrem jungen und extrem blonden BotoxQueens mit dem entschlossenen Shoppingblick: Die gönn´ ich dem! Es gibt doch noch Gerechtigkeit auf dieser Welt. … Aber dann gab es eine ernsthafte BBC-Reportage und die zeigte: Unter diesen Superreichen gibt es seriös reiche Menschen, die haben Außergewöhnliches geleistet, eine Erfindung gemacht, eine geniale Geschäftsidee gehabt und sind mit ungewöhnlichem Fleiß auf redliche Art unermesslich reich geworden. Die Journalisten fragten sie: Was macht man, wenn man mehr hat, als man jemals im Leben ausgeben kann? Wenn alles genossen ist, überall war und alles doppelt hat: Designerkleider, neuste Clubs, exzentrische Partys, spezialgetunte Autos, CityPenthouse, Landsitz, Privatjet… Was mach Der Spruch >Geben …als nehmen< ist in den Evangelien und neutestamentlichen Briefen in der Sache präsent, aber nicht ein zweites Mal wörtlich erwähnt. Deshalb gehen viele Bibelforscher davon aus, dass es sich um einen Prophetenspruch handelt, d.h. um ein Wort, das christliche Propheten z.B. im Gottesdienst als Eingebung des auferstandenen Herrn empfangen haben und das in der Gemeinschaft der Heiligen als authentisch identifiziert und entgegengenommen worden ist. In den ersten beiden Generationen der Kirche wurden unter den Gläubigen neben der heiligen Gottesdienst- und Gebetssprache Hebräisch vor allem Aramäisch, Griechisch und Lateinisch gesprochen. Das griechische Wort >makarios< könnte von daher die Empfangssprache dieses Verses gewesen sein. 3 >makarios<, wenn man alles hat und die Scheunen voll sind ? Da antwortete der Reiche: Du spendest. ´You give to charities`. Wenn man alles mitgenommen und alles durch hat, dann bleibt nur noch eins: Geben. ´You give to charities`. Du gibst, damit andre was damit machen. Du gibst andren Baumaterial, und baust am Leben andrer Menschen mit. Und schaust zu, was sie draus machen. ´Big fun`.4 3. >Glücklicher ist es zu geben als zu nehmen.< Erst wenn wir uns nicht verfolgt fühlen, sehen wir: der Christus spricht keineswegs (nur) über die glamourösen Schaumkronen der Gesellschaft. Er zeigt uns etwas, mitten unter uns. ° Die reiferen5 Menschen sehen es zuerst. >Glücklicher ist es zu geben als zu nehmen.< Wir feiern Geburtstag, oder Weihnachten, und irgendwann rutscht uns der Satz raus: Bitte schenkt mir nichts! Das Leben ist gut zu mir, ich brauche nichts. Ich will nicht in einem Lagerhaus hausen, und horten und stapeln. Selbst etwas zu schenken macht mir mehr Spaß. Wenn Ihr Euch beteiligen wollt, lasst uns schauen, was wir gemeinsam bauen können, ein Projekt hochziehen helfen, wo man sieht, wie es wächst und gedeiht. Sowas macht mich makarios, froh, glücklich. ° >Glücklicher ist es zu geben als zu nehmen.< Ist Ihnen aufgefallen, was es für eine Welle der Hilfsbereitschaft gibt, seit Flüchtlinge in hellen Scharen in die Stadt kommen ? Manches mag ein emotionales Strohfeuer sein, 4 Die Reporter blendeten aus verständlichen Gründen weder den Namen noch die Adresse dieses spendablen Reichen ein. Und die meisten Zuschauer werden zu wenig Einblick in die Hobbykultur des Interviewten gehabt haben um überprüfen können, wieviel Praxis dieser herrlichen Theorie entspricht. Aber diesem einen nahm man es tatsächlich ab. Gerade weil es ohne Ideologie und Altruismus und so entwaffnend vergnügungsorientiert rüber kam. 5 Wie viele Großeltern sind glücklich, wenn sie ihren Enkelkindern die kleinen Extras finanzieren können, die aus einem kargen Studium eine unvergessliche Zeit machen, Großeltern, die es genießen, mit Hin-Gabe am Leben teilzuhaben, das sich da gerade ausprobiert und was traut und erste Flugversuche macht. Und sie sagen sich: Ich bin doch kein Narr. Ich geb lieber mit warmer Hand. Wem wird gehören, was ich für meine Seelenruhe gehortet habe, wenn man kommende Nacht meine Seele ruft?! 2 manches gut gemeint, aber wenig koordiniert. Auch wenn einem schwarz vor Augen wird, wenn man an die Schleuserverbrechen denkt, denen man indirekt hilft: Hier begegnen sich jetzt Menschen, und sie sehen sich an, und dann kickt etwas ein, was nicht von Apellen und Gesetzesvorschriften aufgenötigt werden kann. Und sie sagen: Egal, ich kümmere mich. Und wenn es nur ein einziger Mensch ist, dem ich aufhelfe, ich will es wissen. Wer sich mit Hingabe hineinbegibt, wird von einer Welle des Lebens erfasst. Die ist stärker als bloße Vernunft und Skepsis. >Glücklicher ist es zu geben als zu nehmen.< ° Und es gibt Kirchen, die stehen da wie tot. Da ist nichts mehr, was nach Heiligem Geist schmeckt. Ein hohles Gebäude, verlassen von den Geschäftsmäßigen, die ausgetreten sind nach ihrem Credo: Für sich behalten ist profitabler als mitverantworten. Verlassen den Gläubigen, die nicht mehr glauben, dass Gott hier wohnt. Und dann passierts, eine Handvoll Christen erinnert sich an ihre eigene Taufe. Und sie suchen einander, sammeln sich, bilden eine geistliche Gemeinschaft, beten, planen, und starten mit Hin-Gabe eine neue Gemeinde. Und siehe da, es regt sich Leben! >Glücklicher ist es zu geben als zu nehmen.< Die Wahrheit dieses Satzes bewahrheitet sich, wir können das beobachten. Und beileibe nicht nur in der Welt des Überflusses: In einer Talkshow sonnt sich ein Fernsehbekannter Partylöwe im Rampenlicht, der sein Unternehmen verkaufte und, von Kameras begleitet, nur noch Urlaub macht. Über Eck hatten sie als eine malerische Nonne gesetzt, die sich um obdachlose illegale Einwanderer kümmert. Beugt Mr.Holiday sich vor, legt ihr die Hand aufs Knie und sagt: Wir beide sind uns doch sehr ähnlich. Ich genieße mein Leben, und was Sie machen - so selbstlos ist das doch auch nicht. Geben Sie zu, am Ende macht Ihnen Ihre Arbeit sogar Spaß. – Die Nonne entfernt seine Hand wie Flusen von ihrem Habit und sagt: Na und. Chor : Nunc dimittis. Nun lässt Du, Herr, Deinen Diener in Frieden gehen. Fürbitten Und nun bitten wir Dich, Vater Jesu Christi, Quelle allen Lebens, um Einlass in dieses Wochenende. Mach, dass jeder finde, was er wirklich braucht, und jede entdecke was sie vermisst. Herr, nimm diese Woche von unseren Schultern und senke auf uns herab Dein Erbarmen. ° Wir bitten Dich für alle, die immer noch nicht steinreich sind, obwohl sie sich das schon so oft gewünscht haben. Wir bitten Dich für jene, die nicht sorglos in den Tag hineinleben und keine Scheune brauchen, um ihr bisschen Hab und Gut zu lagern. Wir bitten Dich für die, die sich jeden Tag von neuem durchwurschteln: Lass sie Tage erleben, wo auch sie sich einmal sagen: Hab Ruhe, iss und trink, und sei froh. ° Wir bitten Dich für alle, vom Leben überreich gesegnet sind. Die – ob aus eigener Kraft oder durch glückliche Umstände – mehr mitbekommen haben als sie selber brauchen. Die die Mittel haben, aber nicht wissen was sie auf Erden damit tun sollen. Wir bitten für alle, die Wald vor Bäumen nicht sehen. Herr, sende Du ihnen den zündenden Funken und rufe dem, was nicht ist, dass es sei. ° Wir bitten Dich für die armen Seelen, die in ihren Gütern gefangen sind, .Wir bitten Dich für die Scheunenwärter, eingepfercht in all ihren Dingen, die ihre Sorgen loswürden, wenn sie die Kraft hätten zu entsorgen. Herr, bricht ein in ihre Enge, brich die Tür auf und lass Licht und Wind hinein, und entführe sie in ein Leben das auf sie wartet. ° Wir bitten Dich für alle, die mit Hingabe bei der Sache sind, die übereifrigen frommen Nervtöter, die sich immer in alles hineinsteigern. Wir bitten Dich für die, die sich rasend gern verausgaben. - Beschütze sie vor sich selbst und gib ihnen ein gutes Maß; beschütze vor den Schamlosen, die so etwas ausnutzen. Und lass sie nicht dem Spott verfallen, wenn sie nicht ganze Welt retten. Der HERR segne den Eingang zur Nacht. Das bitten wir durch Jesus Christus, im Heiligen Geiste. Amén. 3