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12.07.2011 - Biologie
Was dem Huhn ins Ohr geht
Küken bevorzugen harmonische Klänge - wie der Mensch
Auch junge Hühner haben ein Ohr für angenehme Klänge: Sie bevorzugen
genauso wie Menschen Melodien mit harmonischen Intervallen. Das haben jetzt
zwei italienische Forscher unter Mithilfe von 81 frischgeschlüpften Küken
entdeckt. Da die kleinen Vögel vor dem Experiment weder Musik noch sonstigen
Klängen ausgesetzt waren, schließen die Wissenschaftler aus der klar
erkennbaren Präferenz, dass der Hang zur Harmonie angeboren sein muss. Auch
sehr junge Menschenbabys scheinen derartige Melodien zu favorisieren – und
bereits seit längerem steht hier die Frage im Raum, ob es sich dabei um einen
kulturellen Effekt oder ebenfalls um eine angeborene Vorliebe handelt. Tiere,
die unter streng kontrollierten Bedingungen aufgewachsen sind, können
zumindest ein bisschen helfen, die Einflüsse einer biologischen Prädisposition
und eines möglichen Lerneffekts auseinanderzudividieren, erläutern Cinzia
Chiandetti und Giorgio Vallortigara von der Universitäten in Rovereto und Triest
die Idee hinter ihrer Studie.
Die kleinen Hühner wurden für die Tests bereits kurz nach dem Schlüpfen darauf trainiert,
einem kleinen roten Plastikzylinder zu folgen. Im eigentlichen Test ein paar Tage später
setzten die Forscher sie dann in eine weißlackierte Holzkiste, in der auf jeder Seite ein
Lautsprecher installiert war. Vor den Boxen war auf jeder Seite einer der roten Zylinder
angebracht, wobei die gesamte Installation aus Sicht der Hühner jeweils hinter einem
Gazevorhang versteckt war.
Dann ließen die Wissenschaftler aus einem der Lautsprecher eine harmonisch klingende
Melodie ertönen, in der die Begleitstimme immer eine kleine oder eine große Terz unter
der eigentlichen Stimme lag, während aus dem anderen simultan disharmonische Klänge
schallten – hier war der Begleitton bei gleicher Melodie immer genau eine kleine oder
eine große Sekunde vom Hauptton entfernt. Die Küken wurden in die Mitte gesetzt und
lauschten der Kakophonie mehrere Minuten lang, bevor die Forscher die seitlich
angebrachte Vorhänge entfernten, so dass die kleinen Hühner die Plastikzylinder sehen
und auch dorthin laufen konnten.
In etwa 60 bis 70 Prozent der Fälle hätten die Hühnchen den Zylinder gewählt, der vor
dem Lautsprecher mit den harmonischen Klängen hing, berichten die beiden
Wissenschaftler. Das sei deutlich mehr, als bei einer zufälligen Auswahl zu erwarten
gewesen wäre. Die Küken bevorzugten demnach eindeutig die harmonische Melodie und
verschmähten die dissonante. Man habe zwar auch bereits bei Finken und bei Staren
beobachtet, dass die Vögel konsonante und dissonante Klänge unterscheiden können,
ohne allerdings eine klare Präferenz zu erkennen, kommentieren die Wissenschaftler. Im
Gegensatz zu diesen Vogelarten seien Hühner jedoch keine Singvögel, was die Frage
aufwerfe, warum die Tiere trotzdem auf Harmonie gepolt seien.
Möglicherweise habe das etwas mit den Lauten zu tun, die junge Hühnchen kurz nach
dem Schlüpfen hörten, spekulieren die Forscher: Töne, die von anderen Lebewesen
stammten, seien im Allgemeinen ebenfalls von harmonisch klingenden Tonspektren
bestimmt – während künstliche oder von leblosen Dingen erzeugte Geräusche eher zur
Dissonanz neigten. Es könnte daher sein, dass eine Vorliebe für Konsonanz dabei helfe,
Artgenossen zu finden.
Cinzia Chiandetti (Università degli studi di Trento, Rovereto) und Giorgio Vallortigara
(Università degli studi di Trieste): Psychological Science, in press
wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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