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NR 01 März 08
Das Magazin der Katholischen Jugend der Erzdiözese Wien
ABRAHAMS
KINDER
Editorial

Wusstest du,
man als Abrahamitische
Religion jene monotheistischen Religionen
bezeichnet, deren Wurzeln im ersten Hauptteil
der Hebräischen Bibel,
der Tora oder dem Pentateuch, zu finden sind.
Der Begriff bezieht sich
vor allem auf den dort
überlieferten Bund zwischen dem Gott JHWH
und Abraham, dem
Stammvater des Volkes
Israel (Genesis 12,1-3),
den auch christliche und
muslimische Gläubige als
ihren von Gott erwählten
Stammvater ansehen.
..........................................
„Vater Abraham hat viele Kinder …“ So beginnt
ein bekanntes Kinderlied. Da uns als Katholischer
Jugend der Dialog bzw. Trialog zwischen den abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und
Islam ein großes Anliegen ist, wollen auch wir in dieser Ausgabe des ConnectU ein Lied davon singen.
Besonders freut es mich, dass wir von muslimischer
und jüdischer Seite Gastautorinnen und -autoren
für die Mitgestaltung dieses ConnectU gewinnen
konnten. Denn in dieser Ausgabe geht es nicht darum, „Den Islam“ und „Das Judentum“ zu verstehen,
sondern einzelne Menschen, die sich zu diesen Religionen bekennen. Wir lesen, was die Muslima Safa,
die Jüdin Chaja und der Christ Arno über ihre Glaubenspraxis erzählen und wie sie die jeweils anderen
Religionen sehen. Wir entdecken in der Wahrnehmung religiöser Zeugnisse Gemeinsamkeiten und
Unterschiede. Saime Öztürk von der muslimischen
Jugend Österreich stellt in ihrem Artikel Abraham
als Prophet und Glaubensvater vor und sieht darin
die Verbindung zu Judentum und Christentum. Prof.
Martin Jäggle zeigt auf, was angesichts der religiösen
Pluralität Interreligiöses Lernen heißen kann und
belegt die Notwendigkeit des Dialoges zwischen den
Religionen mit einigen Zitaten aus Dokumenten des
Zweiten Vatikanums. Klemens Reidlinger legt dar,
wie das religiöse Leben der drei Schriftreligionen
zeitlich strukturiert ist und dass „Zeit“ das Leben vor
dem liebenden Anblick Gottes meint.
Das ConnectU erhalten erstmals auch alle ReligionslehrerInnen Höherer Schulen. Sie und alle in der
Jugendarbeit Aktiven möchte ich besonders auf den
thematischen Praxis-Teil zum Herausnehmen aufmerksam machen, der Materialien, Buch-, Behelfsund Filmtipps, sowie hilfreiche Hinweise für Schule
und Jugendgruppe enthält.
In nächster Zeit gibt es auch einige themenspezifische Veranstaltungen der KJ Wien, die in dieser
Ausgabe genauer vorgestellt werden: Z.B. das 3-tägige
Seminar „Aufgeglaubt“, das die Auseinandersetzung
mit dem eigenen Glauben möglich macht. Denn ohne
Kenntnis und Wertschätzung der eigenen Religion/
Tradition ist der interreligiöse Dialog unmöglich.
Weiters wird ein interreligiöses Streetsoccerturnier
veranstaltet, wo der Dialog auch auf dem Fußballfeld
stattfindet.
Das alles und vieles mehr findest du in diesem ConnectU. Ich wünsche dir viel Freude beim Lesen und
beim Kennenlernen einiger Kinder Abrahams!
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Petra Weinreich,
Redaktionsteam
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
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Thema
Jerusalemer Tempels 165 v. nach Verunreinigung durch Helle-
BASICS
Vergewisserung und Inspiration
Erfolgreiches Symposium in der
Jugendkirche Wien
nisten)
• Purim-Fest (gedenkt der Rettung vor geplanter Vernichtung,
nachzulesen im biblischen Buch Esther)
Feste in besonderen Lebensphasen
• am 8. Tag: Beschneidung (Symbol des Bundes zwischen Gott und
Abraham)
• mit 13 Jahren: bar-mizwa (Sohn der Pflicht) bzw. mit 12 Jahren
JUDENTUM
bat-mizwa (Tochter der Pflicht) nun ist der/die Jugendliche Vollmitglied der jüdischen Gemeinde
Hauptsymbol: Davidstern (seit 1527 Symbol der jüdischen Gemein-
• Hochzeit
de); benannt nach König David, als symbolische Darstellung der
• Begräbnis
Beziehung zwischen Menschen und Gott interpretiert: Der Mensch
hat sein Leben von Gott erhalten (nach unten weisendes Dreieck),
religiöse Ämter: Rabbiner (Gesetzeslehrer), Chasan (Vorbeter/Kan-
und der Mensch wird zu Gott zurückkehren (nach oben weisendes
tor beim Gottesdienst)
Dreieck). Die 12 Ecken des Sterns sollen die 12 Stämme Israels darstellen. Außerdem stehen die sechs Dreiecke für die sechs Schöp-
Aufnahme in die jüdische Glaubensgemeinschaft: dadurch, dass
fungstage. Das große Sechseck in der Mitte steht für den siebenten
die Mutter Jüdin ist oder durch den Prozess des Gijur (bewusste
Tag (Ruhetag).
Annahme der Gebote, rituelles Reinigungsbad, Beschneidung bei
Männern)
Gottesvorstellung: Es gibt nur einen Gott, den Schöpfer, Erhalter,
Entstehung des Judentums: Anfänge im 2. Jahrtausend v. Chr. in
und Vollender des Universums.
Mesopotamien, das Judentum gibt es seit 538 v. Chr.
Woher kennen wir Gott? durch Offenbarung
Zeitrechnung: 5768 (Die jüdische Zeitrechnung beginnt mit der
Höhepunkt der Offenbarung:
Schöpfung des ersten Menschen, wie sie sich aus der Berechnung
Mose (um 1250 v. Chr.) übergibt dem Volk Israel (Nachkommen
der biblischen Chroniken ergibt.)
Abrahams, Isaaks, Jakobs) den Willen Gottes: die Tora. Gott schließt
Mitglieder: 14 Mio
mit Israel einen Bund.
Das Wort Gottes liegt endgültig in der Tora vor.
Heilige Schrift: Tora (5 Bücher Mose), Tanach (Propheten und
Weisheitsschriften)
CHRISTENTUM
andere Glaubensquellen: Haggada (liturgische Tradition), Halacha
Hauptsymbol: Kreuz (Es symbolisiert Leiden, Tod und Auferste-
(Lehrtradition), Talmud (Auslegung der Tora)
hung Jesu Christi.)
wöchentlicher Feiertag: Schabbat (begründet durch das Ruhen
Gottes am 7. Tag der Schöpfung)
Gottesvorstellung: Es gibt nur einen Gott, den Schöpfer, Erhalter,
wichtigste Feste im Jahreskreis:
und Vollender des Universums.
(richten sich nach Mondkalender)
• Pessachfest (8tägig, vergegenwärtigt die Befreiung des Volkes Is-
Woher kennen wir Gott? durch Offenbarung
rael aus der Sklaverei in Ägypten)
• Wochenfest, Schawuot (in Erinnerung an die Offenbarung der
Tora)
Höhepunkt der Offenbarung: Jesus selbst ist das Wort Gottes in
Person. In Jesu Leben, Sterben, Auferstehen stiftet Gott seinen Bund
• Laubhüttenfest, Sukkot (in Erinnerung an die Wüstenwanderung
des Volkes Israel)
mit der Menschheit. Durch ihn, den Messias, erfüllt sich der, dem
Abraham verheißene Segen für alle Menschen.
• Neujahrsfest, rosch ha-schana (zur Erneuerung des Bundes GottMensch) Versöhnungstag, jom kippur (zur Reinigung von be-
Heilige Schrift: Bibel (Altes und Neues Testament)
gangenen Sünden für Gottes Gericht)
• Lichterfest, Chanukka (erinnert an die Wiedereinweihung des
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andere Glaubensquellen: Glaubenstradition
Thema
wöchentlicher Feiertag: Sonntag (Feier des Todes und der Auferste-
wöchentlicher Feiertag: Freitag (+ gemeinschaftliches Gebet in der
hung Jesu in der christlichen Gemeinde: meist Eucharistiefeier)
Moschee)
wichtigste Feste im Jahreskreis:
wichtigste Feste im Jahreskreis:
• Weihnachten: Gott wird Mensch in Jesus Christus
• Id al Fitr (Fastenbrechen nach dem Ramadan)
• Epiphanie: die Offenbarung Jesu als verheißenem Messias
• Is al Adha (so genanntes „Opferfest“)
• Ostern: Gedenken an Kreuz und Auferstehung Jesu
• Pfingsten (50 Tage nach Ostern): Gründung der Kirche durch die
Aussendung des Heiligen Geistes
Feste in besonderen Lebensphasen: Geburt, Beschneidung, Hochzeit
Feste in besonderen Lebensphasen: Taufe, Firmung, Ehe, Weihe,
religiöse Ämter: Imam (Vorbeter) Muezzin (Gebetsrufer), Alim
Krankensalbung, Versöhnung, Begräbnis
(Gelehrter, Mz.: Ulama), Kadi (Richter), Mufti (staatlich anerkannter Rechtsgelehrter)
religiöse Ämter: Diakon, Priester, Bischof, Papst (Jede/r ChristIn
ist „lebendiger Baustein“ am Hause Gottes und grundsätzlich zum
Aufnahme in die muslimische Glaubensgemeinschaft: durch das
„Priester, König und Propheten“ bestellt.)
Sprechen der Schahada (= islamisches Glaubensbekenntnis) vor
zwei Muslimen als Zeugen: "Es gibt keinen Gott außer <dem> Gott
Aufnahme in die christliche Glaubensgemeinschaft: durch die
(arab. Allah), und Muhammad ist sein Gesandter." Beides muss auf
Taufe
Arabisch gesprochen werden und mit entsprechender Absicht geschehen.
Entstehung des Christentums: Jesus als Stifter, Paulus als Gründer
heiden-christlicher Gemeinden, ChristInnen als Apostel des Evan-
Entstehung des Islam: Als Muhammad zum Propheten berufen
geliums.
wurde und nach islamischer Glaubensübezeugung die erste Offenbarung von Allah in der Höhle Hira über den Erzengel Gabriel (arab.
Zeitrechnung: 2008 (christliche Zeitrechnung beginnt mit der Ge-
Dschibriel) vermittelt bekam.
burt Jesu)
Zeitrechnung: 1429; Die islamische Zeitrechnung beginnt mit der
Mitglieder: 2,1 Milliarden
Auswanderung Muhammads von Mekka nach Medina (622 n. Chr.)
Gezählt werden Mondjahre, die kürzer als Sonnenjahre sind.
Mitglieder: 1,3 Milliarden
ISLAM
Hauptsymbol: Mondsichel; Der Legende nach sah der Begründer
GEMEINSAM
ist diesen drei Religionen:
des osmanischen Reichs im Traum eine Mondsichel, die sich von
einem Ende der Erde zum anderen ausdehnte. Dieses als gutes Omen
Gott: Ablehnung des Vielgottglaubens und Verehrung des EINEN
nehmend, beschloss er, die Mondsichel als Symbol seiner Dynastie
Gottes. Gott ist barmherzig und gerecht. Gott ist heilig, d. h. entzieht
zu übernehmen. Das osmanische Reich beherrschte die islamische
sich menschlicher Vor- und Darstellung.
Welt lange Zeit und so fand dieses Symbol Eingang in den Islam.
Gott + Mensch: Gott gilt als Schöpfer, Begleiter und Vollender des
Gottesvorstellung: Es gibt nur einen Gott, den Schöpfer, Erhalter,
Menschen.
Lenker und Vollender des Universums.
Abraham (im Islam: Ibrahim): ist für alle Vorbild des GlaubensWoher kennen wir Gott? durch Offenbarung
gehorsams.
Höhepunkt der Offenbarung: Muhammad (570 – 632 n. Chr.) ist das
"Siegel der Propheten". Gott diktierte Muhammad (durch Gabriel)
Gebote: Ehrfurcht vor jedem menschlichen Leben, vor der Fami-
sein letztes und endgültiges Wort an die Menschheit: den Koran.
lie und Bereitschaft zum Dienst an den Menschen vor allem an den
bedürftigen.
Heilige Schrift: Koran
Diese Infos haben vor allem das orthodoxe Judentum, das katholische
andere Glaubensquellen: Sunnah (Beispiel Muhammads)
Christentum und den sunnitischen Islam im Blick.
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Thema
Muslimische Jugend
Österreich
Fern ab von religiösem Extremismus auf der einen
und einer völligen Auflösung der eigenen Identität
auf der anderen Seite, wollen wir eine österreichischislamische Identität kreieren.
„Österreichisch-islamische Identität“ heißt für uns,
vollwertige BürgerInnen des Staates Österreich zu
sein und somit auf allen Ebenen – gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich und kulturell – zu partizipieren.
Muslime/Muslimin sein und ÖsterreicherIn sein ist
kein Widerspruch. Die Beheimatung und Verwurzelung der muslimischen Jugend in Österreich verlangt
im Gegenteil nach einer kreativen Verbindung der is-
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lamischen und der österreichischen Identität. Sie soll
ein Ausdruck der neuen Generation sein.
In unseren Meetings und regelmäßigen Aktivitäten
wollen wir auf die Probleme der muslimischen Jugendlichen eingehen, um positive Impulse für eine
Verbesserung des Lebensumfeldes zu geben. Demokratie heißt für uns nicht nur, zur Wahlurne zu laufen,
sondern in der Gruppe lernen über die eigenen Ideen
zu diskutieren und gemeinsam etwas zu organisieren
und zu erreichen. Bildung und Fortbildung sind für
uns ein zentrales Thema. Wir wollen die Weiterbildung der Jugend auf allen Ebenen fördern. Dialog
und gegenseitiges Kennenlernen sind für uns mehr
als bloße Schlagwörter. Verständnis für einander zu
gewinnen, ist in unserer Zeit wichtiger denn je. Außerdem sollen Akzeptanz und Solidarität durch ein
Aufeinanderzugehen und einen Abbau von Vorurteilen geschaffen werden. Wir wollen eine Gesellschaft
ohne Diskriminierung jeder Art, freien Zugang zur
Bildung und mehr Mitbestimmung für Jugendliche.
Diese und weitere Informationen über die Muslimische Jugend Österreichs findet man unter <www.
mjoe.at>
Thema
Jugendarbeit im
Judentum Wien
Jüdische Jugendorganisationen
Zahlreiche Jugendorganisationen bieten ein umfangreiches und vielseitiges Lern- und Freizeitprogramm in jüdischer Atmosphäre an. Jede einzelne
von ihnen ist einzigartig in ihrer Ideologie und in ihrem Aufbau. Doch alle verbindet eine Sache: Sie alle
dienen letzten Endes dem Zweck, jüdisches Leben in
Wien zu bewahren und aufblühen zu lassen und vor
allem Brücken mit der nichtjüdischen Bevölkerung
Österreichs aufzubauen und somit Vorurteilen entgegenzuwirken.
Die JUKO (Jugendkommission der IKG) repräsentiert und unterstützt die jüdische Jugend Wiens.
Zusammen mit den fünf Organisationen Bnei Akiva,
Jad Bejad, Hashomer Hatzair, Moadon und JÖH werden aktiv junge Leute ins Gemeindeleben und in die
österreichische Gesellschaft integriert.
Bnei Akiva ist eine internationale religiös-zionistische Jugendbewegung, die es sich als Ziel setzt, religiöse Werte an ihre Kinder und Mitglieder zu vermitteln. Die säkular-zionistische Jugendbewegung
Hashomer Hatzair ist weniger religiös, vermittelt
dafür aber ein stärkeres Bewusstsein und Identifizierungsgefühl mit Israel an ihre Kinder. Jad Bejad
ist eine traditionelle, religiöse und zionistische Jugendbewegung, welche von sephardischen (nicht
hier ursprünglich ansässigen) Juden gegründet und
auch von jenen hauptsächlich besucht wird. Die Jüdischen Österreichischen Hochschüler sind, wie der
Name schon sagt, eine jüdische Studentenvereinigung, deren Mitglieder vor allem versuchen, sich politisch zu engagieren. Moadon ist ein Club für junge
Erwachsene, welcher hauptsächlich Veranstaltungen
im sozialen Bereich organisiert. Insgesamt besuchen
über 1000 Kinder, Jugendliche und Junggebliebene
die Veranstaltungen und Events dieser fünf Organisationen.
In der JUKO, dem Dachverband dieser fünf Organisationen, werden gemeinsame Ziele gesucht, um
gemeinsame Lösungen und Wege zu finden.
Neben Informationsbroschüren, Veranstaltungen,
Festen und anderen Programmen finden monatlich
Sitzungen der Jugendkommission statt. Hier werden
Projekte, Visionen, Programmideen sowie Verbesserungsvorschläge jeder Art besprochen und vor allem
zwischen den verschiedenen Jugendbewegungen koordiniert.
Zusammenfassend sind die langfristigen Projekte
der JUKO, die jüdische Jugend in Wien zu stärken
und zum Wachsen zu bringen, sowie Jugendarbeit
mit allen Mitteln zu fördern und zu unterstützen.
Last, but not least ist es unser Ziel, uns als pädagogisches Zentrum zu positionieren.
<www.ikg-juko.at>
<www.bneiakiva.at>
<www.hashomerhatzair.at>
<www.jadbejad.com>
<www.joeh.at>
<www.moadon.at>
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Benjamin Gilkarov
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Thema
Das AAI
Die Welt in Wien
Geht man in Wien die Währinger Straße vom Ring
stadtauswärts, biegt man recht bald auf der rechten
Seite in die Türkenstraße. Geht man dann ins zweite
Haus auf der linken Seite, das grüne mit dem Würfel
außen, kann man was erleben. Das AAI – Die Welt
in Wien.
Doch was verbirgt sich hinter dem Kürzel AAI?
Das Afro-Asiatische Institut, das 1959 von Kardinal
Franz König als entwicklungspolitische Einrichtung
in Wien gegründet wurde, mit der Aufgabe, den Dialog zwischen den Kulturen und Religionen zu fördern oder zu initiieren.
Diesen Auftrag versuchen wir mittels dreier Säulen
umzusetzen:
Das Haus ist in erster Linie ein Treffpunkt der Kulturen und Religionen. Es beherbergt ein Café, das für
viele Studierende erste Adresse ist, wenn es darum
geht, in angenehmer und internationaler Atmosphäre einen guten und günstigen Kaffee zu trinken; eine
Mensa, deren Betreiber den Ehrgeiz hat, die beste
Mensa Wiens zu leiten; 102 StudentInnenzimmer, die
Studierenden aus 20 Nationen eine Heimat auf Zeit
bieten; eine Kapelle, einen Hindutempel und eine
Moschee, die letzten beiden die ersten in Wien; drei
Veranstaltungsräume, in denen unter anderem mehrmals im Jahr das Neujahrsfest gefeiert wird - einmal
chinesisch, einmal äthiopisch, … - ein Lernsaal, angeblich der einzige in Wien, der auch am Sonntag
geöffnet ist; 28 Büroräume, die 8 Organisationen aus
der entwicklungspolitischen Szene ein Dach über
dem Kopf geben; kurz gesagt: ein Treffpunkt für
mehr als 400 Menschen täglich. Ein Ziel des Hauses
ist es, Räume zu bieten, in denen ein interkulturelles
Miteinanderleben gefördert wird.
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Aber bei uns gibt’s nicht nur Räume. Das AAI versucht in seinem Bildungsprogramm einen „Dialog in
Augenhöhe“ zu verwirklichen. Das heißt, dass wir
Menschen aus Afrika und Asien eine Bühne bieten,
auf der sie ihre Kultur oder Religion präsentieren
und dadurch einen Dialog mit ÖsterreicherInnen
starten können. Dabei legen wir besonderen Wert
auf gelebte Interkulturalität „mit allen Sinnen“, d.h. es
wird vorgetragen und diskutiert, aber auch gegessen,
getanzt und gefeiert. Ziel ist ein „Dialog des Lebens“,
sozusagen respektvoll miteinander und nicht tolerant
nebeneinander zu leben. Bei uns sprechen nur AfrikanerInnen über Afrika und nur Muslime über den
Islam. Ihre Ansichten zählen, nicht unsere.
Dann unterstützen wir noch StudentInnen aus den
Ländern des Südens mit einem Stipendienprogramm.
Hier werden Studierende gefördert, die aus Ländern
des Südens nach Österreich kommen, um Studien zu
absolvieren bzw. abzuschließen. Diese StudentInnen
haben in Zusammenarbeit mit dem AAI einen ReferentInnenpool gebildet, durch den authentisch
fremde Kulturen und Lebenswelten vermittelt werden können. Derzeit werden 60 Studierende aus 31
Ländern betreut.
Kurz gesagt, es ist viel los bei uns. Das Haus lebt
von Begegnung und Kommunikation, vor allem aber
vom Interesse an fremden Kulturen und Religionen.
Unser momentaner Schwerpunkt ist der Dialog mit
dem Islam. Unsere Moschee wird von zwei Imamen
betreut, die gerne für Diskussionen und Gespräche
über den Islam zur Verfügung stehen. Wer Interesse
hat, nur Mut, nur melden: [email protected]
Weitere Infos: <www.aai-wien.at>
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Nikolaus Heger,
AAI-Geschäftsführer
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Thema
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WICHTIGE GEBETE
J udentum
Schma Jisrael
Höre, Israel: Der Herr ist dein einziger Gott.
Und du sollst deinen Gott lieben,
von ganzem Herzen,
mit ganzer Seele und allen deinen Kräften Und deinen Nächsten wie Dich selbst.
C hristentum
Vater Unser
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Die Bedeutung
religiöser Feste
für interreligiöses Lernen
Ursula Sieg betont in ihrem Aufsatz „Feste – Brücken zu den Religionen“, dass das gemeinsame Feiern religiöser Feste einen wichtigen Beitrag zum
interreligiösen Lernen leisten kann. Feste „bündeln
den Glaubensgehalt einer Religion“, so Sieg. Sie sind
sozusagen ihr „Katechismus“. Zugleich stellen Feste
oft den Schritt einer Religionsgemeinschaft in die Öffentlichkeit dar. SchülerInnen, die sonst in der Schule
vielleicht nicht die Möglichkeit haben, ihre Religion
zu „zeigen“, können dies im Rahmen von Feiern tun.
Sieg nennt die Feste darum „Aushängeschilder“ einer
Religion. Wenn wir bereit sind, mit den anderen ihre
Feierlichkeiten zu begehen, so erkennen wir zugleich
den damit verbundenen „Anspruch auf Geltung und
gesellschaftliche Mitgestaltung“ an und unterstützen
die von den feiernden Gläubigen demonstrierte „Daseinsberechtigung“. Wir lernen durch das gemeinsame Feiern von nicht ausschließlich eigener religiöser Feste die Vielfalt der existierenden Religionen
kennen. Feste bieten die Möglichkeit eines „gastweisen Aufenthaltes in einer Religion“. Beachtet werden
muss, dass ein Fest nie gleichermaßen das Fest aller
sein kann, sondern dass es bestimmte Rollen gibt.
Die einen sind GastgeberInnen, die anderen Gäste.
So werden Feste zum „Katalysator für Begegnungen“.
Feste können Türen zwischen den Religionen öffnen.
I slam
Al-Fatiha (1. Sure des Koran)
Im Namen des barmherzigen
und gnädigen Gottes.
Lob sei Gott,
dem Herrn der Menschen in aller Welt,
dem Barmherzigen und Gnädigen,
der am Tag des Gerichts regiert!
Dir dienen wir,
und dich bitten wir um Hilfe.
Führe uns den geraden Weg,
den Weg derer, denen Du Gnade erwiesen
hast, nicht (den Weg) derer, die d(ein)em
Zorn verfallen sind und irregehen!
Āmīn
Gestaltung in der Praxis
Es ist für SchülerInnen von Bedeutung, dass sie
ihre Kultur und Religion im Unterricht einbringen
können. Deshalb sind in der Grundschule die Feste
des Jahreskreises ein wichtiger Bestandteil. Die Kinder sollen die Möglichkeit haben, in der Klasse davon
zu erzählen, wie sie das jeweilige Fest feiern. Dass dabei SchülerInnen derselben Religionsgemeinschaft
Unterschiedliches berichten, ist natürlich, weil die
Ausprägungen je nach Land verschieden sein können. Eine einheitliche Darstellung ist aber gar nicht
notwendig. Die SchülerInnen erfahren dadurch die
Vielfalt der eigenen Religion und lernen, das Eigene
nicht als absolut zu betrachten. Minderheiten sollten
die gleiche Berechtigung haben, von ihren Festen zu
berichten, wie Mitglieder großer Religionen. Da es in
multireligiös zusammengesetzten Klassen eine Überfülle an Festen gibt, sollte man Schwerpunkte setzen.
Sieg schlägt vor, z.B. die Feste zu feiern, die zentrale
Glaubensaussagen thematisieren oder jene, die am
beliebtesten oder volkstümlichsten sind. Die Festanlässe, die innerhalb eines Schuljahres ausgewählt
werden, sollten in den unterschiedlichen Religionen
ähnlich sein.
Feste können mit bestimmten Themen verbunden
werden. Sieg nennt für die Neujahrsanfänge das Thema „Zeit“. Es können im Rahmen der Festvorbereitung auch die beim Feiern verwendeten Symbole
(z.B. Wasser, Licht, Baum) miteinander erarbeitet
und gestaltet werden. Feste können auch zum Inhalt
von Projekten werden, für die es viele verschiedene
Präsentationsmöglichkeiten gibt (z.B. Ausstellung).
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Der Text ist eine
Zusammenfassung von:
Sieg Ursula, Feste –
Brücken zu den
Religionen, in:
Schreiner Peter,
Sieg Ursula,
Elsenbast Volker (Hg.),
Handbuch
interreligiöses Lernen.
Gütersloh 2005,
601-609.
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Thema
Interreligiöses Lernen
Interreligiöses Lernen wird als Antwort auf die Situation zunehmender religiöser Pluralität verstanden. Der Begriff ist wenig profiliert und seine häufige Verwendung bedeutet nicht, dass stets dasselbe
darunter verstanden wird. Es scheint sich eher um
eine Metapher für alle Bemühungen zu handeln, angesichts der Pluralität von Religionen angemessen zu
handeln. Er wird ebenso als Name für eine Didaktik
der Religionen verwendet, wie auch als neue Form
des religiösen Lernens. Für Hans Zirker bedeutet interreligiöses Lernen „von und mit anderen Neues zu
lernen“ (60).
Ziebertz und Leimgruber haben eine „subjektorientierte Didaktik der Weltreligionen“ in fünf Schritten vorgelegt, bei der das je Eigene der anderen respektiert wird, in deren Zentrum aber die jungen
Menschen als lernende Subjekte stehen. Sie sollen
die Bedeutung anderer Religionen und deren Äußerungen für ihr eigenes Leben erkennen, indem sie
folgenden Weg gehen:
„Religiöse Zeugnisse wahrnehmen lernen“:
Entschleunigte, achtsame Wahrnehmung – mit allen Sinnen – trägt auch zur Weckung des Interesses
junger Menschen für fremde religiöse Wirklichkeiten
bei.
„Religiöse Phänomene deuten“:
Beim Entdecken des Sinnes religiöser Zeugnisse,
teils erschlossen aus eigenen Beobachtungen und
Wahrnehmungen, teils angeregt durch Hinweise der
Lehrenden, „sind und bleiben die SchülerInnen die
erkennenden Subjekte“.
„Durch Begegnung lernen“:
Einander begegnen und sich auf ein vertiefendes
Gespräch einlassen, ob innerhalb oder außerhalb der
Unterrichtsstunden, ob innerhalb oder außerhalb
des Schulhauses, kann auch durch die besten Medien
nicht ersetzt werden.
„Die bleibende Fremdheit respektieren“:
Die religiösen Zeugen und die fremden Zeugnisse
verdienen Achtung und Respekt, besonders in ihrem
Anders-Sein.
„In eine existentielle Auseinandersetzung verwickeln“:
Die „Fahrzeuge“ religiöser Zeugnisse laden Schüler/innen ein, „sich selbst zu überprüfen und eigene
Einstellungen zu revidieren“ (439f).
Für B. Roebben kann das Interesse der Jugend für
das „Exotisch-Andere“ ein „Beginn- und Erken-
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nungspunkt für Lernprozesse sein, die auch echt
interreligiös werden, mit einer Betonung von ‚inter’:
Wo Menschen voneinander lernen, zur Vertiefung
der gegenseitigen Identität und der Gemeinschaften,
in denen sie leben“ (235f). Nun erhebt jede Tradition „notwendigerweise einen eigenen, gesonderten
Anspruch auf Universalität“, ohne „diesen Kostbarkeitscharakter der eigenen Perspektive/Tradition“
man nicht mit anderen ins Gespräch kommen kann.
Ist Toleranz zu glatt, gewinnt Gleichgültigkeit die
Oberhand. Und wie kann ein Anderer an mich appellieren, „wenn ich mir selbst nichts zu sagen habe“
(242)? Standfestigkeit sei die Voraussetzung, dass ich
vom Anderen, der radikal anders ist, lernen kann,
und Bescheidenheit „lässt dem Anderen seine Wahrheit im positiven Sinn“ (243).
Es bleiben aber die Hinweise, die Zirker zum Islam
gegeben hat: z.B. die „didaktische Asymmetrie“ (1993,
286-292), die in der unterschiedlichen gegenseitigen
Wahrnehmung von Christentum und Islam begründet liegt; das „didaktische Dilemma“, aufgrund dessen es nicht heißen kann „den Islam“ zu verstehen,
„sondern die Menschen, die sich zu ihm bekennen
oder wenigstens in ihrer Herkunft von ihm geprägt
sind in ihren jeweiligen Lebensorientierungen und
Zielsetzungen, Gemeinschaftsformen und Abgrenzungen, Glaubensäußerungen und Zurückhaltungen,
Empfindsamkeiten und Befürchtungen“ (305). Die
von ihm daraus gefolgerten Ziele könnten grundsätzlich gelten:
„dem faktischen Verhältnis von Nähe und Distanz
immer wieder nachzuspüren, seine Bedingungen zu
erkennen und die Grenzen mit Gelassenheit auszuhalten – denn es sind nicht nur die Grenzen der anderen, sondern auch die eigenen“; bei „pragmatisch
begrenzten Gelegenheiten gut miteinander auszukommen“ und „die Konsequenzen daraus zu bedenken, dass sich die gegensätzlichen dogmatischen
Positionen der beiden Religionen nicht argumentativ
überwinden lassen“ (306f). „Zu harmlos“ bliebe nicht
nur für Zirker „die Wahrnehmung fremder Religionen – in einer von Aufklärung und Säkularisierung
geprägten Welt“, wenn es der Religionspädagogik nur
„um einen harmonischen Zuwachs an Einsicht und
einen versöhnlichen Abbau von Vorurteilen“ geht,
nicht aber auch um „mögliche Anstöße zu weiterreichenden, manchmal vielleicht beunruhigenden Revisionen des eigenen religiösen Selbstverständnisses“
(309). Zugleich sind B. Roebbens offene Fragen hier
anzuschließen: Kann „die Geschichte des Anderen
auch echt mit meiner Geschichte korrelieren …,
wenn ich mir dessen nicht oder nur wenig bewusst
Thema 11
oder davon betroffen bin“? Verfügen „die das Interreligiöse Lernen begleitenden Lehrenden über genügend Tragfähigkeit …, um dieses Geschehen zu
einem guten Ende zu bringen“ (246)?
Bert Roebben, Interreligiöses Lernen im Rahmen des Religionsunterrichts. Eine praktisch-theologische Erkundung: Thomas Schreijäck (Hg.), Religion im Dialog der Kulturen, Freiburg 2001, 231-249.
– Peter Schreiner/Ursula Sieg/Volker Elsenbast (Hg.), Handbuch
Interreligiöses Lernen, Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 2005, Hans-Georg Ziebertz/Stephan Leimgruber, Interreligiöses Lernen:
Georg Hilger/Stephan Leimgruber/Hans-Georg Ziebertz, Religionsdidaktik, Kösel München 2001, 433-442. – Hans Zirker, Islam.
Theologische und gesellschaftliche Herausforderungen, Patmos
Düsseldorf 1993, – Hans Zirker, Interreligiöses Lernen aus der
Sicht der Katholischen Kirche und Theologie: Folkert Rickers/Eckart
Gottwald (Hg.), Vom religiösen zum interreligiösen Lernen, Neukirchener Neukirchen-Vluyn 1998, 51-69.
Das Zweite Vatikanische Konzil hat eine ganz
neue Richtung vorgegeben. In der Erklärung über
das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen
Religionen lehnt die Kirche „nichts von alledem ab,
was in diesen Religionen wahr und heilig ist“ (2). In
Bezug auf den Islam gilt: „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime“ (3). Begründet wird
die Möglichkeit der positiven Sicht darin, dass alle
Völker eine einzige Gemeinschaft sind, „sie haben
denselben Ursprung“ und „Gott als ein und dasselbe
letzte Ziel“ (1). Schwierigkeiten werden aber erkennbar, wenn etwa bei der Wertschätzung der Muslime
der Islam, Muhammad oder der Koran konsequent
unerwähnt bleiben.
Schon die dogmatische Konstitution über die Kirche betont den umfassenden Heilswillen Gottes: „Wer
... Gott aus ehrlichem Herzen sucht, seinen im Anruf
des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluss
der Gnade in der Tat zu erfüllen trachtet, kann das
ewige Heil erlangen“ (16).
Im Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche
wird von allen Christgläubigen verlangt, den Nichtchristen „in Achtung und Liebe verbunden zu sein“,
„sich als Glieder der Menschengruppe, in der sie leben“ zu betrachten und „an den kulturellen und sozialen Angelegenheiten“ teilzunehmen (11).
Am sichtbarsten wurde das Konzil fortgeführt in
öffentlichen symbolischen Handlungen, allen voran
im multireligiösen Friedensgebet 1986, zu dem Johannes Paul II. nach Assisi eingeladen hatte.
In dem Ausmaß, in dem die nichtchristlichen Religionen als beachtliche Kulturen anerkannt werden,
erhält interkulturelles Lernen eine theologische Würdigung; so wird von „allen Christgläubigen“ erwartet,
dass sie „in aufrichtigem und geduldigem Zwiegespräch ... lernen, was für Reichtümer der freigiebige
Gott unter den Völkern verteilt hat“ (Ad gentes, 11).
Christen und Muslime „ermahnt die Heilige Synode
... sich um gegenseitiges Verständnis zu bemühen
und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter
und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für
alle Menschen“ (Nostra aetate, 3).
In dem Ausmaß, in dem andere Religionen aber
nicht als Orte genuiner Selbstmitteilung Gottes anerkannt werden können, sondern nichts abgelehnt
wird, „was in diesen Religionen wahr und heilig ist“
(Nostra aetate, 2), kann aufgrund der dogmatischen
Überlegenheit des christlichen Heilswegs interreligiöses Lernen nur bedeuten, in den anderen Religionen
das religiös Eigene zu erkennen.
Für Interreligiöses Lernen eröffnet die Erklärung
zur Religionsfreiheit eine andere Perspektive. Danach muss die Wahrheit „auf eine Weise gesucht
werden, die der Würde der menschlichen Person und
ihrer Sozialnatur eigen ist, d.h. auf dem Weg der freien Forschung [im Sinne von „Suchen“, „Erkunden“],
mit Hilfe des Lehramtes oder der Unterweisung, des
Gedankenaustausches und des Dialogs, wodurch die
Menschen einander die Wahrheit, die sie gefunden
oder gefunden zu haben glauben, miteilen, damit sie
sich bei der Erforschung der Wahrheit gegenseitig zu
Hilfe kommen; an der einmal erkannten Wahrheit jedoch muss man mit personaler Zustimmung festhalten“ (3) Für Zirker hat hier das Wort „Dialog“ innerhalb der Dokumente des Zweiten Vatikanums „die
für eine religiöse Didaktik am weitesten reichende
Bedeutung erlangt“(55).
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Martin Jäggle, Prof. für Religionspädagogik, Kath.-Theol. Fakultät der Uni Wien
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
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Thema
12
‫ميِهاَربا‬
Abraham als Brückenbauer,
Abraham als „Glaubensvater“,
Abraham als Prophet.
Im heiligen Koran finden wir folgenden Vers in
der zweiten Sure (130): Und wer kann der Gemeinschaft Ibrahims gegenüber abgeneigt sein, außer
dem¬jen¬igen, der sich selbst gering schätzt?! Und
gewiss, wir wählten ihn in dieser Welt aus und wahrlich, im Jenseits gehört er zu den Rechtschaffenen.

Wusstest du,
dass in muslimischen
Texten hinter den Namen
von Propheten islamische
Eulogien (Segenswünsche) stehen. Näheres
dazu findest du unter:
http://de.wikipedia.org/
wiki/Islamische_Eulogie
..........................................

Wusstest du,
dass „Allah“ die arabische Übersetzung von
„Der Gott“ ist und dass
in arabisch-sprachigen
Ländern Christinnen
und Christen Gott auch
„Allah“ nennen?
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
Wusstest du,
dass Jesus im Islam als
Prophet gilt, während
ihn Christinnen und
Christen als Gott, Sohn
Gottes und Erlöser
ansehen?
..........................................
Vor vielen Jahrtausenden wies der Prophet Abraham den Menschen den Weg zu Gott und legte damit den Grundstein der Prophetenschaft. Auf diese
Weise wurde eine Verbindung bis in die heutige Zeit
ermöglicht. Eine Brücke zwischen den monotheistischen Religionen – zwischen Judentum, Christentum und Islam.
Im islamischen Glauben wird Abraham (Friede sei
mit ihm) als Prophet und „Glaubensvater“ gesehen.
So nennt ihn der Prophet Muhammad (s): Vater der
Propheten (überliefert bei Muslim). Unter den vielen
Geschichten im Koran, welche seine Person charakterisieren, gefällt mir am besten jene mit dem Pharao: Als der Pharao sich zum Herrscher über Leben
und Tod deklarierte und damit seinen (weltlichen)
Machtansprüchen und seinen (überweltlichen) Allmachtsfantasien Ausdruck verleihen wollte (und dabei auch völlig ungerührt über Leichen ging), konterte Abraham völlig souverän mit den Worten:
„Siehe, Allah lässt die Sonne vom Osten aufgehen,
so lass du sie vom Westen aufgehen“ (2/258).
Wird Abraham als Vater der Propheten betrachtet,
so sind die nach ihm kommenden Propheten und
Gesandten folgerichtig Brüder im Glauben und Geschwister; so auch Moses, Jesus und Muhammed.
Laut Koran haben sie auch alle die gleiche Botschaft
verkündet, nämlich den Glauben an den Einen und
Einzigen Gott.
Die Muslime und Musliminnen sind verpflichtet,
an alle Propheten gleichermaßen zu glauben. Dieser Glaubensgrundsatz „Glaubt an Seine Propheten“
zählt neben dem Grundsatz „Glaubt an Seine Bücher“
zu den sechs Bausteinen im Iman. Kein/e MuslimIn
kann die Existenz des Propheten Muhammeds (Friede und Segen auf ihn) anerkennen, ohne jene von
Jesus (Friede sei auf ihm) und Moses (Friede sei auf
ihm) ebenfalls zu bekennen. „Sprecht, wir glauben an den Einen Gott und an
das, was uns hinab gesandt wurde und was Abraham,
Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen Israels herab
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Thema 13
gesandt wurde und an das, was Moses zuteil wurde
sowie Jesus und an das, was den Propheten von ihrem Herrn zuteil wurde. Wir machen keinen Unterschied zwischen einem von ihnen und wir sind Ihm
gegenüber ergeben.“ (Sure Baqara (2)-136)
Dieses Bekenntnis erfordert nicht nur Akzeptanz,
sondern auch Respekt, Achtung und Anerkennung.
Dazu verpflichtet Allah die Muslime und Musliminnen in Seinem heiligen Buch. Des Weiteren werden
alle Muslime und Musliminnen dazu aufgefordert,
auf beste und edelste Art mit ChristInnen, Jüdinnen
und Juden in den Dialog zu treten.
Uns verbinden aber nicht nur Abraham und der
Glaube an den Einen Gott, sondern auch einige Geund Verbote, wie z.B. nicht zu stehlen, nicht zu lügen,
keinen Ehebruch zu begehen etc.
Auch die Tatsache, dass unsere Kinder und Jugendlichen denselben Herausforderungen und Gefahren
in einer modernen und sehr individualistischen Welt
begegnen, ist nicht zu leugnen. Hoffnungslosigkeit,
Suchtmittelproblematiken, totale Entfremdung und
Verlust des Glaubens ist nicht nur auf eine Glaubensrichtung beschränkt. Genauso wie Gefahren wie Rassismus, Fundamentalismus und Terrorismus. Dem
müssen wir entgegenwirken, dem dürfen wir keinen
Raum bieten!
Die einzige Möglichkeit, dieser Herausforderung
zu begegnen, ist der Dialog, das Entdecken der Gemeinsamkeiten, sowohl in der Geschichte, wie auch
in der Zukunft. Auch hier finden wir im Koran eine
Aufforderung zum Dialog der so genannten Schriftbesitzer Judentum, Christentum und Islam:
„Sprich: „Ihr Schriftbesitzer, kommt her zu einem
Wort, das gleichermaßen für euch und für uns gilt:
dass wir nur einem Gott dienen und Ihm gegenüber
nichts zur Seite stellen. Und dass die einen von uns
sich die anderen nicht als Herren anstelle von dem
Einen Gott nehmen.“ (Sure Ali Imran (3)-64 )
Dieser Dialog muss von UNS geschaffen werden,
denn dieser gemeinsame Dialog kann uns helfen, die
Herausforderung der Zukunft angemessen zu bewältigen.
Der Prophet Abraham hat den Grundstein für uns
gelegt. Es liegt an uns, an jeder einzelnen Person,
seine Botschaft der „Geschwisterlichkeit“ weiter zu
tragen. Alleine mögen wir schwach sein, doch die
Gemeinschaft gibt uns nicht nur Halt und Kraft, sie
gibt uns vielmehr Sicherheit.
Projekte wie „Kick'n'Pray“ oder „72 Stunden“ sind
nur der Anfang einer gemeinsamen Zukunft. Einer
Zukunft, in der wir als Jugendliche viel verändern
und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen können.
Christliche, jüdische und muslimische Jugendliche,
die in Harmonie und Verständnis zusammenleben
und als Vorbilder agieren.
Und wer hätte einen schöneren Glauben als jener,
der sich dem Einen Gott hingibt und das Gute tut
und dem Glauben Abrahams folgt.
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Saime Öztürk, Wiener Vorstandsmitglied, Muslimische Jugend Österreich
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Von Saime empfohlene Literatur:
• Ahmad von Denffer: „Allahs Gesandter hat gesagt …“,
Lützelbach, 1998.
• Falaturi, Abdoldjavad: „Der Islam im Dialog“, Köln, 1992.
• Hoffmann, Murad; Henning, Max: „Der Koran – Das heilige
Buch des Islam“, Istanbul, 2006.
• Hofmann, Murad: „Koran“, München, 2002.
• Hofmann, Murad: „Islam“, München 2001.
• Ramadan, Tariq: „Der Islam und die Muslime“, Berlin, 2000.
• Ramadan, Tariq: „Die Muslime im Westen“ – Aufbau und Mitgestalten, Berlin, 2003.
• Schimmel, Annemarie: „Muhammed“, München, 2002.
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Thema
Interviews
VertreterInnen von Christentum, Judentum, Islam sprechen über ihren Glauben
A rno , 1 7 , C hrist
Inwiefern ist dein Glaube wichtig für dich?
Mein Glaube prägt alles, er kommt immer und überall vor. Er ist für mich eine Konstante im Leben. Er
verändert sich zwar, ist aber eben immer da und gibt
mir Halt.
Wer hat dir beigebracht zu Glauben?
Die Basis wurde schon in der Volksschule durch meine Reli-Lehrerin gelegt, aber als ich 9 Jahre alt war, ist
mein Vater gestorben und da war dann alles weg. Ich
konnte nicht an Gott glauben, der mich angeblich liebt
und mir dann den Vater wegnimmt.
Dann kam eine Zeit, wo mich eher der Marxismus
fasziniert hat. Dann sollte ich in die Firmvorbereitung
gehen, weil meine Familie ja doch irgendwie katholisch
ist. Und dann kam meine Firmbegleiterin. Die konnte
auf so viele Fragen eine Antwort geben und mir klar
machen, dass Gott da ist und mich liebt auch wenn Sachen passieren, die ich nicht verstehe und die für mich
schrecklich sind.
Sie hat mir vermittelt was Glaube sein kann und
vor allem was Kirche sein kann. Ich hab geglaubt, dass
das nur was für alte Leute sei. Wir waren dann bei
einem find-fight-follow- Gottesdienst und bei einem
Gebet bei den Schwestern in Simmering (Kongregation der Schwestern von der schmerzhaften Mutter,
Anm.d.Red.) und da ist mir klar geworden, dass Kirche
jung UND alt ist, dass sie Generationen verbindet. Das
war sehr wichtig für mich.
Es braucht Leute, die einen im Glauben begleiten,
das ist für mich die Gemeinschaft der Kirche, die mich
trägt vor allem wenn ich Zweifel habe.
Was ist für dich schwierig am Glauben?
Glauben an sich ist nicht schwierig. Schwierig machen es mir meine Mitmenschen, die meinen Glauben
in Frage stellen. Schwierig ist es auch sich bewusst Zeit
für den Glauben zu nehmen. Regelmäßig zu beten zum
Beispiel finde ich wichtig, aber ich schaff es nicht so
richtig. Dann setz ich mich manchmal hin und sage:
„Lieber Gott, heute nicht. Amen“
Schwierig ist es auch den Glauben zu leben, die Gebote in der Praxis einzuhalten, die Feindesliebe zum
Beispiel.
Was sagen die Leute in deiner Klasse?
Sie wissen, dass ich gläubig bin und sie halten mich
ein bisschen für einen Freak. Ich bin mittlerweile der
Einzige der in Religion geht, ein bisschen ein Alien. Sie
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sehen meine Religion als Hobby, die einen gehen Fußball spielen und ich geh halt in die Kirche. Es ist zwar
ein komisches Hobby, aber es ist ok.
Was ist dir am christlichen Glauben besonders
wichtig?
Die Menschwerdung Gottes finde ich super schön
Gott wird Mensch und stellt sich mit uns auf eine
Stufe. Vielleicht ist das der Grund warum er uns so gut
versteht. Er hat ja auch alles erlebt und durchgemacht.
Nächstenliebe und Feindesliebe sind auch wichtig
und Vergebung.
Alles wird dir vergeben, wenn du es bereust, das finde ich sehr wichtig. Es hilft mir auch anderen Leuten
zu vergeben, nach einem Streit oder so.
Gibt es ein Lieblingszitat aus der Bibel?
Das Ende vom Matthäus-Evangelium: „Ich bin bei
euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Das gefällt mir irrsinnig gut. Es ist für mich so wichtig, dass Gott da ist und zwar immer.
Wie erlebst du das Judentum und den Islam?
Was mir bei den Muslimen gut gefällt ist, dass sie
wirklich Almosen geben. Sich den Armen zuwenden
ist eine zentrale Säule dieses Glauben, das finde ich
sehr schön und wichtig und ich glaube auch, dass wir
Christen in dieser Hinsicht ein Stück von den Moslems
lernen können.
Beim Judentum sehe ich ganz viele Parallelen zum
Christentum und vieles, das uns verbindet.
Was wünscht du dir für das Miteinander der Religionen?
Dass man nicht immer nur die Unterschiede hervorhebt und sich gegenseitig beschuldigt wie das schon seit
den Kreuzzügen passiert, sondern den Konsens, das
Gemeinsame, versucht hervorzuheben um zu einem
guten Austausch zu kommen.
Thema 15
C haja , 1 7 , J ü din
Inwiefern ist dein Glaube wichtig für dich?
Glaube ist sehr wichtig. Er prägt jeden Moment in
meinem Leben und auch meine Meinung. Er ist eine
der wichtigsten Sachen in meinem Leben, denn ich lebe
und atme in meinem Glauben.
Mein Glaube ist auch eine Stütze. Ich habe etwas woran ich mich festhalten kann, etwas, das mir bei allen
Ups und Downs Hoffnung gibt.
Wer hat dir beigebracht zu glauben?
Meine Familie war eher säkular. Wir haben zwar immer schon die Feiertage gehalten, aber so richtig gläubig ist meine Mutter erst vor einigen Jahren geworden.
Sie hat mir beigebracht zu glauben. Sie hat mich im
Glauben erzogen und so bin ich selbst gläubiger geworden.
Es ist wichtig, dass es Menschen gibt, die einem den
Glauben beibringen, die in die Tradition einführen
und begleiten.
Was ist für dich schwierig am Glauben?
Ich versuche nach den 10 Geboten zu leben, das ist
schwierig, denn reden kann man viel, aber es auch zu
tun, ist etwas Anderes.
Schwierig ist es auch, den Glauben konkret auszuüben in einem Umfeld in dem auch viele Andersgläubige
sind, den Shabbat zu halten an dem man keine elektrischen Geräte in Betrieb nehmen darf zum Beispiel.
Man braucht einen starken Glauben und Willen um
das einzuhalten. Die Infrastruktur ist zwar super, es
gibt koshere Restaurants und vieles mehr, aber wenn
man unterwegs ist, ist es oft nicht so leicht.
Gibt es ein Lieblingszitat aus der Thora?
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ (Leviticus
Kapitel 19, Absatz 18)
Das auch wirklich zu tun ist überaus schwer, aber es
zu versuchen, auch wenn es nicht sofort klappt, kann
nur zur Besserung der Welt beisteuern.
Wie erlebst du das Christentum und den Islam?
Mich beeindruckt, dass diese beiden Religionen so
viele Anhänger haben, die ihren Glauben auch wirklich leben. Wir haben außerdem etwas gemeinsam, die
10 Gebote und überhaupt viele Anliegen im Bereich
der Ethik, das finde ich toll.
Was wünschst du dir für das Miteinander der Religionen?
Ich finde Toleranz äußerst wichtig, nicht so wie es
manche Politiker betreiben. Kein Mensch hat das Recht
irgendeine Religion schlecht zu machen.
Ich denke genau daran müssen wir arbeiten, dass jeder seine Religion ausüben kann ohne ausgeschlossen
oder auf irgendeine Weise angegriffen zu werden.
Das wäre für die ganze Welt sehr gut, denn viele
Kriege basieren hauptsächlich auch auf einem Religionskonflikt.
Was sagen deine Freundinnen und Freunde dazu,
dass du gläubig bist?
Ich habe verschiedene Freunde. Es gibt die, die auch
religiös sind und den Shabbat halten und Kaschrut
(Speisevorschriften, Anm.d.Red.), die sind mir eine
große Hilfe. Ich habe aber auch Freunde, die zwar die
Feiertage begehen, aber sonst nicht sehr religiös leben.
Sie akzeptieren mich, aber ihre Meinung zu Religion
ist eine andere.
Was ist besonders schön und wichtig daran, den
Glauben zu leben?
Die Feiertage, an denen alle zusammen kommen,
finde ich äußerst wichtig.
Außerdem ist mir natürlich die Verbindung zum
Schöpfer wichtig. Denn vor allem in Zeiten, wo ich mir
denke „Ich kann nicht mehr“ ist die Verbindung nach
oben und auch zwischen den Menschen die wichtigste
Stütze.
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Thema
S afa , 1 8 , M uslima
Inwiefern ist dein Glaube wichtig für dich?
Der Glaube ist für mich schon sehr wichtig im Leben,
weil er viele meiner Lebensbereiche beeinflusst.
Ich war am Anfang nicht so überzeugt von einem religiösen Leben. Mit 15 Jahren habe ich dann begonnen
mich für meine Religion, den Islam, zu interessieren
und habe mir daher Bücher besorgt, gelesen und mich
mit Leuten unterhalten. Dann habe mich dazu entschlossen, das Kopftuch zu tragen. So ist der Islam seit
4 Jahren extrem wichtig für mein Leben.
Wie prägt der Islam dein Leben?
Er beeinflusst viele Bereiche meines Lebens. Er hilft
mir mein Leben besser zu gestalten, meinen Charakter
zu bilden und gibt mir sehr viel Motivation. Aber ich
glaube nicht, dass sich mein Leben von dem nichtmuslimischer Mädchen wesentlich unterscheidet. Ich gehe
mit meinen Freunden ins Kino oder ins Café, genauso
wie sie, außer dass ich vielleicht Koran lese, zum Morgengebet aufstehe und im Ramadan faste, sonst unterscheidet sich mein Leben nicht von dem anderer.
Wer hat dir beigebracht zu glauben?
Hauptsächlich meine Eltern. Wir haben früher in
Niederösterreich gelebt, da waren keine anderen Muslime. Meine Eltern haben mich aber nie unter Druck
gesetzt, sie haben mich religiös erzogen, aber sie haben
mir immer die Freiheit gelassen, die Religion so zu leben, wie ich möchte.
Was ist für dich schwierig am Glauben?
Die Gebote meiner Religion sind nicht schwer, aber
was mich traurig macht, ist, dass ich auf der Straße
öfter beschimpft werde. Viele Leute identifizieren den
Islam mit Terrorismus. Es stört mich sehr, dass Leute
mich belästigen aus Unwissenheit. Sie sollten sich besser informieren.
Was sagen die Leute in deiner Klasse?
Sie akzeptieren das voll und ganz. Ich hab schon von
muslimischen Freundinnen gehört, dass sie aufgrund
des Kopftuchs beschimpft werden, das ist mir in der
Schule Gott sei Dank noch nie passiert. Die Atmosphäre
ist super, gar nicht rassistisch bzw. islamfeindlich. Meine Mitschüler reagieren ganz normal drauf und wenn
ihnen auffällt, dass etwas anders ist als sonst, fragen sie
nach dem Grund. Sie interessieren sich dafür.
Was ist dir am islamischen Glauben besonders
wichtig?
Der Islam hilft mir mein Leben besser zu gestalten.
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Außerdem ist das Band zwischen den Geschwistern, so
nennen wir einander bei der Muslimischen Jugend, gestärkt. Diese Gemeinschaft finde ich sehr wichtig.
Gibt es ein Lieblingszitat aus dem Koran?
Ja: “Allah ist mit den Geduldigen.“ (2:153) Das gefällt
mir wirklich gut. Ich bin manchmal recht ungeduldig,
dann denke ich an diesen Vers und das hilft.
Was wünschst du dir von deiner Religionsgemeinschaft?
Dass sie den wahren Islam leben. Der wahre Islam
ist friedlich und schreibt vor, dass sich die Menschen
gut verhalten müssen. Denn wenn sich nur ein Muslim
schlecht verhält, bestärkt er Vorurteile der ganzen Gemeinschaft gegenüber.
Wie erlebst du Judentum und Christentum?
Ich finde es sehr interessant, dass Christen und Juden an dieselben Propheten glauben wie wir, Jesus und
Moses sind für die Muslime sehr wichtige Vorbilder.
Und vieles, was in Bibel und Tora vorkommt, findet
man auch im Koran.
Was wünschst du dir für den interreligiösen Dialog?
Dass die Leute nicht glauben, was viele sagen: Der
Islam ist einfach Terror (oder sonstige andere Vorurteile), sondern, dass sie sich informieren und Vorurteile abbauen.
Thema 17
von Zeit zu Zeit
über die Zeitwahrnehmung in den
Schriftreligionen – eine Skizze
„Es ist Zeit, dass man weiß!
Es ist Zeit, dass der Stein sich zu blühen bequemt,
dass der Unrast ein Herz schlägt.
Es ist Zeit, dass es Zeit wird.
Es ist Zeit.“
So endet Paul Celans Gedicht „Corona“ - eines
seiner berühmtesten und wohl auch schönsten. „Es
ist Zeit.“ Diese Erkenntnis erscheint für unsere Zeit
irgendwie unzeitgemäß, verbinden wir doch das
Hauptwort „Zeit“ weniger mit dem Hilfsverb „sein“
als mit „haben“ oder eher noch mit seiner Negation:
„nicht haben“. Die verrinnende Zeit scheint unsere
Lebenszeit fest im Griff zu haben und immer mehr
davon zu verschlingen. Ständig ist es „höchste Zeit“,
dem nächsten Termin, der nächsten Aufgabe gerecht
zu werden.
Gerade für uns ZeitgenossInnen wäre es daher an
der Zeit, sich von der Zeit-Idee inspirieren zu lassen,
die uns die großen Schriftreligionen präsentieren.
Hier begegnet nicht der Mensch, sondern Gott als
der Herr der Zeit wie der Ewigkeit. Er ist aber nicht
einfach nur ein zeit-loser Gott, sondern er greift in
diese Weltzeit ein und lenkt sie auf ein Ziel hin. Wo
Gott und Zeit in Kontakt kommen, geschieht Rettung
aus der unheilvoll verrinnenden Zeit, bricht „HochZeit“ an, wird Fest gefeiert.
Religiöse Menschen, jüdisch, christlich und islamisch Glaubende, schöpfen ihre Identität aus den
geschichtlichen Ereignissen, in denen der Einbruch
Gottes in den Lauf der Zeit erfahrbar wurde. Und
sie haben alle Formen entwickelt, sich auch in der
Jetztzeit in dieses Damals hineinzubeten und hineinzufeiern, um damit an der göttlichen Zeitfülle „mitzunaschen“.
Fromme Muslime und Musliminnen nehmen sich
zumindest fünfmal am Tag die Freiheit und Freizeit,
sich vor Gott niederzuwerfen. So wie sie sich körperlich nach Mekka orientieren, so richten sie ihr Leben
nach den Maßstäben Gottes aus, tanken alle paar
Stunden aus Seiner Fülle neue Kraft. Auch das Christentum kennt die Idee des strukturierten Tages, der
durch Gebet auf Gott hin ausgerichtet ist: das Stundengebet und den Engel des Herrn. Wie wäre es, sich
diese oder ähnliche Formen des betenden Unterbrechens des Tages an festen zeitlichen Punkten wieder
neu anzueignen?
Das Leben gläubiger Juden und Jüdinnen ist strukturiert durch den Wochen-Rhythmus, den der wöchentliche Shabbat vorgibt. Auf ihn hin und aus ihm
heraus leben sie. Wie Gott nach sechs Tagen Schöpfung am siebten Tag ruhte und aufatmete (Ex 31,17),
so soll Israel an ihm von allen Zwängen der Arbeitswoche befreit, „einfach nur sein“ dürfen. Der Shabbat
ist mehr als einfach nur Freizeit. Er ist nicht freie Zeit,
sondern volle Zeit. Gewiss scheint der Gedanke eines
im positiven Sinn absolut nutz-losen Tages in unserer
Leistungsgesellschaft ziemlich anachronistisch, dennoch glaube ich, dass jüdische Shabbat-Praxis auch
für die christliche Haltung zum Sonntag und zu Feiertagen Vorbild gebend sein könnte.
Christen und Christinnen haben ihre Zeittankstellen vorzugsweise im Jahreskreis aufgestellt. Durch
die Feier der jährlichen Feste begeben sie sich jeweils
virtuell zurück in die Zeit Jesu und feiern mit ihm die
Ereignisse seines Lebens, Sterbens und Auferstehens.
An vielen Punkten im Jahr können sie dabei eigentliches, von Gott her gedachtes Leben einüben. Eine
Konstante dabei ist das Zueinander, Fast- und Festzeiten, die lehren, dass das irdische Leben kein beständiges Fest ist und sein kann, dass festliche Zeiten
ihre Vor- und Nach¬bereitungs¬zeit benötigen.
In einer derart religiös strukturierten Tages-, Wochen- und Jahreszeit wird klar, was Zeit wahrhaft ist:
Leben vor dem liebenden Anblick Gottes. Ja, es ist
Zeit, dass es wieder (Fest-/Gebets-)Zeit wird. Es ist
Zeit.
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Klemens Reidlinger, Bildungsreferent
der Katholischen Hochschulgemeinde
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