Gesundheitsmonitoring / Bestandssanierungsverfahren in der Schweinehaltung Dr. Stefan Gedecke Fachtierarzt für Schweine Himmelkron, 16.02.2011 Gesundheitsmonitoring Diagnostische Maßnahmen – Warum? ► An-/Abwesenheit von anzeige- und meldepflichtigen Tierseuchenerregern ► Diagnostische Abklärung von Bestandsproblemen ► An-/Verkaufsuntersuchung (Bestandsneuaufbau/-ergänzung, Besamungsstationen) - Erregerfreiheit ↔ Unverdächtigkeit ► diagnostische Abklärung des Bestandsgesundheitsstatus - regelmäßiges Screening aller relevanten Erreger in Abh. vom Gesundheitsstatus und Bestandsgröße ► Diagnostik als Hilfsmittel für strategische Behandlungskonzepte bzw. Bestandssanierungen Nachweis von Infektionserregern Erregernachweis Klinische Untersuchung - Klinisches Bild, Duplizität der Fälle - Vorraussetzung: Erfahrung des Tierarztes direkt - Kultur - PCR - Vorraussetzung: Erreger muss im Untersuchungsmaterial vorhanden sein Indirekt (Serologie) - Antigennachweis mit spezif. Antikörpern (AK) - Antikörpernachweis: Nachweis von AK - Vorraussetzung: Immunreaktion Nachweis von Infektionserregern Besonderheiten: Erregernachweis direkt Kultur: - falsche Entnahme falsch positiv - selten falsch positiv durch Kontamination PCR: - hohes Risiko einer Kontamination - Testanpassung an Erregervariationen - keine Aussage über Menge* und Vitalität * Nur mit quantitativer PCR möglich Indirekt (Serologie) AK variabel in Anstiegzeitraum und Dauer der Nachweisbarkeit negative Proben: - keine Infektion - nur lokale Immunantwort - AK-Titer unter Nachweisgrenze - Test nicht ausreichend sensitiv positive Proben: - Infektion - maternale AK - Impfung - Kreuzreaktion Nach STEVENSON 1999 und GROSSE BEILAGE 2000 Diagnostik im Schweinebestand Theoretische Grundsätze der Untersuchungsplanung Infektionsdiagnostik Geeignete Stichproben für das Untersuchungsziel Infektionsdiagnostik Geeignete Stichproben für das Untersuchungsziel Infektionsdiagnostik Geeignete Stichproben für das Untersuchungsziel Ziel der Untersuchung Proben Nachweis bzw. Ausschluss der Infektion im Bestand Erkrankte bzw. gefährdete Tiere Monitoring von Seroprävalenzen Zufällig gewählte Stichproben, serologisches Profil Überwachung der Impfung (Impfantikörper nachweisbar?) Zufällig gewählte Stichprobe von Impflingen 1. vor Impfung 2. frühestens 3 Wochen nach Impfung Infektionsdiagnostik Stichprobenumfang: Anzahl der Tiere gesamt Prävalenz: Anteil infizierter Tiere an der Gesamtpopulation 5% 10 % 20 % 50 % 300 54 28 13 5 500 56 28 14 5 1000 57 29 14 5 3000 58 29 14 5 Je niedriger die Prävalenz, desto größer die erforderliche Stichprobengröße und umgekehrt Nachweis von Infektionserregern Serokonversion und Persistenz von Antikörpern: Erreger Methode Frühestmöglicher Nachweis der Serokonversion (Tage) PCV-2 ELISA 14-28 PRRSV ELISA 7-10 PPV HAH 4-8 SIV HAH 7-10 Leptospiren MAT 7-10 APP KBR 10-14 M. hyo ELISA 7-28 Nach SCHÖNBERG 1984, STEVENSON 1999 und GROSSE BEILAGE 2000 Nachweis von Infektionserregern Serokonversion und Persistenz von Antikörpern: Erreger Methode Frühestmöglicher Nachweis der Serokonversion (Tage) PCV-2 ELISA 14-28 bis 6? PRRSV ELISA 7-10 bis 5 PPV HAH 4-8 12-24 SIV HAH 7-10 bis 16 Leptospiren MAT 7-10 bis 8 APP KBR 10-14 bis 10 M. hyo ELISA 7-28 bis 9 Nach SCHÖNBERG 1984, STEVENSON 1999 und GROSSE BEILAGE 2000 Maximale Nachweisdauer passiv übertragener AK (Wochen) Nachweis von Infektionserregern Serokonversion und Persistenz von Antikörpern: Erreger Methode Frühestmöglicher Nachweis der Serokonversion (Tage) PCV-2 ELISA 14-28 bis 6? bis 6? PRRSV ELISA 7-10 bis 5 bis 11 PPV HAH 4-8 12-24 ? SIV HAH 7-10 bis 16 bis 6 (18) Leptospiren MAT 7-10 bis 8 bis 11 APP KBR 10-14 bis 10 bis 6 M. hyo ELISA 7-28 bis 9 bis 12 Nach SCHÖNBERG 1984, STEVENSON 1999 und GROSSE BEILAGE 2000 Maximale Nachweisdauer passiv übertragener AK (Wochen) Maximale Nachweisdauer aktiv gebildeter AK (Monate) Gesundheitsmonitoring - Bestandssanierung betriebsbedingte Überlegungen Schäden durch krankheitsbedingte Leistungsdepression erhöhte Aufwendungen für Arzneimittel/Impfsera und/oder Arbeitszeit zur Applikation (v.a. Tiefpreisphasen) Reduzierung von Behandlungen (AM-Recht, Verbraucherschutz) Erhöhung des Gesundheitsstatus (v.a. in Tiefpreisphase) Bestandssanierung Neben der Freiheit von Tierseuchen ist es möglich, die Tierbestände von folgenden wirtschaftlich bedeutsamen Erregern freizuhalten: • PRRSV • M.hyo • APP • toxinogene Pasteurellen • Br. hyodysenteriae • Räude • Salmonellen (keine oder geringe Prävalenz) Bestandssanierung Maßnahmen zur Erhöhung des Gesundheitsstatus: Depopulation/Repopulation Eliminierung von einem oder mehreren Erregern in bestehenden Produktionssystemen (Sanierung) möglich: Räude, PRRSV, M.hyo fragwürdig: APP, toxinogene Pasteurellen und Dysenterie betriebliche bzw. überbetriebliche Impf- oder Metaphylaxeprogramme??? Veterinärmedizinische Fragestellung Depopulation / Repopulation Erregereliminierung / -sanierung Behandlungen / Impfprogramme Welche der verschiedenen Möglichkeiten zur Erhöhung des Gesundheitsstatus sind möglich und welche sind sinnvoll? Beispiele aus der Praxis Betrieb 1: 1250 Zuchtsauen im geschlossenen System ein Standort, isolierte Lage Wochenrhythmus, 3-Wochen Säugezeit bisherige Impfungen: Sauen: - PPV (Abferkelung), PRRS (6&60) Ferkel: - M.hyo, APP (preisbedingt vor 13 Monaten eingestellt, jetzt Medikation Tilmicosin) Probleme: Beispiele aus der Praxis Flatdeck: Mast: - kümmern - ~4-6 % Verluste - respiratorische Probleme - PDNS - ~8-10 % Verluste - respiratorische Probleme - schlechte Zunahmen & Futterverwertung - Durchfallgeschehen - Kannibalismus/Flankenbeißen - Kannibalismus Beispiele aus der Praxis Betrieb 2: 650 Zuchtsauen direkt angeschlossener Mastbetrieb, Abnahme aller Tiere ein Standort, isolierte Lage 14-Tage-Rhythmus, 3-Wochen Säugezeit bisherige Impfungen: Sauen: - PPV (Abferkelung), PRRS (6&60) Ferkel: - M.hyo Probleme: Beispiele aus der Praxis Flatdeck: Mast: - ~2-3 % Verluste - ~6-8 % Verluste - respiratorische Probleme - schlechte Zunahmen & Futterverwertung - PDNS - unausgegl. Wachstum, Kümmerer - Flankenbeißen - geringe tägl. Zunahmen - ggr. Ohrenspitzenbeißen Beispiele aus der Praxis Betrieb 3: Ferkelerzeugung mit 500 Zuchtsauen, Teilmast umliegende Mast- & Ferkelerzeuger mit unbekanntem Gesundheitsstatus 14-Tage-Rhythmus, 3-Wochen Säugezeit bisherige Impfungen: Sauen: - PPV (Abferkelung), PRRS (6&60), PCV-2 (bis vor 8 Monaten) Ferkel: - M.hyo, PCV-2 (Beginn am Ende der Sauenimpfung) Probleme: Beispiele aus der Praxis Flatdeck: Mast: - ~5-6 % Verluste - respiratorische Probleme - geringe tägl. Zunahmen - Kümmerer - Durchfallgeschehen - ~8-10 % Verluste - respiratorische Probleme - schlechte Zunahmen & Futterverwertung - unausgegl. Wachstum, Kümmerer - Durchfallgeschehen Beispiele aus der Praxis FS: Ferkelstall Zusammenfassung der klinischen und weiterführenden Untersuchungen Betrieb 2 Betrieb 1 FS Mast FS Mast Betrieb 3 FS Mast PRRS (EU-Typ) + + +/- + + + M. hyo + + + + + + PCV-2 +/- + +/- + + + H. parasuis - + - - + + Lawsonien + + + + + + Br. hyodysenteriae +/- + - - - - APP + + - - - - Viele verschiedene Erreger vorhanden! Welche weiteren Maßnahmen sind möglich? welche sinnvoll? Was ist veterinärmedizinisch weiterhin zu beachten? Veterinärhygienische Absicherung Folgende Punkte sind bei der Planung der weiteren Vorgehensweise zu beachten Lage des Betriebes - Autobahn, Fernverkehrsstraßen - Schlachthöfe, TKBA Aufzucht Veterinärhygienische Absicherung Folgende Punkte sind bei der Planung der weiteren Vorgehensweise zu beachten Lage des Betriebes - Autobahn, Fernverkehrsstraßen - Schlachthöfe, TKBA bauliche Vorraussetzungen - Schwarz-Weiß-Trennung - Verladerampen Veterinärhygienische Absicherung Folgende Punkte sind bei der Planung der weiteren Vorgehensweise zu beachten Lage des Betriebes - Autobahn, Fernverkehrsstraßen - Schlachthöfe, TKBA bauliche Vorraussetzungen - Schwarz-Weiß-Trennung - Verladerampen aerogene Infektionen Aufzucht - schweinehaltende Betriebe - ausgelagerte Aufzucht Maststall Sauen Maststall Veterinärhygienische Absicherung Folgende Punkte sind bei der Planung der weiteren Vorgehensweise zu beachten Lage des Betriebes - Autobahn, Fernverkehrsstraßen - Schlachthöfe, TKBA bauliche Vorraussetzungen - Schwarz-Weiß-Trennung - Verladerampen aerogene Infektionen - schweinehaltende Betriebe - ausgelagerte Aufzucht Management - konsequente Umsetzung der Maßnahmen (Reinigung, Desinfektion, Fütterung...) - kompetentes Personal bzw. gezielte, genaue Anweisungen an das Personal Beispiele aus der Praxis Betrieb 1: 1250 Zuchtsauen im geschlossenen System ein Standort, isolierte Lage Erreger: PRRS M. hyo PCV-2 Hämophilus parasuis Lawsonien Brachyspiren APP Möglichkeiten: ? Depopulation / Repopulation ? Erregereliminierung / -sanierung ? Behandlungen / Impfprogramme Depopulation / Repopulation Betrieb 1 Vorraussetzungen: Absicherung von Tierzukauf und Spermabezug mit entsprechendem Gesundheitsstatus nach der Sanierung Bestandsräumung ist exakt zu terminieren Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen sind komplex zu organisieren und abzusichern; Hinzuziehen von Spezialfirmen Reparatur-, Wartungs- und Modernisierungsmaßnahmen sind während der Leerphase durchzuführen Beispiele aus der Praxis Betrieb 2: 650 Zuchtsauen ein Standort, isolierte Lage Erreger: PRRS M. hyo PCV-2 Lawsonien bislang keine Sanierungsmöglichkeit bekannt Möglichkeiten: ? Depopulation / Repopulation alle Möglichkeiten durchführbar ? Erregereliminierung / -sanierung ? Behandlungen / Impfprogramme Empfehlung: M. hyo & PRRS-Eliminierung Erregereliminierung Betrieb 2 Vorraussetzungen: Absicherung von Tierzukauf und Spermabezug mit entsprechendem Gesundheitsstatus nach der Sanierung Anlagenbesitzer, Betriebsleiter und sonstige Mitarbeiter unterstützen das Vorhaben in vollem Umfang räumliche Trennung von Tiergruppen und/oder Babyferkelverkauf notwendig (tierseuchenhygienische Absicherung des Auslagerungsstandortes!!!) Absetzalter nicht über 21 Tage stabile Sauenherde - Impfprogramme oder Immunität durch schnelle Durchseuchung - diagnostische Absicherung durch Serumprofile, Produktionskennzahlen, klinische Untersuchung Absicherung einer adäquaten Medizinierung (Altersgruppen, Dosierungen, Applikation) Erfolgskontrolle (Diagnostik bei Bestandstieren und Sentinels) Beispiele aus der Praxis Betrieb 3: Ferkelerzeugung mit 500 Zuchtsauen, Teilmast umliegende Mast- & Ferkelerzeuger mit unbekanntem Gesundheitsstatus Erreger: PRRS M. hyo PCV-2 Hämophilus parasuis Lawsonien Möglichkeiten: ? Depopulation / Repopulation ? Erregereliminierung / -sanierung ? Behandlungen / Impfprogramme Behandlungsvorschlag Betrieb 3 Geburt 100. T-Tag LT. 14 Sauen 80. T-Tag HPS I PPV + PRRS (+ 60. T-Tag) HPS II Geburt LT. 3 LT. 14 LT. 21 Zähne schleifen + Schwänze kupieren Kastration + Eisen PRRS M. hyo + PCV-2 + Absetzen Ferkel LT. 1 Vakzinierung PRRS (Sauen + Ferkel), PCV-2, M. hyo alternativ: Kombivakzine M. hyo / HPS bzw. antibiotische Behandlung der Saugferkel LW.1 Fazit Eine genaue Analyse des Betriebes in seiner spezifischen Situation erfordert - die Auswahl eines sinnvollen Maßnahmenkonzeptes / Verfahrens (Diagnostik-Erregerspektrum) - die Einbeziehung sämtlicher Entscheidungsträger - die Erstellung eines zeitlich exakten Ablaufplanes Eine Bestandssanierung erfordert meistens auch eine Neuorganisation vieler innerbetrieblicher Abläufe Kommunikation und präzise Anweisungen hinsichtlich der neuen Bestandssituation für alle Mitarbeiter Tierseuchenhygienische Absicherung sämtlicher innerbetrieblicher Prozesse und aller Außenkontakte ist unabdingbar für die langfristige Erhaltung des Sanierungserfolges Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit