> 190 Grundseminar - Pflanzenschutz Schriftenreihe des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e.V., Berlin ( BDG ) Heft / 2007 29. Jahrgang Tagung: vom 22. bis 24. Juni 2007 in Jena Herausgeber: Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. Platanenallee 37, 14050 Berlin Telefon 030/ 30 207 140/141 Telefax 030/ 30 207 139 Präsident: Ingo Kleist Seminarleiter: Jürgen Sheldon Präsidiumsmitglied des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e.V. Zusammenstellung: Ute Gabler Nachdruck und Vervielfältigungen (fotomechanischer und anderer Art) - auch auszugsweise - dürfen nur mit Genehmigung des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde erfolgen. ISSN 0936-6083 Auflage: 1.000 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Dieses Projekt wurde finanziell vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördert. Der Förderer übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen des Förderers übereinstimmen. INHALTSVERZEICHNIS Vorwort SEITE 5 Jürgen S h e l d o n Präsidiumsmitglied des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e.V. Integrierter Pflanzenschutz im Rahmen der guten fachlichen Praxis 7 Dr. Klaus-Dieter H e n t s c h e l Berlin Neue Präparate und Produkte für den Haus- und Kleingarten 19 Dipl.-Ing. Andreas V i e t m e i e r Landwirtschaftskammer-Nordrhein-Westfalen Pflanzenschutzdienst Münster Einsatz von Nützlingen im Kleingarten, Möglichkeiten und Nutzen 27 Dipl.-Ing. Markus W i n n i g Insekten schützen Pflanzen Nützlinge für Klein- und Hobbygärtner Berlin Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 190 Status quo des Pflanzenschutzgesetzes, Zulassungsfristen und die Zukunft 41 Dipl.-Biologe Holger-Ulrich S c h m i d t Pflanzenschutzamt Berlin Pflanzenschutz im Einsatz bei Obst- und Gemüsebau 59 Dr. Rüdiger S c h m a t z Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) Jena Pflanzenschutz im Zierpflanzenbereich im Kleingarten erforderlich? 77 Dipl.-Ing. agr. Thomas L o h r e r Forschungsanstalt für Gartenbau Weihenstephan (FGW) Institut für Gartenbau Freising Berichte aus den Arbeitsgruppen zu den Themen: AG I „Integrierter Pflanzenschutz im Kleingarten und seine Anwendungsmöglichkeiten“ 88 Leiter der Arbeitsgruppe I: Jürgen B r i l l Landesverband Hessen der Kleingärtner e.V. AG II „Pflanzenschutzmittel und Nützlinge im Einsatz im Kleingarten nach Maß des Gesetzgebers“ 89 Leiterin der Arbeitsgruppe II: Doz. Dr. Magdalene L a n f e r m a n n Landesverband der Gartenfreunde Sachsen-Anhalt e.V. AG III „Kulturpflanzen von Ziergehölz bis Obstgehölz unter Berücksichtigung des Pflanzenschutzes anbauen und erhalen“ 90 Leiter der Arbeitsgruppe III: Wolfgang M o r i t z Landesverband Braunschweig der Gartenfreunde e.V. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 190 -5- Vorwort Die Grundlagen des Pflanzenschutzes im Haus- und Kleingarten sowie Trends und Entwicklungen zur Gesunderhaltung der Pflanzenkulturen im Hobbygarten waren Gegenstand des dreitägigen BDG-Seminars „Fachberater I“. Der Pflanzenschutz, der alle Maßnahmen zur Gesunderhaltung von Pflanzenkulturen beschreibt, ist eine kulturelle Errungenschaft der Menschheit, um vor allem die Versorgung der Menschen mit pflanzlichen Nahrungsmitteln sicherzustellen. Alle Kulturpflanzen werden von den gleichen Schaderregern befallen oder durch abiotische Faktoren negativ beeinflusst wie ihre wilden Verwandten. Dass heute der chemische Pflanzenschutz zugunsten biologischer, biotechnischer und kulturtechnischer Methoden in den Hintergrund gerät, ist ein Ergebnis der Zunahme naturschutzfachlicher Aktivitäten im Kleingarten. Der integrierte Pflanzenschutz ist Dank intensiver Aktivitäten der Fachberatung auf allen Verbandsebenen heute gängige Praxis in Kleingärten. Dr. Klaus-Dieter Hentschel, Pflanzenschutzexperte der landwirtschaftlich-gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin begann seine Ausführungen zum „Integrierten Pflanzenschutz im Rahmen der Guten fachlichen Praxis“ mit einem Exkurs in die Geschichte des Pflanzenschutzes. Er überraschte die Seminarteilnehmer mit historisch belegten Fakten zu Heuschreckenplagen im Mitteldeutschland des 18. Jahrhunderts. „Neue Präparate und Produkte für den Haus- und Kleingarten“ stellte Dipl.-Ing. Andreas Vietmeier, Experte des Pflanzenschutzdienstes der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, vor. In seinem Beitrag ging Vietmeier besonders auf die Problematik der zunehmenden Bekämpfungslücken durch das Auslaufen vieler Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln für den Haus- und Kleingartenbereich ein. Alles über sechsbeinige Helfer und ihre Artgenossen aus dem Reich der Kleinstlebewesen erfuhren die Seminarteilnehmer im Beitrag „Einsatz von Nützlingen im Kleingarten, Möglichkeiten und Nutzen“ von Dipl.-Ing. Markus Winning. Von Nemathoden zur Rüsselkäferbekämpfung bis zum Australischen Marienkäfer gegen Wollläuse blieb keine Frage zur biologischen Bekämpfung mit natürlichen Gegenspielern offen. Die wichtigsten Aussagen zum Pflanzenschutzgesetz fasste Dipl.-Biologe Holger Schmidt vom Berliner Pflanzenschutzamt in seinem Beitrag „Status quo des Pflanzenschutzgesetzes – Zulassungsfristen und die Zukunft“ zusammen. Schmidt ging besonders auf den mit der Novellierung des Gesetzes verbundenen Systemwechsel und seinen restriktiven Folgen für Haus- und Kleingärtner ein und wies auf die entstandenen Bekämpfungslücken im Haus- und Kleingarten hin. Die wichtigsten Schaderreger im kleingärtnerischen Obst- und Gemüsebau stellte Dr. Rüdiger Schmatz, Experte der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, vor. Seine reichlich bebilderte Präsentation zum Thema „Pflanzenschutz im Einsatz bei Obst- und Gemüsebau“ regte zu angeregter Diskussion um eigene Erfahrungen bei der Bekämpfung des einen oder anderen Gartenschädlings an. Die rhetorische Frage, ob „Pflanzenschutz im Zierpflanzenbereich im Kleingarten erforderlich?“ sei, bejahte Dipl.-Ing. agr. Thomas Lohrer, Experte der Forschungsanstalt für Gartenbau Weihenstephan eindeutig. Lohrer wies in seiner optisch ansprechenden Präsentation vor allem darauf hin, dass die korrekte Diagnose des Schaderregers sowie die nähere Kenntnis seiner Biologie Vorraussetzung jeder Bekämpfungsstrategie sei. In der abschließenden Arbeitsgruppentätigkeit riefen die Seminarteilnehmer den BDG erneut auf, sich für eine Schließung der im Haus- und Kleingarten relevanten Bekämpfungslücken durch eine Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 -6- politische Entscheidung zur Änderung des §18 des Pflanzenschutzgesetzes einzusetzen. Die Teilnehmer beschlossen weiterhin, sich dafür auch auf Landesverbandsebene einzusetzen. Ein Besuch der 29. Bundesgartenschau in Gera und Ronneburg rundete das Bildungswochenende ab. Jürgen Sheldon Präsidiumsmitglied für Fachberatung des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e.V. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 -7- Integrierter Pflanzenschutz im Rahmen der guten fachlichen Praxis Dr. Klaus-Dieter H e n t s c h e l Berlin Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 -8- Integrierter Pflanzenschutz im Rahmen der guten fachlichen Praxis Pflanzenschutz - oder Schutz der Pflanzen – Begriff oder praktische Realisierung sind seit alters her mit der zielgerichteten und organisierten Form der Produktion pflanzlicher Produkte für die Ernährung von Mensch und Tier auf das Engste verknüpft. Elementarer und damit unverzichtbarer Bestandteil bäuerlichen und gärtnerischen Tuns. Und oft verzweifeltes Bemühen zur Sicherung der Erträge und damit auch der existentiellen Lebensgrundlage. Die Agrargeschichte ist reich an Belegen für Heimsuchungen der Nahrungs- und Futterpflanzen durch Schad- oder Krankheitserreger, in deren Folge nicht selten Not und Elend über ganze Regionen kam. Nicht vorhandene, nicht bekannte oder nicht wirksame Abwehrmaßnahmen waren immer wieder der Grund für das Auftreten von Missernten. Diese führten nicht selten zu großen Hungersnöten; nachfolgende Seuchen verstärkten häufig das Leid. Häufig war die Hungersnot Auslöser für massive Abwanderungen der leidgeprüften Menschen aus den betroffenen Gebieten, die gar das Ausmaß geschichtsträchtiger Emigrationen annahmen. Erinnert sei nur an viele folgenschwere Heuschreckenplagen auf verschiedenen Kontinenten der Erde. Auch unser Lebensraum blieb davor nicht verschont, wie die nachfolgende Darstellung zeigt. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 -9- Oder an eine so bekannte Textstelle aus dem Alten Testament über „sieben fette Jahre“ denen „sieben magere Jahre“ folgen. Diese noch heute gebräuchliche Formulierung bezog sich zu ihrer Entstehungszeit auf durch Rostpilze verursachte Missernten bei Getreide und gab schon damals einen Hinweis auf das Erkennen epidemischer Verläufe von Pflanzenkrankheiten. Nicht vergessen ist bis heute die 1845 in Irland aufgetretene Epidemie auf den Kartoffelfeldern. Gerade erst als neues Volksnahrungsmittel etabliert, verfaulten die Kartoffeln auf den Feldern, in Mieten und Kellern. Der später durch den deutschen Forscher Anton de Bary identifizierte Erreger der Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel verursachte eine mehrjährige Hungersnot, die etwa drei Millionen Menschen das Leben kostete und die bekanntlich größte Auswanderungswelle im Lande auslöste. Obwohl auch die jüngere Geschichte mit auffälligen epidemischen Verläufen von Pflanzenkrankheiten oder mit Schädlingskalamitäten aufwarten kann, so ist doch der mit der Entwicklung der Agrarwissenschaft in ihrer Gesamtheit erreichte Fortschritt auch bei der Abwehr oder Minderung Schaderreger bedingter Ertrags- oder Qualitätsverluste bei unseren Kultur- und Nutzpflanzen unübersehbar. Nicht zuletzt waren an diesen Fortschritten viele deutsche Agrarwissenschaftler beteiligt. Auch die Humboldt – Universität zu Berlin kann mit Stolz auf einen beachtlichen Beitrag zur Entwicklung der Agrarwissenschaften verweisen, der 1804 mit der Ära Albrecht Daniel Thaer und der Eigenständigkeit der Landbauwissenschaften seinen Ausgangspunkt hatte. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 10 - Das Wirken vieler Wissenschaftler hat in der Folgezeit mit Sicherheit auch dazu beigetragen, das der Pflanzenschutz in Deutschland schon immer mehr war als nur eine chemische Methode zur Abwehr und Bekämpfung der „F e i n de“ unserer Kultur- und Nutzpflanzen. Dieser Maxime folgend ist in Lehre und Forschung die Strategie des „Integrierten Pflanzenschutzes“ mit der Schwerpunktsetzung im Biologischen Pflanzenschutz und der Erarbeitung bzw. Verbesserung phytomedizinischer Diagnosemethoden fester Bestandteil geworden. Die Pflanzenschutzgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland hat mit der Novellierung im Jahre 1998 und der damit verbundenen Indikationszulassung den neuen Anforderungen an die landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche und gärtnerische Pflanzenproduktion in hohem Maße Rechnung getragen , international Maßstäbe gesetzt und mit der gleichzeitigen Formulierung der Grundsätze für die „Gute fachliche Praxis im Pflanzenschutz“ gemäß § 6 des Pflanzenschutzgesetzes, auch die Anleitung zum Handeln geliefert. In der Abkehr jahrzehntelanger Bevorzugung und Überbewertung des chemischen Pflanzenschutzes, orientiert sich nunmehriges Handeln ausnahmslos an den Prinzipien des Integrierten Pflanzenschutzes. Also einer modernen, Natur und Umwelt schonenden, die betriebliche Existenz sichernden und die berechtigten Schutzbedürfnisse der Verbraucher respektierenden Herangehensweise, die folgerichtig und notwendiger Weise, auch für den Bereich des Freizeitgartenbaus gilt. Die inhaltlichen Schwerpunkte des überarbeiteten Gesetzeswerkes lassen sehr deutlich erkennen, wo und in welcher Art und Weise verantwortungsbewusster Pflanzenschutz zu verstehen ist. Stichworte wie Indikationslösung und Indikationslücke als Beispiel zeigen zum einen das Wie und Wo einer möglichen Behandlung, fordern aber zugleich die Innovation zur Schließung von Bekämpfungslücken und machen so deutlich, welch hohes Wissen und Können in Wissenschaft und Praxis notwendig ist und wie viel Bereitschaft und Fähigkeit aufgebracht werden muss, um die Effektivität der Pflanzenschutzmaßnahmen bei gleichzeitiger Risikominderung zu erhöhen und Verbraucher-, Natur- und Umweltschutz nachhaltig zu garantieren. Mehr und mehr gewannen deshalb seit Jahren auch in unseren urbanen Bereichen des Gartenbaus ökologische Gesichtspunkte an Bedeutung. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig, in der Regel aber bestimmt durch begrüßenswerte Einsichten und Initiativen der Kleingärtner bezüglich Umgang mit Natur und Umwelt und den sich daraus ergebenden steigenden Lebens- und Freizeitqualitäten. Die dabei erzielten Fortschritte wurden, wie überall in der Pflanzenproduktion und im gestalterischem Bereich dort erreicht, wo Ernsthaftigkeit und Sachverstand walteten. Das heißt, wo dieses neue Herangehen das biologische System Pflanzenbau beinhaltete und gleichzeitig den Gedanken der Nachhaltigkeit einschloss. Es ist selbstverständlich, dass auch der Pflanzenschutz als unverzichtbarer Bestandteil einer erfolgreichen Pflanzenanzucht und -verwendung auf ökologische Herangehensweisen abzustimmen ist. Bekanntlich stellt die Bekämpfung von Schaderregern jeder Art bei unseren Pflanzen einen mehr oder weniger starken Eingriff in die natürlichen Lebensabläufe der Pflanzen und auch des Naturhaushaltes dar. Es ist deshalb von größter Priorität dafür zu sorgen, dass einseitige chemische Pflanzenschutzmaßnahmen auf ein Minimum beschränkt werden. Dies ist in konsequenter Anwendung der Verfahren des integrierten Pflanzenbaus und des integrierten Pflanzenschutzes für den Freizeitgartenbau noch eher mit nachhaltiger Wirkung möglich als für den Erwerbsgartenbau, den die Gegebenheiten des Marktes oft zu radikaleren Maßnahmen der Schadabwehr zwingen. Wesen und Inhalt des integrierten Pflanzenschutzes entsprechen voll und ganz den Erfordernissen einer intensiven ökologischen Orientierung des städtischen Gartenbaus, wie der Definition entsprechend der Pflanzenschutzgesetzgebung zu entnehmen ist: „Der integrierte Pflanzenschutz ist eine Kombination von Verfahren, bei denen unter vorrangiger Berücksichtigung biologischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß beschränkt wird“. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 11 - Wesen und Inhalt werden von der FAO wie folgt bestimmt: „Der IPS ist ein System zur Regulierung der Schadorganismen, das entsprechend der jeweiligen Umwelt und Populationsdynamik der Schaderreger alle verfügbaren Verfahren in möglichst gut abgestimmter Weise anwendet und die Populationen unter der wirtschaftlichen Schadensschwelle hält“ Das heißt auf unser Thema bezogen letztendlich auch, dass wir nur erfolgreich sein werden, wenn wir die Spielregeln des Ökosystems erlernen und respektieren. Und wenn wir das tun, dann werden die bisherigen Maßnahmen des sogenannten „pestmanagements“ mehr und mehr in den Hintergrund treten und nur noch als Korrektur besonderer natürlicher Abläufe benötigt werden. In Anlehnung an den Ausgangspunkt für den gewerblichen Bereich der Pflanzenproduktion, wirken auch wir dann ganz im Sinne der guten fachlichen Praxis. Ausgangspunkt: Der Integrierte Pflanzenschutz Als Teil des Integrierten Pflanzenbaus ist er konzeptionell eingebunden in ein System, welches die Nahrungsgüterproduktion unter weitgehender Schonung von Natur und Umwelt, in ausreichender Menge, hervorragender Qualität und mit betriebswirtschaftlich angemessenen Aufwendungen ermöglicht! Bis dahin haben wir jedoch noch einige Schwierigkeiten zu überwinden. Die größte für uns besteht vor allem darin, dass unser Wissen über die komplexen ökologischen Ansprüche des Systems biologischer Pflanzenbau vielfach noch nicht ausreicht und wir uns in unserer Freizeitgärtnerei doch erheblich vom gewerblichen Gartenbau unterscheiden. Städtisches Grün und Pflanzenschutz – was sind die Besonderheiten? Zunächst einmal ist zu berücksichtigen, dass städtisches Grün in vielfältiger Nutzungsform vorliegt. Daraus ableitend und aus den sich zwangsläufig ebenso unterschiedlich ergebenden ökologischen Bedingungen, stellen sich Krankheits- und Schädlingssituationen ein, die mit denen gewerblicher Gartenbaubetriebe nicht zu vergleichen sind. Folglich unterscheiden sich auch die erforderlichen Abwehrmaßnahmen in der Prophylaxe oder in der direkten Schaderregerdezimierung. Völlig zu Recht hat der Gesetzgeber deshalb im Pflanzenschutzrecht eine starke Beschränkung bezüglich des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel und auch bei den Verfahren für diesen Bereich verfügt. Aus der nachfolgenden Aufstellung der speziellen Nutzungsformen lassen sich unschwer die zu berücksichtigenden Besonderheiten ableiten. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 12 - Spezielle Nutzungsformen in der Regel als: ⊗ öffentliche Grünanlagen zur Erbauung und Erholung (einschließlich Spielplätze) ⊗ Schau- und Demonstrationsanlagen (Schlossgärten, Arboreten, Lehrgärten usw.) ⊗ Gebäudebegrünung unterschiedlicher Form und Intensität ⊗ Kleingärten als geschlossene Anlagen ⊗ Haus- und Siedlergärten in Streu- oder Kompaktform ⊗ Friedhöfe und Gedenkstätten ⊗ Sportanlagen und Golfplätze ⊗ Straßenbegleitgrün Die Anforderungen bezüglich der Nutzfunktion sind sicherlich sehr unterschiedlich, werden aber in der Regel bestimmt durch ein bewusstes oder auch unbewusstes Bedürfnis nach Kompensation von Naturferne mit der Zielstellung: A – spezielle Gebrauchsform für Freizeit, Erholung u. Sport B – Befriedigung kultureller u. bildungsrelevanter Bedürfnisse C – aktive Erholung u. Betätigung in und mit der Natur; auch mit dem Wunsch für den Eigenbedarf zu produzieren; sich aktiv am Umwelt- und Naturschutz zu beteiligen und Naturkunde zu vermitteln, In Sachen Pflanzenschutz kann das folgerichtig nur bedeuten, sich der Mittel und Methoden des integrierten Pflanzenschutzes zu bedienen, um so dem Anspruch einer stärkeren ökologischen Orientierung gerecht zu werden. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 13 - Bei dieser Darstellung wird deutlich, dass die gesunde Pflanze im Mittelpunkt steht, von der wir Ertrag in zufrieden stellender Menge und Qualität bzw. einen bestimmten Schau- oder Gestaltungswert erwarten. Die dazu erforderliche Pflanzengesundheit kann unter Nutzung der wichtigsten fünf aufgezeigten Verfahren in der Regel erhalten werden. Dabei sollten alle nicht-chemischen Verfahren den Vorzug erhalten, da sie auch als vorbeugende Pflanzenschutzmaßnahmen eine wichtige ökologische Funktion erfüllen und somit auch im Sinne von Nachhaltigkeit wirksam sind. Es sollte uns in erster Linie auch darum gehen, zu verstehen, dass Krankheits- und Schädlingsbefall etwas durchaus Natürliches im Pflanzenreich darstellt und dass unsere Aufgabe nur darin besteht, die Folgen eines solchen Wirt – Parasit-Verhältnisses auf eine verträgliche Größenordnung zu reduzieren. Damit würde auch der noch immer dominierende Begriff „Bekämpfung“ - gleich Vernichtung oder Ausrottung der Schaderreger, an Bedeutung verlieren und durch Begriffe wie Schaderregerregulierung oder Schadensminderung, ersetzt werden. An dieser Stelle sei noch einmal aufgezeigt, wie chemische Pflanzenschutzmittel in ihrer Anwendung zu bewerten sind. Vor- und Nachteile bei der Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel Vorteile: Nachteile: - Schaderreger werden schnell u. sicher abgetötet bzw. unter die wirtschaftliche Schadensschwelle gedrückt - Resistenzbildung durch häufige Anwendung gleicher Mittel - Kulturpflanzen werden bei sachgerechter Anwendung nicht geschädigt - Nützlinge werden u. U. vernichtet, natürliche Gemeinschaften von Organismen gestört - Verfahren zur Ausbringung der Mittel sind technisch einfach u. wenig arbeitsintensiv - falsche Dosierung führt zu Schäden an Pflanzen u. Naturhaushalt - Pflanzenschutzmittel sind bei gezieltem Einsatz wirtschaftlich - unsachgemäße Anwendung kann auch Personen gefährden - hygienisch-toxikologische Bedenken bestehen bei sachgemäßer Verwendung kaum - in einem gewissen Umfang besteht eine Belastung für Mensch, Tier und Umwelt - Pflanzenschutzmittel ermöglichen die Bekämpfung nach dem Schadschwellenprinzip - mitunter treten unerwünschte Nebenwirkungen auf, die in ihren Einzelheiten nicht oder wenig bekannt sind Pflanzenschutz im Sinne Praxis bezogener Integration beginnt also nicht erst, wenn Schad- oder Krankheitssymptome zu erkennen sind, sondern bereits bei der Planung der Aussaat oder Pflanzung bzw. zu Beginn der entsprechenden Vegetationszeit. Die nachfolgende Darstellung macht noch einmal deutlich, wie integrative Pflanzenschutzmaßnahmen wirksam werden können. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 14 - Aus der Vielzahl der aufgeführten Verfahren sind die zu den acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen zählenden von entscheidender Bedeutung, da ihre sachgerechte Beachtung und Handhabung der wesentliche Grundstein für ein optimales Pflanzenwachstum in allen Entwicklungsstadien ist. Pflanzen, deren Wachstum und Entwicklung ohnehin beeinträchtigt ist, sind in der Regel gegenüber unbelebten und belebten Schadursachen überdurchschnittlich anfällig und sie verfügen auch nicht mehr über ihre volle Abwehrkraft. Zu solch folgenschweren Beeinträchtigungen kommt es schon, wenn z. B. der Standort der Pflanze – also Bodentyp, Klimalage, Lichtverhältnisse oder ungenügende Strukturierung des Bodens – für die Pflanzenart oder eine spezielle Sorte ungeeignet ist. Oder aber auch, wenn grobe Fehler bei der Düngung, Fruchtfolge oder der Bewässerung gemacht werden. Die hierdurch entstehenden Mängel bezüglich Ertrag, Qualität oder Schönheit, sind durch Pflanzenschutzmaßnahmen meist nur zu mindern, nicht aber zu beseitigen. Diese Erkenntnis muss besonders bei der ökologisch orientierten gärtnerischen Tätigkeit ihre Berücksichtigung finden, denn dann steht sie im Einklang mit der „Guten fachlichen Praxis“. Nachfolgend sollen einige Beispiele zeigen, wie sinnvoll die bewusste Anwendung von Verfahren des integrierten Pflanzenschutzes im Rahmen der guten fachlichen Praxis ist. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 15 - Düngung bedarfsgerecht und gezielt Bezüglich des Schaderregerrisikos ist eine üppige oder überhöhte Stickstoffdüngung immer negativ zu bewerten, da die mastig wachsenden, wasserreichen Pflanzen für tierische Schaderreger allgemein und für saugende Insekten besonders attraktiv sind. Aber auch viele pflanzenparasitäre Pilze, wie z. B. Falscher Mehltau, Blattfleckenerreger, Welkeverursacher, Schorf- oder Grauschimmelvertreter, fühlen sich dann besonders wohl. Andererseits führt eine gezielte Düngung durchaus auch zur Gesundung der Pflanzen bzw. zu einer erhöhten Widerstandsfähigkeit und Bekömmlichkeit. Verwendet man z.B. Kalkstickstoff zur Bodendüngung, dann versorgt man die Pflanzen ammoniumbetont. Das heißt, trotz nachhaltiger Förderung des Wachstums, wird im Erntegut wenig Nitrat enthalten sein. Ferner unterdrückt Kalkstickstoff für längere Zeit die Infektion der Pflanzen durch bodenbürtige Schadpilze wie die Erreger von Kohlhernie, Sklerotiniafäule oder einigen Wurzel- bzw. Fußkrankheiten. Nicht zuletzt ist die sehr gute Wirkung einer Kalkstickstoffgabe gegen das massenhafte Auftreten von Schnecken und Drahtwürmern und die spürbare Reduzierung von Samenunkräutern hinreichend belegt. Eine bewusst gewählte kalibetonte Düngung z. B., hilft den Pflanzen u. a. bei der Erhöhung ihrer Winterfestigkeit (Frosthärte) und auch bei der natürlichen Wundheilung, die, vor allem nach Arbeiten wie Schnitt, Stutzen, Ausgeizen oder nach Erntegängen, besonders unterstützt werden sollte. Eine solche Unterstützung ist auch oft nach Hagel oder starken Stürmen sehr vorteilhaft. Eine hohe Kalkversorgung des Bodens, bis zu einem pH-Wert von 6,8 bis 7,0 ,verhindert bekanntlich die Infektion von Kohlgewächsen und anderen Kreuzblütern mit dem Kohlhernie-Erreger und schützt wesentlich auch Tomaten, Paprika und Auberginen vor der lästigen Blütenendfäule. Bei der organischen Düngung, die sowohl der Pflanzenernährung als auch der Bodenverbesserung dient, sollte vielmehr als bisher die phytosanitär vorteilhafte Wirkung von Kompost Beachtung finden. Mit Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 16 - der Einbringung von frischem Kompost wird zugleich eine hohe Anzahl nützlicher Mikroorganismen dem Boden zugeführt. Viele von ihnen siedeln sich im Wurzelraum der Pflanzen an und schützen sie z. T. sehr wirksam gegen die Angriffe von Pflanzenkrankheitserregern. Die durch Kompostgaben beträchtlich erhöhte mikrobielle Aktivität des Bodens führt, aufgrund von antagonistischen Beziehungen der Mikroben untereinander, zu einer Verminderung des Potentials aktiver bodenbürtiger Pflanzenpathogene. Phytosanitärer Effekt von Kompostzugaben zu mit den pilzlichen Pflanzenpathogenen Fusarium sp. und Rhizoctonia solani verseuchter Landerde: Erbsen (Fusarium) Kompostzugabe in % kranke Vol.% Pflanzen 0 84 5 70 10 53 20 21 / Radies (Rhizoctonia) Krankheitsindex % kranke Krankheitsindex Pflanzen 72 87 81 58 77 73 39 48 53 23 31 28 Werteermittlung nach 3-wöchiger Kulturdauer Krankheitsindex = Schwere der Erkrankung (Dr. HE/HUB 1994/95) Bezüglich der Düngung, auch nach Bodenuntersuchung, sollte nicht der Salzgehalt des Bodens außer acht gelassen werden. Oftmals werden wegen festgestellten Bedarfs mineralische Dünger in zu hohen Mengen oder auf Vorrat verabreicht. Das kann zu einer akuten oder auch anhaltenden Erhöhung des Salzgehaltes führen, in dessen Folge erhebliche Beeinträchtigungen des Pflanzenwachstums auftreten. Die folgende Darstellung zeigt die beträchtlichen Unterschiede in der Salzempfindlichkeit bei einigen Gemüsearten. Salzverträglichkeit einiger Gemüsearten (nach Fritz) bis 500 niedrig Bohnen Radies Rettich Salat Möhren bis 750 mittel Gurken Paprika Tomaten Zwiebeln bis 1000 hoch Spinat Sellrie Fruchtfolge als wichtigste boden- und pflanzenhygienische Maßnahme Da der mehrmalige Anbau von zur gleichen botanischen Familie gehörender Kulturen neben oft sehr rasch auftretenden Unverträglichkeitserscheinungen oder Auszehrsymptomen auch zwangsläufig zur Anhäufung wirtsartspezifischer Schaderreger führt, sollte immer auf einen phytosanitär vorteilhaften Fruchtwechsel geachtet werden. Das gilt besonders für die bodenbürtigen Schaderreger wie z. B. der schon erwähnten Kohlhernie, von Fusarium-Pilzen verursachten Welkeerkrankungen, für den bakteriellen Wurzelkropf oder für diverse Nematodenarten. Mit einer gut durchdachten Fruchtfolge kann gerade auf unseren kleinen Flächen ein recht effektiver, weil auch vorbeugender Pflanzenschutz betrieben werden. Dieser Effekt lässt sich noch verstärken, wenn wir uns dann zusätzlich der Vorteile einer Mischkultur bedienen, durch die vor allem Populationen von Schadinsekten dezimiert werden können. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 17 - Beispiel für empfohlene Anbaupausen innerhalb von Fruchtfolgen: Pflanzenart Kohlarten Gurken Tomaten Sellerie Zwiebel/Lauch Astern Dahlien Zinnien Schaderreger Kohlhernie, Wurzelfäule, Welke Welke(bakteriell, pilzlich), SeptoriaBlattfleckenkrankheit Septoria-Blattfleckenkrankheit Zwiebelbrand, Nematoden Asternwelke Wurzelkropf, Weichfäule(beide bakteriell) Wurzel- oder Stengelfäule(pilzlich) Anbaupause/Jahre 3-4 4-5 3-4 3-5 4-5 3-4 3-4 2-4 Als positives Beispiel aus pflanzenschutzlicher Sicht sei auf eine AID – Beratung in der Broschüre „Garten als Lebensraum“ verwiesen. Mechanische und/oder thermische Verfahren Sie bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten bei der erfolgreichen Abwehr und Reduzierung von Schadpotenzialen in unseren Gärten. Bekanntlich sind die Schnittmaßnahmen an den Obst- oder Ziergehölzen nicht nur zur Formgebung und Fruchterziehung geeignet. In hohem Maße entfernen wir durch sachgerechten Schnitt befallene oder infizierte Pflanzenteile. Mehltaukerzen an Apfelbäumen, Moniliaruten an Sauerkirschen oder Ziermandeln, sollen dazu als Beispiel dienen. Aber auch gegen viele tierische Schädlinge, wie Blatt- oder Schildläuse, Gespinnstmotten oder Borkenbzw. Splintkäfer, sind rechtzeitige Schnittmaßnahmen oft ausreichend oder gar effektiver, als andere Abwehrmethoden. Da wo es die Pflanzenform oder der zu erwartende Ertrag zulässt, lassen sich besonders erste Befallsstellen mit Blattläusen, Schildläusen oder Blutläusen recht gut entfernen. Junge Blattlauskolonien an Triebspitzen sind außerordentlich empfindlich gegen einen kräftigen Wasserstrahl, der mehrmals verabreicht eine rasche Vermehrung behindert. Bei den thermischen Verfahren zur Schadabwehr nutzen wir in erster Linie die Wärmeenergie. Bodendämpfung oder Warm- bzw. Heißwasserbehandlungen sind seit nahezu 100 Jahren bekannte und äußerst erfolgreiche Verfahren, die in heutiger Zeit zu Unrecht im gewerblichen, aber auch im Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 18 - Freizeitgartenbau, wenig genutzt werden. Nachfolgende Tabelle verdeutlicht die Wärmerwirkung gegenüber zahlreichen Schaderregern. Aus der Tabelle heraus lässt sich u. a. auch die oft gestellte Frage beantworten, ob krankes Pflanzenmaterial kompostiert werden kann. Da bei sachgerechter Kompostierung durchaus Temperaturen zwischen 50 und 70 Grad C über mehrere Tage oder Stunden erreicht werden, wird die Mehrzahl der Schädlinge oder Krankheitserreger abgetötet oder inaktiviert, zumal zusätzlich der mikrobielle Abbauprozess wirksam ist. An Stelle der chemischen Beizung von Blumenzwiebeln hat sich eine Warmwasserbehandlung im Temperaturbereich als von 42 bis 55 Grad C für 10 bis 20 Minuten als durchaus erfolgreich erwiesen. Viele Gartenfreunde nutzen auch die Mikrowellengeräte um kleinere Mengen von Anzuchterde zu desinfizieren. Ausgelegte Folien auf abgeernteten Beeten, besonders schwarze Folien, erwärmen den Boden in der oberen Schicht bei starker Sonneneinstrahlung rasch auf 50 bis 60 Grad C. Temperaturen, die nach obiger Tabelle eine Vielzahl potentieller Schaderreger eleminiert. Die wenigen Beispiele mögen zeigen, dass der integrierte Pflanzenschutz im Rahmen der guten fachlichen Praxis in der Tat ein System ist, das nur funktioniert, wenn wir die einzelnen Systemteile, entsprechend dem heutigen Erkenntnisstand, zu beherrschen wissen. Dies setzt aber voraus, das Wille und Ausdauer bei der Erlangung der umfangreichen Kenntnisse vorhanden ist und die Fachberater, als die Multiplikatoren dieser Kenntnisse, auch allseitig Unterstützung und Wertschätzung erfahren. Ihre Wissensvermittlung ist nicht Selbstzweck, sondern eine ehrenamtliche Dienstleistung für die Gemeinschaft der Gartenfreunde, aber auch im Interesse aller im Umwelt- und Naturschutz Tätigen. Schwerpunktmäßig lassen sich abschließend folgende Aufgaben für einen erfolgreichen integrierten Pflanzenschutz im Rahmen der guten fachlichen Praxis formulieren: 1. Sachgerechtes Erkennen und Bewerten potentieller Schad- bzw. Krankheitserreger 2. Sachkenntnis bezüglich Aufgabe, Inhalt und Wesen des IPS 3. Sachkenntnis hinsichtlich der Maßnahmen und Methoden des IPS, deren Effektivität und Nachhaltigkeit 4. Gemeinschaftliche Verantwortung aller Fachbereiche und Funktionärsebene für den integrierten Pflanzenschutz in den Vereinen und Sparten. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 19 - Neue Präparate und Produkte für den Haus- und Kleingarten Dipl.-Ing. Andreas V i e t m e i e r Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen Pflanzenschutzdienst Münster Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 20 - Neue Präparate und Produkte für den Haus- und Kleingarten Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes beachten Bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sollten stets die Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes (§ 2 Abs. 2 PflSchG) beachtet werden. Dies bedeutet, dass vor dem Einsatz eines Pflanzenschutzmittels immer zuerst zu prüfen ist, ob das Auftreten von Krankheiten und Schädlingen nicht auf andere Weise verhindert oder zumindest eingegrenzt werden kann. Hierzu zählen vor allem biologische, biotechnische, pflanzenzüchterische sowie anbau- und kulturtechnische Maßnahmen. Erst wenn diese alternativen „Bekämpfungsverfahren“ nicht ausreichen, kann unter Umständen auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Betracht kommen. Neue Pflanzenschutzmittel für den Haus- und Kleingarten Die Palette der verfügbaren Pflanzenschutzmittel wird ständig durch neue Zulassungen erweitert. Betrachtet man den zurückliegenden Zeitraum von etwa einem Jahr, hat es vor allem im Bereich der Insektizide einige interessante neue Zulassungen für den Haus- und Kleingartenbereich gegeben. Viele dieser Präparate haben systemische Eigenschaften. Dies macht sie besonders interessant. Sie wirken nämlich auch dann, wenn Schädlinge nicht direkt von der Spritzlösung getroffen werden. Außerdem schützen sie auch den Neuzuwachs. Wirkungsweise von Pflanzenschutzmitteln (Begriffsdefinitionen) Pflanzenschutzmittel verfügen über unterschiedliche Wirkungsweisen. Präparate mit ausschließlich protektiven bzw. vorbeugenden Eigenschaften (Kontaktmittel) wirken nur am Ort der Benetzung (z. B. auf dem Blatt). Sie können nicht in das Blattgewebe eindringen oder in den Leitungsbahnen der Pflanze weitertransportiert werden. Bsp.: Phytophthora infestans Quelle: Raven, P.H., R.F. Evert & H. Curtis, 1988: Biologie der Pflanzen. Kontaktpräparate haben den Nachteil (am Beispiel von Pilzbekämpfungsmitteln), dass sie immer vorbeugend vor einer Infektion ausgebracht werden müssen. Sie zeigen keine Wirkung, wenn Schadpilze bereits in das Blatt eingedrungen sind und sich dort ausgebreitet haben. In solchen Fällen ist es erforderlich, kurativ bzw. heilend wirkende Präparate einzusetzen. Dies sind in der Regel Mittel mit systemischen Eigenschaften. Die Aufnahme systemischer Wirkstoffe kann sowohl über das Blatt als auch über die Wurzeln erfolgen. Innerhalb der Gruppe der systemischen Präparate unterscheidet man zusätzlich zwischen Wirkstoffen mit teil- und vollsystemischer Wirkung. Bei einer teilsystemischen Wirkung wird der Wirkstoff in den Leitungsbahnen nur im Xylem „nach oben“ (= akropetal) transportiert, während er bei vollsystemischen Mitteln auch im Phloem (= basipetal) verlagert werden kann. Ein Transport im Phloem ist bei Fungiziden und Insektiziden aber die Ausnahme. Ein Eindringen in das Blatt findet in beiden Fällen statt. Erfolgt die Verlagerung des Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 21 - Wirkstoffs nur in das Blatt, spricht man von Präparaten mit Tiefenwirkung (lokalsystemisch) oder translaminaren Eigenschaften (Transport von Blattoberseite zur Blattunterseite). Neue Insektizide mit systemischer Wirkung Auch bei Insektiziden gibt es Präparate mit systemischen Eigenschaften. Neu sind zum Beispiel einige Präparate der Firma Scotts Celaflor aus der „Careo-Serie“. Der systemische Wirkstoff Acetamiprid ist jetzt auch in Form einer anwendungsfertigen Sprühflasche (Celaflor Schädlingsfrei Careo Rosenspray), als Pumpspray (Celaflor Schädlingsfrei Careo) sowie in Spraydosen (Celaflor Schädlingsfrei Careo Spray) erhältlich. Einsetzen kann man diese Pflanzenschutzmittel gegen zahlreiche saugende und beißende Insekten sowie Spinnmilben an Zierpflanzen im Zimmer, auf Balkon und Terrasse, im Kleingewächshaus oder an Zierpflanzen und Ziergehölzen im Freiland. Außerdem hat auch Celaflor Schädlingsfrei Careo Konzentrat, das sich vor allem zum Ansetzen größerer Mengen einer Spritzlösung eignet, nun eine Zulassung für die Anwendung im Freiland erhalten. Mit diesen neuen Insektiziden ergibt sich zudem erstmals wieder die Möglichkeit, beißende Insekten an Zierpflanzen (z. B. das Lilienhähnchen) zu bekämpfen. Vorteilhaft ist, dass alle genannten AcetamipridFormulierungen nicht bienengefährlich sind. Abb.: Lilienhähnchen Abb.: Gefurchter Dickmaulrüssler Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 22 - Außerdem bietet auch COMPO zwei neue Insektizide gegen saugende Insekten (wie Blattläuse, Schildläuse oder Weiße Fliegen) an Zierpflanzen an. Die Anwendung dieser als Stäbchen und Granulat erhältlichen Produkte Compo Axoris Insekten-frei Quick-Sticks beziehungsweise Compo Axoris Insekten-frei Quick-Granulat (Wirkstoff Thiamethoxam) ist allerdings auf Zierpflanzen in Räumen, auf Balkon und Terrasse sowie im Kleingewächshaus begrenzt. Laut Firmenangabe ist bei beiden Produkten sowohl mit einer schnellen Anfangswirkung als auch mit einer sehr langen Wirkungsdauer von bis zu 16 Wochen zu rechnen. Zahlreiche andere Schadinsekten werden ebenfalls mit erfasst. Letzter im Bunde ist der Kleinpackungsanbieter Bayer CropScience, der ebenfalls mit einem neuen Wirkstoff aufwartet. Als Ergänzung zu den bisher schon am Markt erhältlichen Produkte mit dem systemischen Imidacloprid hat Bayer jetzt den nahe verwandten und für den Haus- und Kleingartenbereich neuen Wirkstoff Thiacloprid im Programm. Er ist in den Produkten Bayer Garten KombiSchädlingsfrei (erstes Mittel zum Gießen und Spritzen) und Bayer Garten Gießmittel gegen Schädlinge enthalten. Besonderheit im Vergleich zu den zuvor genannten Insektiziden ist die Möglichkeit einer zusätzlichen Anwendung im Gießverfahren. Hierdurch lassen sich auch in der Erde lebende Schädlinge wie Trauermückenlarven oder die Larven des Gefurchten Dickmaulrüsslers bekämpfen. Abb.: Trauermückenlarve Abb.: Larven des Gefurchten Dickmaulrüsslers Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 23 - Die Gießanwendung ist allerdings nur gegen saugende und beißende Insekten an Zierpflanzen im Zimmer, im Wintergarten oder in Kübeln auf Balkon und Terrasse zugelassen, während eine Spritzanwendung des Kombi-Präparats auch an Zierpflanzen im Freien stattfinden kann. Ein großer Vorteil gegenüber dem älteren Wirkstoff Imidaclorid ist, dass Thiacloprid als nicht bienengefährlich eingestuft wurde. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass alle genannten neuen systemischen Insektizide (Acetamiprid, Thiacloprid und Thiamethoxam) und auch das ältere Imidacloprid der gleichen Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide angehören. Sie weisen somit alle sehr ähnliche Eigenschaften auf. Ein wiederholter Einsatz dieser nahe verwandten Wirkstoffe birgt immer die Gefahr, dass Schaderreger Resistenzen aufbauen. Zwar wird man solche Mittel im Haus- und Kleingartenbereich sicherlich nicht in der Häufigkeit einsetzen, wie es im Erwerbsanbau üblich ist, dennoch sollte auch hier ein Wirkstoffwechsel nicht völlig außer Acht gelassen werden. Ein weiterer Nachteil ist, dass die neuen Insektizidwirkstoffe zum Teil schädlich auf Nützlinge wirken. Weitere neue Insektizide Zur Bekämpfung von Schadschmetterlingen in Obstkulturen steht seit Ende 2005 das BayerPräparat Bayer Garten Raupenfrei Runner (Wirkstoff Methoxyfenozide) zur Verfügung. Es kann gegen Larven des Apfelwicklers und des Trauberwicklers sowie gegen Frostspanner eingesetzt werden. Die Ausbringung dieses über Fraß wirkenden Insektizids sollte ab dem Schlüpfen der Larven stattfinden. Die Wartezeit für Kernobst und Weinrebe liegt bei 14 Tagen. Bayer Garten Raupenfrei Runner ist für Bienen ungefährlich und außerdem nützlingsschonend. Neue Akarizide und Molluskizide Die Firma Stähler bietet gleich zwei neue Akarizide (Mittel gegen Milben) für den Haus- und Kleingarten an. Sowohl das Kanemite SC Spinnmilben-Frei (Wirkstoff Acequinocyl) als auch das neue Kiron (Fenpyroximat) sind reine Kontaktpräparate. Sie erfassen nur bewegliche Milbenstadien und haben keine Wirkung auf Eier. Bei der Ausbringung der Mittel ist es besonders wichtig, dass auch die Blattunterseiten gut benetzt werden, da dies der bevorzugte Aufenthaltsort von Spinnmilben ist. Werden die Blattunterseiten nicht ausreichend von der Spritzlösung getroffen, können die Präparate nicht wirken. Die Anwendung von Kanemite SC Spinnmilben-Frei ist in Kernobst sowie an Zierpflanzen im Kleingewächshaus zugelassen. Kiron kann gegen Spinnmilben und Weichhautmilben an Zierpflanzen im Kleingewächshaus angewandt werden. Beide Akarizide sind bienenungefährlich und weitgehend nützlingsschonend. Aufgrund der eher unbedeutenden Anwendungsgebiete dürfte der Einsatz dieser Mittel aber sicherlich nur selten in Betracht kommen. Bilder: Spinnmilben + Weichhautmilben Abb.: Spinnmilben Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 24 - Abb.: Weichhautmilben Ähnlich verhält es sich mit dem neuen Schneckenkorn-Präparat von Stähler. Das neue Schneckenkorn Clartex blau ist eines von zahlreichen Metaldehyd-Produkten, das jetzt eine Zulassungserweiterung in weiteren Gemüsekulturen unter Glas erhalten hat. Außer in Kohlgemüse und Salat-Arten kann es auch in Gurke, Hülsengemüse, Porree, Sellerie, Spinat, Tomate und Zucchini sowie darüber hinaus in Zierpflanzen ausgebracht werden. Neue Fungizide An Fungiziden stehen schon seit einiger Zeit Präparate aus der Wirkstoffgruppe der Azole (Triazole) zur Verfügung (Wirkstoffe: Myclobutanil und Triticonazol). Wirkstoffe aus dieser Gruppe wirken vorbeugend (protektiv) und teilweise heilend (kurativ). Sie können in das Blatt eindringen und werden außerdem in den Leitungsbahnen mit aufsteigendem Saftstrom (akropetal) transportiert. Präparate mit dem systemischen Wirkstoff Myclobutanil (Celaflor Pilzfrei Ectivo und Celaflor Pilzfrei Saprol) sind zur Bekämpfung von Sternrußtau an Rosen sowie gegen Echten Mehltau und Rost an Zierpflanzen ausgewiesen. Celaflor Pilzfrei Ectivo kann zusätzlich gegen Echten Mehltau an Apfel, Schorf an Kernobst, Monilia-Spitzendürre an Kirschen sowie gegen Echten Mehltau an Weinreben eingesetzt werden. Ebenfalls zu dieser Wirkstoffgruppe gehört das Celaflor Rosen-Pilzfrei Saprol (Wirkstoff Triticonazol). Es ist gegen Echten Mehltau, Rosenrost und Sternrußtau an Rosen zugelassen. In Kombination mit Celaflor Schädlingsfrei Careo Konzentrat wird es von Scotts Celaflor auch als Combi-Rosenspritzmittel vermarktet. Anwendungsverbot für Tolylfluanid Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), die Zulassungsbehörde für Pflanzenschutzmittel, hat seit Ende Februar bis 31.12.2007 das Ruhen der Zulassung für alle Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Tolylfluanid angeordnet. Hintergrund sind neue Erkenntnisse zu einer möglichen Belastung des Trinkwassers mit einem Abbauprodukt von Tolylfluanid. Dieses kann sich möglicherweise bei der Trinkwassergewinnung zu einem krebserregenden Nitrosamin umbilden. Das ausgesprochene Anwendungsverbot gilt allerdings nur für Anwendungen im Freiland, nicht für die unter Glas. Da im Haus- und Kleingartenbereich allerdings ohnehin nur Zulassungen für das Freiland bestanden, ist der Einsatz dieser Präparate in diesem Bereich nun grundsätzlich verboten. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 25 - Betroffen sind die Präparate Bayer Garten Universal-Pilzfrei, Bayer Garten Rosenspritzmittel Baymat WG und Bayer Garten Universal-Pilzfrei Euparen M WG. Eingesetzt werden konnten diese Mittel bislang gegen Grauschimmelfäule (Botrytis) an Brombeeren und Himbeeren, gegen die Blattfallkrankheit an Johannisbeeren, gegen Rost und Sternrußtau an Rosen sowie gegen Echten Mehltau an Zierpflanzen im Freiland. Bitte beachten Sie, dass Restmengen der genannten Mittel nicht aufgebraucht werden dürfen. Sie sollten sie – gut verschlossen – aufbewahren, weil der Begriff „Ruhen der Zulassung“ eine Änderung der Zulassungssituation beinhalten könnte. Weitere neue Pflanzenschutzmittel für den Haus- und Kleingarten Von Spiess Urania gibt es ein neues Fungizid gegen die Kraut- und Knollenfäule an Kartoffeln. Das neue Valbon enthält zwei Wirkstoffe. Zum einen das altbekannte Mancozeb, einen reinen Kontaktwirkstoff, und zusätzlich das lokalsystemische Benthiavalicarb. Der neue Wirkstoff Benthiavalicarb hat sowohl eine vorbeugende als auch eine heilende Wirkung. Somit steht erstmals für den HuKBereich ein Fungizid mit systemischen Eigenschaften gegen die Kraut- und Knollenfäule zur Verfügung. Leider wird das Präparat derzeit nur in 1 kg-Gebinden vermarktet. Außerdem gibt es ein neues Wühlmausbekämpfungsmittel. Der neue Fraßköder Sellerieköder Wülfel mit dem Wirkstoff Chlorphacinon ist zur Bekämpfung von Schermäusen (Wühlmäusen) in Obstkulturen zugelassen. Der Köder muss, so wie andere Schermausköder auch, verdeckt in speziellen Köderstationen oder in die Wühlmausgänge ausgelegt werden. Der Zusatz von Sellerie soll die Attraktivität des Köders erhöhen. Liste über zugelassene Pflanzenschutzmittel für den Haus- und Kleingarten Um einen Überblick über die derzeit im Haus- und Kleingarten zugelassenen Pflanzenschutzmittel zu geben, wurde das vom Bundesverband Deutscher Gartenfreunde (BDG) herausgegebene Merkblatt 43 überarbeitet. In dieser Liste sind alle gängigen und im Haus- und Kleingartenbereich einsetzbaren Präparate aufgeführt. Das Merkblatt ist als Beratungsunterlage für Fachberater im Kleingartenwesen gedacht. Sie finden das Merkblatt im Internet als PDF-Datei unter: www.kleingarten-bund.de/publikationen/merkblaetter.php Weitere neue Produkte Neben neuen Pflanzenschutzmitteln ist mit Celaflor Naturen Pilzspritzmittel auch ein neues Pflanzenstärkungsmittel (aus Braunalgen bestehend) auf dem Markt. Neu ist auch die Neudomon GartenlaubkäferFalle von Neudorff. Sie kann zum Abfangen von erwachsenen Tieren des Gartenlaubkäfers eingesetzt werden. Der Gartenlaubkäfer ist ein gefürchteter Schädling auf Rasenflächen, da dessen Larven (Engerlinge) großflächige Schäden anrichten können. Neben insektenpathogenen Nematoden steht somit eine weitere Bekämpfungsmöglichkeit zur Verfügung. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 26 - Literatur und Quellen: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Pflanzenschutzmittel-Verzeichnis Teil 7 – 2007 „Haus- und Kleingartenbereich“, Dienststelle Braunschweig, 2007. Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Das Pflanzenschutzgesetz, Reihe „BMELF informiert“, 1999. Müller, F.: Phytopharmakologie – Verhalten und Wirkungsweise von Pflanzenschutzmitteln. Verlag Ulmer, Stuttgart 1986. Pflanzenschutzmittel-Zulassungsdatenbank PAPI (Pflanzenschutzmittel-Auswertung und Pflanzenschutzmittel-Information), Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Dienststelle Braunschweig, Stand Mai 2007. Raven, P.H., R.F. Evert & H. Curtis: Biologie der Pflanzen. 2. Aufl., Verlag W. de Gruyter, Berlin – New York 1988. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 27 - Einsatz von Nützlingen im Kleingarten, Möglichkeiten und Nutzen Dipl.-Ing. Markus W i n n i g Insekten schützen Pflanzen – Nützlinge für Klein- und Hobbygärtner Berlin Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 28 - Einsatz von Nützlingen im Garten, Möglichkeiten und Nutzen Einführung Gezüchtete Nützlinge sind ausgewählte Arten von Insekten und Milben, die zur gezielten Pflanzenschädlingsbekämpfung produziert, vertrieben und eingesetzt werden. Die Nützlinge werden hauptsächlich für den Erwerbsgartenbau produziert. Und das hauptsächlich nicht, wie fälschlich oft vermutet, auf Bio-Höfen, sondern in ganz konventionellen Gartenbaubetrieben. Diese setzen auf den integrierten Pflanzenschutz, d.h. biologische und andere Methoden haben Vorrang. Es wird erst dann Chemie eingesetzt, wenn nötig und auch dann nur so viel wie nötig. Abb.: Zuchtraum, Quelle: Insekten schützen Pflanzen, Berlin Abb.: Schnittrosenbetrieb, Quelle: Insekten schützen Pflanzen, Berlin Im professionellen Erwerbsgartenbau gewinnt der biologische Pflanzenschutz mit Nützlingen Jahr für Jahr mehr an Bedeutung. Anfangs beschränkte sich der Einsatz noch auf die Gemüseproduktion unter Glas. Mittlerweile werden gezüchtete Nützlinge auch erfolgreich im Zierpflanzenbau, unter Glas in Baumschulen und im Obstbau eingesetzt. Und der Bedarf an Nützlingen steigt bei den Profigärtnern. Die Gründe dafür sind vielfältig. Für einige Betriebe sind sie eine notwendige Alternative, da aufgrund der strengen Auflagen und der geringen Mengennachfrage viele Mittel vom Markt verschwinden. Auch die zunehmende Wirkungslosigkeit der chemischen Mittel aufgrund von Resistenzen und der Wunsch nach einem giftfreien, ungefährlichen Gärtnern und Erntegut sind gute Gründe dafür. Seit ein paar Jahren werden gezüchtete Nützlinge in kleinen Mengen auch an Hobbygärtner verkauft. Hauptsächlich für Schädlingen im Gewächshaus, Wintergarten und Zimmer. Allerdings werden Nützlinge in Kleingärten noch sehr wenig eingesetzt. Die Gründe dafür sind vielfältig. So ist z. B. vielen Kleingärtner kaum bekannt, gegen welchen Schädling sie welchen Nützling einsetzen können. Abb.: Gemüsebeet im Kleingarten, Quelle: Insekten schützen Pflanzen, Berlin Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 29 - Auch fehlt es der Fachberatung häufig noch an Wissen und Erfahrung zum Thema biologischer Pflanzenschutz mit Nützlingen. Aufgrund dieses fehlenden Wissens, halten sich hartnäckig einige Vorurteile. Ganz besonders, wenn es um die Einsatzmöglichkeiten von Nützlingen im Freiland geht. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Grund kann auch die Angst bzw. das ungute Gefühl gegenüber Insekten sein. Viele Gärtner fühlen sich bei dem Gedanken, Insekten in ihr Haus oder ihren Garten zu holen nicht wohl. Und sie befürchten, dass sich die Nützlinge absetzen, d.h., dass sie die Schädlinge in Nachbars und nicht im eigenen Garten vertilgen. Welche Einsatzmöglichkeiten von Nützlingen gibt es für den Kleingärtner und welchen Nutzen kann er daraus ziehen? 1 Gezüchtete Nützlinge sind eine sehr gute Ergänzung, teilweise sogar Alternative zu den zugelassenen Pflanzenschutzpräparaten. Das vielfältige Angebot von gezüchteten Nützlingen muss differenziert betrachtet werden. Viele Nützlinge können aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Größe und Ausbringungsform nicht im Freiland eingesetzt werden. Nützlinge wie parasitäre Nematoden und die einheimischen Blattlausgegenspieler wie Siebenpunktmarienkäfer, Hainschwebfliege und Florfliegenlarven dagegen können durchaus im Garten zum Einsatz kommen. Allerdings muss der Anwender dazu lernen und tolerieren, dass jeder Nützling nur dann gute Erfolge erzielen kann, wenn aufgrund seiner Biologie bestimmte Ansprüche auf Klima, Einsatzort, Einsatzzeit und Schädlingsstadium erfüllt werden. Ebenso muss der Anwender bei einigen Nützlingen durch die ungehinderten Umwelteinflüsse im Freiland wie Frost, Regen, Wind, Ameisen und Vögel mögliche Verluste bzw. Rückschläge tolerieren, bzw. muss wissen wie, wann und womit er sie minimieren kann. 2 Ausgesetzte Nützlinge können sich im Garten ansiedeln, eigene Populationen aufbauen und somit den natürlich vorhandenen Nützlingsbestand ergänzen. „Nützlinge auszusetzen bringt nix - die fliegen eh weg!“ Dies ist in vielen Köpfen noch ein gängiges Vorurteil. Der Vorwurf ist nicht ganz von der Hand zu weisen, allerdings trifft er nur auf die Kleingärtner zu, die in ihrem Garten auch keinerlei Grund für einen längeren Aufenthalt bieten. Penibelst saubere Gärten, bei denen Rasen, Rosen und Koniferen dominieren bieten Nützlingen wie Marienkäfer & Co weder ausreichend Nahrung, Rückzugs- und Schlafplatz noch Überwinterungsmöglichkeit. Der Kleingärtner hat es also selbst in der Hand. Wer bereit ist seinen Garten auch nach den Bedürfnissen der Nützlinge zu gestalten, wird sehen, wie sich die einst ausgesetzten Tiere ansiedeln, vermehren und sogar weitere Tiere aus der Umgebung anlocken. Je nach Nützlingsart sollte dazu im Garten ein möglichst kontinuierliches und breites Angebot von Lock-, Nahrungs- und Rückzugspflanzen vorhanden sein. Mit dem alleinigen Aufstellen eines Insektenhotels ist es in vielen Fällen leider nicht getan. 3 Das bewusste Aussetzen von Nützlingen veranschaulicht und vertieft den Sinn und Zweck der Nützlingsförderung sowie weitere Aspekte des naturnahen Gärtnerns. Die Erfahrung zeigt: viele Menschen sind eher dazu bereit sich bewusster mit einer Sache auseinander zu setzen, wenn sie etwas wert ist, d.h. wenn sie Geld kostet oder gekostet hat. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 30 - Sind durch den bewussten Umgang zudem noch Misstrauen und Ekel gegenüber Insekten und Spinnen etc. verschwunden, ist bei nicht wenigen das Interesse nach mehr geweckt. Nützlinge sind ideal geeignet, die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Pflanze, Schädling, Umwelt und Mensch zu verdeutlichen. Die Praxis zeigt, dass Hobbygärtner, die gute Erfahrungen mit Nützlingen gemacht haben, schneller bereit sind, sich mit Themen wie Mischkultur, standortgerechten Sorten und bedarfsgerechter Düngung zu beschäftigen. Am Beispiel der Hain-Schwebfliegenlarven zur Bekämpfung von Blattläusen soll im Folgenden oben stehende drei Punkte verdeutlicht werden. Allgemein Die Hain-Schwebfliege (Episyrphus balteatus) ist ein einheimischer Nützling. Das erwachsene Tier ist etwa acht bis elf Millimeter lang und recht schmal gebaut. Charakteristisch für die HainSchwebfliege sind die wespenähnliche Hinterleibzeichnung sowie ihre Flugkunst. Die erwachsene Hain-Schwebfliege ernährt sich von Pollen und Nektar. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Befruchtung von Blütenpflanzen in der Natur. Abb.: erwachsene Hain-Schwebfliege, Quelle: Katz Biotech AG Einen ebenso großen Beitrag leistet dieses Insekt bei der Regulierung der Blattlausaufkommen. Die Weibchen der Schwebfliege sind in der Lage, Blattlauskolonien zu orten, wo sie gezielt ihre Eier ablegen. Aus den Eiern schlüpfen weiße, milchigglasige Larven (siehe Foto), die sich ausschließlich von Blattläusen ernähren. Eine einzige HainSchwebfliegenlarve kann in ein bis zwei Wochen bis zu ihrer Verwandlung zum vollständigen fliegenden Insekt zwischen 400 bis 700 Blattläuse aussaugen. Abb.: Hai-Schwebfliegenlarve frisst Blattlaus, Quelle: Katz Biotech AG Lieferung Geliefert werden die Tiere als Eier auf Blättern (siehe Foto). Die Lieferung erfolg ausschließlich über den Versandweg. Eine Packung enthält 500 2 Eier, ausreichend für 10 m Fläche mit niedrigen Pflanzen. Auf dem Transportweg können bereits die ersten Larven aus den Eiern schlüpfen. Als Futter sind den Schwebfliegeneiern daher Getreideblattläuse beigefügt. Diese speziellen Blattläuse sind für Zier- und Gemüsepflanzen völlig ungefährlich - sie befallen nur Getreide. Abb.: Lieferform von Hain-Schwebfliegeneier, Quelle Insekten schützen Pflanzen, Berlin Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 31 - Lagerung/Haltbarkeit Bis zur Ausbringung können die Schwebfliegeneier im Kühlschrank bei 10°C max. einen Tag gelagert werden. Eine längere Lagerzeit reduziert die Schlupfrate und damit den Bekämpfungserfolg deutlich! Bekämpfung Die Larven der Schwebfliegen fressen alle bedeutenden Blattlausarten. Es werden alle Stadien der Blattläuse, also auch Eier und geflügelte Tiere, angegriffen. Hain-Schwebfliegenlarven sind daher besonders gut zur Bekämpfung von größeren Blattlausansammlungen an Blättern und Triebspitzen geeignet. Wichtig: Generell ist der Einsatz von Schwebfliegenlarven an hohen Zier- und Obstgehölzen zwar möglich aber nicht empfehlenswert! Die benötigte große Nützlingsmenge sowie deren Ausbringung stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen. Andere Methoden wie z.B. das Abbrausen der befallenen Triebe und Blätter mit einem scharfen Wasserstrahl sind dafür besser geeignet. Geeignete Pflanzen Schwebfliegenlarven können gut auf allen niedrigen und halb hohen Zier- und Gemüsepflanzen mit unbehaarten Blättern und Trieben, wie z. B. Rosen, Dahlien und Chrysanthemen sowie Paprika, Kohl und Salaten eingesetzt werden. Die Pflanzen sollten möglichst ein dichtes Blattwerk haben, um die Eier vor praller Sonne, starkem Regen, Wind und Vögeln zu schützen und um ein gutes Tagesversteck zu bieten. Ungeeignete Pflanzen Für Hainschwebfliegenlarven sind nicht geeignet Pflanzen mit behaarten Blättern und Trieben, wie z. B. Tomaten, Gurken oder Sonnenblumen. Die Haare behindern die Tiere und damit die Fraßleistung. Eine Blattlausbekämpfung mit Schwebfliegen ist daher auf diesen Pflanzen erfolglos. Geeignet dafür sind Marienkäfer- und Florfliegenlarven. Ort und Zeitraum der Ausbringung Bei einer Temperatur von 20 °C schlüpfen aus den Eiern nach drei Tagen die ersten Larven. Im Garten und auf dem Balkon können die Schwebfliegeneier daher ab Mai zum Einsatz kommen. Kühlere Tage nach dem Schlupf stören die Tiere nicht - die Larven sind schon bei Temperaturen von 8°C auf den Pflanzen gegen Blattläuse aktiv. Auch Wind und Regen stören die Larven kaum. Ausbringung an der Pflanze Die ca. 1mm großen Eier sollten direkt nach ihrer Ankunft noch am folgenden Abend oder Morgen an der Pflanze ausgesetzt werden. Die Eier sollten nicht bei starker Sonneneinstrahlung ausgebracht werden. Optimal ist daher die Verteilung am Abend oder am frühen Morgen. Die Eier befinden sich auf Bohnenblättern. Diese Blätter werden möglichst in das schattige Pflanzeninnere gelegt um ein Austrocknen der Eier Abb.: Ausbringung von Hain-Schwebfliegeneier, sowie Abfraß zu verhindern. Die Blätter sollten Quelle: Insekten schützen Pflanzen, Berlin möglichst in Nähe des Befalls platziert werden, da die Tiere nicht so mobil wie z. B. Marienkäfer sind. Oft übersieht man in der Verpackung ein paar Eier. Die Verpackung sollte deshalb noch ein bis drei Tage direkt bei den Pflanzen stehen. So können auch noch die restlichen Tiere auf die Pflanzen überwandern. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 32 - Bekämpfungserfolg Der Umgang mit Nützlingen zur Schädlingsbekämpfung erfordert nicht nur ein Umdenken sondern auch Geduld. Anders als bei einem chemischen Pflanzenschutzmittel wird ein Bekämpfungserfolg erst nach einiger Zeit sichtbar. Für die Schwebfliegeneier ist eine Temperatur von 20°C erforderlich. Erst bei diesen Temperaturen schlüpfen nach ca. zwei bis drei Tagen die Eilarven. Die Schwebfliegenlarven durchleben insgesamt drei Larvenstadien. Dieser aktive Zeitraum der Larven umfasst ca. zwei Wochen. 10 Blattläuse pro Tag frisst eine einzelne Larve im ersten Stadium. Beobachten kann der Kleingärtner dieses aber nur sehr schwer. Die glasig milchigen Larven sind nur ca. 1mm groß und hauptsächlich in der Dämmerung aktiv. Am Tage verstecken sich die Tiere auf der Pflanze in den Blattachseln. Nach drei Tagen sind die Schwebfliegenlarven schon drei bis fünf Millimeter groß. Einen Bekämpfungserfolg kann man allerdings auch dann noch nicht sehen. Denn auch im 2. Stadium fressen die Insekten noch zu geringe Mengen. Nach weiteren drei bis vier Tagen sind die Tiere auf 2 bis 3 cm Größe angewachsen. Erst ab diesem 3. Stadium kann eine einzelne dieser weiß-grünlichen, tropfenförmigen Larven täglich bis zu 100 Blattläuse fressen. Kleingärtner werden daher erst eine Woche nach dem Ausschlüpfen der Larven eine Reduzierung der Blattläuse erkennen. Nach dem 3. Larvenstadium erfolgt die Umwandlung zum geflügelten, erwachsenen Insekt. Diese geschieht innerhalb einer ein- bis zweiwöchigen Ruhephase als Puppe. Schwebfliegenpuppen haben ein hellgraues, cremefarbenes, tropfenförmiges Gehäuse. Sie kleben meist an Pflanzenteilen, aber auch an Häuserwänden. Bekämpfungserfolg - Behinderung Hain-Schwebfliegen reagieren sehr empfindlich auf chemische Pflanzenschutzmittel. Daher sollte vor dem Einsatz dieser Tiere sechs Wochen lang kein chemischer Pflanzenschutz mehr durchgeführt worden sein. Pflanzenschutzmittel auf Neem- und Kaliseifenbasis, wie z.B. NeemAzal und Neudosan Neu sind relativ nützlingsschonend. Bei vorheriger Behandlung mit diesen Mitteln ist ein Nützlingseinsatz ohne Wartezeit möglich. Bei Rapsölpräparaten wie Naturen sind Verluste möglich. Aufgrund des sehr frühen Auftretens des Nützlings im März, sollten Öl-Austriebspritzungen mit Fingerspitzengefühl durchgeführt werden, um evtl. erste Schwebfliegenlarven nicht zu gefährden. Bekämpfungserfolg - Förderung Um konstant die Blattläuse auf den Pflanzen einzudämmen, ist je nach Befall eine Wiederholung des Nützlingseinsatzes im Abstand von zwei Wochen zu empfehlen. Ansiedlung Diese Schwebfliegenart bildet von allen heimischen Arten die meisten Nachkommen. Drei bis fünf Generationen im Jahr sind möglich. Die ausgesetzten Nützlinge kann der Kleingärtner durchaus in seinem Garten ansiedeln. Es lohnt sich, denn die erwachsenen Tiere sind bereits im März gegen die ersten Blattläuse aktiv. Jedes Schwebfliegenweibchen legt bis zu 1000 Eier in Blattlauskolonien ab. Damit der ausgesetzte Nützlinge möglichst lange bleibt und auch dort überwintert, muss der Gartenfreund aber entsprechende Voraussetzungen schaffen. Lock- und Nahrungspflanzen: Erwachsene Hain-Schwebfliegen ernähren sich ausschließlich von Pollen und Nektar vieler Doldenund Korbblütler. Diese sollten im Garten vorhanden sein. Ausgesprochene Hain-Schwebfliegenpflanzen sind z. B., Ackersenf, Anis, Astern, Bärlauch, Dill, Disteln, Engelwurz, Fenchel, Gartenkerbel, Goldrute, Huflattich, Husarenkopf, Kamille, Kerbel, Klatschmohn, Koriander, Kornblume, Kümmel, Liebstöckel, Löwenzahn, Margeriten, Mittagsblume, Nachtkerze, Petersilie, Phacelia, Rainfarn, Ringelblume, Schafgarbe, Sonnenaugen, Strauchmargerite, Sumpfdotterblume, Tagetes, Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 33 - Vergissmeinnicht, Waldziest, Wegwarte, Weiden und Ysop. Kleingärtner die gezielt diesem Nützling Nahrung bieten wollen, sollten beim Anbau dieser Pflanzen früh- und langblühende Arten kombinieren sowie die nektar- und pollenreicheren Wildarten bevorzugt verwenden. Überwinterungsplätze Hain-Schwebfliegen überwintern als erwachsene, weibliche und begattete Tiere häufig in Trockenmauern, Mauerritzen, in Falllaub- und Totholzhaufen und hohlen Stängeln. Allerdings überwintert nur ein Teil dieser Schwebfliegenart in Deutschland. Der größte Teil macht sich im Spätsommer auf den Weg nach Südeuropa und Nordafrika und kehrt erst im nächsten Jahr wieder zurück. Abb.: Trockenmauer, Quelle: Insekten schützen Pflanzen, Berlin 4 Gezüchtete Nützlinge bekämpfen Schädlinge für die es keine Mittel (mehr) gibt Von den gezüchtete Nützlingsarten, die im Freiland eingesetzt werden können, gehören die parasitären Nematoden zu den beliebtesten und anwendungsfreundlichsten. Anders als z. B. Florfliegenlarven oder Marienkäfereier können diese Nützlinge für längere Zeit problemlos gelagert werden. Da diese Nützlinge sehr klein sind, gibt es offenbar auch sehr wenige Berührungsängste – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Nematoden kommen vor allem gegen die Schädlinge zum Einsatz, für die es keine herkömmlichen Mittel mehr gibt. So werden im Erwerbsgartenbau bewährte Nematodenarten immer mehr gegen z. B. Dickmaulrüssler, Maulwurfsgrillen, Erdraupen oder Rasenschädlinge wie Gartenlaubkäfer und Wiesenschnakenlarven erfolgreich eingesetzt. Am Beispiel der Bekämpfung des Dickmaulrüsslers soll nachfolgend der Nützlingseinsatz mit parasitären Nematoden dargestellt werden. Allgemein Die Heterorhabditis-Nematoden (Heterorhabditis bacteriophora) sind natürlich vorkommende Bodenbewohner. Die winzigen, 0,3 bis 0,5 mm langen Fadenwürmer (siehe Foto) sind mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. HeterorhabditisNematoden suchen aktiv die im Boden lebenden Larven und Puppen des Dickmaulrüsslers auf. Über Haut- und Körperöffnungen dringen die Fadenwürmer in die Blutbahn des Schädlings ein und geben dort ein Bakterium aus ihrem Darmtrakt ab. Durch die starke Vermehrung der Abb.: Heterorhabditis-Nematoden, Bakterien wird der Schädling innerhalb von zwei Quelle: e-nema GmbH bis drei Tagen abgetötet. Für Pflanzen, Tiere und Menschen sind Nematoden sowie die Bakterien völlig ungefährlich. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 34 - Lieferung Nematoden sind wie alle anderen Nützlinge nur auf dem Versandweg erhältlich. Geliefert werden die Nematoden in einem speziellen Tonpulver, eingeschweißt in einem Plastikbeutel. Eine Packung enthält ca. 10 Millionen Nematoden 2 ausreichend für 20 m Bodenfläche. Aber auch 2 Packungen mit 50 Millionen Tieren für 100 m werden versendet. Abb.: Lieferform von Heterorhabditis-Nematoden, Quelle: Katz Biotech AG Lagerung/Haltbarkeit Bis zur Ausbringung kann man die Nematoden im Kühlschrank bei 4°C maximal drei Wochen lagern. Das maximale Haltbarkeitsdatum ist auf der Rückseite der Packung vermerkt. Schädlinge Die Nematoden befallen die Larven und Puppen des Gefurchten Dickmaulrüsslers im Boden. Sie eignen sich aber auch zur Bekämpfung des Gartenlaubkäfers. Ort und Zeitraum der Ausbringung Die nützlichen Fadenwürmer benötigen eine stundenweise Bodentemperatur von mindestens 12°C. Aufgrund der Biologie des Dickmaulrüsslers sollte man diese Nematoden im Freiland in der Regel von April bis Anfang Juni sowie von Mitte August bis Oktober einsetzen. Ausbringung im Boden Bei der Bekämpfung des Dickmaulrüsslers werden die im Boden lebenden schädlichen Larven und Puppen (siehe Foto) bekämpft. Die Nematoden müssen daher in den Wurzelbereich der befallenen Pflanze. Man erhält die winzigen Helfer in einem speziellen Tonpulver. Das Pulver wird in Wasser aufgelöst und auf den Wurzelbereich der befallenen Pflanzen gegossen. Die UV-empfindlichen Nematoden sollten aber niemals bei starker Sonnenein-strahlung ausgebracht werden. Optimal ist daher die Verteilung am Abend oder der frühe Morgen. Abb.: Dickmaulrüsslerlarven, Quelle: e-nema GmbH Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 35 - Vorbehandlung der Erde: Da die Tiere für ihre Fortbewegung Feuchtigkeit brauchen, muss die Fläche bzw. Pflanze vor der Ausbringung der Nematoden gewässert werden. Auflösen der Nematoden: Der gesamte Packungsinhalt wird in einen Eimer mit 10 Liter handwarmem Wasser (15-20°C) gegeben. Um eine Klümpchenbildung und Konzentrationsschwankungen zu vermeiden, muss das Wasser mit dem Pulver gut umgerührt werden. Je nach Fläche wird das Nematodenkonzentrat mit normal temperiertem Leitungs- oder Regenwasser verdünnt. Wichtig: Auch beim Verdünnen muss öfters umgerührt werden, damit die Nematoden nicht zu Boden sinken. Abb.: Aufbereitung von Heterorhabditis-Nematoden, Quelle: Katz Biotech AG Anwendungsbeispiele: Für 20 qm Fläche: Das Nematodenkonzentrat mit zehn Liter Wasser weiter verdünnen. Ausbringungsmenge: ein Liter pro qm. Für 100 qm Fläche: 10-mal jeweils ein Liter des Nematodenkonzentrats in eine 10 Liter Gießkanne geben und mit 9 Liter Wasser weiter verdünnen. Ausbringungsmenge: ein Liter pro qm. Abb.: Ausbringung von Heterorhabditis-Nematoden, Quelle: Katz Biotech AG Ausbringen auf die Erde: Ausgebracht wird die Nematodenlösung mit einer Gießkanne. Während des Gießens sollte dabei öfter umgerührt werden um eine gleichmäßige Verteilung der Nützlinge zu ermöglichen. Mit der Nematodenlösung werden die Erdflächen aller befallenen Pflanzen großzügig abgegossen. Wichtig: Eventuell vorhandenes Mulchmaterial sollte zuvor beiseite geschoben werden. Nachbehandlung: Damit die Nematoden tief in den Boden gelangen ist es notwendig, nach dem Gießen der Fläche diese nochmals leicht zu bewässern. Der Boden darf in den ersten zwei Wochen nach der Ausbringung nie komplett durchtrocknen. Erfolgskontrolle Kontrollieren kann man den Bekämpfungserfolg nur durch eine Bodenprobe, ca. ein bis zwei Wochen nach der Ausbringung. Die Larven sind dann abgestorben, wenn eine Verfärbung der weißen Larven nach rot-braun erfolgt ist. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 36 - Ist die Larve getötet, vermehren sich die Nematoden, in den Kadavern bis diese sich zersetzt. Nach zwei bis drei Wochen machen sie sich auf, um neue Larven aufzusuchen. Sollten keine Larven oder Puppen mehr vorhanden sein, können die Fadenwürmer auch einige Zeit ohne Nahrung im Boden überleben. Abb.: Links Dickmaulrüsslerlarven mit Nematoden behandelt und rechts unbehandelt, Quelle: e-nema GmbH Ansiedlung Die gezüchteten Nematoden lassen sich im Freiland nicht langfristig ansiedeln, um dauerhaft einen Schutz zu gewährleisten. Zudem überstehen die Nematoden Frostperioden nur sehr schlecht. Um konstant den Dickmaulrüssler einzudämmen, ist daher eine Wiederholung des Nützlingseinsatzes im Folgejahr sehr zu empfehlen. Bekämpfungserfolg - Behinderungen Die Tiere benötigen eine gewisse Bodenfeuchtigkeit, um sich im Boden zu bewegen. Während der Behandlung darf daher der Boden mindestens 2 Wochen lang nicht austrocknen. Auch die Bodentemperatur ist entscheidend. Bei Temperaturen unter 10 °C verringert sich die Aktivität und Wirkung der Nematoden. Bei Temperaturen unter 4 °C fallen sie in Kältestarre. Um eine starke Austrocknung bzw. den negativen Kälteeinfluss zu vermeiden sollten daher bei Bedarf die Erde mit Folien oder organischen Mulchmaterial abgedeckt werden. Nematoden reagieren sehr empfindlich auf chemische Pflanzenschutzmittel. Daher sollte der Kleingärtner vor dem Einsatz dieser Tiere drei Monate lang kein chemisches Pflanzenschutzmittel das in den Boden gegossen wird, mehr angewendet haben. Keine Wartezeiten sind dagegen einzuhalten, wenn zuvor fachgerechte oberirdische Spritzungen mit einem chemischen Mittel erfolgt sind. Keine Wartezeiten benötigen auch nützlingsschonende Pflanzenschutzmittel auf Neem-, Rapsöl- oder Kaliseifenbasis, wie z. B. NeemAzal, Naturen und Neudosan Neu. Bekämpfungserfolg - Förderung Für eine Langzeitwirkung sollten die behandelten Flächen bzw. Pflanzen sechs bis acht Wochen feucht gehalten werden. 5 6 Gezüchtete Nützlinge fördern und ergänzen andere wenig genutzte biologische Bekämpfungsmaßnahmen. Gezüchtete Nützlinge unterstützten die Förderung des Obst- und Gemüseanbaus. Fast jeder Kleingärtner hat einen Apfelbaum in seinem Garten stehen. Allerdings werden diese von nicht wenigen Gartenfreunden immer mehr vernachlässigt. Viele Kleingärtner wenden bei Apfelwicklerbefall die wenigen vorhandenen Bekämpfungsmittel nur halbherzig an. Aufgrund der daraus resultierenden Misserfolge wird später oftmals der Pflanzenschutz komplett eingestellt. Resultat: Der Apfelwicklerbestand in den Anlagen wächst, Abb.: Apfelwicklerbefall, Quelle: Insekten schützen Pflanzen, Berlin Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 37 - und die vereinzelten biologischen Bekämpfungsmaßnahmen wie. Madenring und Pheromonfallen scheitern an zu hohem Befallsdruck. Für einige Pächter wiederum eine satte Bestätigung, dass ausschließlich der chemische Pflanzenschutz etwas taugt und dass eine Bekämpfung nicht lohnt bis die „alten Mittel“ wieder da sind. Für die biologische Fraktion unter den Kleingärtnern wiederum eine Riesenpleite. Folge: Die Bäume werden irgendwann nur noch symbolisch als Nutzpflanzen genutzt. Die zumeist nicht verwertbaren Äpfel wandern in großen Mengen in Abfallsäcke, die schlussendlich am Straßenrand stehen. Sicher nicht im Sinn einer kleingärtnerische Nutzung. Gegen fliegende Schädlinge wie den Apfelwickler gibt es aber durchaus funktionierende biologische Mittel wie z. B. Trichogramma-Schlupfwespen, Granulosevirus oder BT-Präparate. Leider scheitern diese aber oft, da die richtige Anwendung für viele Kleingärtner offenbar noch zu kompliziert und zu aufwendig ist. Kein Wunder, viele Gartenfreunde sind aufgewachsen in einer Zeit, in der das Problem Apfelwickler mit flächendeckenden Spritzungen durch einen Externen gelöst wurde. Die Zeiten sind jedoch je nach Standort lange vorbei. Und vielleicht eine Ursache dafür, dass sich heutzutage so wenige Gartenfreunde an der notwendigen großflächigen Bekämpfung beteiligen. Sicherlich ist auch das geringe Interesse am Obstbau eine Ursache. Oftmals handelt es sich aber auch einfach nur um ein Terminproblem. Eine große Anzahl von Pächter sind immer gerade im Urlaub, auf Kur oder krank. Wie aber diesen Kreislauf durchbrechen? Fasst man die vielen Wünsche und Anforderungen der Gartenfreunde an das ideale Pflanzenschutzmittel zusammen, so sollte es möglichst biologisch, in der Anwendung unkompliziert sowie bei der notwendigen großflächigen Anwendung individuell und einfach aus zu bringen sein. Anforderungen, die sich bei der Übertragung eines für den ProfiApfelanbau neu entwickelten Bekämpfungsverfahren auf Nematodenbasis erfüllen. Am Beispiel der Bekämpfung von Apfelwicklerlarven mit parasitären Nematoden sollen im Folgenden die oben stehenden Punkte verdeutlicht werden. Allgemein Die Nematoden zur Bekämpfung des Apfelwicklers sind Fadenwürmer mit einem Durchmesser von 0,03 mm. Sie suchen überwinternde Apfelwicklerlarven in Rindenspalten und im Boden selbstständig auf, dringen in die Schädlinge ein und geben dort ein Bakterium aus ihrem Darmtrakt frei. Durch die bakterielle Infektion werden innerhalb weniger Stunden die Apfelwicklerlarven infiziert bzw. abgetötet. Abb.: Steinernema-Nematoden, Quelle: e-nema GmbH Bei diesen neuen biologischen Mittel muss der Kleingärtner keine Flug- oder Schlupfzeiten beachten. Die Bekämpfung erfolgt genau in der Zeit, an dem der Schädling unbeweglich und leicht angreifbar ist: in seinem Winterschlaf! Von Ende August an überwintern rund 70% der Apfelwickler als Larven am Stamm. Der Rest überwintert im Boden unter den Bäumen. Für Pflanzen, Tiere und den Menschen sind diese Nematoden sowie dessen Bakterien völlig ungefährlich. Durch den Einsatz von Nematoden gegen Apfelwicklerlarven und damit potenzieller neuer erwachsener Falter kann der Befallsdruck in der nächsten Saison deutlich reduziert werden. Versuche im Erwerbsgartenbau ergaben Wirkungsgrade bis zu 70 %. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 38 - Lieferung Geliefert werden die Nematoden in einem speziellen Tonpulver. Eine Packung enthält ca. 10 Mio. 2 Nematoden - ausreichend für 20 m Boden-fläche inkl. Stammbehandlung. Aber auch Packun-gen für 2 100 m sind erhältlich. Lagerung Bis zur Ausbringung kann der Kleingärtner die Nematoden im Kühlschrank bei 4 °C bis 6 °C für zwei bis drei Wochen lagern. Das maximale Lagerdatum ist auf der Packung vermerkt. Abb.: Lieferform von Steinernema-Nematoden, Quelle: Insekten schützen Pflanzen, Berlin Schädlinge Die Nematoden sind nur wirksam gegen die Larven des Apfelwicklers! Gegen die Larven des Pflaumenwicklers oder der Kirschfruchtfliege ist dieser Nützling unwirksam! Ort Ausbringung Die Nematoden sind im Kleingarten einsetzbar. Für erfolgreiche Eindämmung des Apfelwicklers ist aber ein großflächiger Einsatz unbedingt notwendig. Werden innerhalb einer Kleingartenkolonie die Nematoden nur von wenigen Pächtern ausgebracht hat die Bekämpfung keinen Erfolg! Die aus den unbehandelten Bäumen geschlüpften Apfelwicklerfalter fliegen bis zu 100 Meter weit und infizieren im Frühjahr die behandelten Bäume. Bei der Bekämpfung müssen daher möglichst alle Pächter einer Anlage im Herbst mitmachen. Termin Ausbringung Die Nematoden können nach der Apfelernte zwischen Ende August bis max. Ende Oktober ausgebracht werden. Die Fadenwürmer benötigen eine Außentemperatur von mindestens 10° C während des Einsatzes sowie zwei bis drei Stunden danach. Die gemeinsame Bekämpfung aller Pächter muss nicht zwingend an einem festgelegten Tag erfolgen. Da die Nematoden für einige Wochen im Kühlschrank gelagert werden können, ist eine individuelle Ausbringung möglich. Aussetzung Optimal ist die Ausbringung in den frühen Abendstunden, da der Nützling etwas UV-empfindlich ist. Bei der Bekämpfung der Apfelwickler-Larven werden die im Boden und am Stamm lebenden schädlichen Larven bekämpft. Die Nematoden müssen daher auch gezielt am Stamm und in den Boden (Kronenbereich) der befallenen Bäume ausgebracht werden. Die Tiere sind mit einem speziellen Tonpulver vermengt. Das Pulver wird im handwarmen Wasser aufgelöst, mit Wasser verdünnt und auf den Boden- und Stammbereich der betroffenen Bäume mittels eines Sprühgerätes gespritzt. Alternativ können die Nematoden aber auch mit einer Gießkanne im Bodenbereich und eines groben großen Pinsels (z.B. Kleisterbürste) im Stammbereich ausgebracht werden. Um die Wirkung der Nematoden zu sichern befindet sich im Lieferumfang das Netzmittel Trifolio S-Forte. Dieses Mittel reduziert die Oberflächenspannung des Wassers, so dass die Nematodenlösung sehr gut in alle Rindenrisse des Baumes eindringen kann. Ebenso verhindert das Mittel das schnelle Abtrocknen und damit die frühzeitige Infektionsreduzierung. Anforderungen an das Sprühgerät: Um alle Stellen im Baum gut und bequem zu erreichen, muss ein geeignetes Drucksprühgerät verwendet werden. Für kleine Bäume eignen sich handelsübliche Rückendrucksprühgeräte mit maximal drei bar Arbeitsdruck, sowie Füllmengen zwischen zwei bis Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 39 - fünf Litern. Bei großen Bäumen (bis zu fünf Metern) sind allerdings Hochleistungssprühgeräte mit max. sechs bar Arbeitsdruck sowie Füllmengen zwischen 5-12 Litern notwendig. Generell empfehlenswert ist der Einsatz einer Teleskopverlängerung. Vorbereitung des Drucksprühers: Notwendig ist eine Spritzdüse mit einem Durchlass ab 0,5 mm (handelsübliche Düsen haben zwischen 0,4 -1,5 mm). Wichtig: Zur Nematoden-Spritzung muss unbedingt der Spritzmittelfilter entfernt werden. Vorbehandlung der Erde: Da die Tiere für ihre Fortbewegung etwas Feuchtigkeit brauchen, muss die Bodenfläche vor der Ausbringung der Nematoden leicht gewässert werden. Vorbehandlung des Stammes: Werden die Nematoden bei feuchter Witterung ausgebracht ist keine Vorbehandlung notwendig. Bei Trockenheit ist ein kurzes Befeuchten des Stammes vorteilhaft für die Wirkung, z. B. mit einem Rasensprenger. Auflösen der Nematoden: Der gesamte Packungsinhalt (siehe Foto) wird in einem Eimer mit 10 Liter handwarmen Wasser (15-20 °C) aufgelöst. Das Wasser muss dabei mit dem Nematodenpulver gut umgerührt werden. Je nach erforderlicher Spritzmenge wird das Nematodenkonzentrat mit normal temperiertem Wasser weiter verdünnt. Für 20 qm Fläche: Das Neatodenkonzentrat mit 10 Liter Wasser weiter verdünnen. Ausbringungsmenge: 1 Liter pro qm. Für 100 qm Fläche: 10 mal jeweils 1 Liter des Nematodenkonzentrats in einen 10 L Eimer geben und Abb.: Einrühren von Steinernema-Nematoden weiter mit 9 Liter Wasser verdünnen. AusQuelle: Insekten schützen Pflanzen, Berlin bringungsmenge: 1 Liter pro qm. Wichtig: Rühren Sie beim Verdünnen öfters um, damit die Nematoden nicht zu Boden sinken. Das Netzmittel Trifolio S-Forte, wird nach beiliegender Anleitung beim Verdünnen zugesetzt. Ausbringen auf Stamm und Boden: Ausgebracht wird die Nematodenlösung mit der erforderlichen Rückenspritze oder mit einem Kleisterpinsel. Gespritzt bzw. eingeschmiert werden muss der gesamte Stamm. Stärkere Äste, sofern sie Borkenschuppen haben. Hölzerne Befestigungspfähle oder ungestrichene Spaliergitter sollten ebenfalls mitbehandelt werden. Gespritzt bzw. gegossen werden muss ebenso der Boden, und zwar der gesamte Bereich unterhalb der Baumkrone. Abb.: Spritzen von Steinernema-Nematoden am Stamm, Quelle: Insekten schützen Pflanzen, Berlin Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 40 - Nachbehandlung Boden: Damit die Nematoden gut in den Boden gelangen, ist es notwendig nach der Ausbringung die Bodenfläche nochmals leicht zu wässern. Der Boden sollte in der ersten Woche nach der Ausbringung nicht austrocknen. Erfolgskontrolle Die Nematoden gelangen mit der Spritzlösung an den Stamm und in den Boden. Dort machen sie sich gleich auf die Suche nach den schädlichen Apfelwicklerlarven. Werden sie fündig, dringen sie Abb.: Spritzen von Steinernema-Nematoden am Boden, über die Körperöffnungen in die Schädlinge ein. Quelle: Insekten schützen Pflanzen, Berlin Bereits in den ersten zwei Stunden nach der Ausbringung ist in der Regel ein Großteil der Schädlinge tödlich infiziert. Innerhalb von 2 Tagen sterben sie ab. Bekämpfungserfolg Bei dem Nematodeneinsatz gegen die überwinternden Apfelwicklerlarven muss der Kleingärtner Geduld haben. Der Bekämpfungserfolg wird erst in der nächsten Saison sichtbar. Bekämpfungserfolg - Behinderungen Ein hoher Grasbewuchs ist hinderlich für das Eindringen der Nematoden. Für einen sicheren Bekämpfungserfolg sollte das Gras vor dem Einsatz gemäht werden. Befinden sich Zier und Gemüsepflanzen unter dem Baum, müssen die Pflanzen gut abgespült werden. Wie alle Nützlinge reagieren auch die Apfelwickler-Nematoden sehr empfindlich auf chemische Pflanzenschutzmittel. Daher sollte vor und nach dem Einsatz dieser Tiere 6 Wochen lang kein chemischer Pflanzenschutz mehr durchgeführt worden sein. Pflanzenschutzmittel auf Neem- und Rapsöl oder Kaliseifen-Basis, wie z. B. NeemAzal, Naturen und Neudosan Neu sind nützlingsschonend. Bei vorheriger Behandlung mit diesen Mitteln ist ein Einsatz ohne Wartezeit möglich. Bekämpfungserfolg Förderungen Um konstant den Apfelwickler einzudämmen, ist eine jährliche Wiederholung des Nützlingseinsatzes zu empfehlen. Wichtig: Durch die Nematoden wird die Zahl der Apfelwicklerlarven deutlich reduziert. Zur vollständigen Bekämpfung des Apfelwicklers sollten im Frühjahr und Sommer zusätzlich noch andere Bekämpfungsmittel wie z. B. Granulose-Viruspräparate oder Madenfanggürtel einsetzt werden. Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190 - 41 - Status quo des Pflanzenschutzgesetzes, Zulassungsfristen und die Zukunft Dipl.-Biologe Holger-Ulrich S c h m i d t Pflanzenschutzamt Berlin Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. – Grüne Schriftenreihe 190