56 megalink 12.13 S O F TW A R E POWER AWARE SIGNAL INTEGRITY SIMULATION AM BEISPIEL EINER STROMVERSORGUNG IO-Schnittstellen im Fokus Firmenbeitrag - Bei der Simulation von Stromversorgungen wurde bislang das transiente Verhalten von IO-Schnittstellen vernachlässigt. Doch gerade bei Frequenzen grösser 1 GHz kann sich ein genauerer Blick darauf lohnen. Für diesen hält FlowCAD verschiedene Werkzeuge bereit. P hysikalische Vorgänge bei der Signalübertragung im hochfrequenten Bereich sind sehr komplex. Um ungewollte Effekte vorhersagen zu können, wird daher versucht, die Realität mit mathematischen Modellen nachzubilden. Diese sind vereinfacht, um in tolerierbarer Zeit zu akzeptablen Ergebnissen zu kommen, und werden von Computern mit Simulationsprogrammen berechnet. Grundlegendes zur Signalintegrität Die Signalintegrität (SI) beschreibt die Qualität eines elektrischen Signals. In der Digitaltechnik wird eine Reihe von binären Daten in Form von Spannungswerten oder Stromwerten in einer Kurve übertragen. Da digitale Signale letztendlich auch nur analoge sind, unterliegen sie ebenfalls Einflüssen wie Rauschen oder Distortion. Über kurze Distanzen und mit kleinen Bitraten kann eine einfache Übertragungsstrecke diese Signale mit ausreichender Qualität transportieren. Bei hohen Bitraten und über längere Distanzen werden sie jedoch so gestört, dass Fehler auftreten und das übertragene Ergebnis unbrauchbar wird. Bei Signalintegrität wird das Verhalten der Störeffekte auf der gesamten Übertragungsstrecke analysiert und vorhergesagt. Grundlegendes zur Power-Integrität Die Power-Integrität (PI) beschreibt die Qualität einer Strom- oder Spannungsversorgung eines elektrischen Systems. Diese kommt bei elektrischen Bauteilen zu tragen, die bei einer bestimmten Versorgungspannung innerhalb einer fest definierten Toleranz variieren (zum Beispiel ±5 Prozent) dürfen. Daher kommt Netzteilen beim Betrieb der elektrischen Schaltung eine wichti- INFOS FlowCAD Schweiz AG 5506 Mägenwil Tel. +41 56 485 91 91 [email protected] www.flowcad.ch Bild 1: Die Rückkopplung schaltender Pins hat auf das Design von Stromversorgungen erheblichen Einfluss. Bilder: FlowCAD ge Funktion zu, da sie den Strom entsprechend regulieren müssen. Beeinträchtigt wird die Stromversorgung durch die Leiterbahnstrukturen, die einen Widerstand (Impedanz) aufweisen. Zur lokalen Unterstützung der Stromversorgung werden daher Abblockkondensatoren und Power-Lagen als lokale Energieversorger platziert. Bei Power-Integrität wird das Verhalten der Störeffekte der gesamten Spannungsversorgung analysiert und vorhergesagt. Machbarkeitsstudie für Stromversorgungssystem In Form von Machbarkeitsstudien wird unter Berücksichtigung von Störbudgets ein Stromversorgungssystem ausgelegt. Die Ergebnisse dieser Simulation entscheiden den Lagenaufbau. In der Vorgehensweise werden dabei grundsätzlich zwei Fälle betrachtet: das Verhalten bei Gleichstrom (DC) und das Hochfrequenzverhalten (AC). Bei niedrigen Frequenzen, also im Gleichstromfall, werden die Dimensionierung des Netzteils und die Implementierung durch diskrete Bauteile vorgenommen. Für den Regelkreis werden entsprechende Elektro- lyt-Kapazitäten zur Stabilisierung mit einer Spice-Simulation bestimmt. Es müssen aber Werte für den maximalen Spannungsabfall (IR-Drop) über Zuleitungen festgelegt werden. Diese Werte ergeben geeignete Leitungsquerschnitte für Zuleitungen, Flächen und Durchkontaktierungen. Zur Kontrolle und Regelung der Spannungen werden Messleitungen so platziert, dass sie störungsfrei die Spannung am Verbraucher messen können. Bei hohen Strömen kommt es zu Eigenerwärmung der Leiterplatte. Diese erhöhten Temperaturen haben eine Veränderung des elektrischen Widerstands der stromführenden Teile zur Folge, so dass der IR-Drop ansteigt. Eine Schaltung ist deshalb immer in Bezug auf Strom und Temperatur ausreichend zu dimensionieren. Bei hohen Frequenzen muss das System gegen interne und externe Einflüsse entstört werden. Dies geschieht durch die geeignete Auswahl von Abblockkondensatoren und EMV-Kondensatoren. Die Platzierung der Kondensatoren spielt eine nicht unerhebliche Rolle, da der Wirkungskreis mit steigender Abblockfrequenz kleiner S O F TW A R E 1.46562 V 2A 1.399112 V wird. Die Impedanz und der Störabstand des Versorgungssystems kann überprüft werden. Wenn das System dimensioniert ist, kann ein PDS-Model für die anschliessende SI-Simulation extrahiert werden. Simulation elektrischer und thermischer Grössen Bei der Analyse und Dimensionierung einer Stromversorgung müssen die Stromdichten und Temperaturen auf der Leiterplatte berücksichtigt werden. Der elektrische Widerstand erhöht sich mit steigender Betriebstemperatur. Die Verlustleistungen von Bauteilen erhöhen ebenfalls die Umgebungstemperatur. Die Erwärmung des Kupfers beeinflusst die Wärmeleitfähigkeit der Leiterplatte. Mit einer Co-Simulation können verschiedene Werte als Startwerte für die andere Simulation eingesetzt werden, bis die Werte konvergieren und es keine Änderungen mehr gibt. Diese Ergebnisse stimmen sehr gut mit den gemessenen Werten überein. 57 10 A 1.43 V Bild 2: Spannungsabfall. 12.13 megalink 0A Bild 3: Strom in Durchkontaktierungen. Mit einer Power-DC-Simulation von Cadence Sigrity können elektrische und thermische Grössen für Leiterplatten und ICPackages in Sign-off-Qualität simuliert werden. Das Routing von erforderlichen Spannung-Messleitungen am Verbraucher wird automatisch vom Tool vorgeschlagen. Spannungsabfälle auf leitfähigen Elementen werden berechnet und können in Plots grafisch ausgegeben werden. Mit der Vielzahl von Plots können Schwachstellen im Design schnell zugeordnet und behoben werden. Simulation der Signalintegrität Für eine exakte Simulation der Signalqualität müssen mehrere voneinander abhängige Effekte berücksichtigt werden. Da ist zunächst der Einfluss der Übertragungsstrecke (Transmission Line) und ihrer Impedanz. Diese berechnet sich aus dem Lagenaufbau, der Leiterbahnstruktur, Terminierungen und dem Rückstrompfad. Da schnelle Signale häufig als differentielle Paare übertra- gen werden, kommen zusätzlich die differentielle Impedanz, gekoppelte und ungekoppelte Teilstrecken sowie der Phasenversatz hinzu. Diese Strukturen müssen ab 1 GHz mit einem Fieldsolver für eine Simulation extrahiert werden, da sonst der Fehler schnell auf grösser als 10 Prozent ansteigt. Des Weiteren kommt der Einfluss der Stromversorgung hinzu. Beim Sender bewirken Spannungsschwankungen, dass die Signale mit einer unterschiedlichen Flankensteilheit versendet werden. Dies führt zu Jitter und kleineren Augenöffnungen beim Empfänger. Beim Empfänger wiederum führen Schwankungen in der Stromversorgung zu Auswirkungen auf die Referenzspannungen, die ein Signal in High (VH) und Low (VL) beim Empfänger unterteilen. Basierend auf einem 3D-FEM-Vollwellenlöser können alle parasitären Einflüsse der Leiterplattengeometrie gut modelliert werden und die Signalintegrität auch im Bereich über 1 GHz sehr genau simuliert werden. Der Simulator ist auf Leiterplatten-Struktu- 58 megalink 12.13 S O F TW A R E CurrentDensity(A / mil2) 0.4597451 6.4516e-6 0 Bild 4: Stromdichte und Stromrichtung. ren hin optimiert, so dass die Rechenzeiten gegenüber einem universellen 3D-Simulator deutlich schneller und leichter aufzusetzen sind. Dabei sorgt eine adaptive Maschenstruktur für gute Ergebnisse, da sie bei homogenen Strukturen grosse Maschen mit schnelleren Rechenzeiten und bei kritischen Stellen enge Maschen mit höherer Genauigkeit wählt. In den Kurven in Bild 5 und Bild 6 ist der Unterschied zwischen einer Simulation eines Signals mit der Anstiegszeit 1 ns zu sehen, wenn die Versorgungslagen vereinfacht als ideal angenommen werden oder wenn die Schwankungen der Stromversorgungen berücksichtigt werden. Hierbei ist deutlich zu erkennen, dass eine vereinfachte Simulation vermeintliche Sicherheit suggeriert und eine reale Simulation der gleichen Leiterplatte Massnahmen zur Stabilisierung der Stromversorgung erfordert. Bei der Power-Aware-Simulation werden die Einflüsse des Schaltens auf die Power Rail aus den IBIS-5.0-Modellen in der Simulation ausgewertet. Diese berücksichtigt Diskontinuitäten auf dem kompletten Hinund Rückstrompfad inklusive Schlitzen, Stitching- und Abblock-Kondensatoren. Optimierung des Post Layouts Mit Optimize PI kann die Stückliste eines bestehenden Layouts optimiert werden. Die Sigrity Tools importieren nicht nur OrCAD und Allegro, sondern PCB-Layout-Daten von anderen Herstellern. Dabei werden auf die im Layout vorhandenen Footprints neue Kombinationen von Kondensatoren platziert. Durch die Kombination der elektrischen Werte aller in der Bibliothek geeigneten Kondensatoren ergeben sich tausende von Ergebnissen. Im Vergleich zum Original-Design kann nun in unterschiedliche Richtungen optimiert werden: Impedanz, Kosten, Typvielfalt oder die Anzahl der Bauteile. Es gibt eine Vielzahl von Kombinationen, bei denen die Summe alle Kondensatoren günstiger ist, als in der Original-Stückliste und gleichzeitig eine geringere Impedanz des Stromversorgungssystems aufweisen. Bild 5: Grafische Darstellung einer idealen Stromversorgung. Bild 6: Die ideale Stromversorgung aus Bild 5 als Power Aware SI Simulation. Nach dem Aufsetzen des Designs sind die tausenden von Kombinationen in wenigen Minuten berechnet und in einer Grafik zur Auswahl bereit. Jetzt kann eine neue Stückliste ausgewählt und detaillierte Plots erzeugt werden. So lassen sich bestehende Leiterplatten und fertige Designs optimieren. Durch Vergleiche des Spannungsabfalls über das Spektrum der Anstiegszeiten können gezielt Bestückungen gewählt werden, die im kritischen Frequenzbereich optimale Ergebnisse liefern und damit das ganze Design auch weniger anfällig für Störungen machen. Dies ist interessant für FCC- oder andere EMV-Prüfungen, bei denen Störungen beziehungsweise Empfindlichkeiten einer bestehenden Schaltung bekannt sind. In einem weiteren Schritt kann ein Layout im Hinblick auf EMV optimiert werden. Hierzu müssen aber zusätzliche Kondensatoren speziell zur Entstörung im Design platziert werden. Die Electro-Magnetic Immission Capacitors verändern das Abstrahlverhalten der Schaltung. Differentielle Signale funktionieren nur dann, wenn beide Signale möglichst eng und in Phase übertragen werden. Nur dann können sich Störungen durch überlagerte Felder auslöschen. Wenn die Signale nicht mehr eng oder in Phase geroutet sind, werden sie entkoppelt und Störungen nehmen exponentiell zu. Eine farbliche Kennzeichnung der einzelnen Signale zeigt anschaulich, wo und wie die Signale entkoppelt sind. So lassen sich gezielt Bumps im Signal einbringen, um den Phasenversatz zu korrigieren. ■ Signalintegritäts-/Powerintegritätssimulati on Zum Thema Signalintegritäts- beziehungsweise Powerintegritätssimulation gibt es viele Präsentationen und Berichte, wobei beide Themen stets getrennt voneinander betrachtet werden. Insbesondere bei der Signalintegritätssimulation wurde bislang stillschweigend ein ideales Versorgungssystem vorausgesetzt. Diese Vereinfachung ist bei Frequenzen grösser 1 GHz nicht mehr genau genug, insbesondere wenn die zunehmenden Taktfrequenzen (welche mit steileren Flanken einhergehen) und die grösser werdende Anzahl von gleichzeitig schaltenden Pins pro Bauteil betrachtet werden. Die Rückkopplung der schaltenden Pins sowie der Einfluss von Störungen auf das Stromversorgungssystem muss daher im Hinblick auf das transiente Verhalten der IO-Schnittstellen berücksichtigt und mit simuliert werden.