Segnung – Weihe: Zur Theologie und Praxis der Handauflegung

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VII. SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
Zur Theologie und Praxis der Handauflegung
in der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten
Von RolfJ. Pöhler
Die Frage nach der Bedeutung und Handhabung der Einsegnung/Ordination be-
schäftigt in zunehmendem Maße Prediger und andere Gemeindeglieder. Wie vereinbaren sich das allgemeine Priestertum der Gläubigen, die Lehre von den geistlichen
Gaben und die Prinzipien des Gemeindewachstums mit einer Kirchenstruktur, die
die führende Rolle eines professionellen Predigtamtes betont und die meisten leitenden Funktionen Männern vorbehält? Wie schriftgemäß und wie zeitgemäß ist die
adventistische Theologie und Praxis der Einsegnung/Ordination wirklich? Die vorliegende Ausarbeitung geht diesen Fragen nach.
Die Studie beginnt mit einer biblisch-theologischen Untersuchung der Bedeutung
und Praxis der Handauflegung und des begleitenden Segensgebetes. Dabei werden die
verschiedenen Anlässe, die Form und die biblischen Bedeutungsinhalte der Handauf-
legung untersucht. Auf der Grundlage der neutestamentlichen Lehre vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen und von den besonderen Gaben des Geistes wird die
Frage gestellt, welche theologische Bedeutung die Handauflegung insbesondere bei
der Einsegnung/Ordination von Predigern, Ältesten und Diakonen besitzt.
Der Verfasser erkennt in diesem Ritus einen dreifachen Sinn: Er bedeutet erstens
Sendung, d. h. Berufung, Beauftragung und Bevollmächtigung zum besonderen Dienst
sowie dessen Bestätigung durch Gott und die Gemeinde. Er bedeutet zweitens Segnung, d. h. Fürbitte um, Zuspruch von und Ausrüstung mit geistlichen Gaben und
Vollmacht angesichts der übertragenen Aufgaben. Und er bedeutet drittens Weihe,
d. h. Hingabe des Ordinanden an Gott, verbunden mit einem Gelübde und der Verpflichtung zu gewissenhafter Ausübung des übernommenen Dienstes.
In der zweiten Hälfte seiner Untersuchung beleuchtet der Verfasser die Bedeutung
und Praxis der Handauflegung in der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten.
Nach einer Übersicht zur Geschichte der Handauflegung in der Adventgemeinde
werden die Begriffe Ordination, Einsegnung und Weihe auf ihre Verwendbarkeit hin
überprüft. Dabei zeigt sich, daß sie von drei schwerwiegenden Mißverständnissen
bedroht sind: Hierarchische, legalistische und sakramentalistische Denkmuster haben
zu einer Entstellung des biblischen Bedeutungsgehalts von Einsegnung/Ordination
geführt, die es zu korrigieren gilt.
ROLF J. PÖHLER
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Abschließend werden eine Reihe von praktischen Fragen behandelt, die mit der
Einsegnung/Ordination zu tun haben: Wer sollte eingesegnet werden? Welches Verfahren ist bei der Ordination von Predigern zu empfehlen? Was ist bei der Planung
und Durchführung eines Ordinationsgottesdienstes zu beachten? Dabei geht es dem
Verfasser immer wieder darum, die Praxis der Einsegnung/Ordination so zu gestalten
bzw. zu verändern, daß sie die biblisch-theologische Bedeutung der Handauflegung
möglichst unmißverständlich zum Ausdruck bringt.
Die Studie„ Sendung − Segnung − Weihe“ ermutigt zu selbstkritischem Nachden-
ken und zu konkreten Reformen, damit der adventistische Umgang mit der Einsegnung/Ordination der biblischen Intention der Handauflegung möglichst nahekommt. Dies entspricht einem Grundanliegen der Adventgemeinde, die sich als eine
der biblischen Offenbarung verpflichtete Kirche versteht. Nach Ansicht des Verfassers schließt dies eine dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen und der Lehre von
den geistlichen Gaben entsprechende Theologie und Praxis der Einsegnung/Ordination mit ein.
I. Einleitung
Bruder A ist seit zwei Jahren Gemeindeleiter. Anläßlich der Gemeindewahl schlägt
der Ernennungsausschuß ihn zur Einsegnung vor. Doch Bruder A winkt ab.„ Ich
fühle mich noch nicht bereit für diesen Schritt“, erklärt er seinem Prediger B.„ Vielleicht später einmal.“ Seine Gemeinde hat bis heute keinen eingesegneten Ältesten.
Prediger B hat inzwischen fünf Jahre als Praktikant und Prediger gearbeitet. Der
Vereinigungsausschuß beschließt seine Einsegnung. Ein paar Tage vorher besuchen
ihn sein Vorsteher und der Predigtamtssekretär des Verbandes. Nachdem sie wieder
weggefahren sind, sagt Prediger B zu seiner Frau:„ Ehrlich gesagt, ich weiß eigentlich
immer noch nicht, was die Ordination nun wirklich bedeutet. War ich denn bisher
noch kein richtiger Prediger?“ Während der Ordinationsfeier sitzen die Prediger in
feierlichem Schwarz gekleidet auf dem Podium der Kongreßhalle. Beim Gebet bilden
sie einen Kreis um Prediger B und legen ihre Hand auf seinen Kopf oder strecken sie
1
Daß Fragen aus Kindermund den Auslöser für theologische Überlegungen bilden können,
zeigt schon das jüdische Passafest. Warum feiern wir dieses Fest? Was bedeuten seine Handlungen und Riten? Diese Fragen der Kinder geben dem Hausvater die willkommene Gelegenheit, den Teilnehmern Sinn und Bedeutung der Feier zu erklären. (Siehe dazu 2. Mose 1 2,
26. 27; 1 3 , 8 . ) In ähnlicher Weise möchte auch der folgende Aufsatz Antwort geben auf manche ausgesprochenen wie unausgesprochenen Fragen nach dem Sinn und Zweck der Handauflegung bei der Einsegnung/Ordination.
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in seine Richtung aus. Prediger B ist fast nicht mehr zu sehen. Die vierjährige Melanie flüstert leise:„ Papi, was machen die mit dem Onkel da vorne?“„ Pssst! “ antwortet
Bruder A:„ Unser Prediger wird gerade ordiniert.“ Die Kleine fragt zurück:„ Tut das
weh, wenn man ordiniert wird?“
1
Körperliche Schmerzen bereitet eine Einsegnung − wohl kaum. Aber sicher hat
sie schon manchem Kopfzerbrechen bereitet, der sich fragte, was wohl der Akt der
Handauflegung anläßlich der Ordination eines Predigers oder der Einsegnung eines
Ältesten bzw. Diakons eigentlich zu bedeuten habe. Die Frage nach dem Sinn dieser
Handlung ist von besonderer Bedeutung für eine Glaubensgemeinschaft, die die neutestamentliche Lehre vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen vertritt.
Bereits die in diesem Zusammenhang verwendeten Begriffe geben Anlaß zu mögli-
chen Mißverständnissen. Handelt es sich bei der Ordination eines Predigers um die
Einsetzung in einen höheren, geistlichen Stand? Verleiht die Einsegnung kraft der
Handauflegung eine besondere Befähigung zum geistlichen Amt? Erhöht die Weihe
die Würde oder Vollmacht eines Menschen?
Das durch die Theologie des Gemeindewachstums neu ins Blickfeld der Überle-
gungen gerückte Bewußtsein von den geistlichen Gaben hat diese drängenden Fragen
noch verstärkt. Auch die anhaltenden Diskussionen über die Einsegnung von Frauen
zum geistlichen Amt haben deutlich gemacht, wie wichtig eine biblische Theologie
sowie eine darauf gegründete Praxis der Ordination ist.
2
Manche Prediger und andere Gemeindeglieder fragen sich heute, ob das traditio-
2
Die Beschlüsse der Generalkonferenz von 1 975 , 1 98 4, 1 98 9 und 1 990, Frauen die Einsegnung
als Diakone und Älteste zu ermöglichen, ihnen aber die Ordination zum Predigtamt zu verwehren, spiegeln die tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten unter Adventisten in dieser
Frage wider. Darüber hinaus offenbaren sie die innere Widersprüchlichkeit und theologische
Inkonsequenz des status quo, der nolens volens eine qualitative Unterscheidung und damit
eine hierarchische Abgrenzung des Predigtamtes von dem Dienst der Ältesten und Diakone
impliziert.
Aus pragmatischen Gründen ist die gegenwärtige Beschlußlage allerdings als das kleinere Übel
anzusehen im Vergleich zu einer die Einheit der Weltgemeinschaft gefährdenden konsequenten Bejahung bzw. Ablehnung der Ordination von Frauen. Deshalb sollte dem gegenwärtigen
modus vivendi ein Lebensrecht eingeräumt werden. Dies um so mehr, als Predigerinnen nunmehr die Möglichkeit besitzen,„ die Funktionen und Aufgaben eines ordinierten Predigers in
den Gemeinden durchzuführen, für die sie Verantwortung tragen“ (J. Mager,„ Keine Empfehlung für die Ordination der Frau“, Adventecho, Oktober 1 98 9, S. 6. 7; siehe auch Heidemarie
Klingeberg, „ Eine historische Chance verpaßt? “, Adventecho, August 1 990, S. 1 4).
Nach einer Umfrage in den USA befürworten 65 % der adventistischen Prediger und 93 % der
adventistischen Theologen/Dozenten die Einsegnung von Frauen als Gemeindeälteste
„( Pastoral Views on Women in Ministry“, Adventist Review, 4. Juni 1 98 7, S. 1 7 -1 9). 1 98 8 gab
es in den USA bereits etwa 1 000 eingesegnete Frauen-Älteste (Carole L. Kilcher und Ng Gan
Theow,„ Women as Local Church Elders“, Adventist Review, 23 . Februar 1 98 9, S. 1 6). Dagegen gibt es weltweit nur ca. 40 adventistische Predigerinnen, 3 0 davon in Nordamerika.
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nelle adventistische Ordinationsverständnis und die daraus resultierende Praxis der
Einsegnung bereits in voller Übereinstimmung mit den biblischen Aussagen sind
oder ob sie durch letztere korrigiert und vertieft werden sollten.„ Unsere Gemeinschaft sollte grundlegend und neu über ,Ordination‘ und ,Einsegnung‘ nachdenken.
Lehre und Praxis orientieren sich stärker an katholischer Tradition als an der neutestamentlichen Überlieferung.“
3
Für die Adventgemeinde, die sich dem protestantischen sola scriptura Prinzip ver-
pflichtet weiß, besitzt die Übereinstimmung mit der biblischen Offenbarung einen
außerordentlich hohen Stellenwert. Dies bedeutet zwar nicht, daß jede alt- oder neutestamentliche Praxis per se als Norm heutigen Handelns betrachtet werden kann.
4
Wohl aber gilt es, die theologischen Einsichten zu entdecken und zu bewahren, die
die biblische Offenbarung kennzeichnen und die als verbindliche Leitlinien für die
heutige Praxis anzuerkennen sind.
3
4
5
[Reinhard Rupp],„ Thesen zum Thema Frauenordination“, 1 8 . März 1 98 8 . In erstaunlicher
Offenheit bezeichnen führende Vertreter der Gemeinschaft das römisch-katholische Ordinationsverständnis als„ eine verhängnisvolle Fehlentwicklung, deren Folgen wir in unserer Ordinationspraxis noch nicht ganz überwunden haben“. In diesem Sinne äußerte auch Neal C.
Wilson, Präsident der Generalkonferenz bis 1 990,„ daß es notwendig sei, unser Verständnis
und die Praxis der Ordination zu überprüfen“ (J. Mager,„ Keine Empfehlung für die Ordination der Frau“, Adventecho, Oktober 1 98 9, S. 6). William G. Johnsson schrieb über„ the need
to bring our people back to the biblical concepts of ordination and ministry“. Denn„ at times
Adventists have tended to a sacerdotal (priestly) understanding of ordination that derives
from the third-century church rather than from the Scriptures, one that elevates clergy above
laity“ „( Women' s Roles − A Perspective“, Adventist Review, 7. September 1 98 9, S. 4).
Die Vorstellung, die neutestamentliche Gemeindestruktur könne als direkte Vorlage für eine
zeitgemäße Kirchenordnung dienen, scheitert aus mehreren Gründen. Zum einen verraten
die spärlichen Quellen uns recht wenig über die frühchristliche Gemeindeordnung; zum anderen besaß die Urgemeinde offenbar keine einheitliche, sondern eine pluriforme Struktur;
und schließlich lassen sich von Anfang an Veränderungen und Entwicklungen beobachten.
Deshalb ist dem Satz zuzustimmen:„ Das Neue Testament beschreibt nicht eine einheitliche
Amtsstruktur, die als Modell oder bleibende Norm für jedes zukünftige Amt in der Kirche
dienen könnte“ (Taufe, Eucharistie und Amt, Konvergenzerklärungen der Kommission für
Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen. Frankfurt: Otto Lembeck; Paderborn: Bonifatius, 1 98 2, S. 3 6).
Bis heute gibt es von adventistischer Seite − außer einigen wenigen offiziellen Verlautbarungen,
kurzen Zeitschriftenartikeln und unveröffentlichten Aufsätzen − nur zwei Publikationen, die
sich einigermaßen ausführlich mit der Frage der Ordination auseinandergesetzt haben. Es
handelt sich dabei um die 24seitige Beilage der Predigerzeitschrift Ministry vom Februar 1 978
„( A Theology of Ordination: A Seventh-day Adventist Interpretation“ ; darin vor allem der
Artikel von Raoul Dederen,„ A Theology of Ordination“ ) sowie um die kürzlich erschienene
kirchengeschichtliche Studie von V. Norskov Olsen, Myth and Truth about Church, Priesthood and Ordination (Riverside, Calif. : Loma Linda University Press, 1 990), die im Blick auf
das Lima-Papier des Ökumenischen Rates der Kirchen geschrieben wurde (vgl. Fußnote 7).
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Die folgende Studie möchte deshalb das in der Adventgemeinde vorherrschende
Verständnis und die übliche Handhabung der Ordination auf der Grundlage eines
biblisch-theologischen Verständnisses der Handauflegung beleuchten.
5
Sie beginnt
mit einer Untersuchung zur Praxis der Handauflegung im Alten und Neuen Testa6
ment, gefolgt von einer Studie über ihre theologische Bedeutung. Darauf aufbauend
sollen die Bedeutung und die Praxis der Handauflegung in der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten reflektiert und dabei konkrete Anregungen zu verschiedenen
Aspekten der Ordination gegeben werden.
7
II. Die Praxis der Handauflegung im Alten und Neuen Testament
Die in der Antike und besonders auch im Judentum verbreitete Praxis der Handauf8
legung gibt Anlaß zu einer Reihe von Fragen, von denen uns zunächst die folgenden
beschäftigen werden. Bei welchen Anlässen, an wem bzw. für wen wurde die Handauflegung im altisraelitischen und frühchristlichen Kontext praktiziert? In welcher
Form, von und durch wen wurde dieser Ritus ausgeführt?
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7
8
Unsere Fragestellung geht von der beachtenswerten Tatsache aus, daß die Begriffe„ Ordination“ und„ Einsegnung“ in der Bibel nirgendwo vorkommen. Wo von einer Beauftragung
zum geistlichen Dienst oder Amt die Rede ist, findet sich statt dessen häufig der Hinweis auf
den Ritus der„ Handauflegung“.
Diese Ausarbeitung möchte darüber hinaus Fragen aufgreifen, die durch die Konvergenzerklärungen der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der
Kirchen aufgeworfen wurden (Taufe, Eucharistie und Amt). Das sog. Lima-Papier (1 98 2) versteht das„ ordinierte Amt“ als Bezugspunkt für die Einheit (S. 3 1 , 3 3 , 3 7f) und als„ konstitutiv“ (S. 3 1 ) für das Leben und Zeugnis der Kirche.„ Die ordinierten Amtsträger stehen wie
alle Christen sowohl zum Priestertum Christi als auch zum Priestertum der Kirche in Beziehung. Aber sie können zu Recht Priester genannt werden, weil sie einen besonderen priesterlichen Dienst erfüllen“ (S. 3 4). Das ordinierte Amt ist„ selbst ein Charisma“ (S. 41 ), und„ die
geordnete Weitergabe des ordinierten Amtes“ im Sinne einer „ apostolischen Sukzession“
(S. 42 - 44, 48 ) Aufgabe aller Kirchen. Ordination wird als„ eine Aussonderung mit Gebet um
die Gabe des heiligen Geistes“ verstanden (S. 3 3 ), wobei die Handauflegung„ das Zeichen der
Gabe des Geistes“ ist (S. 44).„ Genaugenommen bezeichnet also die Ordination ein Handeln
Gottes und der Gemeinschaft, durch das die Ordinierten durch den Geist für ihre Aufgabe
gestärkt und durch die Anerkennung und Gebete der Gemeinde getragen werden“ (S. 45 ). Im
übrigen befürwortet und empfiehlt das Lima-Papier nachdrücklich die im 2. - 3 . Jahrhundert
entstandene„ dreigliedrige Struktur“ (Bischöfe, Presbyter, Diakone) als Ausdruck und Mittel
der„ Einheit, die wir suchen“ (S. 3 6 - 3 9).
Siehe Johannes Behm, Die Handauflegung im Urchristentum. Nach Verwendung, Herkunft
und Bedeutung in religionsgeschichtlichem Zusammenhang untersucht, Leipzig, 1 91 1 , reprografischer Nachdruck Darmstadt 1 968 ; Eduard Lohse, Die Ordination im Spätjudentum und
im Neuen Testament, Berlin 1 95 1 ; und A. Ehrhardt, „ Jewish and Christian Ordination“,
Journal of Ecclesiastical History 5 (1 95 4), S. 1 25 -1 3 8 .
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1 . Die Anlässe und die Angesprochenen
9
Den biblischen Berichten zufolge wurde die Handauflegung bei recht unterschiedlichen Anlässen praktiziert, die sich in folgende vier Hauptbereiche unterteilen
lassen.
10
a) Die Segnung von Kindern und Erwachsenen
Von den Erzvätern Israels wird berichtet, daß sie ihre Kinder segneten (1 . Mose 27;
49). Aber auch Jugendliche (Rebekka: 1 . Mose 24,60), Eltern (Maria und Joseph: Luk.
2,34) und andere Erwachsene (Abraham: 1 . Mose 1 4,1 8 f; Pharao: 1 . Mose 47,7.1 0;
Hanna und Elkana: 1 . Sam. 2,20; Barsillai: 2. Sam. 1 9,40) wurden gesegnet. Zumindest bei der Segnung von Kindern wurden dabei die Hände auf den Kopf gelegt
(1 . Mose 48 ,1 3− 20).
Als Mütter ihre Kinder
11
zu Jesus brachten,„ damit er sie anrühre“ (Mark. 1 0,1 3),
d. h.„ damit er die Hände auf sie legte und betete“ (Matth. 1 9,1 3), nahm er die Kinder
auf bzw. in seine Arme,„ legte die Hände auf sie [und segnete sie]“ (Mark. 1 0,1 6;
Matt. 1 9,1 5). Der synoptische Textvergleich zeigt, daß diese Handauflegung (tas chei-
ras epitithemi) im Sinne einer Segnung verstanden wurde und mit körperlicher
Berührung sowie einem Fürbitt- bzw. Segensgebet verknüpft war.
b) Die Heilung bzw. Salbung von Kranken
Mehrmals erwähnt der Evangelist Markus, daß Jesus den„ Kranken die Hände auflegte und sie heilte“ (Mark. 6,5; 5,23; 7,32; 8 ,23. 25; vgl. Luk. 4,40). Nach Markus 6,1 3
„ salbten [Jesu Jünger] viele Kranke mit Öl und machten sie gesund“. In der Apostelge9
10
11
Hebräisch: semikhah, von samakh, die Hand aufstützen/aufstemmen, die Hand auf das Opfertier legen (Wilhelm Gesenius, Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte
Testament, 1 7. Aufl. , Berlin 1 962, S. 5 46. 5 47). In der Septuaginta (LXX) wird dieser Begriff
mit epithemi ten cheira bzw. tas cheiras wiedergegeben, demselben Ausdruck, der auch im
Neuen Testament für die Handauflegung verwendet wird.
Das Auflegen bzw. Aufstemmen der Hände auf die geweihten Opfertiere im alttestamentlichen
Kultus (2. Mose 29, 1 0. 1 5 . 1 9; 3 . Mose 1 , 3 . 4; 3 , 2; 4, 4; 8 ,1 4; 1 6, 21 ) kann für unsere Überlegungen weitgehend außer Betracht bleiben, da es uns nur auf den unter Menschen vollzogenen
Ritus ankommt. Bei ersterem dürfte es sich um die symbolische Übertragung der Sünde auf
das Opfertier gehandelt haben. Ähnliches gilt wohl auch für die Handauflegung vor der Steinigung von Gotteslästerern, die jedenfalls keine segnende Geste beinhaltet (3 . Mose 24,
1 4 -1 5 ).
Nach Luk. 1 8 ,1 5 handelte es sich um Neugeborene (griech. ta brephe, wörtl. Leibesfrucht).
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schichte wird davon berichtet, daß Zeichen und Wunder„ durch die Hände der Apostel“ geschahen (5,1 2; 1 4,3; 1 9,1 1 ; vgl. 28 ,8 . 9; siehe auch 9,1 0− 1 9). Man wird deshalb
annehmen dürfen, daß beim Gebet für die Kranken üblicherweise eine Form der
Handauflegung und Segnung erfolgte.
Nach Jakobus 5,1 3− 1 6 sollen die Ältesten der Gemeinde über den Kranken beten
und sie im Namen des Herrn mit Öl salben. Zwar wird die Handauflegung hier nicht
ausdrücklich erwähnt; aber die Salbung impliziert ebenfalls eine Berührung mit den
Händen und ist zudem eng mit einem Fürbittgebet um Besserung und Heilung des
Kranken verbunden.
12
Auch Markus 1 6,1 8 verknüpft den Gestus der Handauflegung
mit der Krankenheilung.
c) Die Erf
üllung mit dem Heiligen Geist
Nach den übereinstimmenden Berichten aller vier Evangelien kündigte bereits Johannes der Täufer an, daß der Messias seine Jünger nicht mit Wasser, sondern„ mit dem
heiligen Geist und mit Feuer“ taufen werde (Matth. 3,1 1 ; Mark. 1 ,8 ; Luk. 3,1 6; Joh.
1 ,32. 3 3). Diese„ Geistestaufe“ geschah in eindrucksvoller Weise zu Pfingsten (Apg. 2).
Sie vollzog sich aber auch später immer wieder, wenn Menschen mit dem Heiligen
Geist erfüllt wurden (Apg. 4,31 ; 1 0,44 ff).
13
Für unser Anliegen ist es von besonderer Bedeutung, daß dreimal in der Apostel-
geschichte die Wasser- bzw. Geistestaufe mit der Praxis der Handauflegung verknüpft
wird. Dabei kann die Handauflegung vor (9,1 7− 1 9; 1 9,5. 6) oder nach (8 ,1 5− 20) der
Wassertaufe erfolgen.
14
Sie ist aber jedesmal ausdrücklich mit dem sichtbaren Emp-
fang der Gabe des Heiligen Geistes verbunden.
15
Wenn Hebräer 6,1 . 2 in einem Atemzug von„ der Lehre vom Taufen, [und] vom
Händeauflegen“ spricht, ist wohl ebenfalls an eine unmittelbare Verbindung zwischen
12
13
14
Mark. 7, 3 2 - 3 5 und 8 , 22 - 25 zeigen, daß das Auflegen der Hände zur Heilung die Berührung
der kranken Körperstellen einschloß. Salben und Öle wurden im Altertum u. a. für hygienische, kosmetische, religiös-kultische, aber auch für medizinische Zwecke − z. B. bei der
Wundbehandlung (Jes. 1 , 6; Luk. 1 0, 3 4) − verwendet. Das Salböl wurde dabei auf den Körper
gegossen bzw. in die Haut eingerieben. Siehe dazu Das große Bibellexikon, hg. von Helmut
Burkhardt u. a. , 3 Bände (Wuppertal 1 98 7 -1 98 9), s.v.„ Salbe“.
Da das Neue Testament nur eine christliche Taufe kennt (Eph. 4, 5 ), die„ aus Wasser und Geist“
vollzogen wird (Joh. 3 , 5 ), kann die„ Geistestaufe“ theologisch nicht von der„ Wassertaufe“
gelöst werden. Beide stellen gewissermaßen die zwei Seiten einer Medaille dar.
„ Taufe und Handauflegung bilden eine Einheit, wie Gebet, Handauflegung und Geistmitteilung nicht zu trennen sind. . . . In welcher Reihenfolge Taufe, Handauflegung, Gebet geschehen
sind, läßt sich nicht exakt bestimmen“ (W. Gäbel,„ Die Handauflegung. Vergessenes Element
im gottesdienstlichen Handeln der Gemeinde? “, unveröffentlichtes Manuskript, 1 977, S. 4).
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Taufe und Handauflegung zu denken.
16
Zumindest für die Gemeinden, an die sich
der Hebräerbrief wendet, ist deshalb von einer feststehenden Praxis der Handauflegung im Zusammenhang mit der Taufhandlung auszugehen.
17
d) Die Beauf
tragung zum Dienst
Nach 4. Mose 27,1 5− 23 legte Mose seine Hände segnend auf Josua und ernannte ihn
damit zu seinem Nachfolger als Führer des Volkes Israel (vgl. 5. Mose 34,9). Zuvor
schon hatten die Israeliten den Leviten die Hände aufgelegt, als diese von Mose und
Aaron zum Dienst am Heiligtum eingesetzt wurden (4. Mose 8 ,1 0. 20).
18
Dagegen
wird bei der Berufung und Beauftragung der 70 Ältesten zwar von einer Geistüber-
tragung durch Gott, nicht jedoch von einer Handauflegung durch Menschen berichtet (4. Mose 1 1 ,1 6− 30).
Daß die Handauflegung und das Segensgebet auch bei der Berufung von Ältesten,
Diakonen und Evangelisten in der Urgemeinde praktiziert wurde, geht verschiedent15
16
17
18
Weil Wassertaufe und Geistestaufe eine Einheit bilden, will die an den zu Taufenden bzw. gerade Getauften unter Gebet vollzogene segnende Handauflegung nicht ein eigenständiger
Akt mit eigener Bedeutung neben dem Tauchbad sein. Vielmehr unterstreicht sie sinnfällig
die Bedeutung der Taufe als Ordination zum Dienst für den Herrn der Gemeinde. Deshalb
sollte sie auch im Rahmen des Taufgottesdienstes vollzogen werden. Bei entsprechender Betrachtungsweise läßt sich auch der Gestus des Handaufhebens über den zu Taufenden während des Taufaktes als ihre„ Einsegnung“ zum geistlichen Dienst deuten. Allerdings wird
diese Symbolhandlung wohl nur selten als„ Ordination“ verstanden und erklärt. Zumindest
sollte dann auch tatsächlich eine Handauflegung erfolgen sowie ihr tieferer Sinn erläutert
werden. Deutlicher jedenfalls vermittelt die Handauflegung während des Segnungsgebetes
unmittelbar vor oder nach dem Taufakt die Bitte um die Erfüllung mit der Kraft und den
Gaben des Heiligen Geistes.
George R. Beasley-Murray macht darauf aufmerksam, daß diese Verse„ drei Paare von Lehrstücken“ (Buße/Glaube, Waschungen/Handauflegung und Auferstehung/Gericht) nennen,
wobei„ kaum ein Zweifel“ bestehe, daß die„ Waschungen“ als„ Handauflegung bei der christlichen Taufe“ zu verstehen seien und daß schließlich diese Koppelung − zumindest in bestimmten Gemeinden − „ zur Regel ohne Ausnahme wurde“ (Die christliche Taufe, Kassel
1 968 , S. 3 1 8 - 3 20). Siehe auch Adventist Bible Commentary (Band 7, S. 43 3 ) zu Heb 6, 2.
In verschiedenen christlichen Kirchen gehört bis heute die Salbung/Ölung oder Handauflegung als Zeichen für den Empfang des Heiligen Geistes zur Tauftheologie und -praxis. Die
Lima-Erklärung (1 98 2) meint zustimmend dazu:„ Die Wiederentdeckung solcher lebendiger
Zeichen könnte sicherlich die Liturgie bereichern“ (S. 1 6, 1 4 -1 7).
Daß nicht Mose oder Aaron, sondern die Israeliten (möglichst vertreten durch die Ältesten des
Volkes) den Leviten die Hände auflegen sollten, wird durch 4. Mose 8 , 1 3 -1 9 indirekt erklärt.
Da die Leviten ihren Dienst„ statt der Erstgeburt aller Israeliten“ ausübten, d. h. anstelle der
einzelnen Stämme und Familien, bedeutete die Handauflegung vonseiten des Volkes − dem
„ Königreich von Priestern“ (2. Mose 1 9, 6) − die Ablösung der eigenen Verpflichtung und
die stellvertretende Beauftragung der Leviten zum kultischen Gottesdienst.
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lich aus dem Neuen Testament hervor. Die Wahl der sieben diakonoi in Jerusalem
(Apg. 6,1 − 6), die Aussendung von Paulus und Barnabas in Antiochien (Apg. 1 3,1 − 3)
sowie die Berufung des Timotheus (1 . Tim. 4,1 4; 5,22; 2. Tim. 1 ,6) sind Beispiele
dafür.
Dabei handelte es sich um Personen, die bereits wichtige Aufgaben in der Ge-
meinde innehatten (Apg. 1 3,1 :„ Propheten und Lehrer“ ) und„ voll heiligen Geistes“
waren (Apg. 6,3 . 5; vgl. 4. Mose 27,1 8 ). Möglicherweise waren sie schon einmal −
nämlich bei ihrer Taufe − durch Handauflegung gesegnet worden. Ihre Berufung zu
einem neuen und besonderen Dienst in der Gemeinde bzw. für die Welt veranlaßte
die urchristliche Gemeinde jedoch dazu, sie (noch einmal?) unter Handauflegung und
Gebet für ihre neuen Aufgaben zu segnen.
19
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Bibel zahlreiche Anlässe kennt, bei
denen eine Handauflegung praktiziert wurde. Sie wurde vor allem bei der Segnung
von Kindern und Erwachsenen, bei der Krankenheilung bzw. -salbung sowie im Zusammenhang mit der Taufe und Ordination von Gläubigen verwendet. An Kindern,
Frauen und Männern vollzogen, unterstützte sie auf sichtbare und spürbare Weise das
sie begleitende Segensgebet.
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2. Die Handlung und die Handelnden
a) Das Auf
legen der Hände
Bei der Handauflegung wurden entweder die rechte Hand (Offb. 1 ,1 7) oder beide
Hände aufgelegt. Im Krankheitsfall konnte auch die kranke Stelle des Körpers
berührt und mit Öl eingerieben werden.
b) Der Segensspruch und das Fürbittgebet
Zur Handauflegung gehört grundsätzlich das Segensgebet, durch das dem Menschen
Gutes von Gott zugesprochen wird.
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Das Gebet bzw. der Segen kann als das die Tat
„ Der Akt der Handauflegung wird im Neuen Testament nirgends als eine die Taufe überhöhende Ergänzung gesehen [Anm. des Autors:„ Vgl. aber 1 . Tim. 4, 1 4; 2. Tim. 1 , 6], sondern als Zurüstungsgeschehen für die Wahrnehmung einer Aufgabe“ (Hans-Martin Barth,
Einander Priester sein. Göttingen 1 990, S. 23 6).
„ Schon die Fülle der Berichte läßt den Schluß zu, daß die Praxis der Handauflegung ein fester
Bestandteil im gottesdienstlichen Leben der Urchristenheit war.“ (W. Gäbel,„ Die Handauflegung. Vergessenes Element im gottesdienstlichen Handeln der Gemeinde? “, unveröffentl.
Manuskript, 1 977, S. 4).
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begleitende und erklärende Wort verstanden werden. Umgekehrt ist die Handaufle-
gung ein äußerer Gestus, der den im Segensgebet zum Ausdruck gebrachten, entscheidenden Zuspruch göttlicher Hilfe veranschaulicht.
22
Im Falle der Ordination ist„ das Gebet um den Geist . . . das eigentliche Agens
[Tun] von menschlicher Seite her, zu dem die Handauflegung nur als begleitendes
Moment hinzutritt“. Letztere„ symbolisiert die Mitteilung der von Gott erbetenen
Geistesgabe, sie ist das Sinnbild der Geistübertragung“.
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c) Die Übertragung von göttlicher Kraf
t
Die Handauflegung ist eine symbolische Handlung, bei der durch das Wirken des
Heiligen Geistes auch wirklich geschieht, was sie sinnfällig vor Augen führt, nämlich
die Weitergabe bzw. der Empfang göttlicher Kräfte und Segnungen. So wurde Josua
„ erfüllt mit dem Geist der Weisheit; denn Mose hatte seine Hände auf ihn gelegt“
(5. Mose 34, 9). Die Gläubigen in Samarien empfingen den Heiligen Geist, nachdem
ihnen segnend die Hände aufgelegt worden waren (Apg. 8 ,1 4− 1 7). Timotheus erhielt
„ durch die Auflegung meiner Hände“− so Paulus − die für seinen Dienst nötige
Gabe (1 . Tim. 4,1 4; 2. Tim. 1 ,6). Jakob erlebte zeit seines Lebens die Wirkung des
Segens, den sein Vater über ihm gesprochen hatte.
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Man hat deshalb die Handauflegung treffend als„ wirksames Symbol (symbolum
efficax)“ bezeichnet.
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Sie ist mehr als nur eine Gleichnishandlung, zumal sie nach
biblischem Verständnis eine Einheit mit dem in Form des Segensgebets wirksamen,
gesprochenen Wort −„ das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen“ (Jak. 5,1 5)
− bildet. Sie ist ein zeichenhaftes Handeln für das wirkliche Handeln Gottes.„ Die
Handauflegung als lediglich äußeres Zeichen, dem keine inhaltliche Bedeutung zukäme, ist im Neuen Testament nicht zu belegen.“
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25
26
Zur biblischen Bedeutung des Segens bzw. Segnens siehe Klaus Schmitz,„ , Segen‘ und , Segnen‘
in der Bibel“, Adventecho, 1 5 . Januar 1 98 0, S. 9. 1 0; 1 . Februar 1 98 0, S. 1 0 -1 2 und 1 5 . Februar
1 98 0, S. 1 0. 1 1 ; und Bernd Kilian,„ Segnen − das Gute von Gott zusprechen“, Adventecho,
April 1 98 9, S. 1 2. 1 3 .
Wort und Tat gehören im biblischen Denken stets untrennbar zusammen. Durch Gottes schöpferisches Wort entsteht die Welt; das Austeilen von Brot und Wein beim Herrenmahl wird
von erklärenden Deuteworten begleitet; der Glaube (Bekenntnis/Wort) ohne Werke (Handeln/Tat) ist tot.
Johannes Behm, Die Handauflegung im Urchristentum, S. 1 91 .
Die synoptischen Evangelien stimmen darin überein, daß das Berühren einer Person göttliche
Kräfte freisetzen bzw. übertragen kann. Siehe Matth. 8 , 3 ; 9,1 8 . 20. 25 ; Mark. 1 , 3 1 . 41 ; 5 , 23 . 27;
8 , 23 - 25 ; Luk. 5 ,1 7; 6,1 9; 7, 7. 1 0; 8 , 44; 1 4, 4.
Behm, Die Handauflegung, S. 1 98 .
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
1 67
d) Menschen, die Gott repräsentieren
Wer führte nach dem biblischen Zeugnis den Ritus der Handauflegung an anderen
durch? Handelte es sich dabei ausschließlich um Apostel oder Älteste, die kraft ihres
Amtes anderen den Segen Gottes zusprachen? Oder konnte jeder Gläubige diese
Handlung vollziehen?
Meist waren es Väter, die ihre eigenen Kinder segneten (Isaak: 1 . Mose 27; Jakob:
1 . Mose 49). Aber auch Geschwister (Rebekkas Brüder: 1 . Mose 24,60) und andere Er-
wachsene − Könige (1 . Mose 1 4,8 .1 9; 2. Sam. 1 9,40), Priester (1 . Sam. 2,20), Patriarchen (1 . Mose 47,7.1 0), Gottesfürchtige (Luk. 2,34) und Jesus selbst (Mark. 1 0,1 6;
Matth. 1 9,1 5) − führten solche Segenshandlungen durch.
27
Die Salbung und Heilung von Kranken wurde offenbar vor allem von den Apo-
steln (Mark. 6,1 3 ; Apg. 5,1 2; 1 4,3; 1 9,1 1 ) und Ältesten (Jak 5,1 3− 1 6), d. h. von den
geistlichen Leitern der Gemeinde(n) durchgeführt. Allerdings läßt sich daraus wohl
keine Ausschließlichkeit ableiten.
Die Handauflegung im Zusammenhang mit der Taufe sowie der Beauftragung
zum Dienst scheint jedoch ein besonderes Vorrecht der Apostel und Ältesten der Ur-
gemeinde gewesen zu sein. Da die Berufung und Beauftragung zum Dienst für Gott
durch die Gemeinde als Ganzes erfolgt, ist es verständlich und naheliegend, daß auch
die damit verbundene Handauflegung üblicherweise von den gewählten bzw. verantwortlichen Leitern der Gemeinde(n) praktiziert wurde.
26
27
28
28
Eduard Lohse, Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament, S. 96.„ Die Handauflegung findet sich also im Neuen Testament zur Übermittlung von Heil- und Segenskräften und zur Verleihung des Geistes. Es wird damit nicht nur eine symbolische Handlung
vollzogen, sondern es handelt sich um ein wirkliches Geschehen, dessen tatsächliche Folgen
nachher an der Gesundheit der Geheilten und an der Geistbegabung derer, denen die Hände
aufgelegt wurden, sichtbar in Erscheinung treten.“ (A. a.O. , S. 71 )
Im Neuen Testament werden alle − geisterfüllten! − Gläubigen aufgefordert, andere zu segnen
(Matth. 5 , 44; Luk. 6, 28 ; Röm. 1 2,1 4; 1 . Petr. 3 , 9). Ein solcher allgemeiner, verbaler Segenszuspruch ist aber wohl von dem besonderen Ritus der Segenshandlung (mit Handauflegung
und Fürbittgebet) zu unterscheiden.
Die Apostel selbst segnen die sieben„ Diakone“ ein (Apg. 6, 6); Petrus und Johannes beten für
die Neugetauften in Samarien (Apg. 8 ,1 4 - 20); die„ Propheten und Lehrer“ in Antiochia senden Paulus und Barnabbas im Namen der ganzen Gemeinde aus (Apg. 1 3 ,1 - 3 ); Paulus legt die
Hände auf die Jünger in Ephesus (Apg. 1 9, 5 - 6); Timotheus wurde von Paulus (2. Tim. 1 , 6)
sowie von den Ältesten der Gemeinde ordiniert (1 . Tim. 4,1 4) − und war seinerseits beauftragt, wiederum andere Älteste einzusegnen (1 . Tim. 5 , 22). Ähnlich hatte schon Mose seinen
Nachfolger Josua„ ordiniert“ (5 . Mose 3 4, 9). Andererseits wird von Hananias, der Paulus segnend, heilend und berufend die Hände auflegt, lediglich gesagt, daß er„ ein Jünger“ war
(Apg. 9,1 0. 1 7).
ROLF J. PÖHLER
1 68
Wer immer diese Handlung im Namen und Auftrag der Gemeinde durchführt,
repräsentiert damit nicht nur den sichtbaren Leib Christi, sondern zugleich den
unsichtbaren Herrn der Gemeinde, der Menschen in die Nachfolge und Jünger in seinen Dienst (be)ruft. Als seine Re-präsent-anten machen die Ordinierenden für andere
die göttliche Berufung und Sendung präsent, d. h. sichtbar und gegenwärtig. In seinem
Namen − d. h. unter Berufung auf Jesus Christus und in dessen Vollmacht − legen sie
denen menschliche Hände auf, auf die Gott selbst seine segnenden Hände gelegt hat.
III. Die theologische Bedeutung der Handauflegung
Mit diesen Überlegungen nähern wir uns bereits der Frage nach dem eigentlichen
Sinn der Handauflegung, besonders im Zusammenhang mit der Taufe sowie bei der
Ordination von Predigern, Ältesten und Diakonen. In der Bibel sind im wesentlichen
drei Bedeutungsebenen erkennbar, die sich in den Leitbegriffen dieser Studie − Sendung, Segnung, Weihe − zusammenfassen lassen.
Um die folgenden Überlegungen jedoch auf ein solides theologisches Fundament
zu stellen, sollen ihnen zunächst einige Bemerkungen über die neutestamentliche
Lehre vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen und von den geistlichen Gaben
vorangestellt werden.
1 . Die Lehre vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen und von den besonderen Gaben des Geistes
29
Die Wiederentdeckung der biblischen Lehre vom allgemeinen Priestertum ist ein entscheidendes Verdienst der protestantischen Reformation des 1 6. Jahrhunderts.
30
Zum
einen wurde der freie und ungehinderte Zugang jedes Gläubigen zu Gott prokla29
30
Eine ausgezeichnete historisch-theologische Studie zu dieser Thematik bietet Hans-Martin
Barth, Einander Priester sein: Allgemeines Priestertum in ökumenischer Perspektive, Kirche
und Konfession Band 29, Göttingen 1 990. Barth behandelt ausführlich die Lehre vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen nach Martin Luther (1 6. Jh. ), das Modell vom„ geistlichen Priestertum“ nach Philipp Jakob Spener (1 7. Jh. ), Johann Hinrich Wicherns Auffassung
vom„ Beruf der Nichtgeistlichen“ (1 9. Jh. ), das römisch-katholische Verständnis vom„ Laienapostolat“, das lateinamerikanische Konzept der„ Basisgemeinden“ (20. Jh. ) und die orthodoxe Sicht vom gemeinsamen königlichen Priestertum. Darauf aufbauend entwickelt Barth
seinen eigenen Entwurf einer Theorie des allgemeinen, gegenseitigen und gemeinsamen Priestertums der Gläubigen.
Die Autorität der Heiligen Schrift gegenüber der kirchlichen Tradition (sola scriptura), die
Vorrangstellung des Glaubens gegenüber den Werken (sola fide) und die Vollmacht der Gemeinde gegenüber dem Machtanspruch von Priestern, Bischöfen und Päpsten (sacerdotium
1 69
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
miert, ohne daß es dazu eines menschlichen Vermittlers bedürfe. Zum anderen wurde
jeder Christ zum Priester erklärt, der prinzipiell zur Durchführung aller gottesdienst-
lichen Aufgaben − einschließlich der Predigt, Fürbitte, Beichte, Schlüsselgewalt und
Austeilung der Sakramente − bevollmächtigt sei.
31
Im Gegensatz zum römisch-katho-
lischen Ordinationsverständnis sah Luther nämlich in der Taufe den Akt, durch den
alle Christen zu Priestern geweiht und in den geistlichen Stand versetzt werden.
32
Da-
mit war die dem Evangelium zuwiderlaufende Trennung zwischen den„ Laien“ und
den„ Klerikern“ in ihrem Kern aufgehoben,
33
das hierarchische Priesteramt überflüs-
sig, die Würde jedes einzelnen Gläubigen wiederhergestellt.
34
Nach 1 . Petrus 2,5− 1 0 bildet die Gemeinde in ihrer Gesamtheit eine königliche
31
32
33
34
omnium) − dies sind die drei bahnbrechenden, ja revolutionären Einsichten, auf denen die
Reformation beruhte.
Luther räumte in diesem Zusammenhang der Gemeinde ausdrücklich auch das Recht ein, ihre
eigenen Prediger auszuwählen, sie ein- und abzusetzen sowie ihre Verkündigung anhand des
Evangeliums zu beurteilen. Damit unterstellte er das ordinierte Predigtamt dem allgemeinen
Priestertum der Gläubigen, von dem es abgeleitet war und demgegenüber es stets verantwortlich blieb. Deshalb war für Luther die Ausübung des pastoralen Dienstes zugleich auch von
der Berufung und Beauftragung durch die Gemeinde abhängig.
Siehe dazu Klaus-Peter Jörns,„ Das ,ordinierte Amt‘ als Problem des Gemeindeaufbaus“, Zeichen der Zeit, November 1 98 6, S. 268 - 269. Für eine ausführliche Untersuchung der Position
Luthers siehe Hellmut Lieberg, Amt und Ordination bei Luther und Melanchthon, Berlin
1 962. Lieberg hält denen, die einen Widerspruch zwischen dem älteren und dem jungen Luther in dieser Frage zu erkennen meinen, die Situationsbedingtheit der Äußerungen des Reformators entgegen. Betonte der frühe Luther im Streit mit der römisch-katholischen Kirche
mit Nachdruck das Priestertum aller Gläubigen, so trat der ältere Luther in der Auseinandersetzung mit den Schwärmern ebenso nachhaltig für das geistliche Amt als einer göttlichen
Stiftung ein. Luthers Zweifrontenkampf, und nicht die Revidierung (oder gar der Verrat an)
seiner ursprünglichen Position, erklärt nach Lieberg die Zweipoligkeit der Amtslehre des Reformators (a. a.O. , S. 23 5 - 242).
Der Begriff Laie (griech. laikos) bezeichnete ursprünglich die Masse der Ungebildeten. Das
Neue Testament verwendet diesen Ausdruck an keiner Stelle. In seinem späteren kirchlichen
Sinn taucht er erstmals im dritten Jahrhundert in der christlichen Literatur auf, als sich die
dreifache Hierarchie von Bischöfen, Priestern und Diakonen herauszubilden begann. Andererseits wird der Begriff kleros (Los, Anteil) in 1 . Petr. 5 , 3 als Bezeichnung für die Gemeinde
als das den Ältesten anvertraute (Erb-)Teil verwendet. Im Mittelalter dagegen wurden die
Laien zuweilen als„ Vieh“ bezeichnet; Priester- und Laiengräber mußten bis 1 98 3 (! ) getrennt
voneinander angelegt werden (Barth, S. 1 04, Fußnote 2).
Nach Auffassung der Reformatoren war die Existenz der Kirche vor allem von der evangeliumsgemäßen Predigt und dem schriftgemäßen Gebrauch der Sakramente (Taufe, Abendmahl) abhängig. Diese Funktionen aber wurden recht bald (außer in Notfällen) den ordinierten Pastoren übertragen; für die Gemeinde blieb keine wichtige Aufgabe mehr übrig.
Paradoxerweise hat deshalb bis heute die Lehre vom Priestertum der Gläubigen„ trotz aller
gelegentlich damit verbundenen Rhetorik in den evangelischen Kirchen noch immer keine
rechte Heimat gefunden“ (Barth, S. 1 4). Ja,„ sie hatte nicht einmal in ihrer Entstehungszeit
die Gelegenheit, ihre kirchenbildende Kraft voll zu erweisen“ (a. a.O. , S. 1 6).
1 70
ROLF J. PÖHLER
Priesterschaft, in der alle Glieder − anläßlich ihrer Taufe
35
− dazu berufen sind, an
der Rolle Jesu als König und Priester (vgl. Offb. 1 ,6; 5,1 0; 20,6) sowie als Prophet und
Zeuge Gottes (vgl. Offb. 1 ,5; 1 2, 7; 1 9,1 0) persönlich Anteil zu haben.
36
Daher gilt
Gottes Berufung allen Gläubigen in gleicher Weise, ganz unabhängig von Herkunft,
Geschlecht oder Stand (1 . Kor. 1 2,1 1 ; Gal 3,28 ). Taufe und Handauflegung − im
Sinne der Beauftragung und Segnung zum Dienst für Gemeinde und Welt − sind deshalb das Vorrecht jedes einzelnen Gläubigen.
37
Entscheidende Voraussetzung für dieses„ Werk des Dienstes“ (Eph. 4,1 2) bzw. für
35
36
37
38
Andererseits,„ if the emphasis had then be placed not so exclusively on preaching and the
sacraments but on witness and service in and to the world as marks of the true church, the
laity could have found their place of priesthood“ (Georgia Harkness, The Church and Its
Laity [New York 1 962], S. 71 ; zitiert in Olsen, S. 1 06). Das allgemeine Priestertum − die
„ vergessene Einsicht der Reformation“ (Barth, S. 1 5 ) − benötigt deshalb zu seiner Wiedergewinnung ein Kirchenverständnis, das die Rolle der„ Laien“ nicht auf das Hören des Wortes
und den Empfang der Sakramente reduziert, sondern − ganz im Sinne Luthers − ihre Berufung zum gegenseitigen Priesterdienst wie auch zum priesterlichen Dienst und Zeugnis in der
Welt als kirchenkonstituierend betrachtet. Nur eine wirklich missionarisch-diakonische Kirche wird sich von den starren Strukturen einer Amts- und Pastorenkirche befreien und eine
echte christliche„ Laienbewegung“ werden können.
„ Das allgemeine Priestertum aller Gläubigen wird hier also aus der Taufe abgeleitet, ein absolut
selbstverständlicher Sachverhalt, wenn man Charisma als Individuation der Charis, [als] unsern Anteil am Pneuma und als Konkretion unserer Berufung verstehen muß.“ (Ernst Käsemann,„ Amt und Gemeinde im Neuen Testament“, Exegetische Versuche und Besinnungen,
Göttingen 1 960, Band 1 , S. 1 23 )
„ Nach neutestamentlichem Verständnis bildet die Gemeinde Jesu eine , königliche Priesterschaft‘ (1 . Petr. 2, 9), in der jeder unmittelbaren Zugang zum Thron Gottes im himmlischen
Heiligtum besitzt (Hebr. 4, 1 6). Deshalb benötigt die irdische Gemeinde auch keine besonders geweihten Priester, um den Gottesdienst durchzuführen oder die Eucharistie (1 . Kor.
1 0,1 6) zu feiern. Jedes getaufte Glied am Leib Christi ist prinzipiell dazu berechtigt.“ (Rolf J.
Pöhler,„ Wer leitet die Abendmahlsfeier? “ Abendmahl und Fußwaschung, Studien zur adventistischen Ekklesiologie Band 1 , hg. Biblisches Forschungskomitee der Euro-Afrika-Division,
Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten, Hamburg 1 991 , S. 248 f)
So gesehen ist jeder Christ ein Amts- oder Verantwortungsträger. Es ist deshalb irreführend,
wenn Begriffe wie„ Verantwortungsträger“ oder„ Geistliche“ nur auf diejenigen angewendet
werden, die eine Ordination zur geistlichen Leiterschaft erlebt haben. Das sacerdotium omnium läßt eine solche Eingrenzung nicht zu.„ , Amtsträger‘ sind darum hier alle Getauften,
die mit ihrem Charisma ja alle in Verantwortung stehen. . . . [Darum] kann sich nach göttlichem Recht kein Christ selber davon entbinden oder durch andere davon entbinden lassen,
Amtsträger Christi und seines Leibes mit seinem Wort und seinem Handeln zu sein.“ (Käsemann,„ Amt und Gemeinde im Neuen Testament“, Band 1 , S. 1 23 -1 24).
Nach neutestamentlichem Verständnis erfolgt die Beauftragung immer zu einem bestimmten
Dienst, aber nicht in jedem Fall zu einem besonderen Amt in der Gemeinde. Luther übersetzte diakonia häufig mit„ Amt“ statt mit Dienst. Dieser Terminus ist heute eher irreführend, da er leicht im Sinne des Amtsdenkens und Beamtentums (miß)verstanden werden
kann. Zwar gehört zu jedem − politischen wie kirchlichen − Amt ein bestimmter Dienst,
aber umgekehrt setzt nicht jeder ehrenamtliche Dienst (diakonia) eine offizielle Beauftragung
im Sinne der Übertragung von Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen voraus.
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
die Ausübung der verschiedenen Ämter und Dienste (diakoniai) in der Gemeinde
1 71
38
ist
der Empfang bestimmter Gnadengaben (charismata), die sich ihrerseits in unterschiedlichen Kraftwirkungen (energemata) erweisen (1 . Kor. 1 2,4− 6). Jeder Gläubige
ist geistbegabt (1 . Kor. 1 2,7− 1 1 ) und in diesem Sinne ein„ Charismatiker“. Denn die
göttliche Gnade (charis), die bereits in Sündenvergebung und Gotteskindschaft wirksam ist, nimmt in den Gnadengaben (charismata) des erhöhten Christus konkrete, individuelle Gestalt an (Eph. 4,7− 1 2).
39
Der Einsatz dieser vielfältigen Gaben in den
verschiedenen Dienstbereichen der ekklesia (Zeugnis, Evangelisation, Seelsorge, Gottesdienst, Verwaltung usw. ) macht den gemeinsamen und gegenseitigen Dienst des
Leibes Christi aus.
Dabei läßt die paulinische Charismenlehre durchaus den Schluß zu, daß es in der
Gemeinde unter den vielfältigen Kraftwirkungen auch spezielle leitende Dienste gibt,
die teils funktional als geistgewirkte Tätigkeiten, teils aber auch offiziell als Ämter zu
verstehen sind.
40
Zwar verwahrt sich Paulus mit Hilfe seiner Leib-Christi-Analogie
scharf gegen jegliche Überbetonung bzw. Abwertung angeblich„ geringerer“ bzw.
„ höherer“ Dienste (1 . Kor. 1 2,1 2− 31 ). Gleichzeitig jedoch ist kaum zu übersehen,
daß seine Gabenkataloge trotz aller Abweichungen, die eine Systematisierung unmöglich machen, ein gewisses Gefälle aufweisen.
41
Schon von daher erscheint der Ab-
stand zu den Pastoralbriefen (Timotheus, Titus) mit ihrer der Synagoge entlehnten
39
40
41
42
1 . Petr. 4,1 0 -1 1 unterscheidet zwei Arten von Begabungen und Diensten in der Gemeinde, in
denen sich die„ mancherlei Gnade Gottes“ bündelt: Gaben des Wortes „( wenn jemand predigt, daß er' s rede . . .“ ) und Gaben der Tat „( wenn jemand dient, daß er' s tue . . .“ ). Diese beiden Kategorien haben ihre Entsprechung in der Unterscheidung zwischen Wort und Werk,
zwischen theologischem und pragmatischem Denken. Beides ist in der Gemeinde vonnöten
− und durch das jeweils andere ergänzungsbedürftig.
In Röm. 1 2, 6 - 8 , 1 . Kor. 1 2, 8 -1 0. 28 - 3 0 und Eph. 4,1 1 wird eher an Funktionen zu denken sein,
während die Pastoralbriefe ein offizielles Ältesten- und Diakonamt sowie den apostolischen
Gesandten beschreiben (1 . Tim. 3 ,1 -1 3 ; 4, 6 -1 6; 5 ,1 7 - 22; Tit. 1 , 5 - 9). Zur Frage nach dem Verhältnis von Gemeindeämtern und Geistesgaben in den Paulusbriefen siehe Rolf J. Pöhler,
„ Laity and Ordained Ministry in the Pauline Writings“, unveröffentl. Manuskript, Andrews
University, Berrien Springs, Michigan, 1 976.
Vgl. 1 . Kor. 1 2, 28 (Apostel, Propheten, Lehrer usw. ) mit Eph. 4, 1 1 (Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten-Lehrer).
„ Gleichzeitig legen die Apostel Wert auf die Feststellung, daß die Gaben − und damit die Aufgaben − in der Gemeinde unterschiedlich verteilt sind (1 . Kor. 1 2). Dabei kommt den Aposteln, Propheten, Evangelisten sowie den Hirten-Lehrern eine besondere Verantwortung beim
Aufbau der Gemeinde zu (Eph. 4,1 1 -1 2). Mit den„ Hirten-Lehrern“ sind in erster Linie die
„ Ältesten“ (presbyteroi) bzw.„ Bischöfe“ (episkopoi) gemeint, die die Leitung der örtlichen
Gemeinden innehaben und sie durch Seelsorge, Lehre und Verkündigung führen sollen (Apg.
20, 28 ; 1 . Tim. 3 , 2 - 5 ; 5 ,1 7; Tit. 1 , 9; 1 . Petr. 5 ,1 - 4).“ (Rolf J. Pöhler,„ Wer leitet die Abendmahlsfeier? “ Abendmahl und Fußwaschung, S. 249)
ROLF J. PÖHLER
1 72
organisierten Gemeindestruktur (Apostel, Älteste, Diakone) geringer, als oft vermutet
wird.
42
Einen scharfen Gegensatz zwischen Charisma und Amt, Geistesleitung und
Organisation, Dienst und Autorität kennt das Neue Testament jedenfalls nicht.
43
Wie ist nun aber das Verhältnis zwischen der allgemeinen Sendung und Segnung
zum Priesterdienst bei der Taufe und der besonderen Sendung und Segnung für das
geistliche Amt zu denken? Wie bereits erwähnt, setzt die Beauftragung zu einem be-
sonderen Dienst die Berufung zur Jüngerschaft sowie die Ordination zum allgemeinen Priesterdienst der Gläubigen in jedem Fall voraus.
44
Obwohl alle Gläubigen in diesem Sinn bereits ordiniert sind, werden dennoch
manche von ihnen ein zweitesmal eingesegnet. Dies geschieht, weil sie besondere Aufgaben und zusätzliche Verantwortung übernehmen, für deren Ausübung die Gemeinde um den besonderen Segen Gottes und die Befähigung durch den Heiligen
Geist bittet. Gleichzeitig erkennt die Gemeinde in der besonderen Sendung einzelner
Glieder ihre eigene Berufung wieder. Dabei steht ein Teil (der Prediger, Älteste oder
Diakon) für das Ganze − pars pro toto. Deshalb ist im Segensgebet der ganze Leib
Christi eingeschlossen, und in der Weihe der Ordinanden erneuert die anwesende
Gemeinde ihr eigenes Gelübde.
45
Diese Sicht der Einsegnung ist u. a. für das Verständnis von Markus 3, 1 3− 1 9 par.
von Bedeutung. Die dort geschilderte Berufung und Aussendung der zwölf Jünger
steht nämlich dann stellvertretend für die Sendung und Bevollmächtigung des ganzen
Gottesvolkes − nicht nur seiner Prediger, Evangelisten und Bibelarbeiter.
46
Sonst wäre
ja auch der Missionsauftrag (Matth. 28 ,1 8− 20; vgl. Mark. 1 6,1 5− 1 8 ) auf den Kreis der
ersten Apostel begrenzt. Das Prinzip pars pro toto erlaubt jedoch die Übertragung
und Anwendung der Worte Jesu auf die gesamte ekklesia.
43
44
45
Siehe dazu auch die gründliche Untersuchung von Ulrich Brockhaus, Charisma und Amt. Die
paulinische Charismenlehre auf dem Hintergrund der frühchristlichen Gemeindefunktionen, Wuppertal 1 972. Darin kommt der Verfasser zu dem Ergebnis,„ daß es dauernde, anerkannte Gemeindefunktionen mit festen Funktionsträgern, mit führender Stellung und z. T.
bereits mit festen Amtsbezeichnungen in verschiedenen paulinischen Gemeinden, und zwar
− soweit wir sehen können − von Anfang an, gab. Wir können daher durchaus schon von
, Ämtern‘ im Sinne der oben gegebenen Charakterisierung sprechen, wenn auch von noch
nicht voll ausgebildeten und noch nicht rechtlich legitimierten Ämtern“ (S. 1 26).
„ The phrase baptism as ordination . . . implies that baptism is the fundamental call to Christian
priesthood and that all subsequent summons to priestly activity are dependent upon this primary call.“ (Rex D. Edwards,„ Baptism as ordination“, Ministry, August 1 98 3 , S. 6)
Dieses Prinzip läßt sich in ähnlicher Weise auch beim Verhältnis von Sabbat und Alltag sowie
von Zehnten und Einkommen beobachten. Auch hier dient die Heiligung (Aussonderung)
eines bestimmten Anteils (1 /7 der Zeit, 1 /1 0 des Besitzzuwachses) dazu, das Bewußtsein
dafür zu erhalten und zu vertiefen, daß Gott der Herr über alles (einschließlich von Zeit und
Geld/Besitz) sein will.
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
1 73
Sowohl die allgemeine Ordination zum gemeinsamen Priestertum der Gläubigen,
die jedem Nachfolger Jesu gilt, als auch die besondere Einsegnung von Predigern,
Ältesten und Diakonen anläßlich ihrer besonderen Beauftragung zum Missions- und
Gemeindedienst besitzen einen dreifachen Bedeutungsrahmen, der sich in den Begriffen„ Sendung − Segnung − Weihe“ zusammenfassen läßt und der im folgenden näher
untersucht und erläutert werden soll.
2. MISSIO: Die Sendung
Die Handauflegung
47
setzt die Berufung und Erwählung eines Menschen durch Gott
voraus. Die Gemeinde handelt im Namen Gottes − d. h. stellvertretend für ihn − ,
wenn sie Männer und Frauen zum geistlichen Dienst für die Gemeinde und die Welt
einsegnet und aussendet. Diese Sendung beinhaltet die folgenden vier Aspekte.
a) Beruf
ung
Der Ruf in die Nachfolge ist zugleich die Berufung (lat. vocatio) zum Dienst für
Gott. Jünger Jesu verstehen sich deshalb stets als Diener und Knechte ihres Herrn.
48
Was sie tun, geschieht aufgrund eines göttlichen Rufes, den sie bejahend beantwortet
haben. Erkennt nun die Gemeinde, daß Gott Männer und Frauen aus ihrer Mitte zu
einem besonderen Dienst berufen hat, dann bringt sie dies in der Einsegnung sichtbar
zum Ausdruck. Die Berufung zum Prediger, Ältesten oder Diakon erfolgt zwar äußerlich durch die Gemeinde; sie geschieht aber letztlich in Anerkennung der göttlichen Berufung und Beauftragung.
46
47
48
Ellen White deutete die Berufung und Aussendung der zwölf Apostel durch Jesus (Mark.
3 ,1 3 -1 5 par. ) im Sinne einer formalen Ordination (The Desire of Ages, Mountain View 1 8 98 ,
S. 290, 296). Sie folgt damit dem Text der King James Bible, die an dieser und einigen anderen
Stellen das griechische Wort epoíesen (wörtl.„ er machte“ ) mit ordain wiedergab, was„ einsetzen“, aber auch„ einsegnen“ bedeuten kann. Neuere Übersetzungen verwenden richtigerweise
den Begriff appoint (einsetzen). Dies schließt jedoch nicht aus, daß Jesus in Anlehnung an jüdische Gewohnheiten seine Jünger bei dieser Gelegenheit tatsächlich durch Handauflegung
einsegnete.
Mit diesem Begriff ist im folgenden speziell die Einsegnung von Gläubigen zum Dienst − ob
bei der Taufe oder in einem späteren Ordinationsgottesdienst − gemeint. Andere Bedeutungen (Kindersegnung, Krankensalbung usw. ) bleiben angesichts unseres speziellen Anliegens
weitgehend außer Betracht.
Siehe u. a. Matth. 1 0, 24; 24, 45 ff; 25 ,1 4 ff; Luk. 1 7, 7 -1 0; Joh. 1 3 ,1 6; Apg. 4, 29; Röm. 1 ,1 ; Phil.
1 ,1 ; Offb. 1 ,1 ; 22, 3 .
ROLF J. PÖHLER
1 74
b) Beauf
tragung/Bevollmächtigung
Wer zum Dienst berufen wird, erhält einen Dienstauftrag. Diese öffentliche Beauftragung (lat. commissio) erfolgt, indem bestimmte Aufgaben und Verantwortlichkeiten
an die Ordinanden übertragen werden. Auch diese Bestellung zum Dienst geschieht
zwar äußerlich durch die Gemeinde, im Grunde genommen aber durch den Herrn
der Gemeinde selbst.
Wer anderen Aufgaben und Verantwortung überträgt, muß sie auch mit den dazu-
gehörigen Kompetenzen und Vollmachten ausstatten. Dies schließt alle Rechte und
Pflichten ein, die mit der Ausübung eines bestimmten Amtes oder Dienstes verbunden sind.
49
Deshalb gehört zur Einsegnung auch die Bevollmächtigung, d. h. die Auto-
risierung und Legitimierung zum Dienst als Prediger(in), Älteste(r) oder Diakon(in).
c) Bestätigung
Mit der Ordination anerkennt und bestätigt die Gemeinde, daß sie jemanden zu einem bestimmten Dienst von Gott berufen und beauftragt weiß und ihn/sie ihrerseits
mit den dazu nötigen Rechten und Vollmachten ausgestattet hat. In diesem Sinne
stellt die Ordination zugleich die offizielle Bestätigung (lat. confirmatio) der Beauftragung sowie die öffentliche Einführung (lat. inductio/introductio) in das geistliche
Amt dar.
Die Erfüllung mit dem Heiligen Geist und der Empfang der Geistesgaben sind die
gottgewirkte, zeichenhafte Bestätigung der Berufung, Beauftragung und Bevollmächtigung eines Menschen durch Gott. Diese sichtbaren Zeichen wecken und festigen den
Glauben an den Herrn der Welt, der sein Werk auf dieser Erde durch seine Diener
und Boten wirksam vorantreibt. Die Ordinierten können fortan die Gemeinschaft
der Gläubigen bei verschiedenen Anlässen öffentlich vertreten − und bleiben gleichzeitig ihr gegenüber verantwortlich. Mehr noch, als von Gott Beauftragte sind sie
zuallererst ihrem göttlichen Auftraggeber gegenüber in der Pflicht.
49
In diesem Zusammenhang ist auch die Vollmacht des Bindens und Lösens zu verstehen, die
Jesus seinen Jüngern und damit allen seinen Nachfolgern übertrug (Matth. 1 6,1 8 . 1 9;
1 8 ,1 5 - 20; Joh. 20, 21 - 23 ). Eine alttestamentliche Parallele dazu ist die bereits erwähnte öffentliche Amtseinführung Josuas. Mose wird aufgefordert, seinem Nachfolger an seiner„ Hoheit“
Anteil zu geben.„ The word translated , honour‘ is often used of royal majesty and authority.
Moses was to begin immediately to place some of his own responsibility and authority upon
Joshua.“ (ABC Band 1 , S. 923 )
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
1 75
3 . BENEDICTIO: Die Segnung
Wie die (Aus)Sendung, so ist auch die (Ein)Segnung sowohl das Werk Gottes als auch
eine Handlung der ekklesia. Auch hier macht die Gemeinde durch die Handauflegung zeichenhaft deutlich, daß Gott selbst der eigentlich Segnende und Handelnde
ist. Die Handauflegung ist darum unmittelbar verbunden mit dem Segnungsgebet, in
dem Dank und Fürbitte zum Ausdruck kommen, das aber auch den direkten
Zuspruch der göttlichen Hilfe und Kraft enthält.
Einerseits setzt die Einsegnung Geisterfüllung, geistliche Begabung und Bewäh-
rung im Glauben und Dienen voraus (4. Mose 27,1 8 ; Apg. 6,3 . 5; 1 3,1 ; 1 . Tim. 5,22).
Wer leitende Aufgaben übernehmen soll, muß sich anderweitig bereits bewährt haben. Andererseits bedeutet die Handauflegung aber auch die zusätzliche Ausrüstung,
Begabung und Befähigung zur Erfüllung der neu übertragenen Aufgaben und Dienste
(5. Mose 34,9; 1 . Tim. 4,1 4; 2. Tim. 1 ,6).
Die Einsegnung kann deshalb sowohl als Bestätigung bereits vorhandener Gaben
als auch als Ausrüstung mit neuen geistlichen Gaben (charismata) und Kräften (energemata) verstanden werden (1 . Kor 1 2,1 ff). Sie wirkt zwar nicht aus sich selbst heraus
(ex opere operato), ist aber auch keine wirkungslose Gleichnishandlung. Vielmehr
geht von ihr eine Kraft aus, die geglaubt und erfahren wird.
50
In diesem Sinne besitzt die Segnung bzw. Einsegnung zum geistlichen Dienst eine
dreifache Bedeutung:
a) Fürbitte
Das Segensgebet bei der Ordination enthält im Kern die Bitte um den Segen Gottes
für die Ordinanden. Aus dem Bewußtsein heraus, daß Gott selbst seine Diener beruft
und bevollmächtigt, legt die Gemeinde ihnen die Hände auf und bittet den Herrn, sie
zu segnen und mit göttlicher Kraft auszurüsten.
b) Zuspruch
Nur Gott selbst kann segnen, d. h. aus seiner Fülle einem Menschen das für ihn Beste
geben. Weil aber Gott seinen Segen zugesagt hat, darf die Gemeinde in gottgegebener
50
Die unmittelbaren Auswirkungen segnend erhobener Hände erlebte Mose bei seiner Fürbitte
für das gegen die Amalekiter kämpfende israelitische Heer (2. Mose 1 7, 8 -1 6). Vgl. Fußnote 24.
ROLF J. PÖHLER
1 76
Vollmacht anderen den verheißenen Segen Gottes zusprechen. Aus diesem Grund ist
das Segensgebet mehr als eine Bitte zu Gott; es ist zugleich ein tröstendes, mutmachendes, stärkendes Wort an den Menschen, der sich der göttlichen Hilfe und Kraft
gewiß sein darf.
51
c) Ausrüstung
Die Segnung eines Menschen anläßlich seiner Berufung, Beauftragung und Bevollmächtigung zum Dienst hat vor allem seine Ausrüstung mit göttlicher Kraft und
Vollmacht zum Anliegen. Wer eine verantwortungsvolle Aufgabe oder ein Amt über-
nimmt, benötigt dazu bestimmte Gaben und Fähigkeiten. Diese Charismen aber werden vom Herrn der Gemeinde denen in reichem Maße verliehen, die aus dem
Bewußtsein ihres Mangels heraus vertrauensvoll darum bitten.
52
Das Segensgebet gehört deshalb wesensmäßig zur Amtseinführung (Ordination) eines
Predigers, Ältesten oder Diakons und bildet − zusammen mit der Sendung und der
Weihe − ihren eigentlichen Höhepunkt.
4. CONSECRATIO: Die Weihe
Weihe ist die Hingabe des Gläubigen an seinen Herrn. In ihr gibt sich der Mensch
ganz an Gott hin, der ihm mit Christus alles geschenkt hat (Röm. 8 ,32). Weihe stellt
also die Antwort auf das errettende und in die Nachfolge rufende Wort Christi dar.
„ Alles will ich Jesus weihen, alles soll sein eigen sein.“
a) Hingabe
Weihe und Hingabe erfolgen bei jeder Berufung zum Dienst für Gott. Während im
Alten Bund vor allem Priester, Könige und Propheten sowie Nasiräer ausgesondert
und durch Salbung mit Öl für Gott und seinen Dienst geweiht wurden,
51
52
53
53
ist im Neu-
„ Beim Segnen bitten wir nicht um Segen, sondern sprechen ihn dem Menschen zu. Im Segen
verkündigen wir den unbedingten und unveränderbaren Willen eines guten Gottes an den
ihm zugewandten Menschen. Segen ist deshalb nie magisch, sondern immer evangelistisch! “
(Bernd Kilian,„ Segnen − das Gute von Gott zusprechen“, Adventecho, April 1 98 9, S. 1 2).
Vgl. Fußnote 21 .
Eph. 4, 7. 8 ; 1 . Tim. 4,1 4; vgl. Jak. 1 , 5 - 7; 1 . Kor. 1 2, 3 1 .
2. Mose 28 , 41 ; Kap. 29 und 3 0; 40,1 2 -1 5 (Priesterweihe Aarons und seiner Söhne); 1 . Sam. 9,1 5
bis 1 0,1 ; 1 6,1 -1 3 (Salbung von Saul und David); 1 . Kön. 1 9,1 5 . 1 6 (Salbung Elisas); vgl. Jes.
61 ,1 . Siehe dazu Das große Bibellexikon, s.v.„ Salbe“ und„ Nasiräer“.
1 77
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
en Bund − aufgrund des allgemeinen Priestertums − jeder Gläubige ein Gottgeweihter und Geistgesalbter (2. Kor. 1 ,21 . 22; 1 . Joh. 2,20. 27). So sind die gerechtfertigten
Sünder zugleich„ berufene Heilige“ (Röm. 1 ,7). Die Taufe stellt deshalb nicht nur ein
Symbol der Errettung von Sünde dar, sondern ist zugleich ein Zeichen der völligen
Hingabe an Christus (Röm. 6; 1 2,1 ).
Was für die allgemeine Berufung der Gläubigen gilt, hat ebenso Bedeutung für die
besondere Beauftragung zum geistlichen Dienst. Auch hier wird ein Mensch ausgesondert (geheiligt) und beschenkt (begabt); auch hier stellt er sich Gott − im Wissen
um dessen konkreten Ruf − uneingeschränkt zur Verfügung.
b) Gelübde
Diese Antwort auf Gottes Ruf wird hörbar in dem Gelübde, das die Bereitschaft und
Entschlossenheit zur selbstlosen und dienenden Hingabe an Gott und die Menschen
zum Ausdruck bringt. Es ist das Versprechen, Gott treu zu dienen und sich gewissenhaft für die übertragenen Aufgaben sowie anvertrauten Menschen einzusetzen.
Ein solches Gelübde wird zunächst bei jeder Taufe abgelegt,
54
ist diese doch ein
Vertrags- oder Bundesschluß, d. h. der Eintritt des von Christus ergriffenen Menschen
in den Neuen Bund (Kol. 2,1 1 .1 2; Gal. 3,27− 29). Ähnlich wie bei einer Ehe-
schließung (vgl. die Bräutigam-Braut-Analogie der Bibel) gehört zu ihr wesensmäßig
ein Bündnis- oder Treueversprechen.
55
Die bei der Einsegnung zum Prediger, Ältesten oder Diakon ausgesprochene Be-
auftragung und Bevollmächtigung zur Amtsausübung verlangt ebenfalls nach einer
Antwort von seiten der Ordinanden. Sie kommt in dem Versprechen zum Ausdruck,
die Rechte und Pflichten des übertragenen Amtes sorgfältig und gewissenhaft zu erfüllen. Damit erklären die Ordinanden zugleich ihre Bereitschaft, für ihren Dienst
vor Gott und der Gemeinde Rechenschaft abzulegen. Schließlich sind sie nicht zur
Herrschaft, sondern zum Dienst bestellt worden.
54
55
„ As Christians submit to the solemn rite of baptism, He [Christ] registers the vow that they
make to be true to Him. This vow is their oath of allegiance. . . . They pledge themselves to
renounce the world and to observe the laws of the kingdom of God.“ (Ellen G. White, Evangelism, Washington 1 946, S. 3 07; dt. Text:„ Evangelisation“, S. 28 7)
Siehe dazu„ Die Taufe − Bekenntnis oder Gelübde? “ Adventecho, März 1 991 , S. 4 - 6. Vom
Neuen Testament her kann es zu dieser Frage eigentlich keine„ Entweder-oder“ -, sondern
nur eine„ Sowohl-als-auch“ -Antwort geben, da das Bekenntnis des Glaubens (Matth. 28 ,1 9;
Apg. 2, 3 8 ; 8 , 3 5 - 3 7) nicht vom Gehorsam des Glaubens (Röm. 1 , 5 ; 1 5 ,1 8 ) losgelöst werden
kann. Um so erstaunlicher ist, daß H.-J. Vollrath in dem genannten Artikel meint, das„ Glaubensbekenntnis bei der Taufe“ habe mit einem„ Taufgelübde“ nichts zu tun.
ROLF J. PÖHLER
1 78
In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß neben dem Priester bzw. Pastor
nur wenige Berufe das Ablegen eines Gelübdes oder Amtseides voraussetzen: Staatsmann, Richter, Arzt, Professor − ausnahmslos solche, die eine besondere Verantwortung für andere Menschen bzw. die Gesellschaft mit sich bringen.
wöhnliche
Aufgaben
und
Verantwortung
unweigerlich auch besondere Verpflichtungen.
übernimmt,
dem
56
Wer außerge-
erwachsen
daraus
c) Verpf
lichtung
Im Falle der Ordination bezieht sich diese Verpflichtung zum einen auf das persönli-
che geistliche Leben, das für andere vorbildhaft und nachahmenswert sein soll (Vorbildfunktion).
57
Zum anderen hat es mit der gewissenhaften Erfüllung der übertrage-
nen Aufgaben zu tun. Dazu gehören vor allem die Bewahrung und unverfälschte
Weitergabe des Evangeliums (Heroldfunktion),
meinden (Hirtenfunktion),
59
57
58
59
60
61
die Förderung und Pflege der Ge-
sowie das warnende Zeugnis gegenüber Gläubigen wie
Ungläubigen (Wächterfunktion).
56
58
60
Beim Gelöbnis der deutschen Ärzte wird zum Beispiel folgendes Versprechen abgelegt:„ Bei
meiner Aufnahme in den ärztlichen Berufsstand gelobe ich feierlich, mein Leben in den
Dienst der Menschheit zu stellen. Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und
Würde ausüben. Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit meiner Patienten soll
oberstes Gebot meines Handelns sein. Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnisse wahren.
Ich werde mit allen meinen Kräften die Ehre und die edle Überlieferung des ärztlichen Berufes aufrechterhalten und mich in meinen ärztlichen Pflichten nicht durch Religion, Nationalität, Rasse, Parteipolitik oder soziale Stellung beeinflussen lassen. Ich werde jedem Menschenleben von der Empfängnis an Ehrfurcht entgegenbringen und selbst unter Bedrohung
meine ärztliche Kunst nicht in Widerspruch zu den Geboten der Menschlichkeit anwenden.
Ich werde meinen Lehrern und Kollegen die schuldige Achtung erweisen. Dies alles verspreche ich feierlich auf meine Ehre.“
2. Thess. 3 , 7; 1 . Tim. 4,1 2; Tit. 2, 7; 1 . Petr. 5 , 3 .
Röm. 1 5 ,1 6 - 21 ; 1 . Kor. 1 ,1 7; 9,1 6; 2. Kor. 5 ,1 8 - 20; Gal. 1 , 6 -1 2. G. Kretschmar versteht Ordination vor allem als die Beauftragung, die apostolische Botschaft zu erhalten und zu bewahren
„( Die Ordination im frühen Christentum“, Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 22 [1 975 ], S. 3 5 - 69).
Joh. 21 ,1 5 -1 7; Apg. 20, 28 ; 1 . Petr. 5 ,1 - 4.
1 . Tim. 3 ,1 -1 3 ; 4, 6 -1 6; 2. Tim. 3 ,1 0. 1 1 ; Tit. 1 , 5 - 9; Hes. 3 ,1 6 - 21 ; 3 3 , 1 - 9. Diese vier Aspekte finden sich übrigens alle in der Abschiedsrede des Paulus vor den (ordinierten? ! ) Ältesten der
Gemeinde Ephesus (Apg. 20,1 7 ff).
Siehe dazu, Seventh-day Adventist Minister' s Manual (SDAMM), Silver Spring, Maryland: General Conference of Seventh-day Adventists 1 992, S. 1 95 - 201 (Kap. 3 4:„ Child Dedication“ ).
Möglicherweise hat die Vorstellung, nur ordinierte Geistliche seien zur Handauflegung
berechtigt, eine Übernahme dieser biblischen Gewohnheit in den häuslichen Rahmen der
adventistischen Familie weitgehend verhindert.
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
1 79
IV. Die Bedeutung und Praxis der Handauflegung in der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten
1. Zur Geschichte der Handauflegung in der Adventgemeinde
a) Die Praxis der Handauf
legung
Die Segnung von Kindern durch Handauflegung und Gebet wird in der Adventgemeinde meist nur vom Prediger (oder Ältesten) bei der Darbringung von Neugeborenen im Gottesdienst vollzogen. Die empfohlene Handlung schließt eine kurze
Ansprache, ein elterliches Versprechen „( a covenant with God“ ), die Verpflichtung
der Gemeinde und ein Weihegebet mit Handauflegung ein.
61
Ähnlich wird auch eine Segnung von Erwachsenen − außer bei geistlichen Hoch-
zeitsfeiern − kaum durchgeführt.
62
Die Meinung, daß es sich dabei wohl mehr um
eine pfingstlerisch-charismatische Praxis als um eine biblische Gewohnheit handle,
dürfte u. a. dafür verantwortlich sein. In jüngster Zeit hat sich dieser Brauch jedoch in
den sog.„ celebration churches“ in Nordamerika gezeigt
63
und wird auch hierzulande
von einigen Predigern im Rahmen der Seelsorge gehandhabt.
Die Praxis der Handauflegung im Zusammenhang mit der Heilung bzw. Salbung
von Kranken ist vor allem in der„ charismatischen“ Frühzeit der Adventgemeinde
62
63
64
Nach dem Gemeindehandbuch kann auch ein„ Hilfsprediger“ anläßlich einer geistlichen
Hochzeitsfeier„ den Segen spenden“ (Ergänzung von 1 991 , S. 5 5 ). Diese Kann-Bestimmung
wurde 1 992 von den deutschen Verbänden ausdrücklich bestätigt (Vgl. WDV-Protokoll vom
5 . /6. 4. 1 992). Bis dahin war es nicht-eingesegneten Predigern und Predigerinnen in Deutschland in der Regel nicht gestattet, geistliche Hochzeitsfeiern oder den Ritus der Handauflegung durchzuführen. Zur Erklärung kann darauf verwiesen werden, daß in der Bibel die segnende Handauflegung nicht unbedingt an die Ordination zum geistlichen Amt gebunden ist.
Dies gilt vor allem für den Segen, der im Rahmen der Hausgemeinschaft gesprochen wird.
Da eine geistliche Hochzeitsfeier in Deutschland juristisch gesehen eine private Angelegenheit ohne öffentlich-rechtlichen Charakter ist, muß sie auch nicht (wie zum Beispiel in den
USA) von einem ordinierten Prediger durchgeführt werden.
See J. David Newman and Kenneth R. Wade,„ Is it safe to celebrate? “ Ministry, June 1 990,
S. 26 - 29; gekürzte deutsche Übers. :„ , Feiergemeinden‘ − ein neuer Weg zur Erneuerung der
Gemeinde? “ in Adventecho, November 1 990, S. 1 0 -1 3 .
Zwischen 1 8 45 und 1 8 5 3 finden sich in den Briefen und Publikationen der sabbathaltenden
Adventisten zahlreiche Berichte von Krankenheilungen (siehe z. B. Joseph Turner, Jubilee
Standard, 1 0. Juli 1 8 45 , S. 1 3 8 ; James White, Day-Star, 6. September 1 8 45 , S. 1 7; Otis Nichols
an die Whites, Present Truth, Mai 1 8 5 0, S. 79. 8 0; Joseph Bates, Review & Herald (R&H),
2. September 1 8 5 2, S. 69, und R&H, 3 1 . März 1 8 5 3 , S. 1 8 2). James White berichtete von mehreren Heilungen, an denen seine Frau durch Salbung und Fürbittgebet beteiligt war (Briefe
vom 25 . Februar 1 8 49, 22. März 1 8 49, 1 0. Januar 1 8 5 0; 1 1 . November 1 8 5 1 ). Auch Ellen
White selbst schrieb häufig davon (Briefe vom 1 5 . August 1 8 5 0, 1 . September 1 8 5 0; Brief
R- 6 -1 8 5 0 (J. N. Andrews); Briefe vom 1 2. November 1 8 5 1 , 5 . Dezember 1 8 5 3 ; Spiritual
Gifts, Band 2, Battle Creek, Michigan: James White, 1 8 60, S. 97 -1 1 1 passim).
ROLF J. PÖHLER
1 80
reichlich bezeugt.
64
Offensichtlich war es damals auch üblich, die kranken Stellen des
Körpers zu salben und darüber zu beten.
65
Heute dagegen wird das Salböl üblicher-
weise auf die Stirn des Kranken aufgetragen.
66
schen nur noch in seltenen Fällen praktiziert.
Auch wird die Krankensalbung inzwi-
67
Der Gedanke der Erfüllung mit dem Heiligen Geist in Verbindung mit der Hand-
auflegung hat bei Adventisten bis heute ein recht unterschiedliches Echo gefunden.
Auf der einen Seite wurde in Abwehr des römisch-katholischen Ordinationsverständnisses häufig darauf hingewiesen, daß die Einsegnung als solche keine besonderen
Vollmachten oder höheren Weihen verleihe, sondern lediglich eine Beauftragung zum
geistlichen Dienst darstelle.
68
Zum anderen hat es jedoch auch Ansätze gegeben, in
dem Ritus der Handauflegung mehr zu sehen als nur einen symbolischen und im
Grunde genommen überflüssigen Akt.
So wurde die Praxis der Handauflegung bei der Taufe im Jahre 1 8 8 8 von Uriah
Smith noch kategorisch mit der Begründung abgelehnt, diese Handlung verleihe ja
nicht die Gabe des Heiligen Geistes, der − wie Pfingsten zeige − auch ohne Handauflegung empfangen werden könne.
65
66
67
68
69
69
Drei Jahre später äußerte D.T. Bourdeau jedoch
„ I anointed his [James' ] head and stomach and bowels in the name of the Lord, then we took
hold of faith for him; our united prayers went up to God, and the answer came. . . . James was
healed every wit. . . . When Satan found his power was completely broken upon him [James],
he went to the child [Edson] again; he woke us crying at the top of his voice. He seemed to
have colic, and we went up to the chamber, anointing his stomach with oil and prayed over
him, and rebuked Satan and he had to flee.“ (Ellen G. White, Brief 1 2, [1 5 . August] 1 8 5 0;
zitiert in Arthur L. White, Ellen G. White. Band 1 : The Early Years 1 8 27 -1 8 62. Washington,
D. C. 1 98 5 , S. 1 8 2 -1 8 3 )
SDAMM, S. 241 - 243 (Kap. 41 :„ Prayer for Sick“ ).„ Near the close of your prayer, apply the oil
to the forehead of the one you are anointing. . . . Seventh-day Adventists do not follow or support the practice of some who apply oil to the part of the body in which the infirmity
exists.“ (A. a.O. , S. 243 )
„ In some places, anointing has become almost a lost rite.“ (SDAMM, S. 241 ) Dagegen empfiehlt
Mark Owen (ein Pseudonym), den biblischen Ritus der Krankensalbung wieder zu einem
normalen, häufig praktizierten Dienst in der Gemeinde zu machen „( Anointing: the last/lost
rite“, Ministry, September 1 98 9, S. 1 7). Siehe auch den lesenswerten Aufsatz von Johann Niedermaier über„ Das Heilungsgebet nach Jakobus 5 “, Aller Diener, Nr. 2, 1 98 0, S. 29 - 43 ; sowie Ellen G. White,„ Prayer for the Sick“, The Ministry of Healing, Mountain View, Calif. 1 942, S. 225 - 23 3 (Deutsch: In den Fußspuren des großen Arztes, Hamburg 1 926, S.
21 5 - 222). Zum Thema der Krankensalbung und Heilung siehe auch Heinz Doebert, Das
Charisma der Krankenheilung. Eine biblisch-theologische Untersuchung über eine vergessene Grundfunktion der Kirche, Furche-Studien 29, Hamburg 1 960.
Siehe IV, 2c:„ Das sakramentalistische Mißverständnis der Weihe“.
„ The Laying On of Hands“, R&H, 21 . Februar 1 8 8 8 , S. 1 20. 1 21 . In diesem Artikel geht es
Smith vor allem um die Praxis der Handauflegung bei den Mormonen (Kirche Jesu Christi
der Heiligen der Letzten Tage).
1 81
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
bereits die Auffassung, die apostolische Praxis der Handauflegung zur Verleihung des
Heiligen Geistes besitze durchaus auch für Adventisten Vorbildcharakter − allerdings
erst, wenn der„ Spätregen“ des Heiligen Geistes über die Gemeinde ausgegossen worden sei.
70
Dagegen forderte Leo R. Van Dolson 1 969 die Gemeinschaft öffentlich dazu
auf, zu dieser urchristlichen Praxis zurückzukehren, nicht zuletzt, um dadurch dem
Heiligen Geist mehr Raum zu verschaffen.
ohne große Resonanz.
72
71
Sein Aufruf blieb bis heute offenbar
Dabei könnten Adventisten in dieser Frage auch von anderen
Gemeinschaften lernen, die die Gläubigentaufe mit Handauflegung praktizieren.
73
Das Verständnis der Taufe als Ordination der Gläubigen zum Priesterdienst für
Gott und die Welt wurde seit den 70er Jahren im Zusammenhang mit der Neubesinnung auf die Grundlagen des Gemeindewachstums schrittweise wiederentdeckt. So
bezeichneten Gottfried Oosterwal und Rex D. Edwards die Taufe als Ordination zum
70
71
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73
74
„ Why Not Lay On Hands to Impart the Holy Spirit? “ R&H, 27. Januar 1 8 91 , S. 5 1 . 5 2.
„ It seems to have been the clear practice of the early church after Pentecost to associate the
laying on of hands with the baptismal service in order to signify the baptism of the Holy
Spirit. . . . I am convinced that a return to the New Testament practice is essential in our
church today. . . . I cannot help wondering whether such a practice instituted in our churches
today, in order to bring us fully into line with our own claim that we are following New Testament practice, might not also serve to bring our church not only a new insight into the
beauty and significance of the spiritual gifts but also some of the power that we know is to be
manifested in a remarkable way among God' s people in these last moments of time.“ „( The
Laying On of Hands at Baptism“, Ministry, Januar 1 969, S. 3 7. 3 8 )
So findet sich im Gemeindehandbuch bis heute kein Hinweis darauf, daß die Taufe im Sinne einer Ordination zum allgemeinen Priestertum der Gläubigen zu verstehen sei. Ansatzweise
findet sich dieser Gedanke allerdings im neuen Handbuch für Prediger, demzufolge die Taufe
eine Aussonderung zum Dienst darstellt „( Baptism . . . sets one apart for a life of ministry.“
S. 1 8 7). Außerdem wird vermerkt, daß„ some pastors pray a prayer of blessing and commissioning to a life of Christian ministry“ (SDAMM, S. 1 92). Eine direkte Empfehlung zu einer
solchen Handauflegung/Segnung wird jedoch nicht ausgesprochen.
„ Im siebzehnten Jahrhundert wurde die Handauflegung in unmittelbarer Verbindung mit der
Taufe von den Baptisten weithin praktiziert, sowohl in Großbritannien als auch in den amerikanischen Kolonien. . . . Allmählich starb der Brauch in den baptistischen Gemeinden aus.
. . . Der Brauch hat sich unter Baptisten in Dänemark und Schweden bis heute erhalten und
findet bei anderen baptistischen Gruppen auf dem Kontinent wieder Eingang. Als Hilfe für
die Wiederentdeckung der vollen Bedeutung der Taufe wäre es zu wünschen, daß die Baptisten ernsthaft überlegten, ob der Brauch nicht wieder Teil der Taufe auf Christus und in die
Gemeinde werden sollte.“ (Beasley-Murray, Die christliche Taufe, S. 1 67. 1 68 ) Siehe auch
S. 1 5 2 -1 68 , 3 1 8 - 3 24 zum Verhältnis von Taufe und Handauflegung im Neuen Testament.
„ Baptism signifies the believers' consecration and ordination to the ministry of Jesus Christ.“
(G. Oosterwal,„ Every member a minister? From baptism to a theological base“, Ministry,
Februar 1 98 0, S. 7, 4 - 7) Vgl. Rex D. Edwards, „ Baptism as ordination“, Ministry, August
1 98 3 , S. 4 - 6; dt. Übersetzung in Aller Diener 3 /1 98 6, S. 61 - 66. Theologisch wird dabei die
Taufe Jesu, die einer Weihe, Bevollmächtigung und Ausrüstung zum Dienst gleichkam, als
Prototyp der christlichen Taufe verstanden.
ROLF J. PÖHLER
1 82
Dienst für Jesus Christus.
74
Letzterer erklärte 1 98 9 vor der Kommission über die
Rolle der Frau, daß die Taufe die grundlegende Berufung und Beauftragung zum Prie-
stertum der Gläubigen sei und daß alle folgenden priesterlichen Tätigkeiten von dieser primären Berufung abhängig seien.
75
Auch V. Norskov Olsen sieht in der Taufe
die Ordination zum Priestertum der Gläubigen.
76
Die Handauflegung bei der Beauftragung zum Dienst − meist Ordination oder
77
Einsegnung genannt − ist eine alte Praxis in der Adventgemeinde. Sie wurde erstmals
im Jahre 1 8 53 von James White öffentlich empfohlen,
habt.
79
76
77
78
79
80
aber bereits seit 1 8 51 gehand-
Offenbar war sie von Anfang an als Vorrecht und Aufgabe der Prediger bzw.
Ältesten verstanden worden.
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80
Rex D. Edwards,„ The Priesthood of Believers“, unveröffentl. Manuskript, 1 98 8 , S. 5 , 29 - 43 .
Ob allerdings die Einsegnung der Gläubigen bei ihrer Taufe die spätere, zusätzliche Ordination von Predigern, Ältesten und Diakonen überflüssig macht − ein Gedanke, der Edwards
zumindest bedenkenswert zu sein scheint (S. 3 1 , 3 8 - 43 ) − , muß vom Neuen Testament her
jedoch bezweifelt werden.
Myth and Truth about Church, Priesthood and Ordination. Riverside, Calif. 1 990, S. 44. 45 .
Bedauerlicherweise geht die Lima-Erklärung (1 98 2) nicht auf diese zentrale Funktion und Bedeutung der Taufe ein, obwohl die Konvergenzerklärung im übrigen eine beachtliche Weite
und Tiefe des Taufverständnisses widerspiegelt. Sie begnügt sich mit dem vagen Hinweis, daß
die Taufe„ ein Zeichen und Siegel unserer gemeinsamen Jüngerschaft“ ist (S. 1 0) und daß die
Gläubigen„ dazu berufen sind, Zeugen des Evangeliums zu sein“ (S. 1 6). In der Erklärung
über das geistliche„ Amt“ wird der Ausdruck„ ordiniertes Amt (ordained ministry)“ ausschließlich für die ordinierten Amtsträger der Kirchen reserviert (S. 3 1 ).
Die SDAE definiert„ Ordination“ als„ die Handlung, durch die die Gemeinde eine Person für
eine besondere Aufgabe innerhalb der Gemeinde durch Gebet und Handauflegung aussondert“ (s.v.„ Ordination“, S. 1 03 7).
„ Men who are called of God to teach and baptize, should be ordained, or set apart to the work
of the ministry by the laying on of hands.“ „( Gospel Order“, R&H, 20. Dezember 1 8 5 3 ,
S. 1 8 9)
Im Juli 1 8 5 1 wurde Washington Morse in Vermont von George Holt ordiniert,„ set apart by
the laying on of hands, to the administration of the ordinances of God' s house“ (Joseph
Bates,„ Dear Bro. White“, R&H, 1 9 August 1 8 5 1 , S. 1 5 ). Zwei Jahre später wurden wiederum
in Vermont sechs weitere Prediger − unter ihnen John N. Andrews − von James White und
Joseph Baker eingesegnet,„ set apart to the work of the ministry (that they might feel free to
administer the ordinances of the church of God) by prayer and the laying on of hands“
([James White],„ Eastern Tour.“ R&H, 1 5 . November 1 8 5 3 , S. 1 48 ). Im November 1 8 5 1 wurden in New Hampshire erstmals Diakone gewählt, obwohl dabei von einer Handauflegung
noch nichts gesagt wird.„ A committee of seven was chosen (see Acts vi. ) to attend to the
wants of the poor.“ ([James White],„ Our Tour East.“ R&H, 25 . November 1 8 5 1 , S. 5 2) Der
erste Bericht einer Einsegnung von zwei Diakonen„ by prayer and laying on of hands“
stammt vom Herbst 1 8 5 3 , diesmal aus Massachusetts. Ihre Aufgabe bestand vor allem darin,
in Abwesenheit eines Predigers das Abendmahl durchzuführen (H. S. Gurney,„ Dear Bro.
White.“ R&H, 27. Dezember 1 8 5 3 , S. 1 99). Wenige Monate später wurden die ersten Gemeindeältesten eingesetzt und eingesegnet (Joseph Bates, „ Dear Bro. White.“ R&H, 1 5 . August
1 8 5 4, S. 6; vgl. J. B. Frisbie,„ Church Order“, R&H, 26. Juni 1 8 5 6, S. 70. 71 ).
J. B. Frisbie,„ Church Order“, R&H, 26. Juni 1 8 5 6, S. 70.
1 83
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
b) Die Bedeutung der Handauf
legung
Siebenten-Tags-Adventisten bekennen sich zur Lehre vom allgemeinen Priestertum
der Gläubigen und von den besonderen Gaben des Geistes.
81
Gleichzeitig jedoch gibt
es innerhalb der Adventgemeinde recht unterschiedliche Auffassungen darüber, wie
das Verhältnis von sog.„ Laien“ und„ Verantwortungsträgern“ zu denken sei. Besonders umstritten ist dabei die Frage, ob es nach Gottes Willen bei der Ausübung des
allgemeinen Priestertums eine volle Gleichheit zwischen Männern und Frauen geben
sollte oder nicht.
82
Die Bedeutung der Handauflegung als Sendung ist sicher der unumstrittenste
Aspekt des adventistischen Ordinationsverständnisses. Die Einsegnung gilt als öffentliche Anerkennung der göttlichen Berufung, als Beauftragung zum Dienst und als
Austattung mit den dazugehörigen Vollmachten. Nach adventistischer Gemeindeordnung ist die Handauflegung die Voraussetzung zur vollen Ausübung des Dienstes, zu
dem ein Prediger, Ältester oder Diakon beauftragt und bevollmächtigt wurde. Dies
war offenbar von Anfang an die Auffassung der Gemeinschaft.
83
Das Wesen der Handauflegung als Segnung und Ausrüstung mit göttlicher Kraft
81
82
Die SDAE sieht in dem Gedanken des allgemeinen Priestertums„ eines der Grundprinzipien
der protestantischen Reformation“, reduziert es allerdings auf„ die Vorstellung, daß jeder
Mensch direkten Zugang zu Gott haben kann, ohne die Mittlerdienste einer menschlichen
Priesterschaft“ zu benötigen (S. 1 1 5 0 -1 1 5 1 , s.v.„ Priesthood of all Believers“ ). Daß diese Lehre
neben ihrer soteriologischen Bedeutung aber auch weitreichende ekklesiologische und missiologische Implikationen besitzt, wurde verschiedentlich von adventistischen Autoren zum
Ausdruck gebracht. Siehe z. B. Rex D. Edwards,„ The pastorhood of all believers“, Ministry,
Dezember 1 992, S. 5 ; ders. ,„ The Priesthood of Believers“, unveröffentl. Manuskript für die
Kommission über die Rolle der Frau, 1 98 8 . In den„ Glaubensüberzeugungen der Siebenten-Tags-Adventisten“ heißt es zum Thema„ Geistliche Gaben und Dienste“ (Art. 1 6):„ Diese
Gaben . . . befähigen die Gläubigen zu allen Diensten, die die Gemeinde zur Erfüllung der ihr
von Gott gestellten Aufgaben braucht. . . . Für Seelsorge, Verkündigung und Unterweisung
werden Gemeindeglieder, die von Gott gerufen und vom Heiligen Geist befähigt sind, in
ihrem Dienst von der Gemeinde anerkannt. Sie tragen dazu bei, die Glieder der Gemeinde
zum Dienst zuzurüsten“ (Gemeindehandbuch, S. 22).
Offiziell begrüßt die Gemeinschaft mit Nachdruck die Mitarbeit von Frauen in allen Bereichen, die nicht die Ordination zum Predigtamt voraussetzen. Sie folgt damit nicht zuletzt
den wiederholten Aufrufen von Ellen G. White, Frauen ihren Gaben gemäß zu fördern und
in evangelistischen sowie diakonischen Aufgaben wirksam einzusetzen. Auch kann kein
Zweifel daran bestehen, daß Ellen White die Einsegnung von Frauen für bestimmte Dienste
befürwortete „( They should be set apart to this work by prayer and laying on of hands“,
R&H, 9. Juli 1 8 95 , S. 43 4). Allerdings ist umstritten, ob sie dabei an das Amt einer Predigerin oder Ältesten dachte oder„ nur“ den Dienst einer Diakonin, Bibelarbeiterin, Ärztin o. ä.
vor Augen hatte. Siehe William Fagal, „ Did Ellen White call for ordaining women? “,
Ministry, Dezember 1 98 8 , S. 8 -1 1 ; und ders. ,„ Did Ellen White support the ordination of
women? “, a. a.O. , Februar 1 98 9, S. 6 - 9.
ROLF J. PÖHLER
1 84
wurde schon früh von Siebenten-Tags-Adventisten erkannt.
84
Auch heute schließt das
Weihegebet für den Ordinanden die Bitte ein,„ der Herr möge ihm in noch größerem
Maße die Kraft des Heiligen Geistes schenken“.
85
Allerdings haben auch manche
Äußerungen zu dieser Frage − bedingt durch ein kontrovers-theologisches Interesse
an einer klaren Abgrenzung gegenüber dem römisch-katholischen Ordinationsverständnis − betont, daß die Einsegnung nicht mit dem Empfang des Heiligen Geistes
verknüpft sei.
86
Aufgrund des biblischen Befundes ist hier jedoch zu fragen, ob mit
dieser Haltung nicht leicht das Kind (der neutestamentlichen Lehre vom Handauflegen) mit dem Badewasser (der römisch-katholischen Sukzessionstheorie) ausgegossen
werden kann. Denn„ in der Handauflegung hat Gott ein sichtbares Zeichen gesetzt,
daß Er segnet und ausrüstet mit dem Heiligen Geist und geistlichen Gaben“.
87
Der Charakter der Handauflegung als Weihe ist ebenfalls unter Adventisten bis
heute noch nicht ausreichend geklärt. Sprach das Manual for Ministers (1 977) noch
von der Weihe „( consecration“ ) der Ordinanden zum Dienst sowie von dem Einsegnungs- oder Weihegelübde „( ordination vow“/
„ consecration vow“ ),
83
84
88
so ist davon im
Bereits 1 8 62 wurde auf der Delegiertenversammlung der Michigan-Vereinigung beschlossen,
„ that no person, young or old, should administer the ordinances before being ordained“
(R&H, 1 4. Oktober 1 8 62, S. 1 5 7). Die Generalkonferenz von 1 8 79 machte diese Position zum
Grundsatz der Gemeindeordnung „( General Conference“, R&H, 4. Dezember 1 8 79, S. 1 8 1 ).
Folgende Beispiele sollen als Illustration dafür genügen:
„ The laying on of hands was the separating act by which the grace of God was imparted . . .
to do the work and office of a bishop [= elder]“ (J. B. Frisbie, „ Church Order“, R&H,
26. Juni 1 8 5 6, S. 70).
„ The blessing comes from God in answer to prayer, not through the laying on of the hands
of the poor mortals officiating, though it should come even at the moment the hands are
imposed.“ The laying on of hands signifies the bestowal of a blessing,„ the imparting of something to another“ (George I. Butler,„ Ordination“, R&H, 1 3 . Februar 1 8 79, S. 5 1 ).
Ordination involves„ the conferring of those spiritual blessings which God must impart to
properly qualify him [the ordained person] for that position“ „( General Conference“, R&H,
4. Dezember 1 8 79, S. 1 8 1 ).
85
86
87
88
Ordination means„ the bestowment . . . of those gifts and graces of the Holy Spirit which
will qualify him [the pastor, elder, or deacon] for the special work to which he is separated“
([W. H. Littlejohn],„ The Church Manual“, R&H, 1 7. Juli 1 8 8 3 , S. 45 7 - 45 8 ).
SDAMM, S. 8 5 „( the Lord may bestow in yet larger measure the Holy Spirit' s power“ ).
Siehe IV, 2c:„ Das sakramentalistische Mißverständnis der Weihe“.
W. Gäbel, „ Die Handauflegung. Vergessenes Element im gottesdienstlichen Handeln der
Gemeinde? “, unveröffentlichtes Manuskript, 1 977, S. 7.
S. 22, 24, 26 (vgl. dt. Ausgabe, S. 21 - 26 passim). Allerdings ist in diesem„ Weihegottesdienst“
(dt. Ausg. , S. 21 ) nirgendwo das Ablegen eines solchen Gelübdes vorgesehen. Dem Ordinanden wird bei der Beauftragung zwar gesagt:„ Du hast das feierliche Gelübde des Dienstes für
deinen Meister abgelegt“ (a. a.O. , S. 24); doch stellt weder das Weihegebet, an das hier wohl gedacht war, noch das persönliche Zeugnis des Ordinanden (a. a.O. , S. 28 ) ein Weihegelübde dar.
1 85
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
neuen Minister' s Manual (1 992) praktisch nicht mehr die Rede.
89
Hat hier vielleicht
die Furcht vor einem falschen Weiheverständnis ein konsequentes Weiterdenken verhindert? Jedenfalls scheint eine theologische Klärung dieses Problems wünschenswert, ja erforderlich zu sein.
90
2. Zur Terminologie der Handauflegung
Die Frage, ob die Sendung, Segnung und Weihe zum geistlichen Dienst als„ Ordination“, als„ Einsegnung“ oder statt dessen mit einem anderen Ausdruck bezeichnet
werden sollte, hat bei Siebenten-Tags-Adventisten − zumindest im deutschen Sprachraum − bis heute keine eindeutige Antwort gefunden. Ethymologische, kirchenhistorische und theologische Gründe werden für und gegen diese Begriffe vorgebracht.
Welche Bezeichnung entspricht am besten der Sache, um die es eigentlich geht?
Welcher Begriff ist am wenigsten mit Fehldeutungen und Mißverständnissen belastet?
a) Das hierarchische Mißverständnis der Ordination
Das Wort Ordination (lat. ordinatio)
91
ist abgeleitet von dem Verb ordinare, das ord-
nen, regeln und einsetzen bedeutet. Es wurde u. a. für die Einsetzung von Beamten in
ein Amt verwendet. In diesem Sinne bedeutet es zunächst schlicht und ganz unverfänglich den offiziellen Akt der Einführung in ein politisches oder geistliches Amt.
Schon im Altertum jedoch gab es eine enge gedankliche Verbindung zwischen der
Amtseinsetzung und der daraus abgeleiteten obrigkeitlichen Würde. Diese Assozia89
90
91
Möglicherweise handelt es sich dabei jedoch um eine ungewollte Auslassung. So wird bei den
Empfehlungen zur Gestaltung einer Ordinationsfeier wiederholt von der Ordinationsverpflichtung „( the ordinand' s commitment“ ) gesprochen, die möglicherweise sogar unterschrieben werden sollte (S. 90). Bezeichnenderweise ist auch bei der Einsegnung bzw.
Amtseinführung „( induction service“ ) von Predigerinnen zu Gemeindeältesten von einem
Weihegebet „( dedicatory prayer“ ) die Rede (S. 92). Selbst im Rahmen der Amtseinführung
„( installation service“ ) von ehrenamtlichen Gemeindehelfern soll es nach der Empfehlung
des neuen Handbuchs künftig heißen:„ We dedicate ourselves. . . . We consecrate our services.
. . . We commit our lives“ (S. 1 1 6). Sollte hier gerade die Ordination zum weltweiten Predigtamt eine Ausnahme bilden, die nach adventistischem Verständnis„ volle geistliche Autorität“
verleiht und„ große Verantwortung“ (S. 77, 8 5 ) mit sich bringt?
In Anlehnung an Luthers Ordinationsformular wird in der evangelischen Kirche der Ordinand
nach dem Verlesen ausgewählter Schriftstellen gefragt, ob er willig sei, diesen Schriftworten
entsprechend sein Amt zu führen. Nach dem bestätigenden„ Ja“ des Kandidaten wird dann
die Einsegnung vorgenommen.
Zur Ethymologie des Wortes Ordination siehe Der kleine Stowasser. Lateinisches Schulwörterbuch. München 1 962, s.v. ordinatio, ordino, ordo.
1 86
ROLF J. PÖHLER
tion kann leicht die Vorstellung wecken, daß Ordination mit der Berufung in einen
höheren − politischen oder geistlichen − Stand verbunden sei. Schließlich ist das
Verb ordinare seinerseits abgeleitet vom Substantiv ordo, das nicht nur Ordnung und
Regel bedeutet, sondern auch einen politischen Stand und eine gesellschaftliche
Klasse (Bürger, Senatoren, Stadträte, Steuerpächter u. a. ) bezeichnet, die sich von den
Klassenlosen (Plebejern) unterscheidet.
92
Nach dem römisch-katholischen Ordinationsverständnis ist die ordinatio der fei-
erliche Weiheakt, durch den jemand in den klerikalen Stand (lat. ordo) eines Priesters
oder Bischofs versetzt wird. Er hört damit für immer auf,„ Laie“ zu sein. Selbst die
Betonung des „ Laienapostolats“ durch das Zweite Vatikanische Konzil (1 962− 65)
kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es aus römisch-katholischer Sicht einen
wesensmäßigen und nicht nur graduellen Unterschied zwischen dem gemeinsamen
Priestertum der Gläubigen und dem hierarchischen Amtspriestertum gibt.
93
Soll das Wort Ordination also überhaupt verwendet werden, dann ist mit größter
Sorgfalt darauf zu achten, daß es keinesfalls im Sinne einer Einsetzung in einen höhe94
ren, geistlichen Stand gedeutet wird. „ Die Einsegnung (Ordination) wurde nicht ein-
gesetzt, um eine religiöse Hierarchie aufzubauen. Das würde geradezu eine Abkehr
92
93
94
95
„ ,Ordo‘ und ,ordinare‘ andererseits sind Ausdrücke aus dem römischen Recht, wo sie die Vorstellung eines besonderen Status einer Gruppe vermitteln, die sich von der , plebs‘ unterscheidet, wie etwa in dem Ausdruck ,ordo clarissimus‘ für den römischen Senat. Der Ausgangspunkt jeder Begriffsbildung, die diese Ausdrücke verwendet, wird das stark beeinflussen, was
im daraus sich ergebenden Denken und Handeln als selbstverständlich angenommen wird.“
(Lima-Papier, S. 45 )
Siehe dazu Barth, S. 1 04 -1 3 3 . Barth stellt gleichzeitig neidlos/neidvoll fest:„ Die Texte des II.
Vatikanums haben ein Verständnis des Laien, seiner Berufung und seiner Sendung in einer
Gründlichkeit und Ausführlichkeit artikuliert, wie das im Bereich evangelischer Kirche und
Theologie weder in Bekenntnisformulierungen noch auf der Ebene theologischer Einzelbemühungen bislang erreicht werden konnte.“ (S. 1 27)
„ One should be aware of the inappropriateness of the word ordination (from the Latin ordo)
for the act that sets apart an individual to a special ministry in the church. There can be no
real ordo that places the minister on a higher level of being than the rest of the faithful.“
(Raoul Dederen,„ A Theology of Ordination“, Ministry, Supplement, Februar 1 978 , S. 24P,
Fußnote 49)
Manual for Ministers (1 977), S. 1 6 (dt. Ausg. , S. 1 7). Bedauerlicherweise sind diese Sätze im
neuen Predigerhandbuch nicht mehr zu finden. Lediglich im Kapitel über den Dienst von Gemeindegliedern findet sich ein kurzer Hinweis darauf, daß es beim Einsatz geistlicher Gaben
nach Gottes Plan„ keine Hierarchie“ gibt (S. 1 1 1 ). Andere Verlautbarungen sind hier deutlicher:„ All church members, leaders or not, are an equal class of saints. They are the church.
There are differences in function, but all have equal status before God. Anything that smacks
of hierarchy is ruled out.“ „( The Church of God“, Positionspapier der Nordamerikanischen
Division, Adventist Review, 1 . Oktober 1 992, S. 26)„ This setting apart is not to a superior
status, above the rest of the church, but rather to service within the church. Ordination is
not intended to create categories of Christians or levels of discipleship.“ (Dederen, S. 24L)
1 87
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
vom eigentlichen Sinn der Einsegnung bedeuten . . . Eingesegnete (ordinierte) Prediger
sind nicht in eine Stellung besonderer Vergünstigungen erhoben.“
95
Jedoch scheinen
Überreste dieses hierarchischen Mißverständnisses der Ordination auch in der
Adventgemeinde durchaus noch vorhanden zu sein.
96
Gefahr droht immer dann, wenn die„ Geistlichen“ allzu deutlich von den„ Laien“
abgehoben werden.
97
Dies kann ungewollt geschehen, wenn zum Beispiel Prediger
und Gemeindeglieder − verbal oder visuell − als zwei getrennte Gruppierungen erscheinen, wie dies gerade bei Ordinationen häufig der Fall ist.
dere„ Ehre“ und„ Autorität“ des Predigtamts betont,
99
98
Oder wenn die beson-
die Rolle der Gemeindeältesten
und anderer Mitarbeiter aber auf die Unterstützung der Prediger reduziert wird.
1 00
Oder wenn mancher Prediger zuweilen den Eindruck erweckt, alles selbst machen zu
wollen und besser als andere machen zu können.
96
97
98
99
1 00
1 01
Die Formulierung im alten Handbuch für Prediger, daß ein nicht-beglaubigter Prediger„ keinen anderen Stand als jedes andere Gemeindeglied“ mehr habe, ist auf eine unglückliche
Übersetzung zurückzuführen. Das englische Wort standing impliziert keine Hierarchie und
sollte deshalb besser mit„ Position“ oder„ Stellung“ wiedergegeben werden (Handbuch für
Prediger, S. 3 7).
So kann bereits der gutgemeinte Satz„ the candidate [for ordination] steps from the ranks of the
laity into those of the ministry“ ungewollt ein falsches Verständnis fördern (G. I. Butler,
„ Ordination.“ R&H, 1 3 . Februar 1 8 79, S. 5 0). Gefährlich wird es auch, wenn das Predigtamt
als die allerwichtigste Funktion in der Gemeinde bezeichnet „( the most essential role in the
church“ ) und gefolgert wird:„ [Pastoral] Ordination is also the hub of the church organization“ (Miroslav M. Kis,„ Thoughts on a SDA Theology of Ordination“, S. 3 4, 48 ).
„ Some Seventh-day Adventists [sic] ordination services have all the characteristics of an enthronement. The situation is such that an artificial barrier has been constructed that separates the
ordained minister from the rest of the congregation.“ (Rex D. Edwards,„ The Priesthood of
Believers“, S. 29) So ruft der Brauch, alle eingesegneten Prediger einer Vereinigung auf dem
Podium zu plazieren, leicht einen unerwünschten optischen Eindruck hervor. Hierzu finden
sich im neuen Predigerhandbuch einige hilfreiche Vorschläge (S. 8 3 ). Fragwürdig ist es aber
wohl auch schon, wenn die Gemeinden bei der Entscheidung über die Einsegnung eines Predigers so gut wie nicht beteiligt sind. Siehe dazu IV, 4:„ Zur Chronologie der Handauflegung“.
„ Du bist nun mit voller geistlicher Autorität ausgestattet. Es kann keine höhere Ehre einem
Menschen zuteil werden. Aber solche Ehre schließt auch große Verantwortung ein.“
(SDAMM, S. 8 5 )
So betonte das bisherige Handbuch für Prediger die leitende Funktion und Verantwortung des
Predigers für alle Gemeindebereiche sowie seine Stellung über den Gemeindeältesten, denen
eine unterstützende Rolle als Assistenten des Predigtamts zugewiesen wurde (S. 43 . 44; deutsche Ausgabe, S. 40. 41 ). Siehe auch J. H. Zachary,„ The pastor/elder leadership team – I/II“,
Ministry, Oktober und Dezember 1 992, S. 25 , 20. Im neuen Predigerhandbuch findet sich
zwar ebenfalls ein Hinweis auf die„ größere Verantwortung“ des Predigers, der von den Ältesten und Diakonen„ unterstützt“ wird (S. 76). Gleichzeitig wird jedoch an anderer Stelle betont:„ We assume that the role of church members is to help the professional ministers do
their work, when in fact it is the function of the ministers to help the people do their work.“
(S. 1 1 2)
ROLF J. PÖHLER
1 88
Deutliche Einwände müssen auch erhoben werden, wenn bei der Behandlung des
Themas„ Ordination“ nur der Prediger in den Blickpunkt gerückt wird, das allge-
meine Priestertum der Gläubigen und die Rolle der Ältesten und Diakone aber nur
am Rande erwähnt werden. Darin lag eine gravierende Schwäche des Dokuments
„ Ordination: A Statement“, das von der Generalkonferenz im Frühjahr 1 98 9 vorgelegt worden war.
1 02
Es wurde nach mehrfacher, aber eher geringfügiger Überarbeitung
in das neue Predigerhandbuch integriert.
1 03
Ein hierarchisches Mißverständnis der Ordination liegt vor allem dann vor, wenn
verschiedene Rangordnungen der Ordination postuliert werden. Wird bei der Einsegnung von Bischöfen, Priestern und Diakonen − oder auch von Predigern, Ältesten
und Diakonen − nicht nur die unterschiedliche Aufgabenstellung und Entschei-
dungskompetenz gesehen, sondern gleichzeitig die Wertigkeit der einzelnen Ordinationen unterschieden, so impliziert dies eine Hierarchie von Gemeindeämtern, die
sich nicht mehr mit der Lehre und dem Leben der urchristlichen Gemeinde in
Übereinstimmung bringen läßt.
1 04
Siebenten-Tags-Adventisten betonen die prinzipielle Gleichwertigkeit der Ordina-
1 01
1 02
1 03
1 04
„ Is it not true that we ministers have taken upon ourselves too many cares and perplexities of a
temporal nature? Could one cause be that we have placed an unwarrantable importance upon
our ordination, feeling that it has immediately qualified us for all types of ministry in the
church? “ (T. H. Blincoe,„ Needed − a theology of ordination“, Ministry, Februar 1 978 , S. 24)
[J. Mager],„ Stellungnahme zum ,Theology of Ordination Statement‘ “, Bern, 1 9. Januar 1 990;
Brief von Rolf J. Pöhler an E. Ludescher vom 25 . Januar 1 990. Bei dem Versuch, die Rolle
und Autorität des Predigtamts vis-a-vis den Gemeindeältesten und Diakonen zu beschreiben,
weist das Dokument dem Prediger die alles überragende Rolle des Apostels, Leiters, Seelsorgers, Lehrers, Verkündigers und Liturgen zu, während Ältesten und Diakonen lediglich Hilfsfunktionen zugebilligt werden. Dabei wird die Berufung zum Predigtamt auf eine andere, höhere Ebene gehoben als die zum örtlichen Gemeindedienst. Außerdem läßt das Dokument
ein biblisches Verständnis der Handauflegung und der Segnung weitgehend vermissen.
Sprach der ursprüngliche Entwurf dieses Dokuments noch von drei Ebenen „( levels“ ) ordinierter Amtsträger, so werden jetzt nur noch drei Gruppen „( categories“ ) derselben unterschieden: ordinierte Prediger, Älteste und Diakone. Die meisten anderen Veränderungen sind
mehr sprachlicher als inhaltlicher Art.
Eine aufschlußreiche Parallele zu dieser Auffassung findet sich in der Theorie von den Inspirationsgraden „( degrees of inspiration“ ), die im vorigen Jahrhundert von dem damaligen Präsidenten der Generalkonferenz George Butler vertreten, aber von Ellen G. White entschieden
abgelehnt wurde (G. I. Butler, „ Inspiration.“ R&H, 8 . Januar bis 3 . Juni 1 8 8 4; Ellen G.
White, Letter B21 , 1 8 8 8 , Letter B1 8 , 1 8 8 8 , und Letter 22, 1 8 8 9). Nach Ellen G. Whites Überzeugung gibt es zwar durchaus Unterschiede in der Autorität und Funktion inspirierter
Schriften, jedoch keine qualitativen Abstufungen der Inspiration selbst (Selected Messages,
Band 1 , Washington, D.C. 1 95 8 , S. 1 5 - 23 . Dt. Übers. : Für die Gemeinde geschrieben. Ausgewählte Botschaften von Ellen G. White. Band 1 . Hamburg 1 991 , S. 1 5 - 23 ). In ähnlicher Weise
lassen sich zwar die Aufgabenstellung und Entscheidungskompetenz von Predigern, Ältesten
und Diakonen unterscheiden, nicht jedoch die Wertigkeit ihrer Einsegnung.
1 89
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
tionen.
1 05
Allerdings scheint die Praxis nicht immer in voller Übereinstimmung mit
der Theorie zu sein.
1 06
Allein der Umstand, daß in der Adventgemeinde Frauen zwar
als Älteste und Diakone eingesegnet, nicht jedoch als Predigerinnen ordiniert werden
können, fördert unweigerlich das hierarchische Mißverständnis der Ordination.
1 07
b) Das legalistische Mißverständnis der Einsegnung
Zwar betont die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten, daß es sich bei der
Einsegnung keineswegs um eine Beförderung oder Belohnung nach langjähriger
Bewährung im geistlichen Dienst handle, so daß jeglicher Verdienstgedanke von vornherein ausgeschlossen sein sollte.
1 08
Gleichzeitig ziehen sich jedoch bestimmte Gedan-
kengänge durch manche offiziellen Äußerungen, die auf ein weiteres mögliches Mißverständnis der Ordination hinzudeuten scheinen.
So ist zum Beispiel im Handbuch für Prediger (1 977) wiederholt davon die Rede,
daß ein Mitarbeiter zuerst beruflichen Erfolg nachzuweisen und so seine Berufung
unter Beweis zu stellen habe, bevor man ihm segnend die Hände auflegen dürfe.
1 09
Möglicherweise hat dies mit dazu geführt, daß − zumindest im deutschen Sprachraum − Prediger und vor allem Älteste sowie Diakone häufig erst nach einer ganzen
Reihe von Dienstjahren ordiniert wurden bzw. werden. Dabei gehört nach bibli1 05
1 06
1 07
1 08
1 09
Ihre repräsentative Form der Kirchenverwaltung betrachtet„ die Ordination sämtlicher Geistlichen als gleichwertig“ (Gemeindehandbuch, S. 3 4). Der Zusammenhang macht deutlich, daß
mit der Wendung„ the entire ministry“ nicht nur die Prediger, sondern auch die Ältesten und
Diakone gemeint sind. Genauer müßte es also heißen: „ . . . die Ordination sämtlicher
Amtsträger als gleichwertig“.
So soll nach dem alten Predigerhandbuch die Ordination des Predigers„ im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes“ stattfinden, der„ mit ganz besonderer Sorgfalt“ vorbereitet und als
„ einer der feierlichsten aller Gottesdienste der Gemeinde“ bezeichnet wird.„ Die Einsegnung
eines Ältesten oder Diakons gestattet [dagegen] einen einfacheren Ablauf.“ Sie erfolgt meist
im Rahmen eines gewöhnlichen Sabbatgottesdienstes durch den Prediger allein (Manual for
Ministers, S. 20, 29 - 3 1 ; dt. Übers. : Handbuch für Prediger, S. 21 , 28 . 29). Im neuen Handbuch
für Prediger fehlen diese Sätze.
Diese Situation wird dadurch verschärft, daß das Gemeindehandbuch zwar von der Einsegnung (ordination) der Diakone, aber lediglich von einer Amtseinführung (induction) der
Diakoninnen spricht (Gemeindehandbuch, S. 5 9, 61 ). In gleicher Weise unterscheidet auch
das neue Handbuch für Prediger zwischen der Ordination „( ordination“ ) des Predigers und
der Amtseinführung „( induction“ ) der Predigerin und der Diakonin (SDAMM, S. 92).
„ Die Einsegnung darf niemals [im Original: niemals nur] als Belohnung für treue Dienste oder
als günstige Gelegenheit, einem Arbeiter Titel und Einfluß zu verschaffen, angesehen werden.“ „( Der Prediger und sein Dienst“, Aller Diener, 3 /1 971 , S. 42 [aus Working Policy, L 3 5
5 0; zitiert in SDAMM, S. 79])
Manual for Ministers, S. 1 5 - 42; dt. Übers. , S. 1 6 - 3 9. Vgl. SDAMM, S. 69 - 92.
ROLF J. PÖHLER
1 90
schem Verständnis die Segnung an den Beginn eines bestimmten Dienstes, um für die
Betreffenden die für ihre Aufgaben nötigen Gaben und Kräfte von Gott zu erbitten.
Dies sollte nun keinesfalls dazu führen, in Mißachtung des paulinischen Rates
jemandem die Hände zu bald aufzulegen (1 . Tim. 5,22). Wer in leitende Aufgaben berufen wird, sollte im Normalfall eine Zeit der Bewährung hinter sich haben, um seine
Eignung für einen solchen Dienst unter Beweis zu stellen. So sollte niemand zum Ge-
meindeleiter gewählt werden, der sich nicht in verschiedenen Bereichen des Gemeindedienstes bewährt hat. Ebenso hat jeder junge Prediger zuerst die einzelnen Bereiche
seines Amtes kennenzulernen, bevor er die volle Verantwortung für einen Seelsorgeund Verkündigungsbezirk erhält.
Wenn sich jedoch eine Gemeinde bzw. die Gemeinschaft aufgrund der Eignung
einer Person sowie in Anerkennung ihrer geistlichen Gaben entschließt, diese in das
Amt eines Predigers, Ältesten oder Diakons zu berufen, dann sollte die Segnung mit
der Sendung zusammenfallen. Andernfalls entsteht die paradoxe Situation, daß
jemand berufen und beauftragt wird, sich mit Erfolg bewähren und damit seine Berufung nachweisen soll − und das alles, ohne den segnenden Zuspruch der Handauflegung und die Bitte um Ausrüstung mit den für die Aufgaben nötigen Gaben erfahren
zu haben. Damit aber wird aus der späteren Einsegnung fast unweigerlich ein Akt der
Anerkennung und Belobigung für die geleistete Arbeit.
Es ist deshalb nur konsequent, wenn Älteste und Diakone − dem Gemeindehand-
buch und der üblichen Praxis des Weltfelds folgend − nach ihrer Wahl baldmöglichst
eingesegnet werden.
110
Außerdem sollte die Segnung von jungen Predigern als Älteste
ihrer Gemeinden generell durchgeführt werden, wie dies ebenfalls in der Gemeindeordnung vorgesehen und in Nordamerika sowie in manchen Teilen Europas (Frankreich, Portugal) bereits üblich geworden ist.
110
111
„ The pastor will arrange for each elder to be ordained. In some areas of the world there is reluctance to ordain elders until they have proven themselves for a long time. Actually the Church
Manual suggests that ordination should occur soon after the election of church officers. This
gives elders the full support of the church and publicly invites the Holy Spirit to bless their
leadership.“ (J. H. Zachary,„ The pastor/elder leadership team − I“. Ministry, Oktober 1 992,
S. 25 ) Diese Zurückhaltung scheint in Deutschland langsam einem neuen Verständnis zu weichen. 1 979 hatte der Ausschuß des Westdeutschen Verbandes beschlossen, daß Gemeindeleiter nach zwei Jahren ordiniert werden können (Beschluß 405 vom 8 . -1 1 . 4. 1 979). Drei Jahre
später wurde empfohlen, sie möglichst nach 2 - 3 Jahren auch tatsächlich zum Ältestenamt
einzusegnen (Beschluß 8 3 5 vom 28 . - 3 0. 3 . 1 98 2). Der Arbeitskreis„ Ordination von Schwestern“ empfahl schließlich 1 98 5 , die Praxis des Weltfeldes − Ordination gleich nach der Wahl
− bei uns zu übernehmen (Protokoll vom 24. 2. 1 98 5 ). Bis heute ist jedoch keine offizielle
Stellungnahme oder Empfehlung dazu verabschiedet worden.
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
1 91
Darüber hinaus ist zu fragen, ob nicht auch die Tendenz, Angestellte der Gemein-
schaft (Schatzmeister, Redakteure, Leiter von Heimen und Institutionen u. a. ) nach
Jahren gewissenhaften Dienstes einzusegnen, das legalistische Mißverständnis der Ordination fördern kann. Entsteht doch auch hier leicht der Eindruck, die Einsegnung
stelle eben doch eine Art Beförderung oder Dankesbekundung für die geleistete Arbeit dar.
11 2
c) Das sakramentalistische Mißverständnis der Weihe
Nach römisch-katholischem Verständnis verleiht das Sakrament des Ordo Bischöfen
und Priestern eine (höhere) Weihe, durch die sie sich von den Laiengliedern des Kirchenvolkes grundsätzlich, wesensmäßig und für immer unterscheiden. Kraft ihrer
Einsegnung besitzen die Geweihten nämlich ein besonderes„ Prägemal“, einen„ unzerstörbaren Charakter“ (character indelebilis), der sie dem Priester Jesus ähnlich
macht, in dessen Vollmacht sie fortan priesterlich handeln und die in den Sakramen-
ten angebotene Gnade vermitteln können. In einer streng hierarchischen Gliederung
werden insgesamt sieben Weihestufen unterschieden, wobei nur die Bischöfe die Jurisdiktionsgewalt und das Ordinationsrecht besitzen. Die höhere Weihevollmacht ist also auf die in der sog.„ apostolischen Sukzession“ stehenden Bischöfe beschränkt.
In scharfer Ablehnung der römisch-katholischen Ordinationslehre betonte Ellen G.
White, daß die Handauflegung„ keine neue Gnade oder besondere Befähigung“ vermittle.
113
Der Hinweis, die Ordination verleihe nicht den Heiligen Geist oder prie-
sterliche Vollmachten, sondern stelle lediglich eine Beauftragung zu einem besonde111
112
113
SDAMM, S. 71 . Wenn die Identität eines Predigers durch die Ordination definiert wird, dann
muß ernsthaft gefragt werden, welches Selbstverständnis ein sog. „ Hilfsprediger“ denn eigentlich besitzen soll. Während die Gemeindeglieder in ihm bereits einen verantwortlichen
Prediger sehen, wird er meist von seinen ordinierten Kollegen sowie von der Gemeinschaft
noch nicht als gleichwertiger Mitarbeiter betrachtet.
Das Handbuch für Prediger unterscheidet die Einsegnung „( ordination“ ) von Predigern, Ältesten und Diakonen von der Amtseinführung „( induction“ ) von Bibelarbeitern, Schatzmeistern, Abteilungsleitern, Leitern von Institutionen, Kaplanen, Revisoren usw. (SDAMM,
S. 71 , 92). Nur sollte diese Amtseinführung m. E. auch wirklich bei der Amtsübernahme und
nicht erst Jahre später erfolgen.
„ The ceremony of the laying on of hands added no new grace or virtual qualification. . . . At a
later date the rite of ordination by the laying on of hands was greatly abused; unwarrantable
importance was attached to the act, as if a power came at once upon those who received such
ordination, which immediately qualified them for any and all ministerial work. But . . . there
is no record indicating that any virtue was imparted by the mere act of laying on of hands.“
(The Acts of the Apostles, Mountain View, California, 1 91 1 , S. 1 61 -1 62)
ROLF J. PÖHLER
1 92
ren Dienst bzw. Amt dar, findet sich verschiedentlich in der adventistischen Literatur.
11 4
Das segnende Auflegen der Hände ist nach adventistischem Verständnis keine ma-
gische Handlung, die kraft ihres Vollzugs (ex opere operato) oder aufgrund einer dem
Segnenden (Bischof o. a. ) innewohnenden Weihevollmacht beim Ordinanden irgendwelche neuen Qualitäten und Vollmachten bewirkt.
reits das Neue Testament entschieden ab.
11 6
115
Diesen Gedanken wehrt be-
Der Heilige Geist ist niemals in die Verfü-
gungsgewalt des Menschen gestellt; er ist und bleibt jederzeit der souverän handelnde
Herr. Die Handauflegung per se bewirkt deshalb nicht das Eingreifen Gottes; vielmehr bezeugt sie sein machtvolles Wirken. „ Eine formale, instrumentale, dem
Magisch-Zauberhaften nahekommende, vom persönlich-bekenntnishaften Glauben
unabhängige Eingießung der Gnade durch Mittel (Sakramente) kennt die Heilige
Schrift nicht.“
tal.
11 7
Einsegnung ist also zeichenhaft und funktional, nicht personal oder sakramen-
11 8
Sie ist an einen bestimmten Aufgabenbereich und eine konkrete Verantwortung,
jedoch nicht an eine Person gebunden.
114
115
116
117
119
Sie ist Gabe und Aufgabe, aber nicht Besitz.
Siehe [Uriah Smith],„ The Laying On of Hands“, R&H, 21 . Februar 1 8 8 8 , S. 1 20. 1 21 . Vgl.
Raoul Dederen,„ A Theology of Ordination“, S. 24N „( The New Testament gives no indication of an ordination that provides spiritual or official gifts that are otherwise unobtainable.“ ) Schwer nachvollziehbar ist dagegen die Auffassung von Carl D. Anderson, der vor
der Kommission über die Rolle der Frau„ a totally new idea for ordination of anyone today“
vertrat, nämlich„ the opportunity to be the recipients of the Holy Spirit as a congregation
because of the abundance of that heavenly power vouchsafed to those who are ordained. . . . Is
it right to expect the congregation may be indirect recipients of the Holy Spirit through the
ceremony performed before them of ordination? “ Anderson jedenfalls meint aus der Bibel
beweisen zu können,„ that onlookers are also blessed, even though it would appear by proxy
that it comes about“ „( Origin and Growth of Church Structure and Ministry“, unveröffentl.
Manuskript [1 98 8 ], S. 1 4, 3 0).
Es ist deshalb auch problematisch, wenn dem Predigtamt eine besondere Qualität zugeschrieben wird, die es von anderen Berufen unterscheidet. So z. B. Miroslav M. Kis,„ Thoughts on a
SDA Theology of Ordination“, S. 48 :„ But ministry is also more than a profession or a function. Its nature cannot be fully or even essentially expressed only in terms of what a minister
does, nor can it be measured in quantitative terms.“
Apg. 8 , 5 - 24.„ Bei der urchristlichen Ordination kann der Ordinator nicht eine Qualität, die er
besäße, auf den Ordinanden übertragen, sondern Gott allein verleiht das [charisma]. . . . Das
Neue Testament weiß nichts von einer nur auf die Apostel beschränkten Ordinationsgewalt.“
(Lohse, S. 8 4. 93 )
Hans Heinz,„ Kirchliche Sakramente oder neutestamentliche Worthandlungen“, Abendmahl
und Fußwaschung, Studien zur adventistischen Ekklesiologie Band 1 , Hg. Biblisches Forschungskomitee der Euro-Afrika-Division, Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten,
Hamburg 1 991 , S. 1 07. In diesem Aufsatz erläutert der Verfasser treffend das adventistische
Verständnis wirksamer Zeichenhandlungen im Unterschied zum traditionell-kirchlichen
Sakramentsbegriff (S. 91 -1 07).
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
1 93
Sie gilt auf Zeit, nicht auf Lebenszeit. Sie wird durch die Wiederwahl bzw. Beglaubi-
gung regelmäßig bestätigt und kann bei gravierendem Fehlverhalten für ungültig erklärt werden. In einem solchen Fall verliert der Betreffende alle damit verbundenen
Rechte und Vollmachten.
1 20
Deshalb wird auch der pensionierte Prediger ebenso wie sein im aktiven Dienst
stehender Amtsbruder alle drei Jahre beglaubigt und damit in seinem ehrenamtlichen
Dienst von der Gemeinschaft bestätigt.
1 21
In der Ortsgemeinde gilt dieselbe enge Ver-
knüpfung von formaler Beauftragung − hier jedoch durch Wahl anstatt Beglaubigung
− mit der Gültigkeit der Einsegnung. Kein Ältester oder Diakon sollte sein Amt
ohne eine klare Beauftragung durch die örtliche Gemeinde ausführen. Nur wer durch
Gemeindewahl und Einsegnung autorisiert ist, kann und sollte diese leitenden Funktionen im Namen der Gemeinde wahrnehmen.
1 22
Wir fassen zusammen: Es hat sich gezeigt, daß keiner der üblicherweise für die
118
119
1 20
1 21
1 22
So notwendig die Zurückweisung einer magischen oder einer sakramentalen Deutung der
Weihe auch sein mag, so wenig sollte dabei das biblische Verständnis der Handauflegung als
eines wirksamen Zeichens verlorengehen. Die berechtigte Sorge angesichts weitverbreiteter
Fehldeutungen könnte sonst ihrerseits zu einem neuen Mißverständnis bezüglich der Einsegnung führen. So ist einerseits die Deutung der Ordination im Lima-Papier als„ sakramentales
Zeichen“, daß Gott „ die Gabe des ordinierten Amtes verleiht“, aus adventistischer Sicht
schwerlich nachvollziehbar. Andererseits aber kann nur zugestimmt werden, wenn die Handauflegung als„ ein im Glauben vollzogenes Zeichen“ bezeichnet wird, das von der Freiheit
Gottes abhängig ist (S. 46).
„ Wichtig bleibt, daß durch den Vorgang der Berufung [zum Predigtamt] nicht eine besondere
Person, sondern eine bestimmte Funktion vom sacerdotium omnium [d. h. allgemeinen Priestertum] abgehoben wird.“ (Okko Herlyn, Theologie der Gottesdienstgestaltung, Neukirchen-Vluyn 1 98 8 , S. 64)
SDAMM, S. 69 - 70. Dabei wird zwischen dem Entzug der Beglaubigung und der Annullierung
der Einsegnung unterschieden. Diese Unterscheidung gilt vor allem bei einer Abweichung in
Lehrfragen „( dissidence“ ), wenn keine sittliche Verfehlung „( moral fall“ ) oder Abtrünnigkeit
„( apostasy“ ) vorliegt. In diesem Fall kann die Beglaubigung entzogen werden, ohne daß damit automatisch auch die Einsegnung annulliert wird. Praktisch bedeutet dies, daß bei einer
späteren Rückkehr in den Predigtdienst bzw. bei einer Wahl zum Ältesten oder Diakon einer
Gemeinde keine erneute Einsegnung erforderlich ist. Diese Unterscheidung kam 1 98 0 bei
dem australischen Prediger-Theologen Desmond Ford zum Tragen.
Das Handbuch für Prediger spricht in diesem Zusammenhang von„ Ehren-Beglaubigungen“
(SDAMM, S. 70) − ein zumindest fragwürdiger Begriff. Gemeint ist wohl eher eine„ Beglaubigung für den ehrenamtlichen Dienst“.
Ehemalige Gemeindeleiter und Diakone, die das Vertrauen ihrer Gemeinde besitzen, sollten
deshalb auch wiedergewählt werden, wenn die Gemeinde sie zum Beispiel beim Abendmahl
einsetzen möchte. Die Praxis, nach der es oft nur einen einzigen (oder gar keinen) eingesegneten Ältesten oder Diakon in der Gemeinde gibt, entspricht weder der Gewohnheit des
Weltfeldes noch der der Urgemeinde. Nach adventistischer Gemeindeordnung sollten alle
Ältesten und leitenden Diakone einer Gemeinde eingesegnet sein, selbst wenn sie nicht alle
die Hauptleitung der Gemeinde/Diakonie innehaben (Gemeindehandbuch, S. 5 3 - 61 ).
ROLF J. PÖHLER
1 94
Sendung, Segnung und Weihe zum besonderen geistlichen Amt verwendeten Begriffe
vorbehaltlos empfohlen werden kann. Ordination, Einsegnung, Weihe − jedem dieser Ausdrücke haftet aufgrund seines theologiegeschichtlichen Umfelds bzw. seines
heutigen Verwendungszusammenhangs ein Verständnis an, das aus biblischer Sicht
mehr oder weniger problematisch erscheint. Im konkreten Fall wird man sich des-
halb für denjenigen Ausdruck entscheiden, der entweder die geringsten Mißverständ-
nisse auslöst oder der sich in einem bestimmten kulturellen Bereich allgemein durchgesetzt hat.
1 23
So spricht man unter angelsächsischen Adventisten stets von ordination, während
im Französischen der Begriff consecration (Weihe) unbefangen verwendet wird. Im
deutschen Sprachraum ist sowohl von der Einsegnung als auch von der Ordination
die Rede, während der Ausdruck Weihe unter deutschsprachigen Adventisten nicht
üblich ist.
3. Zur Ökonomie der Handauflegung
Neben der Suche nach dem geeigneten Begriff ist die Frage nach dem rechten Gebrauch der Handauflegung von großer Bedeutung. Bei welchen Gelegenheiten und an
wem sollte sie durchgeführt werden, damit ihr Sinn nicht verloren geht oder gar ins
Gegenteil verkehrt wird? Wo liegt das rechte Maß, das weder verschwenderisch noch
geizig mit diesem besonderen Ritus umgeht?
a) Prediger, Älteste, Diakone und . . . ?
Wenn jeder Gläubige bereits bei seiner Taufe zum gabenorientierten Dienst berufen
und eingesegnet wird, ist eine zusätzliche Ordination für die verschiedenen Aufgaben
in der Gemeinde im Grunde genommen nicht mehr notwendig. Allerdings ist es
durchaus angebracht, ein Fürbittgebet für diejenigen zu sprechen, die in Gemein1 23
Selbst der biblische und unverfänglich-neutrale Begriff der Handauflegung stellt keine problemlose Alternative dar, da er aufgrund seiner vielseitigen Verwendbarkeit stets einer näheren Bestimmung bedarf. Letztere kann zwar ohne die vorbelasteten Begriffe„ Ordination“,
„ Einsegnung“ und„ Weihe“ auskommen, führt aber dann leicht zu einer umständlichen Ausdrucksweise. (So könnte man von der„ Handauflegung anläßlich der Beauftragung zum Predigtamt“ usw. reden. ) Aus Gründen der Sprachvereinfachung und Ausdrucksvielfalt wird sich
also der Rückgriff auf die üblichen Bezeichnungen kaum vermeiden lassen. Um so wichtiger
wird es sein, diese Begriffe (Einsegnung, Ordination, Weihe) von ihrem historischen Ballast
zu befreien und statt dessen im Sinne der neutestamentlichen„ Lehre vom Taufen, [und] vom
Händeauflegen“ (Hebr. 6, 2) zu verwenden.
1 95
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
deämter gerufen und gewählt worden sind. Ein besonderer Einsegnungsgottesdienst
mit Handauflegung sollte nach biblischem Vorbild jedoch dann erfolgen, wenn die
Gemeinde oder Gemeinschaft geistliche Leiter bzw. leitende Mitarbeiter beruft und
bevollmächtigt.
In der Adventgemeinde werden in diesem Sinne„ drei Kategorien von Mitarbei-
tern“ eingesegnet: Prediger, Älteste und Diakone.
1 24
Dies entspricht in etwa dem neu-
testamentlichen Modell, demzufolge es neben den Aposteln und deren Beauftragten
noch Älteste und Diakone in den Gemeinden gab.
Die Apostel und ihre Beauftragten (wie z. B. Timotheus und Titus) waren nicht
an bestimmte Gemeinden gebunden, sondern für größere Gebiete zuständig. Ähnlich
ist das Amt des Predigers in der Adventgemeinde eine überregionale Funktion, die
von Bezirksältesten − aber auch von Vorstehern und Abteilungsleitern − ausgeübt
wird.
Bei den Ältesten handelt es sich damals wie heute um die Leiter von Ortsgemein-
den. Sie nehmen geistliche Führungsaufgaben im Bereich der Verkündigung, Seelsorge, Evangelisation, Gottesdienstgestaltung und Verwaltung wahr. Die Vielfalt ihrer
Aufgaben läßt sich am besten in einem Team von Ältesten wahrnehmen;
1 25
scheint auch die Praxis der frühen Kirche gewesen zu sein.
dies
Auch die Diakone nahmen und nehmen bestimmte Führungsaufgaben wahr. Als
leitende Gemeindehelfer obliegt ihnen vor allem die Fürsorge für die Gemeindeglieder und die Gestaltung des Gemeindelebens. Jedoch läßt sich ihr Aufgabenbereich
vom Neuen Testament her nicht allzu deutlich von dem der Ältesten abgrenzen.
1 26
Zusätzlich sollte darüber nachgedacht werden, Gemeindeglieder, die zwar nicht
im Predigtamt, aber dennoch im missionarisch-evangelistischen Dienst vollzeitlich tä1 24
1 25
1 26
SDAE, s.v.„ Ordination“, S. 1 03 7 -1 040.
„ Several elders in each congregation should share the burden of responsibility.“ (J. H. Zachary,
„ The pastor/elder leadership team − II“, Ministry, Dezember 1 992, S. 20)
Die Jerusalemer„ Diakone“ beschränkten sich nicht auf den sozialen Bereich, sondern waren −
wie Stephanus und Philippus − auch evangelistisch tätig (Apg. 6 - 8 ). Auffälligerweise findet
sich im Neuen Testament auch keine klare Stellenbeschreibung für den Dienst der örtlichen
Diakone (vgl. 1 . Tim. 3 , 8 -1 3 ). Vermutlich waren sie jedoch den Gemeindeältesten in ähnlicher Weise zur Seite gestellt, wie die Jerusalemer„ Armenpfleger“ die zwölf Apostel in ihrem
Dienst unterstützten und ergänzten. Für die heutige Gemeindesituation wäre beispielsweise
zu überlegen, ob nicht die wichtigsten Funktionsträger in der Ortsgemeinde (d. h. die Verantwortlichen für die Bereiche Gottesdienst/Liturgie, Gemeindepflege/Diakonie, Öffentlichkeitsarbeit/Mission und Gemeindeverwaltung/Administration) entweder als Ältestenteam
oder zumindest als leitende Diakone eingesetzt und eingesegnet werden sollten. Die Erfahrungen mehrerer Gemeinden mit diesem Modell zeigen, daß dadurch nicht nur das Ältestenamt entlastet wird, sondern zugleich die verschiedenen Gemeindedienste gestärkt werden.
ROLF J. PÖHLER
1 96
tig sind (z. B. als Bibelarbeiter, Missionare, Ärzte oder Lehrer), ebenfalls einzusegnen.
Ihre Funktion entspricht teilweise der der Apostel und Evangelisten in der urchristlichen Gemeinde.
1 27
In diesem Sinne hatte Ellen G. White schon im Jahre 1 906 die
Einsegnung von Missionsärzten empfohlen.
1 28
tere Kategorien der Einsegnung zu schaffen,
Ob es darüber hinaus ratsam ist, wei-
1 29
erscheint zumindest fraglich. Denn
dies könnte am Ende zu einer Entwertung der Ordination führen und dem biblischen Verständnis von der Taufe als der allgemeinen Einsegnung zum geistlichen
Dienst zuwiderlaufen.
1 30
b) Wiederholte Einsegnungen?
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob Diakone noch einmal eingesegnet werden sollten, wenn sie zu Ältesten gewählt wurden. Das gleiche gilt analog
für Gemeindeälteste und Diakone, die ins Predigtamt übernommen werden, sowie
für Prediger, die besondere Führungsaufgaben − in einer Dienststelle oder Institution
(als Abteilungsleiter, Sekretäre, Schatzmeister, Vorsteher, Schulleiter usw. ) − übernehmen sollen.
Wird durch solche wiederholten Einsegnungen die Bedeutung der Handauflegung
eher herabgesetzt und eine Inflation des Ordinationsverständnisses gefördert oder
wird dadurch vielmehr die Funktionalität der Einsegnung deutlicher herausgestellt?
Wie immer die Antwort auf diese Frage auch lauten mag, sie sollte die schon erwähnten
hierarchisch-legalistisch-sakramentalistischen
Handauflegung in jedem Fall zu vermeiden suchen.
1 27
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1 30
Mißverständnisse
der biblischen
In diesem Zusammenhang ist Apg. 1 3 ,1 - 3 von besonderer Bedeutung. Paulus und Barnabas
zählten bereits zu den Propheten und Lehrern (Ältesten? ) der Gemeinde in Antiochien, als
sie zum Missionsdienst ausgesondert wurden. Ihre Segnung erfolgte speziell im Hinblick auf
ihre evangelistische Tätigkeit.
„ The work of the true medical missionary is largely a spiritual work. It includes prayer and the
laying on of hands; he therefore should be as sacredly set apart for his work as is the minister
of the gospel. Those who are selected to act the part of missionary physicians are to be set
apart as such.“ (Counsels on Health and Instruction to Medical Missionary Workers, Mountain View, Calif. 1 95 1 , S. 5 40)
So Dederen,„ A Theology of Ordination“, S. 24N - O.
Bevor Schatzmeister, Geschäftsführer, Verlagsredakteure, Heimleiter und andere Angestellte
der Gemeinschaft ordiniert werden, sollte deshalb geprüft werden, ob und inwieweit sie tatsächlich eine vorrangig missionarisch-evangelistische Aufgabe zu erfüllen haben. Oder man
könnte − als Alternative dazu − dem Vorschlag des Lima-Papiers Beachtung schenken, daß
im Amt des Diakons„ Dienste vereinigt werden, die gegenwärtig in einer Vielfalt von Formen und unter verschiedenen Namen bestehen“ (S. 41 ).
1 97
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
Dabei sollte berücksichtigt werden, daß eine Einsegnung stets an einen bestimm-
ten Verantwortungsbereich gebunden ist und keine besondere Qualität oder Weihevollmacht verleiht, die gleichsam von Amt zu Amt mitgenommen werden könnte.
Deshalb ist die Entscheidung in dieser Frage wohl nicht zuletzt auch davon abhängig
zu machen, ob die Übernahme einer neuen Aufgabe eine nachhaltige Veränderung
der Verantwortlichkeit und damit der benötigten Qualifikation (d. h. Begabung und
Befähigung) mit sich bringt.
4. Zur Chronologie der Handauflegung
Das bisherige Predigerhandbuch empfahl eine bestimmte Verfahrensweise bei der Be-
schlußfassung zur Einsegnung (S. 1 6.1 7; dt. Übers. , S. 1 7.1 8 ). Sie sah vor, daß (1 ) der
Vereinigungsausschuß eine Empfehlung gibt, die (2) vom Verbandsauschuß bestätigt
wird; danach soll (3 ) die Delegiertenversammlung die Einsegnung beschließen und
durchführen. Erfolgt die Einsegnung außerhalb einer Konferenz/Delegiertenver-
sammlung, dann entscheiden die Ausschüsse selbst darüber. Nach dem neuen Handbuch für Prediger sind die folgenden vier Schritte zu beachten: (1 ) Die vorläufige Prüfung durch die Dienststelle, (2) die Empfehlung durch den Vereinigungsausschuß, (3)
die Zustimmung des Verbandes und (4) die abschließende Prüfung der Ordinanden
(S. 79. 8 0).
Bei beiden Verfahren besitzen die örtliche Gemeinde und ihre Glieder so gut wie
keine Mitsprachemöglichkeit, vor allem, wenn (wie üblich) die Verwaltungsausschüsse der Gemeinschaft allein über die Einsegnung von Predigern befinden.
1 31
Nach
reformatorischem Vorbild und Verständnis sollte jedoch die königliche Priesterschaft
der Gemeinde aktiv an diesem Prozeß beteiligt werden. In diesem Sinne möchte der
folgende Vorschlag zum Einsegnungsverfahren für das Predigtamt verstanden werden.
1 31
1 32
1 32
Lediglich bei der Prüfung der Ordinanden können laut Gemeinschaftsordnung„ one or more
laypersons“ vom Vereinigungsausschuß hinzugezogen werden (Working Policy L 5 0; zitiert
in SDAMM, S. 79).
Nach T. H. Blincoe befürwortete Ellen G. White die Mitbeteiligung der„ Laien“ beim Entscheidungsprozeß zur Einsegnung von Predigern. Blincoe bedauert, daß dieser Rat bis heute
in der Adventgemeinde nicht voll verwirklicht wird und fügt seinerseits hinzu:„ The voice of
the laity should be heard and given due weight.“ „( Needed − a theology of ordination“,
Ministry, Februar 1 978 , S. 22 - 24)
ROLF J. PÖHLER
1 98
a) Die Empf
ehlung der Gemeinde(n)
Hat ein Mitarbeiter nach Abschluß seines Praktikums vier Jahre als Prediger − möglichst bereits als ordinierter Ältester − gearbeitet, so ist die Frage nach seiner Einsegnung zu klären.
1 33
Den ersten Schritt dazu unternimmt − ggf. nach Erinnerung durch
die Dienststelle − der zuständige Bezirksprediger. In enger Konsultation mit den Gemeindeältesten und nach Beratung mit den Gemeindeausschüssen sollte er aufgrund
der ausgewerteten Erfahrungen eine schriftliche und begründete Empfehlung bezüglich der Einsegnung des Mitarbeiters an den Vereinigungsausschuß weiterleiten.
b) Das persönliche Vorgespräch
Wird diese Empfehlung vom Vorstand der Vereinigung unterstützt, findet ein längeres Einsegnungsvorgespräch mit dem Mitarbeiter statt.
1 34
Laut Gemeinschaftsord-
nung geht jeder Einsegnung„ eine sorgfältige, nicht unter Zeitdruck stehende Prüfung
der Anwärter hinsichtlich ihrer Befähigung zum Predigtamt voraus“.
1 35
Dies setzt allerdings voraus, daß von seiten der Vorgesetzten regelmäßige Visita-
tionen und Förderungsgespräche mit den Predigern durchgeführt werden, die den
Mitarbeitern Gelegenheit und Anlaß geben, ihre Stärken zu entwickeln und an den
vorhandenen Schwächen zu arbeiten. Andernfalls kann aus dem Vorgespräch zur
Einsegnung eine etwas peinliche Pflichtübung werden, deren Sinn u. U. sogar den
Beteiligten verborgen bleibt.
1 33
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1 36
1 36
„ Ordinarily . . . a licensed minister is ordained after about four years of field experience.“
(SDAMM, S. 75 ) Die folgenden Ausführungen gelten grundsätzlich auch für Predigerinnen,
außer daß diese z. Z. lediglich als Gemeindeälteste ordiniert werden können.
Erfolgt aus bestimmten Gründen (noch) keine Empfehlung zur Einsegnung von seiten des Bezirks bzw. der Dienststelle, so ist dies dem Mitarbeiter umgehend und mit ausführlicher Begründung mitzuteilen. Dieses Gespräch bzw. das Einsegnungsvorgespräch sollte der Vorsteher
der Vereinigung in Anwesenheit des Bezirksältesten, eines Gemeindeältesten sowie des Ehepartners des Mitarbeiters führen.„ Licensed ministers and their families should not be blamed for being deeply concerned about whether or not their work is approved. Conference/mission leaders ought to communicate with them openly. Remove the mystery
surrounding ordination. It is a solemn step, not a secret one.“ (SDAMM, S. 8 0)
Working Policy L 5 0; zitiert in SDAMM, S. 79. Für weitere praktische Hinweise zur Durchführung des Einsegnungsvorgesprächs siehe S. 79 - 8 2.
Es ist erfreulich, daß die Erkenntnisse des modernen Managements, soweit sie biblischen Prinzipien entsprechen, inzwischen Eingang in den Führungsstil mancher Vorgesetzten gefunden
haben.
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
1 99
c) Die administrative Entscheidung
Hat das Ordinationsvorgespräch gezeigt, daß einer Einsegnung nichts im Wege steht,
so beschließt der Vereinigungsausschuß − vorbehaltlich der Zustimmung des Verbandsausschusses − über die Empfehlung des Predigtamtsbezirks zur Einsegnung des
Mitarbeiters. Gleichzeitig werden Ort und Zeitpunkt für den Segnungsgottesdienst
festgelegt.
5. Zur Liturgie der Handauflegung
Wie sollte ein Einsegnungsgottesdienst von seinem Ablauf her gestaltet werden, damit er die biblisch-theologische Bedeutung der Handauflegung in passender Weise
und möglichst anschaulich zum Ausdruck bringt? Mit dieser praktischen Frage kommen wir zum Abschluß unserer Überlegungen.
a) Der Ordinationsgottesdienst
Die Einsegnung, Aussendung und Weihe von Predigern, Ältesten oder Diakonen soll-
te stets im Rahmen eines Festgottesdienstes erfolgen. Dies kann während einer größeren Konferenz, auf einer Bezirksversammlung oder im Rahmen eines„ normalen“
Gottesdienstes geschehen − vorausgesetzt, die Ordination wird nicht zu einem Pro-
grammpunkt während der Bekanntmachungen herabgewürdigt und die Predigt ist auf
das besondere Anliegen der Einsegnung zugeschnitten.
1 37
b) Die gottesdienstlichen Leiter
Obwohl das Neue Testament keine völlig eindeutigen Aussagen darüber macht,
scheint doch der Ritus der Handauflegung und das Segensgebet zur Beauftragung von
Mitarbeitern in erster Linie Sache der Apostel und Ältesten gewesen zu sein. Zumindest werden sie wiederholt und ausdrücklich in diesem Zusammenhang er- wähnt.
1 38
Dies ist sicher nicht im Sinne einer apostolischen Sukzession zu verstehen, bei der
Weihevollmachten von einem Würdenträger an andere weitergegeben werden − ein
1 37
1 38
Die Ordination von Ältesten und Diakonen sollte normalerweise immer in Anwesenheit der
Gemeinde erfolgen, die sie gewählt hat, und vom zuständigen Ortsprediger durchgeführt
werden.
Apg. 6, 2 - 6; 1 3 ,1 - 3 ; 1 4, 23 ; 1 . Tim. 4,1 4; 5 , 22; 2. Tim. 1 , 6; Tit 1 , 5 .
ROLF J. PÖHLER
200
(Miß-)Verständnis, das erst später aufkam. Vielmehr dürfte hier der Gedanke bestimmend sein, daß der offizielle Akt der Beauftragung von Führungspersonen wohl am
besten von den anerkannten Leitern der Gemeinde durchgeführt werden sollte.
1 39
Gleichzeitig läßt die Bibel durchaus Raum für die aktive Mitwirkung von anderen
Gemeindegliedern bei einer Ordination. So legten bei der stellvertretenden Beauftragung der Leviten die Vertreter des Volkes − und nicht Mose und Aaron − diesen die
Hände auf.
1 40
Auch bei der Berufung der Jerusalemer„ Diakone“ sowie bei der Aus-
sendung von Paulus und Barnabas war die Handauflegung nicht unbedingt allein an
die Apostel und Ältesten gebunden.
1 41
Von daher stellt sich auch heute die Frage, ob bei der Beauftragung von Predigern,
Ältesten oder Diakonen nicht ebenfalls Gemeindeglieder, die nicht selbst ordiniert
sind, am Ritus der Handauflegung beteiligt werden können bzw. sollten. Dadurch
würde zum einen den verbreiteten Mißverständnissen der Ordination entgegengewirkt werden; zum anderen ließe sich dadurch der biblische Gedanke der stellvertre-
tenden Beauftragung unterstreichen. Schließlich sollen die bevollmächtigten Leiter
ihre Gemeinden bzw. die Gemeinschaft repräsentieren, ohne das Priestertum aller
Gläubigen in irgendeiner Weise zu schmälern.
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1 42
Dies ist auch die offizielle Auffassung der Adventgemeinde.„ Die Einsegnung [eines Gemeindeältesten] darf nur durch einen eingesegneten und von der Vereinigung beglaubigten Prediger geschehen.“ (Gemeindehandbuch, S. 5 3 ) Dasselbe gilt für die Einsegnung von Diakonen
und Diakoninnen (a. a.O. , S. 5 9, 61 ). Siehe auch SDAMM, S. 90. Obwohl dies nicht ausdrücklich festgelegt ist, wird die Ordinationsfeier für Prediger normalerweise vom Vereinigungsvorsteher geleitet.
4. Mose 8 , 1 3 -1 9. Zur Erklärung siehe Fußnote 1 8 .
Die Elberfelder Bibel übersetzt Apg. 6, 6 wörtlich so:„ Diese [sieben] stellten sie [die ganze Menge] vor die Apostel; und als sie gebetet hatten, legten sie ihnen die Hände auf.“
Aufgrund dieser Überlegungen könnten am Ritus der Handauflegung zum Predigtamt folgende Personen mitwirken: (1 ) Der Vorsteher der Vereinigung und/oder (2) der Predigtamtssekretär des Verbandes als der/die Vertreter der Gemeinschaftsleitung; (3 ) der zuständige Bezirksälteste und/oder (4) ein weiterer eingesegneter Mitarbeiter aus der Vereinigung als
der/die Vertreter der Predigerschaft; (5 ) ein Gemeindeältester und/oder (6) ein weiteres,
nichtordiniertes Gemeindeglied als der/die Vertreter der Gemeinden, in denen der Prediger
zuletzt gearbeitet hat. Nach diesem Vorschlag umfaßt der Kreis derer, die während des
Weihegebets um den Prediger (und ggf. seinen Ehepartner) niederknien, mindestens drei bis
maximal sechs Personen. Vgl. die Vorschläge zur Beteiligung der Gemeinde am Ordinationsgottesdienst im Minister' s Manual (SDAMM, S. 8 3 ).
201
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
c) Der Gottesdienstablauf
Die Kernstücke des Ordinationsgottesdienstes sollten den drei wesentlichen Bedeutungsinhalten der Ordination − Sendung, Segnung, Weihe − entsprechen.
1 43
Die Sendung. Der Auftrag bzw. die Beauftragung macht den Ordinanden bewußt,
wozu sie von Gott und der Gemeinde berufen wurden. Dabei spielen die persönliche
und charakterliche Vorbildfunktion der Ordinanden eine ebenso wichtige Rolle wie
die konkreten Verantwortungsbereiche und Vollmachten ihres Amtes. Die Beauftra-
gung sollte am besten vor dem Weihegebet erfolgen, um einen direkten Bezug zwischen den übertragenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten einerseits und den dafür
benötigten und von Gott zu erbittenden Gaben und Fähigkeiten andererseits herzustellen.
Die Segnung. Das Gebet zur Einsegnung ist seinem Wesen nach ein Fürbittgebet.
Es gipfelt in der Segnung der Ordinanden, die in der Handauflegung durch die Älte-
sten ihr äußeres Zeichen findet. Ein besonders wichtiger und sensibler Aspekt ist
dabei die Frage nach der möglichen Einbeziehung der Ehepartner in dieses Gebet.
1 44
Die Weihe. Nach der Beauftragung und der Segnung ist es vielfach üblich, daß die
soeben eingesegneten Prediger − seltener die Ältesten und Diakone − ein persönliches Wort an die Gemeinde richten. Dabei bilden häufig biographische und theologische Überlegungen den Inhalt dieser Ansprache. Wenn bzw. da jedoch die Ordination auch den Charakter einer Weihe besitzt, sollte zumindest dieses Zeugnis das
1 43
1 44
Nach dem bisherigen Handbuch für Prediger„ gestattet“ die Einsegnung von Ältesten oder
Diakonen„ einen einfacheren Ablauf“ als bei der Einsegnung eines Predigers „( calls for a
more simple service“ S. 29; dt. Übers. , S. 28 ). So verständlich und berechtigt dieser Hinweis
angesichts der unterschiedlichen Verantwortungsebenen dieser Ämter auch erscheinen mag,
so ist dennoch auf die Gefahr hinzuweisen, daß solche Aussagen im Sinne einer hierarchischen Abstufung unterschiedlicher Ordinationen mißverstanden werden können. (Der Satz
findet sich nicht mehr im neuen Handbuch für Prediger. ) Für die Bedeutung und Wichtigkeit einer Einsegnungsfeier ist jedenfalls weder ihre zeitliche Länge noch die Vielzahl der verwendeten Gestaltungselemente entscheidend, sondern das Vorhandensein der inhaltlichen
Aspekte, die wesensmäßig zu einer Ordination gehören, nämlich die Sendung, die Segnung
und die Weihe. An diesem Punkt aber kann es im Grunde genommen keine wesentlichen
Abweichungen zwischen unterschiedlichen Einsegnungsfeiern geben.
Ziel der Überlegungen sollte sein, die Ehepartner möglichst voll in den Gottesdienstablauf zu
integrieren, ohne sie unversehens zu Mitordinanden zu machen. So könnte die Ehefrau an
der Seite ihres Mannes zum Segensgebet niederknien, wenn ihm die Hände aufgelegt werden.
Auf diese Weise wird die Zusammengehörigkeit der beiden in ihrem Dienst für die Gemeinde sichtbar unterstrichen.„ Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden“ − auch nicht beim Ordinationsgottesdienst! Siehe dazu die entsprechenden Empfehlungen des neuen Handbuchs für Prediger (SDAMM, S. 8 3 - 8 5 ).
ROLF J. PÖHLER
202
volle, persönliche Ja der Ordinanden zu ihrer Berufung und Beauftragung zum Ausdruck bringen.
Aufgrund des bisher Gesagten ist jedoch zu fragen, ob ein solches informelles per-
sönliches Zeugnis nach der Einsegnung als ausreichend betrachtet werden kann oder
ob es nicht besser durch ein mehr formelles Gelübde − zumindest aber durch ein öffentliches„ Ja“ nach der Verlesung des Auftrags − ersetzt bzw. ergänzt werden sollte.
Ein solches Versprechen vor der Handauflegung und dem Segensgebet würde in seiner Funktion und Bedeutung dem öffentlichen Gelübde bei der Taufe entsprechen,
die ja ihrerseits als eine Art Ordination zum allgemeinen Priestertum verstanden werden kann.
1 45
Bei all diesen Überlegungen gilt es jedoch, eine starre, bis ins einzelne festgelegte
Ordnung ebenso zu vermeiden wie das ungehemmte Experimentieren mit der Ordinationsliturgie. Maßgebend sollte immer eine biblische Theologie der Handauflegung
bleiben, deren dreifache Bedeutung als Sendung, Segnung und Weihe bei jeder Einsegnungsfeier deutlich sichtbar und hörbar zu machen ist.
V. Ausblick
Als Siebenten-Tags-Adventisten verstehen wir uns als Erben der protestantischen Reformation. Dieser hohe Anspruch wird durch unsere Einstellung zur Bibel, zum
Evangelium sowie zum allgemeinen Priestertum der Gläubigen entweder bestätigt
oder in Frage gestellt. Unsere Studie hat deutlich gemacht, daß zwischen Anspruch
und Wirklichkeit zuweilen ein Unterschied, manchmal wohl sogar ein Widerspruch
besteht, der zu selbstkritischem Nachdenken und zu konkreten Reformen Anlaß
gibt.
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1 46
1 46
Das neue Minister' s Manual enthält ein eigenes Kapitel über die persönliche und berufliche
Ethik des Predigers; sein einleitender„ Ethics Code“ könnte als Grundlage für ein solches
Gelübde dienen. Siehe SDAMM, S. 5 1 , 8 2, 90; vgl.„ Seventh-day Adventist Minister' s Code
of Ethics“, Ministry, Dezember 1 991 , S. 20. Paradoxerweise sieht das Handbuch für Prediger
ein solches Versprechen „( commitment“ ) im Falle der Amtseinführung von Predigerinnen,
Bibelarbeitern, Schatzmeistern − ja selbst bei der Segnung von Neugeborenen − durchaus
vor, während gerade bei der Einsegnung des Predigers kein derartiges Versprechen oder Gelübde erwartet wird und u.U. sogar das persönliche Zeugnis des Ordinanden entfallen kann
(SDAMM, S. 8 4, 92, 1 98 -1 99). Hier liegt eine Ungereimtheit, ja ein offensichtlicher Widerspruch vor, der beseitigt werden sollte.
Deshalb sollten auch Siebenten-Tags-Adventisten sich der Heraus-forderung nicht entziehen,
die am Ende des Lima-Papiers über das geistliche Amt formuliert wurde.„ Alle Kirchen müssen die Formen des ordinierten Amtes und das Maß, in dem sie seinen ursprünglichen Intentionen treu sind, überprüfen. Die Kirchen müssen zu einer Erneuerung ihres Verständnisses
und ihrer Praxis des ordinierten Amtes bereit sein.“ (S. 48 )
SENDUNG − SEGNUNG − WEIHE
203
In der Sprache der Reformation des 1 6. Jahrhunderts lautete diese Aufgabe: eccle-
sia reformata semper reformanda − die erneuerte Gemeinde bedarf der ständigen Erneuerung. Im adventistischen Sprachgebrauch könnte man diese Einsicht sinngemäß
vielleicht so wiedergeben: Die Gemeinde der Übrigen muß die unbiblischen Reste
traditioneller Denk- und Verhaltensmuster beseitigen, wenn sie den Geboten Gottes
gehorchen und dem Glauben sowie dem Zeugnis Jesu gemäß leben und lehren will.
Eines jedenfalls darf als sicher gelten:„ Nimmt man das allgemeine Priestertum als
theologische Basiskategorie ernst, so verändert sich damit die gesamte Ekklesiologie.
Ein neues Selbstverständnis der Kirche würde gewiß auch die empirische Wirklichkeit der Gemeinden allmählich umgestalten.“
1 47
Wird die Adventgemeinde an der Schwelle des dritten Jahrtausends nach Christus
die Entschlossenheit und den Mut haben, in diesem Sinne an der Vollendung der Reformation mitzuwirken? Mit Barth darf gesagt werden:„ Für eine Wiedergewinnung
der Fülle des einen Amtes in der Vielgestaltigkeit des allgemeinen, gegenseitigen und
gemeinsamen Priestertums ist es noch nicht zu spät! “ (S. 239)
1 47
Barth, S. 25 . In seinem„ Entwurf einer Theorie des allgemeinen, gegenseitigen und gemeinsamen Priestertums“ (S. 1 8 9 - 25 0) betont Barth vor allem dessen ekklesiologische Dimension,
die sich im Dienst der Gläubigen aneinander manifestiert (1 93 ). Seine knappe Definition lautet:„ Die Glaubenden übernehmen aneinander und an den Nichtglaubenden das Amt Christi.“ (1 94) Beim Vollzug der (Erwachsenen-)Taufe sollte die Berufung zu diesem Priestertum
theologisch und liturgisch zum Ausdruck gebracht werden (1 95 -1 97); auch der Gottesdienst
könnte mehr davon sichtbar machen (1 99 f, 221 , 23 4).„ Alle dürfen sich als Priester füreinander begreifen! “ (222) Dazu bedarf es allerdings der praktischen„ Ausbildung und Zurüstung“
− nicht zuletzt durch das ordinierte Amt (226 f). Dabei stehen geistliches Amt und allgemeines Priestertum nicht in Konkurrenz zueinander (229 - 23 2); denn das Amt stellt nur eine bestimmte Ausformung und Gestalt des Sendungsauftrags der Kirche dar (23 2 f).„ Die Aufgabe
des Amtes besteht darin, die Wirklichkeit des allgemeinen Priestertums entdecken zu helfen“
(23 4), die verschiedenen Dienste in der Gemeinde einander zuzuordnen und zur Entfaltung
zu bringen (23 6). Deshalb darf es − gerade in dessen Interesse! − nicht nivelliert werden
(23 4). Das Amt leitet Gemeinde ja„ nicht auf Kosten, sondern auf Grund des allgemeinen, gegenseitigen und gemeinsamen Priestertums der Glaubenden“ (23 6 f). In der Tat,„ die Lehre
vom allgemeinen Priestertum hat fundamentale Auswirkungen . . .“ (23 9).
ROLF J. PÖHLER
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