Predigt zur Konfirmation Gruppe II am 2. So. n. Trinitatis, dem 05. Juni 2016, Epheser 2,(11-16) 17-22 Kanzelgruß Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Ichthyskreuz - Frieden den Fernen und den Nahen Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, „dazu-zu-gehören“ ist eine wichtige Sache - besonders im jugendlichen Alter. Die meisten aus Eurer Konfi-Gruppe gehen zusammen auf die Melibokus-Schule, viele in dieselbe Klasse. Das ist zwar ein Merkmal Eurer Gruppe, aber ob einzelne deshalb auch das Gefühl haben, dazu-zu-gehören, ist eine andere Sache. Am Anfang unserer gemeinsamen Zeit war es besonders für diejenigen, die nicht schon immer in Bickenbach gewohnt haben oder auf eine andere Schule gehen, nicht ganz einfach, ihr Fremdheitsgefühl abzulegen und einen Zugang in die Gemeinschaft zu finden. Spätestens aber seit dem KonfiCastle habt Ihr neue, feste Freundschaften geknüpft, die nicht nur über Konfi, sondern auch über die Grenzen Bickenbachs hinaus Bestand haben werden! Eine weitere Besonderheit Eurer Gruppe ist auch, dass es unter 20 Konfis nur sechs Jungen gibt. Eure Solidarität untereinander war einfach überwältigend – wenn einer von Euch etwas machen sollte, Tisch decken, Küchendienst… egal – haben sich immer alle anderen Jungs freiwillig dazu gemeldet. Einfach klasse! Als drei von Euch letzte Woche konfirmiert wurden, waren trotzdem alle anderen auch da. (Und heute wieder – nur umgekehrt!) „Dazu-zu-gehören“ ist eine wichtige Sache – auch im fortgeschrittenen Alter. Theo trägt als Zeichen seiner inneren Verbundenheit mit Euch immer noch das Erkennungs-Armband von unserem KonfiCastle im März. Es trägt die Aufschrift des diesjährigen Mottos: „beGEISTert“ und der „Geist“ in dem Wort ist in großen Buchstaben geschrieben: „beGEISTert“! Ich glaube, es war auch ein wichtiger Schritt im letzten Jahr nach der Konfirmation, dass sich begeisterte Konfi-Teamerinnen und Teamer zusammen mit einigen der konfirmierten Jugendlichen zu in einer eigenständigen Gruppe, den „Lila 1 Sandhasen“, zusammen geschlossen haben. In ihrer Vorstellung auf unserer neuen Homepage beschreiben sie sich so: „Wir sind eine kleine Gruppe, in der das Vertrauen groß geschrieben wird und wir immer sehr viel Spaß zusammen haben. Zu uns kann jeder kommen, ab ca. 15 Jahren – egal ob konfirmiert oder nicht konfirmiert, gläubig oder zweifelnd, schwarz oder weiß.“ Die „Lila Sandhasen“ haben Euch, liebe Konfis, schon mehrfach eingeladen, sich ihnen anzuschließen, um auch „Nach-Konfi“ dazu zu gehören und sich weiterhin regelmäßig zu treffen! Was ihnen bisher zu ihrer Wiedererkennung noch fehlt, ist ein T-Shirt mit einem lila Häschen, wie ich finde! Aber warum eigentlich „Lila Sandhasen“? Zeichen und Symbole lesen sich wie Geheimcodes der Zugehörigkeit. Im Positiven ebenso wie im Negativen brauchen wir oft Hintergrundinformationen, um die inhaltliche Aussage deuten zu können. Ihr, liebe Konfis, erinnert Euch sicher noch an einige Zeichen, die der Integrationsbeauftragte des Kreises Bergstraße, Manfred Forell, uns gezeigt und erklärt hat. Da fanden sich Zahlensymboliken (88 für Heil Hitler) und Abkürzungen in Markennamen (LONSDALE), die auf die Verherrlichung des Nationalsozialismus hin deuten. Aber es gibt ebenso Zeichen, die sich ursprünglich auf Bibelstellen beziehen, wie „Schwerter zu Flugscharen“ aus den Büchern Micha 4,3 und Jesaja 2,4 oder die Taube als Zeichen für den Geist Gottes, der wie eine Taube bei der Taufe Jesu vom Himmel herab kam, und später bei der Friedensbewegung zur Friedenstaube mutierte. Auf ein besonderes Zeichen möchte ich Sie und Euch heute aufmerksam machen. Schauen Sie sich, liebe Gemeinde, jetzt bitte das Bild auf dem Gottesdienstblatt einmal an. Was sehen Sie? (verschlungenes Kreuz, Schlaufen, 4 Fische, Raute) 2 Die Kirchengemeinde schenkt Euch, liebe Konfis, heute zur Konfirmation dieses Zeichen – es ist das Ichthyskreuz. Es verbindet zwei Symbole miteinander: das Kreuz und den Fisch bzw. vier Fische, die in alle vier Himmelsrichtungen weisen. Für uns heute ist das Kreuz, in unterschiedlichsten Formen, das selbstverständliche Identifikationszeichen der Christenheit - das Kreuz, an dem Jesus Christus für uns – die einst von Gott fernen Fremden – starb, um uns Gott näher zu bringen. Das viel ältere Symbol aber ist der Fisch – die ersten Jünger waren Fischer und wurden von Jesus zu „Menschenfischern“ berufen. Der Fisch war das Geheimzeichen der ersten Christinnen und Christen. Dieses doppelte Zeichen lenkt uns somit zurück zu den Anfängen des Christentums, als die ersten Jesus NachfolgerInnen sich als junge oder auch ältere Erwachsene taufen ließen und sich somit - genauso wie ihr am heutigen Tag - zum Glauben bekannten: Für sie war es oft ein Risiko, offen zu ihrem Glauben zu stehen und sich als Christinnen und Christen zu zeigen. Denn Christen wurden damals misstrauisch beäugt, weil sie vieles nicht mitmachten. Sie beteten zum Beispiel den Kaiser nicht an. Und sie lebten in ihrer eigenen Gemeinschaft. Sie hatten sich ein Geheimzeichen gewählt, an dem sie sich erkennen konnten: Einer malte einen Halbkreis in den Sand – und wenn der andere ihn dann mit einem weiteren Halbkreis zu einer Fischform vervollständigte, wusste man, dass man einander vertrauen konnte. Man hatte im Glauben an Jesus Christus eine neue Gemeinschaft gefunden. Man gehörte dazu - sozusagen zur gleichen Clique. Der Fisch wurde zum Symbol für die ersten Christen. Und auch das griechische Wort für Fisch, ICHTHYS, wurde als eine Art Geheimcode genutzt. Die einzelnen Buchstaben von ICHTHYS lassen sich jeweils den Anfangsbuchstaben der griechischen Worte für „Jesus Christus, Gottes Sohn und Retter“ zuordnen. So hatte man das kürzeste Glaubens-bekenntnis der Welt erfunden und verriet niemandem, der nicht eingeweiht war, woran man glaubte. Mit Eurem Konfirmationsversprechen, das Ihr heute vor Gott und dieser Gemeinde ablegen wollt, setzt Ihr ein Zeichen Eurer Zugehörigkeit zur weltweiten Gemeinschaft 3 der Christinnen und Christen in Jesus Christus. Das Ichthyskreuz könnt Ihr als äußeres Zeichen sichtbar am Hals oder als geheimes Zeichen zum Festhalten in Eurer Hosentasche tragen. Ihr seid „nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger und Mitbürgerinnen der Heiligen und Gottes Hausgenossen“. Was das genau bedeutet, steht im Predigttext für den heutigen 2. Sonntag nach Trinitatis. Ich lese aus dem Epheserbrief, Kapitel 2, die Verse 17-22: 17 Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. 18 Denn durch ihn haben wir alle beide in "einem" Geist den Zugang zum Vater. 19 So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger und Mitbürgerinnen der Heiligen und Gottes Hausgenossen, 20 erbaut auf den Grund der Apostel und Prophetinnen und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, 21 auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. 22 Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist. Der Predigttext führt uns die Migrationsgeschichte der Kirche vor Augen, wie aus Gästen und Fremdlingen Mitbürgerinnen und Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen wurden. Ich habe schon von den ersten Christinnen und Christen erzählt. Der Predigttext deutet darauf hin, dass sie sich aus zwei unterschiedlichen Gruppen zusammensetzten und auch mal Streit miteinander hatten: Das waren einerseits Jüdinnen und Juden, die auch an Jesus als den Messias glaubten. Sie werden als die, die nahe waren bezeichnet, weil sie - als Volk Israel schon vor dem Auftreten Jesu Gottes Gebote hielten und ihm dadurch nahe standen. Und das waren andererseits Menschen, die fern waren, aus biblischer Sicht zunächst Ungläubige aus unterschiedlichen Völkern, die Gottes Gebote noch nicht kannten oder befolgten und erst später dazu kamen als sie an Jesus glaubten und ihm nachfolgten. „Der Epheserbrief weist uns als Gläubige aus den Völkern auf unsere theologische Herkunft hin: ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels, Fremde außerhalb des Bundes der Verheißung, Ferne. Erst in Christus Jesus sind wir aus Fernen zu Nahen 4 geworden (…wenn wir es denn wollten.) Dass dieses Hineingenommensein der Völker in den Bund Gottes mit Israel, das Paulus vor Augen hatte, in der Kirchengeschichte von Christinnen und Christen auf grausame Weise missbraucht wurde und zur Vertreibung der ursprünglichen HausbewohnerInnen und BürgerInnen führte, ist eine Schuld, an der die Kirche noch lange zu tragen haben wird.“ Im Konfi-Unterricht haben wir auch darüber gesprochen, wie es im Nationalsozialismus – unter Mitwirkung bzw. Duldung der Kirchen - für Jüdinnen und Juden durch ihre Verfolgung ab 1933 „Immer schlimmer“ wurde und bis zu ihrer Vernichtung in ganz Europa führte. (Vgl. Präsentation „Es wurde immer schlimmer.“ Stationen der Judenverfolgung im Nationalsozialismus http://www.imdialog-shop.org/epages/64014111.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/64014111/Categories/Praesentationen) Vielleicht sollten wir deshalb eher, wie es der evangelische Theologe Friedrich Wilhelm Marquardt formulierte, von der „gelebten Bitte um Aufnahme in den Bund“ sprechen. „So gilt es, dass wir uns immer wieder klar machen „…ihr seid doch auch Fremde (gewesen?)“. Gerade diese Ausgangsposition des eigenen Fremdseins birgt eine ungeheure Chance in der Migrationsgesellschaft, in der das Reden vom „Fremden“ und „Eigenen“ endlich hinfällig geworden sein sollte.“ Ich bin sicher, dass Ihr, liebe Konfis, Euch noch sehr gut an das Fremdheitsgefühl erinnert aus den ersten Konfistunden im Gemeindehaus, den ersten Kontakten mit den TeamerInnen und Teamern, manchem Gottesdienst hier in der Kirche. Vielleicht geht es auch vielen der heute Anwesenden so mit der ihnen nicht mehr vertrauten Form „Gottesdienst“, mit seinen liturgischen Gesängen, Liedern, Gebeten und der Predigt? Was können wir also tun, damit sich Menschen nicht als Fremdlinge, sondern als Hausgenossen im Haus Gottes, im „Welthaus Gottes“ fühlen? Im Konfi-Unterricht haben wir z.B. versucht, die Geheimcodes der Liturgie zu entschlüsseln, um Euch ihre Bedeutung näher zu bringen. Wir haben zusammen die 5 zehn Gebote in unsere Zeit hinein übersetzt und festgestellt, dass wir nach sehr viel mehr als nur nach zehn ethischen Maßstäben leben. Im 2. Buch Mose 22,20 ist uns - mit der Erinnerung an die Fluchtgeschichte des Volkes Israel - der Schutz der Fremden aufgetragen. Dort heißt es: „Die Fremdlinge sollst du nicht bedrängen und bedrücken; denn ihr seid auch Fremdlinge in Ägyptenland gewesen.“ In Kleingruppen habt Ihr, liebe Konfis, darüber nachgedacht, wie Ihr Euch gegenüber den jugendlichen Flüchtlingen in Euren Schulen, in Euren Klassen verhaltet. Sie fühlen sich sicher in vielerlei Hinsicht fremd: Sprache, Kultur, Religion… Ich kann mich an ein großes rotes Herz am Flipchart erinnern: Es sollte ein Symbol für das Willkommenshaus sein, das Ihr ihnen bauen wollt, um ihnen zu zeigen, dass sie jetzt auch dazu gehören! Vielleicht werdet Ihr deshalb von anderen misstrauisch beäugt werden, weil Ihr vieles jetzt nicht mehr mitmacht, Euch anders verhaltet als ohne Konfi-Erfahrung? Der Hausbau mit Jesus als Eckstein, der Ferne und Nahe im Frieden miteinander verbindet, hat bereits begonnen. Durch Euer Bekenntnis zu Jesus Christus, das Ihr, liebe Konfis, gleich ablegt, „werdet auch ihr mit erbaut „zu einer Wohnung Gottes im Geist“ (Vers 22). Aus Fernen seid Ihr zu Nahen geworden. Wir hoffen, dass das auch so bleibt! Kanzelsegen Der Friede Gottes, der höher ist alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen. Erstellt von Pfarrerin Andrea Thiemann Mit Anregungen und z.T. wörtlichen Zitaten aus: 2. Sonntag nach Trinitatis: Epheser 2, (11-16)17-22 von Gabriele Zander, S. 233-238, in: Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext, Zur Perikopenreihe II, hrsg. Studium in Israel e.V., Wernsbach 2009. 6