Dr. Christina Aue (OOWV) und Prof Dr. Luise Giani (Universität Oldenburg) Bodenfruchtbarkeit und Wasserschutz 2. Wasserschutztag „Bodenschutz ist Wasserschutz“ - Biohof Bakenhus, Großenkneten - 5.6.2015 1 Was ist Boden? „ Boden ist das mit Wasser, Luft und Lebewesen durchsetzte, unter dem Einfluss der Umweltfaktoren an der Erdoberfläche entstandene und im Ablauf der Zeit sich weiterentwickelnde Umwandlungsprodukt mineralischer und organischer Substanz mit eigener morphologischer Organisation, das in der Lage ist, höheren Pflanzen als Standort zu dienen und die Lebensgrundlage für Tiere und Menschen bildet. Als Raum-ZeitStruktur ist der Boden ein vierdimensionales System.“ (Schroeder, Diedrich, 1978: Bodenkunde in Stickworten, S. 9, Verlag Ferdinand Hirt) 2 Böden sind …. „kostbarste Güter der Menschheit, die es zu schützen gilt“ (Bodencharta des Europarates, 1972) Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG, 2012) § 2 Begriffsbestimmungen (3) Schädliche Bodenveränderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. § 4 Pflichten zur Gefahrenabwehr (1) Jeder, der auf den Boden einwirkt, hat sich so zu verhalten, dass schädliche Bodenveränderungen nicht hervorgerufen werden. 3 Bodenentwicklung Zeit Einflussfaktoren ↓ Zum Beispiel Ausgangsgestein ↓ Granitisches Festgestein, Kalkstein oder Flugsand Klima Niederschlagshöhe, -verteilung, Temperatur und Temperaturschwankungen Relief Senke, Kuppe, Hangneigung, Exposition Grund-, Fluss-, See- oder Meerwasser Grundwasserstand, Wasserstandsschwankungen, Redoxprozesse, Salzgehalt Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen Laubwald, Nadelwald, Wurzelaktivität, Maulwürfe, Regenwürmer Mensch Kalkung, Entwässerung, Nutzung ↓ Stark gegliederter Boden physikalische und chemische Verwitterungsprozesse der mineralischen Komponente Zersetzung und Humifizierung der organischen Substanz 4 Körnung und Bodenart (Mineralkörper) Nach: Schroeder, Diedrich, 1978: Bodenkunde in Stickworten, Verlag Ferdinand Hirt Hoher Tonanteil → schlechte Wasserführung, hohes Wasserhaltevermögen, schlechte Durchlüftung, meist hoher Nährstoffgehalt, hohes Adsorptionsvermögen, schwere Bearbeitbarkeit Hoher Sandanteil → gute Wasserführung, geringes Wasserhaltevermögen, intensive Durchlüftung, meist geringer Nährstoffgehalt, geringes Adsorptionsvermögen, leichte Bearbeitbarkeit 5 Was ist Humus im Boden? Organische Substanz = Streustoffe (oberirdisch abgestorbenen Pflanzenreste, tote Wurzeln, Ernterückstände, Körpersubstanz aller Bodenorganismen) werden unter Mitwirkung des Edaphons (Bodenflora und-fauna und Wurzeln) zu → Huminstoffe (< 2 µm) = Humus Streuabbau → vollständiger Abbau zu CO2, H2O und Mineralstoffen (Mineralisierung) der Streu und gleichzeitiger Aufbau zu hoch molekularen Stoffen (Huminstoffe) = Humifizierung Bestandteile von Humus: Cellulose, Lignin, Hemicellulose, Zucker, Eiweißstoffe, Fette, Wachse, Harze Huminstoffe → hohe Wasserspeicherkapazität, → hohe KaJonenadsorpJonskapazität (KAK) - (höher als bei Tonböden), → SorpJonsfähigkeit von Nährstoffen ist pH abhängig und steigt mit steigendem pH → Schwermetalle, PSM u.a. können gebunden, bzw. freigesetzt werden → Ton-Humus-Komplex 6 Lubricus terrestris = Wichtigster Mitarbeiter im Bereich „Humuswirtschaft & Bodenfruchtbarkeit“ Foto: UPB-Projektgruppe Trier „Miñoca066eue“ von Luis Miguel Bugallo Sánchez - [1]. 7 Organische Substanz im Boden unter Grünland ↓ ↓ „Edaphon“ 3% 5% Pilze- und Algen 5% 10% Humus 12% 40% Bakterien u. Actinomyceten Regenwürmer Pflanzenwurzeln übrige Makrofauna Bodenflora und -fauna 85% 40% Meso- und Mikrofauna Humusgehalt % = Corg * 1,72 (bisher) ; künftig: Corg * 2 C/N-Verhältnis → wird bei stärkerer Zersetzung enger Ngesamt-Gehalte → zw. ca. 600 und ca. > 9000 kg /ha Haupt-Bewertungsparameter der organischen Substanz ist Kohlenstoff Abbildung: Nach: Zusammensetzung der organischen Substanz eines Grünlandbodens (in Gew. % der Trockensubstanz; nach Tischler) in: Schroeder, Diedrich, 1978: Bodenkunde in Stickworten, Verlag Ferdinand Hirt 8 Einstufung des Humusgehaltes von landwirtschaftlich genutzten Böden Humus (organische Substanz) Kürzel Bezeichnung in Masse-% (Humusgehalt) % von 104 Proben im WSG Großenkneten h0 humusfrei 0 h1 sehr schwach humos <1 h2 schwach humos 1 bis <2 18 % h3 mittel humos 2 bis <4 33 % h4 stark humos 4 bis <8 35 % h5 extrem stark humos 8 bis < 15 11 % h6 extremhumos, anmoorig 15 bis < 30 1% h7 organisch, Torf > 30 1% 1% Tabelle: nach : Bodenkundliche Kartieranleitung, 2005, E. Schweizerbart´sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 9 Humusgehalte in norddeutschen Oberböden Quelle: BGR, Ausschnitt 10 Ergebnis der Bodenbildung Mineralgerüst und Humusanteil = Bodengefüge mit bestimmten Hohlraumsystem/Porenvolumen für Wasser und Luft 45 % Beispiel für die Zusammensetzung eines Grünlandbodens (in Vol %) Nach: Schroeder, Diedrich, 1978: Bodenkunde in Stickworten, Verlag Ferdinand Hirt 11 Böden der Region Weser-Ems Plaggenesch Podsol 12 Böden der Region Weser-Ems Marschbodens unter Ackernutzung (Photo: Witte) Hochmoor unter Ackernutzung 13 Böden als Pflanzenstandort Ansprüche seitens der Pflanze an den Boden Wurzelraum Gründigkeit Durchwurzelbarkeit Wärme Wärmehaushalt Luft Wasser Pflanzenansprüche → ← Standort Lufthaushalt Wasserhaushalt Stabilität Standortdynamik Nährstoffe Nährstoffhaushalt: Bodenart, -gefüge, Humusgehalt und –qualität, pH, Nährstoffe, KAK, Schadstoffe Nach: Stahr et al., 2008 14 Verfügbarkeit der Nährstoffe Mobilisierung (Verwitterung, Mineralisierung, Desorption) Nachlieferbare Ausstauschbare lösliche ReserveFraktion Fraktion Fraktion Fraktion Immobilisierung Fixierung, Einbau in org.S.; Absorption 0,02-0,2% 98% 2% (Schroeder, 1983, verändert) Nitrat kann nicht gespeichert werden 15 Bewertung von Böden Bewertung der Fruchtbarkeit über die „Natürliche Ertragsfähigkeit“: Bodenschätzung bildet die Grundlage für den Wirtschaftswerts eines Betriebes (Punkte * €) Ackerzahl = Bodenzahl (Bodenzahl aus Bodenart, geologisches Alter und Zustandsstufe), sowie Klima/Gelände = Ackerzahl aus: Ackerschätzungsrahmen (1-100) Grünlandzahl ( Grünlandgrundzahl, ohne Genese, jedoch mit besonderer Bewertung der Wasserverhältnisse) 16 Weitere über das BBodSchG schützenswerte Bodenfunktionen 1. Natürliche Funktionen a. Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen b. Bestandteil des Naturhaushalts, insbesondere mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen c. Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen auf Grund der Filter- Puffer und Stoffumwandlungseigenschaften, insbesondere auch zum Schutz des Grundwassers 2. Funktion als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte 3. Nutzungsfunktionen a. Rohstofflagerstätte, b. Fläche für Siedlung und Erholung, c. Standort für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung d. Standort für sonstige wirtschaftliche und öffentliche Nutzungen, Verkehr, Verund Entsorgung Zweck des Gesetzes ist es, nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern oder wiederherzustellen. 17 Schnittstelle Boden 18 Gleichberechtigung der Bodenfunktionen (Multifunktionalität) Klima Fläche Nahrung Boden Biodiversität Energie Wasser (nach Scholten: Boden und Energiewende – Ausblick, Chancen und Risiken, Vortrag) 19 Konkurrierende Bodenfunktionen – Grenzen der Bodenfruchtbarkeit → Steigerung der ProdukJvität in Agrarökosystemen beeinflusst weitere Bodenfunktionen → Schutzgüter Wasser, Lu\ und Biodiversität werden beeinträchJgt Artenvielfalt und –Populationsdichte (Biodiversität) NH4-Emission N2O-Ausgasung CO2-Freisetzung Grundwasser- und Oberflächengewässer in Menge und Qualität 20 Bodennutzung und Rückgang des Grünlands > 2.000 ha im OOWV Gebiet seit 2003 Quelle: Roskam, NLWKN Bst. Aurich, Stand 2011 21 Bodennutzung und Klima Aus: Freibauer, A., T. Röder u. B. Tiemeyer: Ansätze für die Definition von Gebietskulissen für den GLÖZ-Standard 7: „Schutz von Feuchtgebieten und kohlenstoffreichen Böden einschließlich eines Erstumbruchsverbots“ .Arbeitsbericht vTI-Institut für Agrarrelevante Klimaforschung 10/2012 22 Bodennutzung und Grundwasser In Niedersachsen wird Trinkwasser primär aus dem Grundwasser gefördert. Wasserwerk des OOWV Bewertung der Qualität des Grundwassers in Niedersachsen gemäß Wasserrahmenrichtlinie: Trinkwassergrenzwert von 50 mg Nitrat/l in ca. 60 % der Grundwasserkörper überschritten. Schutz des Grundwassers nicht ausreichend. 23 Ursachen für Grundwasserbelastungen Bewertungsparameter für die langjährige organische Düngung ist Phosphat OOWV – Grundwasserschutzprogramm Ökologische Landwirtschaft www.bakenhus.de Aufforstung Niedersächsische Kooperationsmodell Grundwasserschutz und Vertragslandwirtschaft 25 Allgemeine Grundsätze des Wasserschutzes im Ackerbau • • • • • • • Wasserschutz auf allen Flächen des Betriebes Standortangepasste Kulturpflanzen Sehr zügige Frühjahrsbestellung Pflanzenbedarfsgerechte Düngung berücksichtigt standorttypisches Ertragspotentials kurzfristig verfügbarer Stickstoffgehalt (Frühjahrs-Nmin) langjährig nachlieferbarer Stickstoffgehalt hohe Wertschätzung des Stickstoffs aus organischen Düngern standörtliche Düngebilanz, inklusive Herbst Nmin-Wert Keine Düngung nach der Ernte im Sommer Unverzüglicher Nachbau von „catch crops“, bzw. möglichst dauerhafte Begrünung Kein Grünlandumbruch, kein Wechselgrünland Bewertungsparameter ist der Herbst Nmin-Wert als Erfolgsparameter für die wasserschutzorientierte Düngung 26 Herbst Nmin und potentielle Belastung im Grundwasser kg Herbst Nmin/ha => Potentielle Sickerwasserbelastung mg NO3/l zu berechnen über: Herbst Nmin (kg N/ha) * 443* Austauschhäufigkeit (hier: 1) = mg Nitrat/l Sickerwasserrate (hier: 350 mm) 27 Einfluss von Herbst Nmin-Wert (kg/ha) und Sickerwassermenge (mm) auf die potentielle Nitratkonzentration (mg Nitrat/l) Nmin (kg/ha) 250 mm 300 mm 350 mm 100 177 mg/l 148 mg/l 127 mg/l 80 142 mg/l 118 mg /l 101 mg /l 50 89 mg /l 74 mg /l 63 mg /l 35 62 mg /l 52 mg /l 44 mg /l Herbst Nmin-Wert (kg /ha) ist als potentielle Sickerwasserbelastung (mg NO3/l) darzustellen = minimale potentielle Belastung 28 Herbst Nmin-Ergebnisse nach Maisnutzung 2014 890 Schläge wurden beprobt (n= 890) Anzahl Proben Auszahlungsgrenze <= 80 kg N/ha 450 Arithmetischer Mittelwert: 400 890 89 kg Nmin/ ha 350 300 Potentielle Sickerwasserkonzentration bei mittleren 320 mm Sickerwasserrate: 250 200 123 mg Nitrat/l 150 111 115 81 417 50 166 100 kg Nmin/ha kg Nmin/ha kg Nmin/ha kg Nmin/ha kg Nmin/ha <= 50 51 - 60 61 - 70 71 - 80 > 80 12 % 110 €/ha 13 % 70 €/ha 9% 50 €/ha 47 % 0 €/ha 0 19 % 150 €/ha Wasserwirtschaftliches Ziel zur Unterschreitung von 50 mg Nitrat/l ist ein Herbst Nmin-Wert von 35 kg Nmin/ha 29 Herbst Nmin und potentielle Belastung im Grundwasser kg Herbst Nmin/ha => Potentielle Sickerwasserbelastung mg NO3/l => Herbst Nmin (kg N/ha) * 443* Austauschhäufigkeit (hier: 1) = mg Nitrat/l Sickerwasserrate (hier: 350 mm) Mittelwerte aus 2014 (Kooperation) Herbst- NminWert Potentielle Sickerwasserbelastung Mais (konv.): 91 kg Nmin/ ha 115 mg Nitrat/l Getreide (konv): 59 kg Nmin/ ha 75 mg Nitrat /l Mais (öko.): 48 kg Nmin/ ha 61 mg Nitrat/l Getreide (öko): 26 kg Nmin/ ha 33 mg Nitrat/l 30 Vergleich konventioneller und ökologischer Landwirtschaft (alle Feldfrüchte) bezüglich der flächengewichteten HerbstNmin-Gehalte im Boden (2010 – 2014) Wasserwirtschaftlicher Zielwert = 35 kg Nmin/ha Daten erhoben von der LWK- Wasserschutzberatung, Stand Auswertung März 2014 31 Vergleich konventioneller und ökologischer Landwirtschaft (alle Feldfrüchte) bezüglich der flächengewichteten HerbstNmin-Gehalte im Boden und der hieraus berechneten Nitratkonzentration im Sickerwasser kg N min/ha Herbst Nmin-Wert Konzentration im Sickerwasser mg Nitrat/l mittlere konventionell ökologisch Konzentration konventionell ha ökologisch ha 2010 64 28045 38 985 81 48 80 2011 61 29765 41 806 77 52 77 2012 65 30355 35 1061 82 44 81 2013 59 34200 33 1410 72 42 71 2014 69 29501 40 975 90 51 89 63 37 80 47 79 Nmin-Daten erhoben von der LWK- Wasserschutzberatung, Stand Auswertung März 2014 32 Nitrat (mg/l) im oberflächennahen Grundwasser unter landwirtschaftlicher Nutzung (< 5 m u. GWOF) WW Thülsfelde, Großenkneten, Wildeshausen , Harpstedt und Holdorf 1994 - 2014 Trinkwassergrenzwert 50 mg Nitrat/l 33 Zusammenfassung • Böden sind multifunktional • Alle Funktion sind gleichberechtigt zu schützen - aber Defizite in der Umsetzung • Humus ist der wichtigste Funktionsträger der Bodenfruchtbarkeit • Stickstoff kann nur über den Humus bevorratet werden • Der Stickstoffgehalt im Humus ist düngerelevant zu berücksichtigen • Stickstoff (Nitrat) ist der Hauptpflanzennährstoff, kann im Boden nicht gehalten werden und wird bei entsprechenden Bedingungen in das Grundwasser ausgewaschen • Der Herbst Nmin-Wert ist die Schnittstelle zwischen Boden und Grundwasser • Der Herbst Nmin-Wert sollte für die Düngung zu einem verbindlichen Bewertungsparameter (Grenzwert) werden 34 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.