Differenzierte Wohn- und Arbeitsformen für Erwachsene mit Beeinträchtigung Konzept Partnerschaft und Sexualität Inhaltsverzeichnis Einleitung��������������������������������������������������������������������� 2 Zielsetzung������������������������������������������������������������������ 2 Grundhaltung der Institution.......................................... 2 Anforderungen an das Personal..................................... 3 Sexualität im Betreuungsalltag/Betreuungsaufgaben...... 3 Sexualassistenz/Prostitution.......................................... 5 Zusammenarbeit extern/gesetzliche Vertretung.............. 6 Verhütung/Schutz vor Krankheiten/Sterilisation.............. 6 Kinderwunsch, Schwangerschaft, Ehe........................... 7 Sexuelle Ausbeutung..................................................... 7 Umsetzung������������������������������������������������������������������ 7 Eugen-Huber-Strasse 19a Postfach 8048 Zürich [email protected] www.wohnstaetten.ch Telefon 044 439 33 33 Von der ZEWO als gemeinnützig anerkannt 2 Differenzierte Wohn- und Arbeitsformen für Erwachsene mit Beeinträchtigung Einleitung Die wohnstätten zwyssig bieten in allen Lebensphasen individuelle Wohn- und Arbeitsformen für erwachsene Menschen mit primär geistiger Beeinträchtigung an. Das Angebot ist auf grösstmögliche Selbständigkeit und Eigenverantwortung ausgerichtet. Partnerschaft, Liebe und Sexualität sind wesentliche Lebensbereiche eines jeden Menschen. Es sind existen‑ tiell wichtige Ausdrucksformen der menschlichen Grundbedürfnisse nach Beziehungen, Zugehörigkeit und Geborgenheit einerseits sowie der Befriedigung sexueller Bedürfnisse andererseits und tragen zu einem erfüllten Leben bei. Ausgehend von den Rechten der Menschen mit Beeinträchtigung (Art.10 BV. BGE 115 1a 246) sprechen wir unseren Bewohnerinnen und Bewohnern das grundsätzliche Recht auf Partnerschaft, Liebe und Sexualität explizit zu. Sie sollen in den wohnstätten zwyssig die Gelegenheit haben, ihre Freundschaften, Partnerschaften und ihr sexuelles Leben, ihrem Alter und ihren Möglichkeiten entsprechend, zu gestalten. Damit das gelingen kann, sind Menschen mit einer Beeinträchtigung jedoch, mehr noch als Menschen ohne Beeinträchtigung, auf Unterstützung ihres Umfeldes angewiesen. Sexualagogisches Arbeiten stellt hohe Anforderungen an die Mitarbeitenden. In den wohnstätten zwyssig legen wir grossen Wert darauf, dass die Begleitung der Bewohnerinnen und Bewohner fachlich fundiert geschieht. Nachfolgendes Konzept vermittelt keine Patentrezepte zu Fragen von Beziehung, Partnerschaft und Sexualität, sondern zeigt unsere Grundhaltung zu diesen Themen auf und soll zur Klärung von Fragen und Unsicherheiten beitragen. Eine transparente Haltung gegenüber Bewohnerinnen und Bewohnern, Mitarbeitenden, Eltern und gesetzlichen Vertretungen soll Sicherheit geben und einen präventiven Beitrag leisten, z.B. zum Schutz vor sexueller Ausbeutung. Weitere Grundsätze im Umgang mit den Bewohnerinnen und Bewohnern sind im Betriebs- und Betreuungskonzept der wohnstätten zwyssig ausführlich beschrieben. Dieses Konzept gilt für alle Bereiche der wohnstätten zwyssig. Für die Umsetzung des Konzepts sind die Leitung und die Betreuung der Wohnbereiche verantwortlich. Zielsetzung Das vorliegende Konzept zu den Themen Partnerschaft, Beziehung und Sexualität gilt als Richtlinie im Betreuungs-, Pflege- und Arbeitsalltag der wohnstätten zwyssig. Ziel unseres sexualagogischen Arbeitens ist es, die individuelle Förderung sexueller Gesundheit (Definition WHO), bestmöglich zu erreichen. Dies beinhaltet, neben der Förderung von Beziehungen, Partnerschaft und Sexualität, auch ein Verhindern allfälliger, ungeplanter Schwangerschaften, den Schutz vor sexuell über‑ tragbaren Krankheiten und sexueller Ausbeutung. Grundhaltung der Institution Es gibt keine feststehende Definition von Sexualität, die für alle Menschen zutrifft. Sie bedarf vielmehr der individuellen Gestaltung durch die einzelne Person und umfasst nicht-genitale (z.B. Sinnlichkeit, Zärtlichkeit), wie genitale Sexualität. Wir akzeptieren ohne zu werten, alle Formen und Ausdrucksweisen der individuellen, sexuellen Entwicklung und Orientierung unserer Bewohnerinnen und Bewohner auf allen Altersstufen. Grenzen der Akzeptanz sind dann gegeben, wenn Persönlichkeitsrechte verletzt werden, Gewalt ausgeübt wird (*), Ausnutzung besteht oder mutwillig eine ungewollte Schwangerschaft oder HIV-Infektion riskiert wird. Männer und Frauen besitzen in der Sexualität die gleichen Rechte. (*) Die Formen sexueller Gewalt und sexueller Übergriffe und das Vorgehen der Institution in solchen Situationen, sind im Konzept «Gewalt und sexuelle Übergriffe» beschrieben. 3 Differenzierte Wohn- und Arbeitsformen für Erwachsene mit Beeinträchtigung Unsere Bewohnerinnen und Bewohner haben einen Anspruch auf einen wertschätzenden Umgang sowie auf möglichst grosse Eigenständigkeit und Selbstbestimmung. Dazu gehört auch das Respektieren ihrer Privatund Intimsphäre. Die wohnstätten zwyssig bieten aus diesem Grund ausschliesslich Einerzimmer an. Dieser private Raum sichert die Intimität im Umgang mit sich selbst und mit Intimpartnern. So besteht beispielsweise die Verpflichtung, vor dem Betreten eines Zimmers immer anzuklopfen und die Aufforderung zum Eintreten abzuwarten. In allen Wohnformen achten wir auf eine gemischt‑ geschlechtliche Zusammensetzung. So sollen alle Bewohnerinnen und Bewohner der wohnstätten zwyssig die Möglichkeit haben, Menschen des anderen Geschlechts im täglichen Umgang zu erfahren und sich selbst als Mann oder Frau zu begreifen. Partnerschaftliches Wohnen ist in allen Wohnformen möglich. Anforderungen an das Personal Sexualagogische Betreuung/Begleitung stellt hohe Anforderungen an das Betreuungspersonal. Neben dem Verfügen über ein gewisses Grundfachwissen setzt sie eine Auseinandersetzung mit eigener und fremder Geschlechtlichkeit (Selbstreflexion) sowie eine Enttabuisierung von Sexualität und eine Offenheit in Bezug auf Partnerschaften voraus. Themen der Sexualität, Beziehung und Partnerschaft bei Menschen mit einer Beeinträchtigung gestalten sich oftmals schwierig. Mitarbeitende müssen sich z.B. auseinandersetzen mit: • U nerfüllten Partnerschaftswünschen/Schwierigkeiten, eine Beziehung aufzubauen/einzugehen • D efiziten der Körper- und Sexualaufklärung • Auffälligem Sexualverhalten (z.B. Exhibitionismus) • S exueller Ausbeutung (Opfer/Täter) • etc. Sexualagogische Begleitung von Menschen mit einer Beeinträchtigung muss im Alltag integriert sein, da Menschen mit einer Beeinträchtigung viel mehr Verdeut‑ lichung, Anschaulichkeit und Wiederholung benötigen, als dies bei Normalbegabten der Fall ist. Zu den Aufgaben der Mitarbeitenden gehört die Umsetzung aller Auf‑ gabenbereiche, welche auf den nachfolgenden Seiten beschrieben sind. Dabei ist für Mitarbeitende wichtig zu erkennen, wo allfällige Grenzen in der eigenen Arbeitsweise sind, bei welchen Hilfe angefordert werden muss (zum Beispiel in Form von Sexualberatung, sexualagogischer Fremdberatung oder in Form eines Gesprächs mit dem/der Vorgesetzten). Themen der Sexualität werden regelmässig im Team ausgetauscht, besprochen und dokumentiert. Sofern nötig werden Informationen, unter Einhaltung der Schweigepflicht und der Persönlichkeitsrechte, an weitere Stellen weitergegeben, z.B. Leitung Bereich, Angehörige, Arzt etc. 4 Differenzierte Wohn- und Arbeitsformen für Erwachsene mit Beeinträchtigung Sexualität im Betreuungsalltag/ Betreuungsaufgaben Wir begleiten die Bewohnerinnen und Bewohner in der Gestaltung ihres Sexuallebens, ihren Partnerschaften und Beziehungen. In Anlehnung an den Medizinethiker SPORKEN unterteilen wir Sexualität in drei Bereiche und richten danach unsere Betreuungsaufgaben aus: Äusserer Bereich Er umfasst allgemeine Verhaltensweisen gegenüber Mitmenschen sowie das Entwickeln der Identität als erwachsene Frau oder als erwachsener Mann. Aufgaben der Betreuungsarbeit: • Körperwahrnehmung vermitteln • Beratung und Begleitung in der Körperpflege, in Kleiderfragen und Kosmetik • die Bewohnerinnen und Bewohner als erwachsene, geschlechtsreife Menschen ernst nehmen und dementsprechend behandeln • das Fördern von sinnlichem Genuss allgemein • ihre Freiräume und Intimbereiche respektieren • Kontakte zu Mitmenschen ermöglichen (zu Männern und Frauen; auch zu nicht beeinträchtigten Personen) • anleiten zu angemessenem Verhalten im Umgang mit anderen Personen sowie vermitteln eines ange messenen Verhältnisses zwischen Nähe und Distanz Mittlerer Bereich Er umfasst Freundschaften, Gefühle, Zärtlichkeit und Erotik. Aufgaben der Betreuungsarbeit: • D iskussionen und Auseinandersetzung über die Rollen von Mann und Frau in der Gesellschaft und über verschiedene «Bilder» von Partnerschaften • U nterstützung bei der Lösung von Problemen der Beziehungsfähigkeit, u.a. Hilfe für Bewohnerinnen und Bewohner, die gerne eine Partnerschaft aufbauen würden, aber keine Partnerin oder keinen Partner finden, sei dies aus Gründen der Beeinträchtigung oder aufgrund psychosozialer Probleme • U nterstützung beim Aufbau und bei der Pflege einer Partnerbeziehung durch Besuche, Telefonate, Einladungen, etc • H ilfe bei der Lösung von Problemen und Krisen innerhalb der Partnerschaft • U nterstützung bei der Lösung von Problemen im Umfeld der Partnerschaft, z.B. Vermittlung bei fehlender Akzeptanz durch Angehörige, mit gleich‑ zeitigem Miteinbezug der Angehörigen und gesetzlichen Vertretungen (s. Kapitel Schwangerschaftsverhütung, Kinderwunsch) • B ehandlung von Themen der sexuellen Gewalt und sexueller Belästigung (auch Handypornographie, Gefahren des Internet, usw.) • H ilfeleistungen, damit die Bewohnerinnen und Bewohner ihren Gefühlen Ausdruck geben können, z.B. durch angepasste Gespräche (Unterstützung durch Gebärden, Körpersprache, Rollenspiele, anatomische Puppen, Bücher usw.) 5 Differenzierte Wohn- und Arbeitsformen für Erwachsene mit Beeinträchtigung Engerer Bereich Er umfasst Selbstbefriedigung, Petting und Geschlechtsverkehr. Aufgaben der Betreuungsarbeit: • Körper- und Sexualaufklärung, u.a. über die bio‑ logische Entwicklung, über den Geschlechtsverkehr und andere Formen der Sexualität, über Verhütung (s. Kapitel Schwangerschaftsverhütung) und die Übertragung von Krankheiten beim Geschlechtsverkehr • U nterstützung der persönlichen Gestaltung der Sexualität und der Entwicklung eines individuellen Geschmacks in der Partner-/Partnerinnenwahl • Förderung einer positiven Einstellung der Sexualität bei gleichzeitiger Anleitung zur Rücksichtnahme. • B ei der Selbstbefriedigung beschränkt sich die Betreuungsaufgabe darauf, den Bewohnerinnen und Bewohnern die Selbstbefriedigung in einer geschützten Weise zu ermöglichen bzw. die betreffende Person dazu anzuhalten, dies an einem passenden Ort zu tun. Das Vermitteln von entsprechendem Hintergrundwissen kann ebenfalls dazu gehören. Dabei können auch Hilfestellungen* angeboten werden (z.B. hilfreiche Lagerungen im Bett, technische Hilfsmittel, usw.) • Auch schwerbehinderten Menschen, welche Windeln tragen, die Möglichkeiten bieten, ihre Genitalien zu erforschen • H ilfe beim Treffen von Vereinbarungen, wo und allenfalls wie sexuelle Bedürfnisse befriedigt werden können Sexualassistenz/Prostitution Gelebte Sexualität mit Unterstützung von Sexualassistenz Sexualassistenten und Sexualassistentinnen bieten Beratung, Gespräche, Zuwendung, Zärtlichkeit, Berührungen und konkrete Hilfestellungen am Körper an, mit dem Ziel, Menschen mit einer Beeinträchtigung den Umgang mit dem eigenen Körper zu lehren und ihnen sinnliche Erlebnisse zu ermöglichen. Um den Schutz der Intimsphäre der Bewohnerinnen und Bewohner zu gewährleisten, sind die Leistungen der Sexualassistenz in der Regel ausserhalb der wohnstätten zwyssig wahrzunehmen. Die Unterstützung durch externe Sexualassistenz wird durch die Mitarbeitenden der wohnstätten zwyssig dann vermittelt, wenn: • D as Bedürfnis nach Sexualität nicht oder nur mit Mühe gelebt werden kann, zum Beispiel, wenn Einschränkungen intellektueller oder körperlicher Art sowie Sinnesstörungen dies verhindern, eine grosse Not wahrgenommen wird oder die Erfahrung fehlt • d ie Betreuung im Rahmen ihrer Aufgabe feststellt, dass Betreute die Grenze zwischen der Pflege/ Betreuung und ihren sexuellen Bedürfnissen nicht wahren können (zum Beispiel bei der Körperpflege) Gelebte Sexualität durch Prostitution Die wohnstätten zwyssig nehmen gegenüber Prostitution auch eine kritische Haltung ein (und vermitteln diese), da Prostitution häufig mit inakzeptablen zwischenmenschlichen Erscheinungen wie Ausbeutung, Gewalt und Menschenhandel usw. verbunden ist. Im Umgang mit Prostitution als gesellschaftliches Phänomen hat die Institution jedoch gerade deshalb eine besondere Verantwortung in der Begleitung von Bewohnern und Bewohnerinnen. Wird der Wunsch eines Besuchs von Prostituierten durch die Betreuten geäussert, bestehen die Betreuungs‑ aufgaben(**) darin, diese ausführlich zu beraten und allenfalls Hilfeleistungen bei der Organisation, z.B. des Begleit- bzw. Fahrdienstes, sowie der Abklärung der Finanzierung des Vorhabens, zu leisten. Wichtig ist dabei auch das Ansprechen allfällig damit verbundener Gefahren (beispielsweise der Schutz vor Krankheiten oder Ausnutzung) sowie auf die Einhaltung von «Fairness» zu achten. Es gilt von Fall zu Fall abzuwägen, wo das vorgängige Orientieren der Angehörigen sowie der gesetzlichen Vertretung notwendig ist. Grundsätzlich bevorzugen wir, wo immer möglich, die Angebote der Sexualassistenz (kontrolliertes Angebot). (*) Direkte Hilfestellungen («Handanlegen») durch Betreuungspersonen gelten als sexuelle Handlungen und sind zwingend zu unterlassen. (**) Diese Betreuungsaufgaben können auch an andere Mitarbeitende des Teams oder an die interne Sexualberatung delegiert werden. 6 Differenzierte Wohn- und Arbeitsformen für Erwachsene mit Beeinträchtigung Zusammenarbeit extern/ gesetzliche Vertretung Verhütung/Schutz vor Krankheiten/Sterilisation Im Aufnahmeverfahren werden Eltern bzw. gesetzliche Vertretungen darauf aufmerksam gemacht, dass ein Mensch mit einer Beeinträchtigung das Recht (s. Grundrecht, S. 3) auf eine eigene Sexualität hat. Mit dem Eintritt in unsere Institution erklären sich Eltern/gesetzliche Vertretung mit diesem Grundsatz einverstanden. Verhütung Wir haben Verständnis dafür, dass das Anerkennen der eigenen Sexualität der Tochter/des Sohnes mit einer Beeinträchtigung für die Eltern nicht immer einfach ist. Denn zum einen werden die Eltern mit dem Auftreten sexueller Wünsche und Bedürfnisse ihrer Söhne und Töchter stark mit deren Erwachsensein konfrontiert, ein Prozess, der sehr schmerzhaft sein kann, und zum anderen werden Ängste geweckt, z.B. vor sexueller Ausbeutung, oder davor, dass die Tochter bzw. der Sohn mit Beeinträchtigung Nachwuchs zeugen könnte. Dieser Prozess benötigt unter Umständen von allen Beteiligten viel Zeit und Verständnis in der Auseinandersetzung. Gerade im Bereich der Sexualität ist es für das Betreuungs‑ personal wichtig, die Balance zwischen der Wahrung der Intimsphäre des betreuten Menschen (es sind Erwachsene) und einer angemessenen Offenheit gegenüber den Eltern/der gesetzlichen Vertretung zu finden. Das Ansprechen der Themen Sexualität und Partnerschaft sind gegebenenfalls fester Bestandteil der jährlichen Standortbestimmungen. Es wird auf individuelle Situationen und auf den kulturellen Hintergrund der betreuten Person und ihres Umfeldes Rücksicht genommen. Die gesunde psychosexuelle Entwicklung der betreuten Person bleibt jedoch an erster Stelle. Bereits bei Eintritt in die wohnstätten zwyssig wird das Thema Verhütung angesprochen. Dabei werden die Grenzen und Möglichkeiten der Institution transparent gemacht. Sexualität ist etwas sehr Individuelles und kann auf ganz unterschiedliche Art und Weise gelebt werden. Nicht immer setzt eine betreute Person Sexualität mit Genital‑ sexualität gleich. Ein wesentlicher Bestandteil unserer sexualagogischen Begleitung im Alltag besteht darin, genau hinzuhören und aufzunehmen (und nicht von unseren eigenen Vorstellungen auszugehen), welche Wünsche und Vorstellungen die Betreuten haben. Ist die Penetration (z.B. das Eindringen des Gliedes in die Scheide) ein Thema, werden Verhütungsmassnahmen, begleitet von Beratungs- und Aufklärungsgesprächen, besonders wichtig. Gemeinsam mit einer Gynäkologin/ einem Gynäkologen bzw. einem Urologen werden im Gespräch mit dem Bewohner oder der Bewohnerin die geeigneten, vorübergehenden oder dauerhaften Verhütungsmassnahmen besprochen. Dabei ist darauf zu achten, dass eine korrekte Anwendung der empfängnisverhütenden Massnahmen gewährleistet werden kann. Besteht die Vermutung, dass eine Bewohnerin/ein Bewohner sexuell aktiv ist ohne verhüten zu wollen, kann die Institution keine Verantwortung dafür übernehmen. Da eine allfällige Elternschaft immer auch das Umfeld einer betreuten Person betrifft, muss dieses miteinbe‑ zogen werden. Gemeinsam mit der Bewohnerin/dem Bewohner werden deren Eltern und/oder gesetzlichen Vertretern über die Situation in Kenntnis gesetzt. Allenfalls wird eine schriftliche Vereinbarung, welche die Kenntnisnahme der aktuellen Situation bestätigt, abgeschlossen. 7 Differenzierte Wohn- und Arbeitsformen für Erwachsene mit Beeinträchtigung Schutz vor Krankheiten Schwangerschaft Besonders wichtig erscheint uns das Bewusstsein, dass Kondome nicht nur zum Zweck der Verhütung eingesetzt werden, sondern auch vor Krankheiten schützen (z.B. AIDS). Um sexuell übertragbaren Krankheiten vorzubeugen, arbeiten die wohnstätten zwyssig präventiv, in Form von Wissensvermittlung (z.B. Kondomtraining) und indivi‑ dueller Aufklärung. Männer und Frauen sind in den wohnstätten zwyssig gleichermassen für die Verhütung verantwortlich. Eine Vaterschaftsverhütung stellt ein gleichberechtigtes Thema dar und wird aktiv thematisiert und begleitet. Bei einer Schwangerschaft begleiten wir die Frau oder das Paar und deren Umfeld und suchen gemeinsam, innerhalb- oder ausserhalb der wohnstätten zwyssig, nach Lösungen. Grundsätzlich sind wir in den wohnstätten zwyssig für Familien und Mutter/Kindbetreuung jedoch nicht eingerichtet. Sterilisation Eine Sterilisation (bzw. Vasektomie) ist nur unter strengen, genau definierten Bedingungen* und nur mit der Zustimmung der gesetzlichen Vertretung möglich. (*) Richtlinien der «Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften» Kinderwunsch, Schwangerschaft, Ehe Kinderwunsch Menschen mit einer Beeinträchtigung sind von einer Elternschaft nicht ausgeschlossen. Den Umgang mit dem Kinderwunsch und dessen allfälligen Erfüllung oder Nichterfüllung müssen wir individuell begleiten. Wenn eine Frau und ein Mann mit einer Beeinträchtigung den Wunsch äussern, ein Kind zu bekommen, so ist dieser Wunsch ernst zu nehmen. Dabei achten wir darauf, dass wir das Umfeld (Eltern, gesetzliche Vertretungen) in den Prozess miteinbeziehen. Gemeinsam klären wir ab, welche Vorstellungen die Betreuten mit diesem Wunsch verbinden. Besteht der Wunsch nach Nähe? Oder möchten sie mehr Verantwortung übernehmen? Soll damit ein Zeichen gesetzt werden, dass sie sich erwachsen fühlen? Vielleicht steht der Kinderwunsch für andere Bedürfnisse. Auch sind mit dem Paar Wege zu finden, damit sie sich ein möglichst realistisches Bild der Anforderungen, welche die Kindererziehung stellt, machen können; zum Beispiel, indem sie in einer Familie oder Kinderkrippe den Alltag mit Kindern erleben können. Ehe Die Frage der Ehefähigkeit wird in Art. 94 des Zivilgesetzbuches (ZGB) geregelt. Voraussetzung für eine Eheschliessung ist demnach das zurückgelegte 18. Altersjahr sowie die Urteilsfähigkeit beider Partner. Entmündigte Personen können die Ehe nur mit Einwilligung der gesetzlichen Vertretung eingehen. Sexuelle Ausbeutung Der Schutz vor sexueller Ausbeutung geniesst in den wohnstätten zwyssig höchste Priorität und wird in einem separaten Präventions- und Interventionskonzept geregelt. Eine aktive Sexualaufklärung unserer Betreuten gehört jedoch zum Basisprogramm der präventiven Massnahmen von sexueller Ausbeutung. 8 Differenzierte Wohn- und Arbeitsformen für Erwachsene mit Beeinträchtigung Umsetzung Interne Sexualberatungsstelle Grundsätzlich sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiten für die Umsetzung des Konzeptes Partnerschaft und Sexualität verantwortlich. Zu deren Unterstützung besteht für Mitarbeitende in den wohnstätten zwyssig die Möglichkeit, kostenlos eine interne Sexualberatungsstelle(*) aufzusuchen, um sich zu allen im Alltag auftretenden Fragen zu den Themen Beziehung, Partnerschaft und Sexualität, beraten zu lassen. Aufgaben können nach Absprache auch an diese delegiert werden. Es besteht die Möglichkeit, diverse Materialien, Bücher, Filme, usw., welche zur Umsetzung sexualagogischer Arbeit notwenig sind, durch die Sexualberatungsstelle auszuleihen. Bewohnerinnen und Bewohner können sich mit ihren Anliegen und Fragen zu Partnerschaft und Sexualität an ihre Bezugspersonen oder an die interne Sexualberatungsstelle wenden oder sich an eine externe Sexualberatung überweisen lassen (die Kosten dafür müssen selbst getragen werden). (*) wird von einer ausgebildeten Fachkraft in Sexualberatung geführt. Eine interne Arbeitsgruppe «Sexualität», welche aus Vertreterinnen und Vertretern aller Bereiche (inkl. Leitung und Sexualberatung) besteht, trifft sich in regelmässigen Abständen und hat die Aufgabe, ihren Arbeitsbereich zu vertreten, allfällige Problemstellungen in die Arbeitsgruppe einzubringen und aktiv am Erarbeiten von Lösungen mitzuarbeiten. Externe Sexualberatungsstelle In regelmässigen Abständen finden von externen Fachpersonen durchgeführte Weiterbildungen zu den Themenbereichen Beziehungen, Partnerschaft und Sexualität/sexuelle Ausbeutung, statt. Diese werden von der Arbeitsgruppe «Sexualität» organisiert. Bei Bedarf arbeiten wir mit externen Fachstellen und Fachpersonen (Nottelefon, Limita, Forio, Ziss, usw.) zusammen. Externe Fachberatungen für Mitarbeitende müssen beantragt werden. Qualitätskontrolle Dieses Konzept wird an alle Mitarbeitenden bei Stellenantritt abgeben. Die jeweiligen Vorgesetzten sind für die Umsetzung verantwortlich.