Lästige Lasten liften

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Embedded Technologien Leistungselektronik
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Lästige Lasten liften
Leistungsfaktorkorrektur: Verluste minimieren
Den Cosinus Phi korrigieren heißt, die Waage zwischen induktivem und kapazitivem Blindstrom auszugleichen:
Marktbeobachter prognostizieren Netzteilen mit Leistungsfaktorkorrektur eine rosige Zukunft. Das Journal bittet
denn auch einen Experten zu Wort, nicht ohne ihm einige Tipps für Netzteilentwickler zu entlocken.
Mit der steigenden Nachfrage nach elektronischen Konsumgütern und Personalcomputern im privaten und geschäftlichen Bereich lohnt es sich für den Enduser, die Energiekosten
seines Geräteparks zu analysieren. Die resultierende Forderung
nach weniger Stromhunger ist durchaus legitim und könnte den
Trend nach erheblich effizienteren internen und externen Stromversorgungen weitaus mehr als je zuvor stützen – doch tut sie dies?
„Bekanntlich errechnet sich der Wirkungsgrad von Stromversorgungen für Telekommunikations- oder Industrieanlagen bis in
den Kilowattbereich hinein als Produkt der Einzelwirkungsgrade
des Netzteils mit dem des Integrals über die lokalen Schaltwandler – unter Negation des Leistungsfaktors, versteht sich“, schimpft
denn auch Aung Thet Tu. Er ist Business Development Manager
bei Fairchild Semiconductor in South Portland, Maine, und weiß
so kraft Amtes, dass die Chipschmiede gelernt haben, mit den
Kosten- und Leistungskompromissen bei Umrichterschaltkreisen
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ganz passabel umzugehen, während er bei der Leistungsfaktorkorrektur hinsichtlich geeigneter Topologien und Steuerungstechniken nur schleppende Innovationen registrieren kann.
Der leidige Zustand scheint sich in jüngster Zeit allerdings
zu ändern: Dieser Beitrag diskutiert diese Änderungen und beschreibt, wie sich der Stromversorgungsentwickler durch zahlreiche Behauptungen und irreführenden Hinweise sicher hindurchnavigiert. Abgebildet ist ein vereinfachtes Frontend zur
Leistungsfaktorkorrektur, das den Fokus des Lesers erst einmal
auf den Wirkungsgrad der benötigten Leistungsbausteine richten
kann. Signifikante Verlustquellen sind:
die Freilaufdiode;
die Eingangsdiodenbrücke;
das EMV-Filter;
der Powerfet-Schalter;
die Drossel.
Leistungselektronik Embedded Technologien
Rückerholverluste der Freilaufdiode: Bei der Leistungsfaktorkorrektur kommen in der Regel zwei Steuerungstechniken zum
Einsatz. Im Continuous Conduction Mode regelt der Steuerchip
den durchschnittlichen Strom durch die Drossel über eine pulsbreitenmodulierte Festfrequenz, während im Boundary Conduction, auch bekannt als Transition oder Critical Conduction Mode,
der Strom durch die Drossel bereits auf Null zurückfallen kann,
bevor der Leistungsschalter abschaltet. Damit handelt es sich hier
um eine mit variabler Frequenz arbeitende Schaltung. Sobald der
Powerfet eines CCM-Wandlers sperrt, muss sich die Freilaufdiode
sozusagen rückwärts erholen, da sie vom Strom durch die Drossel
noch immer durchflossen wird. Das verursacht einen Verlust im
Powerfet des CCM-Frontends. In einem BCM-Frontend ist der
Strom durch die Drossel beim Abschalten des Powerfets dagegen
praktisch beim Nulldurchgang angelangt – das so ermöglichte
weiche Schalten verkleinert die Rückerholverluste der Freilaufdiode. Doch die BCM-Technik zeigt auch Nachteile. Der etwa doppelt
so hohe Spitzenstrom durch die Drossel verursacht höhere Durchlassverluste im Powerfet, der Freilaufdiode und der Drossel selbst.
Daher eignen sich BCM-Wandler nur für Leistungen bis etwa 300
Watt.
„Neuerdings können Verbesserungen in der Diodentechnologie
den Wirkungsgrad von CCM-Frontends zudem deutlich verbessern“, weiß Tu unter Bezug auf SiC-Versionen, mit denen sich die
leidigen Rückerholeffekte dann drastisch reduzieren lassen, wenn
das Budget für die neue Technologie ausreicht. „Als Kompromiss
empfehle ich die Stealth-Diodenserie von Fairchild, diese kann bei
den Rückerholungsverlusten gleichziehen – höhere Durchlassverluste müssen allerdings in Kauf genommen werden.“
Verluste der Eingangsbrücke: Im Eingang des Frontends sitzt ein
Brückengleichrichter aus vier sich weich erholenden Dioden. Die
Verluste in diesen Dioden sind erheblich – ein Grund zur Einführung einer quasi brückenfreien Topologie, bei der die unteren Dioden des Brückengleichrichters durch zwei als Schalter wirkende
Powerfets zu ersetzen sind. Die verbleibenden Dioden können den
Freilauf übernehmen – womit die Freulaufdiode der herkömmlichen Topologien entfällt. Theoretisch bietet dieser Ansatz einen
besseren Wirkungsgrad, da der Strompfad anstatt durch drei nur
noch durch zwei Halbleiterbauelemente verläuft. „In derartigen,
quasi brückenfreien Topologien sollte das Augenmerk des Entwicklers auf der elektromagnetischen Abstrahlung der Stromabtastung liegen“, warnt Tu. Darüber hinaus müssen die Powerfets
der Quasibrücke gegen Transienten aus dem Netz geschützt werden und da dort schnelle Dioden zum Einsatz kommen, wird auch
ein Schutz gegen Stromstöße beim Einschalten des nachgeschalteten Gerätes unumgänglich.
„Plant der Entwickler den Einsatz neuester Techniken zur Leistungsfaktorkorrektur, etwa die Einzyklussteuerung oder den
Spannungssteuerungsmodus des FAN7528 von Fairchild, lassen
sich die Bedingungen für eine Eingangsspannungsabtastung erleichtern“, sagt Tu. Es sei jedoch üblich, die beiden Brückenschalter mit einem Ansteuersignal des Steuerchips zu steuern und dabei müssten die Zeitverläufe optimiert werden, um jeden Schalter
individuell anzusteuern, so den Wirkungsgrad des Frontends zu
steigern und dessen elektromagnetische Abstrahlung zu senken.
Verluste im EMV-Filter: Eine Verkleinerung des elektromagnetischen Interferenzfilters reduziert die dort auftretenden Verluste. Hier rät Tu, von lokalen, mehrphasigen Wandlern zu lernen
– diese arbeiten mit mehreren Leistungsstufen. „Solche Wandler
senken die Eingangswelligkeit und ermöglichen so, die Größe des
EMI-Filters sowie die Gesamtinduktivität der Drossel zu senken –
„Der Markt für Netzteile mit Leistungsfaktorkorrektur wächst schneller als der allgemeine Netzteilemarkt“: Aung Thet Tu von Fairchild Semiconductor in South Portland,
Maine.
Vereinfachte Grundschaltung zur Leistungsfaktorkorrektur: Die fünf Verlustbringer der Schaltung heißen EMV-Filter, Gleichrichterbrücke, Drossel, Schalter
und Freilaufdiode.
deren Aufteilen zudem das thermische Management erleichtert.“
Verluste im Powerfet-Schalter: Um die dynamischen Verluste des
Powerfets zu mindern, muss dieser entweder beim Nulldurchgang der Spannung oder beim Nulldurchgang des Stromes schalten. „Eine BCM-Steuerung mit den Controllern FAN7527B und
FAN7528 von Fairchild schaltet den Powerfet beim Nulldurchgang
des Stroms“, erklärt Tu. Dabei fällt die Verlustleistung, da keine
Schaltverluste zu verzeichnen sind. „Für Frontends mit niedriger
Leistung ist das vorteilhaft, bei höheren Leistungen dominieren
jedoch die Durchlassverluste.“ Siehe weiter oben, die BCM-Topologie eignet sich nur für Leistungen unter 300 Watt. „Aufgrund
der relativ niedrigen Schaltfrequenz von Frontends zur Leistungsfaktorkorrektur ist es jedoch möglich, die Durchlassverluste bei
höheren Leistungen mit IGBT zu reduzieren.“
Der Leistungsschalter kann jedoch auch beim Nulldurchgang
der Spannung schalten. Eine Zusatzschaltung nutzt dazu einen
Hilfsschalter, Gleichrichter und Spule – der zugehörige Steuerchip
von Fairchild heißt FAN4822. „Die drei externen Komponenten
bilden einen sogenannten Baby-Boost, unter Verwendung der Resonanz lässt sich die Spannung am Hauptschalter auf Null ziehen,
bevor dieser schaltet“, schlägt Tu vor. Sein Ansatz erscheint zwar
interessant, aber die zugehörige Topologie ist komplex.
Verluste der Drossel: Die Verluste in der Spule lassen sich durch
die Minimierung der Induktivität des Bauteils senken: „Dazu
muss die effektive Schaltfrequenz steigen und das lässt sich mit
Steuerchips bewerkstelligen, deren Schaltfrequenz extern einstell-
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Auf einen Blick
Den Cosinus Phi aktiv korrigieren
Während die Halbleiterei den Wirkungsgrad von Netzteilen mehr und
mehr fokussiert und den Entwickler mit einer Fülle von Bausteinen
verwöhnt, ist der Cosinus Phi bislang Stiefkind geblieben. Doch die
Situation ändert sich mehr und mehr. Der Beitrag gibt Navigationshilfen
zur Entwicklung von Netzteilen mit Leistungsfaktorkorrektur.
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Verluste der aktiven Leistungsfaktorkorrektur
„Netzteile mit aktiver Leistungsfaktorkorrektur werden sich im Weltmarkt
künftig schneller als der allgemeine Netzteilmarkt entwickeln – gestützt
durch die Forderung der Gerätenutzer nach einer Optimierung des Wirkungsgrades. Wirkungsgrad kommt allerdings nicht kostenfrei. So muss
der Entwickler denn auch sorgfältig abwägen zwischen der Zahl der eingesetzten Bauteile und damit den Kosten, der Zuverlässigkeit der ausgewähl-
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Rückerholungsverluste der Freilaufdiode.
Wenn die Ausgangsleistung unter 300 Watt
bleibt, erwäge einen Boundary Conduction Modus
der Steuerung.
Erwäge über 300 Watt eine phasenverschobene
Parallelschaltung von BCM-Wandlern sowie
schnellere Dioden.
Hohe Welligkeit und hoher Effektivstrom bedeuten
höhere Durchlassverluste und größere EMV-Filter.
Stromaufteilung. Zusätzliche Komplexität. Mögliche Interaktion zwischen zwei nicht synchronisierten Umsetzern mit variabler Frequenzeinstellung. Höhere Kosten möglich.
Verluste in der Eingangsdiodenbrücke.
Erwäge im Continous Conduction Modus eine
gesteuerte Halbbrücke als Eingangsgleichrichter.
Netztransientenschutz der Schalter. Einschaltstrom. Keine bewährte BCM-Steuerung verfügbar.
Optimierte Steuerung für aufgeteilte Gateansteuerung gefordert.
Verluste im EMV-Filter.
Erwäge phasenverschobene Leistungsstufen, um
die Größe des EMV-Filters zu reduzieren.
Zusätzliche Komponenten. Synchronisation der
Leistungsstufen. Stromaufteilung.
Verluste im Powerfet-Schalter.
Entscheide zwischen Schalten im Nulldurchgang
des Stromes oder der Spannung.
Boundary Conduction Modus mit Schalten beim
Nulldurchgang des Stromes ist leistungslimitiert;
Schalten beim Nulldurchgang der Spannung ist
komplexer (Kosten).
Verluste in der Drossel.
Mindere den Induktivitätswert der Drossel durch
Anheben der Schaltfrequenz.
Erhöhter Leistungsverbrauch. Benötigt schnellere
und teurere Dioden.
bar ist.“ Doch Tu kennt auch die Nachteile dieser Vorgehensweise:
„Der Anteil der Harmonischen steigt und ich befürchte auch, dass
teurere Dioden zum Einsatz kommen müssen.“ Die Alternative
nach dem Vorbild mehrphasiger Wandler wurde weiter oben diskutiert, hier sind höhere Spitzenströme akzeptabel, da die Stromwelligkeit ja besser unterdrückt wird. Höhere Spitzenströme benötigen kleinere Induktivitätswerte, weniger Kupfer und niedrigere
Durchlassverluste pro Drossel.
Zukünftige Entwicklungen: Ein populärer Ansatz ist die Boostfolge-Leistungsfaktorkorrektur, bei der sich die Ausgangsspannung
des Frontends mit der Netzspannung ändern darf. Mit dieser
Methode lässt sich der Gesamtwirkungsgrad eines den Leistungsfaktor korrigierendes Netzteils verbessern. Doch auch hier gibt es
Nachteile: „Die Entwicklung wird komplexer und der Einsatz re-
sonanzgesteuerter Halbbrücken wäre ausgeschlossen.“ Tu merkt
hier an, dass es für einige Trends in der Leistungsfaktorkorrektur,
etwa den mehrphasigen Ansatz oder die gesteuerte Halbbrücke
noch keine Analogchips gäbe. „Überlegenswert sind Digitalsteuerungen.“ In der Praxis gibt es mindestens drei Markteinführungen
digital gesteuerter Netzteile mit Leistungsfaktorkorrektur – deren
Kostenansatz dem unbefangenen Beobachter jedoch mindestens
im unteren Leistungsbereich als viel zu hoch erscheint. „Eine interessante Entwicklung“, schließt Tu, „die wir bei Fairchild weiter
genau beobachten werden.“ (hn)
Leistungsmosfets
terapplikationen besser zurecht und lassen sich parallel schalten.
Am Anfang der Fahnenstange stehen bereits zehn Mosfets und fünf Fredfets für
den Bereich zwischen 19 und 75 Ampere
und Sperrspannungen zwischen 500 und
1200 Volt bereit. „Fredfets zeigen im Prinzip die selben Eigenschaften wie MOS8-Mosfets, die Bodydioden sind jedoch Power-MOS-8 im SOT227-Gehäuse:
mit Rückerholzeiten von weniger als 250 Fredfets unterscheiden sich von
Nanosekunden spezifiziert“, weiß Loder. Mosfets durch die spezifizierte
Bodydiode.
„Noch vor Ende des Jahres kommen Versionen mit Erholzeiten von weniger als 150 Nanosekunden.“ Die Bausteine
eignen sich zur Leistungsfaktorkorrektur in Server- und Telekommunikationssystemen, Lichtbogenschweiß- oder Batterieladegeräte. (jm)
Microsemi, Tel. (+1 949) 221-7112, [email protected]
Den Leistungsfaktor im Visier
„Wie von unseren Kunden gewünscht wartet die jüngste Power-MOS-8Generation mit kleinerem Wärme- und Einschaltwiderstand sowie höheren
Nennströmen auf“, sagt Tom Loder, Vizepräsident Sales & Marketing bei
Microsemi in Irvine, Kalifornien. Die Leistungsfets sind für die aktive Leistungsfaktorkorrektur gedacht – wofür gegenüber Vorgängerversionen die Oszilationsimmunität
sowie die elektromagnetischen Abstrahlwerte
verbessert wurden. Gleichzeitig erlauben niedrigere Kapazitätswerte und Gateladungen höhere
Schaltfrequenzen bei weniger Schaltverlusten.
Außerdem kommen die neuen Bausteine in FilFührt Powermos- und Powerfredfets zur Leistungsfaktorkorrektur: Tom Loder von Microsemi
in Irvine, Kalifornien.
30
ten Technik und dem Einsatz neuester Technologien. Durch eine sorgfältige
Auswahl der Bauelemente in Kombination mit neuen Steuerungstechniken
und innovativem Design lassen sich jedenfalls signifikante Verbesserungen
beim Wirkungsgrad von Netzteilen mit aktiver Leistungsfaktorkorrektur
erzielen. Die wichtigsten Verlustbringer habe ich samt Tipps und Tricks zu
deren Minderung in einer Tabelle gelistet.“ (Aung Thet Tu)
elektronikJOURNAL 11/2006
Fairchild Semiconductor
Tel. (+49 81 41) 61 01-0
[email protected]
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