1. Vergabekammer des Bundes VK 1 - 114/14 Beschluss In dem Nachprüfungsverfahren […] - Antragstellerin Verfahrensbevollmächtigte: […] gegen […] - Antragsgegnerin zu 1) – […] - Antragsgegnerin zu 2) – […] - Antragsgegnerin zu 3) – […] - Antragsgegnerin zu 4) – […] - Antragsgegnerin zu 5) […] - Antragsgegnerin zu 6) – […] - Antragsgegnerin zu 7) – […] - Antragsgegnerin zu 8) – […] - Antragsgegnerin zu 9) – -2- […] - Antragsgegnerin zu 10) – […] - Antragsgegnerin zu 11) – […] Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 11): […] wegen der Vergabe „Rabattvereinbarungen gem. § 132 e Abs. 2 i.V. m. § 130 a Abs. 8 SGB für saisonale Grippeimpfstoffe zur Impfung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen in […] für die Impfsaison 2015/16“ (EU-Bekanntmachungs-Nr.: […]), hat die 1. Vergabekammer des Bundes durch den Vorsitzenden Direktor beim Bundeskartellamt Behrens, die hauptamtliche Beisitzerin Leitende Regierungsdirektorin Dr. Dittmann und den ehrenamtlichen Beisitzer Frerick auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2015 am 19. Januar 2015 beschlossen: 1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen. 2. Die Antragstellerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerinnen. 3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerinnen war notwendig. Gründe: I. 1. Die Antragsgegnerinnen (Ag) führen derzeit ein europaweites offenes Verfahren zum Abschluss von Rahmenrabattvereinbarungen i.S.d. § 132e Abs. 2 i.V.m. § 130a Abs. 8 SGB V für die im Sprechstundenbedarf zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen in […] -3- verordneten saisonalen Grippeimpfstoffe der Impfsaison 2015/16 durch (EU- Bekanntmachungs-Nr.: […]). Das Vergabeverfahren ist in zwei Lose aufgeteilt, Los 1 betrifft einen Rahmenvertrag über ein geschätztes Auftragsvolumen von 430.000 Fertigspritzen ohne Kanüle, Los 2 einen Rahmenvertrag über ein geschätztes Auftragsvolumen von 330.000 Fertigspritzen mit Kanüle. Die Rahmenvereinbarungen sollen je Los mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer geschlossen werden (s. Ziffer II.1.4, II.2.1 der Bekanntmachung), wobei beide Verträge an unterschiedliche Unternehmen vergeben werden sollen. Die Ag gehen hierbei so vor, dass Bieter zwar Angebote auf beide Lose abgeben können, wenn ein Bieter jedoch für das mengenmäßig größere Los 1 bereits für den Zuschlag vorgesehen ist, wird er in der Wertung für Los 2 nicht mehr berücksichtigt (Ziffer 3, 5, 9 der Leistungsbeschreibung). Einziges Zuschlagskriterium ist der niedrigste rabattierte Preis je Dosiereinheit. Zur Bildung der ausgeschriebenen Fachlose führen die Ag in ihrem Vergabevermerk vom 3. November 2014 aus, dass es zur Therapiefreiheit der Ärzte gehöre, über die zu verwendende Kanülengröße je nach Patient zu entscheiden; Kinder benötigten regelmäßig kürzere Kanülen und adipöse Patienten eine längere. Da die Akzeptanz der Rabattverträge in der Ärzteschaft für die Erreichung einer hohen Impfquote der Bevölkerung zu wirtschaftlichen Kosten von großer Bedeutung sei, hätten die Ag beide Darreichungsformen (mit und ohne Kanüle) ausgeschrieben, so dass die Ärzte nicht auf nicht-rabattierte Impfstoffe zurückgreifen müssten, wenn aus patientenbezogenen Gründen eine andere Kanüle einzusetzen sei. Das gewählte Vergabeverfahren werde § 132e Abs. 2 SGB V gerecht, da „Impfstoff“ i.S.d. Vorschrift der saisonale Grippeimpfstoff sei, der sowohl in Fertigspritzen mit als auch ohne Kanüle angeboten werde. Der in der Spritze enthaltene Impfstoff beziehe sich je Handelsname/Produkt auf die gleiche Zulassung und sei insofern identisch; i.d.R. würden die betreffenden Fertigspritzen von allen am Markt befindlichen Anbietern auch zum gleichen Preis verkauft werden. Die Loslimitierung, die dazu führe, dass ein Bieter ggf. nur das mengenmäßig größere Fachlos 1 gewinnen könne und die beiden Verträge an zwei unterschiedliche Unternehmen vergeben werden, hätten die Ag deshalb vorgenommen, um die Versorgungssicherheit i.S.d. § 132e SGB V zu gewährleisten. Ferner hätten sich die Ag gegen die Durchführung eines Mehrpartnermodells entschieden, denn gemäß § 4 EG Abs. 4 VOL/A hätten die Rahmenverträge dann mit mindestens drei Vertragspartnern abgeschlossen werden müssen, also entsprechend der Markterkundungen -4- der Ag mit allen am Markt tätigen unabhängigen Anbietern; Wettbewerb hätte in diesem Fall de facto nicht stattgefunden. Darüber hinaus hätten die Ärzte bei einem Mehrpartnermodell die Auswahl unter mehreren Vertragspartnern. Damit bestehe die Gefahr, dass ein Bieter trotz erteiltem Zuschlag keine Impfstoffe absetzen könne, die tatsächliche Absatzmenge sei für ihn nicht mehr kalkulierbar. Dies wiederum beeinträchtige die Versorgungssicherheit. Über die Ausschreibung selbst und die vertraglichen Lieferverpflichtungen hinaus werde die Versorgungssicherheit vorliegend auch dadurch sichergestellt, dass beim Ausfall eines Vertragspartners die Exklusivität aufgehoben werde und die regulären Preise für Grippeimpfstoff gezahlt würden. Wenn der Ausfall eines Anbieters nicht durch die für Deutschland vorgesehenen Impfstoffdosen kompensiert werden könne, sei die UmEtikettierung von für das Ausland vorgesehenen Impfstoffdosen möglich und wegen der hohen Preise in Deutschland aus Sicht der Anbieter auch wirtschaftlich attraktiv. Den Rügen der ASt vom 21. November und 1. Dezember 2014 halfen die Ag nicht ab. Die ASt gab kein Angebot ab. 2. Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Dezember 2014 beantragte die ASt bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag am selben Tag an die Ag übermittelt. a) Die ASt meint, die Ag verletzten sozialgesetzliche Vorgaben, indem sie nur einen einzigen Zuschlag pro Los erteilen wollten. Da beide Lose unterschiedliche und nicht gegeneinander austauschbare Vertragsgegenstände beträfen, müssten die Ag solche Verträge gemäß § 132e Abs. 2 S. 4 SGB V pro Los mit mindestens zwei pharmazeutischen Unternehmen abschließen. Beide Lose könnten sich zwar auf denselben Wirkstoff beziehen, jedoch handele es sich um unterschiedliche Darreichungsformen (mit und ohne Kanüle), die jeweils über eigene PZN verfügten, unterschiedliche Herstellungsprozesse durchliefen und somit unterschiedliche Chargen des jeweiligen Herstellers beträfen. Bei der Auslegung des Begriffs „Impfstoff“ in § 132e Abs. 2 SGB V dürfe daher nicht allein auf den Namen eines Produkts abgestellt werden. Bei der Vorgehensweise der Ag sei die vom Gesetzgeber in § 132e Abs. 2 SGB V angestrebte Versorgungssicherheit nicht gewährleistet, denn bei Lieferschwierigkeiten des einzigen Vertragspartners pro Los käme es zu ernsthaften Versorgungsengpässen der Versicherten, nicht nur aufgrund der fehlenden Lieferfähigkeit dieses -5- Vertragspartners, sondern weil andere pharmazeutische Unternehmer ihre Impfstoffmengen für den deutschen Markt aufgrund der bestehenden Rabattvereinbarung entsprechend gekürzt oder in andere Märkte umgeleitet hätten und somit für die fehlenden Liefermengen nicht oder nur unzureichend eintreten könnten. Im Ergebnis käme es somit nicht nur zu einer Unterversorgung mit dem rabattierten Impfstoff, sondern auch zu einer generellen Unterversorgung mit Grippeimpfstoffen im gesamten Bundesgebiet. Wenn man mit den Ag den Schutzzweck des § 132e SGB V auf die Gewährleistung einer nicht näher bestimmbaren „hinreichenden“ Versorgungssicherheit einschränken würde, wäre diese Norm praktisch nicht handhabbar und das hohe Gut der Schutzimpfung der Bevölkerung nicht sichergestellt. Da die Ag mit § 132e Abs. 2 SGB V Bundesrecht verletzten, könnten sie ihre Vorgehensweise auch nicht mit der ihnen angeblich zustehenden Bestimmungsfreiheit, den Beschaffungsgegenstand selbst festzulegen, rechtfertigen. Wie § 69 Abs. 2, letzter HS SGB V zeige, gingen sozial- und vergaberechtliche Vorgaben Hand in Hand. § 132e SGB V liefe leer, wenn diese Norm nicht auf die in Anwendung dieser Vorschrift stattfindenden wettbewerblichen Vergabeverfahren anwendbar sei. Wenn man demgegenüber der Auffassung der Ag in ihrem Vergabevermerk folge, dass es sich vorliegend doch um einen einheitlichen Beschaffungsbedarf handele, wäre § 4 EG Abs. 4 VOL/A verletzt. Denn hiernach müssten an Rahmenvereinbarungen mit mehreren Unternehmen mindestens drei (also nicht nur wie hier zwei) Unternehmen beteiligt sein. Des Weiteren verstoße die Zuschlagslimitierung auf ein Los gegen das vergaberechtliche und sozialgesetzliche Wirtschaftlichkeitsgebot, weil ein Bieter mit dem jeweils wirtschaftlichsten Angebot für beide Lose nur den Zuschlag auf Los 1 erhalten könne, der Zuschlag auf Los 2 würde dann auf das zweitwirtschaftlichste Angebot erteilt werden. Hierdurch würden gleichzeitig besonders leistungsstarke und wettbewerbsfähige Bieter im Wettbewerb benachteiligt werden, da diesen der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Los ggf. versagt bliebe. Die Zuschlagslimitierung lasse sich vorliegend auch nicht mit dem Argument der Versorgungssicherheit rechtfertigen, da es eine rechtmäßige Handlungsalternative gebe, die die Versorgungssicherheit sogar steigere; denn gemäß § 132e Abs. 2 S. 4 SGB V müssten Rabattvereinbarungen über Grippeimpfstoffe mit und ohne Kanüle mit jeweils zwei pharmazeutischen Herstellern abgeschlossen werden. Die ASt beantragt über ihre Verfahrensbevollmächtigten, -6- 1. die Ag anzuweisen, das Vergabeverfahren aufzuheben, hilfsweise: das Vergabeverfahren in das Stadium vor Versendung der Vergabeunterlagen an die Bieter zurückzuversetzen und den Ag aufzugeben, die EU- Vergabebekanntmachung sowie die Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu überarbeiten und sodann im EUAmtsblatt zu korrigieren bzw. an die Bieter zu versenden, 2. auszusprechen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die ASt notwendig gewesen ist, 3. Akteneinsicht gemäß § 111 GWB zu gewähren. b) Die Ag beantragen über ihre Verfahrensbevollmächtigten, 1. den Nachprüfungsantrag zu verwerfen, mindestens aber als unbegründet zurückzuweisen, 2. der ASt die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Ag aufzuerlegen und 3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag für notwendig zu erklären. Nach Auffassung der Ag ist der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig, weil die ASt mangels Angebotsabgabe nicht antragsbefugt und § 132e Abs. 2 SGB V nicht bieterschützend sei. Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Der öffentliche Auftraggeber bestimme selbst, was er beschaffen möchte. Vorliegend bestehe der Bedarf der Ag darin, für ihre Versicherten in […] Grippeimpfstoffe zu beschaffen, diesen Bedarf hätten die Ag entsprechend der Nachfrage am Markt und in Anerkennung der Therapiefreiheit der Ärzte, welche Kanülengröße je Patient eingesetzt werde, in zwei Fachlose aufgeteilt (Fertigspritzen mit oder ohne Kanüle). Loslimitierungen seien bereits gemäß Art. 46 Abs. 2 S. 2 RL 2014/24/EU und dem 79. Erwägungsgrund dieser Richtlinie grundsätzlich zulässig. Die Ag hätten hierbei ihr -7- ohnehin nur eingeschränkt rechtlich zu kontrollierendes Bestimmungsrecht nicht verletzt, weil sie auf diese Weise die Erhöhung der Versorgungssicherheit i.S.d. § 132e SGB V sichergestellt hätten, denn innerhalb eines Versorgungsgebiets würden die Versicherten unter je einem Rabattvertrag von zwei unterschiedlichen pharmazeutischen Unternehmen mit Grippeimpfstoffen versorgt. Auch bei der Frage, ob er ein Ein-Partner- oder Mehr-Partner-Modell ausschreiben wolle, stehe einem öffentlichen Auftraggeber ein Leistungsbestimmungsrecht zu, das nur eingeschränkt überprüfbar sei. § 4 EG Abs. 1 S. 1 VOL/A lasse ausdrücklich beide Varianten zu. Das Mehr-Partner-Modell berge vorliegend ein erhöhtes Kalkulationsrisiko, weil die Absatzmengen für den Bieter schwerer oder unzumutbar zu kalkulieren seien. Demgegenüber stelle der Abschluss nur eines Vertrags je Los sicher, dass tatsächlich Grippeimpfstoff des jeweiligen Vertragspartners an die Anspruchsberechtigten der Krankenkassen abgegeben werde. Gleichermaßen werde für die Ag so die Versorgungssicherheit erhöht. Die Verletzung sozialgesetzlicher Vorgaben sei bereits deshalb nicht zu prüfen, weil die ASt keine entsprechenden vergaberechtlichen Anknüpfungspunkte vorgetragen habe. Abgesehen hiervon sei § 132e Abs. 2 SGB V so zu verstehen, dass für die Versorgung der Versicherten mit Impfstoffen zwei pharmazeutische Unternehmen zur Verfügung stehen sollten, aber nicht für jede Darreichungsform der Impfstoffe. Es entspreche dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck dieser Regelung, die Versorgung der Versicherten mit Impfstoffen überhaupt und damit deren Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Das Verständnis dieser Norm dürfe nicht über deren Wortlaut („Impfstoff“) hinausgehen. Der Gesetzgeber könne nicht gewollt haben, dass jedes Los „gedoppelt“ werden müsse, z.B. wenn eine Krankenkasse weitere Lose z.B. für einzelne Packungsgrößen gebildet hätte. Die Vergabekammer hat der ASt antragsgemäß Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren. In der mündlichen Verhandlung am 13. Januar 2015 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen und mit der Vergabekammer umfassend zu erörtern. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen. -8- II. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob der Nachprüfungsantrag zulässig ist, denn jedenfalls ist er unbegründet. Die von der ASt geltend gemachten Vergaberechtsverstöße liegen nicht vor. Zum Ausschreibungsdesign der Ag ist zunächst Folgendes vorauszuschicken: Die Ag haben ihren Beschaffungsbedarf an Grippeimpfstoffen für das verfahrensgegenständliche Versorgungsgebiet […] vergaberechtskonform in zwei Fachlosen gedeckt. Die Fachlose wurden entsprechend der jeweiligen Darreichungsform des Impfstoffs gebildet (Fertigspritze mit bzw. ohne Kanüle). Diese Vorgehensweise ist deshalb vergaberechtskonform, weil die je Los zu liefernden Arzneimittel nicht untereinander austauschbar sind (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Juni 2012, VII-Verg 7/12). Die Ag haben hierzu in ihrem Vergabevermerk zutreffend ausgeführt, dass der Arzt, für dessen Sprechstundenbedarf die Ag die Impfstoffe beschaffen, je nach Patient sich für die Impfung mit einer „Standardkanüle“ oder einer solchen Kanüle entscheidet, die auf die aus ärztlicher Sicht ggf. individuellen Belange des betreffenden Patienten abgestimmt ist. Je nach ärztlicher Einschätzung werden dann Fertigspritzen aus Los 1 oder aus Los 2 verwendet. Ausgeschrieben wurde vorliegend also der Abschluss von zwei Verträgen mit unterschiedlichen Vertragsinhalten. Bereits hieraus folgt, dass § 4 EG Abs. 4 VOL/A vorliegend nicht verletzt ist. Denn die Ag schreiben gar nicht in einem Mehrpartnermodell aus, sondern wollen die Rahmenverträge je Los nur mit einem einzigen Vertragspartner abschließen (s. dazu, dass die Ag auch nicht verpflichtet sind, die Rahmenverträte im Mehrpartnermodell auszuschreiben unten unter 2.). Auch die ASt beanstandet nicht die Rechtmäßigkeit der Losbildung. Sie zieht hieraus lediglich bestimmte Rückschlüsse auf hiermit zusammenhängende Vergabeverstöße, nämlich die Zuschlagslimitierung (dazu unter 1.) und den Abschluss einzelner Verträge unter Verstoß gegen § 132e Abs. 2 S. 4 SGB V (dazu unter 2.). Die Vorgehensweise der Ag ist jedoch auch insoweit vergaberechtskonform. -9- 1. Die Ag haben das Vergabeverfahren so ausgestaltet, dass ein Bieter zwar für beide Lose Angebote abgeben, aber nur in dem mengenmäßig größerem Los 1 den Zuschlag erhalten kann. Der ASt ist zuzugeben, dass eine solche Zuschlagslimitierung zumindest den Wettbewerbsgrundsatz i.S.d. § 97 Abs. 1 GWB und das Wirtschaftlichkeitsgebot i.S.d. § 21 EG Abs. 1 S: 1 VOL/A tangiert. Eine Zuschlagslimitierung ist jedoch vergaberechtlich anzuerkennen, wenn der öffentliche Auftraggeber objektive, zutreffende und nachvollziehbare Gründe hat, die seine Vorgehensweise rechtfertigen (OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 17. Januar 2013, VII-Verg 35/12; vom 14. November 2012, VII-Verg 28/12; vom 7. November 2012, VII-Verg 24/12 und vom 7. Dezember 2011, VII-Verg 99/11). Im vorliegenden Fall haben die Ag die Zuschlagslimitierung mit der Versorgungssicherheit, also mit dem Argument begründet, anspruchsberechtigte Versicherte rechtzeitig und bedarfsgerecht mit Grippeimpfstoffen versorgen zu können. Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden und rechtfertigen die vorgenommene Zuschlagslimitierung auf ein Los. Denn auf diese Weise streuen die Ag das Risiko, die insgesamt ca. 760.000 Impfstoffdosen gegen Rabatt geliefert zu erhalten, dergestalt, dass beim Ausfall eines Rabattvertragspartners (mit einer Lieferverpflichtung von 430.000 oder 330.000 Impfdosen) zumindest noch der andere wesentliche Teil ihrer Versicherten mit einem rabattierten Impfstoff versorgt werden kann; die Ag sind nicht von der Lieferfähigkeit eines einzelnen pharmazeutischen Unternehmens abhängig (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 17. Januar 2013, und vom 7. November 2012, jeweils aaO.). Es ist zudem nicht ausgeschlossen, dass ein Arzt beim Ausfall des Vertragspartners in einem Los auf die Leistung des anderen Loses „umschwenkt“ und doch auf die Fertigspritze mit (Standard-)Kanüle oder umgekehrt auf die Fertigspritze ohne vorgegebene Kanüle zurückgreift. In diesem Fall bleibt den Ag die Möglichkeit, eine rabattierte Leistung in Anspruch nehmen zu können, sogar in noch größerem Umfang erhalten als bei der ursprünglichen Mengenprognose für dieses Los angenommen. Hierüber hinaus haben Krankenkassen beim Abschluss von Rabattverträgen gemäß (§ 132e Abs. 2 S. 1, zweiter Halbsatz i.V.m.) § 130a Abs. 8 S. 7 SGB V der Vielfalt der Anbieter Rechnung zu tragen, damit auch in Zukunft eine genügende Anzahl von (hier:) leistungsfähigen Herstellern oder Lieferanten von Grippeimpfstoffen zur Verfügung steht. Auch aus diesem Grund ist vorliegend die Zuschlagslimitierung, die bewirkt, dass jedenfalls zwei pharmazeutische Unternehmer Rabattverträge abschließen können, gerechtfertigt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Dezember 2011, aaO.). Die Ag haben zudem ein Ausschreibungsmodell gewählt, das den von der ASt herangezogenen Wettbewerbsgrundsatz sowie das Wirtschaftlichkeitsgebot verhältnismäßig am wenigsten beeinträchtigt, da ein Bieter, der auf - 10 - beide Lose das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, (immerhin) den Zuschlag auf das umsatzstärkere Los 1 erhält. 2. Die Vorgehensweise der Ag, je Los nur mit einem einzigen Unternehmen einen Rabattvertrag abzuschließen, ist ebenfalls nicht rechtswidrig. Die ASt beruft sich insoweit auf eine Verletzung des § 132e Abs. 2 S 4 SGB V. Diesbezüglich ist bereits fraglich, ob sich ein Bieter auf die Verletzung dieser Norm, die die Gewährleistung der rechtzeitigen und bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten mit Impfstoffen verbessern soll (s. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 18/1657, S. 64), überhaupt berufen kann. Dies braucht vorliegend jedoch nicht entschieden zu werden, weil die verfahrensgegenständliche Ausschreibung den Anforderungen des § 132e Abs. 2 S. 4 SGB V genügt. Bereits dem Wortlaut nach verlangt § 132e Abs. 2 S. 4 SGB V „nur“, dass eine Krankenkasse innerhalb eines Versorgungsgebiets Verträge zur Versorgung ihrer Versicherten „mit Impfstoffen“ mit mindestens zwei pharmazeutischen Unternehmern abschließen muss. Dem Wortlaut dieser Regelung wird die Vorgehensweise der Ag gerecht, denn sie wollen zwei Verträge über Grippeimpfstoff mit zwei verschiedenen Unternehmen für das Versorgungsgebiet […] abschließen. Dieses Verständnis entspricht ebenfalls dem Gesetzeszweck des § 132e Abs. 2 SGB V. Auch in diesem Zusammenhang ist der ASt zwar zuzugeben, dass die Versorgungssicherheit der Versicherten bei Impfstoffen grds. steigt, mit je mehr Vertragspartnern deren Krankenkassen entsprechende Lieferverträge abschließen. Wenn also die Ag je Los zwei Verträge abschließen würden, stünde bei Ausfall eines Vertragspartners ein weiterer bereit, der nicht nur – wie nach dem verfahrensgegenständlichen Ausschreibungsdesign – rabattierten Impfstoff, sondern diesen sogar in derselben Darreichungsform (mit bzw. ohne Kanüle) liefern kann. Ein derart hohes Maß an Versorgungssicherheit setzt allerdings voraus, dass jeder Vertragspartner bereits im Rahmenvertrag für den etwaigen Ausfall des jeweils anderen eine Art „Garantie“ für die Übernahme der Ausfallmenge verspricht, um bei Ausfall des anderen Vertragspartners „einspringen“ zu können. Anders als bei „normalen“ Arzneimittelrabattverträgen mit mehreren (meistens drei) Vertragspartnern könnte sich ein Bieter bei seiner Angebotskalkulation nicht darauf einstellen, nur einen (im Regelfall auf alle Partner gleichermaßen verteilten) Anteil - 11 - bedienen zu müssen, sondern müsste die insgesamt benötigte Menge an Impfstoff produzieren und lagern. Sollte es – wie auch in den vergangenen Impfsaisons regelmäßig – nicht zu einem Ausfall eines der beiden Vertragspartner je Los kommen, wäre dieser Aufwand vergeblich; bei Grippeimpfstoffen kommt diesbezüglich hinzu, dass etwaige Überproduktionen nach Abschluss einer Impfsaison häufig zu vernichten sein werden, da die konkrete Zusammensetzung des Impfstoffs für die nächste Grippesaison erst später von den zuständigen Stellen festgelegt wird. Diese Risiken müssten folglich im Interesse der von der ASt für geboten gehaltenen 100%igen Versorgungssicherheit vom Bieter einkalkuliert werden und würden voraussichtlich zu erheblichen Preissteigerungen führen. Auch die Begründung zum Gesetzentwurf des § 132e Abs. 2 SGB V n.F. legt nahe, dass ein solch umfassendes Maß an Versorgungssicherheit vom Gesetzgeber nicht intendiert ist: Nachdem es in den vergangenen Jahren bei Grippeimpfstoffen aufgrund einzelner Lieferausfälle (insbesondere wegen der Verunreinigung von Impfstoffen) in einigen Bundesländern zu Engpässen beim Exklusivvertragspartner gekommen war, ging es dem Gesetzgeber in erster Linie darum, den Abschluss solcher Exklusivverträge zu verbieten, um zu verhindern, „dass bei Engpässen einzelner pharmazeutischer Unternehmer generelle Versorgungschwierigkeiten der Bevölkerung auftreten, da mit mindestens einem weiteren Vertragspartner aus dem Kreis der pharmazeutischen Unternehmer die Versorgung der Versicherten vereinbart ist“ (s. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 18/1657, S. 64). Dieser Gesetzeszweck ist bei der Vorgehensweise der Ag hinreichend erfüllt, denn ein wesentlicher Teil ihres Bedarfs an Impfdosen (je nach Los 430.000 oder 330.000 Stück) kann auch bei Ausfall eines Rahmenvertragspartners weiterhin rabattiert bezogen werden, darüber hinaus ist davon auszugehen, dass zumindest bei einem gewissen Teil von Versicherten auf ein Arzneimittel aus dem anderen Los „umgeschwenkt“ wird, indem der Arzt anstelle des ggf. nicht lieferbaren Impfstoffs mit Kanüle den ohne Kanüle verwendet oder umgekehrt. Der restliche Bedarf muss dann mit unrabattierten, z.B. ursprünglich für das Ausland vorgesehenen Impfstoffen gedeckt werden, was nach der Einschätzung der Ag aufgrund der hohen Impfstoffpreise in Deutschland in der Praxis nicht unrealisierbar erscheint. Für die Bieter wird bei dieser Vorgehensweise gleichzeitig die oben skizzierte Kalkulation eines Mehrbedarfs vermieden, der darüber hinaus zu unwirtschaftlichen Preisen für die Ag führt. Auch aus vergaberechtlichen Gründen waren die Ag nicht verpflichtet, die ausgeschriebenen Rahmenvereinbarungen je Los mit mehreren Unternehmen abzuschließen. Das Vergaberecht, insbesondere § 4 EG VOL/A, gibt insoweit keine Regelungen vor. Vielmehr - 12 - liegt es im nur eingeschränkt überprüfbaren Bestimmungsrecht eines öffentlichen Auftraggebers, der einen Rahmenvertrag ausschreibt, ob er seinen Bedarf im Ein- oder Mehrpartnermodell deckt. Die Grenzen ihres Bestimmungsrechts haben die Ag vorliegend nicht überschritten. Denn aufgrund der geringen Anzahl von Unternehmen, die die benötigten Impfstoffe nach den Markterkundungen der Ag liefern können, käme bei einem Mehrpartnermodell, an dem gemäß § 4 EG Abs. 4 VOL/A mindestens drei Unternehmen zu beteiligen wären, kein hinreichender Wettbewerb zustande. Außerdem wollen die Ag die Kalkulationsschwierigkeiten für Bieter verhindern, die beim Mehrpartnermodell nicht hinreichend kalkulationssicher prognostizieren können, in welchem Umfang Grippeimpfstoffe bei ihnen abgerufen werden. Diese objektiven Erwägungen der Ag sind nachvollziehbar und ihre Entscheidung, nur einen Vertrag je Los zu vergeben, ist vergaberechtskonform. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Ag im Interesse der Gewährleistung der Versorgungssicherheit der Versicherten mit Grippeimpfstoffen grds. zwar auch anders hätten vorgehen können, indem sie – entsprechend dem Interesse der ASt – mehrere Rahmenverträge je Los abschließen. Hierzu sind die Ag jedoch nicht verpflichtet, da ihr Ausschreibungsmodell ebenfalls den einschlägigen rechtlichen Anforderungen genügt. In einem solchen Fall muss ein öffentlicher Auftraggeber nicht die von einem einzelnen Bieter präferierte Vorgehensweise praktizieren, selbst wenn diese – wie möglicherweise hier – z.B. die Versorgungssicherheit hinsichtlich der zu liefernden Waren in noch größerem Umfang fördert als die vom Auftraggeber gewählte Methode. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 VwVfG. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Ag war notwendig, da das Nachprüfungsverfahren umfangreiche Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen hat, die die Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten als sachgerecht erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06). - 13 - IV. Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Oberlandesgericht Düsseldorf - Vergabesenat -, Cecilienallee 3, begründen. Die 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt. Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern. Behrens Dr. Dittmann