Concepts for the treatment of atrial fibrillation Wolfgang Herzberg, Jan Herzberg 28.4.2016 Die Erregungsausbreitung des Myokards ist eine Kombination aus kontinuierlich fortschreitender Membrandepolarisation („Zündschnur“) und fernwirkend ausgelöster Erregungen durch magnetische Summationsfelder. Letztere sind zusammen mit dem Purkinje System dafür verantwortlich, dass die Gesamtdepolarisationszeit der beiden Kammern nur bei etwa 100ms liegt. Damit ein Magnetfeld eine Depolarisation auslösen kann, muss die zu erregende Membran in einer parallelen Ebene zur primär erzeugenden Membran liegen. Ist das nicht der Fall, dann können nur Teilvektoren des ursächlichen Induktionsspannungsvektors zur Wirkung kommen. Ist die zu erregende Membran aber gar um 90° zur primären Membran gestellt, dann nimmt der Teilvektor den Betrag zero an und das Magnetfeld geht wirkungslos durch diese Membranwand hindurch. An den Einmündungen der Pulmonalvenen des Vorhofes können derart senkrecht aufgestellte Myokardmanschetten im Laufe des Lebens entstehen und wachsen (systolischer Zug an den Pulmonalvenen und Vorhofdilatation) (Abb.1+2). Abb.1 Längsschnitt durch eine von oben in der Vorhofmyokardwand einmündende Pulmonalvene. Die Wellenlinie bezeichnet die magnetische Hauptfeldebene einer physiologisch organisierten Myokardstruktur. Abb.2 Längsschnitt durch eine von oben in der Vorhofmyokardwand einmündende Pulmonalvene. Die Wellenlinie bezeichnet die magnetische Hauptfeldebene der Myokardwand. Das gepunktete Areal der Manschette deutet die um 90° abgelenkte Binnenstruktur der Myokardmanschette an. 2 Was geschieht, wenn eine Vorhof-Erregungswelle auf einen Pulmonalveneneingang zuläuft (Abb.3)? Die sich von links nach rechts ausbreitende myokardiale Erregungswelle ist von einem Magnetfeld umgeben. Die magnetische Feldstärke ist in der Ebene der erregten Membranen am größten (fetter roter Balken). In einem Winkel (α) zu dieser Ebene nimmt die Feldstärke (H) gemäß (Hα = H0° ∙ cosα) ab. Bei (α = 90°) wird (H90° = 0). Die unterschiedlichen Feldstärken sind durch die jeweilige Dicke der roten Balken symbolisiert – je schwächer die Feldstärke desto dünner der Balken. Das wirkende Magnetfeld kann prinzipiell nur solche Membranen depolarisieren, die mehr oder weniger parallel zur Ursprungsmembranebene liegen und deren spannungsabhängige Na+ Ionen Kanäle dieselbe Ausrichtung besitzen – isoelektrisch sind. Diese Kriterien sind in der Manschette nur für die jeweils oberen Zellmembranen erfüllt. Nur die ausreichend starken Feldstärken erzeugen am Ort der Na+ Ionen Kanäle die kritische Depolarisation, mit welcher die Erregung ausgelöst wird. Mit fetten roten Balken sind die beiden Membranen bezeichnet, die kritisch erregt werden. Da sich gegenüber liegende Membranen magnetisch nicht gegenseitig depolarisieren können (die Na+ Ionen Kanäle sind diametral entgegengesetzt positioniert), kriecht die Erregungswelle wie eine Zündschnur allseits über die Membranen der jeweils depolarisierten Zellen. Die Erregung läuft dabei auf die primär auslösende Erregungswelle zu (offene rote Pfeile). Die blau umrandeten Zellen können von den grenzwertig gerade noch depolarisierten Zellen nicht mehr erreicht werden, da die initial erzeugten Magnetfelder für ein Überspringen der Kluft zwischen den Zellgrenzen zu gering sind. Beide Erregungswellen (offene rote Pfeile) laufen aufeinander zu und erlöschen nach vollständiger Depolarisation aller erreichbaren Membranen. Abb.3 Die waagerechte Kästchenreihe symbolisiert die Myokardzellen der Vorhofwand. Rechts im Bild ist ein Pulmonalvenenabgang symbolisiert. Links im Bild symbolisiert der fette rote Balken die Depolarisationswelle. Die Ausbreitungsrichtung wird durch den offenen Pfeil angezeigt. Der große gefüllte rote Pfeil links im Bild zeigt den Induktionsspannungsvektor des Magnetfeldes an. Die strahlenförmigen Linien symbolisieren die magnetische Depolarisierung der Umgebung. Je dünner die Linie desto schwächer das Magnetfeld. Mit fetten roten Balken sind die beiden Membranen rechts im Bild bezeichnet, die kritisch erregt werden. Da sich gegenüber liegende Membranen magnetisch nicht gegenseitig depolarisieren können, kriecht die Erregungswelle wie eine Zündschnur allseits über die Membranen der jeweils depolarisierten Zellen. Die Erregung läuft dabei auf die primär auslösende Erregungswelle zu (senkrechte offene rote Pfeile). Die blau umrandeten Zellen können von den grenzwertig gerade noch depolarisierten Zellen nicht mehr erreicht werden, da die initial erzeugten Magnetfelder für ein Überspringen der Kluft zwischen den Zellgrenzen zu gering sind. Beide Erregungswellen (offene rote Pfeile) laufen aufeinander zu und erlöschen nach vollständiger Depolarisation aller erreichbaren Membranen. Die blau geränderten Zellen bleiben also unerregt. Da alle Myokardiozyten aufgrund ihrer Na+ Ionen Leckkanäle die Fähigkeit zur Selbsterregung besitzen (Automatie), erzeugen sie eine eigene Depolarisationswelle, die im geeigneten Moment eine Depolarisation des gesamten Vorhofes auslösen kann. 28.4.2016 Rev.0 Wolfgang Herzberg 3 Zwei voneinander unabhängige Trends befördern die Erzeugung einer Myokardzellisolation in den pulmonalen Myokardmanschetten: 1. Die Manschetten werden durch Materialermüdung aufgrund der systolischen Dehnungslast („Stempelbewegung“ der Klappenebene) stetig breiter. 2. Durch eine akute Dilatation des linken Vorhofes wird die Myokardwand ausgedünnt mit der Folge schwächerer synchroner Summationsmagnetfelder. Konnte ein Magnetfeld vor der Dilatation die Manschetten gerade noch vollständig depolarisieren, so entsteht nun spontan bei schwächeren Feldern eine Myokardzellisolation. Wie kann man vor diesem theoretischen Hintergrund das Vorhofflimmern verhindern bzw. beseitigen? Die dem Stand der Technik gemäße Antwort lautet: „mit der Ablation“. Nun zeigt aber die hohe Rate frustraner und mit Rezidiven belasteter Ablationen, dass diese Therapieform zur Zeit nur die beste aller schlechten ist. Warum? Solange die atrialen Magnetfelder groß genug sind, um die Auslenkungshöhe der Myokardmanschetten kritisch zu depolarisieren, können keine ektopischen Herde entstehen. Wenn nun diese Auslenkungen zu groß werden oder die Magnetfelder relativ zu schwach, dann beginnt die Myokardzellisolation am freien Rand der pulmonalen Myokardmanschetten. Da aber die Myokardzellisolation eine spezifische Wirkung von Magnetfeldern ist, gilt die Parole: „Die Magnetfelder müssen groß genug sein, um die Entstehung von Myokardzellisolation verhindern zu können – oder sie sollten besser ganz verschwinden“. An dieser letzteren Forderung nun arbeitet sich die Vorhofablation ab. Zum einen erklären sich die Therapieversager aus der Tatsache, dass die Therapeuten ihren „Feind“ noch nicht kennen. Zum anderen aber ist es fraglich, ob die Therapieerfolge deutlich besser werden können, wenn sie ihren „Feind“ kennen würden. Darüber sollen nun theoretische Überlegungen angestellt werden. Wenn man die erregungsbedingte Entstehung von magnetischen Summationsfeldern schwächen will, dann muss man die Dichte isoelektrisch orientierter Na+ Ionen Kanäle im Raum reduzieren. Dadurch würde die Anzahl synchron depolarisierter Na+ Ionen Kanäle verringert, das induktiv-magnetische Summationsfeld kleiner und die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Erregung geringer. Da die Hämodynamik der Vorhöfe für die gesamte Herzleistung von nur nachgeordneter Bedeutung ist, sind die nach der Ablation entstandenen funktionellen Einbußen hinnehmbar. Das nur vordergründig simpel klingende operative Ziel hat tatsächlich aber viele „Haken und Ösen“: 1. Die Reduzierung der Kanal-Dichte im Raum bedeutet, dass eine endokardseitige Ablation die ganze Gewebstiefe der Myokardwand berücksichtigen muss. 2. Da im Ergebnis nur die Schwächung jener Magnetfelder entscheidend ist, die im Niveau des Epikard entstehen (Abb.3), findet die Ablation rein technisch betrachtet auf der falschen Seite der Myokardwand statt. 3. Wo entstehen die größeren Magnetfelder? Sie entstehen dort, wo die Myokardwände dick sind. In welchem Abstand zum Manschettenrand muss man sie empfindlich reduzieren? Theoretisch gibt es für jedes Magnetfeld einen optimalen Abstand zum Manschettenrand, der einerseits dicht genug am Manschettenrand ist und andererseits nicht zu dicht, um durch wachsende Auslenkungen (α) die Feldstärke am Ort der Wirkung zu sehr zu schwächen. Da wir die Feldstärken der real entstehenden Magnetfelder nicht kennen, können wir den „optimalen Abstand“ auch nicht festlegen. 4. Wenn wir die Magnetfelder womöglich nicht ausreichend schwächen können, bliebe nur, die Ektopie zu akzeptieren und die Manschette zirkulär „einzuzäunen“, damit die ektopischen 28.4.2016 Rev.0 Wolfgang Herzberg 4 Erregungen nicht auf den gesamten Vorhof übergreifen können. Einzäunen bedeutet aber, einen geschlossenen und transmural komplett durchgreifenden Nekrosering zu schaffen. Zudem muss der „Nekrosegraben“ breit genug sein, damit die Magnetfelder der ektopischen Erregung diesen nicht überspringen können. Als Schwachstelle reicht EINE Myokardzelle, damit das Signal den Ring verlassen kann. 5. Eine zunächst ausreichend breite und frische Nekrosestraße verliert auf dem Wege ihrer Heilung und terminalen Vernarbung ihre ursprüngliche Breite. Die intakt gebliebenen Myokardzellen wandern wieder zusammen und erhöhen zum einen wieder die Kanaldichte im Raum und zum anderen die Chance für ektopische Magnetfelder, dieses Narbenfeld doch wieder zu überwinden. Fazit: „Einzäunen“ ist operativ-strategisch keine realisierbare Option. Lediglich die Schwächung der Magnetfeldentstehung kann operativ-technisch erreicht werden. Da die Feldstärke der Magnetfelder u.a. von der myokardialen Wanddicke abhängig ist, muss die Ablation diese strategisch berücksichtigen: höhere Dichte der Ablationspunkte und breitere Punktestrassen bei großer Wanddicke. Dennoch bleibt der Therapieerfolg – vor allem der langfristige – ungewiss. Dieses Manko ließe sich erst dann beseitigen, wenn man die magnetischen Aktivitäten schon während der Ablation messen und so definierte Operationsziele ansteuern und kontrollieren könnte. Nun gibt es noch eine gänzlich andere Alternative, die, wenn sie funktionieren könnte, ein hohes Maß an technischer Eleganz und Ergebnisqualität besitzen würde: die inverse Vorhofstimulation. Es ist lange bekannt und in vielen Experimenten nachgewiesen, dass ein unterdrücktes Sinus-Signal zu einer Vorhoferregung führt, die vom AV-Knoten ausgeht und im EKG zu einem „negativen P“ führt (Abb.4). Abb.4 Reizung des AV-Knotens mit der Thermosonde nach Ausschaltung des Sinusknotens. Reizung des vorhofnahen Abschnittes (links), des mittleren Abschnittes (Mitte), des kammernahen Abschnittes (rechts); unterer Block: die zugehörigen EKG-Ableitungen Das bedeutet, dass eine endokardseitige Vorhofstimulation die lumenwärts weisenden Membranebenen als initiale Erregungsebenen festlegt, die sinuidale Stimulation hingegen die außenseitigen Membranen der Kardiomyozyten initial belegt. Die jeweils dabei entstehenden Magnetfelder sind zueinander invers – die Induktionsspannungsvektoren sind gegeneinander gerichtet. Da letztere das EKG-Signal erzeugen, ist das „P“ des Sinusknotens positiv und das des AV28.4.2016 Rev.0 Wolfgang Herzberg 5 Knoten negativ. Im Hinblick auf die Ektopie der pulmonalen Myokardmanschetten ist dieser Unterschied entscheidend (Abb.5). Wenn das initiale Magnetfeld in der lumenseitigen Membran entsteht (unten in Abb.5), depolarisiert es auch die unteren Membranseiten der Myokardzellen der pulmonalen Manschetten. Die dort ausgelöste Erregung bewegt sich nun von der initialen Erregungswelle fort in Richtung freier Rand der Manschette. Die Manschette wird somit vollständig depolarisiert und Myokardzellisolationen können nicht entstehen. Abb.5 Wenn das initiale Magnetfeld in der lumenseitigen Membran entsteht (unten), depolarisiert es auch die unteren Membranseiten der Myokardzellen der pulmonalen Manschette (rechts im Bild). Die dort ausgelöste Erregung bewegt sich nun von der initialen Erregungswelle fort in Richtung freier Rand der Manschette (offene Pfeile). Die Manschette wird somit vollständig depolarisiert und Myokardzellisolationen können nicht entstehen. Einen dafür erforderlichen Vorhofschrittmacher zu legen ist technisch kein Problem. Ein Problem kann es aber sein, lückenlos dafür zu sorgen, dass der Sinusknoten KEINE eigene Vorhoferregung auslösen kann. Kann er gelegentlich doch die Führung zurückerlangen, dann reicht schon eine Systole, um wieder einen Ektopie-Focus in Betrieb zu setzen; denn ein einmal begonnenes Vorhofflimmern wird durch die inverse Stimulation nicht beseitigt. Dazu wäre eine Defibrillation erforderlich. Wie also kann man einerseits den variablen Sinusrhythmus weiterhin als Schrittmacher benutzen und dennoch die Depolarisation nicht vom Sinusknoten ausgehen lassen? 28.4.2016 Rev.0 Wolfgang Herzberg