Nationalismus und die sowjetische Nachkriegsmoderne am Beispiel

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Oxana Gourinovitch
Technical University, Berlin
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Nationalismus und die sowjetische Nachkriegsmoderne am Beispiel von Belarus und
Litauen.
Die sowjetische Nachkriegsmoderne, die in den nuller Jahren des XXI Jahrhunderts mit viel
Bewunderung für die Weltarchitekturszene wiederentdeckt wurde, wird notorisch als ein
"kohäsives sowjetisches" oder gar "russisches" Phänomen wahrgenommen, was sie aber auf
keinen Fall war. Die kontrapunktierenden Stimmen der lokalen Researcher ändern nichts an
dem allgemeinen Wahrnehmungsmodus. So bleiben ihre Versuche, die nationalen
Architekturen der Sowjetunion für seine Nationen zu reklamieren, nur in den engen
Fachkreisen zur Kenntnis genommen. Das herrschende modus operandi am besten
veranschaulicht das Magazin der Bibliothek der HU Berlin: die sowjetische litauische oder
e.g. georgische Architektur sind in der Abteilung "Russische Architektur" zu suchen.
Die von den internationalen Architekturhistoriker und Publikum ignorierte sowjetische
nationale Frage prägte allerdings das Land nicht nur zeitlang seiner Existenz, sondern bereits
vor seiner Entstehung, und hat einen tragischen Nachhall noch heute, ein Viertel Jahrhundert
nach seinem Verschwinden. Die nationale Frage war vom Beginn schlechthin die Frage der
Existenz für die Sowjetunion, den Nachfolger des einzigen Imperiums der Welt, das die
"Urkatastrophe der Moderne"1 überstanden hatte. Sie könnte ihre 128 offiziellen Völker in
den 15 Nationalrepubliken fast bis zum Ende des "kurzen Jahrhunderts" zusammenhalten, bis
sie 1991 in die nationalen Komponente zerfiel.
Die Frage des Nationalen in der Kultur wurde von den Führern des Landes, das Kunst und
Politik zu einem "Gesamtkunstwerk"2 verschmelzen sollte, immer dementsprechend ernst
genommen. Die Widersprüchlichkeit und Gegenläufigkeit der nationalen Kulturpolitik zeugen
nicht zuletzt von Angst, die Regierung vor der sozialen Kraft der Nationalismen hatten. In den
ersten 20 Jahren nach der Revolution hatte das Verhältnis der Macht mit den nationalen
Kultureliten alle möglichen Stadien durchlaufen: mit ihnen wurde kokettiert, sie wurden
1
Eric Hobsbaum: The Age of Extremes: A History of the World 1914 - 1991
2
Boris Groys: Gesamtkunstwerk Stalin
unterstützt und aufgebaut - um schließlich vernichtet zu werden. Der Anfang der Exekution
der Nationaleliten ging gleichzeitig mit der hypokritischen Rede Stalins im 1930 ein, in der er
das Nationale zum Grundstein seiner Kulturparadigma des sozialistischen Realismus erklärte.
Es war daher nicht die Sprache des national verpflichtenden stalinistischen Sozrealismus, die
in den Republiken reifende Nationalismen durch Architektur wirklich zum Ausdruck brachte.
Erst die Sprache der "kosmopolitischen" Moderne, welche nach dem Tod Stalins den
Sozrealismus ablöste, wurde sowohl zum Medium als auch zu der Message der
nationalistischen Stimmungen. Die Architektur des sowjetischen Modernismus der
Nachkriegszeit wurde von der Idee des Nationalen geprägt und prägte diese Idee ihrerseits dies ist die Hauptthese meines Dissertationsvorhabens.
Die Instrumentalisierung des internationalen Modernismus für die nationalistische Zwecke
war nicht untypisch für die Architekturgeschichte des XX. Jahrhunderts: so liefern der
südliche und der nördliche Nachbarn, Türkei und Finnland, zwei wunderbare Beispiele dafür.
Genauso geläufig ist das Erkenntnis der essentiellen Rolle des Nationalismus in der
Geschichte der Sowjetunion für Historiker und Politologen. Im ersten, theoretischen, Teil
nimmt die Untersuchung sich hauptsächlich vor, im Gegensatz zu ihrem Gegenstand, die
Grenzen zu überschreiten, anstatt sie zu setzen: Die architekturhistorischen Szenarien in den
sowjetischen Republiken möchte sie in eine Reihe mit den türkischen und finnischen
eingliedern; die Erkenntnisse aus den Bereichen Geschichte und Politologie auf die
Architekturgeschichte anwenden. Der theoretische Diskurs sucht nach den Parallelen der
Entwicklung der sowjetischen Nachkriegsmoderne zu den anderen sowohl geografischen
Regionen als auch Fachbereichen, welche die These der Arbeit bestätigen können.
Im zweiten Teil nähert sich die Arbeit praxisbezogen dem Untersuchungsgegenstand und
stellt das Fokus auf die Praktiken der Architekturproduktion ein: die Organisations- und
Bildungsstrukturen, Schlüsselpersönlichkeiten werden im Bezug auf Nationalismus bewertet,
die ideelle Werte, Vorbilder, ästhetische Ideale und moralische Grundsätze werden anhand
der Memoiren, Interviews, Publikationen der Architekten nachgespürt; abschließend wird die
Auswirkung von den durch Nationalismus geprägten Faktoren auf die Architektur analysiert.
Da die Beschäftigung mit der ganzen UdSSR die Rahmen des Vorhabens beim weiten
sprengen würde, begrenzt sich die Arbeit auf den Vergleich von zwei Nachbarrepubliken
Belarus und Litauen. Diese zwei, in der nationalistischen Hinsicht, Gegenpolen bieten für den
Untersuchungszweck ein gutes Vergleichspaar an.
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