Der Prophet Elia

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Predigtreihe 2016. Persönlichkeiten der Bibel.
Im Kirchenkreis Fritzlar-Homberg SUED
Der Prophet Elia
Kanzelgruß: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Predigttext: 1. Kön 19,1-13a
1 Und König Ahab sagte Königin Isebel alles, was der Prophet Elia getan hatte und wie er alle
Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte.
2 Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das
tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!
3 Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in
Juda und ließ seinen Diener dort.
4 Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine
Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.
5 Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder.
Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iß!
6 Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit
Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen.
7 Und der Engel des HERRN kam zum zweitenmal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh
auf und iß! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
8 Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und
vierzig Nächte bis zum Berg Gottes,
dem Horeb.
9 Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und siehe, das Wort des HERRN
kam zu ihm: Was machst du hier, Elia?
10 Er sprach: Ich habe geeifert für den HERRN, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen
Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet,
und ich bin allein übriggeblieben, und sie trachten danach, daß sie mir mein Leben nehmen.
11 Der Herr sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der
HERR wird vorübergehen.
Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, kam vor dem
HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde.
Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben;
aber der HERR war nicht im Erdbeben.
12 Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer;
aber der HERR war nicht im Feuer.
1
Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.
13 Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel
und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.
Und siehe, da kam eine Stimme zu ihm und sprach:
Was hast du hier zu tun, Elia?
Herr, sende uns deine Geist, daß wir dein Wort hören und verstehen und aus ihm leben.
Amen.
Liebe Gemeinde!
I.
Der Glaube an den einen Gott und die Vielheit der Götter
Die erschütternde Erzählung über den Propheten Elia führt in das 9. Jahrhundert v. Chr. in
eine Zeit heftiger und schrecklicher Glaubenskonflikte. Elia wird vom Verfolgten zum Verfolger, aus dem Opfer wird ein Täter, der große Schuld auf sich lädt. Erschrocken über sich
selbst flieht er in die Wüste und wünscht sich den Tod.
Was war geschehen?
Nach der Teilung des Königreiches Israel im Jahr 926 v. Chr in ein Südreich um Jerusalem
und Juda und in ein Nordreich um Samaria, das das Gebet der übrigen elf Stämme umfaßte,
begann eine Zeit heftiger militärischer Auseinandersetzungen zwischen die einstigen Bruderstaaten und es entflammten immer wieder religiöse Konflikte um den wahren Glauben in Israel! Auf der einen Seite standen dabei die Anhänger des Jahwe-Glaubens, die Verfechter eines
strengen Monotheismus, getreu dem 1. Gebot. „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollest keine
anderen Götter haben neben mir.“ Auf der anderen Seite praktizierten viele Menschen einen
polytheistischen Glauben, die neben dem Gott Jahwe auch die kananäischen Gottheiten
„Baal“, ein Wettergott und „Astarte“ bzw. „Aschera“ eine Mutter- und Fruchtbarkeitsgöttin
verehrten. Die Könige des Nordreiches förderten diesen Kult, indem sie neue Heiligtümer und
Tempel in Konkurrenz zum Zentralheiligtum in Jerusalem gründeten und einweihten; z.B. in
Bethel, Sichem, Samaria u.a. König Ahab (871-852), der mit Isabel eine phönizische Prinzessin geheiratet hatte, duldete und förderte den Baalskult und die Astarte-Verehrung seiner Frau
und machte sie zum Bestandteil der offiziellen stattlichen Religionsausübung.
Heute würden wir sagen, dass Ahab in religiösen Fragen „Toleranz“ geübt hat und damit sehr
modern gewesen war. Die biblische Geschichtsschreibung fällt aber ein anderes Urteil über
ihn: Sie klagt ihn der Häresie an, weil er neben dem Jahwe-Kult andere Kulte duldete und
somit gegen das 1. Gebot verstieß. Und das war in den Augen der Jahwe-Verehrer eine Kardinal-Sünde. Obwohl die Omridenzeit – wie archäologische Funde belegen - eine Phase militärischer Stärke und wirtschaftlicher sowie kultureller Blüte war, gerade wegen der Beziehungen zu den Phöniziern, der damals stärksten Handelsmacht auf dem Mittelmeer, zählte dies
alles nicht im vernichtenden Urteil der nachexilischen Geschichtsschreibung im 4. Jh. Vor
2
Chr. Dieses Urteil zieht sich wie ein roter Faden durch das Deuteronomistische Geschichtswerk vom 5. Buch Mose bis zum 2. Buch der Könige.
Elia, der Prophet und Gottesmann, ist der exemplarische Vertreter des Monotheismus. Er
stammte aus Tischbe im Ostjordanland. Sein Name ‫ אליהו‬ist Programm, denn er setzt sich aus
den beiden Gottesnamen ‫ אל‬und ‫ יהוה‬zusammen und bedeutet übersetzt: „Mein Gott ist Jahwe!“
Die Anhänger des Jahwe-Kultes fühlten sich durch den kananäischen Polytheismus bedrängt,
verfolgt und in ihrer Existenz bedroht. So kam es immer wieder zu gewalttätigen religiösen
Konflikten.
II.
Das Gottesurteil auf dem Karmel
In 1. Kön 18 wird berichtet, wie Elia seine Feinde zu einem religiösen Wettkampf herausfordert. Alle 450 Propheten Baals und die 400 Propheten der Aschera sollten sich dort versammeln. Auf dem Berg Karmel, dem heiligen Berg, sollte sich zeigen, wer der wahre Gott in
Israel ist.
Man errichtete aus Steinen und Holz zwei Brandopferaltäre: einen für Baal, einen für Jahwe.
Zwei Stiere wurden geschlachtet, zerlegt und auf den Altar gelegt. Von Priesterhand sollte
diesmal kein Opferfeuer entzündet werden. Welcher Gott Feuer vom Himmel schicken würde,
der sollte als der wahre Gott gelten.
Die Baals-Priester begannen, ihren Gott anzubeten und anzurufen. Aber so sehr sie sich auch
bemühten, nichts geschah. Elia verspottete sie: „Ruft lauter, er schläft noch!“ Die Baalspriester gerieten in Verzückung und Trance, aber nach einem halben Tag mußten sie erschöpft und
ergebnislos aufgeben.
(In seinem Oratorium ELIA hat Felix Mendelssohn-Bartholdy diese Szene eindrücklich vertont.)
Als nun Elia an der Reihe war und zu seinem Gott betete, antwortet dieser mit Feuer, das den
ganzen Opferaltar verbrannte. Das Gottesurteil fällt eindeutig aus und Elia nutzt die Stunde
des Sieges und ruft seine Anhänger dazu auf, alle Baalspriester und –propheten zu ergreifen
und zu töten. Bei diesem Massenmord (450 + 400) macht er eigenhändig mit; und so wird er
selbst schuldig, indem er das fünfte Gebot, “Du sollst nicht töten!“ verletzt.
III.
Die Krise des Propheten
Als Königin Isebel ihm Rache schwört, bekommt er es mit der Angst zu tun und flieht über
eine Woche lang zu Fuß aus dem Norden in den Süden bis an den Rand des Kulturlandes in
Beerscheba. Von dort geht er allein in die Wüste Sinai. Bereits nach einer Tagesreise gibt er
entkräftet auf und wünscht sich den Tod. Er kann nicht vor sich selbst und seiner Schuld da3
vonlaufen. Die lebensfeindliche Wüste offenbart die Krise seiner Existenz. Sein Einsatz für
Gott ist gescheitert, er selbst ist zum Täter geworden, sein Lebensgebäude und sein Glaube
sind zutiefst erschüttert. Angst und Schuld, Trauer und Resignation führen zu der Erkenntnis:
“Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter!“
Einen schweren Erschöpfungszustand würde ein heutiger Arzt bei Elia diagnostizieren, eine
Depression, oder das Burnout-Syndrom, sowie eine Suizidgefährdung.
Liebe Gemeinde!
Auch wir kennen Situationen im Leben, wo wir am liebsten davon laufen möchten. Und
manchmal müssen wir – bildlich gesprochen – „Wüstenstrecken“ bzw. „Durststrecken“ überstehen. Die Wüste ist ein ehrlicher Ort. In der Wüste geht es um die nackte Existenz, da fallen
alle Masken.
Wir erleben in allen den Lebensjahren auf Erden, daß Pläne scheitern, Beziehungen zerbrechen. Im Beruf geht es nicht weiter. Ein Ereignis, wie die Terroranschläge in Paris, erschüttert
uns zutiefst und raubt uns das Gefühl der Sicherheit. Krankheit und Tod bedrohen unser Leben. Wir wissen manchmal nicht, wie es weiter geht. Wir erleben, daß Lebensfreude und Lebenskraft verlorengehen können. …
Tabletten helfen nicht dann nicht mehr weiter und guter Rat ist teuer.
Wüste – das heißt, zurück geworfen auf sich selbst und der Wahrheit ins Gesicht blicken.
Am tiefsten Punkt seiner Existenz erlebt Elia jedoch eine Begegnung mit seinem Gott, der
ihm so ganz anders begegnet, als er es erwartet hat. Und ihn ins Leben zurückholt.
IV.
Die göttliche Therapie als Theophanie
Drei Therapieschritte wendet Gott bei Elia an.
Erstens: Gott lässt Elia schlafen; ein tiefer Schlaf für den lebensmüden Elia, er darf sich ausruhen von den Kämpfen seines Lebens. Ein Engel passt auf ihn auf, steht ihm zur Seite und
wacht über seinen Schlaf. Schließlich weckt er ihn behutsam und versorgt ihn mit dem Lebensnotwendigsten: Brot und Wasser – die zwei elementarsten Lebensmittel.
Zweitens: Elia darf weiterschlafen. Der Engel wacht weiterhin an seiner Seite. Ein zweites
Mal wird Elia geweckt und mit Brot und Wasser gestärkt und erhält dazu einen neuen Auftrag:
„Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir!“
Elia erwacht aus seinem Todesschlaf und macht sich tatsächlich auf den Weg zum GottesBerg, dem Horeb oder besser bekannt als Sinai. 40 Tage und Nächte wandert er durch die
Wüste auf dem Weg zu sich selbst und zu Gott.
40 Jahre wanderte Mose mit dem Volk Israel durch die Wüste aus der Sklaverei in Ägypten in
das Gelobte Land in die Freiheit. Am Berg Gottes erhielt Mose die 10 Gebote. Elia geht die4
sen Weg gleichsam zurück. 40 Tage und Nächte fastete Jesus in der Wüste und wurde dort
vom Teufel auf die Probe gestellt. Die Engel Gottes dienten ihm
Wo hat uns, liebe Gemeinde,
schon einmal ein Engel zur Seite gestanden, über unserem Schlaf gewacht und hat uns Wasser
und Brot gereicht in unseren Wüstenzeiten? Wer hat mit uns die Trauer, die Einsamkeit und
die Verzweiflung geteilt und ausgehalten, neue Hoffnung in uns geweckt und Lebensperspektiven gezeigt? Erinnern wir uns! …
Drittens: Am Ende der Reise begegnet Elia seinem Gott. Er erreicht den Berg und schläft dort
über Nacht in einen Höhle. Elia zieht sich noch einmal in das Grab seiner alten Existenz zurück. Gott ruft ihn am Morgen aus seiner Grabes-Höhle heraus. „Was machst du hier Elia?“
Elia rechtfertigt sich und sein Tun vor Gott und beklagt, dass dies alles nichts gebracht hat,
denn die Menschen haben sich nicht zu Jahwe bekehrt und er allein ist übriggeblieben. Die
ganze Last des Glaubens liegt auf seinen Schultern. Gott geht auf seine Vorwürfe nicht ein,
sondern kündigt an, dass er vor Elia vorrübergehen wird.
Am Wendepunkt seines Lebens muss Elia erfahren, dass Gott ganz anders ist, als er bisher
gedacht hat. Gott erscheint hier auf dem Vulkangebirge des Sinai nicht in gewaltigen Naturphänomen wie die kanaanäischen Gottheiten: Weder im Sturmwind, noch im Erdbeben oder
im Feuer begegnet ihm Gott auf dem Berg, sondern in der Stille – in einem stillen, sanften
Flüstern spürt er plötzlich die Nähe Gottes. In der Stille, im Schweigen, ist Gott da. Und aus
diesem Schweigen richtet Gott sein Wort an Elia.
Elia muss erkennen, dass sein Kampf für Gott ein Irrweg war. Der Glaube lässt sich nicht mit
dem Schwert und mit Gewalt erzwingen und schon gar nicht mit Blutvergießen!
V.
Ausblick: Elia und Jesus
Es wird in der Bibel noch ein langer Weg von Elia bis zu Jesus zu beschreiten sein, der Gott
als Liebe predigt und zum Gewaltverzicht und Frieden, Gottesliebe und Nächstenliebe aufruft. Indem Jesu im Doppelgebot der Liebe das Gebot der Gottesliebe mit dem Gebot der
Nächstenliebe untrennbar verbindet, verhindert er, daß ein Gebot absolut gesetzt werden kann
und mißbraucht wird.
Jesus spricht: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele
und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem
gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. In diesen beiden Geboten hängt das
ganze Gesetz und die Propheten. (Mt 22,37-40; Für die Konfirmanden im Gesangbuch unter
798).
Ich kann also nicht länger, um das 1. Gebot durchzusetzen, das 5. Gebot übertreten und im
Namen Gotte töten.
5
In der Kirchengeschichte hat sich diese Erkenntnis tragischerweise erst sehr spät, nach fast
2000 Jahren, durchgesetzt. Bildungsprozesse brauchen manchmal zu viel Zeit. Und in dieser
Zeit ist schweres Unrecht geschehen, als man z. Bsp. bei den Kreuzzügen im Namen des einen Gottes „die sogenannten Ungläubigen“ ermordete, in den Ketzer- und Hexenprozessen
des Mittelalters.
Im 20. Jahrhundert brauchte man nicht mehr die Religion, um Mord zu rechtfertigen. An ihre
Stelle traten Ideologien, Weltanschauungen, und Verbrecher wie z. Bsp. Hitler, Stalin, Mao,
usw., die Millionen Menschen das Leben kosteten
Heute, zu Beginn des 21. Jahrhundert wird wieder im Namen eines Gottes zu Mord und Völkermord aufgerufen. Die Terroristen des „Islamischen Staats“ rechtfertigen ihre Morde und
Verbrechen mit einer rückständigen und eigenwilligen fundamentalen Auslegung des Islam,
der im Wahabismus und Salafismus Saudi-Arabiens seine Wurzeln hat. Würden sie nur einmal die 99 Namen Allahs meditieren oder auf die gemäßigten und modernen Koraninterpreten
hören, würde ihr Lügengebäude zusammenbrechen.
Wer ist der wahre Gott? Der, der am Ende alle umgebracht hat?
Nein, sondern der, dessen Liebe in Jesus Christus Mensch geworden ist.
Der Gottesmann Elia wird mit neuen Aufträgen vom Gottesberg zu den Menschen geschickt.
Er beruft seinen Schüler und Nachfolger Elisa. Er salbt Könige und Propheten und predigt
weiterhin den Glauben an den einen Gott und tritt als Prophet für Gerechtigkeit und Recht ein,
gerade auch gegenüber dem Herrscherhaus.
Und er bleibt in Israel wegen seiner Gottesliebe und Treue unvergessen und ist in der Messiashoffnung Israels weiterhin lebendig. Mehrfach wird er später im NT im Zusammenhang
mit Johannes dem Täufer und Jesus erwähnt. Beide werden gefragt, ob sie denn der wiedergekommene Elia seien und nun die Heilszeit anbräche. Jesu betont das für Johannes den Täufer ausdrücklich (Mt 11,14; 17,1-13).
In 2. Kön 2, 1- 13 wird erzählt wie Elia in den Himmel entrückt wird.
„Und als sie miteinander gingen und redeten, siehe, da kam ein feuriger Wagen mit feurigen
Rossen, die schieden die beiden voneinander. Und Elia fuhr im Wetter gen Himmel. Elisa
aber sah es und schrie: Mein Vater, mein Vater, du Wagen Israels und sein Gespann! und sah
ihn nicht mehr. Da faßte er seine Kleider und zerriß sie in zwei Stücke.“
Kanzelsegen:
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in
Christus Jesus. Amen.
Großenenglis, den 21. Februar 2016
Pfarrer Gunther Weyershäuser
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