Villenkolonien in Wannsee 1875 – 1945 Sonderausstellung der

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Villenkolonien in Wannsee 1875 – 1945
Sonderausstellung der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz,
Mai 2000 – Januar 2006
Der Verein Seglerhaus am Wannsee (VSAW)
Der Zug ans Wasser war eines der wichtigsten
Motive, sich in der Villenkolonie in Wannsee
niederzulassen. Zu Ostern 1881 fanden sich im
Kaiserpavillon unter Führung Conrads einige
Landhausbesitzer und die "Lustige Sieben", eine
Gruppe von Segelsportlern, die schon länger ein
geselliges Seglerleben pflegten, zur Gründung des
Vereins zusammen, der sich zu einem der renommiertesten Segelclubs Deutschlands entwickelte. Im
Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens in der
Villenkolonie stand das Vereinshaus des VSAW. In
exklusiver Abgeschiedenheit kam man nachmittags,
vor allem sonntags, zu Sport und freundschaftlichem
Verkehr zusammen. Leuchtete abends die rote
Laterne im Top des Signalmastes, so war dies die
Einladung an die Mitglieder, sich dem Kreis der
Versammelten anzuschließen.
Im Winter ruhte zwar der Segelsport, aber "Eifrig
huldigte man dem Schlittschuhlaufen, und sogar
Eisfeste bei Fackelbeleuchtung, bei denen gewissenhaft eingeübte Quadrillen gelaufen wurden, brachten
Frohsinn und Farbe auf die zum Tode erstarrte
Fläche" (Protzen). Auch feierten hier die Kolonisten
das 25jährige Bestehen der Colonie Alsen. Sie ließen
ihrer poetischen Ader freien Lauf und komponierten
ein Conrad gewidmetes Danklied:
Otto Protzen
Das alte Seglerhaus,
Am Großen Wannsee 24-26
Zeichnung von Uwe Protzen, 1920
"Strömt herbei, ihr Wannseaten, stimmet an den
Lobgesang! Bringt dem Schöpfer großer Taten Lorbeern,
die er sich errang! Dem das Große ist gelungen, was ihm
Seherblick verhieß, der den märk’schen Sand bezwungen,
schuf aus Sand ein Paradies..."
1898 beantragte der Baron Ferdinand de Rothschild aus London die Aufnahme in den VSAW, der
inzwischen den einst familiären Charakter verloren
hatte und auf dem Höhepunkt der wilhelminischen
Ära an die Spitze des Berliner Segelsports "um nur
nicht zu sagen Deutschlands", wie Otto Protzen
feststellte aufgerückt war.
Clubhaus kurz nach der Fertigstellung,
Postkarte 1911
Auf ausdrücklichen Wunsch des gleichsam obersten Seglers in Deutschland, Kaiser Wilhelm II., sollte
der Segelsport ausgeweitet werden. 1910 weihte der Traditionsclub des Reviers ein neues prachtvolles
Gebäude ein. Die Mitgliederzahl war 1905 von dreißig auf fünfzig angestiegen. Seit 1917 gehörte auch
Ernst Marlier, Besitzer der Villa Marlier, Am Großen Wannsee 56-58, der heutigen Gedenkstätte Haus
der Wannsee-Konferenz, dazu.
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1998 zählte der VSAW über 600 Mitglieder. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten
1933 begrüßte der VSAW "die nationale Erhebung", der Gesamtvorstand und Aufnahmeausschuss
betonte die nationale Gesinnung und hob hervor, dass er "ganz auf dem Boden ~ des neuen
Deutschland stehe". 1936 gewann Deutschland zum ersten Mal eine Goldmedaille im Segeln mit der
"Wannsee" des VSAW. Ehemalige Mitglieder des VSAW, die nun verfolgt wurden, weil sie Juden
waren, oder solche, die nicht bereit waren sich anzupassen, wurden ausgegrenzt und missachtet, wie
z.B. die Familie des Bankiers Richter, die in Opposition zum Regime stand zahlreichen Juden zur
Ausreise verhalf und politische Gegner deckte. Auch durfte die Tochter des Verlegers Langenscheidt,
Ruth, ihr Boot nicht beim VSAW lagern, da sie mit einem "Halbjuden" verheiratet war. In der
Mitgliederliste des Seglervereins findet sich der Bankkaufmann Erich AIenfeld, der sich ab 1942
besonders um Martha Liebermann in ihren letzten Lebensmonaten kümmerte. Er war als Jude, in einer
"Mischehe" lebend, selbst gefährdet; der VSAW hatte ihn bereits 1934 ausgeschlossen.
Mitglied der Junioren des Segelclubs war ein bedeutender Mitverschwörer des Staatsstreichs vom 20.
Juli 1944, Werner von Haeften, der als Ordonnanzoffizier Stauffenbergs den Staatsstreich unterstützte
und im Hof des Bendlerblocks in Berlin-Tiergarten in der Nacht zum 21. Juli 1944 erschossen wurde.
1942 drehte der VSAW einen Film mit dem Titel „Segler" zum 75-jährigen Bestehen des Vereins.
Gemäß der Weisung des Reichssportführers sollte der Sportbetrieb auch während des Krieges
fortgesetzt werden. Vereinsführer Adolf Hain befand 1940, dass der Segelsport "in Sonderheit
Kampfsport" sei, die letzten Mitbestimmungsrechte wurden den Mitgliedern unter der Drohung, dem
Verein das Gemeinnützigkeitsrecht zu entziehen, geraubt. 1943 musste der VSAW das Clubhaus
räumen und die Wehrmacht richtete im Gebäude ein Lazarett ein.
Nach dem Krieg erhielt der Verein das Clubhaus von den Alliierten zurück. Der Grundbesitz wurde im
Laufe der Jahre durch Landzukäufe erweitert, um den Clubmitgliedern mehr Stellfläche für Boote und
Parkplätze anbieten zu können.
© Haus der Wannsee-Konferenz, Berlin 2012
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