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MPE : Aktuelles - PR20120330
30.03.12 12:19
Beobachtungen zeigen die Galaxienverteilung als das
Universum halb so alt war wie heute
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Manchester, 30. April 2012 – Während der deutsch-britischen Astronomietagung
NAM2012 gaben die Wissenschaftler des BOSS-Teams (Baryon Oscillation Spectroscopic Survey) heute bekannt, dass sie die Verteilung der Galaxien vor etwa fünf bis
sechs Milliarden Jahren so genau vermessen haben wie nie zuvor. Dies war ein
Schlüsselmoment, als die Ausdehnung des Universums nicht mehr langsamer wurde
sondern anfing, sich aufgrund einer geheimnisvollen Kraft namens "dunkler Energie"
zu beschleunigen. Was hinter dieser dunklen Energie steckt ist eines der großen Rätsel in der Kosmologie und die Wissenschaftler brauchen genaue Messungen der Ausdehnungsgeschichte des Universums – und BOSS liefert genau solche Messungen. In
sechs Artikeln, die heute veröffentlicht wurden, verwendeten Wissenschaftler des
BOSS-Teams, dem auch Forscher des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik angehören, diese und frühere Messdaten, um unterschiedliche kosmologische
Modelle stark einzugrenzen
BOSS ist Teil des Sloan Digital Sky Survey (SDSS-III) und begann im Jahr 2009
mit seinem Blick zurück zu einer Zeit, als
die dunkle Energie im Universum anfing
eine wichtige Rolle zu spielen. Bis 2014
wird das Projekt mit einem speziell entwickelten neuen Spektrographen am 2,5Meter-Sloan-Teleskop am Apache Point
Observatorium in New Mexico, USA, Daten von 1,35 Millionen Galaxien sammeln. In den ersten eineinhalb Jahren hat
BOSS bereits ein Zehntel des Himmels
abgetastet und für mehr als eine viertel
Million Galaxien deren dreidimensionale
Positionen bestimmt, woraus sich eine genaue und vollständige Verteilung der Gahttp://www.mpe.mpg.de/News/PR20120330/text-d.html
Abb 1: Eine Karte der Galaxienverteilung
in einem dünnen Schnitt durch den BOSSKatalog. Wir sind im Zentrum des
Bogens, außerhalb des unteren Randes
der Abbildung, jeder schwarze Punkt
entspricht einer Galaxie. Der rote Kreis
zeigt die ungefähre Größe der BAO-Skala.
BILD: Francesco Montesano/Max-PlanckInstitut für extraterrestrische Physik,
Sloan Digital Sky Survey III
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laxien bis zu einer Entfernung von etwa sechs Milliarden Lichtjahren ergibt.
Die Galaxien bilden ein „kosmisches Netz” mit vielen unterschiedlichen Strukturen,
die wertvolle Informationen über unser Universum enthalten. Insbesondere sind die
sogenannten „baryonischen akustischen Oszillationen (BAO)” für die Wissenschaftler von Interesse, da diese ihnen eine „Standard- Messlatte” an die Hand geben. BAO
sind Überreste aus der Frühphase des Universums, als es eine heiße und dichte „Teilchensuppe” war. Kleine Dichteschwankungen durchliefen diese „Suppe” als Druckbzw. Schallwellen. Als sich das Universum ausdehnte und abkühlte, sank der Druck
ab und so wurden die weitere Ausbreitung dieser Wellen nach etwa 500 Millionen
Lichtjahren gestoppt. Diese „eingefrorenen Wellen” bildeten sich in der Materieverteilung ab und können heute in der Galaxienkarte abgelesen werden: so ist die Wahrscheinlichkeit dafür, zwei Galaxien in diesem Abstand zu finden, etwas höher als für
größere oder kleinere Entfernungen.
Fig 2:
Die Signatur der baryonischen
akustischen Oszillationen (weiße Kreise)
in Galaxienkarte hilft den Astronomen
dabei, die Geschichte des sich
ausdehnenden Universums
nachzuvollziehen.
Diese schematischen Bilder zeigen das
Universum zu drei verschiedenen Zeiten:
Das Falschfarbenbild rechts zeigt den
„kosmischen Mikrowellenhintergrund”,
ein Bild des sehr jungen Universums vor
13,7 Milliarden Jahren. Aus den damals
kleinen Dichteschwankungen
entwickelten sich in die Galaxienhaufen
und –filamente, die wir heute sehen.
http://www.mpe.mpg.de/News/PR20120330/text-d.html
Misst man nun die scheinbare Größe dieser BAO-Skala in der Verteilung der
Galaxien so erhält man Information zu
kosmischen Entfernungen. Kombiniert
mit einer Messung der Galaxien-„Rotverschiebung” – einem Maß dafür, wie
schnell sich die Galaxien als Folge der
kosmischen Expansion von uns entfernen
– können die Wissenschaftler somit die
Ausdehnungsgeschichte des Universums
rekonstruieren.
Damit liefern die BOSS-Daten zusammen
mit früheren Analysen jetzt Informationen, um die Parameter des kosmologischen Standardmodells auf eine Genauigkeit von besser als fünf Prozent zu bestimmen. „Alle unterschiedlichen Messungen deuten auf die gleiche Erklärung”, sagt Dr. Ariel Sanchez, Wissenschaftler am Max-Planck- Institut für extraterrestrische Physik und Erstautor bei
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und –filamente, die wir heute sehen.
Diese Schwankungen enthalten auch die
Signatur der ursprünglichen
baryonischen akustischen Oszillationen
(weißer Ring, rechts). Als sich das
Universum ausdehnte (Mitte und links),
blieb die Information über die BAO
erhalten und kann aus dem mittleren
Abstand der Galaxien abgelesen werden
(größere weiße Kreise).
Die Ergebnisse von SDSS-III, die heute
bekannt gegeben wurden, sind für
Galaxien in einer Entfernung von etwa 5,5
Lichtjahren, zu einer Zeit als die dunkle
Energie anfing eine Rolle zu spielen.
Vergleicht man diese Ergebnisse mit
früheren Messungen von Galaxien in
einer Entfernung von 3,8 Milliarden
Lichtjahren (links), so kann man messen,
wie stark sich das Universum im Laufe
der Zeit ausgedehnt hat.
Credit: E. M. Huff, the SDSS-III team, and
the South Pole Telescope team. Graphic
by Zosia Rostomian.
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einem der Artikel, die heute veröffentlicht wurden. „Die dunkle Energie ist
konsistent mit Einsteins kosmologischer
Konstante: einer kleinen aber nicht vernachlässigbaren Energie, die den Raum
kontinuierlich dehnt und damit die beschleunigte Expansion des Universums
antreibt.”
Neben der dunklen Energie können die
Informationen aus der großräumigen Galaxienverteilung aber auch verwendet
werden, um andere wichtige physikalische Parameter wie die Krümmung des
Universums, die Neutrino- Masse oder
die Phase der Inflation im frühen Universum einzugrenzen. „Aktuelle Beobachtungen zeigen, dass das Universum flach
sein muss, mit einer Genauigkeit von besser als 0,5 Prozent”, erklärt Ariel Sanchez.
„Und während wir auf der einen Seite einen derart globalen Parameter auf kosmischen Maßstäben messen, können wir gleichzeitig Informationen über Neutrinos auf
den kleinsten Skalen erhalten.”
Neutrinos sind winzige Elementarteilchen. Obwohl eine Reihe von Experimenten gezeigt hat, dass diese eine Masse haben müssen, können die Wissenschaftler nicht sagen, wie viel sie wiegen, da man das nur schwer in einem Labor messen kann. Doch
als zusätzliche Komponente in der heißen, frühen Phase des Universums haben die
Neutrinos Einfluss auf das Wachstum von Strukturen. Damit enthält die Verteilung
der Galaxien, wie sie von BOSS sondiert wird, Informationen über die maximale
Masse, die diese Neutrinos haben dürfen. „Wir haben hier wirklich die Verbindung
zweier extremer Welten, der sehr, sehr großen und der sehr, sehr kleinen”, fügt Ariel
Sanchez an.
Aufgrund der hohen Qualität der neuen Daten konnte das BOSS-Team sogar neue
Hinweise auf die kosmische Inflation erhalten, einer Zeit kurz nach dem Urknall, als
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sich das Universum unglaublich schnell ausdehnte. Während der kosmischen Inflation wurden kleine Bereiche des Alls so stark aufgeblasen, dass sie heute das gesamte,
für uns beobachtbare Universum bilden. Gleichzeitig wurden auch die winzigen
Quantenfluktuationen aufgebläht und bildeten so die Keime der Strukturen, die uns
die BOSS-Daten noch heute zeigen. „Es gibt einen regelrechten Zoo aus alternativen
Inflationsmodellen. Mit BOSS bekommen wir neue wichtige Hinweise auf die inflationäre Phase des Universums, und können so den Markt der verfügbaren Modelle
etwas ausdünnen”, erklärt Ariel Sanchez.
Bisher stimmen alle Messungen sehr gut mit dem kosmologischen Standardmodell
überein, das aus ein paar Prozent gewöhnlicher Materie, etwa einem Viertel Dunkler
Materie und dem Rest aus Dunkler Energie besteht. Aber Ariel Sanchez ist vorsichtig:
„Das ist nur der Anfang. Wenn wir die kompletten fünf Jahre an BOSS-Daten haben,
können wir viel engere Grenzen erwarten, und es gibt auch eine Reihe zukünftiger
Projekte, wie EUCLID, die uns noch bessere Messungen liefern werden. Damit werden wir den Antworten auf die großen offenen Fragen der Kosmologie einen Schritt
näher kommen.”
Anmerkungen:
1. Der Sloan Digital Sky Survey (SDSS) liefert seit 2000 tiefe Mehrfarbenaufnahmen
über ein Viertel des gesamten Nachthimmels. Bei SDSS-III ist das Max-Planck-Institut
für Extraterrestrische Physik ein Vollmitglied.
SDSS-III Webseite: http://www.sdss3.org
2. EUCLID ist eine geplante ESA-Weltraummission zur Erforschung der dunklen Energie, an der das Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik maßgeblich beteiligt ist.
EUCLID Webseite: http://sci.esa.int/science-e/www/area/index.cfm?fareaid=102
Originalveröffentlichung :
The clustering of galaxies in the SDSS-III Baryon Oscillation Spectroscopic Survey:
baryon acoustic oscillations in the data release 9 spectroscopic galaxy sample
The BOSS team
http://arxiv.org/abs/1203.6594
The clustering of galaxies in the SDSS-III Baryon Oscillation Spectroscopic Survey:
cosmological implications of the large-scale two-point correlation function
Ariel G. Sánchez et al.
http://www.mpe.mpg.de/News/PR20120330/text-d.html
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Ariel G. Sánchez et al.
http://arxiv.org/abs/1203.6616
The clustering of galaxies in the SDSS-III Baryon Oscillation Spectroscopic Survey:
measurements of the growth of structure and expansion rate at z=0.57 from anisotropic
clustering
Beth Reid et al.
http://arxiv.org/abs/1203.6641
The clustering of galaxies in the SDSS-III Baryon Oscillation Spectroscopic Survey:
analysis of potential systematics
Ashley J. Ross et al.
http://arxiv.org/abs/1203.6699
The clustering of galaxies in the SDSS-III Baryon Oscillation Spectroscopic Survey:
measuring structure growth using passive galaxies
Rita Tojeiro et al.
http://arxiv.org/abs/1203.6565
The clustering of galaxies in the SDSS-III Baryon Oscillation Spectroscopic Survey:
a large sample of mock galaxy catalogues
Marc Manera et al.
http://arxiv.org/abs/1203.6609
Kontakt :
Dr. Hannelore Hämmerle
Pressesprecherin
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching
Tel.: +49 89 30000-3980
E-Mail: [email protected]
Dr. Ariel Sánchez
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching
Tel.: +49 89 30000-3847
E-Mail: [email protected]
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