14.09.10 Naturheilverfahren und Krebstherapie

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ARD-MORGENMAGAZIN – SERVICE 10.09.2014
THEMA:
KREBSTHERAPIE UND NATURHEILVERFAHREN
Autorin:
Uschi Müller
EXPERTE IM STUDIO:
MOHSEN RADJAI
Funktion:
Allgemeinmediziner
Durch Fortschritte in der Medizin überleben heute viel mehr Krebspatienten als noch
vor zehn Jahren. Ca. 1,4 Millionen Menschen gelten als geheilt und bei mehr als 2,1
Millionen liegt die Krankheit mehr als zehn Jahre zurück.
Der Ansatz, mit Naturheilverfahren Krebstherapien zu begleiten und in der Folge auch
die Begleiterscheinungen der Chemotherapie zu behandeln, ist ein wichtiges Thema.
Allerdings muss jeder Tumor individuell bewertet werden. Dabei ist die Naturheilkunde
im Rahmen der angewandten integrativen Onkologie als gleichberechtigter Partner zur
klassischen onkologischen Behandlung zu verstehen. Die dabei eingesetzten Verfahren
sind wissenschaftlich durch Studien belegt.
Was ist Krebs?
Unter Krebs versteht man Zellen, die sich der Wachstumskontrolle des Körpers entzogen haben. Bis eine Zelle „Krebs-Eigenschaften“ angenommen hat, vergeht viel Zeit.
Dabei vermehrt sie sich stärker als ihre Nachbarzellen und bildet einen ganzen Zellhaufen. Die eigentliche Kontakthemmung durch die anliegende Nachbarzelle ist aufgehoben. Das heißt, dass die normale Kommunikation zwischen diesen Zellen völlig gestört
ist und sich die Tumorzelle unabhängig gemacht hat. Doch solange sich der Tumor nur
in einem Organ festgesetzt hat, kann man ihn als Ganzes entfernen und so die Krankheit heilen.
Bildet eine Zelle Metastasen – d.h. sie verliert bestimmte Anheftungs-Eiweiße –, können sie und ihre Nachkommen im Körper umherwandern und sich überall einnisten.
Metastasierte Krebserkrankungen sind nach jetzigem Stand der Wissenschaft nur
selten heilbar; der Verlauf der Krankheit jedoch kann gebremst werden. Im Alter steigt
die Wahrscheinlichkeit für Krebs an, denn im Laufe des Lebens sind die Zellen vielen
Gefahren ausgesetzt: Umwelt- und Nahrungsgifte, Zigarettenrauch, sogar Viren und
Radioaktivität oder Sonnenstrahlen können Mutationen hervorrufen. Zudem besteht die
Vermutung, dass im Alter die Schutzfunktionen und (Immun-) Abwehrmechanismen
zunehmend erschöpft sind, so dass Tumorzellen nicht mehr vom Immunsystem erkannt
und/oder unschädlich gemacht werden können.
Genetische Veränderungen können durch äußere Einflüsse, durch zufällige Fehler bei
der Zellteilung entstehen oder in manchen Fällen bereits vererbt sein. Diese Genveränderungen lassen sich aktiv nicht verhindern.
Dagegen lässt sich das Krebsrisiko, das von persönlichen Verhaltensweisen und von
äußeren Einflüssen ausgeht, durchaus vermindern. Welchen Anteil einzelne Risikofaktoren haben, lässt sich nicht pauschal beantworten. Hierzu gibt es allerdings statistische Daten (z.B. aus dem Harvard Report on Cancer Prevention, 1996 für die USA ermittelt):
• Rauchen: Anteil an der Krebsentstehung: 25-30%. Gefährdete Organe: Mundhöhle,
Speiseröhre, Kehlkopf, Lunge, Bauchspeicheldrüse, Harnblase, Gebärmutterhals,
Niere, Blut.
• Ernährung: Anteil an der Krebsentstehung: 20-40%. Gefährdete Organe: Mundhöhle, Speiseröhre, Kehlkopf, Bauchspeicheldrüse, Magen, Darm, Brust, Prostata.
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• Alkohol: Anteil an der Krebsentstehung: 3%. Gefährdete Organe: Mundhöhle, Rachen, Speiseröhre, Kehlkopf, Leber.
• Berufliche Faktoren: Anteil an der Krebsentstehung: 4-8%. Gefährdete Organe:
Lunge, Harnblase.
• Genetische Faktoren: Anteil an der Krebsentstehung: 5%. Gefährdete Organe: Auge, Darm, Brust, Eierstöcke, Schilddrüse.
• Luftschadstoffe: Anteil an der Krebsentstehung: 2%. Gefährdete Organe: Lunge.
Behandlung
Klassische Therapien in der Krebsbehandlung sind Operation, Chemotherapie und
Bestrahlung, die oft langwierig und mit starken Nebenwirkungen (körperlicher und seelischer Stress) verbunden sind. 70 Prozent der Krebspatienten leiden nach der Behandlung unter körperlichen Leistungseinschränkungen, Fatigue-Syndrom oder chronische
Müdigkeit genannt. Diese wird durch Abnahme der Muskelmasse, Verlust von Lungenvolumen sowie einer Einschränkung der Herzfunktion hervorgerufen. Allein diese Auswirkungen lassen alltägliche Handlungen sehr schwer fallen. Doch gerade die Einschränkung körperlicher Betätigung fördert den weiteren Abbau von Muskeln und Kondition. Ein Teufelskreis, den man jedoch mit sportlicher Betätigung durchbrechen kann.
Studien haben gezeigt, dass man schneller wieder fit wird, wenn man sich schon während der Therapien im Krankenhaus wieder allmählich sportlich belastet. So hat man
weniger mit den Folgen der Operation und der Chemotherapie zu kämpfen.
Bei sogenannten Antikörpertherapien wirken Moleküle, die die Zellteilung von Tumorzellen bremsen können. Denn man weiß, dass sich auf deren Oberfläche Rezeptoren
befinden, die Signale aussenden und so das Wachstum der Krebszellen anregen. Der
biologische Wirkstoff – z.B. Erlotinib (Tarceva) oder Trastuzumab (Herceptin) – kann
diese Tumorzellen blockieren. Das verhindert das Zellwachstum und führt schließlich
zur Zerstörung der Tumorzelle.
Die Psychoonkologie ist ein noch junges Forschungs- und Arbeitsgebiet, das sich mit
den seelischen Faktoren befasst, die bei einer Krebserkrankung eine Rolle spielen. Individuelle oder psychosozial verankerte Verhaltensmuster, durch die sich Menschen
krebsfördernden Einflüssen aussetzen, können indirekt zur Krebsentstehung beitragen,
bspws. bei verminderter Stressresistenz plus Nikotinkonsum zum Stressabbau. Hauptsächlich hat sich die Psychoonkologie zunehmend den drängenden Problemen in der
Versorgung von Krebspatienten zugewendet.
Trotz erweiterter Therapiemöglichkeiten und verbesserter Heilungschancen wird auch
heute noch die Diagnose Krebs vielfach als Schock erlebt, als radikaler Einschnitt in
das bisherige Leben empfunden, verbunden mit Schmerzen und Tod. Die Auseinandersetzung mit der Krankheit in den verschiedenen Phasen betrifft immer den ganzen
Menschen und darüber hinausgehend auch sein soziales Umfeld.
In fortgeschrittenen, metastasierten Stadien sind die meisten Krebsleiden mit den heute
verfügbaren Mitteln nicht dauerhaft heilbar. Hier geht es darum, die Erkrankung so gut
und so lange wie möglich unter Kontrolle zu halten und die krankheitsbedingten Symptome und Beschwerden zu lindern. Eine solche Behandlung nennt man palliative Therapie.
Während man bei einer Behandlung, die mit dem Ziel der Heilung oder Lebensverlängerung durchgeführt wird, eher gewisse Beeinträchtigungen durch die Behandlung in
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Kauf nimmt, müssen bei der Anwendung palliativer Therapien der zu erwartende Nutzen der Behandlung für den Patienten und die mit der Behandlung verbundenen Nebenwirkungen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Denn wo Heilung nicht
möglich ist, geht es ganz wesentlich darum, die Lebensqualität und ein bestmögliches
Wohlbefinden so lange wie möglich zu erhalten. Diese Abwägung des Nutzens erfolgte
in der Vergangenheit oft nicht konsequent und klar genug, was zu einem negativen Bild
vor allem von der Chemotherapie geführt hat. Wird die Chemotherapie dagegen sinnvoll eingesetzt, so kann sie dem Erkrankten auch bei palliativer Anwendung deutliche
Vorteile bringen. Ein „Behandeln um jeden Preis“ ohne eine differenzierte Betrachtungsweise hat mancherlei Ursachen, sowohl auf Seiten des Arztes als auch auf Seiten
des Patienten, ist letztlich jedoch nur von vordergründigem Nutzen. Diese Einsicht hat
sich in den vergangenen Jahren durchgesetzt. Parallel dazu widmet die Forschung dem
Aspekt der Lebensqualität bei Krebspatienten zunehmend Aufmerksamkeit.
Naturheilverfahren begleiten die Krebstherapie
Die Deutsche Krebshilfe fördert den Aufbau eines deutschlandweiten Netzes "Komplementärmedizin in der Onkologie" (KOKON). Unter der Leitung der Onkologie des Klinikums Nürnberg sind daran verschiedene Institutionen beteiligt (siehe unten).
Inzwischen bieten zahlreiche Krebszentren komplementäre Behandlungsmethoden
an, um die Nebenwirkungen einer Chemotherapie zu mildern:
• Qi Gong und chinesische Akupunktur zur Stärkung des Immunsystems und zur Anregung der Selbstheilungskräfte
• Wassergüsse nach Kneipp
• Bewegungs- und Atemtherapie
• Yoga und Meditation zur Steigerung der Entspannung
• gesunde Ernährung zur Steigerung des gesamten Wohlbefindens.
Diese begleitende Behandlung mit Naturheilverfahren kann eine notwendige Krebstherapie niemals ersetzen, aber dazu beitragen, die schwierige Zeit während oder nach
einer Krebstherapie leichter zu bewältigen. Wichtig ist hier, dass alle Maßnahmen immer in Absprache mit den Ärzten stattfinden und individuell auf den Patienten abgestimmt sind, denn es gibt Natursubstanzen, die die Wirkung der Medikamente aufheben können, wie z.B. Johanniskraut und Grapefruit.
Natürliche Hilfe gegen körperliche Nebenwirkungen
Nachfolgend ein paar Beispiele zur Linderung von körperlichen Beschwerden:
• Appetitlosigkeit:
Tee aus Schafgarbe oder Enzianwurzel
• Übelkeit und Erbrechen:
Tee aus Ingwerstücken, Pfefferminztee-Eiswürfel
• Durchfall:
geriebener Apfel, Leinsamen
• Mundschleimhautentzündung: Spülungen mit Kamille oder Salbei, gefrorene Ananas
• Leberbeschwerden:
Tee aus Mariendistel
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Aufbau eines deutschlandweiten Netzes "Komplementärmedizin in der Onkologie" (KOKON)
Leitung: Onkologie des Klinikums Nürnberg
Beteiligung:
• Charité Berlin
• Universitätsklinik Hamburg Eppendorf
• Universitätsklinik München
• Universitätsklinik Rostock
• Universität Frankfurt
• Universität Greifswald
• Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg
• Klinik Essen-Mitte http://www.kliniken-essen-mitte.de/ und
[email protected]
• Klinik Fürth
• Medizinische Hochschule Hannover
• Klinikum St. Marien Amberg http://www.klinikum-amberg.de/
• Klinik für Tumorbiologie in Freiburg
Hier kann man sich über Studien und Krebszentren bundesweit informieren
http://www.dkfz.de/de/index.html
LITERATUR
Gustav Dobos, Sherko Kümmel: Gemeinsam gegen Krebs, Verlag Zabert und Sandmann, ISBN 978-3-89883-265-6
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